FISCHE FÜHLEN - AQUARIEN QUÄLEN - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
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u n a b h ä n g i g — u n e r s c h r o c ke n — ko m p e t e n t JOUR NA L FRANZ WEBER Ap r i l | M a i | Ju n i 2 018 | Nr. 1 2 4 FISCHE FÜHLEN – AQUARIEN QUÄLEN PELUSA, ADIEU! GEGEN DIE FONDATION FRANZ WEBER – Leben und Tod eines MASSENTIERHALTUNG STETS IM EINSATZ FÜR DIE NATUR Zooelefanten Volksinitiative am Schutz der Natur, Landschaften 29 12. Juni lanciert! und des Kulturerbes der Schweiz 32 34 f f w. c h A Z B/ P. P. Jo u r n a l 3 0 0 0 B e r n 1 3
INHALT Editorial 3 En Bref 4–6 EQUIDAD – Vom Glück der Pferde auf dem Gnadenhof 6–9 Wettlauf gegen die Zeit – Die Rettung der 270 Pferde von Salta 10 – 12 — Retten Sie «Bruder Stier!» – Vera Weber schreibt an den Papst 14 – 16 Fische fühlen – Aquarien quälen: Meerestiere gehören nicht Mit Humor gegen den Stierkampf – Interview mit Leonardo Anselmi 18 – 19 in ein enges Gefäss hinter Glas! Das sagt auch der Meeres- forscher Robert Marc Lehmann, der in Basel ein vielbeachte- Meeresforscher Robert Marc Lehmann – Absage an das Ozeanium 20 – 22 tes Referat hielt und dem dort geplanten Grossaquarium eine Vision NEMO – New York und nicht Basel schreibt Geschichte 24 – 25 deutliche Absage erteilte. In New York wurde unterdessen das erste virtuelle Aquarium eröffnet. Seite 20 Ein Fisch wie du und ich – Kurzessay von Alika Lindbergh 25 – 26 Trauriges Elefantenleben – Pelusa stirbt kurz vor der Befreiung 29 – 30 Gegen die Massentierhaltung – Die Initiative ist lanciert 32 – 33 Unser Kampf für die Natur und Landschaft – Ein Überblick 34 – 36 Leserbriefe37 Freude an den Giessbachfällen – Das Grandhotel ist auf Kurs 39 — Pelusa, adieu. Die 51-jährige Elefantendame starb trotz enor- men Einsatz der Fondation Franz Weber kurz vor der Rettung aus ihrem einsamen Gefängnisleben und dem Transport ins Elefantenparadies. Pelusas tragisches Leben und Tod soll Mahnmal und Ansporn zugleich sein, andere Zooelefanten von IMPRESSUM ihrem qualvollen Dasein zu befreien! Seite 29 EINE PUBLIKATION DER FONDATION FRANZ WEBER CHEFREDAKTION: Vera Weber und Matthias Mast REDAKTION: Matthias Mast, Hans Peter Roth, Vera Weber, Murielle Buchs, Simon Jost ERSCHEINUNG: 4 x im Jahr KONZEPT: KARGO Kommunikation GMBH, Fabia Dellsperger LAYOUT: Gianpaolo Burlon DRUCK: Swissprinters AG ABONNEMENTE : Journal Franz Weber, Abo, Postfach 257, 3000 Bern 13, Schweiz T +41 (0)21 964 24 24 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Fotos oder Texten nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotos kann keine Verantwortung übernommen werden. — Im Einsatz für die Schweiz. Nebst ihrem vielseitigen welt- weiten Einsatz für das Wohl der Tiere, hat die Fondation Franz Weber stets auch die Bewahrung der Schweiz im Auge. Zu- SPENDENKONTO: sammen mit ihrem Tochterverein Helvetia Nostra kämpft sie Postkonto Nr. 18-6117-3, Fondation Franz Weber, 3000 Bern 13 für den Schutz der Landschaften und das kulturelle Erbe der IBAN: CH31 0900 0000 1800 6117 3 Schweiz. Seite 34 2
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser Das neue Kleid des Journal Franz Weber Mit Freude und ein wenig Stolz präsentieren Ihnen mein Team und ich das Journal Franz Weber im neuen Kleid. Frisch, elegant und mit Herzblut sollen die vielen Aktionen, Kampagnen und Themen Ihrer Fondation Franz Weber (FFW) an Sie herangetragen werden. Das freundliche Recyclingpapier lädt ein, das Journal Franz Weber VERA WEBER länger zu behalten, zu lesen und weiter zu verschenken. Präsidentin Fondation Franz Weber Mit einem neuen Logo in die Zukunft Im gleichen Zug haben wir das Logo der FFW umgestaltet. Leser- freundlich und attraktiv ebnet das neue, zeitgemässe Logo den Weg für eine wirkungsvolle Kommunikation und fördert das Zugehörig- keitsgefühl und den Stolz unserer Mitarbeitenden und Partner. Und natürlich von Ihnen, liebe Gönnerinnen und Gönner der Fondation Franz Weber, so hoffen wir. Das Logo von 2000 – 2018 Von Montreux in die Bundesstadt Praktisch, kosteneffizient und im Herzen des Geschehens: Die Fondation Franz Weber ist nach Bern gezogen. Der offizielle Sitz der FFW befindet sich seit Ihrer Gründung in Bern. Ihr Kampagnenbüro seit 2007. Nun ist das Team der Fondation Franz Weber vereint unter einem Dach in der Bundesstadt. Wir kehren der Romandie aber nicht den Rücken. Eine kleine Vertretung bleibt in Montreux erhal- ten. Stets im Einsatz für Tier, Natur und Heimat Ganz nach dem Vorbild ihrer Gründer, Franz und Judith Weber, arbeitet die Fondation Franz Weber stets mit Elan, Enthusiasmus und mit Erfolg für eine lebenswerte Welt. Und mit Ihnen an unserer Seite wissen wir, dass wir weiterhin Berge für Tier, Natur und Heimat versetzen können. Unser neues Logo symbolisiert die Arbeit der Fondation Franz Weber für das Wohl der Tiere Ihre Vera Weber sowie den Schutz von Natur und Landschaft P.S.: Anfang Juli wird unsere ebenfalls aktualisierte Website online sein. 3
EN BREF * TIERSCHUTZ * NATURSCHUTZ * TIERSCHUTZ Vertrauen Creux-du-Van Vom Schutz- ins MSC-Label droht Zerstörung zum schwindet durch Windkraft Abschussgesetz Vor 21 Jahren wurde das Label «Mari- In der Region zwischen dem Chasseron Die vom Ständerat angenommen Revi- ne Stewarship Council» (MSC) für eine und Creux-du-Van sind drei Projekte sion des «Gesetzes zur Jagd und zum nachhaltige Fischerei ins Leben geru- mit vierzig 200-Meter-hohen Windtur- Schutz wildlebender Säugetiere und Vö- fen. Heute hält es nicht mehr, was es binen geplant. Neben den erheblichen gel» sieht nur Verschlechterungen für verspricht. So schneiden MSC-zertifi- landschaftlichen Auswirkungen haben die Tiere vor. Der Schutz gefährdeter und zierte Thunfischfänger zum lukrativen diese Monster-Projekte den Bau von geschützter Tiere soll durch erleichterte Nebenverdienst mit gefangenen Haien vielen Kilometer langen Strassen auf Abschussmöglichkeiten massiv redu- bei lebendigem Leib die Flossen ab. bewaldeten Weiden zur Folge. Damit ziert werden. So sind bereits Abschüsse Die ebenfalls MSC-zertifizierte Hoki- würde dieses wunderbare Landschafts- vorgesehen, bevor ein Schaden zu ver- Fischerei in Neuseeland trägt zur Aus- ensemble, welches dank wenigen melden ist und Interessengruppen mo- rottung hochbedrohter Albatrosse bei. menschlichen Eingriffen über reiche nieren, ein Tier könnte einen Schaden Dies sind nur zwei Beispiele von vie- Flora und Fauna verfügt und zu einem verursachen. Zudem kann neu jeder len. Die Fondation Franz Weber gehört grossen Teil geschützt ist, zerstört! Kanton in Eigenregie geschützte Ar- einer Koalition von Umweltverbänden ten zum Abschuss freigeben. Das neue und Wissenschaftlern an, die von MSC UNTERSCHREIBEN SIE DIE «Gesetz zur Jagd und zum Schutz wild- eine weitreichende und umgehende PETITION DAGEGEN! lebender Säugetiere und Vögel» würde Nachbesserung des Zertifizierungs- MEHR DAZU AUF SEITE 34. zum reinen Jagdgesetz verkommen. standards verlangt. Sollte das Parlament das Jagdgesetz gut- heissen, behält sich die Fondation Franz MEHR INFOS: PETITION: Weber vor, gemeinsam mit anderen Orga- www.make-stewardship-count.org www.chasseroncreuxduvan.ch nisationen das Referendum zu ergreifen. 4
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 * «Solange wir die Tiere ausbeu- ten und zu Tode foltern lassen, nehmen wir am Verbrechen teil. Solange die Qual der Tiere andauert, wird es auf dieser Welt keinen Frieden und kein Glück geben.» FRANZ WEBER SCHUTZ DER ELEFANTEN BEKRÄFTIGT * NATURSCHUTZ Wieder eine Baumallee in Gefahr! Vom 1. bis 3. Juni 2018 hat die Koalition für den Afrikanischen Ele- Nach den über 200 Bäumen der Oster- fanten (AEC) in Addis Abeba, Äthiopien, getagt. In der Überzeugung, mundigenallee, die wegen einer geplan- dass jeglicher Elfenbeinhandel direkt zur Wilderei und Dezimierung ten neuen Tramlinie gefällt werden sollen, der Elefantenbestände beiträgt, hat die AEC ihr entschiedenes En- plant man in Bern dem Verkehr, weite- gagement zum Verbot jeglichen Handels und zur Schliessung aller re Bäume zu opfern. Das Bundesamt für Binnenmärkte für Elfenbein bekräftigt. Sie fordert auch, dass die Strassenbau ASTRA will den Rückstau bei brutalen Wildfänge von Elefanten für die Ausfuhr in Zoos und Parks Grossanlässen auf der N6 vermeiden, in- sofort zu stoppen sind. dem es eine neue Zufahrt zum Berner Eis- stadion erstellt. Dafür soll ein Wäldchen Die Fondation Franz Weber ist Partnerin der AEC seit deren Gründung 2007. weitgehend gerodet und eine Baumallee Ziel der Organisation mit heute 29 Mitgliedstaaten ist ein Verbot des Elfen- völlig abgeholzt werden. So verschwinden beinhandels im Rahmen des Übereinkommens zum internationalen Handel auf 750 Metern wunderbare und mäch- mit bedrohten Arten (CITES). tige Bäume für immer. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe. 5
— Eines von vielen glücklichen TIER Tieren auf dem Gnadenhof SCHUT Z EQUIDAD. Vom Glück der Pferde und Esel auf dem Gnadenhof 6
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 83 Pferde und 13 Esel leben zurzeit auf dem Gnadenhof EQUIDAD der Fondation Franz Weber in San Marcos Sierra in Argentinien. Hier begann ihr neues — Leben nach einem elen- HANNAH UND CLARA Clara und ihre Tochter Hannah wurden im Die Rettung der kleinen Hannah und ihrer Mama den Dasein voll harter Januar abgemagert Clara war wirklich einzigartig. Alles begann damit, in den Strassen der dass wir im Januar 2018 Fotos erhielten, auf denen Stadt Cruz del Eje Arbeit, Leiden und Miss- eine Stute und ihr Fohlen zu sehen waren, die durch aufgefunden. die Strassen eines rauen Viertels der Stadt Cruz del handlungen. Die Tiere Eje in der Nähe des Gnadenhofs irrten. Die Krimi- nalitätsrate ist dort sehr hoch, und Gewalt lauert an werden vom Team des jeder Strassenecke. Die Fotos zeigten eine unterer- nährte und verwundete Stute sowie ein Fohlen mit Gnadenhofs umsorgt einer schweren Knieverletzung. Alarmiert machten wir uns sofort auf den Weg dorthin, fanden die bei- und verwöhnt. Im ersten den jedoch nicht. Am folgenden Tag wandten sich die Nachbarn Teil der Geschichte über erneut an uns, um uns mitzuteilen, dass die Tiere auf der Strasse seien. Doch die Polizei hatte Angst, unsere Schützlinge be- nachts dieses Viertel zu betreten! Wir mussten sie anflehen und betonten, dass die Tiere dringendst leuchten wir die Schick- tierärztliche Hilfe benötigten. Schliesslich waren die Polizisten einverstanden und begleiteten uns sale von Hannah, Clara, an den Ort ohne Strassenbeleuchtung. Die Bewoh- ner des Viertels begannen, uns mit Steinen zu be- Rondo, Maria, werfen. Wir mussten uns zurückziehen. Jeden Morgen streiften wir durch das Viertel auf Emmanuel und der Suche nach der Stute und ihrem Fohlen, bis wir sie eines Tages endlich an einer Strassenbiegung Blanquito. fanden. Auf dem kaum zwei Wochen alten Fohlen sass ein Jugendlicher, und zwei Kinder schlugen es, damit es lief. 50 Meter weiter wurde seine Mutter * mit Peitschenhieben dazu gezwungen, einen Kar- ren zu ziehen. ALEJANDRA Danach suchten wir das Viertel immer wieder GARCÍA Direktorin Gnadenhof auf, in der Hoffnung, dass sie erneut entkommen EQUIDAD und ZOOXXI in wären. Einen Monat später teilte uns eine Bewoh- Lateinamerika nerin mit, dass sich die Tiere bei ihr vor dem Haus – befänden! Mit Hilfe der Polizei gelang es uns dies- 7
TIER SCHUT Z mal – nach rund 8 Wochen –, sie nach EQUI- lockeren Zahn an. Auf dem Gnadenhof ha- DAD zu bringen. ben wir Rondó aufgepäppelt und von einem Dort versorgten wir ihre Wunden und füt- Tierzahnarzt behandeln lassen. Zudem terten sie. Wir nannten das Fohlen Hannah suchten wir für ihn einen passenden neuen und seine Mama Clara. Während die Mama tierfreundlichen Platz. Schon bald fanden innert kurzer Zeit wieder bei Kräften war, wir eine Familie, die bereit war, ihn aufzu- dauerte die Genesung des Fohlens länger. nehmen. Doch als die Leute bemerkten, dass Doch dank tierärztlicher Pflege ist Hannahs er kein «perfektes» Pferd war, weigerten sie Knie inzwischen geheilt, allerdings noch sich, ihn zu sich zu nehmen. Tatsächlich immer geschwollen. Hannah lässt uns die leidet Rondó an einer angeborenen Missbil- Schwierigkeiten und den Aufwand für ihre dung, dem «Syndrom des krummen Mauls». Rettung und Pflege vergessen: sie ist äus- Nun behalten wir ihn auf EQUIDAD, wo er serst sanft und zutraulich. Sobald sie uns zum kleinen Liebling der Mitarbeitenden sieht, trabt sie heran und will gestreichelt geworden ist. werden – sie ist so klein und zerbrechlich und doch so glücklich! MARÍA UND EMMANUEL Am 5. Januar 2017 erhielten acht Müllver- RONDÓ werter von Godoy Cruz in der Provinz Men- Rondó lebt seit 2015 auf dem Gnadenhof doza dank unserem Programm «Basta de EQUIDAD, nachdem sein Besitzer dank un- TaS!» Motofahrzeuge im Austausch gegen serer Kampagne «Basta de TaS!» an seiner ihre Pferde. María ist eines der Pferde, denen Stelle ein Fahrzeug erhielt (siehe Kasten). wir auf unserem Gnadenhof die Freiheit Er kam völlig abgemagert und mit einem schenkten. Vor ihrer Ankunft auf EQUIDAD muss sie die Hölle erlebt haben. Sie ist Menschen gegenüber extrem scheu. Sobald wir uns — nähern, steht ihr die Angst ins Gesicht ge- Dank der Kampagne «Basta de TaS!» schrieben. Obwohl sie sich ganz allmählich konnten die ehemaligen Müllpferde beruhigt, läuft sie noch immer vor uns weg, Rondo (Bild links) und Maria (Bild was unsere Arbeit erschwert. Wir müssen rechts, mit ihrem Fohlen Emmanuel) sie impfen und sie entwurmen, doch sie von ihrem qualvollen Leid 8
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 — Früher zog Blanquito einen Müllkarren, jetzt geniesst er die Streicheleinheiten auf EQUIDAD. versucht ständig, auszuschlagen oder La Rioja mit einem grossen Herz für zu beissen. So wird ihre Pflege zum Ex- Tiere, beschloss, Blanquito zu helfen «BASTA DE TAS!» tremsport! und gleichzeitig auch seinem Besitzer. Bei ihrer Ankunft auf dem Gnaden- Als sie sah, dass die Stadtverwaltung hof war María trächtig und brachte dort das Programm «Basta de TaS!» nicht ihr Fohlen Emmanuel zur Welt, dem sie umsetzte, entschied sie sich dazu, es beibrachte, Menschen zu misstrauen. selbst zu tun. Nachdem sie den Kos- Wir respektieren ihren Rhythmus, ih- tenvoranschlag eines Geschäfts für ren Raum und zwingen sie nicht, uns motorisierte Dreiräder eingeholt hatte, zu akzeptieren. Trotzdem geben wir begann sie, Kuchen zu verkaufen, um nicht auf: Wir zeigen María und Em- Geld zu verdienen. Als der Eigentümer manuel täglich aufs Neue, dass sie auf des Geschäfts ihre Bemühungen be- EQUIDAD in Sicherheit sind, keine merkte, versprach er, ihr zwei Fahrzeu- Angst mehr vor den Menschen haben ge zu geben, wenn sie es schaffen wür- müssen und sich dort entspannen dür- de, die notwendige Summe für eines Die Kampagne der Fondation Franz fen und glücklich leben können. aufzubringen. Nach mehreren Mona- Weber «Basta de Tracción a Sangre!» ten Arbeit kehrte Fanny zum Geschäft kurz «Basta de TaS!» (Schluss mit der BLANQUITO zurück, und der Eigentümer hielt Wort. Müllabfuhr mit Pferden) wurde im Jahr Blanquito ist ein sanfter und anhäng- Sie konnte zwei Esel befreien: Blanqui- 2011 lanciert. Sie setzt sich zum Ziel, licher Esel. Statt bei der Eselherde des to und eine Eselin, die von einer Fami- Müllpferde durch motorisierte Fahrzeu- Gnadenhofs zu bleiben, streicht er, auf lie aus La Rioja adoptiert wurde. ge zu ersetzen, damit die Pferde nicht der Suche nach Streicheleinheiten, lie- Fazit dieser wunderbaren Geschich- mehr misshandelt werden. Die Pferde ber um das Haus herum, in dem das te: Mit Engagement und Entschlos- werden befreit, auf Gnadenhöfen unter- Team von EQUIDAD wohnt. Er hat ge- senheit gelang es einem einzigen gebracht oder an artgerechte Plätze bei lernt, Türen zu öffnen, und so finden Menschen, eine Stadtverwaltung zu be- Privaten vergeben. Zugleich erhalten die wir ihn oft in der Küche, wo er unsere schämen und mehrere Leben zu retten: Müllsammler ihre Würde zurück, indem Gesellschaft sucht… oder einfach ein jenes von zwei Eseln sowie der Men- die Bedeutung ihrer Arbeit offiziell an- paar «Guetzli». schen, welche die Esel besassen und erkannt wird. Sie werden modern und Früher zog Blanquito einen Karren, die heute unter besseren Bedingungen effizient ausgerüstet und in den Be- um Abfälle in der Stadt La Rioja ein- leben können, ohne Tiere quälen zu reichen Recycling und Anwendung von zusammeln. Sein Zustand war sehr müssen. Arbeitsrecht und -sicherheit geschult. schlecht. Fanny, eine Einwohnerin von 9
TIER SCHUT Z Die Rettung der 270 Pferde von Salta – ein Wettlauf gegen die Zeit Hilferufe erreichen uns zur Genüge, doch dieser hier war besonders verzweifelt. 270 Pferde und Esel würden auf einem Grundstück der Polizei in Salta in Nordargentinien an Hunger und Krankheiten sterben. Die Tiere, die grösstenteils zur Müllsammlung eingesetzt worden waren, wurden von der Polizei bei den Besitzern wegen Misshandlung beschlag- nahmt. Doch die vermeintliche Rettung ALEJANDRA GARCÍA * Direktorin Gnadenhof EQUIDAD und der Tiere wurde zu einem neuen Albtraum. ZOOXXI in Lateinamerika — 10
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 — Angst, Hunger und Verzweiflung prägen das Dasein der 270 Pferde auf dem Polizeigelände von Salta. Nach dem Notruf einer jungen len buchstäblich. Sie sind ab- gut 300 Familien der Abfall- schlechterte sich der Zustand Frau aus Salta machte sich das gemagert; das spärliche Futter verwerter dieser Stadt andere der Pferde zusehends. Einige argentinische Team der Fonda- ist schlecht. Nur um an etwas Möglichkeiten zu bieten. Dabei von ihnen landeten auf den öf- tion Franz Weber (FFW) sofort Wasser aus einem verrosteten hatte sich Salta verpflichtet, un- fentlichen Strassen, wo sie her- auf den Weg. Der Ort des Grau- Bottich zu kommen, gibt es ein ser Programm «Basta de TaS!» umirrten. Diese griff die Polizei ens liegt 800 Kilometer vom verzweifeltes Gerangel. Hengs- (Schluss mit der Müllabfuhr mit auf und brachte sie auf den zum Gnadenhof EQUIDAD entfernt. te leben mitten in der Gruppe, Pferden) umzusetzen. Die Ver- Kommissariat gehörenden Hof. Man wollte sich vor Ort ein Bild so dass jede Woche auch noch waltung begnügte sich damit, Doch die Polizei beharrt dar- der Lage machen und in Zusam- Fohlen in diese unerträglichen lediglich 50 Motorfahrzeuge zur auf, dass diese Pferde ihr nicht menarbeit mit der Polizei einen Lebensbedingungen hineinge- Verfügung zu stellen, ohne die gehörten. Sie seien aufgrund Aktionsplan vorlegen, um den boren werden… Pferde zum Austausch zu ver- eines Gerichtsbeschlusses be- Tieren zu helfen. Was unser langen. Zudem ergriff sie weder schlagnahmt worden und daher Team vorfand, war der reinste DIE TIERE ZAHLEN DEN PREIS politische Massnahmen zur so- sei die Justiz für sie zuständig. Albtraum. Unsere Empörung über diese zialen Eingliederung noch ge- So sind es die Tiere, die den Preis In einem Hof der Polizei von Zustände wurde noch viel grös- währte sie den Familien Unter- dafür zahlen: Sie erhalten viel zu Salta leben die Tiere in einer ser, als wir erfuhren, dass ver- stützung. wenig und noch dazu schlechtes Hölle aus Schlamm und Exkre- schiedene öffentliche Behörden Da das Einkommen der 250 Futter, während sie unter den menten. Sie versinken bis zum dafür verantwortlich waren. Familien, die ohne Motorfahr- genannten grauenvollen Bedin- Sprunggelenk darin und ziehen Zwar hat die Gemeinde von Sal- zeug auskommen mussten, gungen ausharren müssen. Die sich so Verletzungen und In- ta den Einsatz von Zugtieren sank (weil sie ihre Pferde nicht Provinzregierung aber, der die fektionen zu. Ihre Hufe verfau- verboten – ohne allerdings den mehr brauchen durften), ver- Polizei unterstellt ist, hat keiner- 11
TIER SCHUT Z lei Interesse an den Pferden und über- wird dies mit absoluter Gleichgültig- sorgung. Unserem Team ist es zudem lässt sie der Willkür der Polizei. keit hingenommen oder – schlimmer gelungen, mit der veterinärmedizini- noch – mit widerlichen Scherzen kom- schen Fakultät der katholischen Uni- WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT mentiert. versität von Salta eine Vereinbarung Vor Ort haben wir unverzüglich bei Zudem wollen gewisse Richter der zu unterzeichnen, um die schlimmsten den für diese Dossiers zuständigen Ge- Polizei die Versteigerung der Pferde er- Opfer dorthin zu bringen. richten eine Reihe von Verfahren ange- lauben, auf welche dann ein qualvoller Darüber hinaus stehen wir mit zwei strengt. Wir wollen die richterliche Ge- Tod auf dem Schlachthof wartet. Richtern in Verbindung, die bereit nehmigung erhalten, dass wir uns um Dem Team der FFW ist es zum Glück scheinen, uns zu helfen, damit uns die diese Tiere kümmern und sie dort her- gelungen, die erste Versteigerung, die Pferde überlassen werden und wir sie ausholen dürfen. Doch trotz vorgeblich von einem der Gerichte durchgeführt auf den Gnadenhof EQUIDAD überfüh- guten Willens hat die Polizei nicht die werden sollte, zu verhindern. Doch ren können. Dort werden wir sie versor- geringste Lust, mit uns zusammenzuar- unser Team hat sich auf einen echten gen und heilen, bevor wir Adoptivfami- beiten. Der Polizei zufolge dringen wir Wettlauf mit der Zeit eingelassen, um lien für sie finden. in ihr Territorium ein, auf ein Gelände, die Tiere aus diesem Lager zu befreien, auf welchem diese Scheusslichkeit ver- bevor ein anderer Richter ihre Verstei- DIE ERSTEN TIERE SIND GERETTET! borgen bleiben sollte. Bricht ein Pferd gerung beschliesst. Obwohl die Polizei Im Mai haben wir bereits die ersten Tie- im Schlamm zusammen und stirbt, so weiter beteuert, mit uns zusammen- re nach EQUIDAD überführt: Zwei Esel zuarbeiten, ersucht sie gleichzeitig die und dreizehn Pferde sind gerettet. Die Richter darum, diese Art des Verkaufs ältesten Tiere werden auf EQUIDAD zu veranlassen, um sich die bleiben. Die anderen werden, sobald Einnahmen daraus zu sichern sie wieder zu Kräften und Gesundheit und sich des Problems schnell gekommen sind, bei neuen Familien zu entledigen. unterkommen, die ihnen die nötige Fürsorge schenken. EIN HOFFNUNGSSCHIMMER? Um den Tieren etwas Linde- rung zu verschaffen, finan- — zieren wir seit drei Monaten Die unterernährten Pferde müssen zum Teil ihr Futter, ihre Medikamen- im knöcheltiefen Morast stehen und leiden an te und ihre tierärztliche Ver- Infektionen und Prellungen. 12
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 IHR TESTAMENT FÜR TIER UND NATUR Lassen Sie Ihren letzten Willen für eine lebenswerte Welt wirken! Wünschen Sie über Ihr irdisches Leben hinaus Tiere und Natur zu schützen? Dann bitten wir Sie in Ihren letzten Verfügungen an die FONDATION FRANZ WEBER zu denken. FONDATION FRANZ WEBER Kontaktieren Sie uns telefonisch für eine vertrauliche und unverbindliche Postfach 257, 3000 Bern 13 Beratung. Unsere Spezialistin, Lisbeth Jacquemard, unterstützt Sie gerne und T +41 (0)21 964 24 24 freut sich auf Ihre Anfrage. ffw@ffw.ch / www.ffw.ch 13
TIER SCHUT Z Vera Webers Brief an Papst Franziskus * VERA WEBER schrieb einen Brief an Auf Einladung des Genfer Journalisten und Schriftstellers Emmanuel Papst Franziskus — Tagnard schrieben 18 Persönlichkeiten verschiedenster Herkunft und Glaubensrichtung an den Heiligen Vater in Rom. Die persönlichen Briefe erschienen im April 2018 im Buch «Très Saint-Père. Lettres ouvertes au Pape François.» Der folgende Brief an Papst Franziskus stammt aus der Feder von Vera Weber, Präsidentin der Fondation Franz Weber. HEILIGER VATER, sind Quellen reiner Inspiration. Sie ha- in Ihrem Heimatland Argentinien, wo in tiefer Verbundenheit und mit gros- ben in der Gemeinschaft derer, die die wir seit mehreren Jahren mit Men- ser Bewunderung erlaube ich mir, Eu- Umwelt und die Tiere schützen möch- schen zusammenarbeiten, die Eurer rer Heiligkeit diese Zeilen zu senden, ten, die grosse Hoffnung geweckt, die Heiligkeit wohlbekannt sind: jene städ- und hoffe, dass sie direkt Ihr Herz er- Wunder der Natur, die als solche noch tischen Arbeiter, die «Carreros», «Car- reichen. existieren, retten zu können. toneros» oder «Cirujas» genannt wer- Im Namen des vom Heiligen Franz Es gibt zahlreiche Anlässe, bei denen den und die die ökologisch so wertvolle von Assisi beschriebenen «Bruder der Schutz der Tiere und der Natur Arbeit verrichten, wiederver- Wolf» und in meinem Namen ebenso missachtet oder falsch ausgelegt wird, wertbare Ab- wie gewiss im Namen eines grossen so, als handle es sich dabei um von den fälle zu sam- Teils der Weltbevölkerung möchte ich Menschenrechten isolierte, ja sogar pa- meln. Unser Ihnen gegenüber Dankbarkeit darüber rallele Bereiche, die vielleicht besten- Team, das zum Ausdruck bringen, dass die ka- falls simultan existieren, schlimmsten- aus Umwelt- tholische Kirche – insbesondere durch falls jedoch einander im Wege stehen. aktivisten, Ihre Enzyklika «Laudato si»– in der po- Für mich, ebenso wie für die Mehrheit sozialen und litischen und spirituellen Debatte ein- der Menschen, die die Natur und die Tierschutz-Ak- deutig Stellung zugunsten des Schut- Tiere verteidigen, ist dies nicht der tivisten zes unseres Planeten bezogen hat. Fall – im Gegenteil: Wir setzen uns für be- Diese Texte voll grüner Hoffnungen die Erhaltung unseres Planeten Erde zeigen eine fortschrittliche, auf das Be- ein, der unser Leben ermöglicht. Wir wahren ausgerichtete Vision des einzi- kämpfen für die anderen Arten ange- gen Hauses, das die Menschen und die hörenden Kreaturen als eine logische anderen Tier- und Pflanzenarten, mit Erweiterung der Vision der individuel- denen wir zusammenleben, besitzen. len Rechte unserer eigenen Art. — Der Mut und die Klarheit, die Eure Hei- Unsere Stiftung hat diese Philoso- Papst Franziskus ligkeit in dieser Enzyklika bekundet, phie in die Tat umgesetzt, nicht zuletzt 14
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 steht, führt seit 2011 eine Kampagne, wertbaren Abfälle weitaus effizienter Mit diesem Brief möchten mein um den Einsatz von Müllpferden in behandelt werden können. Durch die Team und ich Ihnen unseren Dank den Städten des Landes sowie in sämt- Kampagne wurde es zudem möglich, aussprechen und die Aufmerksamkeit lichen Ländern Lateinamerikas zu un- ein umfassendes Programm einzu- Eurer Heiligkeit auf die Synergien len- terbinden. Der Slogan dieser Kampa- richten, um diese städtischen Arbeiter ken, die, über Ihre Überzeugungen und gne lautet: «Keine versklavten Pferde, in den Bereichen Recycling, Umwelt- Ihre Aussagen hinaus, zwischen den keine ausgeschlossenen Menschen». schutz und Anwendung der arbeits- verschiedenen Anliegen bestehen. Er- Sie war Gegenstand verschiedener rechtlichen Vorschriften zu schulen. lauben Sie mir daher, Sie zu bitten, kei- akademischer Studien, denn ne Einschränkungen sie entkräftet die Theorie, wo- Noch heute, und jedes Jahr aufs Neue, werden in der Position der nach die Befreiung einer Art Spektakel, bei denen Tiere gefoltert werden, wie katholischen Kirche zu Lasten der anderen Art zum Beispiel der Stierkampf, im Namen von Hei- gegen die Grausam- geht, zur Gänze, indem sie sich keit gegenüber Tieren ligen organisiert, entgegen den Postulaten der auf die Schlussfolgerungen vorzunehmen. aus der Geschichte stützt: Die Frömmigkeit, des Friedens und des Mitgefühls, Noch heute, und Rechte des weissen Menschen die die Kirche fördert. jedes Jahr aufs Neue, wurden nicht eingeschränkt, werden Spektakel, bei als der schwarze Mensch dieselben So gross ist unsere Gewissheit, dass denen Tiere gefoltert werden, wie zum Rechte erhielt, ebenso wie die Rechte die gerechte Sache und die Freiheiten Beispiel der Stierkampf, im Namen der Männer nicht durch das Erstarken Hand in Hand gehen, dass es uns un- von Heiligen organisiert, entgegen den der Rechte der Frauen beeinträchtigt möglich ist, die Ausbeutung der Natur Postulaten der Frömmigkeit, des Frie- wurden. und der Tiere hinzunehmen, ohne zu- dens und des Mitgefühls, die die Kir- Wir können somit Mechanismen gleich die Ausbeutung der Menschen che fördert. Diese Traditionen, sind auf finden, um den Tieren eine höhere in Frage zu stellen, und umgekehrt. Zu Drängen unserer Fondation hin vom Wertschätzung zuteil werden zu las- einem bestimmten Zeitpunkt in sei- Ausschuss für die Rechte des Kindes sen, ohne dadurch die Rechte der Men- ner Geschichte glaubte der Mensch, er der UNO als Beeinträchtigung dieser schen aus den Augen zu verlieren oder könne die Natur ausbeuten, ohne in Rechte bezeichnet worden, da sie Kin- einzuschränken. Dank unserer Kam- Harmonie mit ihr zu leben… Ich den- der und Jugendliche Gewaltakten aus- pagne konnten die Pferde in mehre- ke auch, dass der Mensch sich zu eben setzen. Sie sind somit nicht mit dem ren Ländern des lateinamerikanischen diesem Zeitpunkt das Recht nahm, an- Guten und der Güte vereinbar. Unser Kontinents durch Motorfahrzeuge er- dere Menschen weit über die Grenzen Bruder Stier muss ebenfalls gerettet setzt werden, mit denen die wiederver- der Koexistenz hinaus auszubeuten. werden! — Vera Webers dringlicher Appel an den Papst: «Unser Bruder Stier muss ebenfalls gerettet werden!» 15
TIER SCHUT Z Heiligster Vater, ich habe die seins, der Grundwert des Men- Heiliger Vater, mit grösster Ehre, Ihnen meine tiefe Be- schen. Die Zeit ist vorbei, wo Hochachtung und in aufrichti- wunderung für Ihre politische man an diesem Grundprinzip ger Dankbarkeit grüsse ich Sie Arbeit in einer wirklich komple- und Grundwert vorbei regieren herzlich xen Epoche unserer Menschheit konnte – der Auf- und Umbruch und Zivilisation auszusprechen in der Gesellschaft, das steti- VERA WEBER, und diesen Brief mit den Wor- ge Wachsen der Umweltbewe- Präsidentin der Fondation Franz Weber, ten meines Vaters, Franz Weber, gung in der ganzen Welt sind Montreux , 22. Januar 2018 – ein Pionier des Umwelt- und die sicheren Anzeichen dafür. Tierschutzes und ebenfalls ein Es geht hier nicht nur, wie es «Franziskus» – zu beenden: auf den ersten Blick erscheinen OFFENE BRIEFE AN «Jede Politik, die auf Dau- er Bestand haben will, muss mag, um den Durchbruch zur Freiheit oder zur ökologisch DEN PAPST in ethischer Sicht Bestand ha- orientierten Wirtschaft, son- Briefe von bekannten Persönlichkeiten mit aktuellen Themen: Um- ben. Was verstehen wir unter dern um den Durchbruch zum welt- und Tierschutz, Finanzkorruption, Pädophilie-Skandal, Migra- Ethik? Wir verstehen darunter Ethisch-Menschlichen über- tionskrise, Menschenhandel, Terrorismus ... die Anwendung von Liebe im haupt: zur Fürsorge für alles Buch momentan nur auf Französisch erhältlich höheren Sinn. Ethik ist die Ehr- Schutzbedürftige, zur Achtung ISBN : 978 2 7067 1655 3 furcht vor dem Leben. Ethik ist der Schwächeren, zur Ehrfurcht Format : 130x200 / 192 Seiten / 18,00 € das Grundprinzip des Mensch- vor der Schöpfung.» «Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit ge- kommen ist.» Victor Hugo www.zooxxi.org 16
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 «Wir weinen um die Stiere, doch wir lachen über ihre Henker.» Der Argentinier Leonardo Anselmi, Direktor der Fondation Franz Weber (FFW) für Südeuropa und Lateinamerika, ist seit 2007 einer der international bedeutendsten Aktivisten gegen den Stierkampf. Er koordinierte die Kampagne, dank der die Stierkämpfe in Katalonien abgeschafft wurden. Um die katalanische Erfolgsgeschichte in anderen Ländern * CLAUDIA ROCA weiterzuschreiben, setze die FFW auf Wissenschaft und Kommunikationsleiterin der FFW Südeuropa und Lateinamerika Humor, so Anselmi. — Warum muss der Stierkampf abgeschafft werden? Leonardo Anselmi: Um es mit den Worten von Vera Weber zu sagen: «Wenn wir nicht imstande sind, eine so offenkundige Grausamkeit – die lange Folter eines Tieres zur öffentlichen Belustigung – abzuschaffen, wie soll es uns dann gelingen, anderen Grausamkeiten ein Ende zu setzen?» Wir müssen den Stierkampf abschaffen, um beim Tierschutz wirklich Fortschritte zu erzielen. Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, sich an vorderster Front für die Abschaffung des Stierkampfs einzusetzen? Früher dachte ich, ein Stierkampf bestünde nur aus einem * LEONARDO ANSELMI Mann mit einem roten Tuch und einem Stier, der versucht, den Stoff anzugreifen. Es erschien mir eher langweilig. Als Dank ihm wurden die Stierkämpfe in Katalonien ich nach Barcelona kam, erkannte ich jedoch, wie grausam abgeschafft. Seit acht Jahren ist er Direktor Stierkampf wirklich ist. Ich konnte nicht glauben, dass dies der Fondation Franz Weber für Südeuropa und in Europa subventioniert und gefördert wird. Ich fühlte Lateinamerika. sofort, dass ich etwas tun musste, um diese Barbarei abzu- — schaffen. 17
TIER SCHUT Z Kannten Sie die Fondation Franz Mulá, die jeweils für die Kom- schen, der Berichterstattung in heit der Gesellschaft angepran- Weber (FFW)? munikation und für Rechtsfra- den Medien. Aus diesem Grund gert und abgelehnt. Wer in der Tier- und Umwelt- gen der Kampagne zuständig begibt sich die FFW in alle Stier- schutzbewegung kennt Franz waren, haben wir uns der FFW kampfländer, in jede Stadt, in Warum gibt es dann immer noch Weber nicht? Sein Erbe wird angeschlossen, um diese kata- der der Stierkampf praktiziert Stierkämpfe? durch seine Fondation verkör- lanische Erfolgsgeschichte in wird. Sie ist die einzige inter- Der Grund dafür ist die Nähe pert. Seine Art zu denken und anderen Ländern fortzuschrei- nationale Organisation, die das der einschlägigen Lobbys zu zu handeln war für uns, die neu- ben. macht. Ich selbst reise min- den politischen Kreisen und en Generationen von Aktivis- destens einmal jährlich in je- den Unternehmen. In Europa ten, eine Quelle der Inspiration. Welches ist der beste Weg, um des Land. Vor Ort arbeiten wir werden sie sogar von den öffent- Zudem prangert die FFW diese den Stierkampf abzuschaffen? mit den Befürwortern unserer lichen Geldern aller Europäer fi- grausamen und anachronisti- Meiner Erfahrung nach gibt es Sache zusammen, die uns die nanziert. In Kolumbien dienen schen Praktiken des Stierkamp- dafür keine Wunderwaffe. Um Möglichkeit bieten, uns an den die Betriebe, in denen Kampf- fes schon seit den 80er Jahren eine Strategie umzusetzen, be- lokalen Organisationen zur Ab- stiere gezüchtet werden, dazu, an und setzt sich dafür ein, sie nötigt man eine geschickte Mi- schaffung dieser Praktiken zu Drogengelder zu waschen. In abzuschaffen. schung aus Hingabe, Analyse, beteiligen. Wir beraten und Mexiko werden politische Ent- Arbeit und Engagement. Es ge- unterstützen sie und statten sie scheidungen nicht in den Par- Und Sie haben sich 2010 dem nügt nicht, sich einfach von sei- mit den erforderlichen Mitteln lamenten oder Regierungsin- Team der FFW angeschlossen… ner Intuition leiten zu lassen. aus. stitutionen getroffen, sondern Ja. Vera Weber schlug uns nach in den Arenen. Der Stierkampf- der Kampagne zur Abschaffung Das heisst? Aber in bestimmten Ländern ist sie industrie ist es gelungen, in der des Stierkampfs in Katalonien Zunächst einmal muss man Teil der Traditionen, der Kultur … Nähe der Macht zu bleiben, was im Jahr 2010 vor, für die Fon- sich mit dem Kontext ausein- In allen Ländern, in denen der ihr ermöglicht, von den Geset- dation zu arbeiten. Zusammen andersetzen: dem politischen, Stierkampf praktiziert wird, zen gegen Tierquälerei ausge- mit Alejandra García und Anna sozialen, kulturellen, ökonomi- wird diese Praxis von der Mehr- nommen zu werden. 18
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 — Worum geht es in dieser Kampagne? ben an den meisten politischen «Die Stiere leiden Um eine einzigartige Mischung Prozessen zur Bekämpfung der nicht... Und die Kühe aus Wissenschaft und Humor. Corrida aktiv teilgenommen. In fliegen.» So der Wir präsentieren Argumente nur wenigen Jahren haben wir Slogan der neuen Kampagne der FFW, von Tierärzten und erläutern zahlreiche Fortschritte in die- die im Juli 2018 anhand von 3D-Videos, was den sem Bereich erzielt. lanciert wird. Stieren während des Kampfes angetan wird. Aber wir setzen Sogar die UNO verurteilt den auch Humor und Sarkasmus Stierkampf… ein, um ein Argument ins Lä- Genau! Den Berichten, die von cherliche zu ziehen, das die In- der FFW über die verschiede- telligenz derart beleidigt, dass nen Gebiete erstellt wurden, man nicht anders darauf re- ist es zu verdanken, dass der agieren kann. Wir weinen um Ausschuss für die Rechte des die Stiere, doch wir lachen über Kindes der Vereinten Natio- ihre Henker. nen (UNO) für sieben Länder (Portugal, Frankreich, Mexiko, Welche Kampagnen führt die FFW Ecuador, Peru, Kolumbien und ausserdem durch, um den Stier- Spanien) bestimmt hat, dass die kampf abzuschaffen? Anwesenheit von Kindern und Unsere gesamte Arbeit muss als Jugendlichen in den Arenen eine breit angelegte durchorga- eine Verletzung ihrer Rechte ge- nisierte, globale, methodische mäss der Konvention von 1989, und professionelle Kampagne einer der Menschenrechtschar- betrachtet werden. tas der UNO, darstellt. Der Aus- Ausgenommen? Versuch, zu rechtfertigen, was schuss hat damit die Arbeit von Das ist der eigentliche Kern des nicht zu rechtfertigen ist. Mit Erfolg? Kindern bei Stierkämpfen als Problems. Von Gesetzes wegen 2016 haben wir es dank politi- eine der schlimmsten Formen könnte in diesen Ländern die Wie reagiert man darauf? scher Lobbyarbeit geschafft, die der Kinderarbeit definiert. Folter der Stiere mit Gefängnis Wir werden es mit Humor und Junta de Castilla y León dazu zu bestraft werden, wenn es dabei wissenschaftlichen Beweisen bringen, das Toro de la Vega ab- Die Stiere sind also nicht die ein- um andere Tiere ginge! Wie z. B. zigen Opfer… um eine Ziege oder einen Hund. Auf diesen Unsinn, dass «die Stiere nicht Natürlich nicht. Auch die Kin- Aber es wird immer schwieri- der, die Pferde oder die Kondore leiden», antworten wir: «Und Kühe fliegen». ger, diese Ausnahme zu recht- und Hunde, die manchmal bei Leonardo Anselmi fertigen. Aus diesem Grund diesen Spektakeln eingesetzt argumentieren die Befürwor- werden, sind betroffen. Die Ge- ter des Stierkampfs nun damit, tun. Wir bereiten eine Kampag- zuschaffen, die grausamste und sellschaft im Allgemeinen ist dass die Stiere nicht leiden, ja, ne zu diesem Thema vor, um auf umstrittenste Veranstaltung ein Opfer dieser Verharmlosung dass sie es lieben, mit aller Kraft diese Ungeheuerlichkeit zu re- von ganz Spanien. Es ist uns von Gewalt und Grausamkeit, durchbohrt zu werden, um dann agieren, und zwar in Zusammen- ausserdem gelungen, die Stier- denn Gewalt berührt uns alle, in ihrem eigenen Blut zu ertrin- arbeit mit AVATMA (Asociación kämpfe auf den Balearen zu un- ohne Ausnahme. ken… Für ihre Theorie ziehen de Veterinarios Abolicionistas de terbinden, ihr Verbot in Katalo- sie sogar pseudo-wissenschaft- la Tauromaquia). Auf diesen Un- nien aufrechtzuerhalten, sie im Wird die Abschaffung des Stier- liche Studien heran. Wenn das sinn, dass «die Stiere nicht lei- Bundesstaat Coahuila in Mexiko kampfs kommen? Sind Sie eher wahr wäre, müssten wir alle den», antworten wir: «Und Kühe zu verbieten, die Stierkämpfe in optimistisch oder pessimistisch? Bücher, die jemals über die Evo- fliegen». So wird übrigens auch A Coruña (Spanien) zu unter- Ich denke ja, aber das wird nicht lution geschrieben wurden, ver- der Name unserer Kampagne lau- binden und zu ihrem Verbot in von allein geschehen. Daher bin brennen. Doch es handelt sich ten: Y las vacas vuelan (www.ylas- der Mehrheit der Kantone von ich weder Optimist noch Pessi- natürlich um einen grotesken vacasvuelan.org). Ecuador beizutragen… Wir haw- mist, ich bin Aktivist. 19
TIER SCHUT Z Fische zunehmend Zweifel an der Richtigkeit sei- nes Tuns aufgekommen. Dann kam der Tag, an dem er die Seite wechselte: «Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Aquari- fühlen – um-Kritiker als Spinner bezeichnet, heute bin voll auf ihrer Seite.» Gebannt lauschten die Besucherinnen und Besucher den Worten des Mannes, Aquarien der sich vom Saulus zum Paulus gewan- delt hat, und tauchten buchstäblich mit ihm ab in die Welt der Aquarien-Industrie. «Der Handel mit Wildtieren ist das viert- grösste Business nach dem Waffen-, Dro- quälen gen- und Menschenhandel», so Lehmann. Der Tiefseetaucher berichtete offen über sein früheres Leben als Fischfänger und liess seine Zuhörer an seiner einstigen Tätigkeit hautnah teilhaben – im wahrs- ten Sinne des Wortes – , wie mit dem Bei- spiel des bereits erwähnten Seeteufels: «Er ist so ziemlich das komplizierteste Tier, Klare Worte eines ehemaligen Meeresfisch-Fängers: das man für die Aquarienhaltung lebend Es sei wichtig, diejenigen Menschen vor Ort zu fangen kann», verriet Lehmann. «Wenn man den Seeteufel nur ein einziges Mal unterstützen, welche die Korallenriffe und die dort berührt, stirbt er. Der Seeteufel hat eine hochempfindliche Haut ohne schützende lebenden Tiere schützen, anstatt weit entfernt Schuppen, und wird er von Menschen- vom Meer Aquarien zu bauen, betonte Robert Marc hand berührt, verletzt sich diese Schleim- haut. Es folgt eine Infektion und eine Ver- Lehmann. Der berühmte Meeresbiologe, Tiefseetau- pilzung und letztendlich der sichere Tod». Deshalb sei der Seeteufel-Fang äusserst cher und Fotograf sprach auf Einladung der Fondation aufwändig, man müsse mit Handschu- Franz Weber in Basel über das qualvolle Leben der hen und speziellen Plastiktüten arbeiten, Wildfang-Fische in Grossaquarien und erteilte dem geplanten «Ozeanium» eine klare Absage. Die Halle des Kaffeehauses «Unternehmen Mitte» in Basel platzte aus allen Nähten. Rund 350 Baslerinnen und Basler besuchten auf Einla- dung der Fondation Franz Weber (FFW) den Vortrag des Meeresbiolo- gen, Tiefseetauchers sowie preisgekrönten Fotografen und Filmema- chers Robert Marc Lehmann. Bis vor zehn Jahren war Lehmann als Fischfänger für Grossaquarien tätig. «Ich verdiente damals mein Geld damit, Tiere zu fangen und hinter Glas einzusperren», sagte Lehmann über seine Erfahrungen als hochbezahlter Fischfang-Taucher. «Für einen Seeteufel bezahlen die Aquarien 10'000 Euro, für einen Mond- * MATTHIAS MAST fisch sogar gegen 15'000!» Im Laufe der Zeit sind beim ehemaligen Reporter und Journalist Abteilungsleiter des Meerwasser-Aquariums in Stralsund (D) jedoch _ 20
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 — beschrieb der einstige Fischjä- Ein Mondfisch (Mola ger seine Fangmethoden. «Das mola) im Aquarium. Die bedeutet, wenn ich einen See- Hauterkrankungen und Geschwülste sind selbst teufel in ein Aquarium bringen für Laien sofort zu wollte, musste ich mindestens erkennen. zehn Tiere fangen, damit es überhaupt einer überlebt und ins Aquarium schafft.» Doch auch die Lebensdauer der gefangenen Meerestiere ist begrenzt, gelinde ausgedrückt. «Ein Hummer kann in der freien Natur bis zu 100 Jahre alt werden, in Gefangenschaft lebt er nicht länger als drei Jah- re», so der Meeresbiologe. Doch «Wir müssen die Regenwälder schützen, denn sie sind unsere grüne Lunge, da sind wir uns alle einig. Aber der Ozean ist unser blaues Herz. Wenn der nicht mehr existiert, wird es schwierig für uns alle!» das Leben der gefangenen Tie- re ist nicht nur kurz, sondern auch sehr qualvoll. Eindrück- lich veranschaulichte Robert Marc Lehmann das Dasein der auf engstem Raum hinter Glas eingesperrten Lebewesen. «Der Mondfisch ist der grösste Kno- chenfisch und kann bis zu zwölf Quadratmeter gross und nahe- zu drei Tonnen schwer werden. In Freiheit lebt er mindestens 80 Jahre. In Gefangenschaft sind es im besten Fall sechs Jahre, und wenn man Pech hat nur sechs Monate.» Grund für — die kurze Lebensdauer ist die So sieht ein Mondfisch in Enge des Lebensraumes der Freiheit aus! Wollen wir uns wirklich derart belügen lassen? einst in Freiheit lebenden Tiere. Ein Aquarium ist kein Abbild der «Schauen Sie, wie diese Fische Realität, sondern eine tierquä- in Gefangenschaft aussehen», lende Täuschung! rüttelte Lehmann mit verglei- 21
TIER SCHUT Z — Paletten- Doktorfisch (Paracanthurus hepatus) in Freiheit… chenden Foto- und Filmaufnahmen im Aquarium nachgedacht, über einen internationalen Regeln, wie gross zum von frei lebenden und gefangenen Fi- Korallenfisch, über einen Nemo?», rief Beispiel ein Becken für den Kongo-Ku- schen seine Zuhörer auf. «Die Tiere im Lehmann in den Saal. gelfisch sein sollte. Man kann diese Fi- Aquarium sehen nicht mehr so aus wie sche zuhause in der Badewanne halten in Freiheit. Sie haben Wülste und Pil- «Wir wissen heute, dass Fische und niemand würde einen deswegen ze!» Freundschaften pflegen, Langewei- belangen. Es gibt keine Regeln. «Es sind halt ‹nur Fische›», Auch die Haie dege- «Wir wissen heute, dass Fische Freundschaften pfle- empörte sich Lehmann. nerieren im Aquarium. Als dramatisch be- gen und Langeweile und Stress empfinden können. «Ein Hai schwimmt in zeichnete Lehmann Freiheit täglich 100 Kilo- Sie glauben doch nicht, dass ein Fisch in einem Mi- nicht nur die Haltung meter. Im Zoo Basel lebt nibecken in der Grösse von drei Badewannen artge- der Wildfang-Tiere, son- er in einem Aquarium recht gehalten wird.» dern auch die daraus mit einigen tausend Li- resultierenden Folgen: tern Wasser. Entsprechend ist sein Ver- le und Stress empfinden können. Sie «Der Banggai-Kardinalfisch wurde halten, er schwimmt andauernd hin glauben doch nicht, dass ein Fisch in 1994 von der Aquarien-Industrie ent- und her. Bei Säugetieren würde man einem Minibecken in der Grösse von deckt und in enormen Mengen gefan- dies als Hospitalismus bezeichnen: drei Badewannen artgerecht gehalten gen. Die Aquarien-Industrie hat dafür Der Elefant, der dauernd den Kopf hin wird», ärgerte sich Lehmann. gesorgt, dass dieser Korallenfisch mitt- und her wiegt, der Tiger, der auf und lerweile fast ausgestorben ist.» ab geht. Da sind sich heute alle einig, Die Frage stellt sich: Wo ist der Tier- dass es diesen Tieren nicht gut geht. schutz? Die Lage der Weltmeere sei vergleich- Haben Sie schon mal über einen Hai Da liegt eben die Krux: Es gibt keine bar mit jener der tropischen Regenwäl- 22
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 ROBERT MARC LEHMANN Der am 7. Februar 1983 in Jena geborene Robert Marc Lehmann studierte von 2003 bis 2008 Meeresbiologie, Zoologie und Rechtsmedizin in Kiel und ab- solvierte die Ausbildung zum Forschungstaucher. Von 2008 — Paletten-Doktorfisch im Ozeaneum Stralsund… bis 2009 war er Abteilungsleiter im Grossaquarium «Ozeaneum» in Stralsund. Nach einem sehr tiefen Einblick in die Industrie der Zoos und Aquarien «tauchten der, ist Lehmann überzeugt: «Wir müssen die Regenwälder schützen, denn sie Zweifel an der Richtigkeit mei- sind unsere grüne Lunge, da sind wir uns alle einig. Aber der Ozean ist unser nes Schaffens auf», so Lehmann. blaues Herz. Wenn der nicht mehr existiert, wird es schwierig für uns alle!» Heute «jagt» Robert Marc Leh- Robert Marc Lehmann rief die Baslerinnen und Basler dazu auf, sich – wenn mann Tiere nur noch mit Kamera sie über das geplante «Ozeanium» nachdenken – in die Lage der Tiere zu ver- und Fotoapparat. Er taucht mit setzen. Haien, Robben und Walen in über 100 Ländern auf allen Kontinen- «Es ist wichtig, die Menschen zu unterstützen, welche die Korallenriffe vor Ort ten und in allen Klimazonen die- schützen und nicht neue Aquarien zu bauen, die letztendlich dafür sorgen, ser Erde. Für seine spektakulären dass die Fische und deren Lebensraum zerstört werden», appellierte Lehmann Aufnahmen wurde er mehrfach an das Publikum. ausgezeichnet – zum Beispiel als National Geographic-Fotograf Mit den Worten «Ich würde mich über eine Diskussion mit den «Ozean- des Jahres 2015. Seine Bilder ium»-Planern freuen. Organisieren Sie das und ich bin dabei!», beendete Ro- zeigen die Schönheit der Natur, bert Lehmann seinen aufwühlenden Vortrag. aber auch ihre Zerstörung durch den Menschen. Die FFW leitet Lehmanns Wunsch gerne weiter. 23
TIER SCHUT Z — Bild: zvg Im Herbst 2017 wurde in New York das erste virtuelle Aquarium eröffnet – eigent- lich hätte diese Idee zuesrt in Basel verwirklicht werden können. Vision NEMO: Von Basel verpasst – von New York begrüsst Vor vier Jahren präsentierte die Fondation Franz Weber (FFW) ihr Projekt Vision NEMO. Dieses multimediale Tor zum Ozean ist die bahnbrechende Alternative zum Meerwasser-Aquarium, einem Relikt aus dem vorletzten Jahrhundert. Doch der Basler Zoo hält stur am «Ozeanium»-Projekt fest. Im vergangenen Herbst hat National Geographic in New York die Idee von Vision NEMO umge- * VERA WEBER setzt. Die FFW ist darüber sehr stolz, jedoch auch enttäuscht, da der Basler Zoo die einmalige Chance verpasst hat, als erste Insti- — tution die Präsentation der Unterwasserwelt neu zu erfinden. 24
NR . 124 A P R I L | M A I | J U N I 20 18 Am 23. Mai 2014 lancierte die MO-Gedanke auf fruchtbaren Fondation Franz Weber (FFW) Boden. In der Grossstadt New in Basel Vision NEMO – die tier- York, die im Gegensatz zur «Welt- freundliche Alternative zum ge- stadt am Rhein» wahrhaftig am planten «Ozeanium» des Basler Meer liegt, wurde im Herbst 2017 Zoos. Wir sagten damals bei von National Geographic ein der Präsentation: «Die Sensibi- multimediales Aquarium ganz lisierung der Bevölkerung für nach der Idee der FFW eröffnet: den Schutz der Ozeane liegt Die «Encounter Ocean Odyssey» uns ebenso am Herzen wie dem (zu Deutsch Begegnung Ozean Zoo Basel. Gleichzeitig halten Odyssee). ENCOUNTER OCEAN ODYSSEY wir es nicht für den richtigen Weg, Tiere ihrem Lebensraum IMPULS AM RICHTIGEN ORT IN NEW YORK zu entreissen und auszustellen. Wir gratulieren National Geo- Tauchen Sie ein in dieses unterhaltsame Abenteuer vom Südpazifik bis Deshalb präsentieren wir Ihnen graphic für die Umsetzung zur kalifornischen Küste. Anstatt Tiere ihrem Lebensraum zu entreissen, heute unsere Lösung für nach- unseres Impulses in die Tat. bringt Sie die bahnbrechende Technologie von Encounter zu deren Hei- haltige Bildung und gute Unter- Vor vier Jahren sagten wir, dass mat, und dies mit Hilfe verblüffender fotorealistischer Animation. haltung zum Thema Ozean: Sie dies die Zukunft sei. Wir hätten Ihre Reise mit Encounter beginnt mit dem Erlebnis eines Kampfs zwi- lautet Vision NEMO, das multi- nicht richtiger liegen können. schen zwei Humboldt-Tintenfischen, dem Besuch eines leuchtenden mediale Tor zum Ozean.» Wir sind glücklich, dass unser Korallenriffs in der Nacht, und mehr. Während Sie durch einen Kelpwald Vision NEMO steht für «New Impuls am richtigen Ort ange- «schwimmen», bestimmen Sie nun Ihr eigenes Tempo und finden sich Evolutionary Marine Observati- langt ist. Wir sind auch ein we- bald inmitten eines unbeschreiblichen «Grossen Fressens» wieder; da- on» (Neue Evolutionäre Meeres- nig stolz darauf. Denn für ein- bei kommen Sie einem lebensgrossen 16-Meter-Buckelwal hautnah. beobachtung) und damit für ein mal kann die Technologie dazu In der Exploration Hall tauchen Sie noch tiefer ein. Sie lauschen atem- zukunftsorientiertes, virtuelles, genutzt werden, wahre Umwelt- beraubenden Schilderungen von National Geographic-Fotografen und multimediales, interaktives und bildung zu leisten. Tiefseeforschern. (Textauszüge National Geographic). nachhaltiges Tor zur Unterwas- Dank ihr kann die Faszina- serwelt. Mit den neusten Tech- tion der Meere und somit deren nologien will Vision NEMO die Schutz unseren Kindern und erste soll in der Hauptstadt Riad schon viele gemacht: London, Meeresbewohner so zeigen, wie ihren Eltern unterhaltsam nä- 2019 seine Türen öffnen. Der Konstanz, Lissabon, Kopenha- sie wirklich sind: frei und un- hergebracht werden. Traurige, Tierschützer-Prinz* sagte bei der gen, Stralsund und Hunderte gestört in ihrem natürlichen Le- kranke und verletzte Meerestie- Verkündung seines Vorhabens mehr. Vision NEMO ist NEU. bensraum, in all ihrer Schönheit re hinter Glas, in einem künst- mit National Geographic: «Als Und wenn Basel es nicht macht, und mit all ihren Problemen. lichen, langweiligen Umfeld, ich Encounter Ocean Odyssey dann macht es definitiv ein An- werden dies nie können. besuchte und sah, wie dieses Er- derer.» Eine Vorahnung? NEW YORK GRIFF DIE IDEE AUF Enttäuscht sind wir jedoch, lebnis Leute von überall in die Wie dem auch sei: Basel hat im- Leider stiess die Idee von Vision dass Basel die Chance verpasst natürliche Welt der Tiere und der mer noch die Chance, sein rück- NEMO in Basel, namentlich bei hat, als erste Stadt weltweit mit Natur hineintauchen lässt, wuss- wärtsgewandtes Projekt namens den Verantwortlichen des Zoos, der virtuellen Präsentation der te ich, dass dies die Zukunft ist.» «Ozeanium» in der Mottenkiste auf taube Ohren. Stur hielten Unterwasserwelt neue Mass- Als ich (Vera Weber) vor vier zu versenken und es National und halten die Initianten an stäbe in der Zoo-Geschichte zu Jahren Vision NEMO in Basel Geographic gleichzutun. Denn ihrem «Ozeanium», diesem 100 setzen. vor den Medien präsentieren schlussendlich wurde die Idee Millionen Franken teuren Mo- durfte, endete ich mein Exposé des virtuellen Aquariums hier in nument der Tierquälerei, fest. BALD GIBT ES ZEHN WEITERE mit diesen Worten: «Gross- Basel lanciert... Trotz dem ebenso grossspuri- VIRTUELLE AQUARIEN aquarien und Ozeanien haben www.vision-nemo.org gen wie unwahren Werbeslogan Mittlerweile will Prinz Khaled «Basel liegt am Meer» sind sie bin Alwaleed von Saudiarabien nicht fähig, gross zu denken. sogar gleich zehn solcher multi- Doch 6200 Kilometer wei- medialer, tierfreundlicher Aqua- * Prinz Khaled bin Alwaleed bin Talal setzt sich unter anderem ein für saubere Energie, ter entfernt fiel der Vision NE- rien im Golfstaat umsetzen. Das gesundes Leben und die humane Behandlung von Tieren. 25
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