JOURNAL 20 - Naturstiftung David

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JOURNAL 20 - Naturstiftung David
JOURNAL
      20                                                            SOMMER 2020

Erlebnispfad Rabenswald
Neues Familienangebot bei Garnbach .......Seite 4

Baggern für den Artenschutz
Mehr Wasser für das Plateau ..................... Seite 12

Ausflugsziel Bachra
Geschichte und Tipps ................................ Seite 20

Hängeseilbrücke
Auf vielen Wegen erreichbar ...............Seite 24

Preisrätsel ........................................ S. 27
 Herausgegeben von der Naturstiftung David und dem Verein „Hohe Schrecke – Alter Wald mit Zukunft“
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
ZU DI E SE M H E FT

     Liebe Anwohnerinnen,
     liebe Anwohner, liebe Gäste,
     liebe Leserin, lieber Leser,

     Ende Mai, als gerade die Lockerungen in
     der Corona-Krise einsetzten, fand die Bun-
     desumweltministerin ein sehr treffendes
     Bild. Im Kampf gegen den Klimawandel
     wirke der Naturschutz wie ein Impfstoff.
     Eine Natur mit intakten Mooren, Auen
     und naturnahen Wäldern sei Vorausset-
     zung für eine krisenfeste Gesellschaft. Was
     das für die Hohe Schrecke bedeutet, davon
     berichtet dieses Heft einmal mehr. Der
     neue Familien-Rundweg im Rabenswald
     wird den naturnahen Freiluft-Tourismus
     weiter fördern, genauso der Parkplatz und
     das neu gestaltete Umfeld der Hängeseil-
     brücke. Auch der eigentliche Naturschutz
     kommt nicht zu kurz. Wussten Sie, dass
     fast alle in Deutschland vorkommenden
     Spechtarten auch in der Hohen Schrecke
     heimisch sind? Das ist ein Erfolg der bishe-
     rigen Schutzbemühungen. Geschützt wer-
     den müssen aber auch die Besucher: Das
     Thema Verkehrswege­s icherung betrifft
     nach den trockenen Sommern viele Wald-
     gebiete härter als bisher. Apropos Tro-
     ckenheit: Auch die im Winter umgesetz-
     ten Maßnahmen zur Wiedervernässung
     auf dem Plateau dienen dem Artenschutz.
     Dort sind es Libellen, Schmetterlinge und
     Lurche, die profitieren sollen. Ob das ge-
     lingt? Schauen Sie selbst in diesem Heft
     und lieber noch bei einem Ausflug in un-
     ser wundervolles Waldgebiet zwischen
     Unstruttal und Thüringer Becken. Viel
     Freude beim Lesen wünschen

     Naturstiftung David
     Hohe Schrecke – Alter Wald mit Zukunft e.V.

2 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
Foto: Simone M.Neumann – www.simone-m-neumann.de
   Liebe Leserin, lieber Leser,
   vor wenigen Wochen hat die Bundesum-
   weltministerin den Bericht zur Lage der Na-
   tur in Deutschland vorgestellt. Dieser zeich-
   net ein sehr gemischtes Bild. Trotz einiger
   wichtiger Erfolge beim Schutz von Arten         unsere Spendengelder hier richtig und effi-
   und Lebensräumen geht es der Natur in           zient eingesetzt werden. Das bestätigen uns
   Deutschland keinesfalls gut, die roten Lis-     auch unsere Spenderinnen und Spender, für
   ten der vom Aussterben bedrohten Tier- und      die wir in den letzten Jahren gemeinsam mit
   Pflanzenarten werden immer länger. Die          der Naturstiftung David Reisen in die Hohe
   Zahlen in dem Bericht offenbaren, dass viele    Schrecke organisiert haben. Die Besucherin-
   Zukunftsfragen im Naturschutz in Deutsch-       nen und Besucher aus dem gesamten Bundes-
   land immer noch unbeantwortet sind.             gebiet waren neben dem Projekt auch von der
      Beispielhafte Antworten auf die Heraus-      vielfältigen und naturnahen Landschaft be-
   forderungen der Zukunft können Projekte         geistert. Ich bin mir sicher, dass sie im Freun-
   wie das in der Hohen Schrecke geben. Seit       des- und Bekanntenkreis für einen Besuch in
   vielen Jahren verfolge ich mit großem Inte-     der Hohen Schrecke geworben haben.
   resse, wie hier Naturschutz und Regional-          In meiner Funktion als Mitglied im Prä-
   entwicklung aber auch Wildnis und natur-        sidium der Naturstiftung David möchte ich
   nahe Forstwirtschaft gemeinsam gedacht          mich an dieser Stelle abschließend auch
   und umgesetzt werden. Vor allem bin ich         noch einmal bedanken. Ohne die großzügige
   begeistert, wie in der Hohen Schrecke Kom-      Unterstützung des Bundesumweltministeri­
   munen und Naturschutzorganisationen eng         ums, des Bundesamtes für Naturschutz
   und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Das        und des Umweltministeriums in Thüringen
   ist bundesweit beispielhaft. Den Grundstein     wären die bisherigen Projekterfolge nicht
   hierfür hat Mitte der 2000er Jahre der BUND     umsetzbar gewesen. Mein Dank gilt aber na-
   Thüringen gelegt, der damals erste Gesprä-      türlich auch den Kommunen sowie den Bür-
   che mit den Gemeindevertretern führte und       gerinnen und Bürgern rund um die Hohe
   sich dafür eingesetzt hat, dass der urwüch-     Schrecke, die frühzeitig den Wert dieses
   sige Wald nicht privatisiert wird. Später hat   Waldes erkannt haben und sich für dessen
   die Naturstiftung David als Stiftung des        Schutz einsetzen.
   BUND Thüringen den Staffelstab übernom-            In der Hoffnung, dass der Zauber der
   men und setzt bis heute sehr erfolgreich das    Hohen Schrecke auch für künftige Ge­
   von Bundes- und Landesregierung geför-          nerationen noch lange erhalten bleibt, wün-
   derte Naturschutzgroßprojekt um.                sche ich Ihnen viel Freude beim Le­sen des
      Seit vielen Jahren engagieren wir vom        Heftes.
   BUND uns auch finanziell für das Natur-
   schutzgroßprojekt. Damit helfen wir der Na-     Ihr Olaf Bandt
   turstiftung David den für die Finanzierung      Vorsitzender Bund für Umwelt und Natur-
   des Projektes erforderlichen Eigenanteil auf-   schutz Deutschland (BUND)
   zubringen. Die BUND-Gelder für die Hohe
   Schrecke stammen übrigens nicht alleine
   nur vom Bundesverband. Auch viele BUND-
   Landesverbände geben Spendengelder dazu.
   Das zeigt, welch guten Ruf das Projekt in un-
   serem Verband hat. Da ich auch Mitglied im
   Präsidium der Naturstiftung David bin, kann
   ich mich regelmäßig davon überzeugen, dass

Foto: Thomas Stephan

                                                                                  Hohe Schrecke Journal | Nr. 20                                         3
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
A KTU E L L E S

   Ein Erlebnispfad für die ganze Familie
   Neben der Hängeseilbrücke im Bärental wird die Hohe Schrecke bald eine weitere Attraktion
   bekommen. Im Rabenswald bei Garnbach entsteht ein ganz besonderer Natur-Erlebnisweg.
   Die Bauarbeiten stehen kurz vor dem Abschluss, im August ist die offizielle Eröffnung geplant.
   Mitten im Wald steht ein merkwürdiges       benswald-Erlebnisweg war Teil des im          benswald-Verein bei der finanziellen Ab-
   Gerät aus Holz. Es sieht aus wie ein gro-   Jahr 2012 erstellten umfangreichen Pro-       wicklung des Projektes.
   ßes Fernrohr und lässt sich seitlich und    jektplans für das Naturschutzgroßpro-
   nach oben und unten bewegen. Man            jekt. Denn Ziel des Projektes ist nicht nur   Kletterpartie mit Erkenntniswert
   kann auch wie durch ein Fernrohr hin-       der Naturschutz, sondern genauso das Na-      Auch wenn der Umweltverband WWF
   durchschauen. Doch viel eindrucksvoller     turerleben und die Unterstützung der re-      formal Träger des Projektes ist, liegt die
   ist der Effekt, wenn man sein Ohr an die    gionalen Wirtschaft und Kultur. Der Plan      Umsetzung vor Ort ganz in der Hand der
   schmale Öffnung legt und in den Wald        wurde bewilligt, doch für die Umsetzung       Vereinsmitglieder. Michael Krüger kam
   hineinhorcht. Das trichterförmige Rohr      des Erlebnisweges fand sich zunächst          hierbei zu Gute, dass er als Tischler und
   wirkt wie ein Verstärker. Auf diese Art     kein Partner. Bis im Jahr 2016 ein paar       Holzkünstler schon öfters Holzgeräte für
   lassen sich Waldgeräusche, wie beispiels-   Einwohner von Garnbach die Idee auf-          Spielplätze gebaut hat. Doch was ist nun
   weise der Gesang einer Amsel, herausfil-    griffen und umsetzen wollten. „Die Idee,      das Besondere am Rabenswaldweg? Der
   tern. Das Fern- und Horchrohr ist eine      einen Verein zu gründen, entstand hier        Weg sei als Familienwanderweg konzi-
   von zwanzig Stationen, die seit Anfang      bei uns am Stammtisch“, erinnert sich Mi-     piert, erklärt Krüger. Kinder sollen die
   dieses Jahres im Rabenswald bei Garn-       chael Krüger. Nach der anfäng­lichen Be-      Möglichkeit haben, den Wald spielerisch
   bach errichtet wurden. Noch sperrt ein      geisterung kam dann allerdings eine ge-       zu erkunden. So haben viele Stationen
   rotweißes Band die Anlage ab. „Wir sind     wisse Ernüchterung. „Wir hatten ja nicht      Kletterelemente. „Auf diese Weise kön-
   noch nicht fertig“, erklärt Michael Krü-    viel Erfahrung, wussten nicht genau, wie      nen wir auch die Natur schützen, indem
   ger. Er arbeitet nicht nur wie sein Vater   man einen Antrag stellt, um Gelder für        die Kinder nicht überall herum klettern,
   als Kettensägenkünstler, sondern ist zu-    solch ein Projekt zu bekommen.“ Doch es       sondern nur an bestimmten Stellen.“ Die
   gleich auch der Vorsitzende des Rabens-     fanden sich auch schnell viele Unterstüt-     20 Stationen stehen fast alle in Sicht-
   wald-Vereins. So koordiniert und über-      zer. Allen voran die Naturstiftung David.     weite voneinander entfernt. „Da kommt
   wacht er die Bauarbeiten im Wald.           Dort freute man sich besonders, dass Ak-      bei den Kindern keine Langeweile auf“,
                                               teure aus der Region die Idee des Projekt-    ist Krüger überzeugt. „Am Ende entlastet
   Unerwartete Hürden                          plans aufgegriffen haben. Aber auch die       das auch die Eltern. Die Kindern sind be-
   Im August soll der Familienwanderweg        Waldeigentümer, darunter die Landesent-       schäftigt und die Erwachsenen können in
   eröffnet werden. „Der Aufbau der Statio-    wicklungsgesellschaft Thüringen und die       Ruhe die Natur genießen.“
   nen war fast der einfachste Teil des Pro-   Stadt Wiehe, standen dem Projekt aufge-
   jektes“, schmunzelt Krüger junior. Denn     schlossen gegenüber und gaben unbüro-         Ein Klassenzimmer im Wald
   bis das Projekt konkret umgesetzt wer-      kratisch ihre Zustimmung.                     Ein Höhepunkt des Weges ist das Wald-
   den konnte, mussten viele Hürden über-         Nachdem der Antrag eingereicht und         klassenzimmer. Unweit der Ruine der
   wunden werden. Alles begann mit einer       genehmigt war, tauchte die nächste Hür-       Rabenswaldburg stehen eine große Ta-
   Idee der Naturstiftung David. Der Ra-       de auf. Der Verein sollte als Projektträger   fel, ein Lehrerpult
                                               die gesamten Baukosten zunächst ausle-        und rundherum
                                               gen. So schreiben es die Förderrichtlini-     Bänke. Ein idealer
                                               en vor. Geld, das der Verein nicht hatte.     Ort, um den Schul-
                                               Glücklicherweise sprang die Naturschutz-      unterricht auch
                                               organisation WWF (World Wide Fund             einmal im Freien
                                               for Nature) ein und unterstützte den Ra-      abzuhalten. An

4 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
einer anderen Stelle führt eine Leiter aus   Um Gefahren rechtzeitig zu erkennen,        Holzstelen können die Besucher schrei-
      Holzbohlen auf einen Erdhügel neben          werden die Vereinsmitglieder den Weg        ben oder ritzen – ganz wie es ihnen be-
      dem Weg. Dort stehen mehrere kleine          zweimal pro Woche ablaufen. An einigen      liebt. „Wir müssen wahrscheinlich schon
      Holzverschläge. Michael Krüger erklärt,      Stellen weichen die Wege nach starkem       bald ein paar weitere hölzerne Seiten
      was es mit dieser Station auf sich hat.      Regen mitunter auf, das Wasser sammelt      hinzufügen“, so Michael Krüger. Trotz
      Früher gab es im Rabenswald viele Koh-       sich in den Fahrrinnen. Solange Teile       der vielen Besucher wurden bisher we-
      lemeiler. Hier wurde in großen Mengen        des Weges noch mit Fahrzeugen genutzt       der Holzteile entwendet noch Müll liegen
      Holzkohle hergestellt und teilweise bis      werden, ließe sich das nicht vollständig    gelassen. „Darin sehe ich auch eine Wert-
      nach Halle transportiert. So erfährt der     vermeiden, erklärt Krüger. Der Vereins-     schätzung unserer Arbeit“, freut sich der
      Wanderer auch etwas über die frühere         vorsitzende hofft darauf, dass nach Er-     Garnbacher.
      Nutzung des Waldes.                          öffnung möglichst wenige Fahrzeuge den
         Die Stationen wurden und werden           Weg benutzen. „Ein Verbot zur Befahrung
      größtenteils von einer Firma aus Naum-       des Weges zum Zweck der Jagd oder Forst-                 Warum der Rabe?
      burg gebaut, die auf den Bau von Spiel-      wirtschaft können wir nicht aussprechen                  Seit Alters her trägt der
      plätzen spezialisiert ist. Gefertigt sind    – wir können nur appellieren, vorsichtig                 Wald hinter Garnbach den
      sie aus dem besonders widerstandsfähi-       zu fahren oder alternative Wege zu nut-       Namen „Rabenswald“. Woher der
      gen und festen Holz der Robinie. Um die      zen“. Um die Konflikte zu minimieren,         Name stammt – darüber schweigen
      Festigkeit zu demonstrieren, stellt sich     plant der Verein an besonders feuchten        sich die historischen Quellen aus. Be-
      der Vereinsvorsitzende auf einen recht       Stellen einen festen Pfad anzulegen, so       reits im Jahr 1233, als Graf Albert von
      schmal ausschauenden Holzbalken und          dass die Wanderer auch nach einem län-        Wiehe hier eine Burg errichten ließ,
      wippt auf und ab. Das Holz hält. Robini-     geren Regen trockenen Fußes ihr Ziel er-      benannte er diese nach dem Wald.
      enholz habe zudem den Vorteil, dass es       reichen.                                      Die Rabenswaldburg trotzte mit ih-
      wesentlich langlebiger und weniger an-                                                     ren hohen Mauern und tiefen Wall-
      fällig gegen Schimmel und Schädlinge         Viele positive Reaktionen                     gräben über 100 Jahre allen Feinden
      sei, erklärt Michael Krüger. Die Konst-      Obwohl er offiziell noch nicht eröffnet       bis sie im Thüringer Grafenkrieg
      ruktionen würden mindestens 20 Jahre         ist, hat der fast fertige Erlebnispfad in     1342 zerstört wurde.“
      halten. Für den Verein ist das ein wich-     den vergangenen Wochen bereits zahlrei-
      tiger Punkt, denn die Vereinsmitglieder      che Wanderer angezogen. Die ersten Be-
      sind nicht nur für den Bau, sondern für      sucher haben sich schon in das hölzerne
      den Unterhalt des Weges verantwortlich.      Gästebuch eingetragen. An mehreren

      Probleme aufweichen –
      nicht Fahrrinnen!
      Dazu zählt auch das wichtige
      Thema Sicherheit. Denn wie
      in allen anderen Wäldern kön-
      nen auch im Rabenswald alte
      Äste abbrechen oder Bäume umfallen.
      Eine Gefahrenquelle für die Wanderer.

Fotos: David Johst (6), Thomas Stephan (1)
                                                                                                          Hohe Schrecke Journal | Nr. 20   5
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
I NTERVI EW

   Fledermausfreundlich – trotz Corona
   Über Jahrzehnte hinweg ist es Fledermausforschern wie Wolfgang Sauerbier und Wigbert
   Schorcht gelungen, das Image der Fledermaus aufzubessern. An die Stelle von diffusen Vampir-
   Mythen trat das facettenreiche Bild eines faszinierenden fliegenden Säugetiers. Durch das Co-
   rona-Virus scheinen die Erfolge akut gefährdet.

   Seit Beginn der Corona-Epidemie wird
   immer wieder diskutiert, ob der Virus
   von der Fledermaus auf Menschen über-
   tragen wurde. Geht von Fledermäusen
   eine Gefahr aus?
   Wigbert Schorcht: Zunächst einmal gibt
   es nicht „die“ Fledermaus. Weltweit gibt es
   rund 1.400 verschiedenen Fledermausar-
   ten. Da gibt es enorme Unterschiede. Was
   die Wildtierforschung durch wissenschaft-
   liche Studien sicher weiß: Dieser spezielle
   für Covid-19 verantwortliche Corona-Virus
   kommt bei keiner der 25 in Deutschland
   lebenden Fledermausarten vor.

   Lässt sich also ausschließen, dass Fleder-
   mäuse hierzulande den Covid-19-Erreger          Wolfgang Sauerbier                           Wigbert Schorcht
   übertragen können?                              (Dipl.-Ing.), Jahrgang 1951, 1990–2010       (Dipl.-Biologe), Jahrgang 1972, seit
   W. Schorcht: Also nach allem, was wir           Leiter der Naturschutzbehörde des            1997 Mitglied der Interessengemein-
   wissen, geht von den heimischen Fleder-         Kyffhäuserkreises, seit 1965 ehren-          schaft Fledermausschutz, seit 2000
   mäusen keine Gefahr für diese Erkran-           amtlich im Natur- Fledermausschutz           Mitinhaber des Fachbüros NACHT-
   kung aus.                                       tätig, seit 2009 Mitglied im Kurato-         aktiv, Mitglied im Präsidium der Na-
                                                   rium der Stiftung Fledermaus                 turstiftung David
   Erleben Sie als Fledermausforscher der-
   zeit eine wachsende Verunsicherung im
   Umgang mit Fledermäusen?                      Was sollte man jetzt grundsätzlich beim      zieren, welchen ökonomischen Nutzen
   Wolfgang Sauerbier: Ja, ganz eindeutig.       Umgang mit Fledermäusen beachten?            Fledermäuse weltweit für die Landwirt-
   In den letzten Wochen haben mich ver-         W. Schorcht: Fledermäuse sind Wildtiere      schaft haben. Das sind mehrere Milliar-
   mehrt Bürgerinnern und Bürger aus der         und sollten auch so behandelt werden.        den von US-Dollar pro Jahr. Außerdem
   Kyffhäuserregion angesprochen. Man-           Das sind keine Kuscheltiere, auch wenn       sind Fledermäuse wichtige Indikatoren
   cher ist verunsichert. Darum ist es wich-     sie manchmal in der Nähe des Menschen        für den Zustand unseres Ökosystems.
   tig aufzuklären und die Menschen zu           leben. Wenn man eine verletzte Fleder-       Vereinfacht gesagt: Wenn es den Fleder-
   beruhigen: Von unseren heimischen Fle-        maus findet, sollte man sie möglichst nur    mäusen gut geht, dann geht es auch den
   dermäusen geht keine Gefahr aus.              mit Handschuhen anfassen, in einen Kar-      Menschen gut.
                                                 ton legen und einen Fachmann anrufen.
   In Österreich soll es zu Tiertötungen ge-     W. Sauerbier: Wir haben für solche Fälle     Jenseits von Vandalismus – Wodurch
   kommen sein, in Bayern zur vereinzelten       ein Notfalltelefon eingerichtet, da kann     sind Fledermäuse gefährdet?
   Zerstörung von Fledermausquartieren.          sich jeder melden, wenn er eine verletzte    W. Sauerbier: Vor allem der Verlust von
   Ist so etwas aus unserer Region bekannt?      Fledermaus gefunden hat oder Fragen          Lebensstätten. Nebengelasse und Scheu-
   W. Sauerbier: Nein. Da sind mir keine         zum richtigen Umgang mit Fledermäu-          nen verschwinden, viele Gebäude wer-
   Fälle bekannt. Wir haben in den letzten       sen hat                                      den saniert. Dadurch fallen die für Fle-
   Jahren viel Aufklärungsarbeit geleistet.                                                   dermäuse so wichtigen Spaltenquartiere
   Ich denke in unserer Region gibt es nach      Warum ist der Schutz von Fledermäusen        weg, also Lücken und Spalten im Mau-
                                                                                                                                         Foto: Naturkundemuseum Erfurt; Jana Planek

   wie vor eine große Akzeptanz für Fleder-      aus Sicht des Naturschutzes so wichtig?      erwerk und unter dem Dach. Ein ande-
   mäuse.                                        W. Schorcht: Fledermäuse haben eine          res Problem stellt vielerorts die inten-
   W. Schorcht: Es muss auch darauf hinge-       enorm wichtige Funktion für das Öko-         sive Forstwirtschaft dar. In den Wäldern
   wiesen werden, dass jeder der in Deutsch-     system. In einigen Ländern spielen sie       gibt es immer weniger Baumhöhlen – die
   land Fledermäuse tötet oder Quartiere         eine zentrale Rolle bei der Bestäubung       beispielsweise für die Bechsteinfleder-
   zerstört, eine Straftat begeht. Das ist im    bestimmter Pflanzen. Hierzulande gehö-       maus sehr wichtig sind. Zugleich gibt es
   Bundesnaturschutzgesetz eindeutig gere-       ren sie zu den wichtigen Vertilgern von      in ganz Europa immer weniger Insekten.
   gelt.                                         Schadinsekten, wie beispielsweise des        Dadurch ist die Nahrungsgrundlage der
                                                 Bor­kenkäfers. In einer wissenschaftlichen   Fledermäuse gefährdet.
                                                 Studie wurde einmal versucht, zu bilan-

6 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
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In letzter Zeit wird auch vermehrt die       schungsvorhabens, aus dem Empfeh-                       Beratungssystem etabliert. Da-
                                       Frage gestellt, welchen Einfluss Windrä-     lungen für ganz Deutschland abge-                       mit können die Fledermaus-
                                       der auf die heimischen Fledermäuse ha-       leitet wurden.                                          schützer heute viel besser mit
                                       ben. Stellen sie eine Gefahr für Fleder-                                                              den zuständigen Behörden
                                       mäuse dar?                                 Die Hohe Schrecke gilt als eines                            und Ämtern zusammenar-
                                       W. Schorcht: Ein Teil der Fledermausar-    der fledermausreichsten Gebiete                              beiten. Auch wurde damit
                                       ten, nämlich die, die oben im freien Luft- in Deutschland. Was ist der                                   in der Bevölkerung viel
                                       raum unterwegs sind, können von Wind-      Grund hierfür?                                                 Akzeptanz für die Fleder-
                                       rädern erschlagen werden. Das ist ein      W. Sauerbier: Das sind zum ei-                                   mäuse geschaffen.
                                       Problem. Allerdings gibt es seit einigen   nen die historisch gewachse-
                                       Jahren erfreulicherweise immer mehr        nen Wälder der Hohen Schre-                                           Sind die Maßnah-
                                       Windkraftanlagen, die über einen fleder-   cke mit ihrem hohen Anteil                                             men ausreichend
                                       mausfreundlichen Betrieb verfügen.         an Laubbäumen. Zum ande-                                        oder müsste noch mehr
                                                                                  ren haben sich die Dörfer                                        für den Schutz der Fle-
                                       Was heißt in diesem Fall fledermaus- in den letzten Jahrhunder-                                          dermäuse getan werden?
                                       freundlicher Betrieb?                      ten nicht so stark verän-                                         W. Schorcht: Was die
                                       W. Schorcht: Wenn wenig Wind weht dert, wie in anderen Teilen                                               Hohe Schrecke als Re-
                                       und viele Fledermäuse unterwegs sind, Deutschlands. So gibt es                                            gion betrifft, muss ganz
                                       also in milden, windarmen Nächten,                      beispielsweise                                   klar gesagt werden, dass
                                       werden die Windräder vorüberge-                                                                              hier bereits Außerge-
                                       hend abgeschaltet. Dadurch lässt                                                                              wöhnliches geleistet
                                       sich die Zahl der verunglück-                                                                                 wurde. Im Regional-
                                       ten Fledermäuse pro Windrad                                                                                     museum Bad Fran-
                                       deutlich reduzieren. Das führt                                                                                     kenhausen gibt
                                       dann natürlich auch zu wirt-                                                                                      es eine tolle Fle-
                                       schaftlichen Einbußen bei den                                                                                         dermausaus-
                                       Windkraftbetreibern – aber                                                                                            stellung mit
                                       diese Einbußen spielen sich in                                                                                           sogenann-
                                       der Regel im geringen einstelli-                                                                                            ten Flat-
                                       gen Bereich ab.                            noch alte                                                                      terpoints.
                                                                                  Scheunen,                              Mopsfledermaus                         Auch über
                                       Zum Thema Windräder und Fledermäu­se die den Fleder                                                                      das Natur-
                                       gab es ja vor einigen Jahren in der Hohen mäusen Unterschlupf bieten. Die Hohe schutzgroßprojekt wurde viel für den
                                       Schrecke einen Modellversuch. Mit wel- Schrecke ist durch ein mosaikartiges Bio- Schutz der Fledermäuse getan. Die Hohe
                                       chen Ergebnissen?                          topsystem charakterisiert: Es gibt Wälder Schrecke ist also eher ein deutschland-
                                       W. Schorcht: Wir haben damals einen 60 und Wiesen im Wechsel, Waldteiche und weites Beispiel, wie man es machen kann.
                                       Meter hohen Mess-Mast errichtet, um he- Bäche – für die Fledermäuse ist das ein Es ist wirklich ein Leuchtturm.
                                       rauszufinden, in welcher Höhe waldtypi- idealer Lebensraum.
                                       sche Fledermäuse fliegen. Da zukünftig                                                  Die Fragen stellte David Johst
                                       Windkraftanlagen nicht nur im Offen- Seit vielen Jahren werden in der Hohen
                                       land, sondern auch an oder in Waldge- Schrecke Projekte realisiert, um die hei-
                                       bieten errichtet werden, ist es wichtig zu mischen Fledermäuse zu schützen. Zei-
                                       wissen, welche Fledermäuse in welcher gen diese Maßnahmen bereits Wirkun-
                                       Höhe über den Bäumen unterwegs sind. gen?
                                       Unsere Untersuchung hat beispielsweise W. Schorcht: Noch gibt es hierzu keine be-
                                       ergeben, dass die Mopsfledermaus in ei- lastbaren Zahlen. Aber es gibt Hinweise,          Fledermäusen helfen
                                       ner Höhe von ca. 30 Metern fliegt und dass sich die Situation verbessert hat. Da          Das Fledermaus-Nothilfetelefon
                                       jagt. Sie wäre also durch den Bau von ist zum Beispiel die kleine Hufeisenfle-            ist unter 0361 2669 1379 oder
                                       Windkraftanlagen in Waldnähe nicht be- dermaus, die fast verschwunden war und             0175 4068503 erreichbar.
                                       sonders gefährdet. Andere Arten dage- seit einigen Jahren wieder vermehrt auf-
                                       gen aber schon.                            getreten ist – vielleicht auch weil in der     Informationen zum Schutz von Fle-
Foto: Torsten Pröhl / fokus-natur.de

                                                                                  Hohen Schrecke mehr als 1.000 Hektar           dermäusen und einer fledermaus-
                                       Es ist aber nicht geplant, in der Hohen Waldfläche aus der forstlichen Nutzung            freundlichen Bauweise bietet die
                                       Schrecke Windkraftanlagen zu errichten? genommen worden sind. Außerdem hat                thüringenweite „Aktion Fledermaus-
                                       W. Schorcht: Nein – das ist komplett aus- man sich hier mit den Waldbesitzern auf         freundlich“
                                       geschlossen. Es handelt sich ja um ein bestimmte Regeln zum Schutz der Fle-               www.aktionfledermausfreundlich.de
                                       Naturschutzgebiet. Diese sind für die dermäuse geeinigt.
                                       Windkraftnutzung generell tabu. Der W. Sauerbier: Zugleich wurde nicht nur
                                       Mess-Mast war lediglich Teil eines For- in der Hohen Schrecke ein umfassendes

                                                                                                                                            Hohe Schrecke Journal | Nr. 20     7
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
R EPORTAG E

   Waldgefahren auf Wanderwegen
   Trockene Äste oder schräg stehende Bäume können leicht zur Gefahr für Wanderer werden.
   Wie können Wege gesichert werden, ohne gleich Schneisen zu schlagen? Eine Fachexkursion
   im Nationalpark Hainich gab Antworten.
   Marcus Menneke, Ranger im National-           tensäge nachhelfen. Etwa wenn Äste un-        ren. Im Austausch mit den Rangern des
   park Hainich, gibt ein Zeichen. Die Mo-       ter großer Spannung stehen und sich           Hainich-Nationalparks erfährt Krüger viel
   torseilwinde beginnt zu drehen, das Seil      nicht ohne Gefahr für die Waldarbeiter        Interessantes und Nützliches für seine Ar-
   spannt sich und zieht am Stamm der ab-        durch Herabziehen beseitigen lassen.          beit. Dabei stellen die Ranger des Hainichs
   gestorbenen Buche. Ein immer lauter           Man achte in solchen Fällen aber darauf,      nicht nur die verschiedenen Techniken
   werdendes Knarren ist zu hören, dann          dass Schnittspuren für den Besucher des       und Geräte vor, sondern zeigen auch, wie
   bricht plötzlich mit einem lauten Knall       Nationalparks möglichst unsichtbar blei-      sich Gefahren erkennen und einschätzen
   der Stamm auf halber Höhe ab und zer-         ben, so Wilhelm. Doch solche spurlosen        lassen. Denn es bedarf eines geschulten
   splittert – fast wie Glas. Einzelne Holz-     Baumfäll­arbeiten haben einen Nachteil:       Blicks, um anhand von Faulstellen, Baum-
   splitter fliegen viele Meter weit.            Sie sind meist deutlich aufwendiger. Im       pilzen und anderen Merkmalen zu erken-
      In einem Nationalpark werden norma-        Nationalpark Hainich übernimmt ein Teil       nen, ob ein Baum bald umstürzen wird
   lerweise keine Bäume gefällt, der Wald        der Ranger diese Aufgabe. Zu ihnen ge-        oder größere Äste abbrechen könnten.
   bleibt sich selbst überlassen. Doch es gibt   hört auch Marcus Menneke. Für ihn han-
   eine Ausnahme: Überall dort, wo fest-         delt es sich um eine Routinearbeit. Er        Natur und Besucher schützen
   gestellt wird, dass Wanderer unmittelbar      und seine Kollegen haben mittlerweile         Hinzu kommt, dass Bäume ganz unter-
   gefährdet sind, muss auch gehandelt wer-      viele Erfahrungen sammeln können, wie         schiedlich altern. Eine abgestorbene Ei-
   den. In diesem Fall stand die abgestor-       man solche sogenannten Waldgefahren           che steht aufgrund ihrer tiefen Wurzel
   bene Buche gefährlich nah an einem der        auf möglichst schonende Weise beseiti-        viel länger als andere Baumarten, Ast-
   Hauptwege, der durch den Nationalpark         gen kann.                                     brüche kommen seltener vor. Die Buche
   führt.                                                                                      dagegen ist weniger stabil, abgestorbe-
                                                 Mit Gefahren umgehen                          nen Äste und Kronen brechen deutlich
   Schnittspuren vermeiden                       Aus diesem Grund haben sich mehrere           schneller. Doch die Baumart ist nur ein
   Doch wäre es nicht viel einfacher, den        Mitarbeiter der Naturstiftung David und       Anhaltspunkt. Manchem Baum sieht
   Baum einfach abzusägen, anstatt ihn           Mitglieder des Hohe-Schrecke-Vereins zu       man die Gefahr, die von ihm ausgeht,
   mit Hilfe einer Seilwinde zu Fall zu brin-    einer Exkursion angemeldet. Denn auch         schlicht nicht an. Andere Bäume wiede-
   gen? Der Nationalpark versucht, mit sol-      in der Hohen Schrecke sollen die notwen-      rum sind viel stabiler, als es den Anschein
   chen Methoden die Natur zu imitieren.         digen Eingriffe in die Natur – vor allem in   hat. Jedem Waldbesucher muss klar sein:
   Man möchte möglichst auf sichtbare            den Wildnisflächen – möglichst unsicht-       Kein Wald ist frei von Gefahren! Und
   menschliche Eingriffe, wie etwa Säge-         bar bleiben. Einer der Exkursionsteilneh-     dort, wo der Wald sich selbst überlassen
                                                                                                                                             Fotos: Dr. Dierk Conrady

   spuren, verzichten, so Revierförster Jens     mer ist Dieter Krüger. Er ist der Wander-     bleibt, häufen sich diese naturgemäß.
   Wilhelm. Auf diese Weise bleibt der Ein-      wegewart und kontrolliert im Auftrag des      Denn hier werden alte Bäume bewusst
   druck eines naturbelassenen Waldes er-        Hohe-Schrecke-Vereins regelmäßig alle         stehen gelassen. Zum natürlichen Pro-
   halten. Manchmal müssen jedoch auch           wichtigen Wanderwege im Gebiet. Wo            zess gehört eben auch, dass die Bäume
   die Natio­nalparkmitarbeiter mit der Ket-     möglich, beseitigt er auch die Waldgefah-

8 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
oder vom Umsturz gefährdete Bäume – zu             zwei Enkel und ich möchte nicht, dass ir-
                                                                                   beseitigen. Das gleiche gilt für sogenannte        gendjemandem im Wald etwas passiert,
                                                                                   „Megagefahren“. Eine solche Gefahr be-             weil ich nachlässig gewesen bin und eine
                                                                                   steht etwa, wenn ein Baum durch einen              mögliche Gefahr übersehen habe.“ Eine
                                                                                   Sturm teilweise entwurzelt wurde und un-           Auffassung, die auch Marcus Menneke
                                                                                   mittelbar auf einen ausgewiesenen Wan-             vom Nationalpark Hainich teilt: „Wir
                                                                                   derweg zu fallen droht. Wird eine solche           wollen hier ja nicht nur Dienst nach Vor-
                                             dann einfach irgendwann umfallen oder akute Gefahr erkannt, muss sie möglichst           schrift machen, ich möchte auch morgens
                                             zusammenbrechen.                      schnell beseitigt werden.                          noch in den Spiegel schauen können“.
                                                                                                                                         Doch eine hundertprozentige Sicher-
                                             Waldtypische Gefahren                       Gemeinsame Entscheidungen                    heit, darin sind sich alle Teilnehmer der
                                             Doch ab wann ist der Waldeigentümer         Doch solche Fälle sind eher die Aus-         Exkursion einig, kann es im Wald nicht
                                             verpflichtet, eine Gefahr zu beseitigen?    nahme. „In der Regel sind die Gefahren       geben. Darum sollten auch die Wanderer
                                             Laut Bundeswaldgesetz geschieht die Be-     nicht immer so eindeutig. Darum treffen      umsichtig handeln und nicht etwa bei Ge-
                                             nutzung des Waldes auf eigene Gefahr.       wir solche Entscheidungen meist nicht        witter oder Sturm in den Wald gehen. Ver-
                                             Im Klartext heißt das: Jeder, der im Wald   allein“, so Ranger Menneke. Die Verant-      schiedene Waldeigentümer in der Hohen
                                             spazieren geht, muss beispielsweise mit     wortung liegt letztlich bei den Revierlei-   Schrecke haben inzwischen auch Schilder
                                             herabstürzenden Ästen oder umstürzen-       tern beziehungsweise der Nationalpark-       angebracht, die auf die waldtypischen Ge-
                                             den Bäumen rechnen – egal ob im forst-      verwaltung Dadurch werde der einzelne        fahren hinweisen und zur Vorsicht mah-
                                             lich genutzten Wald oder in einem Wild-     Ranger entlastet. Ein Eindruck, den We-      nen: „Die Waldeigentümer erhoffen sich
                                             nisgebiet. Die Juristen sprechen hierbei    gewart Dieter Krüger teilen kann. Er be-     davon eine höhere Sensibilität im Um-
                                             von waldtypischen Gefahren. Etwas an-       rät sich in Zweifelsfällen mit Forstexper-   gang mit Gefahren“, so Forstexpertin Ger-
                                             ders stellt sich die Sache indessen dar,    ten der Naturstiftung David. Für Krüger      linde Straka von der Naturstiftung David.
                                             wenn Personen durch Unterstände, Bänke      ist dies eine große Hilfe. Denn bei sei-     Und wer meint, eine Gefahr erkannt zu
                                             oder Rastplätze zu bestimmten Orten hin-    ner Tätigkeit gehe es ja nicht nur um die    haben, der könne neben dem Wegewart
                                             gelenkt werden. An diesen Orten ist der     Frage der juristischen Haftung. Als We-      auch die zuständigen Förstereien infor-
                                             Waldeigentümer verpflichtet, in einem       gewart trage er auch eine moralische Ver-    mieren. Die Verantwortlichen sind über
                                             Umkreis von 30 Meter potentielle Gefah-     antwortung. „Ich bin eher der vorsichtige    jeden Hinweis dankbar.
                                             ren – etwa durch herabhängende Äste         Typ“, bekennt Krüger, „ich habe selber

                                                                                                                                        Schäden und Gefahren
                                                                                                                                        können Sie direkt melden an
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                                                                                                                                        wegewart@hohe-schrecke.de
                                                                                                                                        oder per Telefon: 0170 – 811 96 86

                                                                                                                                        Wegepate werden
                                                                                                                                        Wenn Sie gern und viel in der Hohen
                                                                                                                                        Schrecke unterwegs sind, können
Fotos: David Johst (4); Thomas Stephan (1)

                                                                                                                                        Sie den Wegewart unterstützen und
                                                                                                                                        die Patenschaft für bestimmte Wege
                                                                                                                                        oder Gebiete übernehmen. Wegepa-
                                                                                                                                        ten kontrollieren Rastplätze, Weg-
                                                                                                                                        weiser und natürlich die Wege. In-
                                                                                                                                        teresse? Nehmen Sie einfach direkt
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                                                                                                                                                Hohe Schrecke Journal | Nr. 20    9
JOURNAL 20 - Naturstiftung David
A RTE NSC H UTZ

    Trommeln und trillern –
    Spechte in der Hohen Schrecke
    Spechte scheinen Gewinner der Dürresommer zu sein. Wo viele trockene Bäume sind, finden
    sie viele Insekten. Die Vögel mit den Hammerschnäbeln gehören auch zu den Zielarten des Na-
    turschutzgroßprojektes – im Wald und im Offenland.
    Von weither schallt ein markantes Trom-                                                              höhlen es in großer Dichte braucht,
    meln durch den Wald. Schnell, mecha-                                                                            damit der Käfer überleben
    nisch, in Intervallen. Als wollte je-                                                                          kann“, zeigt sich Dierk Con-
    mand klarmachen: „Hoppla, hier                                                                                   rady fasziniert. Genau da-
    bin ich! Und das Revier gehört                                                                                  für sei es auch notwendig,
    mir!“. Spechte hämmern nicht                                                                                          dass es in der Hohen
    nur, um Würmer aus der Rinde                                                                                         Schrecke ausreichend
    zu picken oder Höhlen in das                                                                                         Wildniszonen mit ge-
    Stammholz zu hacken. „Sie                                                                                             nügend Alt- und Tot-
    nutzen trockene Zweige                                                                                                    holzbäumen gibt.
    oder Stämme als Klangholz,                                                                                                   Im Bereich des
    als Resonanzboden für ihre                                                                                               Wiegentals lassen
    Botschaften an die Artgenos-                                                                                            sich beispielsweise
    sen“, erklärt Dierk Conrady,                                                                                            viele Bäume sehen,
    wissenschaftlicher Mitarbei-                                                                                            die wie Skulpturen
    ter im Team der Naturstiftung                                                                                            bearbeitet erschei-
    David. Bis zu zwei Kilometer                                                                                               nen: Spechthöh-
    weit trage der Schall solcher                                                                                            len aus vielen Jah-
    Schlagwerke. Das Trommeln an                                                                                           ren durchziehen die
    diesem Frühlingstag in der Hohen                                                                                 alten Stämme und Baum-
    Schrecke kommt von einem Schwarz-                                                                 t            stümpfe. Auch in den forst-
                                                                                                   ch
    specht. Beim Näherkommen ist sein                                                       z s pe               lich genutzten Waldgebieten
                                                                                         ar
    schwarz-mattes Gefieder zu sehen. „Bis                                        S ch w                 der Hohen Schrecke finden Spechte
    zu 50 Zentimeter lang kann er werden                                                                günstige Strukturen, nicht nur in den
    – also etwa krähengroß“, sagt der Bio-                                                                Altholzinseln und Habitatbäumen.
    loge Conrady. Typisch für die Männchen
    des Schwarzspechtes ist die karminrote      Baum-Wohngemeinschaften                       Stoßdämpfer extraweich
    Kopfplatte, beim Weibchen ist dagegen       Tatsächlich profitieren viele Waldbewoh-      Zu den erstaunlichen Anpassungsleis-
    nur eine kleine Stelle des Hinterkopfes     ner von der Aktivität der Schwarzspechte:     tungen der Spechte gehört die „Aufhän-
    rot gefärbt.                                „Wenn sie ihre Höhlen verlassen, werden       gung“ ihres Gehirns. Damit sie keine Ge-
                                                sie sofort besiedelt von ganzen Lebensge-     hirnerschütterung beim Hacken ihrer
    Alfred Brehms Weitsicht                     meinschaften. Waldkauz, Hohltaube und         Höhlen bekommen, ist der Schnabel in
    Schwarzspechte hämmern Löcher in das viele andere Höhlenbrüter nutzen die                 einem komplizierten Gewirr aus Sehnen
    Holz, um dann im Stamm nach dessen Quartiere“, erläutert Dierk Conrady. Er                und Knorpel gelagert. Jeder Schnabel-
    Innenleben zu bohren. Rossameisen sind verweist in diesem Zusammenhang auf                hieb wird dadurch abgepuffert und teils
    seine Lieblingsspeise – so hat es schon Al- den seltenen Knochenglanzkäfer. Dieser        in Drehbewegungen umgewandelt. Die
                                                                                                                                                   Foto: ginger/pixabay.com;; JCLeroi/pixabay.com;; Schwoaze/pixabay.com

    fred Brehm in der Mitte des 19. Jahrhun- ist darauf angewiesen, dass ein Schwarz-         Schwanzfedern sind deutlich härter als
    derts beobachtet. „Es kann gar nicht oft specht eine Höhle in den Baum häm-               bei anderen Vögeln, sie stützen den Vo-
    genug wiederholt und eindringlich genug mert, in die nach seinem Auszug zuerst            gel, wenn er sich am Stamm festkrallt.
    versichert werden, dass uns die Spechte ein Waldkauz und dann eine Hohltaube              Selbst die Krallen sind abgewandelt: Für
    nur Nutzen, niemals aber Schaden brin- einziehen. Anschließend muss ein klei-             besseren Halt beim Klettern an der Rinde
    gen.“, schreibt Brehm in Richtung der nes Säugetier wie zum Beispiel ein Sie-             sorgen zwei rückwärts gewandte Krallen
    Förster, die damals in jedem Baumpicker benschläfer darin wohnen. Und erst dann           – bei anderen Waldvögeln ist es nur eine.
    einen Schädling sahen, der ja schließlich findet der Knochenglanzkäfer in den Fe-
    wertvolles Nutzholz ramponiere. Brehm der- und Fellresten dieser Baumhöhle ge-            Vogelzählung auf dem Plateau
    weiter: „Die Spechte sind bis jetzt die al- nau die richtigen Bedingungen für seine       Während der Planungsphase im Natur-
    leinigen Erbauer der Wohnungen unse- Vermehrung. „Wenn man nun weiß, dass                 schutzgroßprojekt wurden alle in der
    rer nützlichen Höhlenbrüter (…) und des- der Aktionsradius des Käfers nur 500 Me-         Hohen Schrecke vorkommenden Vögel
    halb sollte man umso mehr bedacht sein, ter beträgt und sich gleichzeitig bewusst         erfasst – darunter auch die Spechte. An
    die Spechte gewähren zu lassen.“            macht, dass die sehr spezielle Reihenfolge    ausgewählten Stellen erfolgten in den
                                                der Höhlen-Nachnutzer auch nicht sehr         letzten Jahren weitere Beobachtungen.
                                                häufig ist, wird deutlich, wieviel Specht-    Verantwortlich dafür war und ist der Bio-

10 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
loge Michael Striese. „Spechte lassen sich    wie der etwas klei-
am besten im Frühjahr erfassen. Denn          nere und selte-
von Anfang März bis Ende April ist ihre       nere Grauspecht
Paarungszeit und sie markieren ihre Re-       zu den „Erd­
viere durch Rufe und Trommeln“, erklärt       spechten“.
der aus der Lausitz stammende Ornitho-        Beide finden
loge. Zuletzt kartierte Striese 2015 und      Ameisen
2016 auf dem Plateau der Hohen Schre-         – Haupt-
cke im Bereich des ehemaligen Schieß-         bestand-
platzes und in den benachbarten Wald-         teil ihrer
flächen. Bei den Begehungen von März          Nahrung
bis Juli auf der rund 600x1.000 Meter         – und de-
großen Fläche konnte er 36 Vogelarten         ren Larven
sicher nachweisen – darunter neben dem        vor allem am
Schwarzspecht auch den Grauspecht             Boden. „Sehr
und den Buntspecht. Letztere haben so-        typisch für den

                                                                     Gr
gar eine Hornspitze mit Widerhaken auf        Grünspecht“, sagt

                                                                      ün
                                                                         ec

                                                                       sp
ihrer Zunge. Wie mit einer Harpune an-        Striese, „ist sein            ht
geln sie damit Bockkäferlarven aus ihren      Balzruf, der wie ein                                                                ver-
Gängen im Holz. Um die Zunge etwa fin-        wieherndes Gelächter                                                            glichen.
gerlang ausfahren zu können, reicht die       klingt“. Weil der Grünspecht                                                  Erst dann
Muskulatur einmal um den ganzen Schä-         häufig auf den oft ameisenreichen                                        lasse sich ein-
del herum. „Der Bestand des Buntspech-        Grasflächen zu finden ist, heißt er auch                    schätzen, ob die im Projekt
tes scheint sich sehr positiv zu entwi-       Wiesenspecht. Mit seiner mehr als zehn       realisierten Naturschutzmaßnahmen die
ckeln, bei Schwarz- und Grauspecht sieht      Zentimeter langen klebrigen Zunge fährt      erhoffte Wirkung entfalten. „Die Erhe-
die Situation nicht ganz so gut aus“, fasst   er in die Baue der Insekten, um sie und      bungen werden uns sicherlich auch ge-
der Vogelkundler die ersten Ergebnisse        ihre Larven herauszuholen. Nach Anga-        nauere Anhaltspunkte dafür liefern, wie
seiner Untersuchungen zusammen.               ben des Dachverbandes Deutscher Avi­         sich die zunehmende Trockenheit auf
                                              faunisten hat sich seine Zahl in den letz-   die Vogelwelt auswirkt – und hier spezi-
Die vielen Farben der Natur:                  ten beiden Jahrzehnten mehr als ver-         ell auch auf die Spechte“, ist sich Dierk
Bunt und Grün und Grau                        doppelt. Der Grünspecht scheint vom          Conrady sicher. Unabhängig von der Ge-
„Während Bunt- und Schwarzspecht typi-        Klimawandel und den damit verbunde-          samt-Kartierung wird Michael Striese im
sche Waldbewohner sind, kommen viele          nen milderen Wintern zu profitieren.         Frühjahr 2021 erneut die Vogelwelt des
andere Specht-Arten vor allem am Wald-                                                     Plateaus untersuchen. Schon jetzt freut
saum vor“, erklärt Michael Striese. Die       Profiteure der Trockenheit?                  er sich darauf, wenn er dabei die Spechte
Streuobstwiesen an den Randgebieten           Haben auch die anderen Spechtarten ei- beim trommeln beobachten kann.
der Hohen Schrecke seien beispielsweise       nen Vorteil von der Trockenheit und den
ein bevorzugter Lebensraum des Grün-          plötzlich reichlich vorhandenen Totholz-
spechtes und des ebenfalls zur Specht-        bäumen? „Das lässt sich noch nicht ein-         Spechtarten im Gebiet
familie gehörenden Wendehalses. Der           deutig sagen“, so Michael Striese. Er ver-      Von den neun in Deutschland vor-
Grünspecht zählt                              weist allerdings auf ein Beispiel im Natio-     kommenden Spechtarten sind sieben
                                                  nalpark Sächsische Schweiz. Dort ha-        in der Hohen Schrecke nachgewie-
                                                       be sich der Bestand des Schwarz-       sen, und zwar die Arten Buntspecht
                                                             spechtes innerhalb weniger       ( Dendrocopos major ), Grauspecht
                                                                Jahre von 18 auf 53 Brut-     (Picus canus), Grünspecht (Picus viri-
                                                                paare erhöht. „Wenn das       dis), Kleinspecht (Dryobates minor),
                                                                 Naturschutzgroßprojekt       Mittelspecht (Dendrocopos medius),
                                                                     in den nächsten Jah-     Schwarzspecht (Dryocopus martius)
                                                                    ren ausläuft, werden      und der Wendehals (Jynx torquilla).
                                                                        wir auf jeden Fall    Weißrückenspecht und Dreizehen-
                                                                        auch noch einmal      specht kommen nicht in Thüringen
                                                                         eine umfassende      vor – und damit auch nicht in der
                                                                           vogelkundliche     Hohen Schrecke.
                                                                         Erhebung beauf-
                                                                       tragen“, verspricht
                                                                      Dierk Conrady von
                                                                        der Naturstiftung
                                                                       David. Die flächen-
                                                                    deckenden Erhebun-
                                                                   gen aus dem Jahr 2011
                                                                   werden dann mit den
                                                               aktuellen Beobachtungen
                                                             t
                                                        ch
                                              ts   pe
                                          Bun
                                                                                                      Hohe Schrecke Journal | Nr. 20     11
R EPORTAG E

    Mehr Wasser für das Plateau
    Das Plateau der Hohen Schrecke war und ist ein besonderer Ort. Das sumpfige Gebiet wurde
    in den 1950er Jahren für einen Panzerschießplatz entwässert. Jetzt wurde die Fläche mit Mit-
    teln des Naturschutzgroßprojektes renaturiert.
    Es ist ungemütlich Mitte Februar im Wald       und – das Drainagesystem auf dem Pla-        20.000 Euro aus Mitteln des Naturschutz-
    oberhalb von Garnbach. Der Boden ist           teau.                                        großprojektes wurden hier investiert. An
    schlammig. Bei Temperaturen knapp über            Im feuchten Winter finden sich über-      sechs verschiedenen Punkten rund um
    dem Gefrierpunkt pfeift ein kalter Wind.       all auf der Hochfläche Wasserstellen und     das Plateau wurde gebaut. Beispielsweise
    Für wenige Minuten kommt auch noch             kleine Teiche. Der Biologe Dierk Conrady,    auch an dem Abfluss ins Leintal Richtung
    Schneeregen dazu. In ihrer Mittagspause        spricht von einem „mineralischen Nasss-      Garnbach. Hier sammelt sich das Wasser
    ziehen sich die drei Männer, die in die-       tandort“. Er betreut für die Naturstiftung   in einem aus Ziegelsteinen gemauerten
    sen Tagen im Wald arbeiten, deshalb in         David die Arbeiten zur ökologischen Sa-      Schacht. An der Stelle wird ein großes
    das Fahrerhaus ihres Lastkraftwagens zu-       nierung. Das Plateau sei eine Art Zwi-       u-förmiges Betonteil eingesetzt. Damit
    rück. „Wiederherstellung eines naturna-        schending zwischen einem normalem            soll das Wasser bis zu einer bestimmten
    hen Wasserhaushaltes“ heißt das Projekt,       Waldboden und einem Moor, führt Con-         Höhe angestaut werden. Erst nach Er-
    für das sie hier arbeiten. Man muss schon      rady aus. Der Standort halte zwar deut-      reichen dieses neuen Pegels fließt es ab.
    etwas genauer hinsehen, um zu erkennen,        lich länger als normal das Wasser, trockne   Auch die anderen Arbeiten zielen darauf
    wofür die Männer hier tätig sind. Denn         dann aber im Spätsommer oder Herbst          ab, das Wasser auf dem Plateau zu halten
    es ist nur ein kleines Rinnsal, das sich       auch aus. Ursache sind die Maßnahmen         bzw. dessen Abfluss zu verzögern – so
    über den laubbedeckten Waldboden sei-          zur Trockenlegung durch die Sowjetar-        etwa durch den Bau kleinerer Erdwälle,
    nen Weg bahnt. Nicht zu hören und kaum         mee „Das war unvorstellbar viel Arbeit       die als Dämme dienen. Bis zu eineinhalb
    zu sehen. Erst am Waldweg sammelt sich         gewesen, aber sie hatten Zeit, Leute und     Meter soll der Wasserspiegel auf dem Pla-
    das Wasser und es ist zumindest ein Plät-      Technik“, sagt Conrady mit Blick auf den     teau ansteigen. Die Höhe, bis zu der das
    schern zu vernehmen, weil es hier in ei-       damals betriebenen Aufwand. Das Drai-        Wasser im Gebiet gehalten wird, wurde
    nen Schacht fällt. Genau um diesen Weg         nagesystem bestand unter- und oberir-        in enger Absprache mit den unteren Was-
    des Wassers geht es. Es soll anders fließen,   disch. In bis zu vier Metern Tiefe liegt     serbehörden festgelegt.
    später abfließen. Ziel des Projekts ist der    noch heute ein Rohrsystem, von dem
    Rückbau eines Drainagesystems, das hier        man nicht weiß, wie weit es in die Flä-      Gewinn für Kammmolch und Co.
    gar nicht hingehört und über Jahrzehnte        che hinein reicht. Bereits 2017 wurden       Einer, der solche Nass-Standorte beson-
    massiv in das Ökosystem auf dem Plateau        die Rohre wieder verschlossen und damit      ders liebt, ist der Kammmolch. Gerade
    eingegriffen hat.                              der unterirdische Wasserabfluss gekappt.     mal um die 15 Zentimeter groß, sieht er
                                                   Jetzt geht es um das System oberhalb.        aus wie eine Eidechse. Der Kammmolch
    Panzergranaten                                                                              ist die größte einheimische Molchart.
    aus dem Kalten Krieg                           Den Wasserspiegel                            Der gezackte Kamm auf dem Rücken
    Nach dem zweiten Weltkrieg wird das Ge-        steigen lassen                               der männlichen Tiere, der während der
    biet der Hohen Schrecke von der Sowjet-        Durch die Baumaßnahmen soll der Ab-          Fortpflanzungszeit zu sehen ist, gibt ihm
    armee besetzt. Fast 2.000 Hektar Wald          lauf des Wassers verzögert und das           seinen Namen. Dieser kommt zum Vor-
    werden gerodet, das Holz als Teil von Re-      Feuchtgebiet damit in seine ursprüngli-      schein, wenn sich die Tiere im Wasser
    parationszahlungen verwendet. Ein Pan-         che Form zurückverwandelt werden. Gut        aufhalten. An Land legt sich der Kamm
    zerschießplatz soll entstehen. Das Pla-
    teau der Hohen Schrecke ist die einzige
    ebene Fläche in dem sonst sehr stark von
    Bergen und Tälern geprägten Gebiet. Die
    ebene Fläche hat nur einen Nachteil. Sie
    ist feucht und sumpfig. Deshalb wird ein
    Drainagesystem errichtet, um die Hoch-
    fläche zu entwässern. Gelohnt hat sich
    der Aufwand allerdings nicht. Panzer fah-
    ren hier nur wenige Jahre. Später finden
    hier Schießübungen mit Handfeuerwaf-
    fen statt. Deshalb muss das Gebiet nach
    der militärischen Nutzung aufwendig
    entmunitioniert werden. Russische Pan-
    zergranaten, Panzersprenggranaten, aber
    auch deutsche Bomben und Bombenteile
    aus der Zeit der Nutzung durch die Wehr-
    macht werden geborgen und unschädlich
    gemacht. Zurück bleiben Bunkeranlagen,
    Panzersperren, verschiedene Bauwerke

12 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
Aus der Vogelperspektive offenbaren sich die Spuren der einstigen militärischen Nutzung.

                                                                                              Genau auf diesem Weg war sehr wahr-                 Brütende Kraniche?
                                                                                              scheinlich eines der Tiere, als während             Mehrfach konnten im April auf dem
                                                                                              der Bauarbeiten auf dem Plateau ein Be-             ehemaligen Schießplatz Kranichrufe
                                                                                              tonteil am Abfluss zum Leintal einge-               registriert werden. Gerlinde Straka
                                                Kammmolch
                                                                                              setzt wird. Die Bauarbeiter entdecken das           von der Naturstiftung David vermu-
                                                                                              kleine Tier und sind sich wohl der Beson-           tet, dass sich ein Brutpaar angesiedelt
                                                flach auf den Rücken und ist dann nicht       derheit der Situation bewusst. Sofort hal-          hat – was als schöner Erfolg gelten
                                                mehr zu sehen. Aber nicht nur der             ten sie den Moment mit ihrem Smart-                 könnte. „Den Beweis müssen wir vor-
                                                Kammmolch liebt solche sumpfigen und          phone fest. Das scheue Tier zeigt sich nur          erst schuldig bleiben – es wäre unver-
                                                feuchten Gebiete. Auch andere Tierarten       kurz und ist dann wieder verschwunden.              antwortlich, in der Brutzeit nach den
                                                finden hier ihr Zuhause. So zum Beispiel      Für wenige Sekunden wurde sichtbar,                 störanfälligen Vögeln im Gelände zu
                                                der Fadenmolch, verschiedene Insekten-        wofür die Männer hier arbeiten.                     suchen.“
                                                arten, Spinnen, Schnecken und Libellen.
                                                Sie alle werden die Veränderungen ihres
                                                Lebensraumes deutlich spüren und da-
                                                von profitieren. „Der Schutz des Kamm-
                                                molches liegt uns aber besonders am
                                                Herzen. Denn er ist europaweit geschützt
                                                und steht in Deutschland auf der Roten
                                                Liste der vom Aussterben bedrohten Tier-
                                                arten“, so Dierk Conrady. Der Biologe
                                                kennt das Kammmolch-Vorkommen auf
                                                dem Plateau schon seit vielen Jahren und
Fotos: Fabian Brenner (1); Thomas Stephan (3)

                                                ist froh, dass mit den Renaturierungs-
                                                maßnahmen der Lebensraum des Molchs
                                                jetzt langerfristig gesichert ist. Denn der
                                                Kammmolch verbringt den größten Teil
                                                seines Lebens im Wasser. Oft schon im
                                                Februar wandert er aus seinem Winter-
                                                quartier ins Gewässer.

                                                                                                                                                              Hohe Schrecke Journal | Nr. 20   13
R E GIO NAL E S

                                    Einst trutzig, zwingend und wehrhaft, heute einladend, freundlich und voll frischer Jugendlichkeit:
                                    Die Wasserburg Heldrungen ist ein Gemäuer voller Geschichte. Der Bauernkriegs-Anführer Thomas
                                    Müntzer wurde hier vor seiner Hinrichtung 1525 festgehalten. Heute sind Teile der Burg eine Jugend-
                                    herberge, der Wassergraben lädt zu Bootspartien ein und nur manchmal noch, bei den jährlichen
                                    Ritterfesten, spiegelt ein Fackelschein von finsterem Mittelalter über der Wasserfläche…

14 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
Aktiv für die Region
                                                     Die letzte Ausgabe des Journals erschien im Herbst 2019. Ein reichliches halbes Jahr später
                                                     wirkt vieles gebremst durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie. Dass sich trotzdem
                                                     erstaunlich viel in der Entwicklung der Region getan hat, dokumentiert der aktuelle Rückblick.

                                                     November                       Januar
                                                     Erfahrungsaustausch Natur- und Naturführerlehrgang –                                     Kommunalwald Kalbsrieth
                                                     Landschaftsführer              dritte Auflage                                            wird wild
                                                     Am 19. November trafen sich die Natur-       Zahlreiche Interessierte waren am 17. Ja-   Ende Februar unterzeichneten die Ge-
                                                     und Landschaftsführer der Hohen Schre-       nuar der Einladung zur Informationsver-     meinde Kalbsrieht und die Naturstif-
                                                     cke zum alljährlichen Erfahrungsaus-         anstaltung für den neuen Lehrgang zum       tung David einen Kaufvertrag. Mit Mit-
                                                     tausch im Gutshaus von Bismarck. Alle        Natur- und Landschaftsführer in der Ho-     teln des Naturschutzgroßprojektes hat
                                                     Teilnehmer zogen für das Jahr 2019 eine      hen Schrecke gefolgt. Nach den Lehrgän-     die Stiftung den 15 Hektar großen Kom-
                                                     positive Bilanz. So seien sowohl die Fami-   gen 2010 und 2015 wird der Kurs nun         munalwald am Rande des Wiegentals er-
                                                     lien- und Kräuterwanderungen als auch        zum dritten Mal in Folge angeboten. Die     worben. Er wird ab sofort forstlich nicht
                                                     die angebotenen Seminare sehr gefragt        Ausbildung wird vom Heimatbund Thü-         mehr genutzt. Die neue Wildnisfläche
                                                     gewesen – wie auch die im Rahmen der         ringen e.V. in enger Abstimmung mit         steht auch Besucherinnen und Besuchern
                                                     kulinarischen Wochen durchgeführten          dem Projektbüro Hohe Schrecke durch-        offen: Durch den (nun ehemaligen) Kom-
                                                     Workshops. Für 2020 wurden Themen-           geführt. Innerhalb kürzester Zeit waren     munalwald führt der Kleine-Hohe-Schre-
                                                     wanderungen zur Hängeseilbrücke im           alle 15 Ausbildungsplätze belegt. Leider    cke-Rundweg und der Wiegental-Wild-
                                                     Bärental erarbeitet. Außerdem wurde auf      musste der Kurs aufgrund der Corona-        nisweg.
                                                     dem Treffen über das Thema Wald und          Beschränkungen nach den ersten Treffen
                                                     Trockenheit diskutiert. Im Mittelpunkt       bis auf weiteres ausgesetzt werden.         März
                                                     stand der richtige Umgang mit den durch                                                  Hohe Schrecke Veranstaltungs-
                                                     die anhaltende Trockenheit erhöhten          Februar                                     kalender 2020 erschienen
                                                     Waldgefahren.                                Parkscheinautomat                           Unter dem Titel „Erlebnis Hohe Schre-
                                                                                                  für die Hängeseilbrücke                     cke“ hat die Naturstiftung David gemein-
                                                     Quartierskonzept für Langenroda Seit dem Frühjahr werden auf dem Wan-                    sam mit dem Hohe-Schrecke-Verein ei-
                                                     Das Thüringer Institut für Nachhaltigkeit    derparkplatz in Braunsroda von den Be-      nen Veranstaltungskalander für das Jahr
                                                     und Klimaschutz (ThINK) hat im Auf-          suchern der Hängeseilbrücke Parkgebüh-      2020 herausgegeben. In gewohnter Qua-
                                                     trag der Stadt Wiehe und in Zusammen-        ren erhoben. Für diesen Zweck wurde ein     lität enthält die handliche Broschüre ein
                                                     arbeit mit der Naturstiftung David ein       Parkscheinautomat aufgestellt. Mit einer    großes Angebot an geführten Themen-
                                                     Quartierskonzept für den Ortsteil Langen-    Parkgebühr von 3 bzw. 5 Euro unterstüt-     wanderungen, Kräuterseminaren, Rad-
                                                     roda erarbeitet. Am 21. November wurde       zen die Besucher den Hohe-Schrecke-Ver-     touren, Märkten, Festen und weiteren
                                                     das Konzept und vor allem das Teilpro-       ein bei der Unterhaltung der Hängeseil-     Veranstaltungen in der Region. Der Ver-
                                                     jekt „Nahwärmenetz“ den Einwohnern           brücke. Mit den Gebühren werden unter       anstaltungskalender ist in den Tourist-In-
                                                     vorgestellt. Ziel ist eine verstärkte Nut-   anderem die regelmäßig vorgeschriebe-       formationen rund um die Hohe Schrecke
                                                     zung erneuerbarer Energien für die lokale    nen Sicherheitsprüfungen mitfinanziert.     (Wiehe, Sömmerda, Bad Frankenhausen,
                                                     Nahwärmeversorgung. Unter den rund 30        Die Höhe der Gebühr richtet sich nach       Bad Bibra) erhältlich und auf der Home-
                                                     Teilnehmern der Einwohnerversammlung         der Parkdauer. Der Automat akzeptiert       page www.hohe-schrecke.de als Down-
                                                     gab es viel Zustimmung für die Pläne.        Münzen, Scheine sowie Kartenzahlung.        load verfügbar.
Fotos: Thomas Stephan (1); Naturstiftung David (3)

                                                     Bürgerversammlung Langenroda,                Parkscheinautomat „Hängeseilbrücke“         Erlebnis Hohe Schrecke, Veranstaltungen 2020
                                                     Vorstellung der Quartierskonzeptes           am Wanderparkplatz Braunsroda

                                                                                                                                                          Hohe Schrecke Journal | Nr. 20     15
März                                        April
    Hohe Schrecke Wegewart                      Einschränkungen durch
    bekommt Verstärkung                         Coronavirus-Pandemie
    Seit März gibt es zwei neue Wegepaten       Die Einschränkungen durch die Coro-
    in der Hohen Schrecke. Die beiden ehren-    navirus-Pandemie haben auch den Ter-
    amtlichen Helfer werden regelmäßig be-      minplan in der Hohen Schrecke tüchtig
    stimmte Wanderwege im Waldgebiet der        durcheinandergewirbelt. Die Hängeseil-
    Hohen Schrecke ablaufen und nach mög-       brücke wurde zwischen April und Mitte
    lichen Schäden oder bestehen Waldge-        Mai für den Besucherverkehr gesperrt
    fahren schauen. Zu den Aufgaben, die die    und alle Naturführungen bis in den Mai
    Wegepaten übernehmen, gehört auch die       hinein abgesagt. Gestrichen wurden auch
    regelmäßige Kontrolle der Rastplätze und    die Bauernmärkte in Braunsroda und die
    Wegweiser. Mit ihrem freiwilligen Enga-     geplante Spenderreise des BUND. Auch
    gement unterstützen die Wegepaten den       der Hohe-Schrecke-Erlebnistag fand
    Wegewart der Hohen Schrecke. Sie infor-     nicht statt. Dafür soll es aber im Herbst
    mieren den Wegewart über Schäden und        wie geplant einen weiteren Holzmarkt in
    Gefahren.                                   Heldrungen geben. Der Hohe-Schrecke-
                                                Verein hofft, dass sich die Lage im Laufe
                                                des Monats Juni wieder normalisiert –           Mai/Juni
                                                und der „Urlaub vor der Haustür“ viel-          Werbefilme für Weidewonne
                                                leicht noch mehr Menschen motiviert,            Schafe sorgen dafür, dass Wiesen und
                                                die Hohe Schrecke zu besuchen.                  Weiden nicht verbuschen. Um die Schä-
                                                                                                fer bei ihrer zum Erhalt der Kulturland-
                                                Neue Ansprechpartnerin                          schaft wichtigen Arbeit zu stützen, soll
                                                für den Tourismus                               eine Kampagne noch mehr Kunden
                                                Seit dem 1. April dieses Jahres ist Grit        von Schafprodukten und Weidewonne-
                                                Böttger die neue Tourismusmanagerin             Lammfleisch überzeugen. Dafür wur-
                                                der Stadt Roßleben-Wiehe mit Sitz im            den im Mai und Juni rund um die Hohe
                                                Stadtpark Wiehe. Da ihr Arbeitsbeginn           Schrecke mehrere Werbefilme gedreht.
                                                von der Corona-Krise überschattet wurde,        Im Sommer sollen sie veröffentlicht wer-
                                                nutzte sie die ersten Wochen um sich            den. Die damit beauftragte Filmproduk-
                                                mit der Region und den hiesigen Akteu-          tionsfirma Werkblende hat vor einigen
                                                ren vertraut zu machen. Dafür bekam sie         Jahren bereits zwei eindrucksvolle Kurz-
                                                zwei Wochen das Elektroauto der Natur-          filme über die Hohe Schrecke gedreht.
                                                stiftung David zur Verfügung und wurde          www.region.hoheschrecke.de/

                                                                                                                                           Foto: Schaefer Landesverband Thüringer Schafzüchter (1); Patrick Weisheit/Thüringer Allgemeine (1); Stefanie Schröter (1)
                                                so zugleich Testern und Botschafterin für       lage/imagefilm
                                                Elektromobilität in der ländlichen Re-
                                                gion. Mit ihrer Vollzeitstelle tritt die stu-
                                                dierte Tourismus- und Eventmanagerin
    Weidewonne-Lamm jetzt online                die Nachfolge von Karin Jordanland an,            Ausblick
    Mit der Marke Weidewonne unterstützt        die diese Funktion viele Jahre lang nur
    das Thüringer Umweltministerium Schä-       stundenweise ausfüllen konnte. Zugleich           Sommer
    fereibetriebe bei der Vermarktung ihrer     wird Grit Böttger auch die Bibliothek in          ThüringenForst unterstützt
    Produkte und somit bei der Landschafts-     Wiehe betreuen.                                   Hohe Schrecke
    pflege. Bisher war hochwertiges Lamm-                                                         Zur Verbesserung der Qualität des
    fleisch mit dem Weidewonne-Siegel nur                                                         Wiegental-Wildnisweges wird Thü-
    über ausgewählte Verkaufsstellen zu be-                                                       ringenForst den Sandweg oberhalb
    ziehen. Durch ein Projekt der Naturstif-                                                      vom „Haus am Berg“ im Sommer sa-
    tung David kann seit dem 1. März das                                                          nieren. Der Wanderweg verläuft hier
    Lammfleisch aus heimischer Produktion                                                         auf einen alten Hohlweg. Kommt es
    auch online erworben werden. Über die                                                         zu anhaltendem Regen, schwemmen
    Weidewonne-Internetseite können drei                                                          die Abläufe mit Sand zu. Da das Re-
    Paketgrößen mit verschiedenen Fleisch-                                                        genwasser nur noch schlecht ablaufen
    teilen bestellt werden. Die Lieferung er-                                                     kann, bilden sich große schlammige
    folgt in einer Kühlbox frei Haus. Der                                                         Pfützen und der Weg ist nur noch
    Onlinevertrieb des Weidewonne-Lamm-                                                           schlecht begehbar. Damit das Wasser
    fleisches wird über das EU-kofinanzierte                                                      an dieser Stelle zukünftig ungehin-
    Naturschutzprogramm „Entwicklung Na-                                                          dert abfließen kann, soll ein Graben
    tur und Landschaft“ des Freistaates Thü-                                                      gezogen werden. Bis August 2020 soll
    ringen sowie durch die Stiftung Natur-                                                        die Maßnahme abgeschlossen sein.
    schutz Thüringen gefördert.
    www.weidewonne.de/lammpakete-kaufen

16 Hohe Schrecke Journal | Nr. 20
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