Flüchtlinge - Willkommen in Deutschland!?

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Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung

Flüchtlinge - Willkommen in Deutschland!?
          Urn:nbn:de:gbv:519-thesis2015-0225-7

                        Bachelorarbeit

               im Studiengang Soziale Arbeit

          zum Erlangen des akademischen Grades

                 Bachelor- Sozialarbeiter/
                 Bachelor- Sozialpädagoge

             eingereicht von: Kathleen Ludwig

Erstgutachter: Prof. Dr. M.A. mag. rer. publ. Gabriele Streda
       Zweitgutachter: Prof. Dr. Claudia Steckelberg
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ................................................................................................................................................. 1
1Definitionen ........................................................................................................................................... 3
    1.1        Migration ................................................................................................................................. 3
    1.2        Flucht ....................................................................................................................................... 3
    1.3        Flüchtling ................................................................................................................................. 3
    1.4        Asyl .......................................................................................................................................... 4
    1.5        Asylbewerber........................................................................................................................... 4
2      Fluchtursachen ................................................................................................................................ 4
       2.1.1           Armut/ wirtschaftliche Faktoren ..................................................................................... 5
       2.1.2           Kriege und Gewalt ........................................................................................................... 6
3      Historie Asylrecht ............................................................................................................................ 6
    3.1        Genfer Flüchtlingskonvention ................................................................................................. 6
    3.2        Schengen I ............................................................................................................................... 7
    3.3        Europäische Akte ..................................................................................................................... 7
    3.4        Schengen II /Dublin I ............................................................................................................... 7
    3.5        Londoner Resolution ............................................................................................................... 8
    3.6        Maastrichter Vertrag ............................................................................................................... 9
    3.7        Dublin III .................................................................................................................................. 9
    3.8        Aktuelle Statistik .................................................................................................................... 10
4      Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland .................................................................. 12
    4.1        Herkunftsländer..................................................................................................................... 12
    4.2        Drittstaaten ........................................................................................................................... 13
       4.2.1           Sicherer Drittstaat ......................................................................................................... 14
       4.2.2           Sicheres Herkunftsland.................................................................................................. 14
    4.3        Rechtsstellungen (Status) eines Flüchtlings .......................................................................... 15
    4.4        Arten der Aufenthaltserlaubnis gemäß AufenthG ................................................................ 18
5      Unterbringung ............................................................................................................................... 21
    5.1        Exkurs Mecklenburg Vorpommern ....................................................................................... 23
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

    5.2      Zelt- / Containerlager ............................................................................................................ 24
    5.3      Residenzpflicht ...................................................................................................................... 25
6     Leistungen ..................................................................................................................................... 25
    6.1      Sprache .................................................................................................................................. 27
    6.2      Gesundheitsleistungen .......................................................................................................... 29
7     Arbeitsmarktzugang ...................................................................................................................... 30
8     Behörden ....................................................................................................................................... 32
9     Willkommenskultur ....................................................................................................................... 34
10        Hilfeorganisationen ................................................................................................................... 35
11        Zusammenfassung ..................................................................................................................... 37
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

Einleitung
Weltweit sind Ende des Jahres 2014 - 59, 5 Millionen Menschen auf der
Flucht. Erschreckende Zahlen, die an das Ende des Zweiten Weltkriegs er-
innern. Erinnerungen an das Schrecken, welches Nazi- Deutschland verbrei-
tete und an die Millionen, die damals zur Flucht gezwungen waren, werden
wieder wach. Ein schwarzer Fleck in der Geschichte Deutschlands. Und
doch hat dieses Land, wie kaum ein anderes, ihre Geschichte aufgearbeitet
und daraus gelernt.
Im fortschrittlichen 21. Jahrhundert angekommen, hielt man solch hohe
Flüchtlingszahlen, wie zum Ende des zweiten Weltkriegs nicht mehr für
möglich. Und doch passiert es gerade jetzt! Die Welt und ihre Bewohner1
sind in Aufruhr, kaum ein Land welches sich diesen Entwicklungen und de-
ren Folgen entziehen kann. Viele Konflikte werden derzeit in der Welt der-
zeit ausgetragen. Konflikte zwischen Regierungen und Rebellen, Auswir-
kungen des Terrors des Islamischen Staates- IS oder Bürgerkriege, ziehen
Korruption, Armut und Angst, sowie Schrecken nach sich. Die Perspektivlo-
sigkeit, welche sich Millionen von Menschen in ihren Ländern bietet, ist die
Antriebskraft das eigene Land zu verlassen. Die Hoffnung auf ein friedliches
Leben lässt die Betroffenen beschwerliche, wochen-, monate-, sogar jahre-
lange Reisen auf sich nehmen.
Diese dramatische Entwicklung stellt ein Weltpolitisches Thema dar, wel-
ches schon lange nicht mehr innerpolitisch zu regulieren ist. Flüchtlingspoli-
tik -eine Thematik die über die Europäischen Grenzen hinaus reicht. Eine
Problematik, die viele Dimensionen aufzeigt! Eine Dimension im Bezug der
Flüchtlingspolitik, ist der Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern im
eigenen Land.
Zum ersten Mal begeht Deutschland, auch regierungsamtlich den interna-
tionalen Weltflüchtlingstag. Am 20.06.2015 sagte Joachim Gauck, Bundes-
präsident der Bundesrepublik Deutschland:

1
 Obwohl aus Gründen der Lesbarkeit im Text die männliche Form gewählt wurde bezie
hen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter.
                               1
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„[…]Es sollte meines Erachtens auch eine selbstverständliche moralische
Pflicht aller Staaten Europas bleiben, Menschen eine sichere Zuflucht zu
gewähren, die – wie es das Grundgesetz in Artikel 16a und die Bestimmun-
gen des Genfer Flüchtlingsschutzes festhalten – aus politischen, ethni-
schen, religiösen und rassischen Gründen verfolgt werden. Einen derarti-
gen Schutz halte ich nicht für verhandelbar und solange für verpflichtend,
bis diese Menschen gefahrlos in ihre Heimat zurückkehren oder auch in
Deutschland oder anderswo an einem anderen sicheren Ort bleiben kön-
nen.[…]“ Mit dieser Aussage des Bundespräsident Joachim Gauck, der das
höchste Amt in Deutschland bekleidet, unterstreicht dieser das Asylsys-
tems Deutschlands. Weiterhin sagte er: „[…] Deutschland hat gelernt im
Umgang mit Asylbewerbern: Heute reagieren wir ganz anders auf den An-
stieg der Flüchtlingszahlen als noch vor zwanzig Jahren. Es freut mich, wie
viel Anteilnahme zahlreiche Bürger unseres Landes für Bürgerkriegsflücht-
linge und politisch Verfolgte aufbringen, wie viele Patenschaften überneh-
men, Sprachkenntnisse vermitteln, Asylbewerber bei Behördengängen be-
gleiten, ein Zimmer zur Verfügung stellen. Der Blick auf das Leiden der An-
deren – er hat sich in unserem Land geschärft.[…]“ Eine Aussage mit großer
Tragweite. Es setzt voraus, dass es Flüchtlingen und Asylbewerbern in
Deutschland gut gehe beziehungsweise, dass das geschaffene Asylsystem
funktioniere. Ein System, welches einen menschenwürdigen Existenzrah-
men in der Aufnahmegesellschaft bietet.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage: Sind Flüchtlinge in
Deutschland willkommen?!
Das erste Kapitel widmet sich der terminologischen Klärung diverser Begrif-
fe im Kontext von Migration und Asyl.
Im Fokus des zweiten Kapitels stehen Fluchtursachen, es thematisiert Ar-
mut und wirtschaftliche Faktoren, sowie Kriege und Gewalt. Danach wird
die Historie des Asylrechts auf der Ebene der Europäischen Union zugrunde
gelegt. Darauf aufbauend wird im vierten Kapitel das Aufenthaltsrecht in
der Bundesrepublik aufgeführt. Es bezieht sich dabei auf die Herkunftslän-
der, die Rechtsstellung eines Flüchtlings und die Arten der Aufenthaltser-
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laubnis. Im Folgenden wird sowohl die Unterbringung, Leistung als auch
der Arbeitsmarktzugang erkundet. Das achte Kapitel beschreibt kontrover-
se Herangehensweisen von involvierten Behörden. Im Anschluss daran be-
urteilt die deutsche Bevölkerung, ob es im Land eine Willkommenskultur
gibt, welche durch eine Studie der Bertelsmann Stiftung präsentiert wird.
Schließlich werden einige Beispiele an Hilfeorganisationen dargelegt, deren
soziale Arbeit unerlässlich erscheint.

Es ist darauf hinzuweisen ist, dass diese Arbeit keinen Vergleich zu anderen
europäischen Ländern verfolgt. Sie ist ausschließlich den Regularien der
Bundesrepublik Deutschland unterworfen.

1Definitionen

1.1 Migration
Migration charakterisiert eine langfristige räumliche Verlagerung des Le-
bensmittelpunkts, welche sowohl einzelne Individuen als auch ganze Be-
völkerungsgruppen vollziehen können. Hierzu können verschiedene Er-
scheinungsformen dargelegt werden, zum Beispiel die Arbeitsmigration
oder auch Flucht (vgl. Ossietzky 2015(Internetquelle)).

1.2 Flucht
Bezeichnet eine unfreiwillige Wanderung von Menschen unter dem Druck
ökologischer, politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher oder sozialer
Notsituationen im Kontext der Einschränkung von Freiheit und Gefahr für
Leib und Leben. (vgl. Seifert 2009, S. 151)

1.3 Flüchtling
Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert im Artikel 1A den Begriff Flücht-
ling als eine Person die: "[…]aus der begründeten Furcht vor Verfolgung
wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimm-
ten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außer-
halb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den
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Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser
Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will […]" (UNHCR (Internetquel-
le)).

1.4 Asyl
Dieser oft benutze Begriff hat seinen Ursprung in der griechischen Sprache
und stammt von dem Wort „Asylon“, welches mit verschiedenen Synony-
men übersetzt werden kann, beispielsweise Zufluchtsstätte, Obdach oder
Unterschlupf (vgl. Seifert 2009, S. 145).

1.5 Asylbewerber
Unter diesem Begriff versteht man eine Person, die unter dem Druck von
Verfolgung (politisch oder sonstige) ausgehend vom Heimatland, Obdach/
Zuflucht in einem fremden Land sucht (vgl. Bundesbeauftragte 2015 (Inter-
netquelle).

2 Fluchtursachen
In der Vergangenheit sind hohe Wanderungs- und Flüchtlingszahlen zu be-
trachten, deren Entstehung auf Länder zurück zuführen sind, in denen poli-
tische Unruhen, Innerstaatliche Konflikte, Bürgerkriege (in der Regel ver-
bunden mit Menschenrechtsverletzungen) oder auch Naturkatastrophen
stattfinden. So ist der Kontinent Afrika in den Fokus von Massenflucht ge-
rutscht: Zum Beispiel fliehen jährlich ca. 60.000 Menschen aus Eritrea,
dem politisch repressivsten Staat mit einer Einwohnerzahl von gerade ein-
mal 6,5 Millionen (vgl. Klingholz/ Sievert 2014, S. 14).

Die Komplexität dieser Form von Wanderung zu verstehen, müssen die Ur-
sachen von Flucht systematisch betrachtet werden. Als wesentliche Ursa-
chen können an dieser Stelle Armut, Kriege und Gewalt hervorgehoben
werden, die nicht immer intern verursacht werden – sondern eben auch
durch externes/ globales Handeln begründet werden können.

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2.1.1       Armut/ wirtschaftliche Faktoren
Die auffallende Ungleichheit von Lebenschancen und Lebensverhältnissen
vieler Menschen auf der Welt, lässt sich besonders durch die bestehenden
Einkommensunterschiede zum Ausdruck bringen. Zum Ende des 20 Jahr-
hunderts vergrößerte sich die Kluft zwischen den nördlich und südlich gele-
genen Entwicklungsländern weiterhin. Die Gründe sind an dieser Stelle ne-
ben den diversen wirtschaftlichen, intern verursachten Problemen vieler
sogenannter Drittstaaten, auch die unsachgemäßen internationalen Rah-
menbedingungen. Mit der Liberalisierung der Waren-, Kapital- und Geld-
märkte, der Umgestaltung der Welt, wurde der Grundstock für die Mas-
senarmut in der sogenannten Dritten Welt gelegt. Viele dieser Länder ver-
schuldeten sich und fuhren fortan einen mit Auflagenbestimmten harten
Sparkurs, um unter anderem den Forderungen internationaler Großbanken
gerecht zu werden. Dies verstärkte sich zunehmend unter der Abnahme
der Rohstoffpreise, der Erhöhung der Zinsen für gewährte Kredite und der
schlechten Anbindung zu den Märkten des Nordens. Es ist unbestritten,
dass die hiesige koloniale Herrschaft ihr Übriges dazu getan hat. Bis heute
bestimmt die Irregularität der Wirtschaftsstrukturen dieser Länder ihre
Entwicklung, hervorgerufen durch Ausbeutung und Unterdrückung (vgl.
Seifert 2009, S. 152 f.). Auch die Chancen auf Bildung spiegeln die Un-
gleichheit der Welt wieder. So sind viele Familien beispielsweise auf den
Philippinen, von emigrierenden Familienmitgliedern abhängig, die im „rei-
chen“ Norden Arbeit gefunden haben und somit ihre Zurückgebliebenen
finanziell unterstützen (vgl. Gebauer 2015(Internetquelle)). So heißt es bei
Klingholz und Sievert: „Wenn der Wohlstand nicht zu den Menschen
kommt, kommen die Menschen zum Wohlstand.“ (Klingholz/ Sievert 2014
S. 18) So hat das Stichwort „brain drain“ für Afrika enorme Auswirkungen.
Laut Schätzungen wandern jedes Jahr 80.000 Menschen mit Berufs- oder
Universitätsabschlüssen, dank der Abwerbung in andere Länder ab (vgl.
medico international(Internetquelle)).

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2.1.2       Kriege und Gewalt
Schon in den Geschichtsbüchern wird von Gewalt, Kriegen und Menschen-
rechtsverletzungen und den damit einhergehenden Fluchtbewegungen be-
richtet. So sind Kriege und die ausgeübte Gewalt, als einer der stärksten
und ältesten Ursachen für Flucht zu sehen. Es „[…] befinden sich unter den
25 bedeutendsten Herkunftsländern von Flüchtlingen lediglich zwei, deren
Emigration nicht primär auf Kriege zurückzuführen ist“ (Gerdes 2015 (In-
ternetquelle)). Dies verdeutlicht auch der jährliche Bericht des Internatio-
nalen Stockholmer Friedensinstitut (SIPRI), in dem es heißt: „In den ver-
gangenen Jahren ist die Zahl innerstaatlicher Konflikte, die internationali-
siert wurden, gestiegen“ (Friedrich Ebert Stiftung (Internetquelle 2015).

3 Historie Asylrecht
Asylgewährung war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ein Privileg der Kir-
che. Erst mit der Französischen Revolution im Jahre 1793 änderte sich die-
ses, mit der Aufnahme des Asylrechts in die französische Verfassung.
Ein Thema des Völkerrechts, stellt Asyl erst seit dem 20 Jahrhundert, zu-
sammen mit internationalen Schutzrechten, für Flüchtlinge dar. (vgl. Sei-
fert 2009, S. 145) An dieser Stelle folgt ein Exkurs zur Entstehung des Asyl-
rechts. Dabei ist es zwingend notwendig, auf die Ebene der Europäischen
Union einzugehen.

3.1 Genfer Flüchtlingskonvention
Als die Welt erstmals mit sehr hohen Flüchtlingszahlen konfrontiert war,
entstand im Jahre 1951 die Basis des Asylrechts, die Genfer Flüchtlingskon-
vention. Auf Grund des brutalen Vorgehens des damaligen Naziregimes,
wurden aus den praktizierten Menschenrechtsverletzungen, Konsequenzen
gezogen. Die Genfer Flüchtlingskonvention stellt auch noch heute die Basis
des Asylrechts in vielen Ländern dar. In der Bundesrepublik Deutschland
wurde sie sogar im Grundrecht verankert. Dieses Grundrecht galt nur für
Ausländer, die sich auf der Flucht befinden (vgl. Seifert 2009, S. 153 f.). Mit
dem damaligen Art. 16 Abs. 2 GG: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“

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wurde ein uneingeschränkter subjektiver, somit einklagbarer Anspruch auf
Asyl für politisch Verfolgte geschaffen. (vgl. Münch 1993, S. 17)

3.2 Schengen I
1985 wurde mit dem Schengen I Abkommen der schrittweise Abbau der
Personenkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten beschlossen, mit dem
Hauptziel den gemeinsamen Binnenmarktes zu fördern (vgl. Seifert 2009,
S. 164).

3.3 Europäische Akte
In der einheitlichen europäischen Akte wurde erstmals, im Jahre 1986 eine
Reglementierung von „Nicht-EU Bürgern, Asylbewerbern und Flüchtlingen“
beschlossen. Als 1989 durch die in der Akte vereinbarte Grenzöffnung Eu-
ropas, eine Zunahme von Flüchtlingen zu verzeichnen war, wurde diese als
negative Auswirkung gekennzeichnet.

3.4 Schengen II /Dublin I
Die zur selben Zeit 1990 vereinbarten Abkommen, das Dublin I und Schen-
gen II führten zu einer Konkretisierung der differenten Steuerungs- und Re-
gulationsmuster der Mitgliedstaaten. So hatte die Schengen II Vereinba-
rung das Ziel, die oben beschriebenen negativen Auswirkungen im Bereich
der Einwanderung im Kontext der Binnenmarktöffnung zu mildern. Weiter-
hin wurden die Regelungen für die Zuständigkeit der Aufnahmeländer, so-
wie die Durchführung des Asylgesuches festgelegt. Zudem wurden visa-
pflichtige Staaten festgelegt und sich auf ein gemeinsames Visum geeinigt.
Das Dubliner Abkommen, auch Asylzuständigkeitsabkommen2 genannt,
welches 1997 in Kraft trat, konnte die angestrebte gemeinsame Asylpolitik
nicht verstärken. Die einzelnen verschiedenen nationalen Gesetze der Mit-
gliedstaaten fanden aber weiterhin Anwendung, welches das individuelle
Recht auf materielle Prüfung des Asylantrages verhinderte. Dieses Ab-

2
 Das Land indem ein Asylbewerber zuerst in die Europäische Union einreist, ist für die Be-
arbeitung des Asylantrages zuständig ist. Danach kann ein Mitgliedstaat einen Asylbewer-
ber in einen sicheren Drittstaat, durch den er gereist ist, zurückschicken.
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kommen stand oft in der Kritik der verschiedenen Hilfeorganisationen.
Durch die unter anderem formulierten „Kann-Regelungen“ in Bezug auf die
Zuständigkeit der Durchführung sowie der Anerkennung der Entscheidung
der Asylprüfung, gingen vielen Mitgliedstaaten ihre finanziellen Eigeninte-
ressen, im Bezug auf die Unterhaltskosten eines Flüchtlings, vor. Schließ-
lich stellten viele Asylsuchende gleich in mehreren Ländern einen Antrag
auf Asyl. Im schlimmsten Fall fanden die Flüchtlinge kein Aufnahmeland
und galten somit als staatenlos, beziehungsweise „Refugee in Orbit“. (vgl.
Seifert 2009, S. 166 ff.)

3.5 Londoner Resolution
Ein weiterer Steuerungsversuch stellte die Londoner Resolution I-III im Jah-
re 1992 dar. Mit diesem Instrument verschlechterte sich die Situation der
Flüchtlinge erneut. So wurden die Asylanträge aus den sogenannten „siche-
ren Herkunftsstaaten“ (siehe 4.2.2) nicht mehr geprüft und somit die An-
tragssteller sofort zurück geschickt. Diese Verfahrensweise stellt eine Ver-
letzung der Genfer Flüchtlingskonvention dar. (vgl. Seifert 2009, S. 169 f.)
Artikel 33 GFK- das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung besagt im
Absatz 1: „ Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling
auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zu-
rückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse,
Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein
würde“ (UNCHR 2015(Internetquelle). Zudem hat die Bundesrepublik
Deutschland auf Grundlage dieser Londoner Resolution und den Entwick-
lungen im Inland3 ihr Grundgesetz 1993 geändert und den Artikel 16a GG
geschaffen. Welcher ebenfalls eine Einschränkung für den Status Flüchtling,
in Deutschland bedeutet (vgl. Seifert 2009, S. 169 f). Mit diesem geänder-
ten Artikel und der Drittstaatenregelung wurde die Legitimation geschaf-

3
 Ab 1990 stiegen die Asylanträge massiv an, so verweist das Bamf 1993 auf knapp
440.000 Asylanträge in Deutschland. (vgl. Bamf 2015(Internetquelle)
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fen, allen Asylsuchenden die Einreise zu verweigern, die auf dem Landweg
nach Deutschland einreisen (vgl. Hemmerling 2015(Internetquelle)).

3.6 Maastrichter Vertrag
Der 1993 in Kraft getretene Maastrichter Vertrag stellt eine politische Auf-
gabenerweiterung der bisherigen Wirtschaftsgemeinschaft dar: die Grün-
dung der Europäischen Union (EU). Unter Berücksichtigung der Menschen-
rechtskonvention (MRK), der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sowie der
gemeinsamen Visumspolitik auf Basis des Schengen II Abkommens, wurde
unter anderem die Zusammenarbeit der gemeinsamen Asylpolitik voran-
gebracht und bis 2004 als Gemeinschaftsrecht für alle Unionsmitglieder
konzipiert.
An dieser Stelle sei vermerkt, dass die Unionsmitglieder die jeweiligen
Rechtsobjekte darstellen und nicht das Gemeinschaftsorgan Europäische
Union (vgl. Seifert 2009, S. 170f.).
Schließlich wurde am 29. April 2004 die Richtlinie 2004/83/EG durch den
Rat der EG erlassen, die unter anderem Mindeststandards für die Anerken-
nung von Flüchtlingen beinhaltetet – die Qualifikationsrichtlinien-QRL. Zu-
dem trat 2007 das Richtlinienumsetzungsgesetz in Kraft, welche Änderun-
gen im deutschen Asylrecht nach sich zog. Das Aufenthaltsgesetz sowie das
Asylverfahrensgesetz wurden unter diesen beiden Europarechtlichen Re-
gelungen geändert (vgl. Tiedemann 2015, S. 12 f.)

3.7 Dublin III
Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30.
Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durch-
führungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur
Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats,
der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mit-
gliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist. Diese weiterhin mit einigen
Neuerungen versehen ist, zum Beispiel: Fristen, Eilrechtsschutz, Schutz von
unbegleitete Minderjährige sowie die Zuständigkeit bei „systemischen

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  Mängeln“, im Zusammenhang „ASYL“ (vgl. UNHCR- Durchführungsverord-
  nung (EU) Nr. 118/2014- 2015(Internetquelle)).

  3.8 Aktuelle Statistik
   Zahlen des Statistischen Amts der Europäischen Union – Eurostat konsta-
  tiert für das Jahr 2014, dass in Deutschland jeder dritte Asylbewerber sei-
  nen Asylantrag stellt. Somit steht die Bundesrepublik im Kontext des Asyl-
  begehrens auf Platz eins, mit der höchsten Anzahl von Asylbewerbern, ge-
  folgt von Schweden und Italien. Wird die Bevölkerung des jeweiligen Mit-
  gliedstaates mit einbezogen und ins Verhältnis zu den Asylanträgen ge-
  setzt, befindet sich nun mehr Schweden auf dem ersten Rang, gefolgt von
  Ungarn und Österreich. Deutschland nimmt in diesem Zusammenhang le-
  diglich den Platz fünf, unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
  ein (vgl. eurostat 2015 (Internetquelle)).

                      Asylbewerber in den EU-Mitgliedstaaten

                                                                 Anzahl der
                                                       Anteil am
                                                                 Bewerber
                                                       EU-
               Anzahl der Bewerber                               pro
                                                       Gesamtwer
                                                                 Tausend
                                                       t (in%)
                                                                 Einwohner*
               2013          2014          Entwicklung 2014      2014
                                           2014/2013
                                           (in %)
EU             435 190       626 065       44%           100,0%     1,2
Belgien        21 030        22 710        8%            3,6%       2,1
Bulgarien      7 145         11 080        55%           1,8%       1,5
Tschech.       695           1 145         65%           0,2%       0,1
Republik
Dänemark       7 170         14 680        105%          2,3%       2,6
Deutschland    126 705       202 645       60%           32,4%      2,5
Estland        95            155           63%           0,0%       0,1
Irland         945           1 450         53%           0,2%       0,3
Griechenland   8 225         9 430         15%           1,5%       0,9
Spanien        4 485         5 615         25%           0,9%       0,1
Frankreich     66 265        62 735        -5%           10,0%      1,0
Kroatien       1 075         450           -58%          0,1%       0,1
Italien        26 620        64 625        143%          10,3%      1,1
Zypern         1 255         1 745         39%           0,3%       2,0
                               10
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

Lettland        195          375           92%           0,1%       0,2
Litauen         400          440           10%           0,1%       0,2
Luxemburg       1 070        1 150         7%            0,2%       2,1
Ungarn          18 895       42 775        126%          6,8%       4,3
Malta           2 245        1 350         -40%          0,2%       3,2
Niederlande     17 160       26 210        53%           4,2%       1,6
Österreich      17 500       28 035        60%           4,5%       3,3
Polen           15 240       8 020         -47%          1,3%       0,2
Portugal        500          440           -12%          0,1%       0,0
Rumänien        1495         1 545         3%            0,2%       0,1
Slowenien       270          385           43%           0,1%       0,2
Slowakei        440          330           -25%          0,1%       0,1
Finnland        3 210        3 620         13%           0,6%       0,7
Schweden        54 270       81 180        50%           13,0%      8,4
Ver.            30 585       31 745        4%            5,1%       0,5
Königreich
Island          125          170          36%          -            0,5
Liechtenstein   55           65           18%          -            1,8
Norwegen        11 930       13 205       11%          -            2,6
Schweiz         21 305       23 555       11%          -            2,9
                              (eurostat-Pressemitteilung 2015(Internetquelle))

  Aus territorialer Sicht ist es unmöglich, nach Deutschland einzureisen ohne
  einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu durchqueren. So-
  mit nimmt Deutschland eine Art Sonderposition im Kreise der Europäi-
  schen Union ein. Dennoch wird auf diesen wichtigen Fakt weder in den Eu-
  ropäischen Richt- noch Qualitätsrichtlinien eingegangen werden. Nach die-
  sem Grundsatz ist es für einen Flüchtling unmöglich, Deutschland auf dem
  Landweg zu erreichen. Daraus ergibt sich offensichtlich nur die Möglichkeit,
  über den Luftweg „NON STOP“ einzureisen.
  Nicht zuletzt deshalb wird Deutschland als ein Land mit einem ambivalen-
  ten Verhältnis zu seiner Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik gesehen. So
  wird der Bundesrepublik mit Sitz in der Mitte der EU, eine konzentrierte
  Abschottung und einen agilen hierarchischen Regelungsanspruch gegen-
  über den randständigen Ländern der EU vorgeworfen, welches sich in der
  Dublin III Verordnung manifestiert sieht. Die restriktiven Grundprinzipien
  der EU im Umgang mit Flüchtlingen, im Speziellen die Dublin III Verord-
  nung, wird trotz Kritik von nationalen wie europäischen Gerichtshöfen von
  allen Mitgliedstaaten weiter beibehalten (vgl. Küppers 2015, S. 18)

                               11
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

4 Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland
An dieser Stelle soll ein Einblick in die Rahmenbedingungen des dichoto-
men Aufenthaltsrechts, ein Verständnis für die verschiedenen Herange-
hensweisen der Bundesrepublik Deutschland und ihre Legislative, im Kon-
text von Zugewanderten, Flüchtlingen und Spätaussiedler geben.

4.1 Herkunftsländer
Unterschieden wird zwischen den Bürgern der Europäischen Union – (EU),
des Europäischen Wirtschaftsraums – (EWR), der Schweiz, Spätaussiedlern
und Menschen, die aus einem hier nicht erwähnten Land stammen (Dritt-
staaten).

Das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – Freizü-
gigkeitsgesetz/ EU – FreizügG/EU, welches am 01.01.2005 in Kraft getreten
ist, regelt für die Unionsbürger die Einreise und den Aufenthalt in den Mit-
gliedsstaaten der Gemeinschaft. „Die Freizügigkeit bedeutet zum einen,
dass jeder Unionsbürger grundsätzlich das Recht hat, sich in der Europäi-
schen Union frei zu bewegen, in jeden anderen Mitgliedstaat einzureisen
und sich dort aufzuhalten. Dieses Recht ist in Artikel 21 des Vertrages über
die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantiert“ (Bundesminis-
terium des Inneren 2015 (Internetquelle)). Derzeit umfasst die Europäische
Union folgende Länder: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Est-
land, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien,
Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Po-
len, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tsche-
chische Republik, Ungarn und Zypern.
Island, Liechtenstein und Norwegen werden zusätzlich zum Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) gezählt. (vgl. Auswärtiges Amt 2015 (Internetquel-
le)).
Artikel 12 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbür-
gern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) stellt dazu klar: „Dieses Ge-

                             12
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

setz gilt auch für Staatsangehörige der EWR-Staaten und ihre Familienan-
gehörigen im Sinne dieses Gesetzes“ Damit wird klar festgelegt, dass auch
die Staatbürger diese drei weiteren Länder, die Vorzüge der Freizügigkeit
nutzen können.

Die Schweiz, welche geografisch im Zentrum Europas liegt, besetzt eine Art
Sonderstatus, den eines privilegierten Drittstaates. Der Beitritt zum Euro-
päischen Wirtschaftsraum- EWR wurde 1992 durch die Schweizer Bevölke-
rung per Volksentscheid verhindert. Im gegenseitigen Interesse4 der EU
und der Schweiz, wurden sektor-spezifische Abkommen geschlossen, wel-
che sukzessiv in Kraft traten. Über den wirtschaftlichen Aspekt hinaus, be-
inhaltete das zweite Vertragspaket die Möglichkeit der Schweiz, über die
bisherige normative Beteiligung, an weiteren EU- Politiken teilzunehmen.
Asyl, das Schengen/Dublin Assoziierungs- sowie das Freizügigkeitsabkom-
men sind in diesen und folgenden Paketen inkludiert, welches den EU- Bür-
gern, die selben Einwanderungsrechte in der Schweiz einräumt, wie in Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union (vgl. Delegation der Europäischen
Union für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein
2015(Internetquelle)).

Die Spätaussiedler, die zu dem jetzigen Zeitpunkt nur noch eine Minderheit
der Zuwanderer ausmachen, sind deutsche Volkszugehörige, diese aus der
ehemaligen Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten kommen.
Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) stellt hierzu die rechtliche Basis für
ihre Aufnahme in Deutschland dar.

4.2 Drittstaaten
Die sogenannten Drittstaaten sind Staaten, welche weder Vertragspartner
der EU sind, noch als Mitglied der Europäischen Union fungieren.
An dieser Stelle ist zunächst zwischen positiven und negativen Drittsaaten
zu unterscheiden werden. Gemäß Art. 1 II EU-VisaVO i.V.m. Anhang II dür-

4
  8% ihrer Warenexporte und 6% ihrer Importe wickelt die EU mit der Schweiz ab. Inklu-
diert man zudem noch die Dienstleistungen- so kann man die Schweiz als den drittwich-
tigsten Wirtschaftspartner der EU bezeichnen (vgl. Delegation der Europäischen Union für
die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein 2015(Internetquelle)).
                                13
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

fen Positivstaatler sich bis zu drei Monate, ohne Visum (Aufenthaltserlaub-
nis) in der Bundesrepublik aufhalten.
Für die sogenannten Negativstaatler gilt laut Art. 1 I EU-VisaVO i.V.m. An-
hang I, die Visumspflicht und somit gelten die Bestimmungen des Aufent-
haltsgesetz AufenthG (vgl. EU-Visum-Verordnung - Aufenthaltsrecht.org
(Internetquelle)). Das Aufenthaltsgesetz regelt nicht nur die Einreise, den
Aufenthalt und die Erwerbstätigkeit von Ausländern sondern ebenfalls die
Maßnahmen zur Integrationsförderung.
Letztendlich spielen zwei Abkommen eine wesentliche Rolle im Kontext des
Asylantrages:

    x    Abkommen über sichere Drittsaaten
    x    Abkommen über sichere Herkunftsländer

4.2.1        Sicherer Drittstaat
Was ist unter „sicheren Drittstaaten“ zu verstehen? Nach Art. 16 a Abs. 2
Satz 1 Grundgesetz: „ kann sich auf das Grundrecht des Asylrechts nicht be-
rufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder
einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“

4.2.2        Sicheres Herkunftsland
Hingegen bezieht sich der Absatz 3 Satz 1 des 16 Artikels des Grundgeset-
zes auf die sicheren Herkunftsstaaten: „[…] solche Staaten, bei denen ge-
währleistet erscheint, dass weder politische Verfolgung noch unmenschli-
che oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.“ Auf Basis
dieser Rechtsnorm, man könnte sie auch Beweislastregelung5 nennen,
wurde die Rechtsfolge im Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) konstruiert. § 29a
legitimiert die Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzulehnen. So-

5
 Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei allen Ausländern, die ihren gewöhnlichen Auf-
enthalt oder ihre Staatsangehörigkeit in einem sicheren Herkunftsland verortet haben.
                                 14
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

mit erhielt die Exekutive der Bundesrepublik die gesetzliche Erlaubnis die
Asylsuchenden sofort auszuweisen und an diese Länder zurückzuführen.

4.3 Rechtsstellungen (Status) eines Flüchtlings
Wie oben aufgeführt, kann in Deutschland sich nur der auf das bestehende
Asylrecht berufen, wer über Luft oder Meer nach Deutschland kommt oder
aus einem Verfolgerland stammt. Angekommen in Deutschland müssen
Flüchtlinge einen Asylantrag stellen, damit ihr Recht auf Aufenthalt geklärt
werden kann. Zuständig für die Entscheidung ist das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge- BAMF. Gegen die Entscheidung des BAMF kann vor
dem zuständigen Verwaltungsgericht geklagt werden.
Das Aufenthaltsgesetz und das Asylverfahrensgesetz bilden die deutsche
Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben der Qualifikationsrichtlinien.
Die Darstellung des materiellen Flüchtlingsrechts der Bundesrepublik
Deutschland, erweist sich als eine sehr komplexe Rechtsmaterie. Geschul-
det ist dieser Tatbestand, der Aufrechterhaltung des bisher geschaffenen
Regelungssystems, welches durch eine schrittweise vollzogene Erneuerung
zunehmend unübersichtlicher wird. (vgl. Tiedemann 2015, S. 88)
Aus der geschichtlichen Entwicklung ergeben sich bis dato der Nieder-
schrift sechs verschiedene Rechtsstellungen eines Flüchtlings, in der Bun-
desrepublik Deutschland, welche nachfolgend betrachtet werden.
            1.) Status des „Asylberechtigten“.
Aus dem Grundgesetz Artikel 16a heraus entsteht der Status des Asylbe-
rechtigten. Dazu äußert sich das Bundesministerium des Innern auf seiner
Internetseite: „Das ist Ausdruck für den Willen Deutschlands, seine histori-
sche und humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen zu er-
füllen“ (vgl. Bundesministerium des Innern 2015(Internetquelle)). Jedoch
stellt dieser sogenannte „Status“ des Asylberechtigten, in der Rechtstellung
keinen Unterschied zu einem Flüchtling nach der GFK dar. (vgl. § 2 Abs.1
AsylVfG) Lediglich aus den tatbestandlichen Voraussetzungen, deren Erfül-
lung entscheidungsgebend ist, werden Unterschiede sichtbar. Daraus
ergibt sich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG.
                             15
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

             2.) Status „Flüchtling“.
Aus der seit 1951 geltenden Genfer Flüchtlingskonvention über die Rechts-
stellung der Flüchtlinge, entstand der Status des Flüchtlings im Sinne des §
3 AsylVfG. Maßgebend für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaften
ist der § 31 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 4 AsylVfG. Allerdings sind darin etliche In-
klusions- und Exklusionsklauseln6 enthalten, die es zu erfüllen oder eben
nicht zu erfüllen gilt, um den Status „Flüchtling“ gerecht zu werden. Ist die
Anerkennung geschafft, folgt die Aufenthaltserlaubnis nach § 25.2
AufenthG.
             3.) Status des „subsidiären Schutzberechtigten“,
nach § 60 Abs. 2 AufenthG. Das subsidiäre Recht, welches mit "behelfsmä-
ßiges Recht" übersetzt werden kann findet Anwendung, wenn schwer wie-
gende Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben drohen aber weder das Asyl-
recht noch der Flüchtlingsschutz greift. Artikel 2 lit. e der Qualifikations-
richtlinie des Unionsrechts bestimmt in seiner Begriffsbestimmung dazu:
„Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz« einen Drittstaatsangehöri-
gen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerken-
nung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die An-
nahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland
oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen
Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne
des Artikel 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine
Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch
nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;“
Der Artikel 4 des Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) definiert im deutschen
Asylrecht die subsidiäre Schutzberechtigung. Eine Aufenthaltserlaubnis
wird nach dem § 25 Abs. 3 AufentG. erteilt.
             4.)      Status für Familienmitglieder von Asylberechtigten,
Flüchtlingen und subsidiären Schutzberechtigte“

6
 Inklusionsklausel bezeichnet positive Bedingungen einer Regelung. Exklusionsklausel be-
stimmt die negativen Bedingungen einer Regelung. (vgl. Tiedemann 2015, S. 58)
                                16
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

anspricht. Hierzu gelten die Rechtsnorm § 26 Abs. 1–4 Asylverfahrensge-
setz sowie der § 26 Abs. 5 AsylVfG.
               5.)      Schließlich wurde eine singuläre Rechtsposition der „Ab-
schiebungsschutzberechtigten“,
auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK ) von
1950, geschaffen. Der§ 60 Abs. 5 AufenthG. stellt die deutsche gültige
Rechtsnorm dazu dar. Zu unterscheiden ist an dieser Stelle das zielstaats-
bezogene7 und das inlandsbezogene8 Abschiebungsverbot. Relevant für
die Entscheidung nach dieser Rechtsposition, beschlossen durch das BAMF,
ist nur die Prüfung des „zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses“.
(vgl. Tiedemann 2015, S. 76), Auch hier wird eine Aufenthaltserlaubnis
nach § 25.3 erteilt.
               6.) Status „Abschiebungsschutzbegünstigten“
Hier findet der § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Anwendung und zwar, wenn
wie im Artikel zu lesen: „[…] für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete
Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht“. Mit dieser Rechtsnorm wird
lediglich von der Abschiebung abgesehen, allerdings besteht darauf kein
Rechtsanspruch und kann für eine Höchstdauer von 6 Monaten gewährt
werden. In Ausnahmefällen kann für einen längeren Zeitraum dem Schutz-
suchenden ein Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG. durch die Lan-
desbehörde erteilt werden. (vgl. Tiedemann 2015, S. 77f.)
Zu guter Letzt soll darauf hingewiesen, dass der § 31 Abs. 3 S.1 AsylVfG das
BAMF legitimiert, über die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs.
7 S. 1 AufenthG mit einem Verwaltungsakt zu bestimmen.

Aus diesen verschiedenen Arten der Rechtsstellung eines Flüchtlings, erge-
ben sich unterschiedliche Aufenthaltserlaubnisse eines Ausländers in
Deutschland.

7
    Beispielsweise, im Herkunftsland unfaire Prozessführung
8
    Beispielsweise im Kontext der Familieneinheit, berührt würde der § 6 GG
                                  17
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

4.4 Arten der Aufenthaltserlaubnis gemäß AufenthG
Im Artikel 4 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetz wird bestimmt: „Ausländer
bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Auf-
enthaltstitels[…]“ Damit ist eine befristete, zu einem bestimmten Zeck be-
stimmte Aufenthaltserlaubnis gemeint, welche durch die Ausländerbehör-
den der Bundesrepublik Deutschland erteilt werden.

Die Bearbeitung und somit die Zuständigkeit liegt in den Händen des BAMF
sowie der Ausländerbehörde. Für die Asylsuchenden im Asylverfahren wird
die Aufenthaltsgestattung als Status vermerkt. Innerhalb dieser Zeit bezieht
der Statusinhaber, Leistungen des deutschen Staates nach dem Asylbewer-
berleistungsgesetz- AsylblG.
Bei einer negativen Entscheidung des Asylgesuches, aber vorliegenden Ab-
schiebehindernissen, wie z.B. Bürgerkrieg im Herkunftsland, gesundheitli-
che Gründe oder Passlosigkeit, bezieht der Antragsteller den Status eines
„Geduldeten“. § 60a Aufenthaltsgesetz- AufenthG regelt die vorrüberge-
hende Aussetzung der Abschiebung. Auch hier werden Leistungen nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt. Durch einen längerfristigen
Aufenthalt in der Bundesrepublik kann diesen Flüchtlingen ebenfalls eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Relevant sind dazu der § 23 Abs. 1
AufentG sowie § 23a AufenthG.
Folgende Paragrafen bestimmen positive Entscheidungen:

 ƒ   §§16-17 AufenthG bestimmen den Aufenthalt zum Zweck einer Aus-
     bildung in Deutschland.
 ƒ   §§18-21 AufenthG regeln den Aufenthalt zum Zweck der Arbeit.
 ƒ   §§37-38 AufenthG verfügen über ehemalige Deutsche, die nach
     Deutschland zurückkehren wollen.
 ƒ   §§22-26 AufenthG klären den Aufenthalt in Deutschland aus völker-
     rechtlichen, humanitären oder politischen Gründen.
 ƒ   §§27-36 AufenthG lenken die Zuwanderung aus familiären Gründen.

                             18
Bachelorthesis im Studiengang Soziale Arbeit - Kathleen Ludwig

Aus diesen dargelegten Fakten ist erkennbar, dass die Bundesrepublik
Deutschland für alle Eventualitäten im Kontext eines Asylbegehrens eine
Lösung per Gesetz parat hält.
Zum aktuellen Stand ist auf der Internetseite des BAMF zu lesen: „Im Jahr
2014 nahm das Bundesamt 173.072 Asylerstanträge entgegen. Im Ver-
gleich zum Jahr 2013 mit 109.580 Erstanträgen bedeutet dies einen Zu-
wachs von 57,9 Prozent. Auch die Zahl der Folgeanträge stieg im Jahresver-
gleich von 17.443 auf 29.762 Folgeanträge (+70,6 Prozent). Damit sind mit
insgesamt 202.834 Asylanträgen 59,7 Prozent mehr als im Vorjahr einge-
gangen“. Weiterhin: „Im Jahr 2014 konnte bei 40.563 von 128.911 ent-
schiedenen Verfahren den Antragstellern ein Schutzstatus gewährt wer-
den. Die Gesamtschutzquote für alle Herkunftsländer lag bei 31,5 Prozent“
(Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015(Internetseite)).
Zudem gibt das Statistische Bundesamt für Deutschland, basierend auf Zah-
len des Ausländerzentralregisters – AZR, die folgende Tabelle bekannt.

Ausländische Bevölkerung am 31.12.2014 nach aufenthaltsrechtlichem
Status

                             Aufenthaltsrechtlicher Status                 Anzahl

.

Ausländische Bevölkerung insgesamt                                        8 152 968

    EU-Staatsangehörige                                                   3 672 394

    EU-Drittstaatsangehörige                                              4 480 574

        mit Aufenthaltsstatus nach altem Recht (Ausländergesetz 1990)

            Aufenthaltstitel zeitlich befristet                             42 062

            Aufenthaltstitel zeitlich unbefristet                          252 360

        mit Aufenthaltsstatus nach neuem Recht (Aufenthaltsgesetz 2004)

                                       19
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Ausländische Bevölkerung am 31.12.2014 nach aufenthaltsrechtlichem
Status

                         Aufenthaltsrechtlicher Status                     Anzahl

         Aufenthaltserlaubnis (zeitlich befristet)                        1 263 057

            zum Zweck der Ausbildung                                       175 119

            zum Zweck der Erwerbstätigkeit                                 112 710

            völkerrechtliche, humanitäre, politische Gründe                240 955

            familiäre Gründe                                               646 600

            besondere Aufenthaltsrechte                                     87 673

            Niederlassungserlaubnisse (zeitlich unbefristet)              2 200 038

            Sonstige Fälle                                                 141 862

            EU -Recht, EU -Aufenthaltstitel/Freizügigkeitsbescheinigung     60 917

            Duldung                                                        112 767

            Aufenthaltsgestattung                                          177 900

            Ohne Aufenthaltstitel, Duldung oder Gestattung

(Statistisches Bundesamt: Ausländische Bevölkerung 2015 Internetquelle)

Diese Zahlen, bezüglich der Antragstellung auf Asyl von Flüchtlingen und
deren Entscheidungen sowie die oben dargestellten gesetzlichen Vorgaben
sprechen für ein Willkommen von Flüchtlingen in Deutschland. So präsen-
tiert sich die Bundesrepublik als ein Land, welches nicht nur seiner humani-
tären Verpflichtung nachkommt, sondern darüber hinaus sich für das
Schicksal Tausender interessiert, vielmehr sich verantwortlich fühlt.

Die Entscheidungen innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen spie-
gelt jedoch nur eine Seite der Medaille wider, man könnte sie auch als den
theoretischen Teil des Asylrechts bezeichnen. Wie schaut es dann mit der

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praktischen Umsetzung des Asylverfahrens, den Lebens- und Arbeitsbedin-
gungen der Flüchtlinge aus?
Eine Bertelsmann Studie, die am 26.05.2015 veröffentlicht wurde, zeigt
auf, dass in keinem anderen EU-Land die Bearbeitungszeiträume der Asyl-
anträge, so lange dauern wie in Deutschland. So konstatiert die Studie,
dass Ende 2014 -221.195 Flüchtlinge, auf eine endgültige Entscheidung ih-
res Asylantrages warten. So wird an dieser Stelle festhalten, dass ein
durchschnittliches Asylverfahren eine Bearbeitungsdauer von 7,1 Monate
aufweist.
Diese lange Bearbeitungsdauer ist auf personelle Engpässe auf Ebene des
Entscheidungsträgers zurückzuführen, welche gleichzeitig dazu beitragen,
dass auch die Fehlerquote der Entscheidungen hoch ist – so landeten 13
Prozent dieser Entscheidungen 2013 vor Gericht und mussten, korrigiert
werden mussten. (vgl. Bertelsmann Stiftung 2015(Internetquelle)). „Die
Zahl der Asylbewerber wird voraussichtlich weiter steigen. Deshalb ist es
richtig, dass auf dem Flüchtlingsgipfel Anfang Mai in Berlin dem BAMF
2.000 zusätzliche Stellen zugesagt wurden“ so die Äußerungen des Vor-
standsmitglieds der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger. (vgl. ebenda)

5 Unterbringung
Bezogen auf die Art der Unterbringung gibt es in der Bundesrepublik
Deutschland vier Möglichkeiten für Asylbewerber.

   x   die (Erst-) Aufnahmeeinrichtung
   x   Gemeinschaftsunterbringung
   x   dezentrale Unterbringung
   x    Unterbringung für Personen mit besonderen Schutzbedürfnissen

Auf Bundesebene sind für die Unterbringung der Asylsuchenden das Asyl-
verfahrensgesetz, das Aufenthaltsgesetz und das Asylbewerberleistungsge-
setz relevant.

„Für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnah-
meeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten […]“ dazu sind nach § 44
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Abs. 1 AsylVfG die Bundesländer verpflichtet. In diesem Artikel des Asylver-
fahrensgesetzes wird die Erstaufnahmeeinrichtung angesprochen, in der
die Asylbewerber sich melden müssen, um ihren Asylantrag beim BAMF zu
stellen.

Um die Aufnahmequote der einzelnen Bundesländer zu berechnen, wird
der Königsteiner Schlüssel herangezogen. Dieser setzt sich wie folgt zu-
sammen: „[…] zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und zu einem
Drittel aus der Bevölkerungszahl der Länder […]“ (Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge 2015 (Internetquelle)). Auf diese Weise sollen die mit der
Aufnahme verbundenen Lasten, angemessen verteilt werden. Die bundes-
weite Verteilung auf die 16 Länder, erfolgt unter Einbezug des Königsteiner
Schlüssels sowie nach dem Verteilungssystem „EASY“ -Erstverteilung der
Asylbegehrenden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2014, S. 6).
Weiterhin regelt der Artikel 47 des Asylverfahrensgesetz die Verpflichtung
der Asylsuchenden, in diesen Einrichtungen bis zu sechs Wochen, längstens
jedoch bis zu drei Monaten zu verbleiben. Im Asylverfahrensgesetz sind
weder Größe, Beschaffenheit noch Ausstattungsqualität der Erstaufnah-
meeinrichtung festgelegt. In Mecklenburg Vorpommern befindet sich auf
dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung in Horst, eine Landesgemein-
schaftsunterkunft -LGU. Hier ist die Dauer des Aufenthalts auf 12 Monate
begrenzt. In diesen Einrichtungen erhalten die Asylbewerber vorrangig
Sachleistungen zur Deckung des existenzsichernden Bedarfs. Anschließend
folgt eine landesinterne Verteilung in die kommunalen Gebietskörperschaf-
ten.
Die den Kommunen, vom Land zur Verfügung gestellten Mittel, bedingen
die Ausgestaltung und Qualität der Unterbringungsmöglichkeiten von
Flüchtlingen. Derzeit klagen kommunale Spitzenverbände über die Höhe
der Erstattung der Kosten für diese Unterbringung. So sind Kommunen mit
Haushaltsproblemen mehr oder weniger gezwungen, die Ausgestaltung der
Unterbringung von Flüchtlingen, so kostengünstig wie möglich zu gestalten.
(vgl. Wendel 2014 S. 33ff.)

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Schließlich sei noch der § 53 Abs. 1 S. 1 AsylVfG erwähnt. Aus diesem Bun-
desrecht kann keine Wohnsitzauflage in Gemeinschaftsunterkünfte abge-
leitet werden, denn es heißt: „[…] in der Regel in Gemeinschaftsunterkünf-
ten“ zudem verdeutlicht der Satz 2 dieses Paragrafens das: „[…] das öffent-
liche Interesse als auch Belange des Ausländers zu berücksichtigen“ seien.
Und doch haben einige Länder der Bundesrepublik ein Vorbehaltsrecht von
Gemeinschaftsunterkünften rechtlich gesichert.

5.1 Exkurs Mecklenburg Vorpommern
In Mecklenburg Vorpommern regelt das Flüchtlingsaufnahmegesetz –FlAG
in Artikel 4 unter welchen Bedingungen die Gemeinschaftsunterkünfte be-
trieben werden können. Im ersten Absatz dieses Artikels heißt es: „Die
Landkreise und kreisfreien Städte sind verpflichtet, für die regelmäßige
Aufnahme […] ausländischer Flüchtlinge ausreichende Gemeinschaftsun-
terkünfte vorzuhalten.“(Mecklenburg- Vorpommern Dienstleistungsportal
2015 (Internetquelle)). Weiterhin: „ Der Innenminister wird ermächtigt,
durch Rechtsverordnung Mindestanforderungen an die Art, Größe und
Ausstattung der Unterkünfte festzulegen.“(Mecklenburg Vorpommern
Dienstleistungsportal 2015(Internetquelle)). Einen verbindlichen Rahmen
stellt hierzu die Gemeinschaftsunterkunftsverordnung Mecklenburg Vor-
pommern, GUVO MV dar. Der § 3 dieser Verordnung ist eine Soll-
Vorschrift, so wird im Abs. 1 S. 2 festgehalten, dass eine Fläche von 6 m²
pro Bewohner zur Verfügung stehen muss. (vgl. Mecklenburg Vorpommern
Dienstleistungsportal 2015 (Internetquelle)). Satz 1 dieses Artikels be-
stimmt: „In einem Raum sollen nicht mehr als sechs Bewohner unterge-
bracht werden.“ (§ 3 Abs. 2 S. 1 GUVO MV). Mit diesen Verordnungen ver-
pflichtet sich Mecklenburg- Vorpommern, als eines der wenigen Bundes-
länder überhaupt, einen Mindeststandard festzuhalten. Ob dies jedoch
humanitäre Bedingungen darstellt ist, wenn man den § 6 der deutschen
Tierschutzverordnung, welche Anforderungen an die Zwingerhaltung ent-
hält, fraglich. Denn in diesem Artikel sind ebenfalls Mindestanforderungen
an die Unterbringung formuliert- allerdings von Tieren. So wird verdeut-
licht, dass einem Tier mit einer Widerristhöhe von 65 cm mindestens eine
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Fläche von 10 Quadratmetern zur Verfügung stehen muss. So führt Wendel
auf: „Die Mindeststandards und Leitlinien sind verwaltungsinterne Vor-
schriften, die für die direkt Betroffenen, die Bewohner/innen der Gemein-
schaftsunterkünfte, in den seltensten Fällen eine praktische Relevanz ha-
ben“ (Wendel 2014 S. 51)

5.2 Zelt- / Containerlager
Derzeitige hohe Flüchtlingszahlen überfordern Kommunen und Länder und
ihre Kapazitäten hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen in
Deutschland. (siehe 5.0)

Die über Jahre hinweg abgebauten Unterkunftskapazitäten und die unter-
lassene Planung in Verbindung mit der Zunahme der Asylanträge in
Deutschland, stellen nun in der praktischen Umsetzung für die Bundeslän-
der und ihre Landkreise, große Problem dar.
Zelte, Turnhallen oder Wohncontainer dienen als Kompromisslösung zur
kurzzeitigen Entlastung, sind aber keines falls menschenrechtlich, ökono-
misch noch langfristig vertretbar (vgl. Wendel 2014, S. 6 f.).
Ziel, solcher Notunterkünfte ist, dass Asylsuchende in Deutschland nicht in
die Wohnungslosigkeit geraten. Eine zeitliche Höchstdauer zum Verbleib in
solchen Notunterkünften kann zum derzeitigen Stand nicht gegeben wer-
den. Weiterhin soll einmal jährlich Qualitätsstandards in den Notunterkünf-
ten überprüft werden. Diese richten sich nach den Qualitätsstandards für
Gemeinschaftsunterkünfte (vgl. Polis 2015 (Internetquelle)).
Der Flüchtlingsrat Berlin hat dazu folgendes in seiner Pressemitteilung ge-
sagt: „Aktuell werden in Berlin von 62 Unterkünften für Asylsuchende 22
als "Notunterkünfte" deklariert und unter Nichteinhaltung der geltenden
Mindeststandards belegt, darunter Schulen, Bürogebäude, zwei Tragluft-
hallen und sieben Turnhallen“ (Flüchtlingsrat Berlin 2015 (Internetquelle)).
Zusätzlich vermerkte dieser, dass bis zu 200 Personen in einem Raum un-
tergebracht werde und weder Privatsphäre noch Rückzugsmöglichkeiten
geschaffen sind. Ferner es mangelt unter Anderen, an ausreichenden Mög-
lichkeiten im Kontext der Hygiene (Wäsche), es fehle fachlich qualifiziertes

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