Feministisches Geo-RundMail - Themenheft: Trans* und queere Perspektiven - Gender Campus

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Feministisches Geo-RundMail - Themenheft: Trans* und queere Perspektiven - Gender Campus
Feministisches Geo-RundMail
Informationen rund um feministische Geographie
 Nr. 82 | Juli 2020

 Themenheft:
 Trans* und queere Perspektiven
Feministisches Geo-RundMail - Themenheft: Trans* und queere Perspektiven - Gender Campus
Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

Liebe Leser*innen, Angesichts dieser Leerstellen ist eine nur mit dem
wird heute von ‚feministischer‘ Geographie gespro- abstrakten Hinweis auf Heteronormativität verknüpf-
chen, so ist dabei oft irgendwie auch ‚queerfeministi- te Subsumierung von ‚queer‘ – ebenso wie ‚trans*‘ –
sche‘ Geographie gemeint. Feministische Diskussio- unter das Label ‚feministisch‘ nicht unproblematisch.
nen haben seit den 1990er Jahren verstärkt den Kon- Denn zum einen bleiben dabei eine Reihe von Frage-
struktionscharakter von Geschlecht thematisiert, oft stellungen und situierten Erfahrungen außen vor.
im Zusammenspiel mit der von den Queer Studies Zum anderen gibt es neben Überschneidungen auch
vorangetriebenen Heteronormativitätskritik. Dabei durchaus Spannungen zwischen trans*, queeren und
haben auch die in Trans*-Aktivismus geäußerte Kritik feministischen Debatten.2 In dieser GeoRundmail
an einer essentialisierten Geschlechterbinarität sowie setzen wir daher einen expliziten Fokus auf ‚Trans*
die Einforderung einer intersektionalen Perspektive und queere Perspektiven‘. Damit knüpfen wir auch an
durch den Schwarzen Feminismus eine wesentliche Diskussionen an, die in anglophonen Kontexten be-
Rolle gespielt. Sind Heteronormativitätskritik, die reits seit längerem unter Labels wie ‚Geographies of
Betonung des Konstruktionscharakters von Ge- Sexualities‘, ‚Queer Geography‘ und ‚Trans Geogra-
schlecht und Intersektionalität inzwischen zu recht phies‘ verhandelt werden.3
selbstverständlichen Aspekten vieler feministischer Im Zentrum der meisten Beiträge dieser Ausgabe
Debatten avanciert, so mangelt es doch häufig an stehen situierte Erfahrungen und räumliche Prakti-
elaborierteren Beschäftigungen sowohl mit Queer als ken von LSBTIQ+. Die Relevanz einer solchen Zentrie-
auch mit Trans* – zumal intersektional betrachtet. rung zeigt sich nicht zuletzt an aktuellen politischen
Dies betrifft sowohl den Einbezug von Subjektivitä- Debatten, die auf anhaltende Formen von Gewalt und
ten, die Cis-Heteronormativität durchkreuzen und Diskriminierung verweisen. Beispielsweise wurden
auch mit Akronymen wie LSBTIQ+, TIN oder QTPoC erst im Mai dieses Jahres die sogenannten ‚Konversi-
bezeichnet werden,1 als auch eine Reihe analytischer onstherapien‘ für Schwule und Lesben in Deutschland
Fragen rund um Sexualität und Geschlecht – etwa, verboten. Warum weiterhin Zwangspathologisierung
welche Rolle Sexualität oder cis-geschlechtliche Nor- und -therapien für trans* Menschen Bestand haben
men in hegemonialen Machtgefügen spielen. dürfen, ist daraus allerdings nicht abzuleiten. Ebenso
Ein Blick in die bisherigen GeoRundmails zeigt, dass unverständlich bleibt, warum trotz eines Verbotes –
im Zusammenhang mit Geschlecht durchaus Schlag- sowie nach und nach überarbeiteter Leitlinien – die
wörter wie ‚Sexualität‘ (Ausgabe Nr. 13 – Literatur- Häufigkeit von Feminisierungs- und Maskulinisie-
schau zu ‚Gender, Sexuality, and the City‘), ‚Queer‘ (Nr. rungsoperationen, die stationär an unter zehn Jahre
30 – ‚Migration, Geschlecht, Queer‘) sowie ‚Intersekti- alten Kindern mit Variationen der körperlichen Ge-
onalität‘ (Nr. 60) vertreten sind. Gleichwohl be- schlechtsmerkmale durchgeführt werden, nicht wei-
schränkt sich die Literaturschau in Ausgabe 13 auf ter abnimmt (HOENES et al. 2019; OII DEUTSCHLAND
die Wiederveröffentlichung aus einer englischspra- 2019).
chigen Diskussionsliste, und in Nr. 30 wird ange- Auch im Zusammenhang mit Covid-19 und den politi-
merkt: schen Maßnahmen, die sich diskursiv am Modell der
 Bei diesem Überblick kommen, wie zumeist, wenn gleich- weißen heteronormativen Mittelschichtsfamilien
 zeitig Geschlechterforschung und Queer Studies ins Blick- orientiert haben – deren Belange gleichwohl unzu-
 feld gerückt werden, die Queer Studies zu kurz. Im reichend adressiert wurden –, haben sich Ausschlüsse
 deutschsprachigen Raum sind die Frauen- und Geschlech- und Diskriminierungen von LSBTIQ+ verstärkt (vgl.
 terstudien gegenüber den Queer Studies geradezu etab- FITZGERALD 2020; HANNAH et al. 2020; TROTT 2020).
 liert. (S. 2)
 Zudem kann der faktische Ausschluss von schwulen
Ähnliches gilt für Trans*-Themen, die in den bisheri- und bisexuellen Männern sowie trans* Menschen von
gen Ausgaben v.a. kursorisch in Veranstaltungshin- Blutspenden durch das vom Deutschen Bundestag im
weisen aufgetaucht sind.

 2 Siehe dazu die Beiträge von Judith Neubauer sowie Jan Hutta und
1 ‚LSBTIQ+‘ steht für ‚Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter, Jenny Künkel in dieser Ausgabe.
Queers‘, wobei das ‚+‘ die prinzipielle Unabgeschlossenheit jeder 3 In ihrem Beitrag zu ‚Sexualität in der Geographie‘ geben Jan Hutta
Auflistung markiert; ‚TIN‘ für ‚trans*, inter* und nicht-binäre und Jenny Künkel unter anderem einen Überblick über diese
Menschen‘; und ‚QTPoC‘ für ‚queer and trans* people of colour‘. Subdisziplinen.
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Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

März 2020 verabschiedete „Gesetz zum Schutz der queeren Perspektiven auf (feministisch-
Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von natio- )geographische Fragestellungen auf. Aus diesen Per-
naler Tragweite“ als menschenrechtsverletzend ge- spektiven werden etwa Sexualität, Wohnraum, Fami-
wertet werden (Klein 2020). lien, queere Veranstaltungsorte, Frauenräume, Stadt-
 politik und Hochschulen beleuchtet, wobei auch im-
In und über Deutschland hinaus hat auch das Erstar-
 mer wieder intersektionale Fragestellungen behan-
ken radikal rechter Politiken LSBTIQ+ massiv unter
 delt werden. Dabei geht es nicht zuletzt um konkrete
Druck gesetzt. Verwoben mit dem sogenannten ‚Anti-
 Anschluss- und Handlungsmöglichkeiten für Kom-
Genderismus‘ sind vielerorts auch Homosexualität
 pliz_innen, die gemeinsam mit LSBTIQ+ für die gesell-
und LSBTIQ-Politiken zu einem zentralen Ankerpunkt
 schaftliche Veränderung struktureller Heteronorma-
rechter Mobilisierung geworden (vgl.
 tivität kämpfen wollen.
Kuhar/Paternotte 2017; Żuk/Żuk 2020). Vor diesem
Hintergrund erstaunt auch das Ergebnis des im Mai Gerade Hochschulen stellen hier ein Feld mit großem
2020 erschienenen Berichts der European Union Handlungsbedarf dar, wie ein Beitrag aus den Reihen
Agency for Fundamental Rights wenig: der AG trans* emanzipatorische Hochschulpolitik zu
 einer progressiven Handhabung von Vornamensän-
 Aus Angst, verspottet, diskriminiert oder sogar angegrif-
 fen zu werden, verheimlichen nach wie vor sehr viele derungen und Änderungen des registrierten Ge-
 LGBTI-Personen ihre sexuelle Identität. Obwohl die schlechts an Universitäten zeigt. Jenseits der Hoch-
 Gleichstellung von LGBTI-Gruppen in einigen Ländern vo- schulpolitik machen wir zudem auf einen offenen
 rangebracht wurde, zeigt sich an unseren Umfrageergeb- Brief der Initiative Queers for Evacuation aufmerk-
 nissen, dass insgesamt zu wenig wirkliche Fortschritte sam, in dem über 200 Organisationen und Akti-
 gemacht wurden und viele LGBTI-Personen nach wie vor vist*innen die queerpolitischen Sprecher*innen der
 benachteiligt sind. Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und Bundestagsfraktionen zum Handeln angesichts der
 bei der medizinischen Versorgung könnten sich aufgrund
 menschenunwürdigen Situation auffordern, der Ge-
 von COVID-19 noch verschärfen. (EUROPEAN UNION AGENCY
 flüchtete an Europas Grenzen und in den Lagern aus-
 FOR FUNDAMENTAL RIGHTS 2020; vgl. ILGA EUROPE 2020)
 gesetzt sind.
Es gibt also eine Menge Veränderungsbedarf – und
das gilt insbesondere für die (Über- Mit diesen vielfältigen Beiträgen möchte die Ausgabe
)Lebensbedingungen der vulnerabelsten unter den einen Beitrag leisten, die für das Selbstverständnis
LSBTIQ+, wie Geflüchtete, BPoC, Kinder, Wohn- und der deutschsprachigen feministischen Geographie
Obdachlose, Sexarbeiter*innen…. Hier gilt es, ent- zwar wichtigen aber zugleich selten vertieften trans*
schieden für Menschen- und gesellschaftliche Teilha- und queeren Perspektiven zu befördern. Denn hat die
berechte einzutreten. jüngste Änderung des AK-Namens von ‚Geographie
 und Geschlecht‘ zu ‚feministische Geographien‘ eine
Ein Stück in diese Richtung wollen wir mit dieser Re_Politisierung der Diskussion angestrebt, 4 so gilt es
GeoRundmail gehen. Denn auch an Universitäten und nun umso mehr, dabei LSBTIQ+-Subjekte, -Themen
in Veröffentlichungen in der Geographie zeigt sich, und -Perspektiven zu stärken, die auch im Feminis-
dass diese Felder nicht frei von Inter-, Trans*- und mus immer wieder ausgegrenzt worden sind und
Homophobie sind. In eher subtiler Form äußern sich werden – die aber durch intersektionale feministische
solche Abwertungen etwa, wenn LSBTIQ+-Themen Politik und Theoriebildung befördert werden
konsequent ausgespart werden – sei es in Diskussio- könn(t)en.
nen zu Wohnraum, städtischen sozialen Bewegungen
oder Transnationalität. Häufig werden diese Themen Jan Hutta und Leon Witzel
aber auch explizit als ‚Nischenthemen‘ abgetan, wo-
mit deren Verflochtenheit mit gesamtgesellschaftli- Literatur
chen Fragen – von Heteronormativität oder der Kon- European Agency for Fundamental Rights (2020):
struktion rechter Diskurse über Diskussionen von Umfrage unter LGBTI-Personen in Europa: Domi-
Bürger*innenschaft bis hin zu vielfältigen For- niert die Hoffnung oder die Angst?, Online verfüg-
schungsfeldern – negiert wird. bar unter:

Diese GeoRundmail gibt LSBTIQ+-Themen Raum und
zeigt zugleich analytische Potenziale von trans* und 4 Vgl. https://ak-feministische-geographien.org/umbennenung/

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 https://fra.europa.eu/de/news/2020/umfrage- 14.05.2020. Online verfügbar:
 unter-lgbti-personen-europa-dominiert-die- https://www.queer.de/detail.php?article_id=3611
 hoffnung-oder-die-angst, zuletzt geprüft am 7, zuletzt geprüft am 14.05.2020.
 23.06.2020. Kuhar, Roman; Paternotte, David (Hg.) (2017): Anti-
Fitzgerald, Des (2020): Stay the fuck at home. In: gender campaigns in Europe. Mobilizing against
 Somatosphere, 13.04.2020. Online verfügbar unter equality. London, New York: Rowman & Littlefield
 http://somatosphere.net/2020/stay-the-fuck-at- International.
 home.html/, zuletzt geprüft am 24.04.2020. OII Deutschland (2019): Weiterhin uneingewilligte
Hannah, Matthew; Hutta, Jan Simon; Schemann, Chris- Genitaloperationen an intergeschlechtlichen Kin-
 toph (2020): Thinking Through Covid-19 Re- dern in Deutschland, Online verfügbar:
 sponses With Foucault. An Initial Overview. In: An- https://oiigermany.org/weiterhin-
 tipode Online, 05.05.2020. Online verfügbar unter uneingewilligte-genitaloperationen-an-
 https://antipodeonline.org/2020/05/05/thinking intergeschlechtlichen-kindern-in-deutschland-
 -through-covid-19-responses-with-foucault/, zu- follow-up-studie-zur-entwicklung-der-op-zahlen-
 letzt geprüft am 05.05.2020. erschienen/, zuletzt geprüft am 15.05.2020.
Hoenes, Josch; Janus, Eugen; Klöppel, Ulrike (2019): Trott, Ben (2020) Queer Berlin and Covid-19. A Poli-
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 eindeutiger“ Genitalien im Kindesalter. Follow Journal for and about Social Movements, 12 (1).
 Up-Studie. Online verfügbar: Żuk, Piotr; Żuk, Paweł (2020): ‘Euro-Gomorrah and
 https://omp.ub.rub.de/index.php/RUB/catalog/vi Homopropaganda’. The culture of fear and ‘Rain-
 ew/113/99/604-4, zuletzt geprüft 23.06.2020. bow Scare’ in the narrative of right-wing populists
ILGA Europe (2020): Annual Review of the Human media in Poland as part of the election campaign
 Rights Situation of Lesbian, Gay, Bisexual, Trans to the European Parliament in 2019. In: Discourse,
 and Intersex People in Europe and Central Asia Context & Media 33.
 2020. Brüssel.
Klein, Dennis (2020): Es ist ein Skandal: Kein Diskri-
 minierungsverbot beim Blutspenden. In: queer.de,
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Inhaltsverzeichnis

Beiträge zum Themenschwerpunkt

Alexis Mertens, Lee Gerlach und René_ Rain Hornstein: Hochschulpolitische Interventionen für TIN-klusivere Räume (S. 6)
Jan Hutta und Jenny Künkel: Sexualität in der Geographie: ‚Veranderung‘ – Empowerment – Herrschaftskritik (S. 18)
Esto (Esther) Mader: Queering Space – Praktiken materieller Diskursproduktion (S. 33)
Leon Witzel: Gesellschaftliche De_Privilegierungsstrukturen im Wohnungswesen – Widerständige Strategien am Beispiel von
trans* Menschen (S. 40)
Lotte J. Hiller: Mapping the Marginalized (S. 45)
Peanut: queering spaces (S. 50)
Jesko Meißel: ‚Vielfalt‘ auf dem Prüfstand: zur Einbindung von LGBTIQ* im Kontext städtischer Diversitätspolitiken (S. 51)
Judith Neubauer: Warum darf ich rein, aber manche meiner Freund_innen nicht? - Frauenräume und Einladungspolitiken (S. 56)
Martina Hävernick: Über die Zusammenhänge von Adultismus, Heteronormativität, sexualisierter Gewalt und Lebensräumen (S.
60)

Offener Brief der Initiative Queers4Evacuation (S. 64)
Veranstaltungshinweise (S. 66)
Nächste Ausgabe (S. 67)
Impressum

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Hochschulpolitische Interventionen für Ein Großteil der Hochschulen setzt eine zuvor erfolgte
 amtliche Änderung im Personenstandregister als
TIN-klusivere Räume erforderlich voraus. Derzeit regeln diesen Prozess
 zwei verschiedene Gesetze, die an jeweils unter-
Alexis Mertens, Lee Gerlach und René_ Rain Hornstein
 schiedliche Bedingungen geknüpft sind. Ein Antrag
 auf Änderung von Vornamen und binärem Ge-
 schlechtseintrag über das Transsexuellengesetz
1 Vorwort
 (TSG) wird bei dem zuständigen Amtsgericht gestellt
2 Musterrichtlinie und erfordert zwei voneinander unabhängige psycho-
3 Musterformular logische oder psychiatrische Gutachten. 7 Die Begut-
 achtungspraxis ist als pathologisierend und entwür-
4 Rechtliche Argumentation digend zu kritisieren. Zudem schränkt sie die Selbst-
 bestimmung der antragsstellenden Person ein, da
 fremde Gutachter*innen ein Urteil über die eigene
Vorwort Geschlechtsidentität fallen. Andernfalls kann eine
Viele trans*, inter* und nicht-binäre (TIN) Menschen5 Änderung nach § 45b Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 des Perso-
outen sich erst in einer Lebensphase, die mit dem nenstandsgesetzes (PStG) erfolgen. Hierzu wird ein
Studium oder der Ausbildung zusammenfällt. Oft geht Antrag beim zuständigen Standesamt gestellt, wobei
damit auch der Wunsch einher, fortan in dem eigenen ein ärztliches Attest über das Vorliegen einer soge-
Geschlecht anerkannt oder mit entsprechenden Na- nannten "Variante der Geschlechtsentwicklung" bei-
men, Pronomen und Anreden angesprochen zu wer- gelegt werden muss.8 Selbstorganisationen von inter*
den. Da Hochschulen bei der Bewerbung oder bei Personen kritisieren, dass die Entscheidung so an
Aufnahme eines Arbeitsvertrags ein Geschlecht sowie ärztliche Autoritäten gebunden wird, wo doch
die im Personenstandsregister gespeicherten Vorna- Ärzt*innen diejenige Personengruppe sind, die trau-
men erfassen, wollen TIN Personen meist auch die matisierende Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht
Einträge in den Datenbanken der Hochschulen än- über den eigenen Körper an inter* Personen im Kin-
dern. Durch die Verwendung von dead names (unzu- desalter vornehmen. Des Weiteren ist noch unklar, ob
treffender alter Namen) kommt es zu Zwangsoutings der Begriff "Variante der Geschlechtsentwicklung"
an der Hochschule sowie in darauffolgenden Lebens- rechtlich so auszulegen ist, dass dieses Verfahren nur
phasen. Darüber hinaus führt sie zu psychischer Be- von inter* Personen oder auch von dyadischen trans*
lastung der Betroffenen.6 Solche Erfahrungen könnten und nicht-binären Personen genutzt werden kann.
Hochschulen mit einer niedrigschwelligen Regelung
 Daran, dass Hochschulen die Änderung von Vorna-
zur Änderung von Vornamen und registriertem Ge-
 men und registriertem Geschlecht an eine bereits
schlecht verhindern. Leider liegen derzeit nur an we-
 erfolgte Änderung im Personenstandsregister knüp-
nigen Hochschulen solche niedrigschwelligen Rege-
 fen, ist dreierlei zu kritisieren. Zunächst einmal sind
lungen vor. Es existieren weder bundes-; noch lan-
 die Verfahren dafür selbst diskriminierend, patholo-
desweit einheitliche Verfahrensweisen und es kommt
 gisierend und schränken die Selbstbestimmung über
somit zu Ungleichbehandlungen von TIN Personen
 die geschlechtliche Identität des*der Antragsteller*in
zwischen den Hochschulen.
 ein. Darüber hinaus dauern sie viel zu lange 9,

 7 Für diese muss die betroffene Person unter Beweis stellen,
5 Die Abkürzung TIN steht für alle trans*, inter* und nicht-binären bereits drei Jahre die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht zu
Identitäten. Eine ausführliche Erklärung dieser Begriffe findet sich fühlen und den Zwang zu erfahren, damit zu leben. Dabei wird
im Anhang des Vorworts. unterschieden zwischen der ausschließlichen Vornamensänderung
6 Dies ist z.B. der Fall in Seminaren, wenn Dozierende (kleine Lösung) und der zusätzlichen Änderung des
Teilnehmer*innenlisten vorlesen. Im späteren Berufsleben kann es Geschlechtseintrags (große Lösung), bei der eine
zu unangenehmen Fragen kommen, wenn das Hochschulzeugnis Fortpflanzungsunfähigkeit festgestellt und operative Eingriffe
auf einen anderen Vornamen ausgestellt ist als der in den einzugehen sind.
Bewerbungsunterlagen verwendete. Für eine weiterführende 8 Nach diesem Verfahren besteht die Möglichkeit entweder den
Darstellung empfehlen wir an dieser Stelle eine Broschüre der AG Geschlechtseintrag zu streichen oder den vorherigen Eintrag durch
trans* emanzipatorische Hochschulpolitik und des dgti e.V.: Inter* „divers“, „weiblich“ oder „männlich“ zu ersetzen.
und Trans* an der Hochschule. Zu finden ist diese unter: http://ag- 9 Ein Verfahren nach dem TSG dauert durchschnittlich neun
trans-hopo.org/Materialsammlung/ index.html. Monate, jedoch manchmal sogar bis zu zwanzig Monate. Zwar ist
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wodurch es zu unzumutbaren Verzögerungen kommt, dung zu spezifischen Ausschlussmechanismen und
während derer TIN Personen weiterhin die oben ge- konkreten Änderungsvorschlägen bereitstellen. Gera-
nannten Diskriminierungen erfahren. Zuletzt ist eine de für einen substanziellen hochschulpolitischen Ak-
amtliche Änderung auf Grund der damit einherge- tivismus braucht es Beiträge, die es uns erleichtern,
henden Pathologisierung oder der teils beträchtlichen Gespräche mit den Hochschulen zu suchen, klare For-
finanziellen Kosten gar nicht für alle TIN Personen derungen an sie zu stellen und uns sicher in unserer
möglich. Einige Hochschulleitungen haben diese Prob- Argumentation zu fühlen, wenn wir es mit TIN-
leme erkannt und lassen Änderungen von Vorna- feindlichen, veränderungsresistenten Hochschullei-
me(n) und registriertem Geschlecht zumindest in tungen und/oder Rechtsabteilungen zu tun haben. Die
internen Dokumenten (Student*innen- folgenden Dokumente stellen einen Versuch dar, ei-
/Mitarbeiter*innenausweis, Email-Adresse und Ac- nen solchen Beitrag zu leisten.
count auf Lehrplattformen) bereits bei einem begon-
 Eine Unterarbeitsgruppe der AG hat gemeinsam eine
nen Verfahren und bei der Vorlage eines von der
 Musterrichtlinie, sowie ein Musterformular entwor-
Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Inter-
 fen, die die Möglichkeit einer möglichst einheitlichen,
sexualität (dgti e.V.) ausgestelltem Ergänzungsaus-
 niedrigschwelligen Regelung für Vornamensänderun-
weis zu. Andere Hochschulen verlangen nur den Er-
 gen und Änderungen des registrierten Geschlechtes
gänzungsausweis10.
 an Hochschulen vorsehen. Sie orientieren sich dabei
So begrüßenswert letztere Möglichkeit im Verhältnis an von Hochschulen genutzten Formaten und zielen
zur Erforderlichkeit einer amtlichen Änderung ist, auf eine mögliche Änderung für sowohl interne als
sind auch hier einige Probleme anzumerken: 1. An auch externe Dokumente ab. Das darauffolgende Ar-
den meisten Hochschulen existieren dafür keine ein- gumentationspapier wurde von der Berliner Regio-
heitlichen Regelungen. Über die Änderungen werden nalgruppe entwickelt und dient dazu, die Forderun-
im Einzelfall entschieden, wodurch Unsicherheiten gen in einen juristischen Rahmen einzubetten, diesen
auf Seiten der Antragsteller*innen bestehen bleiben. als Grundlage für Gespräche mit Hochschulleitungen
2. Bei nahezu keiner Hochschule lassen sich öffentlich ausreichend zu verstehen und mögliche rechtliche
verfügbar Informationen dazu finden, wie ein Antrag Gegenargumente der Hochschulleitungen zu entkräf-
auf Änderung von Vorname(n) und registriertem ten. Wir hoffen, sie dienen ihrem Zweck, Hochschulen
Geschlecht gestellt werden kann. Es fehlt an Transpa- in dieser Hinsicht TIN-inklusiver zu gestalten.
renz. Eine positive Ausnahme ist hierbei z.B. die HTW
Berlin. 3. Der Großteil der Hochschulen erlaubt nur
die Änderung interner Dokumente und schließt Do-
kumente mit Außenwirkungen (Urkunden, Arbeits-
 Erklärung verwendeter Begriffe
zeugnisse etc.) davon aus. Die Abkürzung TIN steht für alle trans*, inter* und
 nicht-binäre Identitäten. Für die Erläuterung dieser
Die AG trans* emanzipatorische Hochschulpolitik Begriffe benennen wir zusätzlich ihr jeweiliges Ge-
engagiert sich schon seit 2014 für die Interessen von genteil, um damit auch die gesellschaftlich privilegier-
TIN Personen an Hochschulen. Sie setzt sich für die te Positionierung sichtbar zu machen. Andernfalls
Verbesserung ihrer Bedingungen ein und hat in die- würden TIN-Personen als ‚Abweichung‘ erscheinen,
sem Zusammenhang eine Reihe von Materialien erar- statt als gleichberechtigte Menschen mit genauso
 individuellen Lebensweisen und Erfahrungen.
beitet. Diese beraten die Hochschulleitungen auf dem
Weg, ihre Struktur und Lehre auf Cis-Normativität zu
  Trans* bezeichnet all die Menschen, deren Ge-
hinterfragen, ihre TIN-ausschließenden Praxen zu
 schlecht nicht mit dem übereinstimmt, welches
erkennen, sich von ihnen zu lösen und die Hochschu- ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde. Dabei
len inklusiver zu gestalten. Solche Dokumente sehen lässt der auch Asterisk genannte "*" als Platzhalter
wir als hochschulpolitische Interventionen, die Bil- die Endung das Wortes offen, da trans* Personen
 unterschiedliche Bezeichnungen für ihre Ge-
 schlechtsidentität bevorzugen (z.B. transgender,
ein Verfahren nach §45b PStG deutlich kürzer, dennoch führen die transsexuell oder transident). Es gibt auch trans*
bestehenden rechtlichen Unklarheiten oft zu Verzögerungen der Personen, die die Kurzform mit oder ohne Stern
Anträge.
10 Mehr Informationen findet mensch auf der Website der dgti: als Geschlechtsbezeichnung verwenden. Das Ge-
https://dgti.org/ergaenzungsausweis.html . genteil von trans* ist cis, womit Menschen be-

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Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

 nannt werden, deren Geschlecht mit dem ihnen bei Person kann trans*, inter* und nicht-binär sein.
 der Geburt zugeschriebenen Geschlecht überein- Gleichzeitig ist eine Differenzierung notwendig, um
 stimmt. damit Unterschiede in Diskriminierungs- und Gewalt-
 erfahrungen sichtbar zu machen. In diesem Zusam-
 Als Nicht-binär bezeichnen sich Menschen, die menhang sei insbesondere darauf hingewiesen, dass
 sich nicht innerhalb des in unserer Gesellschaft die oben ausgeführte Unterscheidung trans*/cis nur
 vorherrschenden Zweigeschlechtermodells veror- mit Bedacht auf inter* Personen angewandt werden
 ten. Ihr Geschlecht ist nicht, nicht ganz oder nicht sollte, da mit dem Begriff auf bestimmte Privilegien
 immer männlich oder weiblich und daher identifi- verwiesen wird, die inter* Personen nicht haben (vgl.
 zieren sich nicht-binäre Personen nicht mit den ebd.: 8).
 kulturell anerkannten Geschlechtsbezeichnungen
 "Frau" oder "Mann". Verwendet wird nicht-binär
 sowohl als Überbegriff für unterschiedliche Ge-
 schlechtsidentitäten, wie zum Beispiel agender,
 genderfluid oder genderqueer, als auch als Be-
 zeichnung für individuelle Geschlechtsidentitäten.
 Das Gegenteil von nicht-binär ist binär. Nicht-
 binäre Personen, denen bei der Geburt eines der
 binären Geschlechter zugeordnet wurde, sind
 zwangsläufig auch nicht cis. Allerdings sollte dar-
 aus nicht die Konsequenz gezogen werden, dass al-
 le nicht-binären Menschen auch trans* seien. Dies
 trifft zwar für viele zu, jedoch bei weitem nicht für
 alle.

 Inter* ist die "emanzipatorische und selbster-
 mächtigte Positionierung als eine Gruppe von
 Menschen, die angeborene, nicht-konforme und
 nicht normgerechte Geschlechtsmerkmale haben
 und daher Pathologisierung erfahren. In vielen
 Fällen führt dies zu einer Verletzung ihrer Selbst-
 bestimmung und körperlichen Autonomie" (TrIQ-
 Projekt »Antidiskriminierungsarbeit & Empower-
 ment für Inter*« 2015: 15). Ähnlich wie bei trans*
 lässt auch hier der Asterisk den Begriff offen für
 unterschiedliche Selbstbezeichnungen. Inter* soll-
 te nicht als drittes Geschlecht verstanden werden,
 denn die "körperlichen Realitäten von Menschen
 mit angeborenen Variationen der Geschlechts-
 merkmale sind so vielfältig, dass sie nicht einfach
 in eine dritte Kategorie subsumiert werden kön-
 nen" (ebd.: 14). Wie alle anderen Menschen auch,
 können inter* Personen eine männliche, weibliche,
 trans* oder nicht-binäre Geschlechtsidentität ha-
 ben. Außerdem ist inter* über die Definition als
 körperliche Konstitution hinaus auch eine Ge-
 schlechtsidentität und wird als Begriff verwendet,
 um diese zu bezeichnen. Nicht-inter* Menschen
 werden als dyadisch11 bezeichnet.

Die genannten Begriffe schließen sich gegenseitig
nicht aus und zwischen denen von ihnen bezeichne-
ten Gruppen gibt es Überschneidungen. Eine einzelne

11 Eine alternative Bezeichnung für Personen, die nicht inter* sind,
ist endosexuell. Der Einheitlichkeit wegen verwenden wir in
diesem Dokument den Begriff dyadisch.
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Richtlinie zur Änderung von Namen und Ge- Neben dem ausgefüllten und unterschriebenen
schlechtseintrag, ggf. Anrede und Pronomen an der Antrag sind keine weiteren Nachweise, wie bspw.
 der Nachweis über ein begonnenes behördliches
Hochschule oder gerichtliches Namens- oder Personenstand-
 sänderungsverfahren, ärztlich-psychologische
Erstellt von der AG trans*emanzipatorische Hoch- Nachweise oder der dgti-Ergänzungsausweis
schulpolitik, www.ag-trans-hopo.org erforderlich.
 Liegt ein ausgefüllter und eigenhändig unter-
 Version 06, 19.03.2020 schriebener Antrag vor, so sind alle notwendigen
Vorbemerkungen Voraussetzungen für die Antragsstellung erfüllt.
 Es besteht kein Ermessensspielraum der Hoch-
Die vorliegende Richtlinie kommt zur Anwen- schule bei der Antragsbewilligung. Dem vollstän-
dung, wenn eine Person, die an der Hochschule dig ausgefüllten und eigenhändig unterschriebe-
studiert oder promoviert oder sich in einem nen Antrag ist stattzugeben.
Dienst-, Arbeits- oder einem sonstigen Rechtsver-
hältnis mit der Hochschule befindet, ihre Vorna- Entscheid
men, Nachnamen und / oder Geschlechtseintrag In Folge der Antragsstellung werden auf allen von
in den von der Hochschule ausgestellten Doku- der Hochschule ausgestellten und noch auszustel-
menten sowie den hochschulinternen Datenban- lenden Dokumenten, der Name und ggf. Ge-
ken ändern möchte. Diese Situation kann bei- schlechtseintrag, ggf. rückwirkend geändert.
spielsweise bei trans*, inter* oder nicht-binären Gleiches gilt für alle personenbezogenen Daten in
Personen auftreten, wenn die eigene geschlechtli- den hochschulinternen EDV-Systemen. Mit An-
che Verortung und ihr Name nicht mit den Eintra- tragstellung kann der Änderung einzelner Doku-
gungen im Hochschulsystem übereinstimmen. 12 mente widersprochen werden. Die Änderung
Verfahren kann zu einem späteren Zeitpunkt erneut bean-
 tragt werden.
Die Änderungen werden auf Antragstellung der
betroffenen Person hin durch die zuständige Stel- Soweit eine Speicherung des aktuellen oder
le der Hochschulverwaltung vorgenommen. Ein früheren amtlichen Vornamens unbedingt erfor-
Antragsmuster ist neben einer Beschreibung über derlich ist und nicht vermieden werden kann,
den Ablauf der Antragsstellung auf der Website erfolgt sie zum Schutz der betreffenden Person
der zuständigen Stelle aufzufinden. Der Antrag ist vor ungewollter Offenbarung in einem internen
zwecks Verifizierung mit eigenhändiger Unter- Dokument.
schrift zu versehen und per E-Mail oder auf posta- Darüber hinaus verpflichtet sich die Hochschule
lischem Wege bei der zuständigen Stelle einzu- die Informationen über Geschlechtsidentität und -
reichen. eintrag von trans*, inter* und nicht-binären
 Hochschulangehörigen geheim zu halten und
 nicht ohne Einwilligung an Dritte weiterzugeben.

 Widerruf
12 Zum Bedarf dieser Regelung und zu den rechtlichen
Möglichkeiten siehe auch die Kurzgutachten von Kasten Durch ein erneutes Gesuch im Sinne dieser Richt-
(2019): Bedeutung der ‚Dritten Option‘ in der Universität
(siehe: linie kann der Widerruf bereits vorgenommener
https://www.unikassel.de/intranet/fileadmin/datas/intranet Änderungen beantragt werden.
/gleichstellung/
dokumente/Gutachten_3._Geschlechtsoption_UniK_2019.pdf),
Lembke/Tischbirek (2019) (siehe: http://ag-trans-hopo.org/
 Inkrafttreten
Materialsammlung/Material_Rechtliches/GutachtenTIN-
Vornamen_2019-10-20_UL+AT.pdf) und der Diese Richtlinie tritt zum XX.XX.20XX in Kraft.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2016): (siehe
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Dow
nloads/DE/Literatur_Bildung/ Name_Trans_Studierende.pdf;
jsessionid=C311DE05FB13464A627DB7C17FAB0347.2_cid32
2?__blob=publicationFile&v=1).

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Formular zur Änderung von Namen und registriertem Geschlecht in hochschulinternen Datenbanken sowie
auf von der Hochschule ausgestellten und auszustellenden Dokumenten

Erstellt von der AG trans*emanzipatorische Hochschulpolitik, www.ag-trans-hopo.org

 Version 07, 13.04.2020

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Name, Vorname (bei Namensänderung hier den alten Namen eintragen)

_____________________________
Matrikelnummer

_____________________________
E-Mail-Adresse

Änderung

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neuer Vorname (und weitere Änderungen vergeschlechtlichter Namensbestandteile)

aktueller amtlicher Geschlechtseintrag:

□ divers □ kein Geschlechtseintrag □ weiblich □ männlich
□ keine Angabe

einzutragende Geschlechtsbezeichnung in den EDV-Systemen der Hochschule:

□ divers □ kein Geschlechtseintrag □ weiblich □ männlich
□ _____________________ □ keine Angabe
 Freifeld für selbstgewählte Bezeichnung13

zu verwendende Anrede:

□ Sehr geehrte*r (Vorname Nachname)
□ Guten Tag (Vorname Nachname)
□ Keine Anrede (Vorname Nachname)
 13 Dieses Freifeld kann unter anderem von internationalen Student*innen genutzt werden, um einen offiziellen
 Geschlechtseintrag ihres Herkunftslandes zu vermerken.
Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

□ _____________________
 Freifeld für selbstgewählte Anredeform

□ Sehr geehrte Frau (Nachname)
□ Sehr geehrter Herr (Nachname)

zu verwendende Pronomen:

□ __________________
□ keine □ sie □ er

Anwendung der Änderung
(gemäß der oben angegebenen Daten):

Änderung der personenbezogenen Daten in EDV-Systemen: □ ja □ nein
Änderung der E-Mail-Adresse: □ ja □ nein □ ______________@_________.de
Änderung der Benutzernamen für Lernplattformen: □ ja □ nein

Änderung bereits ausgestellter Dokumente: □ ja □ nein
Falls ja, welche Dokumente sollen geändert werden?

□ Student*innenausweis / Mitarbeiter*innenausweis
□ Immatrikulationsbescheinigungen
□ Mensakarte
□ Bibliotheksausweis
□ Folgende aufgeführte Dokumente (bspw. bereits ausgestellte Zeugnisse, Zertifikate):

Hiermit erkläre ich, dass die oben genannten Änderungen meinen Wünschen entsprechen. Ich beantrage dem-
gemäß die Umsetzung der von mir ausgewählten Änderungen meiner bei der Hochschule registrierten Daten.

 _____________________________________________
Datum, Unterschrift

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Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

Änderungen von Vorname(n) und/oder registriertem schulautonomie verfügt. Im dritten Abschnitt wird auf
Geschlecht an Hochschulen mögliche rechtliche Bedenken der Hochschulleitun-
 gen in Bezug auf die eindeutige Identifizierbarkeit
Durch rechtliche Handlungsspielräume zur diskrimi-
 sowie strafrechtliche Konsequenzen eingegangen und
nierungsfreieren Hochschule für TIN Personen
 dargelegt, weshalb diese kein Hindernis für eine Än-
 derung von Vorname(n) und registriertem Geschlecht
Alexis Mertens, Lee Gerlach und René_ Rain Hornstein
 vor einem abgeschlossenen Verfahren nach TSG oder
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 PStG darstellen. Abschließend wird die rechtliche Ar-
Zusammenfassung gumentation ergänzt um eine Darstellung der Diskri-
 minierungserfahrungen, die aus den derzeitigen Re-
Dieses Thesenpapier wurde von der Berliner Regio-
 gelungen resultieren, um die Dringlichkeit des Hand-
nalgruppe der AG trans*emanzipatorische Hoch-
 lungsbedarfs zu unterstreichen.
schulpolitik erarbeitet, die Studien- und Arbeitsbe-
dingungen für TIN-Personen an Hochschulen verbes- 1 Grundlegendes
sern möchte. Unser Ziel ist es, zu begründen, inwie-
fern das Führen von selbstgewählten Vornamen und Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nach
Geschlechtsbezeichnungen von trans*, inter* und gefestigter Rechtsprechung „den Intimbereich, die
nicht-binären Hochschulmitgliedern in internen so- erfahrene oder gewonnene geschlechtliche Identität
wie in externen Hochschulangelegenheiten juristisch und Ausdruck wie Mittel zur (auch geschlechtlichen)
begründet ist. Dabei wollen wir aufzeigen, dass die Identitätsfindung“ (Lembke/Tischbirek 2019: 5). In
Hochschulen den rechtlichen Handlungsspielraum Bezugnahme darauf heben unterschiedliche Urteile
dazu besitzen und als an die Verfassung gebundene des Bundesverfassungsgerichtes die Verbindung zwi-
Institutionen dazu verpflichtet sind, Änderungen des schen Identität und Vornamen hervor, da letztere für
registrierten Vornamens und Geschlechts vorzuneh- die Entwicklung der (geschlechtlichen) Identität uner-
men, auch wenn diese von den Einträgen im Perso- lässlich sind (vgl. ebd.: 1).
nenstandsregister abweichen und ein Verfahren nach Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entgegenste-
Transsexuellengesetz (TSG) oder Personenstandsge- hend, erlaubt die Verfassung dem Staat unter be-
setz (PStG) noch nicht abgeschlossen ist oder gar stimmten Umständen in das Recht am Namen einzu-
nicht angestrebt wird. Dazu werden die zentralen greifen. Zu einem Eingriff verpflichtet ist er allerdings
juristischen Argumente aus den zwei im Jahr 2019 nur dann, „wenn qualifizierte Gründe des öffentlichen
erschienenen Rechtsgutachten von Dr. Louis Kasten Interesses dies auch verfassungsrechtlich zwingend
sowie von Prof. Dr. Ulrike Lembke und Dr. Alexander erfordern“ (ebd.: 6). Solche Gründe liegen für die
Tischbirek zusammengefasst. Ihre Argumentation Wartezeit und Begutachtungserfordernisse bei der
wird ergänzt um wesentliche Punkte der rechtlichen Änderung von Vorname(n) und Geschlechtseintrag
Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des nach TSG und PStG nicht vor. Folglich legen TSG und
Bundes aus dem Jahre 2016. PStG den verfassungsrechtlichen Rahmen sehr eng
Im ersten Abschnitt werden die relevanten verfas- aus. Eine wohlwollendere Auslegung gegenüber TIN
sungsrechtlichen Grundlagen erläutert, die sich aus Personen wäre möglich. Dem stünde zwar das staatli-
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts che Bedürfnis nach einer Namensstabilität entgegen.
zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Ein- Aber diese wird regelmäßig bei Änderungen des
führung des Geschlechtseintrags ‚divers‘ ergeben. Nachnamens durch Eheschließungen oder Scheidun-
Anschließend soll im zweiten Abschnitt gezeigt wer- gen bewusst durchbrochen, ohne dass dies ein recht-
den, dass die Hochschule als öffentlich-rechtliche liches Problem darstellt. Darüber hinaus ist die drei-
Körperschaft mit der Umsetzung einer selbstbe- jährige Wartezeit, die das TSG für eine Vornamens-
stimmten Änderung von Vorname(n) und registrier- und/oder Geschlechtseintragsänderung vorsieht,
tem Geschlecht im Sinne ihrer Pflicht zur Wahrung scharf zu kritisieren, da sie „letztlich auch eine erheb-
der Grundrechte aller Hochschulmitglieder handelt. liche Verfestigung [des] Leidensdrucks“ (ebd.: 3) för-
Dieses Argument wird gestützt durch eine Ausfüh- dert.
rung zum rechtlichen Spielraum der Hochschule in In seinem Beschluss am 10.10.2017 erkannte das
dieser Angelegenheit, über den sie gemäß ihrer Hoch- Bundesverfassungsgericht das Fehlen eines positiven
Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

Geschlechtseintrages für Menschen, die sich weder Grundrechte von trans*, inter* und nicht-binären
dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht Hochschulmitgliedern nur dann wahrt, wenn sie es
zuordnen, als Grundrechtsverletzung an. Auch hier ihnen ermöglicht, ihre jeweilige Tätigkeit an der
bezog sich das BVerfG auf den Schutz der geschlecht- Hochschule unter ihrem selbstgewählten Vornamen
lichen Identität durch das allgemeine Persönlichkeits- und einem registriertem Geschlecht, das ihrer Ge-
recht und machte zudem deutlich, dass „die fehlende schlechtsidentität entspricht, auszuüben und zwar
Anerkennung von nichtbinären Geschlechtsidentitä- unabhängig von den derzeit im Personenstandsregis-
ten nicht durch gesetzliche Regelungen, die explizit ter eingetragenen Vornamen und Geschlecht.
die Gleichstellung von Frau und Mann fordern (wie
 Hierfür würde die Verfassung zum Schutze des All-
Art. 3 Abs. 2 GG) legitimiert werden“ könne (Kasten
 gemeinen Persönlichkeitsrechts der Hochschule den
2019: 9). Infolge dieses Beschlusses wurde im De-
 nötigen Handlungsspielraum erlauben. Es stellt sich
zember 2018 vom Deutschen Bundestag der Ge-
 also lediglich die Frage, ob die Hochschule von den
schlechtseintrag ‚divers‘ eingeführt.
 Regelungen im TSG und PStG abweichen darf und das
2 Auftrag der Hochschule als öffentlich- Studieren oder Arbeiten mit Namen und/oder Ge-
rechtliche Körperschaft schlechtseintrag ermöglichen kann, die von den im
 Personenstandsregister eingetragenen abweichen.
Als öffentlich-rechtliche Körperschaft ist die Hoch- Das Kurzgutachten von Lembke und Tischbirek be-
schule zur Wahrung der Grundrechte aller Hoch- antwortet diese Frage mit einem deutlichen Ja. Zu-
schulmitglieder verpflichtet. Nach dem Kurzgutachten nächst einmal besteht im deutschen Recht nur in spe-
von Louis Kasten ist es der gängigen Rechtsprechung ziellen Fällen eine Rechtspflicht zum Führen des amt-
des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf Art. 2 lichen Namens und keiner dieser Fälle trifft auf die
Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie Hochschule zu (vgl. Lembke/Tischbirek 2019: 8).
Art. 3 Abs. 3 GG zufolge notwendig, folgendes sicher- Hinzu kommt aber auch noch die in Art. 5 Abs. 3 GG
zustellen (Kasten 2019: 12): verankerte Hochschulautonomie, wozu die Au-
 Die Anerkennung der individuellen Ge- tor*innen ausführen: „Je intensiver ein Sachverhalt
 die internen Abläufe der Hochschulen betrifft, desto
 schlechtsidentität jeder Person und die
 mehr Zurückhaltung verlangt das Grundgesetz von
 Gleichrangigkeit aller Geschlechter.
 Seiten unmittelbarer Staatsverwaltung und desto
 Der Schutz aller Mitglieder der Hochschule
 stärker nimmt es die Hochschulen in ihrem Recht auf
 vor Diskriminierung. Selbstverwaltung in die Pflicht“ (ebd.: 8).
 Beförderung der tatsächlichen Gleichstellung
 diskriminierungsgefährdeter Gruppen und 3 Mögliche rechtliche Bedenken seitens der
 damit auch von TIN Personen. Hochschulleitungen
Besteht ein Zwang unter dem amtlichen Vornamen Führen Änderungen von Vorname(n) und re-
und dem im Personenstand registrierten Geschlecht gistriertem Geschlecht vor Abschluss oder ohne
an der Hochschule studieren, lehren, forschen oder in Verfahren nach TSG oder PStG zu Problemen hin-
anderer Form arbeiten zu müssen, wird TIN Personen sichtlich der Identifizierbarkeit bei Handlungen
die Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität verwei- der universitären Selbstverwaltung, denen eine
gert, solange wie noch keine Änderung des Personen- gewisse Außenwirkung zukommen kann?
standes erfolgt ist. Außerdem setzt das bereits voraus, Lembke und Tischbirek argumentieren in ihrem Gut-
dass Menschen eine Änderung des Personenstandes achten, dass eine Verwendung des selbstgewählten
anstreben müssen, was nicht alle wollen oder kön- Vornamens auch in externen Hochschulangelegenhei-
nen14. Dadurch wird Diskriminierung befördert, statt ten im Sinne der Rechtmäßigkeit und der Rechtssi-
vor ihr geschützt. cherheit möglich ist (2019: 9). Kasten betont eben-
Aus dem soeben Genannten folgt also, dass die Hoch- falls, dass „keine rechtlichen Bedenken“ (2019: 19)
schule als öffentlich-rechtliche Körperschaft die bestehen. Dies wird damit begründet, dass die von der
 Hochschule verwendeten Dokumente mit Außenwir-
 kung nicht primär der Identitätsfeststellung dienen,
14 Siehe hierzu Kapitel 4. sondern im Fall von:

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Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

 Zeugnissen und Diplomen ausschließlich als Zu solchen Bescheinigungen zählen insbesondere:
 Nachweise über erlangte Qualifikation fungie- Student*innen- und Mitarbei-
 ren und ter*innenausweise und
 Student*innen- oder Mitarbei- Zeugnisse und Diplome.
 ter*innenausweise lediglich die Mitgliedschaft
 In Betracht kämen die Straftatbestände:
 von Personen an der Hochschule, sowie im
 ersten Fall die ordnungsgemäße Immatrikula- - Urkundenfälschung,
 tion belegen. - Falschbeurkundung im Amt und
An dieser Stelle ist es sinnvoll, erneut einen Vergleich - Betrug.
mit der hürdenarmen Änderung von Nachnamen zu Für keine der genannten Bescheinigungen läuft die
ziehen. Hier werden mögliche Zuordnungsproblemen Hochschule laut der ADS des Bundes Gefahr, sich
bewusst ignoriert, da unter anderem das Allgemeine einem der drei in Frage kommenden Straftatbestände
Persönlichkeitsrecht nach der Scheidung gestärkt schuldig zu machen (Antidiskriminierungsstelle des
werden soll (vgl. Lembke/Tischbirek 2019: 11). Bundes 2016: 3f.):
Außerdem ist hervorzuheben, dass „die Aufnahme des  Eine Urkundenfälschung liegt nicht vor, denn
Wunschnamens [...] die Zuordnungskraft der Papiere dafür müsste die Urkunde über den*die
eher erhöhen als schmälern [kann]. Schließlich würde Aussteller*in täuschen. Dass es sich bei der
sie gerade zu einer Kongruenz des Alltags- mit dem in ausstellenden Instanz um die jeweilige
der universitären Urkunde verzeichneten Vornamen Hochschule handelt, geht eindeutig aus den
führen; im Falle eines späteren amtlichen Vorna- Urkunden hervor. Der eingetragene Name der zu
menswechsels käme es dann unmittelbar zu einer beurkundenden Person gibt keine Auskunft über
Kongruenz auch mit dem Registernamen“ (ebd.: 10). die ausstellende Instanz. Ein selbstgewählter
Gleichzeitig ist anzumerken, dass Fehler in der Zu- Name, der von dem im Personenstand
ordnung dieser Dokumente auf die Student*innen fast registrierten Namen abweicht, ist somit kein
unmöglich sind, da Zeugnisse und andere Urkunden ausschlaggebendes Kriterium für eine
weitere eindeutige Angaben beinhalten (Nachname, Urkundenfälschung.
Geburtsdatum und -ort, Matrikelnummer). Hierzu
ergänzt Kasten, dass - um eine eindeutige Identifizie-  Für eine Falschbeurkundung im Amt wäre es
rung sicher zu stellen - zur „Gewährleistung und Zu- erforderlich, dass „die Hochschule eine ‚rechtlich
ordnung der erfassten Daten der Universität zu den erhebliche‘ Tatsache falsch beurkundet“ (ebd.: 3).
Identitätsmerkmalen laut Geburtenregister zusätzlich Im Zentrum steht dabei die fälschliche
die Personalausweisnummer erfasst werden“ könnte Beurkundung erlangter Qualifikationen oder der
(2019: 18). fälschliche Nachweis einer Immatrikulation.
 Relevant ist dabei jeweils die eindeutige
Soweit eine Speicherung des aktuellen oder früheren Zuordnung zu einer konkreten Person, nicht
amtlichen Vornamens unbedingt erforderlich ist und jedoch die Kongruenz des bei der Hochschule
nicht vermieden werden kann, sollte sie zum Schutz registrierten Namens mit der amtlichen
der betreffenden Person vor ungewollter Offenbarung Registrierung. Der amtlich registrierte Vorname
in einem internen Dokument erfolgen. und Geschlechtszugehörigkeit sind daher nicht
Muss die Hochschule mit strafrechtlichen Folgen Teil des rechtlich erheblichen
rechnen? Beurkundungsgegenstandes.

Der rechtlichen Einschätzung der Antidiskriminie-  Schließlich setzt Betrug „die Absicht voraus, sich
rungsstelle des Bundes (ADS) zufolge hat die Hoch- […] durch Täuschung einen rechtswidrigen
schule keine strafrechtlichen Folgen zu befürchten, Vermögensvorteil zu verschaffen“ (ebd.: 4).
wenn sie Student*innen oder Mitarbeiter*innen Jedoch ist der Tatbestand nur dann erfüllt, wenn
Hochschulbescheinigungen mit Außenwirkung auf auf diesen Vermögensvorteil kein Anspruch
ihren Namen ausstellt, der von dem im Personenstand besteht. Auf alle Vermögensvorteile, die
registrierten Namen abweicht. Studierende oder Mitarbeitende einer
Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

 Hochschule genießen, haben sie einen Anspruch, TSG anstreben, trifft dies solange zu, bis das Verfah-
 „unabhängig davon […], welchen Vornamen sie ren abgeschlossen ist. Ein solches kann auch die Stu-
 führen“ (ebd.: 4). dienzeit überdauern. Gleichzeitig können und wollen
 nicht alle binären trans* Personen überhaupt das TSG
4 Diskriminierung von TIN Personen durch die nutzen. Gründe hierfür können die hohen Kosten des
derzeitigen Regelungen Verfahrens und die mit den erforderlichen psycholo-
Unsere Gesellschaft ist durchzogen von einem vor- gischen Gutachten einhergehende Pathologisierung
herrschenden cis-normativen, binären und dyadi- ihrer Geschlechtsidentität sein. Ihnen würde die An-
schen Geschlechterdenken. Gemeint ist damit die erkennung ihrer Geschlechtsidentität folglich auf
verbreitete Annahme, „dass jeder Mensch von Geburt Dauer von der Hochschule verweigert werden. Die
an ein ohne Schwierigkeiten binär bestimmbares, Hochschule stützt und verschärft dabei die strukturel-
körperliches Geschlecht hat, dass jede Person eine le Diskriminierung und psychische Belastung von
dauerhafte und sich nicht verändernde Geschlechtsi- binären trans* Personen.
dentität hat, dass es nur zwei Geschlechter gibt und Die Ergänzung des Artikels § 45b im Personenstands-
Menschen sich nicht zwischen oder jenseits dieser gesetz im Dezember 2018 und die damit einherge-
zwei kulturell bekannteren Geschlechter bewegen hende Möglichkeit eine nachträgliche Streichung bzw.
könnten“ (Hornstein 2019: 227). Änderung des Geschlechtseintrags auf ‚divers‘, ‚weib-
Trans*, inter* und nicht-binäre (TIN) Personen sind lich‘ oder ‚männlich‘ und mögliche Änderung des Vor-
einer täglichen Konfrontation mit den oben aufge- namens im Geburtenregister zu veranlassen, ist zur-
führten gesellschaftlichen Normen ausgesetzt. Diese zeit noch mit einigen rechtlichen Unklarheiten ver-
Normen sind die Grundlage für sowohl den diskrimi- bunden. Vom Bundesinnenministerium nur für inter*
nierenden, feindlichen Umgang, als auch für die psy- Personen intendiert, gehört dazu auch die offene Fra-
chische und physische Gewalt, die TIN Personen ge, ob auch nicht-binäre und trans* Personen von
durch unsere gesellschaftliche Struktur samt ihren dem Gesetz Gebrauch machen dürfen. Ein im Auftrag
Institutionen, ihrem Rechtssystem und Einzelperso- vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
nen erleiden. Wie alle gesellschaftlichen Institutionen und Jugend in 2019 verfasstes Rechtsgutachten zum
ist auch die Hochschule von trans*, inter* und nicht- Verständnis des Begriffs „Varianten der Geschlechts-
binär diskriminierenden Normen durchzogen und entwicklung“ von den Autor*innen Mangold, Mark-
reproduziert diese weiter (vgl. ebd.: 230). wald und Röhner analysiert, inwieweit der Beschluss
 zur Dritten Option über eine somatische Auslegung
Die Diskriminierung von TIN Personen verfestigt sich, des Begriffs hinausgeht und „die selbstempfundene
in dem die Hochschule ihren Wünschen nach einer Geschlechtsidentität in beiden Fällen zum zentralen
Änderung von Vorname(n) und/oder registriertem verfassungsrechtlichen Bezugspunkt“ macht (Man-
Geschlecht nur dann nachkommt, wenn Vorname(n) gold et al. 2019: 15). Daraus schlussfolgern sie die
und/oder Eintrag bereits rechtlich nach TSG oder Notwendigkeit, dass auch binäre und nicht-binäre
PStG anerkannt und geändert bzw. gestrichen wur- trans* Personen, die nicht inter* sind, von diesem
den. Für viele TIN Personen kommt es hier zu einer Gesetz Gebrauch machen können.15
Diskrepanz zwischen dem Vornamen, den sie in ihrem
alltäglichen Leben bereits verwenden und der Ver- In Bezug auf die Umsetzung analysiert Kasten, dass
wendung ihres (noch) amtlichen Vornamens in Hoch- „in vielen Regionen […] Anträge über lange Zeiträume
schulkontexten (bspw. im Seminar). Diese Abwei- nicht entgegengenommen“ (2019: 10) wurden und
chung bedeutet für viele TIN Personen ein ständiges Personen, die vom PStG Gebrauch machen wollen, der
Outing ihres Trans*, Inter* oder Nicht-binär Seins.
„Die umfassende Nutzung des selbstgewählten Vor-
 15„In Fällen von [binärer] Transgeschlechtlichkeit [führen sie aus]
namens [ist daher] in allen Bereichen der Universität besteht daher ein Wahlrecht zwischen dem Verfahren nach § 45b
ein zentraler Bestandteil zur Verminderung von Dis- PStG und dem TSG. Andernfalls würden transgeschlechtliche
 Personen schlechter behandelt als intergeschlechtliche, was einen
kriminierung“ (Kasten 2019: 18). Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG bedeuten würde“ (Mangold et al.
 2019: 15). Es ist allerdings davon auszugehen, dass es noch einige
Für binäre trans* Personen, die Änderungen ihres Zeit und vermutlich mindestens ein Gerichtsurteil dauern wird, bis
Vornamens und registrierten Geschlechts nach dem diese Erkenntnis sich auch in der Praxis der Standesämter
 widerspiegelt.

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Feministisches Geo-RundMail Nr. 82 | Juli 2020

Handhabung unterschiedlicher Standesämter ausge- lich macht, ihre selbstgewählten Vornamen und Pro-
liefert sind. Die dadurch entstehenden Wartezeiten nomen, sowie ihre Geschlechtsbezeichnung bereits
können zu psychischer Belastung führen oder bereits vor dem Abschluss der Verfahren des TSG und PStG
bestehende Belastungen verschlimmern. Darüber oder gänzlich ohne ein solches Verfahren nutzen zu
hinaus bedeutet die für die Änderung erforderliche können. Er dient oft als Voraussetzung für die Ände-
ärztliche Bescheinigung eine Pathologisierung der rung dieser Angaben in alltäglich verwendeten Papie-
Antragstellenden. Gerade auch für inter* Personen, ren (Versicherung, Banken, Ämter, etc.). Es ist aller-
von denen viele heute noch „ohne ihre persönliche dings notwendig, auch das Einfordern eines solchen
und vollständig aufgeklärte Einwilligung schwerwie- Nachweises zu hinterfragen. Der dgti-
gende und irreversible medizinische, medikamentöse Ergänzungsausweis muss von den Personen, die ihn
und chirurgische geschlechtsverändernde Eingriffe“ verwenden, selbst ausgefüllt und beantragt werden.
im Kindesalter erleiden müssen, kann die erneute Somit liegen der Aufwand und die Beanspruchung
Konfrontation mit Ärzt*innen eine enorme Hürde von zeitlichen und materiellen Ressourcen bei den
darstellen (TrIQ-Projekt »Antidiskriminierungsarbeit Menschen, die es eigentlich vor Diskriminierung zu
& Empowerment für Inter*« 2016: 3; siehe auch: OII schützen gilt (vgl. Kasten 2019: 16). Darüber hinaus
Germany 2018) Zudem fehlt die Möglichkeit, aus- kann hier auch nicht von einer tatsächlichen Gleich-
schließlich eine Vornamensänderung vorzunehmen. stellung gesprochen werden, wenn von TIN-Personen
Von geschlechtlicher Selbstbestimmung kann also die Vorlage eines zusätzlichen Dokumentes verlangt
auch mit der Änderung des PStG noch keine Rede wird, um das eigene Geschlecht zu beweisen. Denn
sein. auch die Verwendung eines amtlichen Personalaus-
 weises dient nicht der Überprüfung des Geschlechts,
Durch die Bewilligung einer Änderung von registrier-
 da dieser darüber gar keine Auskunft gibt.
tem Geschlecht und/oder Vorname(n) in den hoch-
schulischen Erfassungssystemen und auf den von der
Hochschule ausgestellten Dokumenten können die Literatur
Hochschulen sich aktiv für die Autonomie in der eige- Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2016): Ver-
nen Identitätsentwicklung einsetzen und Leidens- wendung des gewählten Namens von
druck vermindern. Darüber hinaus ist es wichtig, dass trans*Studierenden an Hochschulen unabhängig von
die Hochschulen sich in einen ständigen Prozess be- einer amtlichen Namensänderung – Rechtliche Ein-
geben, ihre Gleichstellungspolitik auf binäre und dya- schätzung. In:
 https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedD
dische Denkstrukturen zu untersuchen und diese zu
 ocs/Downloads/DE/Literatur_Bildung/Name_Trans_
überwinden. Kasten schreibt, dass „durch alle Rege- Studieren-
lungen, die nicht die gleichberechtigte Teilhabe von de.pdf;jsessionid=C311DE05FB13464A627DB7C17F
nicht-binären Personen sicherstellen, laufend Grund- AB0347.2_cid322?__blob=publicationFile&v=1 (letz-
rechte verletzt [werden]. Es besteht daher akuter ter Zugriff: 23.03.2020).
Handlungsbedarf der Universität sowohl hinsichtlich Hornstein, René_ Rain (2019): Trans*diskriminierung
der Auslegung und Umsetzung von übergeordneten an Hochschulen abbauen. Intersektionale
Rechtssätzen als auch der Rechtsetzung in eigener Trans*verbündetenschaft für gleiche Teilhabe an
 Hochschulen. In: Darowska, Lucyna (Hrsg.): Diversity
Zuständigkeit“ (Kasten 2019: 13).
 an der Universität. Diskriminierungskritische und in-
Warum ist auch das Einfordern des dgti- tersektionale Perspektiven auf Chancengleichheit in der
Ergänzungsausweis für die Änderung von Vorna- Hochschule. Bielefeld: transcript, 225-263.
me(n) und registriertem Geschlecht keine diskri- IVM / OII Germany (2016): Kennzeichen Divers – eine
minierungsfreie Alternative? verpasste Chance für eine offenere und freundlichere
 Gesellschaft für alle. In: https://oiigermany.org/wp-
Der Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft content/uploads/2018/12/Kennzeichen-Divers.pdf
für Transidentität und Intersexualität (dgti) ist ein (letzter Zugriff: 02.04.2020).
vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Kasten, Louis (2019): Bedeutung der ‚Dritten Option‘
Heimat geprüftes Dokument, welches eine Erweite- in der Universität. Abbau von Diskriminierungen nicht-
rung des amtlichen Personalausweises darstellt und binärer und binärer inter- und transgeschlechtlicher
 Personen. In:
es für trans*, inter* und nicht-binäre Personen mög-
 https://www.unikassel.de/intranet/fileadmin/datas/
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