Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
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Impressum © 2020, NABU Holzminden Naturschutzbund Deutschland (NABU) Kreisgruppe Holzminden e.V. Oberbachstraße 47, 37603 Holzminden Telefon: (05531) 700 432 E-Mail: info@NABU-Holzminden.de Internet: www.NABU-Holzminden.de Spendenkonto: Braunschweigische Landessparkasse BIC: NOLA DE 2HXXX IBAN: DE13 2505 0000 0027 6400 10 Spenden sind steuerlich absetzbar. Gestaltung Stefanie Beyer, Bodenwerder Aus sprachlichen Gründen wird auf die Differenzierung von weiblicher und männlicher Schreibweise weitgehend ver- zichtet. Druck Auflage: 1.600 Gemeindebriefdruckerei, Groß Oesingen Bezug Den Rundbrief erhalten Sie im NABU-Umweltladen, Oberbachstraße 47, 37603 Holzminden. Titelfoto Seidenbiene auf Rainfarn (S. Beyer)
Liebe Leserinnen und Leser, im Rundbrief berichten wir wieder von aktuellen Themen aus dem Bereich Naturschutz. Einige Beispiele seien hier genannt: Bei der Natur des Jahres stellen wir Ihnen dieses Mal ab Seite 10 den Schwarzblauen Ölkäfer vor – ein Tier, das sehr gut verdeutlicht, dass die Natur ein komplexes System ist, bei dem das Verschwinden einer Art viele weitere Folgen nach sich ziehen kann. Dies ist nur einer der Gründe, warum sich der NABU im Rahmen des Volksbegehrens Artenvielfalt für blühende Feldsäume, Heckenstruk- turen und weitere Maßnahmen zum Artenschutz einsetzt. Wie Sie uns dabei unterstützen können, lesen Sie ab Seite 32. Die trockene Witterung in den letzten Jahren hat – wie Sie sicherlich schon wissen – auch dem Wald große Probleme bereitet. Daher wird aktuell heiß diskutiert, welche Baumarten dem Klimawandel auf Dauer trotzen können. Vor diesem Hintergrund wurde die Robinie als Baum des Jahres gekürt. Wie ab Seite 13 berichtet, wird allerdings kontrovers über diese Baumart diskutiert, da sie nicht nur Vorteile, sondern auch ökologische Probleme mit sich bringt. Gute Nachrichten von der Naturschutzjugend (NAJU): Nachdem aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen und fehlender Betreuungs- personen eine Zeit lang keine Treffen mehr stattfanden (wir berichteten im Rundbrief 2018), hat sich mittlerweile ein neues Betreuer-Team zusammen gefunden. Im Mai 2019 wurde die NAJU-Gruppe wieder neu gegründet und trifft sich seitdem regelmäßig. Mehr zu diesem Thema erfahren sie auf Seite 43. Weitere Themen, die Sie hier erwarten, sind u.a. ein aktueller Bericht zum Hooptal (Seite 23), die ehemalige Trafostation in Kirchbrak (Seite 28), eine Fotoauswahl der Naturfoto-AG (Seite 34) sowie eine geplante Exkursion nach Nordhessen (Seite 40). Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen! Stefanie Beyer 1
Inhalt Die Turteltaube – Vogel des Jahres 2020 ...................................................3 Die Zauneidechse – Reptil des Jahres 2020 ...............................................5 Die Speer-Azurjungfer – Libelle des Jahres 2020 ......................................8 Der Schwarzblaue Ölkäfer – Insekt des Jahres 2020 ..............................10 Die Robinie – Baum des Jahres 2020 .......................................................13 Der Borstgrasrasen – Pf lanzengesellschaft des Jahres 2020 ..................20 Feuersalamander in Not – Sperrung der K 71 im Hooptal ....................23 Vortragsankündigung: Der Feuersalamander in Gefahr ........................25 Erdkröte & Co. brauchen Ihre Unterstützung ........................................27 Ehemalige Trafostation in Kirchbrak ......................................................28 Schwalben willkommen im Landkreis Holzminden ..............................30 Volksbegehren Artenvielfalt. Jetzt! ..........................................................32 Natur beobachten und fotografieren ......................................................34 Renaturierte Eder und Nationalpark Kellerwald – Exkursionen nach Nordhessen ...............................................................40 Die NAJU ist wieder da! ............................................................................43 Neues aus dem NABU-Umweltladen ........................................................46 Ehrungen ...................................................................................................49 Kurz notiert ...............................................................................................52 Einladung zur Mitgliederversammlung ..................................................54 Kassenbericht für das Jahr 2019 ..............................................................55 Ansprechpersonen bei speziellen Fragen ................................................56 NABU Holzminden – Vorstand und Beirat ..............................................59 Beitrittsformular .......................................................................................60 2
Die Turteltaube – Vogel des Jahres 2020 In Europa sind die Bestands- derzeit nur noch 3.500 Brutpaare zahlen der Turteltaube in den landesweit, das entspricht der letzten Jahrzehnten dramatisch Kategorie 3 = gefährdet (Stand zurückgegangen. Deutschland hat 2015). Betrachtet man nur das seit 1980 fast 90 Prozent seiner niedersächsische Bergland und Bestände verloren. Die kleine die Börden, ergibt sich allerdings Taube benötigt kleinstrukturierte die Kategorie 2 = stark gefährdet, Landschaften mit einem hohen in der sie auch auf der bundes- Anteil an Saumstrukturen, da weiten Roten Liste eingestuft sie sich fast ausschließlich vegan wurde. Daher hat der Niedersäch- von Wildkräuter- und Baum- sische Landesbetrieb für Wasser- samen ernährt. Der Verlust von wirtschaft, Küsten- und Natur- Feldrainen, Brachen, Hecken und schutz (NLWKN) die Turteltaube Auwäldern sowie die Intensivie- in die Liste der Brutvogelarten mit rung der Landwirtschaft haben höchster Priorität für Erhaltungs- dazu geführt, dass die Turteltaube und Entwicklungsmaßnahmen auch auf der globalen Roten Liste aufgenommen. steht. Trotzdem darf sie in zehn europäischen Ländern weiterhin Genaue Bestandszahlen für den bejagt werden. Der NABU hat eine Landkreis Holzminden gibt es Petition dagegen gestartet, die auf nicht. Im vergangenen Jahr www.NABU.de online unterzeich- wurden bei der Internetplattform net werden kann. Hier finden sich auch ausführliche Informationen zum Vogel des Jahres. Eine Bro- schüre über die Turteltaube sowie Unterschriftenlisten für den Jagd- stopp gibt es auch im UmWelt- laden in Holzminden. In Niedersachsen hatte die Turtel- taube ursprünglich ein nahezu geschlossenes Verbreitungsgebiet, nur in den höheren Lagen des Harzes kam sie nicht vor. Mitt- lerweile gibt es laut Roter Liste der gefährdeten Brutvogelarten Foto: Turteltaube auf der Insel Murter, Kroatien in Niedersachsen und Bremen (T. Frischgesell) 3
ornitho.de zwischen dem 21. April Mehr Strukturvielfalt in der Land- und dem 20. Juli landkreisweit 13 schaft, bessere Vernetzung von Beobachtungen von Turteltauben Biotopen, naturnähere Wälder gemeldet – 12 Einzelvögel und und vieles mehr möchte der NABU ein Paar. An verschiedenen Stel- mithilfe des Volksbegehrens len im Solling, bei Fürstenberg, Artenvielfalt. Jetzt! in das nieder- Lauenförde, auf der Ottensteiner sächsische Naturschutzgesetz Hochebene und in den Holz- aufnehmen lassen. Auch die bergwiesen bei Stadtoldendorf Turteltaube würde davon sehr kann man mit Geduld und etwas profitieren. Glück den markanten Gesang hören oder den Vogel des Jahres Autorin: Tanja Frischgesell sogar zu Gesicht bekommen. Wir bitten um Meldungen der Art bei ornitho.de oder per E-Mail an info@NABU-Holzminden.de. BIO $ 5&'7#& )&&$("$,- $( %& $( !7+ "+)4 %.&$(+$,# (,*+7# )3+ 3 #+ 3 #+ / ++ $- ( 0$+ $)5&,- ( .( 7,, ., + "$)(.(&& + &-2. $( + (!)+'-$)(,/ +(,-&-.(" ( +.( .' ,# ' 5& $ - (0$+$()!!2 (!7++.** ((/ + $(+ ($ 2. $( ( +'$('$-.(, 5&'7#& )&&$("'861- +,# -+4 8 )!!2 (8 8) &'. #& ,)&&$(" 4
Die Zauneidechse im Landkreis Holzminden – smaragdgrüner Drache mit niedersächsischem Höhenrekord Smaragdgrün sind natürlich nur die Männchen im Prachtkleid, die Weibchen sind auf den ersten Blick eher unscheinbar. Ihre Schönheit liegt im Detail verbor- gen. Sie verschmelzen optisch mit ihrer Umgebung und das ist auch besser so. Denn sie sind ein lecke- rer Happen für alles, was größer ist als sie selbst und Fleisch mag, angefangen bei der Schlingnatter über Turmfalken und Wildkatzen bis hin zu Dachs und Fuchs. Foto: Weibliche Zauneidechse (S. Beyer) Eine wunderbare und umfang- Sonnenstand von Osten nach reiche Beschreibung der Zaun- Westen folgen und so ihre Nach- eidechse als Reptil des Jahres, kommen bei gutem Wetter immer ihrer Lebensweise und ihrer Be- optimal wärmen. Deswegen kann deutung für den Naturschutz mit sie sich sogar am Nordkap noch vielen sehr guten Fotos hat die fortpf lanzen. Die Zauneidechse Biologin Ina Blanke erstellt. Die aber erreicht in Skandinavien nur Broschüre ist kostenlos hier her- etwa die Höhe von Stockholm. unter zu laden: Denn ihre Eier werden im Boden https://www.dght.de/files/web/tier_ „ausgebrütet“. Deswegen ist sie des_jahres/2020/Zauneidechsen_ viel mehr auf Wärme angewiesen. Broschüre_Web.pdf Sie vergräbt ihre Eier an besonn- ten Stellen, selten auch dort, wo Was für unsere Region wichtig ist – sich Eigenwärme entwickelt, z.B. Sonne, Säume, Schlupfwinkel im Kompost oder in dichten Ge- Um das Leben der Zauneidechse treibselhaufen an Flüssen. Aber zu verstehen, müssen wir wissen, auch für sich selbst braucht sie dass sie nicht lebendgebärend ist Sonne, um auf Betriebstemperatur wie ihre kleine Kusine, die Wald- zu kommen und erfolgreich Klein- eidechse. Die Waldeidechse ist für tiere wie Fliegen, Spinnen und ihre Nachkommen ja sozusagen Insekten zu jagen – und um f link ein mobiler Solarkollektor und f liehen zu können. Solche Stellen „Brutschrank“, sie kann dem müssen deshalb auch gute Ver- 5
wenigen Einzelfunden (http://www. feldherpetologie.de/atlas/maps.php). Im östlichen Flachland dagegen ist die kleine Schwester der Smaragd- eidechse auf Sandböden, die sich schnell erwärmen oder in trocken- warmen Randbereichen degene- rierter Moore etwas häufiger, ihre Bestände sind aber auch dort stark rückläufig. Schutz und Konflikte Die Lebensräume der Zaunei- Foto: Männliche Zauneidechse (S. Beyer) dechse schwinden dahin, auch sie steckmöglichkeiten bieten, direkt ist vom allgemeinen Artensterben neben den „Sonnenbänken“, da- betroffen. Als Art des Anhangs IV mit die Zauneidechse nicht selbst der europäischen FFH-Richtlinie gefressen wird. ist sie zwar streng geschützt. Ein Schutz, der auf dem Papier Diese Kombination ist im Land- steht, reicht aber nicht aus, um kreis Holzminden nicht häufig: Landschaftsveränderungen, die Gelegentlich an der Weser in sie ausrotten, aufzuhalten. So Ufernähe, an Kiesgruben oder lange nicht genügend Geld zur am Fuße von Flussklippen, zum Verfügung gestellt wird, um ihre anderen am Rand von Trocken- Lebensräume zu erhalten, wird rasen oder dort, wo einzelne sich das weitere Siechtum dieser Sträucher oder Hochstauden Art nicht stoppen lassen – und auf Trockenrasen wachsen. Am sie repräsentiert viele andere Rand eines geschützten, nach mit ähnlichen Bedürfnissen. Im Süden geneigten Trockenrasens Landkreis Holzminden tragen die lebt deshalb auch die höchst ge- Pf legearbeiten des NABU und an- legene Zauneidechsenpopulation derer Naturschutzverbände und Niedersachsens: Am Holzberg auf die Aktivitäten der Naturschutz- ca. 380 m Höhe. Im Landkreis behörde in Zusammenarbeit mit kann die Zauneidechse noch an Landwirten und dem Projekt- mehreren Stellen angetroffen büro Naturschutz des Naturparks werden, in anderen Teilen des Solling-Vogler zum Erhalt solcher niedersächsischen Hügellands ist Landschaftsjuwele bei. sie sehr selten und östlich unse- res Landkreises klafft eine riesige Im Nachbarkreis Höxter in NRW Verbreitungslücke mit ganz wird trotz umfangreicher Vor- 6
sorgemaßnahmen im Zuge der So verschwinden immer mehr Umgehungsstraßenplanung von Lebensräume dieser Art. In der Naturschützern befürchtet, dass Presse werden Arten wie die sehr viele Zauneidechsen für den Zauneidechse oft als Verhinderer Straßenbau sterben müssen und unseres Fortschritts dargestellt, dass die Ersatzmaßnahmen diese doch de facto sind niemals wir Verluste nicht wirklich ausglei- die Opfer, sondern immer sie. Sie chen. Die Meinungsverschieden- können sich nicht wehren und wir heiten dauern an, Klagen sind Naturschutzverbände haben als nicht auszuschließen. Anwälte der Natur oft sehr wenig Einf luss. Im Landkreis Holzminden wird die an der Steinmühle lebende Zumindest können wir aber bei Zauneidechsenpopulation vermut- Pf legemaßnahmen helfen! lich den Maßnahmen zur Hang- befestigung zum Opfer fallen. Autor: Karsten Dörfer Alternative Verkehrsführungen in angemessener Bauzeit wurden hier von den entscheidenden Stellen nicht für möglich gehalten (vgl. https://niedersaechsischer- heimatbund.de, Rote Mappe 2019, S. 15 und Antwort in der „Weißen Mappe“, S. 10). 7
Der Solling als Refugium einer gefährdeten Libelle Die Speer-Azurjungfer ist eine unscheinbarer gefärbt und oft dieser zarten, blauschwarz ge- schwer von anderen Arten unter- musterten „Nadeln“, die vom scheidbar. Es gibt viele Arten aus Frühsommer an oft in großer Zahl dieser Verwandtschaft bei uns. Die in elfenhaft anmutendem Flug Speer-Azurjungfer gehört zu den über Teiche und durch die Vegeta- seltenen und ist in Niedersachsen tion der Ufer schweben: Die Azur- „gefährdet“ (Rote Liste 3). Zu er- jungfern. Ihr Name beschreibt kennen ist das Männchen an der die Färbung der Männchen. Mit Rückenzeichnung der vorderen fast waagerechtem, meist leicht Segmente. Wer sich mit der Be- schräg gestelltem Körper können stimmung beschäftigen möchte, sie langsam oder schnell f liegen findet sehr gute Bücher hierzu im oder sogar in der Luft stehen wie NABU-Umweltladen. kleine Hubschrauber. Mit langen, dünnen Beinen fangen sie kleinere Die Libelle des Jahres 2020 gehört Insekten. Schwarz mit auffälligem zu den wenigen Kleinlibellen, Blau sind vor allem die Männ- die bis weit über den Polarkreis chen, die Weibchen sind meist vorkommen. In Skandinavien ist sie häufig. Ihre Larve lebt in nähr- stoffarmen, oft sauren Gewässern. Im niedersächsischen Tief land gibt es viele solcher Weiher und Teiche in den Sandgebieten der Heide, wo die Speer-Azurjungfer noch ziemlich verbreitet ist. Im nordwestlichen Niedersachsen da- gegen weist sie auch an scheinbar „passenden“ Gewässern große Ver- breitungslücken auf „und ist dort in jüngster Zeit dramatisch zu- rückgegangen“ (Kathrin Baumann 2014 in https://www.ag-libellen-nds-hb.de/ libellen/artensteckbriefe/ coenagrion-hastulatum-speer- azurjungfer/). Im Bergland kon- Foto: Weibchen der Speer-Azurjungfer zentriert sich ihr Vorkommen auf (Michael Post / GdO) den Harz, den Solling und den 8
Kaufunger Wald. Nur aus diesen Gebieten gibt es neuere Nachweise der „Libelle des Jahres 2020“. Die Speer-Azurjungfer zeigt starke Rückgangstendenzen (http:// www.libellula.org/libelle-des- jahres-2020-speer-azurjungfer/). Gefährdungsursachen sind Nährstoffanreicherungen in ihren Gewässern und – in den letzten Foto: Männchen der Speer-Azurjungfer (Michael Post / GdO) Jahrzehnten rapide zunehmend – die Austrocknung ihrer Lebens- Wer bei Spaziergängen an den räume. 2005 wurden bei einer Sollinggewässern Libellen beob- Untersuchung des Autors im achtet und eine Kamera oder ein nordöstlichen Solling in mehr als gutes Fotohandy dabei hat, kann 10 Gewässern Speer-Azurjungfern deshalb helfen, die Kenntnisse zu festgestellt, teilweise in Massen. verbessern. Die Speer-Azurjungfer All diese untersuchten Gewässer schlüpft im Solling meist ab Mitte wurden einst künstlich angelegt, Mai. Fotos bitte an den Autor oder als „Biotopteiche“. Das Beispiel an den NABU Holzminden. des Sollings zeigt, wie wichtig sol- che von Menschenhand geschaf- Autor: Karsten Dörfer fenen „Sekundärlebensräume“ für das Überleben von gefährdeten Arten sein können. Die aktuelle Situation im Solling ist leider nicht bekannt. 9
Der Schwarzblaue Ölkäfer – Bienen, Glücksspiel, Sex, Mord und Leichenfresser Das Insekt des Jahres 2020, der riskanten Lotteriespiel einen Schwarzblaue Ölkäfer, führt ein Hauptgewinn zu ziehen: Das nack- spannendes und riskantes Leben te Überleben. Die aus den Eiern mit überraschenden Bezügen zur schlüpfenden winzigen gelben menschlichen Kulturgeschichte. Larven krabbeln in eine Blüte oder täuschen in dichten Klumpen an Sein Lebenszyklus ist kompliziert: der Spitze eines Halmes Pollen- Der erwachsene Käfer schlüpft träger vor. Wenn sie Glück haben, im April bis Mai aus der Puppe setzt sich dort ein Insekt hin. Je und frisst in seinen nur etwa mehr Blüten in der Umgebung vier Lebenswochen Pf lanzen. Der vorhanden sind, desto größer Hinterleib des Weibchens schwillt ist die Wahrscheinlichkeit, dass durch die reifenden Eier derartig, Insekten angelockt werden – und dass seine Körpersegmente aus- je blütenärmer, desto geringer. einander geschoben werden wie Aber die Larven müssen noch viel die Rohre eines antiken Teleskops. mehr Glück haben. Sie hängen So wirkt der Käfer fast wurmartig, sich mit spezialisierten Krallen daher auch der Name Maiwurm. sofort an jedes „Lufttaxi“, das dort Das Weibchen legt bis zu 40.000 landet. In vielen Fällen wird es Eier bei vier bis sechs Eiablagen. eine Fliege sein, vielleicht auch Was als Verschwendung erscheint, ein Käfer, eine Hummel oder sehr ist der Versuch, in einem höchst häufig eine Honigbiene: Das alles bedeutet den sicheren Tod. Nur „solitäre“, also nicht staaten- bildende Wildbienen, und hier- von nur diejenigen, die im Boden nisten, erlauben der Larve, weiter zu leben. Die Käferlarve lässt sich von der Wildbiene fallen, sobald diese eine Brutröhre aufsucht. Aber nur dann, wenn die Käfer- larve auf das Bienenei fällt, über- lebt sie, indem sie das Ei frisst. Da- nach häutet sie sich zu einer völlig Foto: Ein typischer Ölkäfer, wahrsch. der „Schwarze anders aussehenden, maden- Ölkäfer“ – Ölkäfer sind nach Foto nicht immer sicher artigen Larve, die nun von dem bestimmbar (S. Beyer) Pollen-Honig-Gemisch lebt, das für 10
die Bienenlarve gedacht war. Nach mehreren Wachstumshäutungen hat sie den Vorrat verbraucht und wandert aus in den Erdboden, wo sie sich zu einer Scheinpuppe (ein- malig bei Käfern!) häutet. Diese überwintert ohne Nahrungsauf- nahme, und macht im Frühjahr eine Metamorphose zur Puppe durch, aus der dann schließlich der Käfer schlüpft. Foto: Ölkäfer-Pärchen (S. Beyer) Der Schwarzblaue Ölkäfer braucht Westfalen gibt es keine Rote Liste also, um nicht auszusterben, viele der Ölkäfer. Blüten und viele bodennistende „Solitärbienen“. Und außerdem Nur einmal fand ich diese Art im geeignete Fraßpf lanzen für den Landkreis Holzminden: Auf einer Käfer. Und nun wird es noch Wiese bei Heyen. komplizierter: Viele der mög- lichen Wirtsbienen benötigen Der Schwarzblaue Ölkäfer ist ein ganz bestimmte Blühpf lanzen Musterbeispiel für die komplizier- für ihre Brut und zusätzlich noch ten Abhängigkeiten der Organis- sehr günstige mikroklimatische men untereinander. Aber es wird Bedingungen. Und ein solches noch komplexer: warmes Mikroklima braucht auch der Käfer selbst. Blütenreiche Bio- Warum heißt der Ölkäfer Ölkäfer? tope mit den passenden Arten und Eine Reise in die Geschichte und zu- für die Neströhre geeigneten Bö- rück in die Gegenwart den sind in den letzten Jahrzehn- Wenn er gereizt wird, sondert er ten rapide dahin geschwunden. ölige Tropfen ab. Diese enthalten Landwirtschaftliche Blühstreifen das hochwirksame Gift Canthari- sind schön, geben dies aber in din, das lebenswichtige Enzyme der Regel nicht her. Wen kann es blockieren kann. Damit wären dann wundern, dass die Bestände wir bei Sex und Mord. Die ver- des nach Bundesnaturschutz- schiedensten Wirkungen dieses gesetz „besonders geschützten“ Giftes fanden schon im antiken Schwarzblauen Ölkäfers in un- Ägypten, im alten Griechenland, serem Nachbarland Thüringen in Rom und im Mittelalter Ver- als „vom Aussterben bedroht“ wendung. Die Ägypter wollten eingeschätzt werden? Für Nieder- damit Wehen einleiten, bei den sachsen, Hessen und Nordrhein- Griechen wurde es – neben dem 11
Schierling – zur Vollstreckung anderen Werbespot denken? Wie von Todesurteilen verwendet, die gut, dass wir Menschen als Ver- Römer nutzten es als Aphrodisi- nunftwesen über solchen animali- akum, besonders bei Erektions- schen Ref lexen stehen… störungen, im Mittelalter war es angeblich beliebt für Giftmorde. Aber jetzt sind wir wieder bei der In manchen Quellen findet sich Komplexität der Biodiversität. Da die Behauptung, der römische gibt es also auch Lebewesen, die Feldherr und Genießer Lucullus wiederum von Ölkäfern abhängig habe es als Potenzmittel verwen- sind, diese von Wildbienen, diese det und sei an einer Überdosis wiederum von den Blüten und verstorben – zu reiner „Stoff“ als vom Mikroklima, dies beides von Todesursache, das klingt modern, der Beschaffenheit des Bodens oder? und so weiter – und in Wirklich- keit ist alles noch viel komplizier- Eigentlich schützt das Canthari- ter. Und wir pfuschen ständig in din die Ölkäfer davor, gefressen diesem Beziehungsgefüge herum, zu werden. Manche Fressfeinde glauben, wir hätten alles im Griff schließen aber ihre Stoffwechsel- und drehen die Abwärtsspirale tore vor diesem Gift und lagern mit steigender Rasanz. es einfach ihrerseits in unschäd- lichen eigenen Depots ein, so dass Was tun? sie selbst ungenießbar werden. Wir können mithelfen, die Angeblich sollen napoleonische Diversität zu erhalten, auf vielen Soldaten in Ägypten nach dem Ebenen. Zum Beispiel, indem wir Genuss von käferfressenden Frö- bei Pf legeeinsätzen des NABU schen schwere Cantharidinver- helfen. Oder indem wir uns giftungen erlitten haben. Auch manches bewusst machen, durch einige Insektengruppen nehmen genaueres Hinschauen, z.B. wenn gern Cantharidin zu sich. Das wir in der Naturfoto-AG mit- geht so weit, dass die Männchen machen. Wer Fotos von Ölkäfern mancher Käferarten gezielt nach hat, kann sie übrigens auch gern Ölkäferleichen suchen, um das für einen Bestimmungsversuch an dort enthaltene Cantharidin auf- den Autor schicken. zunehmen und sich selbst damit „einzudieseln“. Und dann? Dann Autor: Karsten Dörfer sind die am extremsten parfü- mierten Kerle plötzlich so attrak- tiv für ihre Weibchen, dass sie „jede kriegen können“. Müssen wir da nicht an den einen oder 12
Die Robinie – Hoffnungsträgerin im Klimawandel oder selbst ökologische Katastrophe? Kann die Robinie die Wälder am Und was bedeutet „mehr Offen- Burgberg und an den Heinsener heit“? Die entscheidende Frage Klippen retten? fehlt: Sind solche so genannten „Chancen“ überhaupt wünschens- Das Kuratorium „Baum des Jahres“ wert, wenn man die Konsequen- wählte die Robinie zum Baum des zen bedenkt? Wünschen wir uns Jahres 2020. „Die Robinie polari- wirklich eine „Kulturlandschaft“, siert: Hoffnung im klimabedingten in der auf großen Flächen Robi- Waldumbau – andererseits invasive nien-Waldwüsten dominieren, Baumart, die Naturkleinode be- so wie heute schon in Teilen der droht.“ – so die Pressemitteilung1. brandenburgischen Sandland- Und die „Baumkönigin 2020“ wird schaften9 oder in weiten Teilen mit den Worten zitiert: „Die Robinie Ungarns? Und, allgemeingültiger ist keine leichte Kandidatin für einen formuliert: Dürfen wir Arten, die Jahresbaum und meine Aufgabe als naturschutzfachlich wertvolle Botschafterin der Baum des Jahres Lebensräume und die dort hei- Stiftung ist es, die Öffentlichkeit mischen Arten nachhaltig aus- über die Chancen und Risiken zur rotten4, gezielt anbauen, nur weil Robinie zu informieren. Ich wünsche sie mit Klimaänderungen besser mir von den Fachleuten der grünen fertig werden? Branche mehr Offenheit bei der Diskussion um diese Baumart. Die Die Robinie Robinie ist Teil unserer Kulturland- Aber zurück: Um der Robinie ge- schaft – wir Menschen haben sie recht zu werden und um unsere dazu gemacht.“2 Antworten auf eine solide Basis zu stellen, müssen wir zunächst Den Teufel mit dem Beelzebub aus- mehr über die Art wissen. Sehr treiben: Klimawandel als Vorwand umfangreiche Informationen für aktive Biodiversitätsvernich- hierzu sind auf den „Baum tung? des Jahres“-Internetseiten zu Diese Zitate an sich scheinen finden3, aber auch in verschie- zunächst harmlos. Aber die denen Fachartikeln des Portals Formulierungen „Hoffnung im „www.waldwissen.net“5,6,7,8,9. klimabedingten Waldumbau“ und „ist Teil unserer Kulturlandschaft“ Ohne Konkurrenz: Die extrem können schon als Plädoyer für schnellwüchsige Robinie ist in diese Art verstanden werden. ihrer nordamerikanischen Heimat 13
ein kurzlebiger, beschattungs- Krummer Wuchs? Die meisten empfindlicher Pionierbaum, der Robinien in deutschen Beständen dort nach einigen Jahren von sind stark verzweigt und haben anderen Arten beschattet wird einen krummen Wuchs. Es gibt und dann abstirbt. In Europa feh- aber Herkünfte, die relativ gerade len diese Konkurrenten, Robinien- nach oben wachsen, deren Holz wälder sind ausdauernd. Ver- deshalb also marktfähiger ist. Zur suche, sie durch Kahlschläge zu Marktfähigkeit des Stammholzes entfernen, scheitern daran, dass trägt auch bei, wenn die unteren die Wurzeln dann frische Sprosse Äste frühzeitig entnommen bilden, oft in großer Anzahl werden. („Wurzelbrut“). Nur intensives Ringeln hilft, und auch dies nur, Befestigung von Hängen – auch wenn es sachkundig durchgeführt im Landkreis Holzminden: Das wird.5,11 Wurzelwerk eignet sich gut zur Befestigung rutschender Hänge. Hartes Holz: Robinienholz ist sehr Im Landkreis Holzminden wurden hart und extrem widerstands- zum Beispiel Robinien zusammen fähig. Keine einheimische Baum- mit Goldregen am instabilen Hang art hat derartig langlebiges Holz. des Eckbergs bei Bodenwerder ge- pf lanzt, um ihn zu festigen. „Klimatauglichkeit“: Die Robinie reagiert sehr schnell und gut angepasst auf Trockenheit und überlebt deshalb auf trockenen Standorten oder in Trockenheits- perioden besser als die meisten einheimischen Baumarten. Bienenweide? Ja, sie bringt eine Fülle von Schmetterlingsblüten mit reicher Nektarproduktion hervor, die von Honigbienen sehr gut genutzt werden können („Akazienhonig“). Eine Unter- suchung per Drohne bilanzierte 5,3 Millionen Blüten je Hektar mit 87 kg Nektar und 70 kg Honig.12 Seltene und gefährdete Wild- Foto: Robinie bienen dagegen haben nicht nur (A. Roloff/www.baum-des-jahres.de) 14
nichts davon. Sie werden bei inva- und reichert den Standort so sehr sivem Vordringen der Robinie auf mit Stickstoffverbindungen an, Trockenrasen sogar ausgerottet: dass er sich völlig verändert und Dort, wo zuvor reicher Blütenf lor praktisch nicht mehr renaturiert einer Fülle unterschiedlicher, oft werden kann. Deswegen und spezialisierter Wildbienen-Arten wegen ihrer Trockenheitsresistenz Nektar, Pollen und Lebensraum gedeiht sie auch auf trockenen, für Brutzellen boten, entsteht eine f lachgründigen Grenzertragsbö- monotone Insektenwüste. Dies gilt den. Auf diesen Standorten zer- auch für viele andere Insekten- stört sie Hotspots der Biodiversität gruppen, so z.B. für Tag- und (verschiedene Typen von Trocken- Nachtfalter. rasen und Magerrasen) so gut wie irreversibel. Die Robinie hat also eine ganze Reihe von Eigenschaften, die Die Robinie – Bedeutung für den sie aus ökonomischer Sicht im Naturschutz im Klimawandel Zusammenhang mit dem Klima- Wir sehen auf der einen Seite: wandel auf den ersten Blick Die Robinie ist ein Baum, der mit interessant erscheinen lässt. Aber Dürrejahren gut zurechtkommt sie hat auch viele „dunkle Seiten“, und der, die entsprechende gene- einige hiervon werden oben schon tische Auswahl und forstliche erwähnt. Pf lege vorausgesetzt, als Holz- lieferant im Klimawandel relativ Biodiversität? – Aggressiv und zuverlässig, also wirtschaftlich endgültig: Als Leguminose lebt attraktiv sein kann. Auch als die Robinie in Symbiose mit Stadtbaum könnte die Robinie Knöllchenbakterien (Rhizobien), vielen anderen in Zukunft über- die den sonst unbrauchbaren Luft- legen sein. stickstoff (N2) verfügbar machen: Sie wandeln ihn in Ammoniak Vernichtung einer ganzen Lebens- (NH3) bzw. Ammonium (NH4+) um, gemeinschaft: Als Forstbaum der sofort in die Aminosäuren nimmt aber jeder einzelne Stamm, Glutamin und Glutaminsäure der die Stelle eines einheimischen „eingebaut“ wird. Weil sie sich Baumes einnimmt, hunderten auf diese Weise selbst düngt, ist von Insektenarten, anderen Klein- sie auch auf sehr stickstoffarmen tieren, Vögeln oder Pilzen den Böden, z.B. Kalktrockenrasen Lebensraum, ohne im Ausgleich oder reinem Sand extrem konkur- anderen einen Ersatz zu bieten. renzkräftig. Sie überwuchert die dort vorhandene, ohnehin höchst gefährdete Magerrasenvegetation 15
Für die einen Hoffnung im klima- bedingten Waldumbau, für die an- deren eine invasive Baumart, die Naturkleinode bedroht.“3, dann ist es offenbar wichtig, diese Gegen- sätze zu hinterfragen und in einer Synthese zusammenzuführen – in einer Synthese, die aber auch zur Entscheidung gegen diese Art füh- ren kann: Eine dominante Rolle der Robinie beim klimabedingten Waldumbau hätte in jedem Fall negative Folgen für die Umwelt. Foto: Robinien-Blüten (A. Hoppe) Standortzerstörung: Auf mageren Wir sind keine Holzproduzenten, Böden wie Trockenrasen gilt das sondern Naturschützer. Unsere Gleiche, wiegt aber dort noch Aufgabe ist deshalb nicht, solche schwerer, weil die dortigen Arten- Folgen mit „mehr Offenheit“ gemeinschaften durchweg ge- hinzunehmen, so lange sie ver- fährdet oder teilweise auch vom meidbar sind. Wir dürfen unsere Aussterben bedroht sind. Hinzu Tür nicht für jene öffnen, die in kommt, dass es auch eine ganze Unkenntnis der ökologischen Reihe einheimischer Arten gibt, Zusammenhänge und Folgen nur die Klimaextreme besser ertragen die Absicht haben, ihren Fuß dort als die Fichte oder in manchen hineinzustellen, um einseitige Lagen auch als die Buche (z.B. Ziele durchzusetzen, welche die Traubeneiche, Spitzahorn, Feld- ökologische und ökonomische ahorn, Hainbuche, Winterlinde, Nachhaltigkeit missachten. Hängebirke, Kirsche)10. Kann die Robinie also wirklich eine Natur hat keine wirtschaftlich „Hoffnung im klimabedingten potente Lobby. Auch juristisch Waldumbau“3 sein, wenn ihr An- ist ihr Schutz nicht ausreichend bau derartig negative Folgen hat, abgesichert. Sie ist de facto das und wenn es doch Alternativen schwächste Glied in unserem gibt? „politischen Lebensraumgefüge“, der vorhandene Schutz ist auf- Der Baum des Jahres im gesell- grund der vorwiegend wirtschaft- schaftlichen Kontext lich orientierten Interessenlage außerdem einer fortwährenden Wenn es auf der Seite des Kura- Erosion ausgesetzt. In diesem toriums Baum des Jahres also Zusammenhang müssen auch heißt: „Die Robinie polarisiert: 16
einseitig orientierte Schein- sein, die ihre Existenz mensch- lösungen für Probleme, die durch lichem Wirken verdanken (wie den Klimawandel entstehen, im- z.B. Trockenrasen). Das bedeu- mer wieder kritisch hinterfragt tet aber nicht gleichzeitig, dass werden: Sind sie naturschutz- jede menschliche Aktivität die fachlich verantwortbar? Sind sie Biodiversität fördert und damit überhaupt ökonomisch nach- naturschutzwürdig ist, wie der haltig, besonders im Vergleich mit Satz „Die Robinie ist Teil unserer möglichen Alternativen? Kulturlandschaft – wir Menschen haben sie dazu gemacht.2“ nahe Der Erhalt der Biodiversität heimi- zu legen scheint. Unserem An- scher Lebensgemeinschaften mit liegen, Biodiversität, Geotope all ihren Arten ist das, was wir und Landschaftsbild zu schützen, mit dem Begriff „Naturschutz“ liegt die Übereinkunft zugrunde, im Großen und Ganzen anstreben dass diese einen Eigenwert be- (zusammen mit dem Schutz von sitzen, der ökonomischen Werten Geotopen, des Landschaftsbildes gleichberechtigt gegenüberstehen usw.). Selbstverständlich können sollte, auch wenn er nicht in bare das auch Lebensgemeinschaften Münze konvertierbar ist. Für Oberbachstraße 26/28 in Holzminden Mo. – Do. 9 – 13:30 Uhr und 15 – 18 Uhr Fr. 9 – 18 Uhr Sa. 9 – 13 Uhr Christiane Grote Telefon: 05531/10 936 Fax: 05531/990 203 E-Mail: korn-und-kram@t-online.de 17
gen zu brechen und auszuhebeln, verunsicherte Förster, die dies eigentlich so nicht möchten, fühlen sich machtlos und allein gelassen. Der Klimawandel wird zum Totschlagargument für an- geblich alternativlose Pf lanzun- gen naturschutzfachlich schäd- licher Baumarten und gegen vielfältige, lebendige Wälder. Das dürfen wir als Naturschützer nicht hinnehmen. Foto: geringelter Robinienstamm (A. Hoppe) Es gibt Alternativen!10,13,14 diesen Eigenwert setzen wir uns Und es gibt gut ausgebildete ein. Und wenn wir dies tun, dann Forstleute, die diese Alternativen zwar kompromissbereit, aber kon- auch zu vertreten wissen wie sequent. Sönke Hoffmann in „Naturschutz heute“, Herbst 2019: „Mit Doug- Die Robinie als Musterbeispiel – der lasien, Götterbaum oder Küsten- Klimawandel als Vorwand und Tür- tanne retten wir kein Ökosystem, öffner für einen Waldbau ohne jede wir schaden ihm nur.“15 ökologische Verantwortung? Es ist ein Verdienst des Kura- Für Burgberg, Heinsener Klippen toriums „Baum des Jahres“, die und Co bedeutet dies: Alternativen Robinie mit ihren zwei Seiten zu nicht heimischen Bäumen zur Diskussion gestellt zu haben. suchen! Nicht überrumpeln lassen Denn sie ist exemplarisch für viele durch schnelle Lösungsvorschläge, als Allheilmittel gehandelte Baum- die aus einer gewissen Panik her- arten, und die Diskussion um aus entstehen! ihren Einsatz hilft, einen gesell- schaftlichen Konf likt manchmal Autor: Karsten Dörfer gegensätzlicher Paradigmen und Wertvorstellungen zu verdeut- Quellen lichen. Von rein ökonomisch 1 https://www.baum-des-jahres.de/ orientierten Gruppen in der Poli- fileadmin/user_upload/ tik wird der Klimawandel vor- Aktuelles_Leserbriefe/2020/PM_ geschoben und als Brechstange BDJ2020_Robinie.pdf genutzt, um Widerstände gegen 2 https://www.baum-des-jahres.de/ ökologisch schädliche Pf lanzun- robinie/baumkoenigin/ 18
3 https://www.baum-des-jahres.de/ 10 https://cms.waldwissen.net/ robinie/ (mit Folgeseiten!) waldwirtschaft/schaden/ 4 https://neobiota.bfn.de/ trockenheit/wsl_ handbuch/gefaesspf lanzen/ baumartenwahl_trockenheit/ robinia-pseudoacacia.html index_DE 5 https://www.waldwissen.net/ 11 http://www.wald-prinz.de/ waldwirtschaft/waldbau/wsl_ die-robinie-schnellwachsend- robinie/index_DE tolles-holz-aber-mit-vorsicht-zu- geniessen/5297#Neophyt 6 https://www.waldwissen.net/ waldwirtschaft/schaden/invasive/ 12 http://www.mdpi.com/2072-4292 wsl_invasive_neophyten/index_ /9/11/1091/pdf DE 13 https://www.nabu.de/imperia/ 7 https://www.waldwissen.net/ md/content/nabude/ Q waldwirtschaft/waldbau/wuh_ wald/190829-nabu-wald-12- Q robinie/index_DE punkte-diskussionspapier_2.pdf Q https://www.nabu.de/natur- 14 8 https://www.waldwissen.net/ Q wald/baeume_waldpf lanzen/ und-landschaft/waelder/ Q laub/bfw-robinie/index_DE waldbewirtschaftung/ Q 27147.html 9 https://cms.waldwissen.net/wald/ Q baeume_waldpf lanzen/ 15 Hofmann, Sönke: Aus Forsten wieder Wälder machen. Q oekologie/lfe_robinie_ trockenstress/index_DE/ Naturschutz heute. Herbst 2019. printerfriendly S. 32-33 ben. nen. r l e b e n . Fühlen. . Staunen Na tu r e Familien spaß in d e b r e S i ü O d t h t eide Gifh Co. er, Nerz & . orn 90mm x 45mm 19
Der Borstgrasrasen – Pflanzengesellscha• des Jahres 2020 Die „Floristisch-soziologische denen Gesellschaften eine weite Arbeitsgemeinschaft e.V.“ – die Amplitude von mäßig trocken bis deutschsprachige Vereinigung nass. f loristisch und pf lanzensozio- logisch interessierter Fachleute Zumindest die Borstgrasrasen und Liebhaber – ruft seit 2019 außerhalb der Moore sind poten- die „Pf lanzengesellschaft des ziell natürliche Waldstandorte, Jahres“ aus, um nicht nur Einzel- sie sind entstanden durch die arten, sondern auch die Vielfalt Nutzung durch den Menschen der Lebensgemeinschaften in und seine Tiere, durch Rodung den Fokus zu rücken und deren und Waldweide. Genutzt wurden Schutz, Erhaltung und Entwick- Borstgrasrasen ohne Düngung lung zu fördern. durch eine extensive Beweidung mit geringer Viehdichte oder aber Nachdem im vergangenen Jahr durch einschürige Mahd, die in die Glatthaferwiese gekürt den Mittelgebirgen aufgrund des wurde, wurden für dieses Jahr hohen Winterfutterbedarfs oft die die Borstgrasrasen ausgewählt. Es vorherrschende Nutzungsform handelt sich dabei um Pf lanzen- war. gemeinschaften nährstoffarmer Standorte, die in Mitteleuropa Größere Vorkommen gibt es noch zumindest außerhalb der Alpen in den Mittelgebirgen außer- meist stark gefährdet und regio- halb der Kalkgebiete, wie z.B. nal sogar unmittelbar vom Aus- in der Rhön, im Erzgebirge, im sterben bedroht sind. Die Verluste Schwarzwald und im Harz. Im sowohl von Flächen als auch an Norddeutschen Tief land exis- Arten der Borstgrasrasen sind tieren noch Vorkommen in den sehr hoch. Was alle Standorte der Sandlandschaften der Lüneburger Borstgrasrasen verbindet, sind Heide, im Emsland und Ostfries- ihre Prägung durch sauer verwit- land. Im Solling sind sie noch in ternde Ausgangsgesteine, die im wenigen Wiesentälern zu finden, Landkreis Holzminden vor allem vor allem im Hellental und um über Buntsandstein im Solling Silberborn sowie kleinf lächig am und im Vogler vorliegen, sowie Bützeberg im Vogler. ihre Anpassung an extreme Nähr- stoffarmut. Hinsichtlich der not- Die kleinf lächigen Borstgras- wendigen Feuchtigkeit besitzen rasen sind meist als Teil eines Borstgrasrasen mit ihren verschie- Vegetationsmosaiks mit mageren 20
Bergwiesen, montanen Feucht- wiesen und Kleinseggenrieden vergesellschaftet, die gemeinsam besonders wertvolle Vegetations- komplexe bilden und gerade auch für den Insektenschutz von hoher Bedeutung sind, da sie durch ihre Habitatvielfalt die unterschied- lichen Ansprüche verschiedener Arten erfüllen. Für Borstgrasrasen charakteris- tisch ist eine Fülle typischer und z.T. stark gefährdeter Pf lanzen- Foto: Arnika auf der NABU-eigenen Fläche im Hülsebruch arten, wie z.B. Arnika, Blutwurz, (A. Hoppe) Bleiche Segge und Färberginster, in feuchten Ausbildungen auch spezialisierter Arten bis hin zur der Halbschmarotzer Wald-Läuse- Umwandlung in Wirtschafts- kraut. grünland. Auch luftbürtige Stick- stoffeinträge führen zum Verlust Fast überall ist ein starker der konkurrenzschwachen Arten. Flächenrückgang zu verzeich- nen, meist verbunden mit einer Eine Erhaltung der Borstgrasrasen f loristischen und faunistischen kann nur durch eine intensive Verarmung. Ursachen sind sowohl Zusammenarbeit von Flächen- Veränderungen in Struktur und eigentümern und -nutzern, Natur- Artenzusammensetzung durch schutzbehörden und -verbänden Nutzungsaufgabe, die zu einer gelingen und bedarf eines inte- Dominanz hochwüchsiger Arten grierten Konzeptes von strengem wie dem Adlerfarn führt, bis es Schutz und angepasster Nutzung schließlich zu einer Verbuschung durch Beweidung und/oder Mahd, und Wiederbewaldung kommt. damit ein Biomasse-Entzug mög- In der Vergangenheit spielten lich ist. Unter bestimmten Um- auch Aufforstungen eine nega- ständen können auch verschwun- tive Rolle. Eine Intensivierung der dene Arten wieder angesiedelt Landwirtschaft durch Düngung werden, wie es mit der Arnika im mit stärkerer Beweidung oder Solling durch die Zusammenarbeit mehrfacher Mahd, führt zunächst der niedersächsischen Landes- ebenfalls zu Änderungen in der forsten, der UNB des Landkreises Artenzusammensetzung mit Holzminden, der Hochschule OWL dem anfänglichen Verschwinden in Höxter, dem Naturpark Solling- 21
Vogler und dem NABU Holz- Terminhinweis: minden erfolgreich gelingt. Dabei Am 04. Juni werden die Borst- ist jedoch auf eine sorgfältige Aus- wahl der Standorte, autochthones grasrasen und weitere Besonder- Diasporenmaterial sowie eine heiten des Hellentals bei einer nachhaltige Nutzung und Pf lege ca. dreistündigen Wanderung zu achten, ohne den Schutz der vorgestellt. Nähere Informatio- vorhandenen Borstgrasrasen zu nen dazu in den Veranstaltungs- gefährden. programmen vom NABU Holz- Autor: Dr. Ansgar Hoppe, minden und dem Naturpark Naturpark Solling-Vogler Solling-Vogler (www.naturpark-solling-vogler.de). Wir schaffen Wohlfühlgärten für Menschen und Tiere BÜRO FÜR FREIRAUMPLANUNG Dipl.-Ing. Birgit Czyppull 0 55 31 / 98 030 51 · www.czyppull.de 22
Feuersalamander in Not – Warum wir aus natur- schutzfachlicher Sicht eine Sperrung der K 71 im Hooptal fordern Das Hooptal zwischen Stadt- über umgehend zur Nahrungs- oldendorf und Negenborn ist ein suche genutzt. Auch für die Fort- besonderer Naturraum mit vielen bewegung, die Partnersuche und seltenen Tier- und Pf lanzenarten Fortpf lanzung nutzen Salamander mit Schutzstatus. Uhu, Eisvogel, häufig leicht zugängliche und Feuersalamander, Geburtshelfer- übersichtliche Bereiche, die sie ge- kröten und Schlingnattern sind rade im Hooptal auf den Straßen einige der dort lebenden und im und Wegen finden. besonderen Maße zu schützenden Arten. Gerade für Amphibien Die Feuersalamanderpopulation ist das einst durch Sandstein- im Hooptal ist nach Einschätzung abbruch geformte Gebiet ein von Experten eines der größten idealer Lebensraum mit optimalen Vorkommen in Norddeutschland. Lebensbedingungen. Passende Die Bestände sind in hohem Maße Temperaturen, hohe Boden- und gefährdet. Zum einen gefähr- Luftfeuchtigkeit und ein großes den trockene Sommer die Tiere, Angebot an Höhlen sind dabei die die dann nicht genug Nahrung Hauptfaktoren. Im Gegensatz zu finden. Die Extremwetterereig- Erdkröten und etlichen anderen nisse nehmen seit Jahren stark zu Amphibienarten, suchen Feuer- und eine Verschlechterung ist in salamander nicht innerhalb einer den kommenden Jahren wegen kurzen zeitlichen Periode die des Klimawandels anzunehmen. Laichgewässer auf, sondern nut- Zum anderen bedroht der Pilz zen die Straßen und Wege wäh- rend der ganzen Saison, die sich bei Feuersalamandern nach der Umgebungstemperatur richtet. So sind die Tiere bis auf wenige Wochen im Winter (bei Tempe- raturen unter dem Gefrierpunkt) ganzjährig aktiv und im Hooptal anzutreffen. Ihr Aktivitätsmodus richtet sich dabei weniger nach der Tageszeit, sondern nach der optimalen Feuchtigkeit. Gerade nach längeren Trockenphasen Foto: Demo-Teilnehmer betrachten einen Feuersalamander wird eine Regenphase auch tags- (J. Bommer) 23
Am 03.Oktober 2019 haben wir zusammen mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Demonstration unter dem Motto „Tag der Einheit – mit der Natur“ veranstaltet. Insgesamt 80 Teilnehmer*innen haben dabei unsere Forderung und den Antrag der GRÜNEN unterstützt. Mittlerweile hat der Landkreis eine ganzjährige nächtliche Sperrung von 18.00 bis 8.00 Uhr beschlossen. Diese soll Foto: Demo im Hooptal (T. Maiwald) über automatische Schranken- Batrachochytrium salamandrivorans anlagen durchgesetzt werden. (Bsal) die Tiere, der bereits in Wer den gesamten Text aufmerk- Westdeutschland kleinere Popula- sam gelesen hat, weiß, dass diese tionen komplett ausgelöscht hat. nächtliche Sperrung als Schutz Damit die relativ große Population nicht ausreichend ist. Zumal diese Gefahren langfristig über- gerade im Frühjahr und Herbst dauern kann, muss alles unter- – zu den Hauptaktivitätszeiten nommen werden, jedes einzelne der Feuersalamander – die Sperr- Individuum zu schützen. zeiten sich nicht einmal mit den „Nachtzeiten“ decken und vor/ Bisherige Schutzversuche durch nach der Sperrung die Tiere einige zeitweise Sperrung der K71 sind Stunden ungeschützt im Dunkeln erfolglos geblieben. Seit Jahren unterwegs sein müssen. Von den gilt in den Monaten März bis Mai am Tag aktiven Tieren ganz zu ein Nachtfahrverbot, welches schweigen. Es werden somit leider jedoch ignoriert wird. Auch das auch weiterhin viele totgefahrene extrem aufwändige abendliche Salamander für die stark gefähr- Aufstellen (und morgendliche dete Population zu verkraften sein Beseitigen) von Absperrbaken müssen. im Jahr 2019 konnte nicht ver- hindern, dass einige Verkehrs- Autor: Torsten Maiwald teilnehmer die Straße trotzdem befuhren. Aufgrund dessen und wegen der bereits genannten ganzjährigen und ganztägigen Aktivität der Tiere, sind viele tot- gefahrene Tiere zu beklagen, die langfristig zu einem allmählichen Rückgang der Population führen. 24
Der Feuersalamander in Gefahr: wie Lebensraum- veränderungen und Krankheiten die Art gefährden Vortrag bei der Jahreshauptver- Siedlungs- und Straßenbau sowie sammlung am 20. März 2020 Bachbegradigungen führen dazu, dass der Lebensraum des Feuer- Der Feuersalamander ist eine salamanders sukzessive schwin- in Deutschland weit verbreitete det. Zusätzlich breitet sich der Amphibienart, die durch ihre Erreger der tödlichen Salamander- schwarz-gelbe Färbung große Sym- pest in Deutschland aus – der pathien hervorruft. Auch wenn eingeschleppte Hautpilz „Bsal“. der Feuersalamander bundesweit Die Bedrohungssituation, aktuelle als derzeit noch ungefährdet gilt, Forschungsergebnisse und was wir ist er doch wie alle einheimischen tun können, um dem besonderen Amphibien besonders geschützt Solling-Salamander zu helfen, sind und zählt zu den Arten, für deren Themen des Vortrags. Erhaltung Deutschland internatio- nal eine besondere Verantwortung Die Vortragende Kathleen Preißler hat. Anthropogene Umweltver- hat an der Universität Halle- änderungen, wie Waldrodung, Wittenberg Biologie (M. Sc.) stu- Foto: Kathleen Preißler mit Feuersalamander (Bina Perl) 25
diert und arbeitet als Stipendiatin Der NABU Holzminden lädt der Deutschen Bundesstiftung Mitglieder und Interessierte am Umwelt (DBU) momentan an ihrer 20.03.2020 um 19:30 Uhr ins Promotion an der Universität Hotel „Kiekenstein“ in Stahle zum Leipzig. Bereits während ihrer Vortrag ein. Masterarbeit hat sie sich ausgiebig den Feuersalamandern gewidmet Im Anschluss an den Vortrag und erforscht aktuell die geneti- findet die Jahreshauptversamm- schen Grundlagen zur Entwick- lung statt. lung eines Zuchtprogramms zum Erhalt der genetischen Vielfalt die- Autoren: Kathleen Preißler, ser Art. Im vergangenen Jahr war Torsten Maiwald sie im NDR-Fernsehen in der Reihe NaturNah in der Folge „Die Retter der Salamander“ als Expertin zu sehen. 26
Erdkröte & Co. brauchen Ihre Unterstützung Alljährlich machen sich im Früh- jahr Scharen von Erdkröten, Fröschen und anderen Amphibien auf den beschwerlichen Weg zu ihren Laichgewässern. Die wohl größte Gefahr auf diesem Weg stellt der Straßenverkehr dar. Die Tiere werden nicht nur über- fahren, auch der Unterdruck schon bei geringem Tempo führt zum Tod der Amphibien. Im Landkreis Holzminden werden daher 10 Hauptwanderstrecken mittels Amphibienschutzzäunen Foto: Übersicht Amphibien-Sammelstrecken gesichert (siehe grüne Punkte in der Karte). Diese Schutzmaß- Wenn Sie in der Nähe einer dieser nahmen können jedoch nur Strecken wohnen und als Helfer aufrecht erhalten werden, wenn tätig werden wollen, melden Sie eine ausreichende Betreuung ge- sich bitte direkt beim währleistet ist und die Amphibien jeden Tag auf die andere Straßen- Landkreis Holzminden seite getragen werden. Hier wer- – Untere Naturschutzbehörde – den daher immer weitere helfende Bürgermeister-Schrader-Straße 24, Hände gesucht. 37603 Holzminden naturschutz@landkreis-holzminden.de Weitere vier Strecken werden Tel. (05531) 707-177 während der Amphibien- wanderung (nachts) gesperrt. Autorin: Stefanie Beyer Auch diese Strecken müssen betreut werden. Der orange Punkt in der Karte markiert eine Sperrstrecke bei Hohenbüchen, deren Betreuung 2020 noch nicht gesichert ist. Hier wird daher be- sonders dringend Unterstützung benötigt. Foto: Kreuzkröte (S. Beyer) 27
Ehemalige Trafostation in Kirchbrak als „Tierhotel“ 1994 erfuhr der NABU Holzmin- Folgende Maßnahmen wurden den davon, dass das Elektrizitäts- durchgeführt: werk Wesertal GmbH die Frei- Ÿ Schaffung von Einf lug- leitungsumspannstelle Kirchbrak- öffnungen in das Gebäude „Bahnhof“ nicht mehr benötigte Ÿ Einbau von Zwischendecken und der Abriss der Turmstation und Verkleidung des dadurch geplant war. Andere Gruppen hat- entstandenen Dachbodens mit ten mit der Übernahme solcher Holz als Sommerquartier für Trafostationen und deren Umbau Fledermäuse für Artenschutzzwecke bereits positive Erfahrungen gemacht. Ÿ separater Bereich im Dach- Nach einigen Verhandlungen boden als Brutraum für unterzeichnete der NABU 1995 Schleiereulen einen langjährigen Pachtvertrag Ÿ Anbringung von mehreren mit dem Landkreis, auf dessen Fledermauskästen aus Holz Grundstück das Gebäude steht. und Kunstnestern für Mehl- Die eingesparten Abrisskosten schwalben an der Außenfassade stellte das Energieunternehmen Ÿ Optimierung eines Schachtes zur Renovierung der Außenfas- als frostfreies Winterquartier sade zur Verfügung. Den Aus- und für Amphibien im Inneren Umbau zum „Tierhotel“ leisteten Ÿ Pf lanzung von Efeu und Wil- mehrere Mitglieder ehrenamtlich dem Wein zur Fassadenbe- in vielen Arbeitsstunden. grünung Ÿ Anbringung eines Schaukastens zur Information der Öffentlich- keit Den Dachboden nutzen Fleder- mäuse als Sommerquartier, die Kästen an der Außenfassade werden teilweise genutzt. Der ursprünglich für Schleiereulen ge- dachte Brutraum wurde mehrfach von Waldkäuzen bewohnt. Die Kletterpf lanzen mussten jährlich stark zurückgeschnitten werden, Foto: Trafostation Kirchbrak (T. Frischgesell) da sie sonst schnell die Nisthilfen 28
und Einf lugöffnungen über- wuchern. Die Trafostation wurde in den 1930er Jahren gebaut, das Dach besteht aus Sandstein- platten. Einige davon waren in den letzten Jahren abgängig und mussten wieder befestigt bzw. ersetzt werden. Die Holzkästen wurden teilweise morsch und da- mit ungeeignet für Fledermäuse. Foto: Die „Bienensteine“ wurden von verschiedenen Um die Trafostation als Quartier Wildbienen gleich angenommen. (T. Frischgesell) für verschiedene Tierarten zu er- halten und zu optimieren, wurde Stelzen sowie fünf Nistkästen für daher 2017 ein Förderantrag beim Trauerschnäpper und Meisen an. Land Niedersachsen gestellt, das Sämtliche Kästen sind aus lang- Geld aus dem Europäischen Fonds lebigem Holzbeton. Als Ersatz für für regionale Entwicklung (EFRE) die entfernten Kletterpf lanzen und dem Haushalt des Umwelt- und als Nahrung für Insekten ministeriums für ein Programm (insbesondere Nachtfalter, die zur Förderung der biologischen wiederum Fledermäusen als Nah- Vielfalt in Dörfern und Städten rung dienen) wurde Waldgeißblatt zur Verfügung stellte. Der Antrag gepf lanzt. Es rankt nur an den wurde bewilligt und so konnten eigens dafür angebrachten Gittern 2018 die starkwüchsigen Kletter- und wird die Nistkästen nicht pf lanzen vom Gebäude entfernt überwuchern. Für Wildbienen und das Dach repariert werden. und Solitärwespen wurden außer- Die ursprünglich geplante kom- dem vier Nisthilfen aus Ton mit plette Erneuerung des Daches aus unterschiedlich großen Löchern Buntsandstein war nach Begutach- angebracht. Die Nisthilfen wurden tung durch die ausführende Dach- nach Anbringung teilweise sofort deckerfirma nicht notwendig, angenommen. dadurch reduzierten sich die Kos- ten erheblich. Nachdem auch die Selber aktiv werden: Für die jähr- Fassade ausgebessert und frisch liche Reinigung der Nisthilfen so- gestrichen war, brachten NABU- wie den bodennahen Rückschnitt Aktive elf Fledermauskästen von Efeu und Wildem Wein, die verschiedener Größe, zehn Nist- die Wände wieder erobern wol- kästen für Stare, zehn Nischen- len, suchen wir Unterstützung – brüterhöhlen für Sperlinge, Haus- möglichst von jemandem vor Ort. rotschwänze, Grauschnäpper und Autorin: Tanja Frischgesell 29
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