Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur

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Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Rundbrief 2020
NABU Holzminden

GEMEINSAM
  Für Mensch und Natur
Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Impressum

© 2020, NABU Holzminden

Naturschutzbund Deutschland (NABU)
Kreisgruppe Holzminden e.V.
Oberbachstraße 47, 37603 Holzminden
Telefon: (05531) 700 432
E-Mail: info@NABU-Holzminden.de
Internet: www.NABU-Holzminden.de

Spendenkonto:
Braunschweigische Landessparkasse
BIC: NOLA DE 2HXXX
IBAN: DE13 2505 0000 0027 6400 10

Spenden sind steuerlich absetzbar.

Gestaltung
Stefanie Beyer, Bodenwerder

Aus sprachlichen Gründen wird auf die Differenzierung von
weiblicher und männlicher Schreibweise weitgehend ver-
zichtet.

Druck
Auflage: 1.600
Gemeindebriefdruckerei, Groß Oesingen

Bezug
Den Rundbrief erhalten Sie im NABU-Umweltladen,
Oberbachstraße 47, 37603 Holzminden.

Titelfoto
Seidenbiene auf Rainfarn (S. Beyer)
Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Liebe Leserinnen und Leser,

im Rundbrief berichten wir wieder von aktuellen Themen aus dem
Bereich Naturschutz. Einige Beispiele seien hier genannt:

Bei der Natur des Jahres stellen wir Ihnen dieses Mal ab Seite 10 den
Schwarzblauen Ölkäfer vor – ein Tier, das sehr gut verdeutlicht, dass die
Natur ein komplexes System ist, bei dem das Verschwinden einer Art
viele weitere Folgen nach sich ziehen kann.

Dies ist nur einer der Gründe, warum sich der NABU im Rahmen des
Volksbegehrens Artenvielfalt für blühende Feldsäume, Heckenstruk-
turen und weitere Maßnahmen zum Artenschutz einsetzt. Wie Sie uns
dabei unterstützen können, lesen Sie ab Seite 32.

Die trockene Witterung in den letzten Jahren hat – wie Sie sicherlich
schon wissen – auch dem Wald große Probleme bereitet. Daher wird
aktuell heiß diskutiert, welche Baumarten dem Klimawandel auf Dauer
trotzen können. Vor diesem Hintergrund wurde die Robinie als Baum
des Jahres gekürt. Wie ab Seite 13 berichtet, wird allerdings kontrovers
über diese Baumart diskutiert, da sie nicht nur Vorteile, sondern auch
ökologische Probleme mit sich bringt.

Gute Nachrichten von der Naturschutzjugend (NAJU): Nachdem
aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen und fehlender Betreuungs-
personen eine Zeit lang keine Treffen mehr stattfanden (wir berichteten
im Rundbrief 2018), hat sich mittlerweile ein neues Betreuer-Team
zusammen gefunden. Im Mai 2019 wurde die NAJU-Gruppe wieder neu
gegründet und trifft sich seitdem regelmäßig. Mehr zu diesem Thema
erfahren sie auf Seite 43.

Weitere Themen, die Sie hier erwarten, sind u.a. ein aktueller Bericht
zum Hooptal (Seite 23), die ehemalige Trafostation in Kirchbrak
(Seite 28), eine Fotoauswahl der Naturfoto-AG (Seite 34) sowie eine
geplante Exkursion nach Nordhessen (Seite 40).

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Stefanie Beyer

                                                                            1
Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Inhalt

    Die Turteltaube – Vogel des Jahres 2020 ...................................................3
    Die Zauneidechse – Reptil des Jahres 2020 ...............................................5
    Die Speer-Azurjungfer – Libelle des Jahres 2020 ......................................8
    Der Schwarzblaue Ölkäfer – Insekt des Jahres 2020 ..............................10
    Die Robinie – Baum des Jahres 2020 .......................................................13
    Der Borstgrasrasen – Pf lanzengesellschaft des Jahres 2020 ..................20
    Feuersalamander in Not – Sperrung der K 71 im Hooptal ....................23
    Vortragsankündigung: Der Feuersalamander in Gefahr ........................25
    Erdkröte & Co. brauchen Ihre Unterstützung ........................................27
    Ehemalige Trafostation in Kirchbrak ......................................................28
    Schwalben willkommen im Landkreis Holzminden ..............................30
    Volksbegehren Artenvielfalt. Jetzt! ..........................................................32
    Natur beobachten und fotografieren ......................................................34
    Renaturierte Eder und Nationalpark Kellerwald –
    Exkursionen nach Nordhessen ...............................................................40
    Die NAJU ist wieder da! ............................................................................43
    Neues aus dem NABU-Umweltladen ........................................................46
    Ehrungen ...................................................................................................49
    Kurz notiert ...............................................................................................52
    Einladung zur Mitgliederversammlung ..................................................54
    Kassenbericht für das Jahr 2019 ..............................................................55
    Ansprechpersonen bei speziellen Fragen ................................................56
    NABU Holzminden – Vorstand und Beirat ..............................................59
    Beitrittsformular .......................................................................................60

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Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Die Turteltaube – Vogel des Jahres 2020

In Europa sind die Bestands-          derzeit nur noch 3.500 Brutpaare
zahlen der Turteltaube in den         landesweit, das entspricht der
letzten Jahrzehnten dramatisch        Kategorie 3 = gefährdet (Stand
zurückgegangen. Deutschland hat       2015). Betrachtet man nur das
seit 1980 fast 90 Prozent seiner      niedersächsische Bergland und
Bestände verloren. Die kleine         die Börden, ergibt sich allerdings
Taube benötigt kleinstrukturierte     die Kategorie 2 = stark gefährdet,
Landschaften mit einem hohen          in der sie auch auf der bundes-
Anteil an Saumstrukturen, da          weiten Roten Liste eingestuft
sie sich fast ausschließlich vegan    wurde. Daher hat der Niedersäch-
von Wildkräuter- und Baum-            sische Landesbetrieb für Wasser-
samen ernährt. Der Verlust von        wirtschaft, Küsten- und Natur-
Feldrainen, Brachen, Hecken und       schutz (NLWKN) die Turteltaube
Auwäldern sowie die Intensivie-       in die Liste der Brutvogelarten mit
rung der Landwirtschaft haben         höchster Priorität für Erhaltungs-
dazu geführt, dass die Turteltaube    und Entwicklungsmaßnahmen
auch auf der globalen Roten Liste     aufgenommen.
steht. Trotzdem darf sie in zehn
europäischen Ländern weiterhin        Genaue Bestandszahlen für den
bejagt werden. Der NABU hat eine      Landkreis Holzminden gibt es
Petition dagegen gestartet, die auf   nicht. Im vergangenen Jahr
www.NABU.de online unterzeich-        wurden bei der Internetplattform
net werden kann. Hier finden sich
auch ausführliche Informationen
zum Vogel des Jahres. Eine Bro-
schüre über die Turteltaube sowie
Unterschriftenlisten für den Jagd-
stopp gibt es auch im UmWelt-
laden in Holzminden.

In Niedersachsen hatte die Turtel-
taube ursprünglich ein nahezu
geschlossenes Verbreitungsgebiet,
nur in den höheren Lagen des
Harzes kam sie nicht vor. Mitt-
lerweile gibt es laut Roter Liste
der gefährdeten Brutvogelarten        Foto: Turteltaube auf der Insel Murter, Kroatien
in Niedersachsen und Bremen           (T. Frischgesell)

                                                                                         3
Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
ornitho.de zwischen dem 21. April                       Mehr Strukturvielfalt in der Land-
              und dem 20. Juli landkreisweit 13                       schaft, bessere Vernetzung von
              Beobachtungen von Turteltauben                          Biotopen, naturnähere Wälder
              gemeldet – 12 Einzelvögel und                           und vieles mehr möchte der NABU
              ein Paar. An verschiedenen Stel-                        mithilfe des Volksbegehrens
              len im Solling, bei Fürstenberg,                        Artenvielfalt. Jetzt! in das nieder-
              Lauenförde, auf der Ottensteiner                        sächsische Naturschutzgesetz
              Hochebene und in den Holz-                              aufnehmen lassen. Auch die
              bergwiesen bei Stadtoldendorf                           Turteltaube würde davon sehr
              kann man mit Geduld und etwas                           profitieren.
              Glück den markanten Gesang
              hören oder den Vogel des Jahres                         Autorin: Tanja Frischgesell
              sogar zu Gesicht bekommen. Wir
              bitten um Meldungen der Art
              bei ornitho.de oder per E-Mail an
              info@NABU-Holzminden.de.

                                                                                                    
                                                                                              
                                                                                               
                                                                                                         BIO

     
                                           
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Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Die Zauneidechse im Landkreis Holzminden
– smaragdgrüner Drache mit niedersächsischem
Höhenrekord
Smaragdgrün sind natürlich nur
die Männchen im Prachtkleid,
die Weibchen sind auf den ersten
Blick eher unscheinbar. Ihre
Schönheit liegt im Detail verbor-
gen. Sie verschmelzen optisch mit
ihrer Umgebung und das ist auch
besser so. Denn sie sind ein lecke-
rer Happen für alles, was größer
ist als sie selbst und Fleisch mag,
angefangen bei der Schlingnatter
über Turmfalken und Wildkatzen
bis hin zu Dachs und Fuchs.
                                      Foto: Weibliche Zauneidechse (S. Beyer)
Eine wunderbare und umfang-           Sonnenstand von Osten nach
reiche Beschreibung der Zaun-         Westen folgen und so ihre Nach-
eidechse als Reptil des Jahres,       kommen bei gutem Wetter immer
ihrer Lebensweise und ihrer Be-       optimal wärmen. Deswegen kann
deutung für den Naturschutz mit       sie sich sogar am Nordkap noch
vielen sehr guten Fotos hat die       fortpf lanzen. Die Zauneidechse
Biologin Ina Blanke erstellt. Die     aber erreicht in Skandinavien nur
Broschüre ist kostenlos hier her-     etwa die Höhe von Stockholm.
unter zu laden:                       Denn ihre Eier werden im Boden
https://www.dght.de/files/web/tier_   „ausgebrütet“. Deswegen ist sie
des_jahres/2020/Zauneidechsen_        viel mehr auf Wärme angewiesen.
Broschüre_Web.pdf                     Sie vergräbt ihre Eier an besonn-
                                      ten Stellen, selten auch dort, wo
Was für unsere Region wichtig ist –   sich Eigenwärme entwickelt, z.B.
Sonne, Säume, Schlupfwinkel           im Kompost oder in dichten Ge-
Um das Leben der Zauneidechse         treibselhaufen an Flüssen. Aber
zu verstehen, müssen wir wissen,      auch für sich selbst braucht sie
dass sie nicht lebendgebärend ist     Sonne, um auf Betriebstemperatur
wie ihre kleine Kusine, die Wald-     zu kommen und erfolgreich Klein-
eidechse. Die Waldeidechse ist für    tiere wie Fliegen, Spinnen und
ihre Nachkommen ja sozusagen          Insekten zu jagen – und um f link
ein mobiler Solarkollektor und        f liehen zu können. Solche Stellen
„Brutschrank“, sie kann dem           müssen deshalb auch gute Ver-

                                                                                5
Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
wenigen Einzelfunden (http://www.
                                                   feldherpetologie.de/atlas/maps.php).
                                                   Im östlichen Flachland dagegen ist
                                                   die kleine Schwester der Smaragd-
                                                   eidechse auf Sandböden, die sich
                                                   schnell erwärmen oder in trocken-
                                                   warmen Randbereichen degene-
                                                   rierter Moore etwas häufiger, ihre
                                                   Bestände sind aber auch dort stark
                                                   rückläufig.

                                                   Schutz und Konflikte
                                                   Die Lebensräume der Zaunei-
         Foto: Männliche Zauneidechse (S. Beyer)   dechse schwinden dahin, auch sie
    steckmöglichkeiten bieten, direkt              ist vom allgemeinen Artensterben
    neben den „Sonnenbänken“, da-                  betroffen. Als Art des Anhangs IV
    mit die Zauneidechse nicht selbst              der europäischen FFH-Richtlinie
    gefressen wird.                                ist sie zwar streng geschützt.
                                                   Ein Schutz, der auf dem Papier
    Diese Kombination ist im Land-                 steht, reicht aber nicht aus, um
    kreis Holzminden nicht häufig:                 Landschaftsveränderungen, die
    Gelegentlich an der Weser in                   sie ausrotten, aufzuhalten. So
    Ufernähe, an Kiesgruben oder                   lange nicht genügend Geld zur
    am Fuße von Flussklippen, zum                  Verfügung gestellt wird, um ihre
    anderen am Rand von Trocken-                   Lebensräume zu erhalten, wird
    rasen oder dort, wo einzelne                   sich das weitere Siechtum dieser
    Sträucher oder Hochstauden                     Art nicht stoppen lassen – und
    auf Trockenrasen wachsen. Am                   sie repräsentiert viele andere
    Rand eines geschützten, nach                   mit ähnlichen Bedürfnissen. Im
    Süden geneigten Trockenrasens                  Landkreis Holzminden tragen die
    lebt deshalb auch die höchst ge-               Pf legearbeiten des NABU und an-
    legene Zauneidechsenpopulation                 derer Naturschutzverbände und
    Niedersachsens: Am Holzberg auf                die Aktivitäten der Naturschutz-
    ca. 380 m Höhe. Im Landkreis                   behörde in Zusammenarbeit mit
    kann die Zauneidechse noch an                  Landwirten und dem Projekt-
    mehreren Stellen angetroffen                   büro Naturschutz des Naturparks
    werden, in anderen Teilen des                  Solling-Vogler zum Erhalt solcher
    niedersächsischen Hügellands ist               Landschaftsjuwele bei.
    sie sehr selten und östlich unse-
    res Landkreises klafft eine riesige            Im Nachbarkreis Höxter in NRW
    Verbreitungslücke mit ganz                     wird trotz umfangreicher Vor-

6
Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
sorgemaßnahmen im Zuge der           So verschwinden immer mehr
Umgehungsstraßenplanung von          Lebensräume dieser Art. In der
Naturschützern befürchtet, dass      Presse werden Arten wie die
sehr viele Zauneidechsen für den     Zauneidechse oft als Verhinderer
Straßenbau sterben müssen und        unseres Fortschritts dargestellt,
dass die Ersatzmaßnahmen diese       doch de facto sind niemals wir
Verluste nicht wirklich ausglei-     die Opfer, sondern immer sie. Sie
chen. Die Meinungsverschieden-       können sich nicht wehren und wir
heiten dauern an, Klagen sind        Naturschutzverbände haben als
nicht auszuschließen.                Anwälte der Natur oft sehr wenig
                                     Einf luss.
Im Landkreis Holzminden wird
die an der Steinmühle lebende        Zumindest können wir aber bei
Zauneidechsenpopulation vermut-      Pf legemaßnahmen helfen!
lich den Maßnahmen zur Hang-
befestigung zum Opfer fallen.        Autor: Karsten Dörfer
Alternative Verkehrsführungen
in angemessener Bauzeit wurden
hier von den entscheidenden
Stellen nicht für möglich gehalten
(vgl. https://niedersaechsischer-
heimatbund.de, Rote Mappe 2019,
S. 15 und Antwort in der „Weißen
Mappe“, S. 10).

                                                                         7
Rundbrief 2020 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Der Solling als Refugium einer gefährdeten Libelle

    Die Speer-Azurjungfer ist eine               unscheinbarer gefärbt und oft
    dieser zarten, blauschwarz ge-               schwer von anderen Arten unter-
    musterten „Nadeln“, die vom                  scheidbar. Es gibt viele Arten aus
    Frühsommer an oft in großer Zahl             dieser Verwandtschaft bei uns. Die
    in elfenhaft anmutendem Flug                 Speer-Azurjungfer gehört zu den
    über Teiche und durch die Vegeta-            seltenen und ist in Niedersachsen
    tion der Ufer schweben: Die Azur-            „gefährdet“ (Rote Liste 3). Zu er-
    jungfern. Ihr Name beschreibt                kennen ist das Männchen an der
    die Färbung der Männchen. Mit                Rückenzeichnung der vorderen
    fast waagerechtem, meist leicht              Segmente. Wer sich mit der Be-
    schräg gestelltem Körper können              stimmung beschäftigen möchte,
    sie langsam oder schnell f liegen            findet sehr gute Bücher hierzu im
    oder sogar in der Luft stehen wie            NABU-Umweltladen.
    kleine Hubschrauber. Mit langen,
    dünnen Beinen fangen sie kleinere            Die Libelle des Jahres 2020 gehört
    Insekten. Schwarz mit auffälligem            zu den wenigen Kleinlibellen,
    Blau sind vor allem die Männ-                die bis weit über den Polarkreis
    chen, die Weibchen sind meist                vorkommen. In Skandinavien ist
                                                 sie häufig. Ihre Larve lebt in nähr-
                                                 stoffarmen, oft sauren Gewässern.
                                                 Im niedersächsischen Tief land
                                                 gibt es viele solcher Weiher und
                                                 Teiche in den Sandgebieten der
                                                 Heide, wo die Speer-Azurjungfer
                                                 noch ziemlich verbreitet ist. Im
                                                 nordwestlichen Niedersachsen da-
                                                 gegen weist sie auch an scheinbar
                                                 „passenden“ Gewässern große Ver-
                                                 breitungslücken auf „und ist dort
                                                 in jüngster Zeit dramatisch zu-
                                                 rückgegangen“ (Kathrin Baumann
                                                 2014 in
                                                 https://www.ag-libellen-nds-hb.de/
                                                 libellen/artensteckbriefe/
                                                 coenagrion-hastulatum-speer-
                                                 azurjungfer/). Im Bergland kon-
          Foto: Weibchen der Speer-Azurjungfer   zentriert sich ihr Vorkommen auf
                          (Michael Post / GdO)   den Harz, den Solling und den

8
Kaufunger Wald. Nur aus diesen
Gebieten gibt es neuere Nachweise
der „Libelle des Jahres 2020“.

Die Speer-Azurjungfer zeigt starke
Rückgangstendenzen (http://
www.libellula.org/libelle-des-
jahres-2020-speer-azurjungfer/).
Gefährdungsursachen sind
Nährstoffanreicherungen in ihren
Gewässern und – in den letzten         Foto: Männchen der Speer-Azurjungfer (Michael Post / GdO)
Jahrzehnten rapide zunehmend
– die Austrocknung ihrer Lebens-       Wer bei Spaziergängen an den
räume. 2005 wurden bei einer           Sollinggewässern Libellen beob-
Untersuchung des Autors im             achtet und eine Kamera oder ein
nordöstlichen Solling in mehr als      gutes Fotohandy dabei hat, kann
10 Gewässern Speer-Azurjungfern        deshalb helfen, die Kenntnisse zu
festgestellt, teilweise in Massen.     verbessern. Die Speer-Azurjungfer
All diese untersuchten Gewässer        schlüpft im Solling meist ab Mitte
wurden einst künstlich angelegt,       Mai. Fotos bitte an den Autor oder
als „Biotopteiche“. Das Beispiel       an den NABU Holzminden.
des Sollings zeigt, wie wichtig sol-
che von Menschenhand geschaf-          Autor: Karsten Dörfer
fenen „Sekundärlebensräume“ für
das Überleben von gefährdeten
Arten sein können. Die aktuelle
Situation im Solling ist leider
nicht bekannt.

                                                                                              9
Der Schwarzblaue Ölkäfer – Bienen, Glücksspiel, Sex,
         Mord und Leichenfresser
         Das Insekt des Jahres 2020, der                    riskanten Lotteriespiel einen
         Schwarzblaue Ölkäfer, führt ein                    Hauptgewinn zu ziehen: Das nack-
         spannendes und riskantes Leben                     te Überleben. Die aus den Eiern
         mit überraschenden Bezügen zur                     schlüpfenden winzigen gelben
         menschlichen Kulturgeschichte.                     Larven krabbeln in eine Blüte oder
                                                            täuschen in dichten Klumpen an
         Sein Lebenszyklus ist kompliziert:
                                                            der Spitze eines Halmes Pollen-
         Der erwachsene Käfer schlüpft
                                                            träger vor. Wenn sie Glück haben,
         im April bis Mai aus der Puppe
                                                            setzt sich dort ein Insekt hin. Je
         und frisst in seinen nur etwa
                                                            mehr Blüten in der Umgebung
         vier Lebenswochen Pf lanzen. Der
                                                            vorhanden sind, desto größer
         Hinterleib des Weibchens schwillt
                                                            ist die Wahrscheinlichkeit, dass
         durch die reifenden Eier derartig,
                                                            Insekten angelockt werden – und
         dass seine Körpersegmente aus-
                                                            je blütenärmer, desto geringer.
         einander geschoben werden wie
                                                            Aber die Larven müssen noch viel
         die Rohre eines antiken Teleskops.
                                                            mehr Glück haben. Sie hängen
         So wirkt der Käfer fast wurmartig,
                                                            sich mit spezialisierten Krallen
         daher auch der Name Maiwurm.
                                                            sofort an jedes „Lufttaxi“, das dort
         Das Weibchen legt bis zu 40.000
                                                            landet. In vielen Fällen wird es
         Eier bei vier bis sechs Eiablagen.
                                                            eine Fliege sein, vielleicht auch
         Was als Verschwendung erscheint,
                                                            ein Käfer, eine Hummel oder sehr
         ist der Versuch, in einem höchst
                                                            häufig eine Honigbiene: Das alles
                                                            bedeutet den sicheren Tod.

                                                            Nur „solitäre“, also nicht staaten-
                                                            bildende Wildbienen, und hier-
                                                            von nur diejenigen, die im Boden
                                                            nisten, erlauben der Larve, weiter
                                                            zu leben. Die Käferlarve lässt sich
                                                            von der Wildbiene fallen, sobald
                                                            diese eine Brutröhre aufsucht.
                                                            Aber nur dann, wenn die Käfer-
                                                            larve auf das Bienenei fällt, über-
                                                            lebt sie, indem sie das Ei frisst. Da-
                                                            nach häutet sie sich zu einer völlig
      Foto: Ein typischer Ölkäfer, wahrsch. der „Schwarze   anders aussehenden, maden-
     Ölkäfer“ – Ölkäfer sind nach Foto nicht immer sicher   artigen Larve, die nun von dem
                                    bestimmbar (S. Beyer)
                                                            Pollen-Honig-Gemisch lebt, das für

10
die Bienenlarve gedacht war. Nach
mehreren Wachstumshäutungen
hat sie den Vorrat verbraucht und
wandert aus in den Erdboden, wo
sie sich zu einer Scheinpuppe (ein-
malig bei Käfern!) häutet. Diese
überwintert ohne Nahrungsauf-
nahme, und macht im Frühjahr
eine Metamorphose zur Puppe
durch, aus der dann schließlich
der Käfer schlüpft.                   Foto: Ölkäfer-Pärchen (S. Beyer)

Der Schwarzblaue Ölkäfer braucht      Westfalen gibt es keine Rote Liste
also, um nicht auszusterben, viele    der Ölkäfer.
Blüten und viele bodennistende
„Solitärbienen“. Und außerdem         Nur einmal fand ich diese Art im
geeignete Fraßpf lanzen für den       Landkreis Holzminden: Auf einer
Käfer. Und nun wird es noch           Wiese bei Heyen.
komplizierter: Viele der mög-
lichen Wirtsbienen benötigen          Der Schwarzblaue Ölkäfer ist ein
ganz bestimmte Blühpf lanzen          Musterbeispiel für die komplizier-
für ihre Brut und zusätzlich noch     ten Abhängigkeiten der Organis-
sehr günstige mikroklimatische        men untereinander. Aber es wird
Bedingungen. Und ein solches          noch komplexer:
warmes Mikroklima braucht auch
der Käfer selbst. Blütenreiche Bio-   Warum heißt der Ölkäfer Ölkäfer?
tope mit den passenden Arten und      Eine Reise in die Geschichte und zu-
für die Neströhre geeigneten Bö-      rück in die Gegenwart
den sind in den letzten Jahrzehn-     Wenn er gereizt wird, sondert er
ten rapide dahin geschwunden.         ölige Tropfen ab. Diese enthalten
Landwirtschaftliche Blühstreifen      das hochwirksame Gift Canthari-
sind schön, geben dies aber in        din, das lebenswichtige Enzyme
der Regel nicht her. Wen kann es      blockieren kann. Damit wären
dann wundern, dass die Bestände       wir bei Sex und Mord. Die ver-
des nach Bundesnaturschutz-           schiedensten Wirkungen dieses
gesetz „besonders geschützten“        Giftes fanden schon im antiken
Schwarzblauen Ölkäfers in un-         Ägypten, im alten Griechenland,
serem Nachbarland Thüringen           in Rom und im Mittelalter Ver-
als „vom Aussterben bedroht“          wendung. Die Ägypter wollten
eingeschätzt werden? Für Nieder-      damit Wehen einleiten, bei den
sachsen, Hessen und Nordrhein-        Griechen wurde es – neben dem

                                                                             11
Schierling – zur Vollstreckung       anderen Werbespot denken? Wie
     von Todesurteilen verwendet, die     gut, dass wir Menschen als Ver-
     Römer nutzten es als Aphrodisi-      nunftwesen über solchen animali-
     akum, besonders bei Erektions-       schen Ref lexen stehen…
     störungen, im Mittelalter war es
     angeblich beliebt für Giftmorde.     Aber jetzt sind wir wieder bei der
     In manchen Quellen findet sich       Komplexität der Biodiversität. Da
     die Behauptung, der römische         gibt es also auch Lebewesen, die
     Feldherr und Genießer Lucullus       wiederum von Ölkäfern abhängig
     habe es als Potenzmittel verwen-     sind, diese von Wildbienen, diese
     det und sei an einer Überdosis       wiederum von den Blüten und
     verstorben – zu reiner „Stoff“ als   vom Mikroklima, dies beides von
     Todesursache, das klingt modern,     der Beschaffenheit des Bodens
     oder?                                und so weiter – und in Wirklich-
                                          keit ist alles noch viel komplizier-
     Eigentlich schützt das Canthari-     ter. Und wir pfuschen ständig in
     din die Ölkäfer davor, gefressen     diesem Beziehungsgefüge herum,
     zu werden. Manche Fressfeinde        glauben, wir hätten alles im Griff
     schließen aber ihre Stoffwechsel-    und drehen die Abwärtsspirale
     tore vor diesem Gift und lagern      mit steigender Rasanz.
     es einfach ihrerseits in unschäd-
     lichen eigenen Depots ein, so dass   Was tun?
     sie selbst ungenießbar werden.
                                          Wir können mithelfen, die
     Angeblich sollen napoleonische
                                          Diversität zu erhalten, auf vielen
     Soldaten in Ägypten nach dem
                                          Ebenen. Zum Beispiel, indem wir
     Genuss von käferfressenden Frö-
                                          bei Pf legeeinsätzen des NABU
     schen schwere Cantharidinver-
                                          helfen. Oder indem wir uns
     giftungen erlitten haben. Auch
                                          manches bewusst machen, durch
     einige Insektengruppen nehmen
                                          genaueres Hinschauen, z.B. wenn
     gern Cantharidin zu sich. Das
                                          wir in der Naturfoto-AG mit-
     geht so weit, dass die Männchen
                                          machen. Wer Fotos von Ölkäfern
     mancher Käferarten gezielt nach
                                          hat, kann sie übrigens auch gern
     Ölkäferleichen suchen, um das
                                          für einen Bestimmungsversuch an
     dort enthaltene Cantharidin auf-
                                          den Autor schicken.
     zunehmen und sich selbst damit
     „einzudieseln“. Und dann? Dann
                                          Autor: Karsten Dörfer
     sind die am extremsten parfü-
     mierten Kerle plötzlich so attrak-
     tiv für ihre Weibchen, dass sie
     „jede kriegen können“. Müssen
     wir da nicht an den einen oder

12
Die Robinie – Hoffnungsträgerin im Klimawandel
oder selbst ökologische Katastrophe?
Kann die Robinie die Wälder am           Und was bedeutet „mehr Offen-
Burgberg und an den Heinsener            heit“? Die entscheidende Frage
Klippen retten?                          fehlt: Sind solche so genannten
                                         „Chancen“ überhaupt wünschens-
Das Kuratorium „Baum des Jahres“         wert, wenn man die Konsequen-
wählte die Robinie zum Baum des          zen bedenkt? Wünschen wir uns
Jahres 2020. „Die Robinie polari-        wirklich eine „Kulturlandschaft“,
siert: Hoffnung im klimabedingten        in der auf großen Flächen Robi-
Waldumbau – andererseits invasive        nien-Waldwüsten dominieren,
Baumart, die Naturkleinode be-           so wie heute schon in Teilen der
droht.“ – so die Pressemitteilung1.      brandenburgischen Sandland-
Und die „Baumkönigin 2020“ wird          schaften9 oder in weiten Teilen
mit den Worten zitiert: „Die Robinie     Ungarns? Und, allgemeingültiger
ist keine leichte Kandidatin für einen   formuliert: Dürfen wir Arten, die
Jahresbaum und meine Aufgabe als         naturschutzfachlich wertvolle
Botschafterin der Baum des Jahres        Lebensräume und die dort hei-
Stiftung ist es, die Öffentlichkeit      mischen Arten nachhaltig aus-
über die Chancen und Risiken zur         rotten4, gezielt anbauen, nur weil
Robinie zu informieren. Ich wünsche      sie mit Klimaänderungen besser
mir von den Fachleuten der grünen        fertig werden?
Branche mehr Offenheit bei der
Diskussion um diese Baumart. Die         Die Robinie
Robinie ist Teil unserer Kulturland-
                                         Aber zurück: Um der Robinie ge-
schaft – wir Menschen haben sie
                                         recht zu werden und um unsere
dazu gemacht.“2
                                         Antworten auf eine solide Basis
                                         zu stellen, müssen wir zunächst
Den Teufel mit dem Beelzebub aus-
                                         mehr über die Art wissen. Sehr
treiben: Klimawandel als Vorwand
                                         umfangreiche Informationen
für aktive Biodiversitätsvernich-
                                         hierzu sind auf den „Baum
tung?
                                         des Jahres“-Internetseiten zu
Diese Zitate an sich scheinen            finden3, aber auch in verschie-
zunächst harmlos. Aber die               denen Fachartikeln des Portals
Formulierungen „Hoffnung im              „www.waldwissen.net“5,6,7,8,9.
klimabedingten Waldumbau“ und
„ist Teil unserer Kulturlandschaft“      Ohne Konkurrenz: Die extrem
können schon als Plädoyer für            schnellwüchsige Robinie ist in
diese Art verstanden werden.             ihrer nordamerikanischen Heimat

                                                                              13
ein kurzlebiger, beschattungs-             Krummer Wuchs? Die meisten
     empfindlicher Pionierbaum, der             Robinien in deutschen Beständen
     dort nach einigen Jahren von               sind stark verzweigt und haben
     anderen Arten beschattet wird              einen krummen Wuchs. Es gibt
     und dann abstirbt. In Europa feh-          aber Herkünfte, die relativ gerade
     len diese Konkurrenten, Robinien-          nach oben wachsen, deren Holz
     wälder sind ausdauernd. Ver-               deshalb also marktfähiger ist. Zur
     suche, sie durch Kahlschläge zu            Marktfähigkeit des Stammholzes
     entfernen, scheitern daran, dass           trägt auch bei, wenn die unteren
     die Wurzeln dann frische Sprosse           Äste frühzeitig entnommen
     bilden, oft in großer Anzahl               werden.
     („Wurzelbrut“). Nur intensives
     Ringeln hilft, und auch dies nur,          Befestigung von Hängen – auch
     wenn es sachkundig durchgeführt            im Landkreis Holzminden: Das
     wird.5,11                                  Wurzelwerk eignet sich gut zur
                                                Befestigung rutschender Hänge.
     Hartes Holz: Robinienholz ist sehr         Im Landkreis Holzminden wurden
     hart und extrem widerstands-               zum Beispiel Robinien zusammen
     fähig. Keine einheimische Baum-            mit Goldregen am instabilen Hang
     art hat derartig langlebiges Holz.         des Eckbergs bei Bodenwerder ge-
                                                pf lanzt, um ihn zu festigen.

                                                „Klimatauglichkeit“: Die Robinie
                                                reagiert sehr schnell und gut
                                                angepasst auf Trockenheit und
                                                überlebt deshalb auf trockenen
                                                Standorten oder in Trockenheits-
                                                perioden besser als die meisten
                                                einheimischen Baumarten.

                                                Bienenweide? Ja, sie bringt eine
                                                Fülle von Schmetterlingsblüten
                                                mit reicher Nektarproduktion
                                                hervor, die von Honigbienen
                                                sehr gut genutzt werden können
                                                („Akazienhonig“). Eine Unter-
                                                suchung per Drohne bilanzierte
                                                5,3 Millionen Blüten je Hektar mit
                                                87 kg Nektar und 70 kg Honig.12
                                                Seltene und gefährdete Wild-
                                Foto: Robinie   bienen dagegen haben nicht nur
            (A. Roloff/www.baum-des-jahres.de)

14
nichts davon. Sie werden bei inva-    und reichert den Standort so sehr
sivem Vordringen der Robinie auf      mit Stickstoffverbindungen an,
Trockenrasen sogar ausgerottet:       dass er sich völlig verändert und
Dort, wo zuvor reicher Blütenf lor    praktisch nicht mehr renaturiert
einer Fülle unterschiedlicher, oft    werden kann. Deswegen und
spezialisierter Wildbienen-Arten      wegen ihrer Trockenheitsresistenz
Nektar, Pollen und Lebensraum         gedeiht sie auch auf trockenen,
für Brutzellen boten, entsteht eine   f lachgründigen Grenzertragsbö-
monotone Insektenwüste. Dies gilt     den. Auf diesen Standorten zer-
auch für viele andere Insekten-       stört sie Hotspots der Biodiversität
gruppen, so z.B. für Tag- und         (verschiedene Typen von Trocken-
Nachtfalter.                          rasen und Magerrasen) so gut wie
                                      irreversibel.
Die Robinie hat also eine ganze
Reihe von Eigenschaften, die          Die Robinie – Bedeutung für den
sie aus ökonomischer Sicht im         Naturschutz im Klimawandel
Zusammenhang mit dem Klima-
                                      Wir sehen auf der einen Seite:
wandel auf den ersten Blick
                                      Die Robinie ist ein Baum, der mit
interessant erscheinen lässt. Aber
                                      Dürrejahren gut zurechtkommt
sie hat auch viele „dunkle Seiten“,
                                      und der, die entsprechende gene-
einige hiervon werden oben schon
                                      tische Auswahl und forstliche
erwähnt.
                                      Pf lege vorausgesetzt, als Holz-
                                      lieferant im Klimawandel relativ
Biodiversität? – Aggressiv und
                                      zuverlässig, also wirtschaftlich
endgültig: Als Leguminose lebt
                                      attraktiv sein kann. Auch als
die Robinie in Symbiose mit
                                      Stadtbaum könnte die Robinie
Knöllchenbakterien (Rhizobien),
                                      vielen anderen in Zukunft über-
die den sonst unbrauchbaren Luft-
                                      legen sein.
stickstoff (N2) verfügbar machen:
Sie wandeln ihn in Ammoniak
                                      Vernichtung einer ganzen Lebens-
(NH3) bzw. Ammonium (NH4+) um,
                                      gemeinschaft: Als Forstbaum
der sofort in die Aminosäuren
                                      nimmt aber jeder einzelne Stamm,
Glutamin und Glutaminsäure
                                      der die Stelle eines einheimischen
„eingebaut“ wird. Weil sie sich
                                      Baumes einnimmt, hunderten
auf diese Weise selbst düngt, ist
                                      von Insektenarten, anderen Klein-
sie auch auf sehr stickstoffarmen
                                      tieren, Vögeln oder Pilzen den
Böden, z.B. Kalktrockenrasen
                                      Lebensraum, ohne im Ausgleich
oder reinem Sand extrem konkur-
                                      anderen einen Ersatz zu bieten.
renzkräftig. Sie überwuchert die
dort vorhandene, ohnehin höchst
gefährdete Magerrasenvegetation

                                                                             15
Für die einen Hoffnung im klima-
                                                  bedingten Waldumbau, für die an-
                                                  deren eine invasive Baumart, die
                                                  Naturkleinode bedroht.“3, dann ist
                                                  es offenbar wichtig, diese Gegen-
                                                  sätze zu hinterfragen und in einer
                                                  Synthese zusammenzuführen – in
                                                  einer Synthese, die aber auch zur
                                                  Entscheidung gegen diese Art füh-
                                                  ren kann: Eine dominante Rolle
                                                  der Robinie beim klimabedingten
                                                  Waldumbau hätte in jedem Fall
                                                  negative Folgen für die Umwelt.
               Foto: Robinien-Blüten (A. Hoppe)
     Standortzerstörung: Auf mageren              Wir sind keine Holzproduzenten,
     Böden wie Trockenrasen gilt das              sondern Naturschützer. Unsere
     Gleiche, wiegt aber dort noch                Aufgabe ist deshalb nicht, solche
     schwerer, weil die dortigen Arten-           Folgen mit „mehr Offenheit“
     gemeinschaften durchweg ge-                  hinzunehmen, so lange sie ver-
     fährdet oder teilweise auch vom              meidbar sind. Wir dürfen unsere
     Aussterben bedroht sind. Hinzu               Tür nicht für jene öffnen, die in
     kommt, dass es auch eine ganze               Unkenntnis der ökologischen
     Reihe einheimischer Arten gibt,              Zusammenhänge und Folgen nur
     die Klimaextreme besser ertragen             die Absicht haben, ihren Fuß dort
     als die Fichte oder in manchen               hineinzustellen, um einseitige
     Lagen auch als die Buche (z.B.               Ziele durchzusetzen, welche die
     Traubeneiche, Spitzahorn, Feld-              ökologische und ökonomische
     ahorn, Hainbuche, Winterlinde,               Nachhaltigkeit missachten.
     Hängebirke, Kirsche)10. Kann
     die Robinie also wirklich eine               Natur hat keine wirtschaftlich
     „Hoffnung im klimabedingten                  potente Lobby. Auch juristisch
     Waldumbau“3 sein, wenn ihr An-               ist ihr Schutz nicht ausreichend
     bau derartig negative Folgen hat,            abgesichert. Sie ist de facto das
     und wenn es doch Alternativen                schwächste Glied in unserem
     gibt?                                        „politischen Lebensraumgefüge“,
                                                  der vorhandene Schutz ist auf-
     Der Baum des Jahres im gesell-               grund der vorwiegend wirtschaft-
     schaftlichen Kontext                         lich orientierten Interessenlage
                                                  außerdem einer fortwährenden
     Wenn es auf der Seite des Kura-              Erosion ausgesetzt. In diesem
     toriums Baum des Jahres also                 Zusammenhang müssen auch
     heißt: „Die Robinie polarisiert:

16
einseitig orientierte Schein-         sein, die ihre Existenz mensch-
lösungen für Probleme, die durch      lichem Wirken verdanken (wie
den Klimawandel entstehen, im-        z.B. Trockenrasen). Das bedeu-
mer wieder kritisch hinterfragt       tet aber nicht gleichzeitig, dass
werden: Sind sie naturschutz-         jede menschliche Aktivität die
fachlich verantwortbar? Sind sie      Biodiversität fördert und damit
überhaupt ökonomisch nach-            naturschutzwürdig ist, wie der
haltig, besonders im Vergleich mit    Satz „Die Robinie ist Teil unserer
möglichen Alternativen?               Kulturlandschaft – wir Menschen
                                      haben sie dazu gemacht.2“ nahe
Der Erhalt der Biodiversität heimi-   zu legen scheint. Unserem An-
scher Lebensgemeinschaften mit        liegen, Biodiversität, Geotope
all ihren Arten ist das, was wir      und Landschaftsbild zu schützen,
mit dem Begriff „Naturschutz“         liegt die Übereinkunft zugrunde,
im Großen und Ganzen anstreben        dass diese einen Eigenwert be-
(zusammen mit dem Schutz von          sitzen, der ökonomischen Werten
Geotopen, des Landschaftsbildes       gleichberechtigt gegenüberstehen
usw.). Selbstverständlich können      sollte, auch wenn er nicht in bare
das auch Lebensgemeinschaften         Münze konvertierbar ist. Für

             Oberbachstraße 26/28 in Holzminden
   Mo. – Do. 9 – 13:30 Uhr               und         15 – 18 Uhr
      Fr.    9 – 18 Uhr                    Sa.        9 – 13 Uhr
                          Christiane Grote
      Telefon: 05531/10 936              Fax: 05531/990 203
              E-Mail: korn-und-kram@t-online.de

                                                                           17
gen zu brechen und auszuhebeln,
                                                    verunsicherte Förster, die dies
                                                    eigentlich so nicht möchten,
                                                    fühlen sich machtlos und allein
                                                    gelassen. Der Klimawandel wird
                                                    zum Totschlagargument für an-
                                                    geblich alternativlose Pf lanzun-
                                                    gen naturschutzfachlich schäd-
                                                    licher Baumarten und gegen
                                                    vielfältige, lebendige Wälder. Das
                                                    dürfen wir als Naturschützer
                                                    nicht hinnehmen.

       Foto: geringelter Robinienstamm (A. Hoppe)   Es gibt Alternativen!10,13,14
     diesen Eigenwert setzen wir uns                Und es gibt gut ausgebildete
     ein. Und wenn wir dies tun, dann               Forstleute, die diese Alternativen
     zwar kompromissbereit, aber kon-               auch zu vertreten wissen wie
     sequent.                                       Sönke Hoffmann in „Naturschutz
                                                    heute“, Herbst 2019: „Mit Doug-
     Die Robinie als Musterbeispiel – der           lasien, Götterbaum oder Küsten-
     Klimawandel als Vorwand und Tür-               tanne retten wir kein Ökosystem,
     öffner für einen Waldbau ohne jede             wir schaden ihm nur.“15
     ökologische Verantwortung?
     Es ist ein Verdienst des Kura-                 Für Burgberg, Heinsener Klippen
     toriums „Baum des Jahres“, die                 und Co bedeutet dies: Alternativen
     Robinie mit ihren zwei Seiten                  zu nicht heimischen Bäumen
     zur Diskussion gestellt zu haben.              suchen! Nicht überrumpeln lassen
     Denn sie ist exemplarisch für viele            durch schnelle Lösungsvorschläge,
     als Allheilmittel gehandelte Baum-             die aus einer gewissen Panik her-
     arten, und die Diskussion um                   aus entstehen!
     ihren Einsatz hilft, einen gesell-
     schaftlichen Konf likt manchmal                Autor: Karsten Dörfer
     gegensätzlicher Paradigmen und
     Wertvorstellungen zu verdeut-                  Quellen
     lichen. Von rein ökonomisch                    1
                                                      https://www.baum-des-jahres.de/
     orientierten Gruppen in der Poli-                fileadmin/user_upload/
     tik wird der Klimawandel vor-                    Aktuelles_Leserbriefe/2020/PM_
     geschoben und als Brechstange                    BDJ2020_Robinie.pdf
     genutzt, um Widerstände gegen                  2
                                                      https://www.baum-des-jahres.de/
     ökologisch schädliche Pf lanzun-                 robinie/baumkoenigin/

18
3
       https://www.baum-des-jahres.de/      10
                                               https://cms.waldwissen.net/
       robinie/ (mit Folgeseiten!)             waldwirtschaft/schaden/
   4
       https://neobiota.bfn.de/                trockenheit/wsl_
       handbuch/gefaesspf lanzen/              baumartenwahl_trockenheit/
       robinia-pseudoacacia.html               index_DE
   5
       https://www.waldwissen.net/
                                            11
                                               http://www.wald-prinz.de/
       waldwirtschaft/waldbau/wsl_             die-robinie-schnellwachsend-
       robinie/index_DE                        tolles-holz-aber-mit-vorsicht-zu-
                                               geniessen/5297#Neophyt
   6
       https://www.waldwissen.net/
       waldwirtschaft/schaden/invasive/
                                            12
                                               http://www.mdpi.com/2072-4292
       wsl_invasive_neophyten/index_           /9/11/1091/pdf
       DE                                   13
                                               https://www.nabu.de/imperia/
   7
       https://www.waldwissen.net/             md/content/nabude/
              Q
       waldwirtschaft/waldbau/wuh_             wald/190829-nabu-wald-12-
              Q
       robinie/index_DE                        punkte-diskussionspapier_2.pdf
              Q                                https://www.nabu.de/natur-
                                            14
   8
       https://www.waldwissen.net/
              Q
       wald/baeume_waldpf     lanzen/          und-landschaft/waelder/
              Q
       laub/bfw-robinie/index_DE               waldbewirtschaftung/
              Q
                                               27147.html
   9
       https://cms.waldwissen.net/wald/
              Q
       baeume_waldpf    lanzen/
                                            15
                                               Hofmann, Sönke: Aus Forsten
                                               wieder Wälder machen.
              Q
       oekologie/lfe_robinie_
       trockenstress/index_DE/                 Naturschutz heute. Herbst 2019.
       printerfriendly                         S. 32-33

ben.
nen.

                                  r l e b e n .                      Fühlen. .
                                                                      Staunen

              Na           tu r e         Familien
                                                   spaß
                                                   in d e
                                                          b
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                                                                                 Co.
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                                                                                orn

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                                                                                       19
Der Borstgrasrasen – Pflanzengesellscha• des
     Jahres 2020
     Die „Floristisch-soziologische       denen Gesellschaften eine weite
     Arbeitsgemeinschaft e.V.“ – die      Amplitude von mäßig trocken bis
     deutschsprachige Vereinigung         nass.
     f loristisch und pf lanzensozio-
     logisch interessierter Fachleute     Zumindest die Borstgrasrasen
     und Liebhaber – ruft seit 2019       außerhalb der Moore sind poten-
     die „Pf lanzengesellschaft des       ziell natürliche Waldstandorte,
     Jahres“ aus, um nicht nur Einzel-    sie sind entstanden durch die
     arten, sondern auch die Vielfalt     Nutzung durch den Menschen
     der Lebensgemeinschaften in          und seine Tiere, durch Rodung
     den Fokus zu rücken und deren        und Waldweide. Genutzt wurden
     Schutz, Erhaltung und Entwick-       Borstgrasrasen ohne Düngung
     lung zu fördern.                     durch eine extensive Beweidung
                                          mit geringer Viehdichte oder aber
     Nachdem im vergangenen Jahr          durch einschürige Mahd, die in
     die Glatthaferwiese gekürt           den Mittelgebirgen aufgrund des
     wurde, wurden für dieses Jahr        hohen Winterfutterbedarfs oft die
     die Borstgrasrasen ausgewählt. Es    vorherrschende Nutzungsform
     handelt sich dabei um Pf lanzen-     war.
     gemeinschaften nährstoffarmer
     Standorte, die in Mitteleuropa       Größere Vorkommen gibt es noch
     zumindest außerhalb der Alpen        in den Mittelgebirgen außer-
     meist stark gefährdet und regio-     halb der Kalkgebiete, wie z.B.
     nal sogar unmittelbar vom Aus-       in der Rhön, im Erzgebirge, im
     sterben bedroht sind. Die Verluste   Schwarzwald und im Harz. Im
     sowohl von Flächen als auch an       Norddeutschen Tief land exis-
     Arten der Borstgrasrasen sind        tieren noch Vorkommen in den
     sehr hoch. Was alle Standorte der    Sandlandschaften der Lüneburger
     Borstgrasrasen verbindet, sind       Heide, im Emsland und Ostfries-
     ihre Prägung durch sauer verwit-     land. Im Solling sind sie noch in
     ternde Ausgangsgesteine, die im      wenigen Wiesentälern zu finden,
     Landkreis Holzminden vor allem       vor allem im Hellental und um
     über Buntsandstein im Solling        Silberborn sowie kleinf lächig am
     und im Vogler vorliegen, sowie       Bützeberg im Vogler.
     ihre Anpassung an extreme Nähr-
     stoffarmut. Hinsichtlich der not-    Die kleinf lächigen Borstgras-
     wendigen Feuchtigkeit besitzen       rasen sind meist als Teil eines
     Borstgrasrasen mit ihren verschie-   Vegetationsmosaiks mit mageren

20
Bergwiesen, montanen Feucht-
wiesen und Kleinseggenrieden
vergesellschaftet, die gemeinsam
besonders wertvolle Vegetations-
komplexe bilden und gerade auch
für den Insektenschutz von hoher
Bedeutung sind, da sie durch ihre
Habitatvielfalt die unterschied-
lichen Ansprüche verschiedener
Arten erfüllen.

Für Borstgrasrasen charakteris-
tisch ist eine Fülle typischer und
z.T. stark gefährdeter Pf lanzen-     Foto: Arnika auf der NABU-eigenen Fläche im Hülsebruch
arten, wie z.B. Arnika, Blutwurz,     (A. Hoppe)
Bleiche Segge und Färberginster,
in feuchten Ausbildungen auch         spezialisierter Arten bis hin zur
der Halbschmarotzer Wald-Läuse-       Umwandlung in Wirtschafts-
kraut.                                grünland. Auch luftbürtige Stick-
                                      stoffeinträge führen zum Verlust
Fast überall ist ein starker          der konkurrenzschwachen Arten.
Flächenrückgang zu verzeich-
nen, meist verbunden mit einer        Eine Erhaltung der Borstgrasrasen
f loristischen und faunistischen      kann nur durch eine intensive
Verarmung. Ursachen sind sowohl       Zusammenarbeit von Flächen-
Veränderungen in Struktur und         eigentümern und -nutzern, Natur-
Artenzusammensetzung durch            schutzbehörden und -verbänden
Nutzungsaufgabe, die zu einer         gelingen und bedarf eines inte-
Dominanz hochwüchsiger Arten          grierten Konzeptes von strengem
wie dem Adlerfarn führt, bis es       Schutz und angepasster Nutzung
schließlich zu einer Verbuschung      durch Beweidung und/oder Mahd,
und Wiederbewaldung kommt.            damit ein Biomasse-Entzug mög-
In der Vergangenheit spielten         lich ist. Unter bestimmten Um-
auch Aufforstungen eine nega-         ständen können auch verschwun-
tive Rolle. Eine Intensivierung der   dene Arten wieder angesiedelt
Landwirtschaft durch Düngung          werden, wie es mit der Arnika im
mit stärkerer Beweidung oder          Solling durch die Zusammenarbeit
mehrfacher Mahd, führt zunächst       der niedersächsischen Landes-
ebenfalls zu Änderungen in der        forsten, der UNB des Landkreises
Artenzusammensetzung mit              Holzminden, der Hochschule OWL
dem anfänglichen Verschwinden         in Höxter, dem Naturpark Solling-

                                                                                           21
Vogler und dem NABU Holz-              Terminhinweis:
     minden erfolgreich gelingt. Dabei      Am 04. Juni werden die Borst-
     ist jedoch auf eine sorgfältige Aus-
     wahl der Standorte, autochthones
                                            grasrasen und weitere Besonder-
     Diasporenmaterial sowie eine           heiten des Hellentals bei einer
     nachhaltige Nutzung und Pf lege        ca. dreistündigen Wanderung
     zu achten, ohne den Schutz der         vorgestellt. Nähere Informatio-
     vorhandenen Borstgrasrasen zu          nen dazu in den Veranstaltungs-
     gefährden.
                                            programmen vom NABU Holz-
     Autor: Dr. Ansgar Hoppe,               minden und dem Naturpark
     Naturpark Solling-Vogler               Solling-Vogler
                                            (www.naturpark-solling-vogler.de).

                          Wir schaffen
                         Wohlfühlgärten
                         für Menschen
                           und Tiere

                   BÜRO FÜR FREIRAUMPLANUNG
                         Dipl.-Ing. Birgit Czyppull
              0 55 31 / 98 030 51 · www.czyppull.de

22
Feuersalamander in Not – Warum wir aus natur-
schutzfachlicher Sicht eine Sperrung der K 71 im
Hooptal fordern
Das Hooptal zwischen Stadt-         über umgehend zur Nahrungs-
oldendorf und Negenborn ist ein     suche genutzt. Auch für die Fort-
besonderer Naturraum mit vielen     bewegung, die Partnersuche und
seltenen Tier- und Pf lanzenarten   Fortpf lanzung nutzen Salamander
mit Schutzstatus. Uhu, Eisvogel,    häufig leicht zugängliche und
Feuersalamander, Geburtshelfer-     übersichtliche Bereiche, die sie ge-
kröten und Schlingnattern sind      rade im Hooptal auf den Straßen
einige der dort lebenden und im     und Wegen finden.
besonderen Maße zu schützenden
Arten. Gerade für Amphibien         Die Feuersalamanderpopulation
ist das einst durch Sandstein-      im Hooptal ist nach Einschätzung
abbruch geformte Gebiet ein         von Experten eines der größten
idealer Lebensraum mit optimalen    Vorkommen in Norddeutschland.
Lebensbedingungen. Passende         Die Bestände sind in hohem Maße
Temperaturen, hohe Boden- und       gefährdet. Zum einen gefähr-
Luftfeuchtigkeit und ein großes     den trockene Sommer die Tiere,
Angebot an Höhlen sind dabei die    die dann nicht genug Nahrung
Hauptfaktoren. Im Gegensatz zu      finden. Die Extremwetterereig-
Erdkröten und etlichen anderen      nisse nehmen seit Jahren stark zu
Amphibienarten, suchen Feuer-       und eine Verschlechterung ist in
salamander nicht innerhalb einer    den kommenden Jahren wegen
kurzen zeitlichen Periode die       des Klimawandels anzunehmen.
Laichgewässer auf, sondern nut-     Zum anderen bedroht der Pilz
zen die Straßen und Wege wäh-
rend der ganzen Saison, die sich
bei Feuersalamandern nach der
Umgebungstemperatur richtet.
So sind die Tiere bis auf wenige
Wochen im Winter (bei Tempe-
raturen unter dem Gefrierpunkt)
ganzjährig aktiv und im Hooptal
anzutreffen. Ihr Aktivitätsmodus
richtet sich dabei weniger nach
der Tageszeit, sondern nach der
optimalen Feuchtigkeit. Gerade
nach längeren Trockenphasen         Foto: Demo-Teilnehmer betrachten einen Feuersalamander
wird eine Regenphase auch tags-     (J. Bommer)

                                                                                       23
Am 03.Oktober 2019 haben wir
                                                  zusammen mit BÜNDNIS 90/DIE
                                                  GRÜNEN eine Demonstration
                                                  unter dem Motto „Tag der Einheit
                                                  – mit der Natur“ veranstaltet.
                                                  Insgesamt 80 Teilnehmer*innen
                                                  haben dabei unsere Forderung
                                                  und den Antrag der GRÜNEN
                                                  unterstützt. Mittlerweile hat
                                                  der Landkreis eine ganzjährige
                                                  nächtliche Sperrung von 18.00 bis
                                                  8.00 Uhr beschlossen. Diese soll
             Foto: Demo im Hooptal (T. Maiwald)
                                                  über automatische Schranken-
     Batrachochytrium salamandrivorans            anlagen durchgesetzt werden.
     (Bsal) die Tiere, der bereits in             Wer den gesamten Text aufmerk-
     Westdeutschland kleinere Popula-             sam gelesen hat, weiß, dass diese
     tionen komplett ausgelöscht hat.             nächtliche Sperrung als Schutz
     Damit die relativ große Population           nicht ausreichend ist. Zumal
     diese Gefahren langfristig über-             gerade im Frühjahr und Herbst
     dauern kann, muss alles unter-               – zu den Hauptaktivitätszeiten
     nommen werden, jedes einzelne                der Feuersalamander – die Sperr-
     Individuum zu schützen.                      zeiten sich nicht einmal mit den
                                                  „Nachtzeiten“ decken und vor/
     Bisherige Schutzversuche durch               nach der Sperrung die Tiere einige
     zeitweise Sperrung der K71 sind              Stunden ungeschützt im Dunkeln
     erfolglos geblieben. Seit Jahren             unterwegs sein müssen. Von den
     gilt in den Monaten März bis Mai             am Tag aktiven Tieren ganz zu
     ein Nachtfahrverbot, welches                 schweigen. Es werden somit leider
     jedoch ignoriert wird. Auch das              auch weiterhin viele totgefahrene
     extrem aufwändige abendliche                 Salamander für die stark gefähr-
     Aufstellen (und morgendliche                 dete Population zu verkraften sein
     Beseitigen) von Absperrbaken                 müssen.
     im Jahr 2019 konnte nicht ver-
     hindern, dass einige Verkehrs-               Autor: Torsten Maiwald
     teilnehmer die Straße trotzdem
     befuhren. Aufgrund dessen und
     wegen der bereits genannten
     ganzjährigen und ganztägigen
     Aktivität der Tiere, sind viele tot-
     gefahrene Tiere zu beklagen, die
     langfristig zu einem allmählichen
     Rückgang der Population führen.

24
Der Feuersalamander in Gefahr: wie Lebensraum-
veränderungen und Krankheiten die Art gefährden
Vortrag bei der Jahreshauptver-           Siedlungs- und Straßenbau sowie
sammlung am 20. März 2020                 Bachbegradigungen führen dazu,
                                          dass der Lebensraum des Feuer-
Der Feuersalamander ist eine              salamanders sukzessive schwin-
in Deutschland weit verbreitete           det. Zusätzlich breitet sich der
Amphibienart, die durch ihre              Erreger der tödlichen Salamander-
schwarz-gelbe Färbung große Sym-          pest in Deutschland aus – der
pathien hervorruft. Auch wenn             eingeschleppte Hautpilz „Bsal“.
der Feuersalamander bundesweit            Die Bedrohungssituation, aktuelle
als derzeit noch ungefährdet gilt,        Forschungsergebnisse und was wir
ist er doch wie alle einheimischen        tun können, um dem besonderen
Amphibien besonders geschützt             Solling-Salamander zu helfen, sind
und zählt zu den Arten, für deren         Themen des Vortrags.
Erhaltung Deutschland internatio-
nal eine besondere Verantwortung          Die Vortragende Kathleen Preißler
hat. Anthropogene Umweltver-              hat an der Universität Halle-
änderungen, wie Waldrodung,               Wittenberg Biologie (M. Sc.) stu-

                  Foto: Kathleen Preißler mit Feuersalamander
                  (Bina Perl)

                                                                               25
diert und arbeitet als Stipendiatin    Der NABU Holzminden lädt
     der Deutschen Bundesstiftung           Mitglieder und Interessierte am
     Umwelt (DBU) momentan an ihrer         20.03.2020 um 19:30 Uhr ins
     Promotion an der Universität           Hotel „Kiekenstein“ in Stahle zum
     Leipzig. Bereits während ihrer         Vortrag ein.
     Masterarbeit hat sie sich ausgiebig
     den Feuersalamandern gewidmet          Im Anschluss an den Vortrag
     und erforscht aktuell die geneti-      findet die Jahreshauptversamm-
     schen Grundlagen zur Entwick-          lung statt.
     lung eines Zuchtprogramms zum
     Erhalt der genetischen Vielfalt die-   Autoren: Kathleen Preißler,
     ser Art. Im vergangenen Jahr war       Torsten Maiwald
     sie im NDR-Fernsehen in der Reihe
     NaturNah in der Folge „Die Retter
     der Salamander“ als Expertin zu
     sehen.

26
Erdkröte & Co. brauchen Ihre Unterstützung

Alljährlich machen sich im Früh-
jahr Scharen von Erdkröten,
Fröschen und anderen Amphibien
auf den beschwerlichen Weg zu
ihren Laichgewässern. Die wohl
größte Gefahr auf diesem Weg
stellt der Straßenverkehr dar.
Die Tiere werden nicht nur über-
fahren, auch der Unterdruck
schon bei geringem Tempo führt
zum Tod der Amphibien.

Im Landkreis Holzminden werden
daher 10 Hauptwanderstrecken
mittels Amphibienschutzzäunen
                                     Foto: Übersicht Amphibien-Sammelstrecken
gesichert (siehe grüne Punkte
in der Karte). Diese Schutzmaß-      Wenn Sie in der Nähe einer dieser
nahmen können jedoch nur             Strecken wohnen und als Helfer
aufrecht erhalten werden, wenn       tätig werden wollen, melden Sie
eine ausreichende Betreuung ge-      sich bitte direkt beim
währleistet ist und die Amphibien
jeden Tag auf die andere Straßen-    Landkreis Holzminden
seite getragen werden. Hier wer-     – Untere Naturschutzbehörde –
den daher immer weitere helfende     Bürgermeister-Schrader-Straße 24,
Hände gesucht.                       37603 Holzminden
                                     naturschutz@landkreis-holzminden.de
Weitere vier Strecken werden         Tel. (05531) 707-177
während der Amphibien-
wanderung (nachts) gesperrt.         Autorin: Stefanie Beyer
Auch diese Strecken müssen
betreut werden. Der orange
Punkt in der Karte markiert eine
Sperrstrecke bei Hohenbüchen,
deren Betreuung 2020 noch nicht
gesichert ist. Hier wird daher be-
sonders dringend Unterstützung
benötigt.
                                     Foto: Kreuzkröte (S. Beyer)

                                                                                27
Ehemalige Trafostation in Kirchbrak als „Tierhotel“

     1994 erfuhr der NABU Holzmin-                      Folgende Maßnahmen wurden
     den davon, dass das Elektrizitäts-                 durchgeführt:
     werk Wesertal GmbH die Frei-                       Ÿ Schaffung von Einf lug-
     leitungsumspannstelle Kirchbrak-                     öffnungen in das Gebäude
     „Bahnhof“ nicht mehr benötigte
                                                        Ÿ Einbau von Zwischendecken
     und der Abriss der Turmstation
                                                          und Verkleidung des dadurch
     geplant war. Andere Gruppen hat-
                                                          entstandenen Dachbodens mit
     ten mit der Übernahme solcher
                                                          Holz als Sommerquartier für
     Trafostationen und deren Umbau
                                                          Fledermäuse
     für Artenschutzzwecke bereits
     positive Erfahrungen gemacht.                      Ÿ separater Bereich im Dach-
     Nach einigen Verhandlungen                           boden als Brutraum für
     unterzeichnete der NABU 1995                         Schleiereulen
     einen langjährigen Pachtvertrag                    Ÿ Anbringung von mehreren
     mit dem Landkreis, auf dessen                        Fledermauskästen aus Holz
     Grundstück das Gebäude steht.                        und Kunstnestern für Mehl-
     Die eingesparten Abrisskosten                        schwalben an der Außenfassade
     stellte das Energieunternehmen                     Ÿ Optimierung eines Schachtes
     zur Renovierung der Außenfas-                        als frostfreies Winterquartier
     sade zur Verfügung. Den Aus- und                     für Amphibien im Inneren
     Umbau zum „Tierhotel“ leisteten
                                                        Ÿ Pf lanzung von Efeu und Wil-
     mehrere Mitglieder ehrenamtlich
                                                          dem Wein zur Fassadenbe-
     in vielen Arbeitsstunden.
                                                          grünung
                                                        Ÿ Anbringung eines Schaukastens
                                                          zur Information der Öffentlich-
                                                          keit

                                                        Den Dachboden nutzen Fleder-
                                                        mäuse als Sommerquartier, die
                                                        Kästen an der Außenfassade
                                                        werden teilweise genutzt. Der
                                                        ursprünglich für Schleiereulen ge-
                                                        dachte Brutraum wurde mehrfach
                                                        von Waldkäuzen bewohnt. Die
                                                        Kletterpf lanzen mussten jährlich
                                                        stark zurückgeschnitten werden,
       Foto: Trafostation Kirchbrak (T. Frischgesell)
                                                        da sie sonst schnell die Nisthilfen

28
und Einf lugöffnungen über-
wuchern. Die Trafostation wurde
in den 1930er Jahren gebaut,
das Dach besteht aus Sandstein-
platten. Einige davon waren in
den letzten Jahren abgängig und
mussten wieder befestigt bzw.
ersetzt werden. Die Holzkästen
wurden teilweise morsch und da-
mit ungeeignet für Fledermäuse.
                                    Foto: Die „Bienensteine“ wurden von verschiedenen
Um die Trafostation als Quartier    Wildbienen gleich angenommen. (T. Frischgesell)
für verschiedene Tierarten zu er-
halten und zu optimieren, wurde     Stelzen sowie fünf Nistkästen für
daher 2017 ein Förderantrag beim    Trauerschnäpper und Meisen an.
Land Niedersachsen gestellt, das    Sämtliche Kästen sind aus lang-
Geld aus dem Europäischen Fonds     lebigem Holzbeton. Als Ersatz für
für regionale Entwicklung (EFRE)    die entfernten Kletterpf lanzen
und dem Haushalt des Umwelt-        und als Nahrung für Insekten
ministeriums für ein Programm       (insbesondere Nachtfalter, die
zur Förderung der biologischen      wiederum Fledermäusen als Nah-
Vielfalt in Dörfern und Städten     rung dienen) wurde Waldgeißblatt
zur Verfügung stellte. Der Antrag   gepf lanzt. Es rankt nur an den
wurde bewilligt und so konnten      eigens dafür angebrachten Gittern
2018 die starkwüchsigen Kletter-    und wird die Nistkästen nicht
pf lanzen vom Gebäude entfernt      überwuchern. Für Wildbienen
und das Dach repariert werden.      und Solitärwespen wurden außer-
Die ursprünglich geplante kom-      dem vier Nisthilfen aus Ton mit
plette Erneuerung des Daches aus    unterschiedlich großen Löchern
Buntsandstein war nach Begutach-    angebracht. Die Nisthilfen wurden
tung durch die ausführende Dach-    nach Anbringung teilweise sofort
deckerfirma nicht notwendig,        angenommen.
dadurch reduzierten sich die Kos-
ten erheblich. Nachdem auch die     Selber aktiv werden: Für die jähr-
Fassade ausgebessert und frisch     liche Reinigung der Nisthilfen so-
gestrichen war, brachten NABU-      wie den bodennahen Rückschnitt
Aktive elf Fledermauskästen         von Efeu und Wildem Wein, die
verschiedener Größe, zehn Nist-     die Wände wieder erobern wol-
kästen für Stare, zehn Nischen-     len, suchen wir Unterstützung –
brüterhöhlen für Sperlinge, Haus-   möglichst von jemandem vor Ort.
rotschwänze, Grauschnäpper und
                                    Autorin: Tanja Frischgesell

                                                                                        29
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