Festrede 24. September 2021 Frank Janda Happich - 125 Jahre Turnerbund Stöcken von 1896 e.V - TB-Stöcken

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Festrede 24. September 2021 Frank Janda Happich - 125 Jahre Turnerbund Stöcken von 1896 e.V - TB-Stöcken
Festrede
                         125 Jahre
Turnerbund Stöcken von 1896 e.V.

         24. September 2021

                        Festredner
         Frank Janda Happich
Veröffentlichung -vollständig oder auszugsweise- in jedweder Form erlaubt,
          jedoch nur unter Nennung des Namens des Verfassers.
Festrede 24. September 2021 Frank Janda Happich - 125 Jahre Turnerbund Stöcken von 1896 e.V - TB-Stöcken
Lieber Turnerbund Stöcken,                                          auf diese Zeitreise zu begeben, die Ende des 19. Jahrhun-
                                                                         derts beginnt. Wenn ich mich in dieser Runde so umschaue,
     nun stehen wir beiden Alten allein auf der Bühne und die Au-        kann ich mit absoluter Sicherheit feststellen, dass niemand
     gen aller anwesenden Gäste hier in der Sporthalle schauen      30   außer mir zu diesem Zeitpunkt schon gelebt hat. Unsere äl-
     auf uns. Sie alle sind gekommen, um Dir zu Deinem 125.              testen hier anwesenden Gratulanten könnten fast schon
 5   Geburtstag zu gratulieren. Und diesen Glückwünschen                 meine Enkel sein. Von daher dürften, lieber Turnerbund, si-
     schließe ich mich natürlich gerne an.                               cherlich insbesondere Deine ersten Lebensjahrzehnte für sie
     Du hast mich gebeten, für Dich die Festrede zu halten. Die-         die spannendsten sein. Leider konnte ich mich nach so lan-
     sem Wunsch komme ich sehr gerne nach. Bevor ich aber           35   ger Zeit auch nicht mehr an jedes Detail erinnern und so bin
     einen Rückblick auf Dein Leben halte, begrüße ich ganz              ich dankbar, dass ich mich in Deinem von den Eheleuten
10   herzlich alle Gäste dieser Feierstunde. Namentlich möchte           Gärtner gut geführten Archiv umschauen und meine Erinne-
     ich in diesem Zusammenhang                                          rungen auffrischen durfte. Der Neffe des Verfassers der
                                                                         Festschriften zu Deinem 60. und 75. Geburtstag hat mir die
     den Bürgermeister und Ratsvorsitzenden der Landeshaupt-        40   Erlaubnis erteilt, hieraus zu zitieren. So bleiben mir hoffent-
     stadt Hannover, Herrn Thomas Hermann, sowie                         lich Plagiatsvorwürfe erspart.
     die Vizepräsidentin des Stadtsportbundes Hannover, Frau
15   Alexandra Jaritz, die auch als Vertreterin des Landessport-         Es war am 25. März 1896, als sich 18 turnbegeisterte junge
     bundes Niedersachsen anwesend ist,                                  Männer in der alten Sender’schen Gastwirtschaft trafen, um
                                                                         einen Turnverein zu gründen. Sie alle werden es sich kaum
     erwähnen.                                                      45   vorstellen können, dass Stöcken damals noch ein reines
                                                                         Dorf vor den Toren der großen Stadt Hannover war. Zwi-
     1896 – das Jahr Deiner Geburt – ist auch das Geburtsjahr
                                                                         schen diesem Dorf und der Stadt lagen noch große Gebiete,
     des größten und über die Grenzen Hannovers sicherlich be-
                                                                         die unbebaut waren. Eine engere verkehrliche Anbindung an
20   kanntesten Sportvereins, nämlich des Hannoverschen
                                                                         die Stadt, beispielsweise in Form einer Straßenbahn, be-
     Sportvereins von 1896, besser bekannt als Hannover 96.
                                                                    50   stand damals noch nicht. Das mag auch ein Grund sein, wa-
     Du allerdings bist wenige Tage, genau genommen 19 Tage,             rum die damalige Dorfgemeinde Stöcken noch ein ganz be-
     älter. Und auch Du hast bis heute ein sehr wechselvolles,           sonderes Eigenleben hatte.
     spannendes und erfolgreiches Leben geführt. Das möchte
                                                                         Vereine hat es zu dem damaligen Zeitpunkt schon einige in
25   ich Ihnen, liebe Gäste, gerne etwas näherbringen und ich
                                                                         unserem hannoverschen Vorort gegeben. Das Besondere,
     lade Sie herzlich dazu ein, sich mit dem Turnerbund und mir
                                                                    55   weil Neue an Dir, lieber Turnerbund Stöcken, war, dass Du
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ein Sportverein bist. Insbesondere für die älteren Stöckener          Aus dem Protokoll der ersten Versammlung geht hervor,
     Bewohner war es schlicht unverständlich, dass einige junge       30   dass die Vereinsmitglieder auch damals schon keine Kost-
     Burschen noch nicht genug an ihrer zumeist harten körperli-           verächter waren. Heißt es doch dort: (Zitat) „Zum Schluss
     chen Berufsarbeit hatten und in ihrer Freizeit noch durch Tur-        wurde noch ein Fässchen Bier mehrseitig gewünscht zu trin-
 5   nen Kraft vergeuden wollten. Aber diese entschlossenen                ken, aber es war leider etwas spät und es wurde bis auf wei-
     jungen Männer ließen sich natürlich in ihrem Vorhaben nicht           teres verschoben.“ (Zitat Ende)
     beirren.
                                                                      35   Der erste Mitgliedsbeitrag betrug lediglich 25 Pfennig monat-
     Einen solchen Verein wie Dich hat es damals in den Dörfern            lich. Trotzdem, so heißt es in einem damaligen Protokoll,
     kaum gegeben. Für deren Bewohner war die turnerische Be-              konnte (Zitat) „wegen des guten Wirtschaftens des Kassen-
10   tätigung etwas Befremdliches. Von daher lässt es sich erklä-          wartes ein gut Teil davon zur Sparkasse gebracht werden.“
     ren, dass Du in Deinen Anfängen sogar von vielen Leuten               (Zitat Ende)
     angefeindet wurdest. Aber wer, so wie Deine Begründer, vol-
     ler Tatendrang und Enthusiasmus ist, der lässt sich davon        40   Turngeräte ließen sich aufgrund fehlender finanzieller Mittel
     nicht beirren und geht seinen Weg. Mit viel Eifer ist es Dir          zunächst nicht aus dem Vereinsetat beschaffen. So wurden
15   gelungen, die Menschen von der Idee des Deutschen Tur-                ein Reck und Schaukelringe von August Sender selbst her-
     nens zu überzeugen.                                                   gestellt. Ein Turnpferd wurde später hinzugekauft.

     Kurz nach Deiner offiziellen Gründung, Deiner Geburt sozu-            Dem unermüdlichen Engagement insbesondere August
     sagen, musste erst einmal ein Vorstand gefunden werden,          45   Senders ist es zu verdanken, dass den Stöckener Bewoh-
     der sich um Deine Belange kümmert. Mit dem Kaufmann                   nern die Vereinsaktivitäten nicht unbemerkt blieben. Ein ers-
20   Adolf Parl wurde ein erster Vorsitzender gefunden, der die-           tes Schauturnen noch im Gründungsjahr brachte schon ei-
     ses Amt 35 Jahre bekleiden sollte. Daran mag deutlich wer-            nen gewissen Erfolg mit sich. Im Jahr darauf wurde bereits
     den, welchen beispiellosen Idealismus die Männer besaßen,             die Aufstellung einer Altersriege beschlossen.
     die Dich ins Leben riefen. Zweiter wichtiger Mann neben dem      50   1897 hast Du das erste Stiftungsfest gefeiert, zu dem unter
     Vorsitzenden, eigentlich der wichtigste Mann, war August              anderem mehrere Vereine der „Umgegend“ eingeladen wa-
25   Sender, der zum Gerätewart und wenig später zum ersten                ren. Hierfür wurde Dir keine Genehmigung von den Behör-
     Turnwart gewählt wurde. Er blieb 25 Jahre in dieser Funk-             den erteilt, aber Deine damals Verantwortlichen widersetz-
     tion. Diese beiden Männer trieben Deine Entwicklung ganz              ten sich diesem Verbot, woraufhin sie eine Ordnungsstrafe
     maßgeblich voran.                                                55   zahlen mussten.
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Zur damaligen Zeit herrschten eine gewisse Zucht und Ord-               Im Jahr 1900 wurdest Du, liebes Fahnenbanner, aus den
     nung. So gab es bereits eine saftige Strafe in Höhe von 5          30   ersten Überschüssen des noch jungen Vereins beschafft. Du
     Pfennig für ein mehr als 15minütiges Zuspätkommen zum                   dientest und dienst bis heute dazu, bei öffentlichen Veran-
     Turnen. 20 Pfennig zahlte, wer an dem Schauturnen nicht                 staltungen deutlich zu machen, welchem Verein die dem
 5   mitmachte und gar 50 Pfennig wurden fällig, wenn ein Ver-               Banner folgenden Menschen angehören, unseren Verein
     einsmitglied sich nicht an einem ersten Ausflug nach Beren-             also nach außen hin zu repräsentieren. Aber auch am Grab
     bostel beteiligt hat. Das Tragen eines vom Vorstand vorge-         35   manch eines treuen Vereinsmitglieds hast Du seither ge-
     schriebenen gleichen Hutes und Gürtels zu diesem Ausflug                standen. Eine feierliche Fahnenweihe fand im Sommer des-
     (beides zusammen zum Preis von 2,25 Mark zu erwerben),                  selben Jahres statt. Gegen die Auswahl der zu diesem An-
10   wurde zwingend vorgeschrieben. Ich glaube, derartige Sank-              lass von dem Vorstand auserkorenen zwölf Ehrenjungfrauen
     tionen sind heute kaum mehr durchsetzbar.                               regte sich Protest. Ein von Mitgliedern erhobener Einspruch
                                                                        40   wurde in einer eigens hierfür einberufenen Versammlung zu-
     Lieber Turnerbund Stöcken, bitte sei nicht böse, wenn ich               rückgewiesen. Hierzu wurde vermerkt: (Zitat) „Die Bedingun-
     mich in meiner heutigen Festrede auf das Wesentliche in                 gen, die an die Damen gestellt wurden, wurden von densel-
     Deiner weiteren Entwicklung beschränke. 125 Jahre sind                  ben gemeinsam mit dem Vorstand bereitwilligst angenom-
15   einfach eine sehr lange Zeit. In all‘ den Jahren ist so viel ge-        men.“ (Zitat Ende)
     schehen, dass eine nahezu lückenlose Erwähnung bei wei-
     tem den Rahmen dieser Veranstaltung sprengen würde.                45   Mir ist heute leider nicht mehr in Erinnerung, um welche Be-
                                                                             dingungen konkret es sich damals gehandelt hat.
     Verschiedene in den ersten Jahren Deines Bestehens von
     den Vereinsverantwortlichen neben den eigentlichen Turn-                Im Jahr 1901 fassten die Verantwortlichen den Entschluss,
20   abenden durchgeführte Veranstaltungen (z.B. Schauturnen,                neben der bereits gegründeten Altersriege auch eine Turn-
     Stiftungsfeste, Weihnachtsvergnügen und sogar Tanz-                     abteilung für Schulkinder einzurichten. Man hatte erkannt,
     abende) sorgten dafür, dass der Turnerbund Stöcken einen           50   dass es notwendig war, die heranwachsende Jugend (Zitat)
     gewissen Bekanntheitsgrad im Dorf Stöcken erlangte. Schon               „mit den Idealen der deutschen Turnerschaft vertraut zu ma-
     im Jahr 1899 nahmen an den alle zwei Monate stattgefunde-               chen und mitzuhelfen, sie durch die Haltung und Gesinnung
25   nen Versammlungen im Durchschnitt 40 Mann teil.                         echten Turnertums zu frischen, frommen, fröhlichen und
                                                                             freien Menschen zu erziehen.“ (Zitat Ende)
     Ein erster Wettkampf wurde im Sommer 1899 anlässlich ei-
     ner Turnfahrt nach Bückeburg bestritten. Dabei wurde ein           55   Die eingeleitete positive Entwicklung bei der Anzahl der Mit-
     beachtlicher dritter Platz belegt.                                      glieder führte dazu, dass mehr Geld zur Verfügung stand.
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Ein Teil der Einnahmen wurde dazu verwendet, bereits im              Jugendclub besaß einen Sportplatz und wurde vom Turner-
     Jahr 1903 den damals verpflichteten Turnlehrer zu bezahlen.          bund Stöcken als Sportabteilung übernommen, in der Fuß-
     Dies steigerte die Qualität der Übungsstunden, was sich wie-    30   ball und auch Leichtathletik betrieben wurden.
     derum in den erzielten Ergebnissen bei diversen Turnfesten
 5   widerspiegelte.                                                      Aber schon im Jahr 1924 kam es wieder zu einer Trennung,
                                                                          weil viele Stöckener Vereinsmitglieder die Sportabteilung ab-
     Im Sommer 1913 gab es einen weiteren Meilenstein in Dei-             lehnten, die nicht organisch im Verein gewachsen war. Dar-
     ner Entwicklung: Dem Wunsche einiger turnbegeisterter                über hinaus entbrannte zwischen den führenden Verbänden,
     Mädchen entsprechend wurde eine Damenriege gegründet.           35   die die Turner einerseits und die Sportler andererseits ver-
     Zunächst nur als Versuch, um zu sehen, wie die skeptischen           traten, ein heftiger Streit. Das war die Gründungsstunde un-
10   Stöckener Bewohner diese Entwicklung aufnehmen würden.               seres Nachbarvereins SV Kleeblatt Stöcken, mit dem uns
     Aber die Beteiligung und der Eifer der Turnerinnen waren so          heute eine gute nachbarschaftliche Beziehung verbindet.
     groß, dass sie schon bald in der Öffentlichkeit auftreten
     konnten. Die Abteilung Frauenturnen war gegründet und ist            Aber die im Turnerbund Stöcken verbliebenen jungen Män-
     seitdem nicht mehr wegzudenken aus dem Angebot unseres          40   ner wollten sich ebenfalls weiter spielerisch auf dem Sport-
15   Vereins.                                                             platz betätigen. In den Vorstand nachrückende junge Män-
                                                                          ner unterstützten diese Entwicklung und so kam es schließ-
     Das stetige Bergauf des TB Stöcken fand sein jähes Ende              lich zur Gründung der Handballabteilung in unserem Verein
     durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges, in dem 23 Mit-            im Jahr 1924. Was, außer interessierten Sportlern und einem
     glieder ihr Leben lassen mussten.                               45   Ball, benötigt man, um dieses schöne Spiel betreiben zu kön-
                                                                          nen? Natürlich – einen Sportplatz. Für die Jüngeren von
     Nach dessen Ende lag das Vereinsleben nahezu am Boden                Ihnen sei an dieser Stelle erwähnt, dass es damals noch
20   und es musste in dieser Zeit viel Aufbauarbeit geleistet wer-        nicht den heute allseits bekannten Hallenhandballsport gab.
     den.
                                                                          Die Stadt Hannover, zu der das Dorf Stöcken nach seiner
     Etwas ganz Besonderes entwickelte sich in den ersten Nach-      50   Eingemeindung inzwischen gehörte, stellte Dir, lieber Tur-
     kriegsjahren: Insbesondere die jungen Menschen zog es aus            nerbund, ein Gelände für Deinen Freiluftsport zur Verfügung.
     dem Turnsaal, in dem vornehmlich mit viel erforderlicher Dis-        Und, meine Damen und Herren hier in der Halle zu Ihrer Ein-
25   ziplin, Fleiß und Mühe am Turngerät geturnt wurde, ins Freie.        ordnung, dieser Platz lag in etwa dort, wo sich der heutige
     Sie wollten sich dort ungezwungen beim Fußball oder ander-           Straßenbahn-Endpunkt Stöcken befindet. Weißt Du noch,
     weitig spielerisch auf dem Sportplatz tummeln. Der damalige     55   TB Stöcken, mit welch aufopferungsvollem Einsatz beinahe
      Teil 1 / Seite 7                                                                                                    Teil 1 / Seite 8
alle Mitglieder an der Herrichtung dieses Platzes gearbeitet          einzige Möglichkeit, dieser erfrischenden Freizeitbeschäfti-
     haben? Viele haben Spenden geleistet. Eine Umkleidebara-         30   gung nachzugehen. Aber der Bau eines Schwimmbades war
     cke wurde errichtet, ein alter Eisenbahnwagen diente als Ge-          auch für Dich als aufstrebender Verein mindestens eine
     räteschuppen. Und am Ende war nach unermüdlicher Arbeit               Nummer zu groß. Da ja ein solches Schwimmbad, auch um
 5   eine Wirkungsstätte geschaffen, an der es Spaß machte,                wirtschaftlich betrieben werden zu können, möglichst allen
     Sport zu treiben und sich von den Belastungen der Arbeit zu           Stöckener Bürgern zugänglich sein sollte, wurde auf Betrei-
     erholen.                                                         35   ben aus den Reihen des TB Stöcken die Idee geboren, die
                                                                           Arbeitsgemeinschaft Stöckener Vereine zu gründen. Ein Zu-
     Damit einher ging eine deutliche Steigerung der Mitglieder-           sammenschluss, der auch heute noch besteht und sich ver-
     zahlen. Dies führte auch dazu, dass der Sender’sche Saal,             einsübergreifenden Themen widmet. Dieser Arbeitsgemein-
10   in dem Du in den ersten Jahren die Turnstunden für Deine              schaft - übrigens unter Vorsitz von Heinrich Ehlers, der 2.
     Mitglieder angeboten hast, von der Kapazität her einfach         40   Vorsitzender im Turnerbund war - gelang es, den Schwimm-
     nicht mehr ausreichte. In langen Verhandlungen, die die für           badbau im Jahr 1926 zu realisieren. Auch hier für Sie zur
     Dich verantwortlichen Herren zusammen mit Vertretern der              besseren Orientierung der Hinweis, dass sich das Schwimm-
     Stöckener Schule geführt haben, erklärte sich die Stadt Han-          bad im Mittellandkanal, westlich der Heidehausbrücke, auf
15   nover schließlich mit dem Bau einer Sporthalle bereit. Das            dem heutigen Grundstück der Firma Johnson Control, früher
     war der nächste Meilenstein Deiner kontinuierlichen Fortent-     45   Varta und noch früher Akkumulatorenfabrik, befand. Diese
     wicklung. Den jungen Menschen hier im Raum sei zu ihrer               Badeanstalt im Kanal, so heißt es damals, wurde zur Körper-
     besseren Vorstellung gesagt, dass es sich bei der genann-             pflege und Erfrischung nicht nur für die Vereinsmitglieder,
     ten Halle um die auch heute noch bestehende Halle nahe                sondern für die Allgemeinheit geschaffen.
20   der Feuerwache Stöcken an der Mecklenheidestraße han-
     delt.                                                                 Anfang der 1930er Jahre kam es zu umfassenden personel-
                                                                      50   len Veränderungen im Vorstand. Namentlich erwähnen
     Was benötigte der Turnerbund Stöcken darüber hinaus, um               möchte ich lediglich den Wechsel an der Spitze des Vereins:
     sein sportliches Angebot auf eine noch breitere Basis zu stel-        Adolf Parl, Vorsitzender seit der Gründung, schied aus die-
     len? Richtig: ein Schwimmbad. Eine Schwimmabteilung                   ser Funktion aus und übergab die Führung an Willi Reese.
25   hatte sich nach dem Krieg zwar inzwischen im Verein ge-               Diese und alle weiteren Neubesetzungen in den Vorstands-
     gründet, aber sie hatte noch keine sportliche Heimstatt. Ge-     55   ämtern taten der guten Entwicklung des Turnerbundes Stö-
     meinschaftsschwimmabende, ausgerichtet vom Turnbezirk                 cken keinen Abbruch, wenn, ja wenn da nicht dieses
     Hannover im damaligen Goseriedebad, waren die bis dahin

      Teil 1 / Seite 9                                                                                                    Teil 1 / Seite 10
schwarze Kapitel in der deutschen Geschichte gewesen                  es ging ganz langsam wieder etwas bergauf, wurde das Ver-
     wäre.                                                                 einsverbot gelockert. Alte Vereine durften sich wieder neu
                                                                      30   gründen. Und bereits am 16.01.1946 beschlossen 117 ehe-
     Mitte der 1930er Jahre traten Entwicklungen ein, die den Be-          malige Turnerbundler, dass es einen Neustart geben sollte.
     ginn des späteren vollständigen Erliegens sämtlicher Verein-          Zum 1. Vorsitzenden wurde Wilhelm Hatopp, ein damals
 5   stätigkeit einläuteten. Die Deutsche Turnerschaft als Dach-           26jähriger Mann, gewählt. Ein wahrer Glücksgriff, wie sich
     verband aller Turner in Deutschland wurde aufgelöst und in            im weiteren Verlauf herausstellen sollte. Die erste Mitglieder-
     den Reichsbund für Leibesübungen überführt. Die Mädchen          35   versammlung beschloss das „Vereins-Statut“, wie eine Sat-
     und Jungen des Vereins mussten ihn verlassen und wurden               zung damals bezeichnet wurde. Darin heißt es: (Zitat)
     Zwangsmitglieder in der HJ. Die in mühseliger Arbeit errich-
10   tete Badeanstalt musste einem Industriewerk weichen.                        „Der Zweck des Vereins ist die Hebung und Förderung
                                                                                 der Volkskraft und Volksgesundheit durch Pflege von
     Mit Heinrich Muhlert bekamst Du, lieber Turnerbund Stö-                     Leibesübungen aller Art auf volkstümlicher Grundlage
     cken, im Jahr 1938 einen neuen ersten Vorsitzenden. Er war       40         als Mittel zur körperlichen und geistigen Bildung seiner
     um seine Aufgabe nicht zu beneiden.                                         Mitglieder.“ (Zitat Ende)
     Die Kriegswirren der Jahre 1939 bis1945 bedeuteten für 47             Finden Sie nicht auch, dass das aus heutiger Sicht ziemlich
15   Vereinsmitglieder den Tod.                                            sperrig klingt?
     Der Wiederaufbau des Vereins nach dem ersten Weltkrieg                Nachdem der Turnbruder Hatopp die Versammlung zur Wie-
     war schon sehr schwer; nach dem zweiten Weltkrieg hinge-         45   dergründung des Vereins geschlossen hatte, wurde, so steht
     gen schien er beinahe unmöglich zu sein. Aufgrund der all-            es im damaligen Protokoll, (Zitat) „unter den Klängen des
     seits bestehenden Not wurde geplündert und geraubt. Dies              Turnbruders Apel noch ein Tänzchen gewagt. Eine freiwillige
20   erklärt, dass die Sportplatzanlage völlig unbrauchbar ge-             Spende an diesem Abend zum Aufbau des Vereins ergab
     macht wurde. Alles, aber auch wirklich alles, was es auf dem          immerhin 340,50 Reichsmark.“ (Zitat Ende)
     Sportplatz noch gab, konnte irgendwo anders zum Wieder-
     aufbau gebraucht werden.                                         50   Die Aufbauarbeit gestaltete sich schwer, es fehlte nahezu an
                                                                           allem und die Menschen mussten erst wieder überzeugt wer-
     In dieser Zeit hatte jeder genug mit sich selbst zu tun und an        den von den „Vorzügen“ eines Sportvereins. Ganz allmählich
25   den Wiederaufbau eines Sportvereins war zunächst nicht im             konnten Aktivitäten im Freien wieder angeboten werden,
     Entferntesten zu denken. Außerdem waren von der Militär-
     regierung sämtliche Vereine verboten worden. Ende 1945,                                                                Teil 1 / Seite 12
      Teil 1 / Seite 11
doch kam es aufgrund fehlender Räumlichkeiten zu zwangs-              eine große Feier. Da kam die Nachricht, dass Du die Platz-
     weisen winterlichen Unterbrechungen des Übungsbetriebes.         30   anlage an der Mecklenheidestraße verlassen musst, weil
                                                                           hier im Zuge des Neubaus des Volkswagenwerkes die End-
     1948, es ging so langsam mit der Entwicklung wieder voran,            station der Straßenbahn gebaut werden soll. Der nächste
     kam die Währungsumstellung, die den Verein zu eisernem                Rückschlag – aber auch den solltest Du überstehen.
 5   Sparen zwang. Sparen war auch deshalb notwendig, weil bei
     den Vereinsmitgliedern immer stärker der Wunsch aufkam,               Schon im Jubiläumsjahr wurden die Sportplätze und die
     die aus der Not heraus mit viel Improvisation aufgebaute         35   Laufbahn auf dem Dir von der Stadt Hannover zur Verfügung
     Sportanlage nun zu einem Ort umzubauen, an dem die Ver-               gestellten Grundstück an der Eichsfelder Straße, also genau
     einsfamilie eine Heimstatt findet. Der Kern des Vereins sollte        hier, wo wir uns derzeit befinden, fertiggestellt. Der Bau des
10   dadurch weiter gefestigt werden. Umkleideräume und ein ei-            Clubhauses wurde in den beiden darauffolgenden Jahren
     genes Klubhaus sollten zu diesem Zweck gebaut werden.                 durchgeführt. Man kannte es auch damals schon: Die ur-
     Die Kosten hierfür wurden in der Baubeschreibung des Ar-         40   sprünglich veranschlagten Kosten erhöhten sich nicht uner-
     chitekten immerhin mit 10.000 DM beziffert.                           heblich. Aber insbesondere eine Entschädigungszahlung für
                                                                           die alten Baulichkeiten an der Mecklenheidestraße sowie
     Schon 1950 wurde mit der Realisierung begonnen. Eine                  Darlehen und Spenden der Mitglieder sicherten die Finan-
15   Reihe selbstständig tätiger Turnerbundler übernahmen die              zierung. So konnte am 08. Juni 1958 die Anlage mit einer
     vielfältigen Planungs- und Bauarbeiten. Sie verzichteten da-     45   festlichen Veranstaltung eingeweiht werden. In den hanno-
     bei auf ihren eigenen Verdienst. Zu einem großen Teil er-             verschen Zeitungen hieß es zu dem Bau, dass es (Zitat)
     folgte die Finanzierung des Baumaterials und Inventars                „dem Architekten gelungen sei, unter Abgrenzung der ein-
     durch Spenden und Darlehen der Mitglieder. Im Juni 1951               zelnen Funktionen das zweckdienliche mit einer anspre-
20   schließlich konnte bereits die Einweihung gefeiert werden.            chenden äußeren Gestaltung zu verbinden. Die Stöckener
     Dieser Bau und auch die Tatsache, dass ab 1952 die Sport-        50   können sich glücklich schätzen, eine der modernsten und
     halle wieder für den Übungsbetrieb zur Verfügung standen,             schönsten Sportanlagen im Stadtgebiet zu besitzen.“ (Zitat
     läuteten den erhofften Aufwärtstrend ein.                             Ende)
     Du, lieber Turnerbund Stöcken, steuertest auf Dein 60jähri-           Aus heutiger Sicht mögen Sie das vielleicht kaum mehr
25   ges Bestehen zu. Du hattest Dich herausgeputzt, hast die              nachvollziehen können.
     Wirren zweier Kriege nicht nur überstanden, sondern bist
     zweimal gefestigt und durch uneigennützigen Einsatz Deiner                                                            Teil 1 / Seite 14
     Mittglieder wieder auferstanden. Alles war angerichtet für
      Teil 1 / Seite 13
Aber: Von diesem Tag an hatte der Turnerbund Stöcken
     seine neue und bis heute endgültige Heimstatt. Insofern trat
     nun eine ruhige Phase ein.

     Trotzdem gäbe es noch so viel über Dich, mein lieber Jubilar,
 5   zu erzählen. Aber ich möchte natürlich auch nicht Sie, liebe
     Zuhörer, über Gebühr beanspruchen. Außerdem gibt es na-
     türlich für die letzten zurückliegenden Jahre und Jahrzehnte
     noch sehr viele Zeitzeugen, die sicherlich gerne den jünge-
     ren interessierten Menschen von Deiner Entwicklung erzäh-
10   len.

     Ein ganz besonderes Ereignis möchte ich aber auf gar kei-
     nen Fall unerwähnt lassen, denn 1990 wurde eine heiß um-
     kämpfte Entscheidung getroffen: Die Mitglieder entschieden
     sich in einer Kampfabstimmung für den Bau der Halle, in der
15   wir uns gerade aufhalten. Es war ein großer finanzieller
     Kraftakt, doch dank des Einsatzes aller verantwortlich Han-
     delnden und der finanziellen Unterstützung vieler Mitglieder
     ist die Finanzierung seit dem letzten Jahr abgeschlossen.

     Soweit mein zusammenfassender historischer Rückblick auf
20   die Entwicklung des Turnerbundes Stöcken.

     Oh – was sehe ich da hinten? Dort, in einer der hinteren Rei-
     hen? Ein Anflug von Erschöpfung vielleicht? Sauerstoffman-
     gel? Zu wenig Bewegung?

     Wahrscheinlich von allem etwas. Ich übergebe daher an Ale-
25   xandra Oetzmann. Sie hat sicher eine Idee, Sie, meine Zu-
     hörer, wieder fit zu machen für den zweiten Teil meiner Aus-    Teil 1 / Seite 16
     führungen.
      Teil 1 / Seite 15
Meine Damen und Herren,                                              wert sein, aber im Jahr 1995, als Ursula Sievert diese Auf-
                                                                          gabe von ihrem Vorgänger Hansgeorg Janda übernommen
     ich habe Ihnen vor der Pause viel, hoffentlich nicht zu viel    30   hat, war das schon noch eher die Ausnahme. Seit nunmehr
     erzählt über die ersten Jahrzehnte des Turnerbundes Stö-             gut einem Jahr lenkt Alexandra Oetzmann die Geschicke un-
     cken, unseres heutigen Jubilars. Aber außer mir gibt es ein-         seres Turnerbundes.
 5   fach keine Zeitzeugen mehr und Sie sollen doch wissen, wel-
     che Entwicklungen der Verein genommen hat, welche                    Alle Vorsitzenden haben natürlich die Mitglieder des ge-
     Schwierigkeiten gemeistert wurden und welches Engage-                schäftsführenden Vorstandes bei der Aufgabenwahrneh-
     ment die Vereinsmitglieder auch schon damals, vielleicht        35   mung an ihrer Seite. Darüber hinaus gibt es die Mitglieder
     auch eher besonders damals, an den Tag gelegt haben für              des erweiterten Vorstandes, die Abteilungsleitungen, die
10   ihre sportliche Heimat, für ihren Turnerbund Stöcken von             Übungsleiterinnen und Übungsleiter, Schiedsrichterinnen
     1896 e.V.                                                            und Schiedsrichter, Helferinnen und Helfer jedweder Art. Sie
                                                                          alle hier namentlich aufzuzählen, sprengt den Rahmen die-
     Nun, nachdem Sie sich etwas stärken konnten und sicher          40   ser Veranstaltung.
     anregende Gespräche geführt haben, hoffe ich, dass Sie mir
     und meinen Ausführungen weiter folgen mögen.                         Aber erlauben Sie mir bitte, einige Menschen zu erwähnen,
                                                                          die aus meiner Sicht den Turnerbund Stöcken, unseren Ju-
15   Mir ist daran gelegen, allen, die sich für diese Gemeinschaft        bilar, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg in besonde-
     eingebracht haben bzw. aktuell einbringen, danke zu sagen.           rer Weise geprägt haben, zu erwähnen. Diese Aufzählung
     Jedes noch so kleine Rädchen, jeder noch so kleine Einsatz,     45   kann natürlich nicht abschließend sein und ist rein subjektiv,
     tragen dazu bei, den Turnerbund Stöcken in seinem Fahr-              was ich bereits jetzt zu entschuldigen bitte. Die Reihenfolge
     wasser zu halten. Große Verantwortung tragen natürlich die           stellt dabei keineswegs eine Rangfolge dar.
20   jeweiligen Vorsitzenden. Und hier ist der Turnerbund Stö-
     cken in gewisser Weise ein Vorreiter, und zwar in zweierlei          Erinnern Sie sich mit mir an Gerhard Beckmann. Er zeich-
     Hinsicht. Zum einen haben diesen Verein in seinen nunmehr            net als Trainer verantwortlich für fünf deutsche Meistertitel
     125 Jahren seines Bestehens lediglich sieben Personen ge-       50   im Korbball. In der gleichen Sportart verzeichneten die C-Ju-
     führt, was einer durchschnittlichen Verweildauer im Amt von          gendlichen unter der Leitung von Ramona Glahn so viele
25   beinahe 18 Jahren entspricht, und zum anderen wird er nun            Deutsche Meistertitel, wie bis dahin kein anderer Verein in
     schon zum zweiten Mal in Folge von einer Frau geführt. Das           ganz Deutschland erringen konnte.
     sollte in der heutigen Zeit eigentlich keine Erwähnung mehr
                                                                                                                           Teil 2 / Seite 2
      Teil 2 / Seite 1
Wilhelm Hatopp, der vorhin bereits erwähnte langjährige             Für Hansgeorg Janda gehörte der Turnerbund Stöcken
     Vorsitzende, steht als der Aufbaupionier des Turnerbundes           zum Lebensmittelpunkt. Abteilungsleiter Judo und Handball,
     in den Geschichtsbüchern. In einem Atemzug mit ihm muss        30   Gründer und Leiter der Korbballabteilung, stellvertretender
     man an dieser Stelle Herbert Hohnschopp und Otto Pape               Vorsitzender sowie anschließend Vorsitzender und Ehren-
 5   erwähnen. Beide sind als ehemalige Handballspieler bereits          vorsitzender waren die Stationen in seinem mehr als 65jäh-
     während und darüber hinaus auch nach ihrer aktiven Lauf-            rigen Vereinsleben.
     bahn über viele Jahrzehnte Mitglied des Vorstandes gewe-
     sen. Otto Pape wurde bereits im Alter von 18 Jahren in die-         Ursula Sievert als langjährige Abteilungsleiterin Korbball
     ses Gremium gewählt.                                           35   und spätere Vereinsvorsitzende sowie Rosie Rohowski als
                                                                         langjährige Abteilungsleiterin Frauengymnastik und daran
10   Die Älteren von Ihnen erinnern sich sicher noch an Gust-            anschließend Schatzmeisterin wurden jeweils für ihr Lebens-
     chen Medje, die mehr als 40 Jahre verantwortliche Übungs-           werk als Ehrenvorsitzende bzw. als Ehrenmitglied durch die
     leiterin im Turn- und Gymnastikbereich war. Auf eine noch           Mitgliederversammlung des Turnerbundes Stöcken ernannt.
     längere Dienstzeit als Übungsleiterin können Renate Marby
     im Frauenturnen sowie Marga Prendel im Kinderturnen ver-       40   Und schließlich gilt es, noch zwei Familienstämme zu erwäh-
15   weisen.                                                             nen, deren Mitglieder das Gesicht des Turnerbundes Stö-
                                                                         cken seit Anfang des vorigen Jahrhunderts, also nahezu seit
     Stephanie Roß blickt auf eine inzwischen beinahe 40jährige          der Gründung des Vereins, ganz maßgeblich mitbestimmt
     Amtszeit in verschiedenen leitenden Funktionen in der               haben.
     Handballabteilung zurück. Unermüdlich bringt sie sich der-
     zeit als deren Leiterin ein.                                   45   Da ist zum einen die Familie Knüttel. Drei Brüder – Hein-
                                                                         rich, Erich und Adolf – verschrieben sich schon früh dem
20   Ulrich Krüger, obwohl selbst gar nicht Mitglied des Turner-         Turnerbund. Die beiden erstgenannten waren über viele
     bundes, aber mit ihm im Herzen verwachsen, war über 40              Jahre aktive Turner, ehe sie sich dann in verschiedenen
     Jahre für unsere Gemeinschaft tätig. Man kann ihn getrost           Funktionen für die Mitarbeit im Vorstand zur Verfügung ge-
     als „Mann für alle Fälle“ bezeichnen, war er doch neben sei-   50   stellt haben. Heinrich Knüttel, geboren 1897 und Mitglied
     nem Hauptbetätigungsfeld als Handballtrainer unter ande-            im Verein seit 1905, ist der Vater von Luise, allen besser
25   rem auch in der Leichtathletik, beim Badminton und dem Kin-         unter ihrem Spitznamen „Ise“ bekannt. Ise prägte und ver-
     derturnen als Übungsleiter aktiv. Uli, wie er von allen ge-         körperte unseren Turnerbund Stöcken insbesondere im
     nannt wurde, war eine echte „Allzweckwaffe“.                        Frauen- und Seniorenturnen von frühen Kindesbeinen an bis
                                                                    55   zu ihrem Tod im Jahr 2013 über mehr als 75 Jahre und das
      Teil 2 / Seite 3
                                                                                                                       Teil 2 / Seite 4
weit über die niedersächsischen Landesgrenzen hinaus. Sie              Du, lieber Turnerbund Stöcken, bist eine große Familie. Und
     gehörte dem Vorstand des Vereins ununterbrochen 66 Jahre               wer hier erst einmal heimisch geworden ist, fühlt sich in Dei-
     lang an. Legendär sind die unzähligen, von ihr durchgeführ-            ner Gemeinschaft wohl. Das Bewegungsangebot richtet sich
     ten Fahrten mit Seniorenturnerinnen nach Friedenweiler im         30   an Jung und Alt. Aufgrund der Vielfältigkeit des Angebots
 5   Schwarzwald. Dort wurde sie mit der Ehrenbürgerwürde                   dürfte sicherlich für alle etwas Passendes dabei sein. Bad-
     ausgezeichnet. Ihre markante Stimme und ihre großgewach-               minton, Gesundheitssport, Gymnastik, Handball, Jeder-
     sene Statur machten diese liebenswerte Frau einfach unver-             mannsport, Korbball, der Lauftreff, Leichtathletik, Schwim-
     wechselbar. Alle hörten auf ihr Wort, niemand widersprach.             men, Tanzen, Tennis, Volleyball und Wandern sind derzeit
     Ich habe sie einmal ehrfurchtsvoll „Miss Turnerbund Stö-          35   die Sportarten, die heute auf dem breitgefächerten Übungs-
10   cken“ genannt. Zurecht wurde ihr für ihr ehrenamtliches En-            plan stehen. Früher hast Du sogar einmal Fechten angebo-
     gagement vom Bundespräsidenten das Bundesverdienst-                    ten. Leider musste vor nicht allzu langer Zeit Deine bis dahin
     kreuz verliehen.                                                       sehr erfolgreiche Judo-/Ju-Jutsu-Abteilung aufgegeben wer-
                                                                            den, weil sich einfach keine Trainer finden ließen. Schade!
     Aber Ise Knüttel? Hieß sie nicht Ise Burgstett? Ja, beides        40   Du, lieber Turnerbund, verstehst Dich in erster Linie als Brei-
     ist richtig. Luise hat nämlich Kurt Burgstett geheiratet.              tensportverein. Jede Frau, jeder Mann, jedes Kind ist bei Dir
15   Und damit sind wir bei der zweiten prägenden Turnerbund-               herzlich willkommen. Jeder betreibt den Sport im Rahmen
     familie, den Burgstetts. Kurt Burgstett war lange Jahre                ihrer bzw. seiner Möglichkeiten. Der eine mehr als Freizeit-
     Turner im Verein und übte die Funktion des Oberturnwartes              ausgleich zum anstrengenden Beruf, die andere leistungs-
     aus. Seine Frau Liesel wiederum war nach ihrer aktiven Zeit       45   orientierter. Hauptsache, am Ende einer Trainingsstunde
     als Turnerin über viele, viele Jahre als Übungsleiterin im Tur-        sind alle zufrieden, etwas für sich getan zu haben. Und man
20   nerinnenbereich tätig. Aus dieser Beziehung ging Tochter               lernt bei Dir neue Freunde kennen, mit denen es Spaß
     Renate Burgstett, heute Borchers, hervor, die seit 1968 bis            macht, die freie Zeit gemeinsam zu verbringen. Der Turner-
     heute als Übungsleiterin tätig ist. Einige Jahre, nachdem Lie-         bund übernimmt darüber hinaus auch eine soziale Verant-
     sel Burgstett verstorben war, heiratete Kurt „unsere“ Luise       50   wortung: Integration heißt hier das Stichwort.
     Knüttel, die seitdem den Namen Burgstett trug. Auf diese               Mit Deinem Projekt „Handball inklusive“ bietest Du Men-
25   Weise verbanden sich schließlich diese beiden Familiendy-              schen mit und ohne Behinderung Gelegenheit, miteinander
     nastien.                                                               Sport zu treiben.

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Aber auch darüber hinaus bringt der Turnerbund Stöcken                 den Verlockungen des Turnfestes erliegen und dadurch sei-
     viele Sportbegeisterte zusammen. In diesem durch Men-                  nen sportlichen Erfolg gefährden. Sie beschlossen daher,
     schen verschiedener Herkunft geprägten Stadtteil ist der ge-      30   ihn rund um die Uhr zu überwachen. Damals hieß es, dass
     meinsam betriebene Sport eine prima Möglichkeit, beste-                es sich um außerordentliche sportliche Leistungen unseres
 5   hende Grenzen abzubauen, zu helfen, andere Denk- und                   Turners gehandelt hat für einen Verein, dessen Wirken von
     Verhaltensweisen zu verstehen und Spaß am gemeinsamen                  jeher in erster Linie auf Breitenarbeit und nicht auf Höchst-
     Miteinander zu finden.                                                 leistungen gerichtet war.

     In einem Artikel der damaligen „Hannoverschen Zeitung“ aus        35   Korbballmannschaften aller Altersklassen schafften es, für
     dem Jahr 1955 heißt es, (Zitat) „der Turnerbund Stöcken                den Turnerbund Stöcken insgesamt 16 Deutsche Meistertitel
10   wolle keine Spitzenkönner heranbilden. Jedes seiner Mitglie-           zu erringen.
     der solle sich in seiner Sportart betätigen und in ihr den Kör-
     per stählen und auf dem Sportplatz Erholung finden. (Zitat             Aber auch die Handballmannschaften waren in der Vergan-
     Ende)                                                                  genheit sehr erfolgreich. Allen voran die A-Jugend des Jahr-
                                                                       40   ganges 1973/74, die als Norddeutscher Meister den vierten
     Aber aus der Masse heraus bildet sich zwangsläufig auch                Platz bei den Deutschen Meisterschaften belegte. Die Her-
15   die Klasse. Menschen, die ihre Sportart besonders gut be-              renmannschaft dieser Abteilung wurde 1984 Niedersachsen-
     herrschen, viel Zeit zu investieren bereit sind und ganz oben          meister und spielte seitdem in der dritthöchsten Deutschen
     dabei sein können und möchten, sind im Turnerbund Stö-                 Spielklasse.
     cken ebenso herzlich willkommen wie die sogenannten Brei-
     tensportler. Lassen Sie mich hier an einige Beispiele insbe-      45   Laufsenior Friedel Köhne hat im Alter von 70 (!) Jahren sei-
20   sondere der Jahre aus der zweiten Lebenshälfte unseres                 nen ersten Marathon in einer Glanzzeit von vier Stunden ab-
     Vereins erinnern, aber auch hier kann meine Aufzählung na-             solviert, und er war mit 85 Jahren noch immer auf den Lang-
     türlich nicht vollständig sein:                                        laufstrecken weltweit unterwegs.

     Schon im Jahr 1923 schaffte Heinrich Knüttel beim Deut-                Erinnern Sie sich noch an Klaus Glahn? Der Judoka, der bei
     schen Turnfest in München etwas ganz Besonderes. Er be-           50   den Olympischen Spielen in Tokio 1964 und München 1972
25   legte unter der Elite der deutschen Turner im Sechskampf               eine Bronze- und eine Silbermedaille errang? Jeder dama-
     den 16. Platz. Es hält sich die Überlieferung, mitgereiste Ver-        lige Stöckener Judoka war stolz zu wissen, dass dieser
     einsmitglieder seien damals besorgt gewesen, „Heini“ könne
                                                                                                                            Teil 2 / Seite 8
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Mann seine Karriere im Turnerbund begonnen hat. Er ist üb-             liche Karriere! Für mich ist Stephan Kunzelmann der erfolg-
     rigens der Schwager der vorhin erwähnten sehr erfolgrei-               reichste Sportler, der bis heute aus den Reihen unseres Tur-
     chen Stöckener Korbballtrainerin Ramona Glahn.                         nerbundes Stöcken je hervorgegangen ist.

     Der jugendliche Tennisspieler Jonas Memenga errang 2005                „Last but not least“ möchte ich noch an Christian Jäger er-
 5   die Niedersachsenmeisterschaft.                                   30   innern, der in seiner Disziplin, dem Wasserspringen, Deut-
                                                                            scher Jugendmeister geworden ist.
     Wir haben sogar einen Weltmeister in unseren Reihen: Ru-
     dolf (genannt: Rudi) Kirsch. Er war Mitglied der deutschen             Was für glanzvolle Leistungen! Dahinter stecken unzählige
     Handballnationalmannschaft, die im Jahr 1966 den Welt-                 Stunden Training, Fleiß, Ausdauer, aber auch Tränen und
     meistertitel errang. Das war aber nicht, wie Sie jetzt möglich-        Enttäuschungen.
10   erweise denken, beim Hallenhandball. Nein, zu der damali-
     gen Zeit wurde Handball immer noch fast ausschließlich im         35   Aber ohne die Menschen hinter den Sportlern, den Eltern,
     Freien auf dem sogenannten Großfeld praktiziert.                       Trainern, Betreuern, Abteilungsleitern und Vorstandsmitglie-
                                                                            der, könnten die Sportlerinnen und Sportler diese Leistungen
     Nanette Webers und Nicole Trepte waren in den 1980er                   nicht erbringen.
     Jahren die Aushängeschilder unserer Judoabteilung. We-
15   bers wurde im Jahr 1985 in ihrer Disziplin Deutsche Vize-              Und da bin ich dann wieder am Anfang: wir sind eine große
     meisterin.                                                        40   Familie, in der es Spaß macht, seinem Hobby nachzugehen.
                                                                            Im Vorfeld dieser Veranstaltung habe ich mich einmal unter
     Und dann gibt es noch die Sportler des nassen Elements.                den Mitgliedern umgehört. Auf meine Frage, was das Beson-
     Allen voran muss hier natürlich der Name Stephan Kunzel-               dere für sie im Turnerbund Stöcken sei, wurden beinahe ein-
     mann genannt werden. Er war auf seinen Strecken mehrfa-                hellig als Antwort „der Sport in der Gemeinschaft und das
20   cher Deutscher Meister, ist im Jahr 1998 einen Weltrekord in      45   nette Beisammensein vor, während und nach dem Sport“ ge-
     der Staffel geschwommen, wurde mit der 4x100 m Freistil-               geben. Erlauben Sie mir, auf eine dieser Antworten an dieser
     staffel Europameister, war Deutscher Rekordhalter über 100             Stelle etwas näher einzugehen: Ingrid Diering, unsere Sozi-
     m Freistil, belegte bei den Olympischen Spielen in Sydney              alwartin, die sich insbesondere um die älteren Menschen im
     mit der Staffel den vierten Platz und konnte sich erneut für           Verein kümmert, erklärte mir, der Turnerbund sei insbeson-
25   die Spiele 2004 in Athen qualifizieren. Eine unfassbare sport-    50   dere für Alleinstehende wie ein zweites Zuhause. Man werde

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dort z.B. beim Klönschnack, beim Sport oder Wandern auf-        „Fang nie an aufzuhören, hör nie auf anzufangen“.
     gefangen und man erhalte das Gefühl, auch im hohen Alter
     noch am Leben teilnehmen zu können.                             Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

     Wenn die Mitglieder so empfinden, bist Du, lieber Turner-
 5   bund, auf dem richtigen Weg.

     Meine Damen und Herren, ich wünsche mir für die Zukunft,
     dass der Turnerbund Stöcken weiterhin vielen Menschen die
     Heimstatt für Spaß an Bewegung und Geselligkeit bleibt.
     Das Fahrwasser, in dem sich Sportvereine heute bewegen,
10   dürfte rauer sein, als noch in der Vergangenheit. Gleichwohl
     bin ich überzeugt davon, dass die im Verein an den unter-
     schiedlichsten Stellen verantwortlichen Menschen es schaf-
     fen werden, den Turnerbund Stöcken immer so aufzustellen,
     dass er die sich ihm entgegenstellenden Untiefen umschifft.

15   Und wenn das gelingt, bin ich zuversichtlich, dass wir uns in
     125 Jahren an dieser Stelle wiedersehen werden, um das
     250. Jubiläum unseres Vereins zu feiern. Ich jedenfalls, habe
     mir diesen Termin schon fest in meinem Kalender vermerkt.
     Sie sollten das auch tun: Freitag, 25. März 2146.

20   Schließen möchte ich mit dem Leitspruch unserer Luise
     Burgstett, die sich die Worte von Cicero, dem römischen Phi-
     losophen, zu eigen gemacht hat. Diese Worte mögen An-
     sporn für all‘ diejenigen sein, die sich, in welcher Funktion
     auch immer, in das Vereinsleben mit ihrer ehrenamtlichen
25   Tätigkeit uneigennützig einbringen: Er lautet:

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