FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber

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FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
u n a b h ä n g i g — u n e r s c h r o c ke n — ko m p e t e n t

                              JOUR NA L
                              FRANZ
                              WEBER
                              Ap r i l | M a i | Ju n i 2 018 | Nr. 1 2 4

               FISCHE FÜHLEN –
               AQUARIEN QUÄLEN

PELUSA, ADIEU!               GEGEN DIE                                           FONDATION FRANZ WEBER –
Leben und Tod eines          MASSENTIERHALTUNG                                   STETS IM EINSATZ FÜR DIE NATUR
Zooelefanten                 Volksinitiative am                                  Schutz der Natur, Landschaften
29                           12. Juni lanciert!                                  und des Kulturerbes der Schweiz
                             32                                                  34

                                                  f f w. c h
                                 A Z B/ P. P. Jo u r n a l 3 0 0 0 B e r n 1 3
FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
INHALT

                                                                 Editorial                                                                                  3
                                                                 En Bref                                                                               4–6
                                                                 EQUIDAD – Vom Glück der Pferde auf dem Gnadenhof                                      6–9
                                                                 Wettlauf gegen die Zeit – Die Rettung der 270 Pferde von Salta                      10 – 12

—                                                                Retten Sie «Bruder Stier!» – Vera Weber schreibt an den Papst                       14 – 16
Fische fühlen – Aquarien quälen: Meerestiere gehören nicht       Mit Humor gegen den Stierkampf – Interview mit Leonardo Anselmi                     18 – 19
in ein enges Gefäss hinter Glas! Das sagt auch der Meeres-
forscher Robert Marc Lehmann, der in Basel ein vielbeachte-      Meeresforscher Robert Marc Lehmann – Absage an das Ozeanium                        20 – 22
tes Referat hielt und dem dort geplanten Grossaquarium eine
                                                                 Vision NEMO – New York und nicht Basel schreibt Geschichte                         24 – 25
deutliche Absage erteilte. In New York wurde unterdessen das
erste virtuelle Aquarium eröffnet.                 Seite 20     Ein Fisch wie du und ich – Kurzessay von Alika Lindbergh                           25 – 26
                                                                 Trauriges Elefantenleben – Pelusa stirbt kurz vor der Befreiung                    29 – 30
                                                                 Gegen die Massentierhaltung – Die Initiative ist lanciert                          32 – 33
                                                                 Unser Kampf für die Natur und Landschaft – Ein Überblick                           34 – 36
                                                                 Leserbriefe37
                                                                 Freude an den Giessbachfällen – Das Grandhotel ist auf Kurs                              39

—
Pelusa, adieu. Die 51-jährige Elefantendame starb trotz enor-
men Einsatz der Fondation Franz Weber kurz vor der Rettung
aus ihrem einsamen Gefängnisleben und dem Transport ins
Elefantenparadies. Pelusas tragisches Leben und Tod soll
Mahnmal und Ansporn zugleich sein, andere Zooelefanten von       IMPRESSUM
ihrem qualvollen Dasein zu befreien!                Seite 29    EINE PUBLIKATION DER FONDATION FRANZ WEBER
                                                                 CHEFREDAKTION: Vera Weber und Matthias Mast
                                                                 REDAKTION: Matthias Mast, Hans Peter Roth, Vera Weber, Murielle Buchs, Simon Jost
                                                                 ERSCHEINUNG: 4 x im Jahr
                                                                 KONZEPT: KARGO Kommunikation GMBH, Fabia Dellsperger
                                                                 LAYOUT: Gianpaolo Burlon
                                                                 DRUCK: Swissprinters AG
                                                                 ABONNEMENTE : Journal Franz Weber, Abo, Postfach 257, 3000 Bern 13, Schweiz
                                                                 T +41 (0)21 964 24 24
                                                                 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Fotos oder Texten nur mit Genehmigung der Redaktion.
                                                                 Für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotos kann keine Verantwortung übernommen werden.

—
Im Einsatz für die Schweiz. Nebst ihrem vielseitigen welt-
weiten Einsatz für das Wohl der Tiere, hat die Fondation Franz
Weber stets auch die Bewahrung der Schweiz im Auge. Zu-            SPENDENKONTO:
sammen mit ihrem Tochterverein Helvetia Nostra kämpft sie          Postkonto Nr. 18-6117-3, Fondation Franz Weber, 3000 Bern 13
für den Schutz der Landschaften und das kulturelle Erbe der        IBAN: CH31 0900 0000 1800 6117 3
Schweiz.                                             Seite 34

                                                                            2
FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18

                                                           EDITORIAL

                                                           Liebe Leserin, lieber Leser

                                                           Das neue Kleid des Journal Franz Weber
                                                           Mit Freude und ein wenig Stolz präsentieren Ihnen mein Team und
                                                           ich das Journal Franz Weber im neuen Kleid. Frisch, elegant und
                                                           mit Herzblut sollen die vielen Aktionen, Kampagnen und Themen
                                                           Ihrer Fondation Franz Weber (FFW) an Sie herangetragen werden.
                                                           Das freundliche Recyclingpapier lädt ein, das Journal Franz Weber
             VERA WEBER                                    länger zu behalten, zu lesen und weiter zu verschenken.
    Präsidentin Fondation Franz Weber
                                                           Mit einem neuen Logo in die Zukunft
                                                           Im gleichen Zug haben wir das Logo der FFW umgestaltet. Leser-
                                                           freundlich und attraktiv ebnet das neue, zeitgemässe Logo den Weg
                                                           für eine wirkungsvolle Kommunikation und fördert das Zugehörig-
                                                           keitsgefühl und den Stolz unserer Mitarbeitenden und Partner. Und
                                                           natürlich von Ihnen, liebe Gönnerinnen und Gönner der Fondation
                                                           Franz Weber, so hoffen wir.

          Das Logo von 2000 – 2018                         Von Montreux in die Bundesstadt
                                                           Praktisch, kosteneffizient und im Herzen des Geschehens: Die
                                                           Fondation Franz Weber ist nach Bern gezogen. Der offizielle Sitz der
                                                           FFW befindet sich seit Ihrer Gründung in Bern. Ihr Kampagnenbüro
                                                           seit 2007. Nun ist das Team der Fondation Franz Weber vereint unter
                                                           einem Dach in der Bundesstadt. Wir kehren der Romandie aber
                                                           nicht den Rücken. Eine kleine Vertretung bleibt in Montreux erhal-
                                                           ten.

                                                           Stets im Einsatz für Tier, Natur und Heimat
                                                           Ganz nach dem Vorbild ihrer Gründer, Franz und Judith Weber,
                                                           arbeitet die Fondation Franz Weber stets mit Elan, Enthusiasmus
                                                           und mit Erfolg für eine lebenswerte Welt. Und mit Ihnen an unserer
                                                           Seite wissen wir, dass wir weiterhin Berge für Tier, Natur und
                                                           Heimat versetzen können.

    Unser neues Logo symbolisiert die Arbeit
der Fondation Franz Weber für das Wohl der Tiere           Ihre Vera Weber
  sowie den Schutz von Natur und Landschaft
                                                           P.S.: Anfang Juli wird unsere ebenfalls aktualisierte Website
                                                                  online sein.

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FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
EN BREF

                 *
            TIERSCHUTZ
                                                          *
                                                    NATURSCHUTZ
                                                                                                    *
                                                                                              TIERSCHUTZ

      Vertrauen                           Creux-du-Van                               Vom Schutz-
    ins MSC-Label                        droht Zerstörung                                zum
      schwindet                          durch Windkraft                            Abschussgesetz
Vor 21 Jahren wurde das Label «Mari-     In der Region zwischen dem Chasseron    Die vom Ständerat angenommen Revi-
ne Stewarship Council» (MSC) für eine    und Creux-du-Van sind drei Projekte     sion des «Gesetzes zur Jagd und zum
nachhaltige Fischerei ins Leben geru-    mit vierzig 200-Meter-hohen Windtur-    Schutz wildlebender Säugetiere und Vö-
fen. Heute hält es nicht mehr, was es    binen geplant. Neben den erheblichen    gel» sieht nur Verschlechterungen für
verspricht. So schneiden MSC-zertifi-    landschaftlichen Auswirkungen haben     die Tiere vor. Der Schutz gefährdeter und
zierte Thunfischfänger zum lukrativen    diese Monster-Projekte den Bau von      geschützter Tiere soll durch erleichterte
Nebenverdienst mit gefangenen Haien      vielen Kilometer langen Strassen auf    Abschussmöglichkeiten massiv redu-
bei lebendigem Leib die Flossen ab.      bewaldeten Weiden zur Folge. Damit      ziert werden. So sind bereits Abschüsse
Die ebenfalls MSC-zertifizierte Hoki-    würde dieses wunderbare Landschafts-    vorgesehen, bevor ein Schaden zu ver-
Fischerei in Neuseeland trägt zur Aus-   ensemble, welches dank wenigen          melden ist und Interessengruppen mo-
rottung hochbedrohter Albatrosse bei.    menschlichen Eingriffen über reiche     nieren, ein Tier könnte einen Schaden
Dies sind nur zwei Beispiele von vie-    Flora und Fauna verfügt und zu einem    verursachen. Zudem kann neu jeder
len. Die Fondation Franz Weber gehört    grossen Teil geschützt ist, zerstört!   Kanton in Eigenregie geschützte Ar-
einer Koalition von Umweltverbänden                                              ten zum Abschuss freigeben. Das neue
und Wissenschaftlern an, die von MSC           UNTERSCHREIBEN SIE DIE            «Gesetz zur Jagd und zum Schutz wild-
eine weitreichende und umgehende                 PETITION DAGEGEN!               lebender Säugetiere und Vögel» würde
Nachbesserung des Zertifizierungs-             MEHR DAZU AUF SEITE 34.           zum reinen Jagdgesetz verkommen.
standards verlangt.                                                              Sollte das Parlament das Jagdgesetz gut-
                                                                                 heissen, behält sich die Fondation Franz
            MEHR INFOS:                                PETITION:                 Weber vor, gemeinsam mit anderen Orga-
    www.make-stewardship-count.org             www.chasseroncreuxduvan.ch        nisationen das Referendum zu ergreifen.

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FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18

                                     *
«Solange wir die Tiere ausbeu-
ten und zu Tode foltern lassen,
  nehmen wir am Verbrechen
teil. Solange die Qual der Tiere
 andauert, wird es auf dieser
 Welt keinen Frieden und kein
          Glück geben.»
                              FRANZ WEBER

             SCHUTZ DER ELEFANTEN
                 BEKRÄFTIGT

                                                                                                    *
                                                                                                    NATURSCHUTZ

                                                                                                    Wieder eine
                                                                                                    Baum­allee in
                                                                                                    Gefahr!
 Vom 1. bis 3. Juni 2018 hat die Koalition für den Afrikanischen Ele-                               Nach den über 200 Bäumen der Oster-
 fanten (AEC) in Addis Abeba, Äthiopien, getagt. In der Überzeugung,                                mundigenallee, die wegen einer geplan-
 dass jeglicher Elfenbeinhandel direkt zur Wilderei und Dezimierung                                 ten neuen Tramlinie gefällt werden sollen,
 der Elefantenbestände beiträgt, hat die AEC ihr entschiedenes En-                                  plant man in Bern dem Verkehr, weite-
 gagement zum Verbot jeglichen Handels und zur Schliessung aller                                    re Bäume zu opfern. Das Bundesamt für
 Binnenmärkte für Elfenbein bekräftigt. Sie fordert auch, dass die                                  Strassenbau ASTRA will den Rückstau bei
 brutalen Wildfänge von Elefanten für die Ausfuhr in Zoos und Parks                                 Grossanlässen auf der N6 vermeiden, in-
 sofort zu stoppen sind.                                                                            dem es eine neue Zufahrt zum Berner Eis-
                                                                                                    stadion erstellt. Dafür soll ein Wäldchen
 Die Fondation Franz Weber ist Partnerin der AEC seit deren Gründung 2007.                          weitgehend gerodet und eine Baumallee
 Ziel der Organisation mit heute 29 Mitgliedstaaten ist ein Verbot des Elfen-                       völlig abgeholzt werden. So verschwinden
 beinhandels im Rahmen des Übereinkommens zum internationalen Handel                                auf 750 Metern wunderbare und mäch-
 mit bedrohten Arten (CITES).                                                                       tige Bäume für immer. Mehr dazu in der
                                                                                                    nächsten Ausgabe.

                                                                           5
FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
—
Eines von vielen glücklichen    TIER
Tieren auf dem Gnadenhof       SCHUT Z
EQUIDAD.

    Vom Glück
    der Pferde
    und Esel
    auf dem
    Gnadenhof
                                 6
FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18

83 Pferde und 13 Esel
leben zurzeit auf dem
Gnadenhof EQUIDAD
der Fondation Franz
Weber in San Marcos
Sierra in Argentinien.
Hier begann ihr neues                                                                                                    —

Leben nach einem elen-                       HANNAH UND CLARA                                        Clara und ihre Tochter
                                                                                                        Hannah wurden im
                                             Die Rettung der kleinen Hannah und ihrer Mama
den Dasein voll harter
                                                                                                       Januar abgemagert
                                             Clara war wirklich einzigartig. Alles begann damit,
                                                                                                       in den Strassen der
                                             dass wir im Januar 2018 Fotos erhielten, auf denen          Stadt Cruz del Eje
Arbeit, Leiden und Miss-                     eine Stute und ihr Fohlen zu sehen waren, die durch              aufgefunden.
                                             die Strassen eines rauen Viertels der Stadt Cruz del
handlungen. Die Tiere                        Eje in der Nähe des Gnadenhofs irrten. Die Krimi-
                                             nalitätsrate ist dort sehr hoch, und Gewalt lauert an
werden vom Team des                          jeder Strassenecke. Die Fotos zeigten eine unterer-
                                             nährte und verwundete Stute sowie ein Fohlen mit
Gnadenhofs umsorgt                           einer schweren Knieverletzung. Alarmiert machten
                                             wir uns sofort auf den Weg dorthin, fanden die bei-
und verwöhnt. Im ersten                      den jedoch nicht.
                                                Am folgenden Tag wandten sich die Nachbarn
Teil der Geschichte über                     erneut an uns, um uns mitzuteilen, dass die Tiere
                                             auf der Strasse seien. Doch die Polizei hatte Angst,
unsere Schützlinge be-                       nachts dieses Viertel zu betreten! Wir mussten sie
                                             anflehen und betonten, dass die Tiere dringendst
leuchten wir die Schick-                     tierärztliche Hilfe benötigten. Schliesslich waren
                                             die Polizisten einverstanden und begleiteten uns
sale von Hannah, Clara,                      an den Ort ohne Strassenbeleuchtung. Die Bewoh-
                                             ner des Viertels begannen, uns mit Steinen zu be-
Rondo, Maria,                                werfen. Wir mussten uns zurückziehen.
                                                Jeden Morgen streiften wir durch das Viertel auf
Emmanuel und                                 der Suche nach der Stute und ihrem Fohlen, bis wir
                                             sie eines Tages endlich an einer Strassenbiegung
Blanquito.                                   fanden. Auf dem kaum zwei Wochen alten Fohlen
                                             sass ein Jugendlicher, und zwei Kinder schlugen es,
                                             damit es lief. 50 Meter weiter wurde seine Mutter

             *
                                             mit Peitschenhieben dazu gezwungen, einen Kar-
                                             ren zu ziehen.
             ALEJANDRA
                                                Danach suchten wir das Viertel immer wieder
             GARCÍA
             Direktorin Gnadenhof            auf, in der Hoffnung, dass sie erneut entkommen
             EQUIDAD und ZOOXXI in           wären. Einen Monat später teilte uns eine Bewoh-
             Lateinamerika                   nerin mit, dass sich die Tiere bei ihr vor dem Haus
             –                               befänden! Mit Hilfe der Polizei gelang es uns dies-

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FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
TIER
                                                         SCHUT Z

mal – nach rund 8 Wochen –, sie nach EQUI-     lockeren Zahn an. Auf dem Gnadenhof ha-
DAD zu bringen.                                ben wir Rondó aufgepäppelt und von einem
  Dort versorgten wir ihre Wunden und füt-     Tierzahnarzt behandeln lassen. Zudem
terten sie. Wir nannten das Fohlen Hannah      suchten wir für ihn einen passenden neuen
und seine Mama Clara. Während die Mama         tierfreundlichen Platz. Schon bald fanden
innert kurzer Zeit wieder bei Kräften war,     wir eine Familie, die bereit war, ihn aufzu-
dauerte die Genesung des Fohlens länger.       nehmen. Doch als die Leute bemerkten, dass
Doch dank tierärztlicher Pflege ist Hannahs    er kein «perfektes» Pferd war, weigerten sie
Knie inzwischen geheilt, allerdings noch       sich, ihn zu sich zu nehmen. Tatsächlich
immer geschwollen. Hannah lässt uns die        leidet Rondó an einer angeborenen Missbil-
Schwierigkeiten und den Aufwand für ihre       dung, dem «Syndrom des krummen Mauls».
Rettung und Pflege vergessen: sie ist äus-     Nun behalten wir ihn auf EQUIDAD, wo er
serst sanft und zutraulich. Sobald sie uns     zum kleinen Liebling der Mitarbeitenden
sieht, trabt sie heran und will gestreichelt   geworden ist.
werden – sie ist so klein und zerbrechlich
und doch so glücklich!                         MARÍA UND EMMANUEL
                                               Am 5. Januar 2017 erhielten acht Müllver-
RONDÓ                                          werter von Godoy Cruz in der Provinz Men-
Rondó lebt seit 2015 auf dem Gnadenhof         doza dank unserem Programm «Basta de
EQUIDAD, nachdem sein Besitzer dank un-        TaS!» Motofahrzeuge im Austausch gegen
serer Kampagne «Basta de TaS!» an seiner       ihre Pferde. María ist eines der Pferde, denen
Stelle ein Fahrzeug erhielt (siehe Kasten).    wir auf unserem Gnadenhof die Freiheit
Er kam völlig abgemagert und mit einem         schenkten.
                                                 Vor ihrer Ankunft auf EQUIDAD muss sie
                                               die Hölle erlebt haben. Sie ist Menschen
                                               gegenüber extrem scheu. Sobald wir uns
                                                                                                —
                                               nähern, steht ihr die Angst ins Gesicht ge-
                                                                                                Dank der Kampagne «Basta de TaS!»
                                               schrieben. Obwohl sie sich ganz allmählich
                                                                                                konnten die ehemaligen Müllpferde
                                               beruhigt, läuft sie noch immer vor uns weg,      Rondo (Bild links) und Maria (Bild
                                               was unsere Arbeit erschwert. Wir müssen          rechts, mit ihrem Fohlen Emmanuel)
                                               sie impfen und sie entwurmen, doch sie           von ihrem qualvollen Leid

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FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18

                                                                                                                                         —
                                                                                                                     Früher zog Blanquito
                                                                                                                         einen Müllkarren,
                                                                                                                      jetzt geniesst er die
                                                                                                                    Streicheleinheiten auf
                                                                                                                                 EQUIDAD.

versucht ständig, auszuschlagen oder       La Rioja mit einem grossen Herz für
zu beissen. So wird ihre Pflege zum Ex-    Tiere, beschloss, Blanquito zu helfen               «BASTA DE TAS!»
tremsport!                                 und gleichzeitig auch seinem Besitzer.
  Bei ihrer Ankunft auf dem Gnaden-        Als sie sah, dass die Stadtverwaltung
hof war María trächtig und brachte dort    das Programm «Basta de TaS!» nicht
ihr Fohlen Emmanuel zur Welt, dem sie      umsetzte, entschied sie sich dazu, es
beibrachte, Menschen zu misstrauen.        selbst zu tun. Nachdem sie den Kos-
Wir respektieren ihren Rhythmus, ih-       tenvoranschlag eines Geschäfts für
ren Raum und zwingen sie nicht, uns        motorisierte Dreiräder eingeholt hatte,
zu akzeptieren. Trotzdem geben wir         begann sie, Kuchen zu verkaufen, um
nicht auf: Wir zeigen María und Em-        Geld zu verdienen. Als der Eigentümer
manuel täglich aufs Neue, dass sie auf     des Geschäfts ihre Bemühungen be-
EQUIDAD in Sicherheit sind, keine          merkte, versprach er, ihr zwei Fahrzeu-
Angst mehr vor den Menschen haben          ge zu geben, wenn sie es schaffen wür-
müssen und sich dort entspannen dür-       de, die notwendige Summe für eines                 Die Kampagne der Fondation Franz
fen und glücklich leben können.            aufzubringen. Nach mehreren Mona-                  Weber «Basta de Tracción a Sangre!»
                                           ten Arbeit kehrte Fanny zum Geschäft               kurz «Basta de TaS!» (Schluss mit der
BLANQUITO                                  zurück, und der Eigentümer hielt Wort.             Müllabfuhr mit Pferden) wurde im Jahr
Blanquito ist ein sanfter und anhäng-      Sie konnte zwei Esel befreien: Blanqui-            2011 lanciert. Sie setzt sich zum Ziel,
licher Esel. Statt bei der Eselherde des   to und eine Eselin, die von einer Fami-            Müllpferde durch motorisierte Fahrzeu-
Gnadenhofs zu bleiben, streicht er, auf    lie aus La Rioja adoptiert wurde.                  ge zu ersetzen, damit die Pferde nicht
der Suche nach Streicheleinheiten, lie-       Fazit dieser wunderbaren Geschich-              mehr misshandelt werden. Die Pferde
ber um das Haus herum, in dem das          te: Mit Engagement und Entschlos-                  werden befreit, auf Gnadenhöfen unter-
Team von EQUIDAD wohnt. Er hat ge-         senheit gelang es einem einzigen                   gebracht oder an artgerechte Plätze bei
lernt, Türen zu öffnen, und so finden      Menschen, eine Stadtverwaltung zu be-              Privaten vergeben. Zugleich erhalten die
wir ihn oft in der Küche, wo er unsere     schämen und mehrere Leben zu retten:               Müllsammler ihre Würde zurück, indem
Gesellschaft sucht… oder einfach ein       jenes von zwei Eseln sowie der Men-                die Bedeutung ihrer Arbeit offiziell an-
paar «Guetzli».                            schen, welche die Esel besassen und                erkannt wird. Sie werden modern und
   Früher zog Blanquito einen Karren,      die heute unter besseren Bedingungen               effizient ausgerüstet und in den Be-
um Abfälle in der Stadt La Rioja ein-      leben können, ohne Tiere quälen zu                 reichen Recycling und Anwendung von
zusammeln. Sein Zustand war sehr           müssen.                                            Arbeitsrecht und -sicherheit geschult.
schlecht. Fanny, eine Einwohnerin von

                                                                     9
FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
TIER
                            SCHUT Z

Die Rettung der
270 Pferde von Salta –
ein Wettlauf gegen
die Zeit
Hilferufe erreichen uns zur Genüge, doch dieser
hier war besonders verzweifelt. 270 Pferde
und Esel würden auf einem Grundstück der
Polizei in Salta in Nordargentinien an Hunger
und Krankheiten sterben. Die Tiere, die
grösstenteils zur Müllsammlung eingesetzt
worden waren, wurden von der Polizei bei
den Besitzern wegen Misshandlung beschlag-
nahmt. Doch die vermeintliche Rettung                     ALEJANDRA GARCÍA
                                                                                 *
                                                  Direktorin Gnadenhof EQUIDAD und

der Tiere wurde zu einem neuen Albtraum.                     ZOOXXI in Lateinamerika
                                                                                —

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                                                                                                                   prägen das Dasein der 270 Pferde
                                                                                                                   auf dem Polizeigelände von Salta.

Nach dem Notruf einer jungen       len buchstäblich. Sie sind ab-             gut 300 Familien der Abfall-         schlechterte sich der Zustand
Frau aus Salta machte sich das     gemagert; das spärliche Futter             verwerter dieser Stadt andere        der Pferde zusehends. Einige
argentinische Team der Fonda-      ist schlecht. Nur um an etwas              Möglichkeiten zu bieten. Dabei       von ihnen landeten auf den öf-
tion Franz Weber (FFW) sofort      Wasser aus einem verrosteten               hatte sich Salta verpflichtet, un-   fentlichen Strassen, wo sie her-
auf den Weg. Der Ort des Grau-     Bottich zu kommen, gibt es ein             ser Programm «Basta de TaS!»         umirrten. Diese griff die Polizei
ens liegt 800 Kilometer vom        verzweifeltes Gerangel. Hengs-             (Schluss mit der Müllabfuhr mit      auf und brachte sie auf den zum
Gnadenhof EQUIDAD entfernt.        te leben mitten in der Gruppe,             Pferden) umzusetzen. Die Ver-        Kommissariat gehörenden Hof.
Man wollte sich vor Ort ein Bild   so dass jede Woche auch noch               waltung begnügte sich damit,           Doch die Polizei beharrt dar-
der Lage machen und in Zusam-      Fohlen in diese unerträglichen             lediglich 50 Motorfahrzeuge zur      auf, dass diese Pferde ihr nicht
menarbeit mit der Polizei einen    Lebensbedingungen hineinge-                Verfügung zu stellen, ohne die       gehörten. Sie seien aufgrund
Aktionsplan vorlegen, um den       boren werden…                              Pferde zum Austausch zu ver-         eines Gerichtsbeschlusses be-
Tieren zu helfen. Was unser                                                   langen. Zudem ergriff sie weder      schlagnahmt worden und daher
Team vorfand, war der reinste      DIE TIERE ZAHLEN DEN PREIS                 politische Massnahmen zur so-        sei die Justiz für sie zuständig.
Albtraum.                          Unsere Empörung über diese                 zialen Eingliederung noch ge-        So sind es die Tiere, die den Preis
   In einem Hof der Polizei von    Zustände wurde noch viel grös-             währte sie den Familien Unter-       dafür zahlen: Sie erhalten viel zu
Salta leben die Tiere in einer     ser, als wir erfuhren, dass ver-           stützung.                            wenig und noch dazu schlechtes
Hölle aus Schlamm und Exkre-       schiedene öffentliche Behörden               Da das Einkommen der 250           Futter, während sie unter den
menten. Sie versinken bis zum      dafür verantwortlich waren.                Familien, die ohne Motorfahr-        genannten grauenvollen Bedin-
Sprunggelenk darin und ziehen      Zwar hat die Gemeinde von Sal-             zeug auskommen mussten,              gungen ausharren müssen. Die
sich so Verletzungen und In-       ta den Einsatz von Zugtieren               sank (weil sie ihre Pferde nicht     Provinzregierung aber, der die
fektionen zu. Ihre Hufe verfau-    verboten – ohne allerdings den             mehr brauchen durften), ver-         Polizei unterstellt ist, hat keiner-

                                                                         11
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lei Interesse an den Pferden und über-     wird dies mit absoluter Gleichgültig-      sorgung. Unserem Team ist es zudem
lässt sie der Willkür der Polizei.         keit hingenommen oder – schlimmer          gelungen, mit der veterinärmedizini-
                                           noch – mit widerlichen Scherzen kom-       schen Fakultät der katholischen Uni-
WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT                    mentiert.                                  versität von Salta eine Vereinbarung
Vor Ort haben wir unverzüglich bei           Zudem wollen gewisse Richter der         zu unterzeichnen, um die schlimmsten
den für diese Dossiers zuständigen Ge-     Polizei die Versteigerung der Pferde er-   Opfer dorthin zu bringen.
richten eine Reihe von Verfahren ange-     lauben, auf welche dann ein qualvoller        Darüber hinaus stehen wir mit zwei
strengt. Wir wollen die richterliche Ge-   Tod auf dem Schlachthof wartet.            Richtern in Verbindung, die bereit
nehmigung erhalten, dass wir uns um          Dem Team der FFW ist es zum Glück        scheinen, uns zu helfen, damit uns die
diese Tiere kümmern und sie dort her-      gelungen, die erste Versteigerung, die     Pferde überlassen werden und wir sie
ausholen dürfen. Doch trotz vorgeblich     von einem der Gerichte durchgeführt        auf den Gnadenhof EQUIDAD überfüh-
guten Willens hat die Polizei nicht die    werden sollte, zu verhindern. Doch         ren können. Dort werden wir sie versor-
geringste Lust, mit uns zusammenzuar-      unser Team hat sich auf einen echten       gen und heilen, bevor wir Adoptivfami-
beiten. Der Polizei zufolge dringen wir    Wettlauf mit der Zeit eingelassen, um      lien für sie finden.
in ihr Territorium ein, auf ein Gelände,   die Tiere aus diesem Lager zu befreien,
auf welchem diese Scheusslichkeit ver-     bevor ein anderer Richter ihre Verstei-    DIE ERSTEN TIERE SIND GERETTET!
borgen bleiben sollte. Bricht ein Pferd    gerung beschliesst. Obwohl die Polizei     Im Mai haben wir bereits die ersten Tie-
im Schlamm zusammen und stirbt, so         weiter beteuert, mit uns zusammen-         re nach EQUIDAD überführt: Zwei Esel
                                           zuarbeiten, ersucht sie gleichzeitig die   und dreizehn Pferde sind gerettet. Die
                                           Richter darum, diese Art des Verkaufs      ältesten Tiere werden auf EQUIDAD
                                                    zu veranlassen, um sich die       bleiben. Die anderen werden, sobald
                                                     Einnahmen daraus zu sichern      sie wieder zu Kräften und Gesundheit
                                                     und sich des Problems schnell    gekommen sind, bei neuen Familien
                                                     zu entledigen.                   unterkommen, die ihnen die nötige
                                                                                      Fürsorge schenken.
                                                  EIN HOFFNUNGSSCHIMMER?
                                                   Um den Tieren etwas Linde-
                                                     rung zu verschaffen, finan-
                                                                                                                                         —
                                                     zieren wir seit drei Monaten               Die unterernährten Pferde müssen zum Teil
                                                     ihr Futter, ihre Medikamen-              im knöcheltiefen Morast stehen und leiden an
                                                   te und ihre tierärztliche Ver-                              Infektionen und Prellungen.

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IHR TESTAMENT
FÜR TIER UND NATUR
Lassen Sie Ihren letzten Willen für eine
lebenswerte Welt wirken!

Wünschen Sie über Ihr irdisches Leben hinaus Tiere und Natur zu schützen?
Dann bitten wir Sie in Ihren letzten Verfügungen an die FONDATION FRANZ
WEBER zu denken.
                                                                                           FONDATION FRANZ WEBER
Kontaktieren Sie uns telefonisch für eine vertrauliche und unverbindliche                  Postfach 257, 3000 Bern 13
Beratung. Unsere Spezialistin, Lisbeth Jacquemard, unterstützt Sie gerne und               T +41 (0)21 964 24 24
freut sich auf Ihre Anfrage.                                                               ffw@ffw.ch / www.ffw.ch

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Vera Webers
Brief an Papst
Franziskus                                                                                                         *
                                                                                                            VERA WEBER
                                                                                                          schrieb einen Brief an

Auf Einladung des Genfer Journalisten und Schriftstellers Emmanuel                                          Papst Franziskus
                                                                                                                   —
Tagnard schrieben 18 Persönlichkeiten verschiedenster Herkunft und
Glaubensrichtung an den Heiligen Vater in Rom. Die persönlichen Briefe
erschienen im April 2018 im Buch «Très Saint-Père. Lettres ouvertes
au Pape François.» Der folgende Brief an Papst Franziskus stammt aus
der Feder von Vera Weber, Präsidentin der Fondation Franz Weber.

HEILIGER VATER,                             sind Quellen reiner Inspiration. Sie ha-   in Ihrem Heimatland Argentinien, wo
in tiefer Verbundenheit und mit gros-       ben in der Gemeinschaft derer, die die     wir seit mehreren Jahren mit Men-
ser Bewunderung erlaube ich mir, Eu-        Umwelt und die Tiere schützen möch-        schen zusammenarbeiten, die Eurer
rer Heiligkeit diese Zeilen zu senden,      ten, die grosse Hoffnung geweckt, die      Heiligkeit wohlbekannt sind: jene städ-
und hoffe, dass sie direkt Ihr Herz er-     Wunder der Natur, die als solche noch      tischen Arbeiter, die «Carreros», «Car-
reichen.                                    existieren, retten zu können.              toneros» oder «Cirujas» genannt wer-
   Im Namen des vom Heiligen Franz            Es gibt zahlreiche Anlässe, bei denen    den und die die ökologisch so wertvolle
von Assisi beschriebenen «Bruder            der Schutz der Tiere und der Natur         Arbeit verrichten, wiederver-
Wolf» und in meinem Namen ebenso            missachtet oder falsch ausgelegt wird,     wertbare      Ab-
wie gewiss im Namen eines grossen           so, als handle es sich dabei um von den    fälle zu sam-
Teils der Weltbevölkerung möchte ich        Menschenrechten isolierte, ja sogar pa-    meln. Unser
Ihnen gegenüber Dankbarkeit darüber         rallele Bereiche, die vielleicht besten-   Team,     das
zum Ausdruck bringen, dass die ka-          falls simultan existieren, schlimmsten-    aus Umwelt-
tholische Kirche – insbesondere durch       falls jedoch einander im Wege stehen.      aktivisten,
Ihre Enzyklika «Laudato si»– in der po-     Für mich, ebenso wie für die Mehrheit      sozialen und
litischen und spirituellen Debatte ein-     der Menschen, die die Natur und die        Tierschutz-Ak-
deutig Stellung zugunsten des Schut-        Tiere verteidigen, ist dies nicht der      tivisten
zes unseres Planeten bezogen hat.           Fall – im Gegenteil: Wir setzen uns für    be-
   Diese Texte voll grüner Hoffnungen       die Erhaltung unseres Planeten Erde
zeigen eine fortschrittliche, auf das Be-   ein, der unser Leben ermöglicht. Wir
wahren ausgerichtete Vision des einzi-      kämpfen für die anderen Arten ange-
gen Hauses, das die Menschen und die        hörenden Kreaturen als eine logische
anderen Tier- und Pflanzenarten, mit        Erweiterung der Vision der individuel-
denen wir zusammenleben, besitzen.          len Rechte unserer eigenen Art.
                                                                                                                                        —
Der Mut und die Klarheit, die Eure Hei-       Unsere Stiftung hat diese Philoso-                                          Papst Franziskus
ligkeit in dieser Enzyklika bekundet,       phie in die Tat umgesetzt, nicht zuletzt

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steht, führt seit 2011 eine Kampagne, wertbaren Abfälle weitaus effizienter     Mit diesem Brief möchten mein
um den Einsatz von Müllpferden in behandelt werden können. Durch die Team und ich Ihnen unseren Dank
den Städten des Landes sowie in sämt- Kampagne wurde es zudem möglich, aussprechen und die Aufmerksamkeit
lichen Ländern Lateinamerikas zu un- ein umfassendes Programm einzu- Eurer Heiligkeit auf die Synergien len-
terbinden. Der Slogan dieser Kampa- richten, um diese städtischen Arbeiter ken, die, über Ihre Überzeugungen und
gne lautet: «Keine versklavten Pferde, in den Bereichen Recycling, Umwelt- Ihre Aussagen hinaus, zwischen den
keine ausgeschlossenen Menschen».      schutz und Anwendung der arbeits- verschiedenen Anliegen bestehen. Er-
   Sie war Gegenstand verschiedener rechtlichen Vorschriften zu schulen.      lauben Sie mir daher, Sie zu bitten, kei-
akademischer Studien, denn                                                                     ne Einschränkungen
sie entkräftet die Theorie, wo-    Noch heute, und jedes Jahr aufs Neue, werden                in der Position der
nach die Befreiung einer Art Spektakel, bei denen Tiere gefoltert werden, wie katholischen Kirche
zu Lasten der anderen Art zum Beispiel der Stierkampf, im Namen von Hei- gegen die Grausam-
geht, zur Gänze, indem sie sich                                                                keit gegenüber Tieren
                                  ligen organisiert, entgegen den Postulaten der
auf die Schlussfolgerungen                                                                     vorzunehmen.
aus der Geschichte stützt: Die    Frömmigkeit, des Friedens und des Mitgefühls,                  Noch heute, und
Rechte des weissen Menschen                     die die Kirche fördert.                        jedes Jahr aufs Neue,
wurden nicht eingeschränkt,                                                                    werden Spektakel, bei
als der schwarze Mensch dieselben        So gross ist unsere Gewissheit, dass denen Tiere gefoltert werden, wie zum
Rechte erhielt, ebenso wie die Rechte die gerechte Sache und die Freiheiten Beispiel der Stierkampf, im Namen
der Männer nicht durch das Erstarken Hand in Hand gehen, dass es uns un- von Heiligen organisiert, entgegen den
der Rechte der Frauen beeinträchtigt möglich ist, die Ausbeutung der Natur Postulaten der Frömmigkeit, des Frie-
wurden.                                und der Tiere hinzunehmen, ohne zu- dens und des Mitgefühls, die die Kir-
   Wir können somit Mechanismen gleich die Ausbeutung der Menschen che fördert. Diese Traditionen, sind auf
finden, um den Tieren eine höhere in Frage zu stellen, und umgekehrt. Zu Drängen unserer Fondation hin vom
Wertschätzung zuteil werden zu las- einem bestimmten Zeitpunkt in sei- Ausschuss für die Rechte des Kindes
sen, ohne dadurch die Rechte der Men- ner Geschichte glaubte der Mensch, er der UNO als Beeinträchtigung dieser
schen aus den Augen zu verlieren oder könne die Natur ausbeuten, ohne in Rechte bezeichnet worden, da sie Kin-
einzuschränken. Dank unserer Kam- Harmonie mit ihr zu leben… Ich den- der und Jugendliche Gewaltakten aus-
pagne konnten die Pferde in mehre- ke auch, dass der Mensch sich zu eben setzen. Sie sind somit nicht mit dem
ren Ländern des lateinamerikanischen diesem Zeitpunkt das Recht nahm, an- Guten und der Güte vereinbar. Unser
Kontinents durch Motorfahrzeuge er- dere Menschen weit über die Grenzen Bruder Stier muss ebenfalls gerettet
setzt werden, mit denen die wiederver- der Koexistenz hinaus auszubeuten.     werden!

  —
  Vera Webers dringlicher
  Appel an den Papst:
  «Unser Bruder Stier
  muss ebenfalls gerettet
  werden!»

                                                                 15
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  Heiligster Vater, ich habe die   seins, der Grundwert des Men-            Heiliger Vater, mit grösster
Ehre, Ihnen meine tiefe Be-        schen. Die Zeit ist vorbei, wo         Hochachtung und in aufrichti-
wunderung für Ihre politische      man an diesem Grundprinzip             ger Dankbarkeit grüsse ich Sie
Arbeit in einer wirklich komple-   und Grundwert vorbei regieren          herzlich
xen Epoche unserer Menschheit      konnte – der Auf- und Umbruch          
und Zivilisation auszusprechen     in der Gesellschaft, das steti-        VERA WEBER,
und diesen Brief mit den Wor-      ge Wachsen der Umweltbewe-             Präsidentin der Fondation Franz Weber,
ten meines Vaters, Franz Weber,    gung in der ganzen Welt sind           Montreux , 22. Januar 2018

– ein Pionier des Umwelt- und      die sicheren Anzeichen dafür.
Tierschutzes und ebenfalls ein     Es geht hier nicht nur, wie es
«Franziskus» – zu beenden:         auf den ersten Blick erscheinen           OFFENE BRIEFE AN
  «Jede Politik, die auf Dau-
er Bestand haben will, muss
                                   mag, um den Durchbruch zur
                                   Freiheit oder zur ökologisch
                                                                             DEN PAPST
in ethischer Sicht Bestand ha-     orientierten Wirtschaft, son-             Briefe von bekannten Persönlichkeiten mit aktuellen Themen: Um-
ben. Was verstehen wir unter       dern um den Durchbruch zum                welt- und Tierschutz, Finanzkorruption, Pädophilie-Skandal, Migra-
Ethik? Wir verstehen darunter      Ethisch-Menschlichen      über-           tionskrise, Menschenhandel, Terrorismus ...
die Anwendung von Liebe im         haupt: zur Fürsorge für alles             Buch momentan nur auf Französisch erhältlich
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das Grundprinzip des Mensch-       vor der Schöpfung.»

     «Nichts ist
     mächtiger als
     eine Idee,
     deren Zeit ge-
     kommen ist.»
     Victor Hugo

     www.zooxxi.org

                                                                     16
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«Wir weinen um die
Stiere, doch wir lachen
über ihre Henker.»
Der Argentinier Leonardo Anselmi, Direktor der Fondation
Franz Weber (FFW) für Südeuropa und Lateinamerika, ist
seit 2007 einer der international bedeutendsten Aktivisten
gegen den Stierkampf. Er koordinierte die Kampagne, dank
der die Stierkämpfe in Katalonien abgeschafft wurden.
Um die katalanische Erfolgsgeschichte in anderen Ländern                                                                  *
                                                                                                                  CLAUDIA ROCA
weiterzuschreiben, setze die FFW auf Wissenschaft und                                                            Kommunikationsleiterin
                                                                                                          der FFW Südeuropa und Lateinamerika
Humor, so Anselmi.                                                                                                       —

                                                                          Warum muss der Stierkampf abgeschafft werden?
                                                                          Leonardo Anselmi: Um es mit den Worten von Vera Weber zu
                                                                          sagen: «Wenn wir nicht imstande sind, eine so offenkundige
                                                                          Grausamkeit – die lange Folter eines Tieres zur öffentlichen
                                                                          Belustigung – abzuschaffen, wie soll es uns dann gelingen,
                                                                          anderen Grausamkeiten ein Ende zu setzen?» Wir müssen
                                                                          den Stierkampf abschaffen, um beim Tierschutz wirklich
                                                                          Fortschritte zu erzielen.

                                                                          Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, sich an vorderster
                                                                          Front für die Abschaffung des Stierkampfs einzusetzen?
                                                                          Früher dachte ich, ein Stierkampf bestünde nur aus einem

                                       *
                          LEONARDO ANSELMI
                                                                          Mann mit einem roten Tuch und einem Stier, der versucht,
                                                                          den Stoff anzugreifen. Es erschien mir eher langweilig. Als
                 Dank ihm wurden die Stierkämpfe in Katalonien            ich nach Barcelona kam, erkannte ich jedoch, wie grausam
                   abgeschafft. Seit acht Jahren ist er Direktor          Stierkampf wirklich ist. Ich konnte nicht glauben, dass dies
                  der Fondation Franz Weber für Südeuropa und             in Europa subventioniert und gefördert wird. Ich fühlte
                                 Lateinamerika.
                                                                          sofort, dass ich etwas tun musste, um diese Barbarei abzu-
                                        —
                                                                          schaffen.

                                                                     17
TIER
                                                                    SCHUT Z

Kannten Sie die Fondation Franz     Mulá, die jeweils für die Kom-           schen, der Berichterstattung in      heit der Gesellschaft angepran-
Weber (FFW)?                        munikation und für Rechtsfra-            den Medien. Aus diesem Grund         gert und abgelehnt.
Wer in der Tier- und Umwelt-        gen der Kampagne zuständig               begibt sich die FFW in alle Stier-
schutzbewegung kennt Franz          waren, haben wir uns der FFW             kampfländer, in jede Stadt, in       Warum gibt es dann immer noch
Weber nicht? Sein Erbe wird         angeschlossen, um diese kata-            der der Stierkampf praktiziert       Stierkämpfe?
durch seine Fondation verkör-       lanische Erfolgsgeschichte in            wird. Sie ist die einzige inter-     Der Grund dafür ist die Nähe
pert. Seine Art zu denken und       anderen Ländern fortzuschrei-            nationale Organisation, die das      der einschlägigen Lobbys zu
zu handeln war für uns, die neu-    ben.                                     macht. Ich selbst reise min-         den politischen Kreisen und
en Generationen von Aktivis-                                                 destens einmal jährlich in je-       den Unternehmen. In Europa
ten, eine Quelle der Inspiration.   Welches ist der beste Weg, um            des Land. Vor Ort arbeiten wir       werden sie sogar von den öffent-
Zudem prangert die FFW diese        den Stierkampf abzuschaffen?             mit den Befürwortern unserer         lichen Geldern aller Europäer fi-
grausamen und anachronisti-         Meiner Erfahrung nach gibt es            Sache zusammen, die uns die          nanziert. In Kolumbien dienen
schen Praktiken des Stierkamp-      dafür keine Wunderwaffe. Um              Möglichkeit bieten, uns an den       die Betriebe, in denen Kampf-
fes schon seit den 80er Jahren      eine Strategie umzusetzen, be-           lokalen Organisationen zur Ab-       stiere gezüchtet werden, dazu,
an und setzt sich dafür ein, sie    nötigt man eine geschickte Mi-           schaffung dieser Praktiken zu        Drogengelder zu waschen. In
abzuschaffen.                       schung aus Hingabe, Analyse,             beteiligen. Wir beraten und          Mexiko werden politische Ent-
                                    Arbeit und Engagement. Es ge-            unterstützen sie und statten sie     scheidungen nicht in den Par-
Und Sie haben sich 2010 dem         nügt nicht, sich einfach von sei-        mit den erforderlichen Mitteln       lamenten oder Regierungsin-
Team der FFW angeschlossen…         ner Intuition leiten zu lassen.          aus.                                 stitutionen getroffen, sondern
Ja. Vera Weber schlug uns nach                                                                                    in den Arenen. Der Stierkampf-
der Kampagne zur Abschaffung        Das heisst?                              Aber in bestimmten Ländern ist sie   industrie ist es gelungen, in der
des Stierkampfs in Katalonien       Zunächst einmal muss man                 Teil der Traditionen, der Kultur …   Nähe der Macht zu bleiben, was
im Jahr 2010 vor, für die Fon-      sich mit dem Kontext ausein-             In allen Ländern, in denen der       ihr ermöglicht, von den Geset-
dation zu arbeiten. Zusammen        andersetzen: dem politischen,            Stierkampf praktiziert wird,         zen gegen Tierquälerei ausge-
mit Alejandra García und Anna       sozialen, kulturellen, ökonomi-          wird diese Praxis von der Mehr-      nommen zu werden.

                                                                        18
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                                      —                                               Worum geht es in dieser Kampagne?   ben an den meisten politischen
                                      «Die Stiere leiden                              Um eine einzigartige Mischung       Prozessen zur Bekämpfung der
                                      nicht... Und die Kühe
                                                                                      aus Wissenschaft und Humor.         Corrida aktiv teilgenommen. In
                                      fliegen.» So der
                                                                                      Wir präsentieren Argumente          nur wenigen Jahren haben wir
                                      Slogan der neuen
                                      Kampagne der FFW,                               von Tierärzten und erläutern        zahlreiche Fortschritte in die-
                                      die im Juli 2018                                anhand von 3D-Videos, was den       sem Bereich erzielt.
                                      lanciert wird.                                  Stieren während des Kampfes
                                                                                      angetan wird. Aber wir setzen       Sogar die UNO verurteilt den
                                                                                      auch Humor und Sarkasmus            Stierkampf…
                                                                                      ein, um ein Argument ins Lä-        Genau! Den Berichten, die von
                                                                                      cherliche zu ziehen, das die In-    der FFW über die verschiede-
                                                                                      telligenz derart beleidigt, dass    nen Gebiete erstellt wurden,
                                                                                      man nicht anders darauf re-         ist es zu verdanken, dass der
                                                                                      agieren kann. Wir weinen um         Ausschuss für die Rechte des
                                                                                      die Stiere, doch wir lachen über    Kindes der Vereinten Natio-
                                                                                      ihre Henker.                        nen (UNO) für sieben Länder
                                                                                                                          (Portugal, Frankreich, Mexiko,
                                                                                      Welche Kampagnen führt die FFW      Ecuador, Peru, Kolumbien und
                                                                                      ausserdem durch, um den Stier-      Spanien) bestimmt hat, dass die
                                                                                      kampf abzuschaffen?                 Anwesenheit von Kindern und
                                                                                      Unsere gesamte Arbeit muss als      Jugendlichen in den Arenen
                                                                                      eine breit angelegte durchorga-     eine Verletzung ihrer Rechte ge-
                                                                                      nisierte, globale, methodische      mäss der Konvention von 1989,
                                                                                      und professionelle Kampagne         einer der Menschenrechtschar-
                                                                                      betrachtet werden.                  tas der UNO, darstellt. Der Aus-
Ausgenommen?                          Versuch, zu rechtfertigen, was                                                      schuss hat damit die Arbeit von
Das ist der eigentliche Kern des      nicht zu rechtfertigen ist.                     Mit Erfolg?                         Kindern bei Stierkämpfen als
Problems. Von Gesetzes wegen                                                          2016 haben wir es dank politi-      eine der schlimmsten Formen
könnte in diesen Ländern die          Wie reagiert man darauf?                        scher Lobbyarbeit geschafft, die    der Kinderarbeit definiert.
Folter der Stiere mit Gefängnis       Wir werden es mit Humor und                     Junta de Castilla y León dazu zu
bestraft werden, wenn es dabei        wissenschaftlichen  Beweisen                    bringen, das Toro de la Vega ab-    Die Stiere sind also nicht die ein-
um andere Tiere ginge! Wie z. B.                                                                                          zigen Opfer…
um eine Ziege oder einen Hund.                Auf diesen Unsinn, dass «die Stiere nicht                                   Natürlich nicht. Auch die Kin-
   Aber es wird immer schwieri-                                                                                           der, die Pferde oder die Kondore
                                            leiden», antworten wir: «Und Kühe fliegen».
ger, diese Ausnahme zu recht-                                                                                             und Hunde, die manchmal bei
                                                         Leonardo Anselmi
fertigen. Aus diesem Grund                                                                                                diesen Spektakeln eingesetzt
argumentieren die Befürwor-                                                                                               werden, sind betroffen. Die Ge-
ter des Stierkampfs nun damit,        tun. Wir bereiten eine Kampag-                  zuschaffen, die grausamste und      sellschaft im Allgemeinen ist
dass die Stiere nicht leiden, ja,     ne zu diesem Thema vor, um auf                  umstrittenste      Veranstaltung    ein Opfer dieser Verharmlosung
dass sie es lieben, mit aller Kraft   diese Ungeheuerlichkeit zu re-                  von ganz Spanien. Es ist uns        von Gewalt und Grausamkeit,
durchbohrt zu werden, um dann         agieren, und zwar in Zusammen-                  ausserdem gelungen, die Stier-      denn Gewalt berührt uns alle,
in ihrem eigenen Blut zu ertrin-      arbeit mit AVATMA (Asociación                   kämpfe auf den Balearen zu un-      ohne Ausnahme.
ken… Für ihre Theorie ziehen          de Veterinarios Abolicionistas de               terbinden, ihr Verbot in Katalo-
sie sogar pseudo-wissenschaft-        la Tauromaquia). Auf diesen Un-                 nien aufrechtzuerhalten, sie im     Wird die Abschaffung des Stier-
liche Studien heran. Wenn das         sinn, dass «die Stiere nicht lei-               Bundesstaat Coahuila in Mexiko      kampfs kommen? Sind Sie eher
wahr wäre, müssten wir alle           den», antworten wir: «Und Kühe                  zu verbieten, die Stierkämpfe in    optimistisch oder pessimistisch?
Bücher, die jemals über die Evo-      fliegen». So wird übrigens auch                 A Coruña (Spanien) zu unter-        Ich denke ja, aber das wird nicht
lution geschrieben wurden, ver-       der Name unserer Kampagne lau-                  binden und zu ihrem Verbot in       von allein geschehen. Daher bin
brennen. Doch es handelt sich         ten: Y las vacas vuelan (www.ylas-              der Mehrheit der Kantone von        ich weder Optimist noch Pessi-
natürlich um einen grotesken          vacasvuelan.org).                               Ecuador beizutragen… Wir haw-       mist, ich bin Aktivist.

                                                                                 19
TIER
                                                        SCHUT Z

Fische
                                                                       zunehmend Zweifel an der Richtigkeit sei-
                                                                       nes Tuns aufgekommen. Dann kam der
                                                                       Tag, an dem er die Seite wechselte: «Bis
                                                                       zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Aquari-

fühlen –
                                                                       um-Kritiker als Spinner bezeichnet, heute
                                                                       bin voll auf ihrer Seite.»

                                                                          Gebannt lauschten die Besucherinnen
                                                                       und Besucher den Worten des Mannes,

Aquarien
                                                                       der sich vom Saulus zum Paulus gewan-
                                                                       delt hat, und tauchten buchstäblich mit
                                                                       ihm ab in die Welt der Aquarien-Industrie.
                                                                       «Der Handel mit Wildtieren ist das viert-
                                                                       grösste Business nach dem Waffen-, Dro-

quälen
                                                                       gen- und Menschenhandel», so Lehmann.
                                                                       Der Tiefseetaucher berichtete offen über
                                                                       sein früheres Leben als Fischfänger und
                                                                       liess seine Zuhörer an seiner einstigen
                                                                       Tätigkeit hautnah teilhaben – im wahrs-
                                                                       ten Sinne des Wortes – , wie mit dem Bei-
                                                                       spiel des bereits erwähnten Seeteufels: «Er
                                                                       ist so ziemlich das komplizierteste Tier,
Klare Worte eines ehemaligen Meeresfisch-Fängers:
                                                                       das man für die Aquarienhaltung lebend
Es sei wichtig, diejenigen Menschen vor Ort zu                         fangen kann», verriet Lehmann. «Wenn
                                                                       man den Seeteufel nur ein einziges Mal
unterstützen, welche die Korallenriffe und die dort                    berührt, stirbt er. Der Seeteufel hat eine
                                                                       hochempfindliche Haut ohne schützende
lebenden Tiere schützen, anstatt weit entfernt
                                                                       Schuppen, und wird er von Menschen-
vom Meer Aquarien zu bauen, betonte Robert Marc                        hand berührt, verletzt sich diese Schleim-
                                                                       haut. Es folgt eine Infektion und eine Ver-
Lehmann. Der berühmte Meeresbiologe, Tiefseetau-                       pilzung und letztendlich der sichere Tod».
                                                                       Deshalb sei der Seeteufel-Fang äusserst
cher und Fotograf sprach auf Einladung der Fondation
                                                                       aufwändig, man müsse mit Handschu-
Franz Weber in Basel über das qualvolle Leben der                      hen und speziellen Plastiktüten arbeiten,

Wildfang-Fische in Grossaquarien und erteilte dem
geplanten «Ozeanium» eine klare Absage.

Die Halle des Kaffeehauses «Unternehmen Mitte» in Basel platzte aus
allen Nähten. Rund 350 Baslerinnen und Basler besuchten auf Einla-
dung der Fondation Franz Weber (FFW) den Vortrag des Meeresbiolo-
gen, Tiefseetauchers sowie preisgekrönten Fotografen und Filmema-
chers Robert Marc Lehmann. Bis vor zehn Jahren war Lehmann als
Fischfänger für Grossaquarien tätig. «Ich verdiente damals mein Geld
damit, Tiere zu fangen und hinter Glas einzusperren», sagte Lehmann
über seine Erfahrungen als hochbezahlter Fischfang-Taucher. «Für
einen Seeteufel bezahlen die Aquarien 10'000 Euro, für einen Mond-                           *
                                                                                    MATTHIAS MAST
fisch sogar gegen 15'000!» Im Laufe der Zeit sind beim ehemaligen                  Reporter und Journalist
Abteilungsleiter des Meerwasser-Aquariums in Stralsund (D) jedoch                            _

                                                           20
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18

                        —                                      beschrieb der einstige Fischjä-
                        Ein Mondfisch (Mola
                                                               ger seine Fangmethoden. «Das
                        mola) im Aquarium. Die
                                                               bedeutet, wenn ich einen See-
                        Hauterkrankungen und
                        Geschwülste sind selbst                teufel in ein Aquarium bringen
                        für Laien sofort zu                    wollte, musste ich mindestens
                        erkennen.                              zehn Tiere fangen, damit es
                                                               überhaupt einer überlebt und
                                                               ins Aquarium schafft.»

                                                                 Doch auch die Lebensdauer
                                                               der gefangenen Meerestiere ist
                                                               begrenzt, gelinde ausgedrückt.

                                                                 «Ein Hummer kann in der
                                                               freien Natur bis zu 100 Jahre
                                                               alt werden, in Gefangenschaft
                                                               lebt er nicht länger als drei Jah-
                                                               re», so der Meeresbiologe. Doch

                                                     «Wir müssen die Regenwälder
                                                     schützen, denn sie sind unsere
                                                   grüne Lunge, da sind wir uns alle
                                                     einig. Aber der Ozean ist unser
                                                   blaues Herz. Wenn der nicht mehr
                                                     existiert, wird es schwierig für
                                                                 uns alle!»

                                                               das Leben der gefangenen Tie-
                                                               re ist nicht nur kurz, sondern
                                                               auch sehr qualvoll. Eindrück-
                                                               lich veranschaulichte Robert
                                                               Marc Lehmann das Dasein der
                                                               auf engstem Raum hinter Glas
                                                               eingesperrten Lebewesen. «Der
                                                               Mondfisch ist der grösste Kno-
                                                               chenfisch und kann bis zu zwölf
                                                               Quadratmeter gross und nahe-
                                                               zu drei Tonnen schwer werden.
                                                               In Freiheit lebt er mindestens
                                                               80 Jahre. In Gefangenschaft
                                                               sind es im besten Fall sechs
                                                               Jahre, und wenn man Pech hat
                                                               nur sechs Monate.» Grund für
                        —                                      die kurze Lebensdauer ist die
                        So sieht ein Mondfisch in
                                                               Enge des Lebensraumes der
                        Freiheit aus! Wollen wir uns
                        wirklich derart belügen lassen?
                                                               einst in Freiheit lebenden Tiere.
                        Ein Aquarium ist kein Abbild der       «Schauen Sie, wie diese Fische
                        Realität, sondern eine tierquä-        in Gefangenschaft aussehen»,
                        lende Täuschung!                       rüttelte Lehmann mit verglei-

                   21
TIER
                                                        SCHUT Z

                                                                                                         —
                                                                                                         Paletten-
                                                                                                         Doktorfisch
                                                                                                         (Paracanthurus
                                                                                                         hepatus) in
                                                                                                         Freiheit…

chenden Foto- und Filmaufnahmen          im Aquarium nachgedacht, über einen    internationalen Regeln, wie gross zum
von frei lebenden und gefangenen Fi-     Korallenfisch, über einen Nemo?», rief Beispiel ein Becken für den Kongo-Ku-
schen seine Zuhörer auf. «Die Tiere im   Lehmann in den Saal.                   gelfisch sein sollte. Man kann diese Fi-
Aquarium sehen nicht mehr so aus wie                                            sche zuhause in der Badewanne halten
in Freiheit. Sie haben Wülste und Pil-    «Wir wissen heute, dass Fische und niemand würde einen deswegen
ze!»                                    Freundschaften pflegen, Langewei- belangen. Es gibt keine Regeln. «Es
                                                                                                sind halt ‹nur Fische›»,
  Auch die Haie dege-
                           «Wir wissen heute, dass Fische Freundschaften pfle- empörte sich Lehmann.
nerieren im Aquarium.                                                                             Als dramatisch be-
                           gen und Langeweile und Stress empfinden können.
«Ein Hai schwimmt in                                                                            zeichnete      Lehmann
Freiheit täglich 100 Kilo-  Sie glauben doch nicht, dass ein Fisch in einem Mi- nicht nur die Haltung
meter. Im Zoo Basel lebt nibecken in der Grösse von drei Badewannen artge- der Wildfang-Tiere, son-
er in einem Aquarium                         recht gehalten wird.»                              dern auch die daraus
mit einigen tausend Li-                                                                         resultierenden Folgen:
tern Wasser. Entsprechend ist sein Ver- le und Stress empfinden können. Sie «Der Banggai-Kardinalfisch wurde
halten, er schwimmt andauernd hin glauben doch nicht, dass ein Fisch in 1994 von der Aquarien-Industrie ent-
und her. Bei Säugetieren würde man einem Minibecken in der Grösse von deckt und in enormen Mengen gefan-
dies als Hospitalismus bezeichnen: drei Badewannen artgerecht gehalten gen. Die Aquarien-Industrie hat dafür
Der Elefant, der dauernd den Kopf hin wird», ärgerte sich Lehmann.              gesorgt, dass dieser Korallenfisch mitt-
und her wiegt, der Tiger, der auf und                                           lerweile fast ausgestorben ist.»
ab geht. Da sind sich heute alle einig, Die Frage stellt sich: Wo ist der Tier-
dass es diesen Tieren nicht gut geht. schutz?                                     Die Lage der Weltmeere sei vergleich-
Haben Sie schon mal über einen Hai        Da liegt eben die Krux: Es gibt keine bar mit jener der tropischen Regenwäl-

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                                                                                                LEHMANN
                                                                                             Der am 7. Februar 1983 in Jena
                                                                                             geborene Robert Marc Lehmann
                                                                                             studierte von 2003 bis 2008
                                                                                             Meeresbiologie, Zoologie und
                                                                                             Rechtsmedizin in Kiel und ab-
                                                                                             solvierte die Ausbildung zum
                                                                                             Forschungstaucher. Von 2008
—
Paletten-Doktorfisch im Ozeaneum Stralsund…                                                  bis 2009 war er Abteilungsleiter
                                                                                             im Grossaquarium «Ozeaneum»
                                                                                             in Stralsund. Nach einem sehr
                                                                                             tiefen Einblick in die Industrie
                                                                                             der Zoos und Aquarien «tauchten
der, ist Lehmann überzeugt: «Wir müssen die Regenwälder schützen, denn sie                   Zweifel an der Richtigkeit mei-
sind unsere grüne Lunge, da sind wir uns alle einig. Aber der Ozean ist unser                nes Schaffens auf», so Lehmann.
blaues Herz. Wenn der nicht mehr existiert, wird es schwierig für uns alle!»                 Heute «jagt» Robert Marc Leh-
  Robert Marc Lehmann rief die Baslerinnen und Basler dazu auf, sich – wenn                  mann Tiere nur noch mit Kamera
sie über das geplante «Ozeanium» nachdenken – in die Lage der Tiere zu ver-                  und Fotoapparat. Er taucht mit
setzen.                                                                                      Haien, Robben und Walen in über
                                                                                             100 Ländern auf allen Kontinen-
«Es ist wichtig, die Menschen zu unterstützen, welche die Korallenriffe vor Ort              ten und in allen Klimazonen die-
schützen und nicht neue Aquarien zu bauen, die letztendlich dafür sorgen,                    ser Erde. Für seine spektakulären
dass die Fische und deren Lebensraum zerstört werden», appellierte Lehmann                   Aufnahmen wurde er mehrfach
an das Publikum.                                                                             ausgezeichnet – zum Beispiel
                                                                                             als National Geographic-Fotograf
  Mit den Worten «Ich würde mich über eine Diskussion mit den «Ozean-                        des Jahres 2015. Seine Bilder
ium»-Planern freuen. Organisieren Sie das und ich bin dabei!», beendete Ro-                  zeigen die Schönheit der Natur,
bert Lehmann seinen aufwühlenden Vortrag.                                                    aber auch ihre Zerstörung durch
                                                                                             den Menschen.
Die FFW leitet Lehmanns Wunsch gerne weiter.

                                                                   23
TIER
                                          SCHUT Z

                      —
              Bild: zvg
      Im Herbst 2017
   wurde in New York
             das erste
   virtuelle Aquarium
   eröffnet – eigent-
lich hätte diese Idee
       zuesrt in Basel
 verwirklicht werden
               können.

Vision NEMO:
Von Basel verpasst –
von New York begrüsst

                          Vor vier Jahren präsentierte die Fondation Franz Weber (FFW) ihr
                          Projekt Vision NEMO. Dieses multimediale Tor zum Ozean ist die
                          bahnbrechende Alternative zum Meerwasser-Aquarium, einem
                          Relikt aus dem vorletzten Jahrhundert. Doch der Basler Zoo hält
                          stur am «Ozeanium»-Projekt fest. Im vergangenen Herbst hat
                          National Geographic in New York die Idee von Vision NEMO umge-

                      *
             VERA WEBER
                          setzt. Die FFW ist darüber sehr stolz, jedoch auch enttäuscht, da
                          der Basler Zoo die einmalige Chance verpasst hat, als erste Insti-
                     —

                          tution die Präsentation der Unterwasserwelt neu zu erfinden.
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Am 23. Mai 2014 lancierte die       MO-Gedanke auf fruchtbaren
Fondation Franz Weber (FFW)         Boden. In der Grossstadt New
in Basel Vision NEMO – die tier-    York, die im Gegensatz zur «Welt-
freundliche Alternative zum ge-     stadt am Rhein» wahrhaftig am
planten «Ozeanium» des Basler       Meer liegt, wurde im Herbst 2017
Zoos. Wir sagten damals bei         von National Geographic ein
der Präsentation: «Die Sensibi-     multimediales Aquarium ganz
lisierung der Bevölkerung für       nach der Idee der FFW eröffnet:
den Schutz der Ozeane liegt         Die «Encounter Ocean Odyssey»
uns ebenso am Herzen wie dem        (zu Deutsch Begegnung Ozean
Zoo Basel. Gleichzeitig halten      Odyssee).                                            ENCOUNTER OCEAN ODYSSEY
wir es nicht für den richtigen
Weg, Tiere ihrem Lebensraum         IMPULS AM RICHTIGEN ORT                                    IN NEW YORK
zu entreissen und auszustellen.     Wir gratulieren National Geo-                  Tauchen Sie ein in dieses unterhaltsame Abenteuer vom Südpazifik bis
Deshalb präsentieren wir Ihnen      graphic für die Umsetzung                      zur kalifornischen Küste. Anstatt Tiere ihrem Lebensraum zu entreissen,
heute unsere Lösung für nach-       unseres Impulses in die Tat.                   bringt Sie die bahnbrechende Technologie von Encounter zu deren Hei-
haltige Bildung und gute Unter-     Vor vier Jahren sagten wir, dass               mat, und dies mit Hilfe verblüffender fotorealistischer Animation.
haltung zum Thema Ozean: Sie        dies die Zukunft sei. Wir hätten                  Ihre Reise mit Encounter beginnt mit dem Erlebnis eines Kampfs zwi-
lautet Vision NEMO, das multi-      nicht richtiger liegen können.                 schen zwei Humboldt-Tintenfischen, dem Besuch eines leuchtenden
mediale Tor zum Ozean.»             Wir sind glücklich, dass unser                 Korallenriffs in der Nacht, und mehr. Während Sie durch einen Kelpwald
   Vision NEMO steht für «New       Impuls am richtigen Ort ange-                  «schwimmen», bestimmen Sie nun Ihr eigenes Tempo und finden sich
Evolutionary Marine Observati-      langt ist. Wir sind auch ein we-               bald inmitten eines unbeschreiblichen «Grossen Fressens» wieder; da-
on» (Neue Evolutionäre Meeres-      nig stolz darauf. Denn für ein-                bei kommen Sie einem lebensgrossen 16-Meter-Buckelwal hautnah.
beobachtung) und damit für ein      mal kann die Technologie dazu                     In der Exploration Hall tauchen Sie noch tiefer ein. Sie lauschen atem-
zukunftsorientiertes, virtuelles,   genutzt werden, wahre Umwelt-                  beraubenden Schilderungen von National Geographic-Fotografen und
multimediales, interaktives und     bildung zu leisten.                            Tiefseeforschern. (Textauszüge National Geographic).
nachhaltiges Tor zur Unterwas-         Dank ihr kann die Faszina-
serwelt. Mit den neusten Tech-      tion der Meere und somit deren
nologien will Vision NEMO die       Schutz unseren Kindern und                  erste soll in der Hauptstadt Riad            schon viele gemacht: London,
Meeresbewohner so zeigen, wie       ihren Eltern unterhaltsam nä-               2019 seine Türen öffnen. Der                 Konstanz, Lissabon, Kopenha-
sie wirklich sind: frei und un-     hergebracht werden. Traurige,               Tierschützer-Prinz* sagte bei der            gen, Stralsund und Hunderte
gestört in ihrem natürlichen Le-    kranke und verletzte Meerestie-             Verkündung seines Vorhabens                  mehr. Vision NEMO ist NEU.
bensraum, in all ihrer Schönheit    re hinter Glas, in einem künst-             mit National Geographic: «Als                Und wenn Basel es nicht macht,
und mit all ihren Problemen.        lichen, langweiligen Umfeld,                ich Encounter Ocean Odyssey                  dann macht es definitiv ein An-
                                    werden dies nie können.                     besuchte und sah, wie dieses Er-             derer.» Eine Vorahnung?
NEW YORK GRIFF DIE IDEE AUF         Enttäuscht sind wir jedoch,                 lebnis Leute von überall in die                Wie dem auch sei: Basel hat im-
Leider stiess die Idee von Vision   dass Basel die Chance verpasst              natürliche Welt der Tiere und der            mer noch die Chance, sein rück-
NEMO in Basel, namentlich bei       hat, als erste Stadt weltweit mit           Natur hineintauchen lässt, wuss-             wärtsgewandtes Projekt namens
den Verantwortlichen des Zoos,      der virtuellen Präsentation der             te ich, dass dies die Zukunft ist.»          «Ozeanium» in der Mottenkiste
auf taube Ohren. Stur hielten       Unterwasserwelt neue Mass-                     Als ich (Vera Weber) vor vier             zu versenken und es National
und halten die Initianten an        stäbe in der Zoo-Geschichte zu              Jahren Vision NEMO in Basel                  Geographic gleichzutun. Denn
ihrem «Ozeanium», diesem 100        setzen.                                     vor den Medien präsentieren                  schlussendlich wurde die Idee
Millionen Franken teuren Mo-                                                    durfte, endete ich mein Exposé               des virtuellen Aquariums hier in
nument der Tierquälerei, fest.      BALD GIBT ES ZEHN WEITERE                   mit diesen Worten: «Gross-                   Basel lanciert...
Trotz dem ebenso grossspuri-        VIRTUELLE AQUARIEN                          aquarien und Ozeanien haben                             www.vision-nemo.org
gen wie unwahren Werbeslogan        Mittlerweile will Prinz Khaled
«Basel liegt am Meer» sind sie      bin Alwaleed von Saudiarabien
nicht fähig, gross zu denken.       sogar gleich zehn solcher multi-
  Doch 6200 Kilometer wei-          medialer, tierfreundlicher Aqua-          * Prinz Khaled bin Alwaleed bin Talal setzt sich unter anderem ein für saubere Energie,
ter entfernt fiel der Vision NE-    rien im Golfstaat umsetzen. Das              gesundes Leben und die humane Behandlung von Tieren.

                                                                           25
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