Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht

 
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Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
Film: Jung und Jüdisch in
  Baden-Württemberg
    Materialien zum Einsatz des Films im Unterricht
Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
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Inh a lt

Vorworte
Dr. Michael Blume                                                                 4
Regisseur Willi Kubica                                                            5

Teil 1: Hintergrundwissen und didaktische Em pfehlungen

1. Der Film im Unterricht (Sybille Hoffmann)                                      6

2. Hintergrundtexte
		 2.1. FAQs zum Einsatz des Films in heterogenen Lerngruppen                     9
			     (Dr. Robert Ogman, Sybille Hoffmann)
		 2.2. Mediale Repräsentationen von Jüdinnen und Juden                          13
			     (Dr. Robert Ogman)
		 2.3. Podcast: Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945 –                      15
			     Rückblick, Istzustand und Perspektive
			     (Laura Cazés, Susanne Benizri, Torsten Rottberger)
		 2.4. 321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland                      16
			     (Daniel Felder)

Teil 2: Unterrichtsvorschläge                                                    19

3. Vorschlag 1: Arbeit mit dem ganzen Film (Carsten Arbeiter, Daniel Felder)
		 3.1. Tabellarischer Stundenverlauf                                            21
		 3.2. Hinweise zum Stundenverlauf                                              22
		 3.3. Materialien                                                              24

4. Vorschlag 2: Arbeit mit dem gekürzten Film (Yvonne Engist, Judith Schürmer)
		 4.1. Tabellarischer Stundenverlauf                                            39
		 4.2. Hinweise zum Stundenverlauf                                              40
		 4.3. Materialien                                                              43

5. Literaturverzeichnis                                                          50

Impressum                                                                        54

                                                                                            3
Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
im Jahr 321 erließ Kaiser Konstantin ein Edikt, das auch Juden            wer das Leben junger Menschen nur auf Grabsteine und traurige
zur Übernahme von Ämtern in der Kurie und der Stadtverwal-                Musik reduziert, bestreitet ihnen Leben, Würde und Vielfalt.
tung Köln verpflichtete. Dies gilt heute als frühester Beleg für          Deswegen hat das Staatsministerium sich ganz bewusst als offi-
die Existenz jüdischer Gemeinden nördlich der Alpen. In diesem            ziellen Beitrag des Landes Baden-Würrtemberg zum Festjahr für
Jahr feiern wir deshalb bundesweit 1700 Jahre jüdisches Leben in          einen Film entschieden, in dem junge, jüdische Baden-Württem-
deutschen Landen.                                                         bergerinnen und Baden-Württemberger selbst zu Wort kommen!

Dieses Jubiläum wollen auch wir in Baden-Württemberg                      Nutzen wir das Festjahr also, um das Erinnern und Würdigen
zum Anlass nehmen, um die Geschichte jüdischen Lebens und                 nicht zu vernachlässigen und beim aktuell sichtbaren Antisemitis-
seine tiefe Verwurzelung im Land zu würdigen. Denn zu oft                 mus klare Kante zu zeigen. Der vorliegende Film „JUNG UND
wird die Geschichte des Judentums auf die Aspekte von Leid                JÜDISCH IN BADEN-WÜRTTEMBERG“, der in Kooperation
und Verfolgung reduziert. Und die letzten Monate zeigen                   mit der Filmakademie Baden-Württemberg entstanden ist, legt
deutlich, dass der Antisemitismus als Verschwörungsmythos                 einen Schwerpunkt auf das junge jüdische Leben in unserem Bun-
gegenüber Jüdinnen und Juden selbst Jahrzehnte nach der                   desland. Es ist beeindruckend, wie viele facettenreiche Geschich-
Schoa nicht verschwunden ist.                                             ten sich aus den Ansichten und Erzählungen der Protagonistinnen
                                                                          und Protagonisten abbilden lassen! Ich hoffe, der Film lädt zu
Aber gerade auch junge Menschen wollen beim Aufbau ihrer                  zahlreichen spannenden Diskussionen und Erkenntnissen ein –
jeweiligen, komplexen Identität nicht bemitleidet, sondern res-           im Unterricht und darüber hinaus.
pektiert werden. Die junge Ezidin Nadia Murad, die im Irak die
Zerstörung ihres Dorfes Kocho und selbst schlimme Gewalt erlitt,          Ich danke dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, das die
sagte mir dazu einmal: „Ich stehe dafür, dass uns die Leute nicht         Erstellung dieser Broschüre ermöglicht hat und dem Zentrum für
als Opfer anschauen, sondern als Überlebende.“ Da begriff ich,            Schulqualität und Lehrerbildung für die gelungene Umsetzung.
dass es bei der Erinnerung an Leid auch darum gehen muss,                 Lassen Sie uns 2021 als Chance wahrnehmen und einen Fokus
Kraft für ein besseres, gerechteres Morgen zu schöpfen – für alle         auf das Miteinander legen, um voneinander zu lernen – für eine
Menschen. Wer das Judentum oder sonst eine Gemeinschaft,                  bessere und gemeinsame Zukunft!

                                                                    Ihr

                                                             Dr. Michael Blume
                                Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus

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Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer,
in diesem Schreiben möchte ich eine Erkenntnis mit Ihnen teilen,        Die Protagonistinnen und Protagonisten werden damit nicht nur
die ich im Laufe der Arbeit an diesem Film gemacht habe. Ich bin        auf ihr Jüdischsein reduziert, sondern verweisen allgemein auf
der Überzeugung, dass niemand, der oder die sich als Nicht-Jude         die Herausforderungen einer modernen Welt – aber in einem
bzw. Nicht-Jüdin dem „Deutschen“ zugehörig empfindet, unbe-             lockeren und zwanglosen Ton. Mein Ziel war es immer, dass man
fangen auf das Thema Judentum reagiert.                                 am Ende des Films sagt: „Das hat Spaß gemacht“ – und nicht be-
                                                                        tretenes Schweigen im Walde herrscht. Das heißt nicht, dass die
Ich selbst war mir vor dem Beginn des Projekts nicht bewusst,           schweren Noten des Themas einfach ignoriert und nicht gespielt
wie stark ich diese Befangenheit empfinde: Verunsicherung,              werden, aber es geht um die Frage, wie bunt die Melodie ist, die
Berührungsängste. Das ist ein unangenehmes Gefühl, das man              erklingt – und diese hier ist nicht in Moll verfasst.
am liebsten nicht spüren will und am leichtesten loswird, indem
man sich nicht mehr mit dem Judentum beschäftigt. Doch das              Und ja: Die Themen und Fragestellungen jüdischer Menschen in
ist natürlich ein Teufelskreis, der sich auch noch immer wieder         Deutschland mögen bisweilen überfordern und für andere nicht
durch schwere, traurige und düstere Reportagen und Nachrichten          zwingend sofort nachvollziehbar sein – aber: Das ist völlig okay.
vertieft. Befangen ein Filmprojekt umzusetzen ist nicht möglich.        Denn ist das nicht häufig der Fall? Ist das nicht sogar die Regel?
Ich habe die anfängliche Berührungsangst überwunden und bin             Egal, mit welchem Menschen man es gerade zu tun hat? Ist man
sehr froh darüber.                                                      nicht jedes Mal befangen, wenn man die Welt des Gegenübers
                                                                        nicht komplett versteht? Manchmal mehr, manchmal weniger.
Seien Sie versichert: Dieser Film ist nicht düster, bedrückend,         Aber es ist eine Konstante im menschlichen Austausch, die uns
schwarz-weiß und traurig. Dabei fokussiert er sich nicht aus-           doch ansonsten auch nicht abschreckt.
schließlich auf die jüdische Identität der Protagonistinnen und
Protagonisten, sondern auf Fragen, die die junge Generation             Legen wir also die Befangenheit im Umgang mit jüdischem
allgemein betreffen, und das auf eine teils selbstironische,            Leben ab. Gegen den Teufelskreis. Ich denke, dieser Film kann
augenzwinkernde Art und Weise. Kleine Spleens und Eigenarten            auf humorvolle und abwechslungsreiche Art und Weise dabei
werden genauso gezeigt wie jüdische Themen.                             helfen.

                                                        Beste Grüße und viel Spaß,
                                                                   Ihr
                                                                Willi Kubica
                                                                Filmregisseur

                                                                                                                                             55
Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
Teil 1:
Hintergrundwissen und didaktische Empfehlungen
                              1. Der Film im Unterricht
                                                    (Sy bille H offma nn)

        Der Film „JUNG UND JÜDISCH IN BADEN-WÜRT-                     wie individuelle Aspekte (z. B. Zukunftswünsche,
        TEMBERG“ von Willi Kubica setzt den Fokus des                 Berufsziele, Hobbies, Abneigungen, Religiosität, gesell-
        Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“        schaftliches Engagement etc.). Die Leitfrage könnte hier
        weniger auf die Vergangenheit als auf die Gegenwart und       in etwa lauten: Was verbindet uns jenseits von Religion
        Zukunft jüdischen Lebens, die von uns allen gemeinsam         und kulturell/ ethnischer Herkunft? Wo sind wir gleich?
        gestaltet werden kann. Die sympathischen, reflektierten       Wo finde ich mich wieder? Andererseits sollten auch
        jungen Protagonistinnen und Protagonisten und die             die spezifischen Erfahrungen, die die Protagonistinnen
        vielen für Jugendliche hochaktuellen Themen, die der          und Protagonisten des Films als Jüdinnen und Juden und
        Film anspricht, machen ihn für die Fächer Deutsch,            Minderheit in Baden-Württemberg machen, thematisiert
        Geschichte, Gemeinschaftskunde und Religion gleicher-         werden. Nicht um jüdisches Leben als solches zu proble-
        maßen attraktiv. Um mit den Worten des Regisseurs zu          matisieren oder dieses als „anders“ zu markieren, sondern
        sprechen, geht es vor allem um „die nächsten 1700 Jahre“      um jüdische Lebenswelten und Alltagserfahrungen sicht-
        und was wir aus ihnen machen.                                 bar zu machen und Perspektivwechsel zu ermöglichen
                                                                      (ob sie dadurch für Nichtjüdinnen und -juden „erlebbar“
        Im Film lernen wir junge jüdische Erwachsene aus              werden, wie im Vorspann des Films ironisierend ange-
        Baden-Württemberg und ihre individuellen Erfahrun-            kündigt wird, sei dahingestellt).
        gen, Deutungen und Wünsche für die Gegenwart und
        Zukunft kennen. Dabei werden ganz verschiedene Pers-          Das Verständnis dafür, dass Menschen in einer vielfälti-
        pektiven sichtbar – Unterschiede zwischen der jüngeren        gen Gesellschaft unterschiedliche Erfahrungen machen,
        und älteren Generation werden genauso thematisiert wie        ist für differenzsensible Bildung grundlegend und sollte
        verschiedene Blickwinkel, Positionierungen und Iden-          im heterogenen Lernraum angebahnt werden. Wenn
        titätskonstruktionen der jungen Erwachsenen im Film.          Eva, Hanna und Sami im Film z. B. über Fremdzuschrei-
        Beim Zuschauen wird deutlich, dass die Protagonistin-         bungen und Erwartungshaltungen der nichtjüdischen
        nen und Protagonisten des Films Erfahrungen machen,           Mehrheitsgesellschaft gegenüber Jüdinnen und Juden
        die einerseits große Schnittmengen mit dem Alltag und         sprechen, wird auch deutlich, dass unterschiedliche
        der Lebenswelt nichtjüdischer junger Erwachsener              Menschen damit unterschiedlich umgehen und dass es
        aufweisen (können) und andererseits spezifisch jüdisch        nicht „die“ richtige oder falsche Strategie geben kann.
        sind. Genau hierin liegen Chance und Herausforderung          Die übergeordneten Leitfragen könnten hier lauten: Was
        der Thematisierung des Films im Unterricht, ganz im           sind wiederkehrende Erfahrungen jüdischer Jugendli-
        Sinne differenzsensibler Pädagogik: Einerseits gilt es, die   cher in Deutschland? Wie deuten die Jugendlichen diese
        Gemeinsamkeiten der jungen Menschen im Film mit den           Erlebnisse? Und wie gehen sie damit (auch proaktiv) um?
        Jugendlichen im Klassenzimmer herauszuarbeiten und
        zu besprechen. Kollektive Herausforderungen wie z. B.         Über den Vergleich mit spezifischen Erfahrungen
        die Klimakrise, die Digitalisierung und der Umgang mit        anderer Minderheiten in Deutschland (z. B. Menschen
        sozialen Medien können genauso thematisiert werden            mit Einwanderungsgeschichte, Menschen mit nicht-

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Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
christlicher Religionszugehörigkeit) könnten ggf. und je    von Vielfalt (BTV), die auf die Auseinandersetzung mit
nach Zusammensetzung und Interesse der Lerngruppe           unterschiedlichen Identitäten in einer vielfältigen Gesell-
abschließend wiederum Gemeinsamkeiten und Paralle-          schaft und auf die Bewusstmachung der eigenen Identität
len zu den Erfahrungen jüdischer Menschen besprochen        zielt, sowie die Leitperspektive Medienbildung, die u.
werden. So könnte über die Thematisierung von stereo-       a. auf die Analyse von medialen Diskursen sowie die
typen Rollenzuschreibungen die Frage erörtert werden,       reflektierte und verantwortungsbewusste Nutzung von
worin sich diese ähneln und worin sie sich aber auch        Medien fokussiert. Auch können Bezüge zum Leitfaden
unterscheiden. Die Leitfragen hierzu könnten ggf. lauten:   Demokratiebildung (2019) hergestellt werden, der z. B.
Welche Erfahrungen mit stereotypen Zuschreibungen           im Baustein 1 (Identität und Pluralismus) hervorhebt:
und Erwartungen mache ich als Mädchen, als Migrantin/
Migrant, als Schülerin/Schüler mit Behinderung etc.?        „Die Schülerinnen und Schüler setzen Aspekte
Was ärgert mich? Wie gehe ich damit um?                     ihrer Identität in Bezug zur Pluralität, die sie in ihrer
                                                            Umgebung antreffen. Dazu gehören unter anderem
Der Film sollte in der Schule als Gesprächsangebot          individuelle Eigenschaften, Neigungen, Stärken und
gesehen und entsprechend genutzt werden. Beim Einsatz       Schwächen, Erwartungen, Rollenbilder, Werte und
im Unterricht geht es weniger um die Vermittlung von        religiöse Überzeugungen. Dabei erkennen sie Normalität
Inhalten und Kenntnissen über das Judentum, sondern         in der Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeiten in der
darum, mit den Schülerinnen und Schülern in einen           Verschiedenheit.“
kreativen und anregenden Austausch zu kommen. Dazu          (Leitfaden Demokratiebildung, 2019, 12).
muss nicht jede Szene analysiert und diskutiert werden.
Vielmehr geht es darum, dass die Schülerinnen und           Der hier vorgestellte Unterrichtsvorschlag ist nicht
Schüler sich zum Gesehenen und Gehörten persönlich in       auf ein bestimmtes Schulfach bezogen. Der Einsatz in
Beziehung setzen und die Reflexion über eigene Identitä-    Fächern wie Deutsch, Religionslehren, Ethik, Geschichte
ten und Erfahrungen angeregt wird. Individuellen Deu-       oder Gemeinschaftskunde ist naheliegend; um den
tungen und Rezeptionen sollte Raum gelassen und diese       Rahmen dieser Broschüre nicht zu sprengen, wird an
sollten diskutiert werden. Welche Aspekte des Films         dieser Stelle auf die Ausweisung der konkreten prozess-
Aufmerksamkeit erregen, kann zwar über Arbeitsaufträ-       und inhaltsbezogenen Kompetenzen verzichtet.
ge gelenkt werden, die letztendliche Auseinandersetzung
ist aber immer individuell und erfolgt in den Köpfen der    Gerade wegen des expliziten Gegenwarts- und Zukunfts-
Lernenden. Diesem Konstruktionsprozess sollte, wenn         bezugs eignet sich der Film besonders im Anschluss an
möglich, Raum gegeben werden.                               eine Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und der
Der Film bietet die Möglichkeit, die Kompetenzen der        Schoa im Geschichtsunterricht. Indem er aufzeigt, dass es
schulart- und fachübergreifenden Leitperspektiven des       heute wieder ein buntes, selbstbewusstes und vielfälti-
Bildungsplans 2016 zu vertiefen. Hierzu gehört u. a. die    ges jüdisches Leben in Deutschland gibt, ermöglicht er
Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz          einen positiven Ausblick auf die Gegenwart und kann

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Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
eine Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen anregen,         hierüber ein angeregter Austausch in der Lerngruppe
    zum Beispiel darüber, was die Schoa heute für jüdische        statt und wird ggf. Interesse an einer vertiefenden
    Deutsche bedeutet und wie heutiges jüdisches Leben in         Auseinandersetzung geweckt, dann ist ein wichtiges
    Deutschland aussieht.                                         Ziel erreicht. Für den Einsatz in Vorbereitungsklassen
                                                                  (VKL) sowie im Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit
    Der Einsatz im eigenen Unterricht wird sicherlich auch        Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen (VABO)
    von den persönlichen Interessen und Kenntnissen der           oder auch anderen Lerngruppen, die verstärkte sprach-
    Lehrkräfte abhängen, doch soll an dieser Stelle be-           liche Unterstützung benötigen, wurden die Materialien
    tont werden, dass hierfür keine einschlägige Expertise        stärker didaktisiert und sprachsensibel aufbereitet.
    nötig ist. In den unten abgedruckten Beiträgen findet
    sich hilfreiches Hintergrundwissen, das bei der Unter-        Der Einsatz in der Kursstufe und in beruflichen Schulen
    richtsvorbereitung und -durchführung unterstützen             ist selbstverständlich auch möglich und soll an dieser
    kann. Mindestens ebenso wichtig wie Fachwissen und            Stelle ausdrücklich empfohlen werden. Die Niveau­
    -kompetenzen sind aber bei der Thematisierung im              differenzierung ergibt sich dann weniger über die
    heterogenen Klassenzimmer eine selbstreflexive und            Aufgaben­formate als über die Beiträge der Schülerinnen
    differenzsensible Herangehensweise, die unterschiedli-        und Schüler und die Diskussionen.
    che Perspektiven sichtbar macht und anerkennt und die
    es Schülerinnen und Schülern ermöglicht, „sich frei und
    ohne Angst vor Diskriminierung zu artikulieren“ (vgl.
    Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz
    von Vielfalt, BTV).

    Der Film ist sprachlich und inhaltlich recht anspruchs-
    voll; die Protagonistinnen und Protagonisten im Film
    sind junge Studierende, also in der Regel älter als die den
    Film rezipierenden Schülerinnen und Schüler, so dass
    nicht automatisch eine Identifikation gewährleistet ist.
    Dennoch bieten die hier vorgelegten Unterrichtsvor-
    schläge die Möglichkeit, den Film bereits in den Klassen
    9 und 10 der Sekundarstufe I und des Gymnasiums einzu-
    setzen. Dabei muss nicht jeder im Film angesprochene
    Aspekt im Detail diskutiert werden. Über die Aufgaben-
    stellungen können sich die Schülerinnen und Schüler
    mit den Protagonistinnen und Protagonisten auseinan-
    dersetzen und sich mit diesen in Beziehung setzen. Findet

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Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
2. Hintergrundtexte
Die hier abgedruckten Texte stellen Informationen zum         Die Texte müssen nicht alle gelesen werden, um den Film
Einsatz im schulischen Unterricht, zum historischen und       im eigenen Unterricht einzusetzen. Vielmehr stellen sie
gegenwärtigen jüdischen Leben in Deutschland sowie            ein Angebot dar, aus dem auch einzelne Themenbereiche
seiner Darstellung in den Medien bereit.                      ausgewählt werden können.

2.1.	FA Q s z u m E insat z d e s F il m s in h eter ogenen Ler ngr uppen
      ( Dr . R o b e rt O gm a n, S y b il l e H of f ma nn)

1. Was muss ich alles über die jüdische                       2. Muss ich mich mit Israel oder dem
Religion und Geschichte wissen, damit ich                     Nahostkonflikt auskennen, damit ich den
den Film unterrichten kann?                                   Film kompetent unterrichten kann?

Sie müssen kein Fachwissen zum Judentum haben, um             Der Nahostkonflikt ist nicht Thema des Films, sondern
den Film zu unterrichten. Der Film fokussiert auf die         es geht um junge Jüdinnen und Juden in Baden-Würt-
drei Protagonistinnen und Protagonisten Hanna, Eva            temberg. Der Nahostkonflikt ist nur insofern von Bedeu-
und Sami und deren spezifische und sehr individuelle          tung, als dass thematisiert wird, dass Jüdinnen und Juden
Perspektiven, Erfahrungen, Deutungen und Wünsche.             in Deutschland häufig (und ungewollt) die Erfahrung
Da der Film gegenwarts- und zukunftsorientiert angelegt       machen, in Bezug zum Nahostkonflikt gesetzt werden.
ist, ist auch kein spezifisches Wissen über die jüdische      Eva spricht im Film über das Problem der „jüdischen
Geschichte nötig. Viel wichtiger ist es, sich bewusst zu      Dreifaltigkeit“, das die Fremdzuschreibungen an Jüdin-
machen, dass es nicht „die“ jüdische Perspektive gibt,        nen und Juden begrifflich zusammenfasst: Sie werden
sondern dass es vielmehr um jüdische Perspektiven im          häufig nur im Kontext von Antisemitismus, der Schoa
Plural geht. Ein weiterer Aspekt ist es, sich zu vergegen-    und dem Nahostkonflikt wahrgenommen und sollen
wärtigen, dass für die jüdische Gemeinschaft Religion         als Repräsentantinnen und Repräsentanten für den Staat
zwar ein wichtiger Bestandteil der Identität ist, dass aber   Israel bzw. dessen Politik herhalten, indem sie z. B. auf
die jüdische Kultur, die eigene (Familien-)Geschichte, die    die israelische Politik angesprochen oder aufgefordert
Erinnerung an die Schoa und/ oder die Verbindung zum          werden, zu ihr Stellung zu nehmen. Dies ist nicht nur
Staat Israel weitere identitätsstiftende Aspekte sein kön-    eine stereotypisierende (Rollen-)Zuschreibung, sondern
nen. Religion steht also nicht unbedingt im Vordergrund,      ignoriert auch die Tatsache, dass die persönlichen Bezüge
sondern bildet nur ein Teil der Identität der Jugendlichen    von Jüdinnen und Juden zu Israel sehr unterschiedlich
im Film. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der          sein können und jüdische Jugendliche selbstverständ-
Wunsch von Hanna nach einer Selbstverständlichkeit            lich auch unterschiedliche (oder gar keine!) politische
deutsch-jüdischer Identität („dass es ganz normal ist,        Meinung zum Konflikt haben können und dürfen.
jüdisch und deutsch zu sein“).                                Im pädagogischen Raum ist es v. a. wichtig, jüdische

                                                                                                                          9
Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
Schülerinnen und Schüler nicht zu Stellvertreterinnen        3. Im Unterricht habe ich das Thema
     und Stellvertretern Israels und/ oder zu Expertinnen und     Antisemitismus schon intensiv behandelt.
     Experten des Nahostkonflikts zu machen. Denn jüdische        Wird das nicht zu viel?
     Menschen werden dadurch zu „Anderen“ gemacht und
     von der vermeintlichen „Wir“-Gruppe ausgeschlossen.          Im Vordergrund des Films stehen jüdische junge Erwach-
     Sollten Diskussionen im Unterricht in Richtung Nahost-       sene aus dem heutigen Baden-Württemberg und nicht
     konflikt abgleiten, ist anzuraten, den Fokus als Lehrkraft   die Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus. Im
     ganz bewusst wieder auf Baden-Württemberg und                Film wird deutlich, dass die Jugendlichen nicht auf eine
     jüdisches Leben im Hier und Jetzt zu richten. Dies sollte    Opfergeschichte reduziert werden wollen. Sie monieren
     den Lernenden auch transparent gemacht werden.               auch einseitige mediale Darstellungen von Jüdinnen und
                                                                  Juden, die diese oft nur im Kontext von Antisemitismus,
                                                                  Schoa und Nahostkonflikt („jüdische Dreifaltigkeit“)
                                                                  sicht- und erfahrbar machen. Sie wünschen sich mehr
                                                                  Darstellungen von jüdischen Menschen als handelnde
                                                                  Akteurinnen und Akteure, die sich gegen Antisemitis-
                                                                  mus wehren können.

                                                                  Der Film erzählt Geschichten von jüdischer Identität,
                                                                  Zugehörigkeit, Selbstbewusstsein und Stolz. Der Blick
                                                                  geht eher nach vorne in die Zukunft und in die Gegen-
                                                                  wart. Der Film ist eine Chance, andere und vielfältige
                                                                  Geschichten von Jüdinnen und Juden in den Unterricht
                                                                  zu tragen und sollte auch dazu genutzt werden.

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4. Wenn Antisemitismus nicht das Thema                       5. Wie gehe ich mit möglichen antisemitischen
des Films ist – soll und darf ich mit den                    Äußerungen um?
Schülerinnen und Schülern überhaupt darüber
sprechen?                                                    Antisemitische Äußerungen sollten niemals einfach
                                                             so stehengelassen werden, unabhängig davon, ob sie
Die Jugendlichen im Film erzählen von Rollenzuschrei-        manifest oder subtil sind, sich also in Form von Andeu-
bungen und Erwartungen, die von Seiten der nicht-            tungen, angeblichen Witzen oder stereotypen Zuschrei-
jüdischen Mehrheitsgesellschaft an sie herangetragen         bungen äußern. Auch sollte eine Reaktion erfolgen,
werden. Auch berichtet z. B. Eva, dass sie aus Furcht vor    ganz unabhängig davon, ob jüdische Schülerinnen und
möglichen antisemitischen Reaktionen nicht immer             Schüler mit im Klassenzimmer sind oder nicht. Grund-
gleich ihre jüdische Identität preisgibt und dass es sich,   sätzlich sollte immer davon ausgegangen werden, dass
wenn sie es tut, „immer wie ein Outing“ anfühlt, d. h. ein   jüdische Lernende Teil der Lerngruppe sein könnten.
selbstverständlicher und normaler Umgang ist leider          Auf antisemitische Aussagen sollte auch unabhängig von
nicht immer gegeben. Auch wird das Thema Antisemitis-        der jeweiligen Kommunikationsform reagiert werden:
mus in der Diskussion rund um das Thema Sichtbarkeit         Aktueller Antisemitismus zeigt sich häufig in Bezug auf
vs. Sicherheit angeschnitten.                                den Nahostkonflikt, über Verschwörungsmythen oder
                                                             durch eine Relativierung oder gar Leugnung des Nati-
Für die Arbeit mit dem Film ist es empfehlenswert, im        onalsozialismus und der Schoa. Die im Film angespro-
Hinterkopf zu haben,                                         chene „Jana aus Kassel“, die sich im Dezember 2020 auf
• dass Antisemitismus kein historisches Phänomen,            einer Demonstration gegen die Coronamaßnahmen mit
 sondern für Jüdinnen und Juden in Deutschland               Sophie Scholl verglichen hat, ist für eine solche Relativie-
 belastender Alltag ist und ihre Sicherheit bedroht,         rung ein Beispiel.
• dass Antisemitismus weit vor Terroranschlägen              Antisemitische Äußerungen müssen als antisemitisch er-
 (z. B. Halle 2019) beginnt, und zwar mit Fremd­­zu-         kannt, benannt und entsprechend zurückgewiesen wer-
 schreibungen, stereotypen Rollenerwartungen,                den, ohne die betreffenden Lernenden zu stigmatisieren
 scheinbar harmlosen Witzen und Andeutungen und              und als Antisemiten/ Antisemitinnen zu klassifizieren.
• dass der Kampf gegen Antisemitismus in erster Linie        Eine sachliche, freundliche und zugleich entschiedene
 eine Aufgabe der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft       Haltung der Lehrkraft ist hier entscheidend. Der Schutz
 sein sollte (vgl. die Diskussionen im Film über die         von Betroffenen sollte im Vordergrund stehen, und eine
 Wirksamkeit von Aufklärung/Begegnungen und wer              zeitnahe Reaktion ist dabei äußerst wichtig.
 dafür zuständig ist).

Diese Aspekte können bei Bedarf diskutiert und vertieft
werden.

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6. In meiner Klasse sind auch jüdische                        7. In meiner Klasse sind Schülerinnen und
     Schülerinnen und Schüler. Was muss ich                        Schüler mit verschiedenen religiösen und
     bei der Arbeit mit dem Film beachten?                         kulturellen Hintergründen. Was muss ich
                                                                   beachten, wenn ich den Film zeige?
     Grundsätzlich muss in heterogenen Lernräumen immer
     davon ausgegangen werden, dass auch jüdische Schüle-          In heterogenen Lernräumen bietet sich bei der Arbeit
     rinnen und Schüler mit im Klassenzimmer sein könnten,         mit dem Film in besonderem Maß die Chance, Bezüge
     unabhängig davon, ob dies bekannt ist oder nicht. Im          zu Erfahrungen mit Fremdzuschreibungen und Rollen­
     Film wird deutlich, dass Jüdinnen und Juden aus (berech-      erwartungen herzustellen, die die Schülerinnen und
     tigter) Furcht vor negativen Reaktionen der Umwelt ihre       Schüler in Minderheitenpositionen möglicherweise
     jüdische Identität nicht immer offenlegen (möchten).          auch im eigenen Alltag machen. Muslimisch sozialisierte
     Falls Sie von jüdischen Schülerinnen und Schülern             Schülerinnen und Schüler werden vielleicht häufig auf
     in Ihrer Klasse wissen, drängen Sie sie nicht in eine         den Islam angesprochen. Schülerinnen und Schüler mit
     Repräsentationsrolle. Falls eine jüdische Schülerin oder      Migrationsgeschichte erleben unter Umständen auch,
     ein jüdischer Schüler sich zum Film äußern oder ggf.          dass sie auf ihre Herkunft und Kultur bzw. eine Opferge-
     einen speziellen Beitrag leisten möchte (z. B. in Form        schichte (des Rassismus und des Kolonialismus) reduziert
     eines Referats), geben Sie ihr/ihm die Gelegenheit dazu.      werden. Falls solche Vergleiche gezogen werden sollten,
     Reflektieren Sie dabei aber eigene Erwartungen: Jüdische      ist es wichtig, Rassismuserfahrungen nicht zu relativie-
     Schülerinnen und Schüler sprechen nicht für „die“ jüdi-       ren, Opferkonkurrenzen zu vermeiden und dabei die
     sche Community und sind nicht automatisch ausgewie-           Spezifika des Antisemitismus und der Schoa im Blick zu
     sene Expertinnen und Experten zum Judentum, sondern           behalten.
     können höchstens von individuellen Erfahrungen,
     Zugängen und Interessensbereichen berichten. Wenn             Reflektieren Sie auch mögliche eigene Erwartungen:
     von Antisemitismuserfahrungen berichtet werden sollte,        Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte
     relativieren und bagatellisieren Sie die Erfahrungen nicht.   sind nicht pauschal antisemitischer als Lernende ohne
     Falls aus der Klasse derartige Kommentare kommen soll-        Migrationsgeschichte bzw. Lernende mit Täterbiografien
     ten, weisen Sie diese entschieden zurück (vgl. Punkt 4).      in der Familiengeschichte. Schülerinnen und Schüler
                                                                   können die verschiedensten familienbiografische Bezüge
                                                                   zur Schoa haben. Genauso können jüdische Schülerin-
                                                                   nen und Schüler auch eine Migrationsgeschichte haben,
                                                                   z. B. wenn die Familie in den 1990er Jahren aus Ländern
                                                                   der ehemaligen Sowjetunion nach Baden-Württemberg
                                                                   immigriert ist. Insgesamt eröffnet der Film auch Zu-
                                                                   gänge zur Thematisierung von Gemeinsamkeiten und
                                                                   ähnlichen Erfahrungen. Die Schaffung von persönlichen
                                                                   Bezügen in der Auseinandersetzung im heterogenen
                                                                   Klassenzimmer ist daher von Bedeutung.

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2 .2. M e d i ale R ep r ä s e ntat ione n v on J üdinnen und Juden
          ( Dr . R o b e rt O gm a n)

Eine Herausforderung, mit der alle Minderheiten kon-           basiert auf dem Bestseller der jüdischen Amerikanerin
frontiert sind, ist ihre häufig verzerrte mediale Darstel-     Deborah Feldman (2012, deutsch: 2016) und handelt
lung. Trotz eines zunehmenden Bewusstseins, dass unsere        von ihrer Flucht aus einer strengen, ultra-orthodoxen
Gesellschaft vielfältig ist, werden sie oft einseitig oder     Gemeinde in New York City und dem Neuaufbau eines
negativ dargestellt oder ganz vergessen (Schmitt & Ernst,      säkularen Lebens in Berlin. Während viele jüdische wie
2020). Dies gilt auch für die Darstellung des jüdischen        nichtjüdische Zuschauerinnen und Zuschauer ihren
Lebens, des Judentums und der jüdischen Geschichte im          Freiheitskampf feiern, sorgte die Netflix-Darstellung
deutschen Kontext.                                             und ihre Rezeption zum Teil auch für Bauchschmerzen
                                                               in der jüdischen Community in Deutschland. Denn es
Obwohl einst die Heimat jüdischer Reformbewegung               wurde genau als die Art von Schwarz-Weiß-Darstellung
und Aufklärung, ist es dennoch in Deutschland nicht            eines vermeintlich rückständigen und dogmatischen
unüblich, Jüdinnen und Juden als fremd, rückständig            Judentums auf der einen und eines ebenso vermeintlich
oder seltsam darzustellen. Eine Titelseite der Zeitschrift     weltoffenen Deutschlands auf der anderen Seite empfun-
„Der Spiegel Geschichte“ (2019, 3) porträtierte „Jüdisches     den. Tatsächlich bewahrheiteten sich die Befürchtungen
Leben in Deutschland“ mit einem Foto zweier langbär-           einiger deutsch-jüdischer Kommentatorinnen und
tiger, schwarz gekleideter, älterer orthodoxer Männer          Kommentatoren durch die Behauptung Jan Böhmer-
und beschrieb diese als „die unbekannte Welt nebenan“.         manns in seinem Podcast „Fest & Flauschig“ vom Mai
Doch die große Mehrheit der jüdischen Menschen in              2020, „Unorthodox“ sei ein „guter Einstieg in die jüdische
Deutschland sehen sich durch solche „Klischeebilder“           Kultur“. Denn die besondere Geschichte ist „für die
nicht repräsentiert, wie unter anderem der Präsident des       gesamte jüdische Gegenwart keineswegs repräsentativ“
Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster,          (Cazés & Baier, 2020). Es fällt auch Jüdinnen und Juden
dazu kritisch anmerkte (Schuster et. al., 2019). Im Film       „häufig schwer, eine angemessene Auseinandersetzung
bemerkt auch die Protagonistin Hanna: „Wir sind nicht          mit dem Phänomen der abgekapselten Ultraorthodoxie
diese schwarz-weißen Bilder (...) wir sind vielfältig.“ Dies   zu finden“. Sprich: Es ist eben „kein guter Einstieg in die
ist im Übrigen auch das Studienergebnis des „Gemeinde­         jüdische Kultur“, sondern ein Randphänomen eines
barometer“ des Zentralrats der Juden in Deutschland            vielfältigen Judentums.
(2020).
                                                               Auch die Darstellung des zeitgenössischen Deutschlands
Es scheint eine Art Faszination für ein „exotisches“ und       in der Serie kann kritisch hinterfragt werden. Das Bild
„fremdes“ Judentum zu geben, was auch den enormen              von Berlin im Film als antisemitismusfreie Zone kont-
Erfolg der deutschen Netflix-Mini-Serie „Unortho-              rastiert stark mit dem ansteigenden Antisemitismus und
dox“ in Deutschland erklärt. Diese wahre Geschichte            dem Ratschlag, dass Jüdinnen und Juden ihre religiösen

                                                                                                                             13
Symbole in der Öffentlichkeit verstecken sollten, um          darzustellen: die Fixierung auf Antisemitismus, die Schoa
     körperliche Gewalt oder verbale Anfeindungen zu               und den Nahostkonflikt. Es geht nicht unbedingt darum,
     vermeiden. Dazu rieten unter anderem Josef Schuster,          dass die Protagonistinnen und Protagonisten glauben,
     Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und        dass diese Themen vermieden werden sollten. Vielmehr
     Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragter der Bundes-       geht es darum, Jüdinnen und Juden nicht auf diese The-
     regierung (Süddeutsche, 2015; Zeit Online, 2019). Es mag      men zu reduzieren.
     diese Zonen von Sicherheit geben. Außerhalb davon ist
     die Situation eine andere. Sonst würde auch die in Berlin     In einem Gespräch mit dem Produktionsteam von
     lebende Deborah Feldman nicht ihren Sohn darum bit-           „Druck“ werden Eva, Hanna und Sami gefragt, ob sie
     ten, sein Jüdischsein geheim zu halten (Feldman, 2015).       lieber Darstellungen von jüdischen Menschen sehen
                                                                   würden, die ihre Identität aus Angst vor Antisemitismus
     Es sind aber nicht nur solche einseitigen Narrative,          verstecken, oder eher Darstellungen, die „positive Identi-
     denen jüdische Menschen ausgesetzt sind. Oft werden           täten“ zeigen. Sami gibt der letzteren Option den Vorzug.
     sie einfach ignoriert, als würden sie nicht existieren.       Das bedeutet aber keineswegs, Probleme auszublenden.
     Das ist auch der Fall, wenn sich eine Fernsehsendung          Wichtig ist, dass jüdische Personen als handelnde Sub-
     explizit das Ziel setzt, Vielfalt zu präsentieren, und        jekte dargestellt werden. „Was ich mir wünschen würde“,
     keine einzige jüdische Figur darin vorkommt. Im Film          sagt Hanna, „ist, dass jüdische Personen sich wehren
     liest Sami eine Beschreibung der Serie „Druck“ aus dem        können.“ Und Eva bekräftigt: „Auf gar keinen Fall in eine
     Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vor: „Dass Diversität        Opferrolle fallen.“
     in einer Jugendserie berücksichtigt wird, dass verschie-
     dene Körper und Herkünfte, Religionen, Milieus und            Die weit verbreitete Frustration über solche verzerr-
     Familienkonstellationen ganz natürlich gezeigt werden,        ten Darstellungen erklärt auch den großen Erfolg des
     ohne sie immer zu thematisieren, das ist grandios.“ (von      jüngsten Kurzfilms „Masel Tov Cocktail“ (2020). Darin
     Hof, 2019). Jüdische Menschen werden allerdings kom-          wehrt sich der Protagonist, Dima, gegen antisemitische
     plett außen vor gelassen. In den bisherigen sechs Staffeln    Beschimpfungen in der Schule und wird dafür suspen-
     kommt keine einzige jüdische Figur vor. Dazu sagt Sami:       diert. Der Film schildert nicht nur das gesellschaftliche
     „Was sie vielleicht vermeiden wollen [...] ist, dass sie es   Labyrinth, in dem sich jüdische Menschen in Deutsch-
     nicht schaffen, eine jüdische Person normal darzustellen.“    land heute befinden, er behandelt auch den jüdischen
     Für die Darstellung der restlichen Figuren scheint das        Protagonisten als handelnden Akteur. Und er tut dies,
     aber kein Problem zu sein.                                    indem er keine einfachen Lösungen anbietet. Dabei ver-
                                                                   weigert er sich den stereotypen Darstellungen von Juden
     Eva weist auf weitere Probleme hin, die Medienpro-            und Jüdinnen als ewige Fremde oder hilflose Opfer und
     duktionen ihrer Meinung nach haben, wenn es darum             öffnet neue Perspektiven der medialen Repräsentation
     geht, ein realistisches Bild des heutigen jüdischen Lebens    des Judentums.

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2 .3.	Po d c as t: Jüd isc h e s L e b e n in D e u ts c hla nd na c h 1945 –
	R ü c kb li c k , I st z us ta nd und P e r spektive
       ( L au r a C az é s , S us a nne B e niz ri, Tor s ten Rottber ger )

Über den untenstehenden Link kann auf einen Podcast
zum jüdischen Leben in Deutschland nach 1945
zugegriffen werden. Das Interview realisierten und
erarbeiteten Torsten Rottberger, Studienrat am Albert-
Schweitzer-Gymnasium Gundelfingen und ehem.
Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG)
Baden, und Susanne Benizri, Religionslehrerin
(Jüdische Religions­lehre) und Leiterin des Erziehungs­
referats der IRG Baden.

Interviewt wurde Laura Cazés, Leiterin der Abteilung
für Kommunikation und Digitalisierung der Zentral-
wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).
Sie studierte European Studies und Psychologie und          Laura Cazés

begann 2015 ihre hauptamtliche Tätigkeit bei der
ZWST als Koordinatorin des Deutsch-Israelischen             LIN KS ZUM POD CAST:
Freiwilligen­dienstes. Von 2017 bis 2019 war sie gewählte   www.schule-bw.de/1700jahre-podcast
Vizepräsidentin der European Union of Jewish Students.      www.zsl-bw.de/juedisches-leben-antisemitismus
Kernthemen ihres Engagements sind die Diversität und
Wahrnehmung jüdischer Lebenswelten in Deutschland,
der Einbezug jüdischer Perspektiven in gesellschaftliche
Diskursräume und die Schaffung innovativer Konzepte
in jüdischen Communities.

Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland
bildet den Zusammenschluss der jüdischen Wohlfahrts-
pflege in Deutschland. Als Dachorganisation vertritt die
ZWST die jüdischen Gemeinden und Landesverbände
auf dem Gebiet der jüdischen Sozialarbeit.

                                                                                                            15
2 .4 3 2 1 – 2 0 2 1 : 1 7 0 0 J a h re jüdis c hes Leben in D euts c hla nd
           (D a nie l F e l d e r)

     Pest- und Kreuzzugspogrome, Vertreibungen, Antisemi-          Blüte im 10. und 11. Jahrhundert
     tismus, Schoa – was über das Judentum in Deutschland          In den Kerngebieten des ehemaligen Frankenreichs,
     an Wissen in Umlauf ist, wird oft im Kontext einer            insbesondere am Rhein und in Lothringen, wuchsen im
     Geschichte von Leid, Ausgrenzung, Verfolgung und              Mittelalter bedeutende jüdische Gemeinden heran, die
     Ermordung erzählt, als Opfergeschichte.                       im 10. und 11. Jahrhundert zu Zentren jüdischer Gelehr-
                                                                   samkeit wurden. Der Einfluss dieser Gemeinden inner-
     Ohne Zweifel sind und waren diese Aspekte der Ge-             halb des Judentums war so groß, dass man die Bewohner
     schichte des Judentums in Deutschland real, mit all ihren     dieser Gebiete als Aschkenasim, also Bewohnerinnen
     grausamen und bis heute nachwirkenden Implikationen.          und Bewohner von Aschkenas, bezeichnete. Aschkenas
     Selbst die bizarrsten antisemitischen Vorurteile leben bis    ist ein Begriff aus der Bibel, der mit den Germaninnen
     heute weiter und schaffen es sogar, sich in alten und neu-    und Germanen dem Gebiet des heutigen Deutschland
     en Gewändern immer wieder neu zu zeigen – Jüdinnen            sowie mit Mittel- und Osteuropa assoziiert wurde. Heute
     und Juden werden als Christusmörder, Brunnenvergifter,        werden etwa 70 Prozent der Jüdinnen und Juden welt-
     Kindermörder, geldgierige Betrüger oder Geheim­               weit mit diesem ethno-religiösen Begriff bezeichnet.
     verschwörer mit Weltbeherrschungsanspruch imaginiert
     und für die Kriege, Krisen und Konflikte dieser Welt          Die jiddische Sprache
     verantwortlich gemacht.                                       Unter den Aschkenasim entwickelte sich mit dem
                                                                   Jiddischen eine Sprache, die sich aus dem Hebräischen,
     Es gibt jedoch auch eine andere Seite dieser Geschichte.      slawischen Sprachen, vor allem aber aus dem Mittel-
     Eine Seite, in der Jüdinnen und Juden als deutsche Bür-       hochdeutschen zusammensetzt. Man fand sie vor allem
     gerinnen und Bürger greifbar werden, die in die deutsche      in Osteuropa, als sich mit den Vertreibungen im Mittelal-
     Gesellschaft integriert waren und das Land mitgestaltet       ter und in der frühen Neuzeit das Zentrum des aschke-
     und geprägt haben.                                            nasischen Judentums immer mehr dorthin verlagerte.
                                                                   Vor der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten
     321: Erster schriftlicher Beleg für eine jüdische             und Nationalsozialistinnen sowie dem damit einherge-
     Gemeinde in Köln                                              henden Völkermord an den europäischen Jüdinnen und
     Wussten Sie, dass die Geschichte des Judentums in             Juden wurde Jiddisch von etwa 13 Millionen Menschen
     Deutschland mindestens genauso alt ist wie die Ge-
     schichte des Christentums hierzulande? Der erste Nach-
     weis für die Präsenz jüdischen Lebens in Deutschland
     stammt aus dem Jahr 321. In einem Dekret des römischen
     Kaisers Konstantin geht es um die Berufung von Juden
     in den Stadtrat der Colonia Claudia Ara Agrippinensium.
     Das ist der Name des spätantiken Köln. Zur gleichen
     Zeit finden wir auch die ersten christlichen Spuren auf
     dem Gebiet des heutigen Deutschland.                         Der römische Kaiser Konstantin, Kapitol, Rom, Italien

16
Emanzipation und rechtliche Gleichstellung
                                                               Mit den Nachwirkungen der Französischen Revolution,
                                                               der napoleonischen Herrschaft und dem damit einher-
                                                               gehenden Liberalisierungsschub kam es im 19. Jahrhun-
                                                               dert zu einer deutlichen Verbesserung der rechtlichen
                                                               Situation der deutschen Jüdinnen und Juden. Mit dem
                                                               sogenannten Badischen Judenedikt von 1809 begann
                                                               der steinige Weg der Emanzipation. Erst 1862 erhielten
                                                               Jüdinnen und Juden dort die vollständige bürgerliche
Die mittelalterliche Synagoge in Worms,                        Gleichstellung. Zwischen 1828 und 1864 folgte Würt-
erbaut 1174/75
                                                               temberg. In dieser Zeit entstanden auch Reform- und
gesprochen. Es war damit nach dem Englischen und               Liberalisierungsbewegungen innerhalb des Judentums.
Deutschen die drittgrößte Sprache in der germanischen          Mit der modernen Orthodoxie und dem liberalen Juden-
Sprachfamilie.                                                 tum haben zwei wichtige Strömungen jüdischer Religion
                                                               ihren Ursprung in Deutschland. Begleitet wurden diese
Landjudentum in Südwestdeutschland                             Umwälzungen im 19. Jahrhundert aber auch vom Auf-
In den mittelalterlichen Quellen begegnet uns das Juden-       kommen des modernen Rassenantisemitismus, der sich
tum in Deutschland meist als Teil der sich entwickelnden       in seiner Radikalität immer mehr steigerte.
Stadtkultur. 1241 wurden die ersten jüdischen Gemein-
den auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg
greifbar, so z. B. in Esslingen. Die heutige Synagoge, die
auch im Film zu sehen ist, ist jedoch erst seit 1819 Gebets-
haus. Aufgrund von immer weitreichenderen wirtschaft-
lichen und rechtlichen Restriktionen sowie willkürli-
chen Vertreibungen aus ganzen Regionen und Städten
kam es einerseits zu Auswanderungsbewegungen nach
Osteuropa, insbesondere in polnisch-litauische Gebie-
te, andererseits zu Ansiedlungen im ländlichen Raum.
Insbesondere in Südwestdeutschland entwickelten sich
seit dem 17. Jahrhundert, vor allem in reichsstädtischen
und ritterlichen Herrschaftsgebieten, kleine jüdische
Landgemeinden, die vom Wohlwollen der Herrschen-
den abhängig waren. In Württemberg selbst war es,
mit wenigen Ausnahmen, Jüdinnen und Juden seit 1498
nicht mehr gestattet, sich niederzulassen.

    Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der
      israelitischen Glaubensgenossen, 25. April 1828

                                                                                                                        17
Beiträge zu Kultur und Wissenschaft                       Schoa und Judentum in Deutschland
     Schon im Mittelalter wirkten Jüdinnen und Juden           nach 1945
     auch im einfachen Handwerk am Aufbau von Städten          Die Schoa stellt den schrecklichsten Bruch in der
     und Handel mit und leisteten damit wichtige Beiträge      Geschichte des Judentums in Deutschland und Europa
     zur Modernisierung ganzer Regionen. Generell waren        dar. Allein in Baden-Württemberg wurden rund 150
     Perioden mit stabilen Rechtsverhältnissen und Auf-        Gemeinden vernichtet.
     stiegsmöglichkeiten auch Perioden der Blüte jüdischer
     Gemeinden. Besonders in der Zeit zwischen rechtlicher     So lebten z. B. in Stuttgart vor der Machtübernahme der
     Gleichstellung und Schoa waren deutsche Jüdinnen          Nationalsozialisten rund 4.500 Jüdinnen und Juden, von
     und Juden in vielen gesellschaftlichen Bereichen aktiv    denen die meisten vertrieben oder ermordet wurden.
     und leisteten Beiträge zu Literatur, Musik, Theater und   Die sich zwischen 1948 und 1951 langsam wieder formie-
     Film, zu Forschung, Wissenschaft und Lehre sowie          rende jüdische Gemeinde bestand zum Teil aus überle-
     zu Wirtschaft und Politik. Es gibt 13 deutsch-jüdische    benden Stuttgarterinnen und Stuttgartern, zum Teil aus
     Nobelpreisträger und Nobelpreisträgerinnen, aus dem       sogenannten Displaced Persons, staatenlosen jüdischen
     deutschen Sprachraum gar 26. Unter ihnen befinden sich    Flüchtlingen vor allem aus Osteuropa. Sie konnten 1952
     berühmte Persönlichkeiten wie Albert Einstein oder        die Stuttgarter Synagoge neu einweihen. Bis Anfang
     Sigmund Freud, die unser modernes Leben nachhaltig        der 1990er Jahre wuchs die Israelitische Religions­
     geprägt haben.                                            gemeinschaft Württemberg auf knapp 900 Mitglieder
                                                               an. In Baden wurde 1971 in Karlsruhe die erste Synagoge
                                                               wieder eingeweiht.

                                                               Aufgrund der Zuwanderung von Jüdinnen und Juden
                                                               aus der ehemaligen Sowjetunion zu Beginn der 1990er
                                                               Jahre erlebten die jüdischen Gemeinden einen enormen
                                                               Mitgliederzuwachs, so dass heute rund 8.000 Jüdinnen
                                                               und Juden in Baden-Württemberg leben.

18
Teil 2:
Unterrichtsvorschläge

                        19
Angesetzt wird eine Doppelstunde (90 Minuten) zur           Es werden zwei Varianten zur Umsetzung angeboten:
     Arbeit mit dem Film, wobei es sich bei interessierten und
     diskussionsfreudigen Klassen empfiehlt, 135 Minuten         Variante 1 behandelt den gesamten Film in voller Länge.

     einzuplanen. Keinesfalls sollte auf die Abschlussphase      Diese Variante wird für Lerngruppen empfohlen, deren
     verzichtet werden. Vertiefungen in darauffolgenden          Kompetenzen in Deutsch gut entwickelt sind und die
     Stunden sind möglich, aber nicht notwendig. Dies sollte     weniger sprachliche Unterstützungsangebote benötigen.
     vom Interesse und den Bedürfnissen der Lerngruppe
     abhängig gemacht werden.                                    Variante 2 behandelt Ausschnitte aus dem Film. Die

                                                                 beiliegenden Materialien sind sprachsensibel gestaltet
                                                                 und eignen sich für Lerngruppen, die mehr sprachliche
                                                                 Unterstützung zur Analyse des Films benötigen.

20
3. Vorschlag 1: Arbeit mit dem ganzen Film
 (Carsten Arbeiter, Daniel Felder, Sybille Hoffmann)

 3 .1 Tab e llar i s c h e r S t und e nv e r l a uf

 Phase/Sozialform       Unterrichtsinhalte                                                   Material   Zeit

 Einstieg               Pre-Watching (Sek. I)                                                M1 oder    10 Min.
 (EA/UG)                Wissensquiz (M1): Besprechung erfolgt am Ende der Stunde.            M4a,
                        Oder                                                                 M4b,
                        Steckbriefe (M4): Nach Ausfüllen des eigenen Steckbriefs             M4c
                        vergleichen SuS ihren mit dem von Eva, Hanna oder Sami.
                        Alternative (Sek. II)
                        a) Impuls: „Wo ist euch jüdisches Leben bisher begegnet?“
                        b) SuS schildern und reflektieren Eindrücke (Alltag, Unterricht,
                        Medien u. a.).
 Hinführung (LI)        Input durch Lehrkraft: Kurzes Vorstellen des Films.
 Erarbeitung I (EA)     While-Watching (mit kurzen Zwischenstopps): Einzelarbeit zu          M5a,       50 Min.
                        Äußerungen der Protagonistinnen und Protagonisten                    M5b,
                        (Phase 1 auf M5)                                                     M5c
                        a) Je ein Drittel der SuS beschäftigen sich mit Eva (M5a),           Phase 1
                        Hanna (M5b) oder Sami (M5c).
                        b) SuS bearbeiten während des Films stichwortartig die Fragen
                        zu Phase 1 auf M5.
 Überleitung (UG)       Inter-Watching: Kurze Rückfragen zum Film
 Erarbeitung II         Post-Watching I: Stillarbeit zu persönlichen Eindrücken zu           M5a,       5 Min.
 (EA/GA)                den Protagonistinnen und Protagonisten (Phase 2 auf M5)              M5b,
                        SuS notieren stichwortartig ihre Eindrücke zu Eva, Hanna oder        M5c
                        Sami.                                                                Phase 2
                        Post-Watching II: Austausch in Kleingruppen (Phase 3 auf M5)         M5a,       10 Min.
                        In Dreier- oder Sechsergruppen (ein oder zwei SuS mit einander       M5b,
                        ergänzendem Fokus auf Eva, Hanna oder Sami) tauschen sich            M5c, M5d
                        SuS über ihre Beobachtungen und Fragen aus.                          Phase 3
 Vertiefung & Transfer Post-Watching III: Vertiefung und Transfer                            M6         15 Min.
 (SV/UG)                a) Kurzer Bericht aus den Gruppen (Sprechblasen auf M4).             M2
                        b) Diskussion und Vertiefung einzelner Aspekte im Plenum             M3
                        (Lösungshinweise siehe M6).
                        c) Falls Einstieg über Quiz erfolgte: Auswertung und Rückbezug
                        im Plenum oder Selbstkorrektur mit Lösungsblatt (M2, M3)

                        Abkürzungen:
                        EA = Einzelarbeit                   SuS = Schülerinnen und Schüler
                        GA = Gruppenarbeit                  SV = Schülervortrag
                        LI = Input durch Lehrkraft          UG = Unterrichtsgespräch

                                                                                                                  21
3 .2 . H inw e ise z um S t un denver la uf

     Ziel der Doppelstunde                                         nisten/ die Protagonistin fokussieren, deren Steckbrief
     Ein wichtiges Anliegen des Films und der Doppelstunde         sie erhalten haben. Kennt die Lehrkraft ihre Lernenden
     ist es, dass die Schülerinnen und Schüler junges jüdisches    gut, kann sie vorab entscheiden, wer wessen Steckbrief
     Leben als bunt, vielfältig, fröhlich, selbstbewusst, stolz,   zugeteilt bekommt.
     engagiert und reflektiert erleben und wahrnehmen, dass
     Eva, Hanna und Sami nicht ständig mit Antisemitismus,         Möglicher alternativer Einstieg für die
     Schoa und Nahostkonflikt assoziiert werden wollen. Sie        Sekundarstufe II
     möchten, dass andere ihnen unverkrampft begegnen. Vor         Für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II kann
     allem dies sollte den Schülerinnen und Schülern deutlich      auch ein stärker abstrahierender Einstieg gewählt wer-
     werden, andere Aspekte des Films können gegebenen-            den. Ein solcher könnte über den Impuls „Wo ist euch
     falls vernachlässigt werden.                                  bisher jüdisches Leben begegnet?“ erreicht werden, der
                                                                   an die Tafel geschrieben wird. Die Auseinandersetzung
     Anmerkungen zum Einstieg (M1 – M4)                            mit der Frage kann entweder gleich im Unterrichtsge-
     Das Wissensquiz und die Steckbriefe sollen spielerisch        spräch im Plenum oder entlang der Methode „Think-
     und schnell zum Film hinführen. Es kann gewählt wer-          Pair-Share“ stattfinden.
     den, anhand welcher Variante der Einstieg erfolgen soll.      Es ist zu erwarten, dass jüdisches Leben und Judentum
     Das Wissensquiz kann einige Begriffe aus dem Film             vielfach im Kontext von Antisemitismus, der Schoa und/
     vorentlasten und stellt Bezüge zu Geschichte und Politik      oder dem Nahostkonflikt kennengelernt wurden und
     her. Die Auswertung erfolgt am besten am Ende der             von den Lernenden auch mit diesen Themenkomplexen
     Stunde, da einige Fragen durch den Film beantwortet           assoziiert wird. Eine andere Möglichkeit ist, dass die
     werden. Es ist auch möglich, das Quiz mit Lösungsblatt        Schülerinnen und Schüler bemerken, dass sie wenig bzw.
     als Hausaufgabe zur Selbstkorrektur aufzugeben. Dabei         nichts über jüdisches Leben wissen und es ihnen außer-
     sollte allerdings darauf geachtet werden, dass die im Quiz    halb der Schule noch nicht begegnet ist.
     angesprochenen Aspekte in der Folgestunde nochmals
     durch die Lehrkraft aufgegriffen werden.                      Dies sollte an dieser Stelle noch nicht kommentiert
     Bei der Einstiegsvariante mit den Steckbriefen steht der      werden, da dies im Film eine große Bedeutung hat.
     individuelle Bezug im Vordergrund. Das Arbeitsblatt           Strittiges oder Widersprüchliches muss an dieser Stelle
     enthält eine Vorlage zum Ausfüllen eines Steckbriefs und      nicht aufgelöst werden, sollte aber in jedem Fall in der
     einen fertig ausgefüllten Steckbrief von entweder Hanna,      Vertiefungsphase wieder aufgegriffen werden.
     Eva oder Sami. Es empfiehlt sich, das Blatt so zu falten,
     dass zunächst der eigene Steckbrief ausgefüllt werden         Anmerkungen zur Hinführung
     kann und im Anschluss mit dem Steckbrief der jewei-           Hier wird von der Lehrkraft kurz erklärt, dass der
     ligen Protagonistin oder des Protagonisten des Films          Film im Zusammenhang mit dem Jubiläum „1700 Jahre
     verglichen werden kann.                                       jüdisches Leben in Deutschland“ unter Pandemiebedin-
                                                                   gungen entstanden ist und dass er zum Ziel hat, junges
     Durch das Abgleichen des eigenen Steckbriefs mit dem          jüdisches Leben in Baden-Württemberg zu porträtieren
     Steckbrief von Eva, Hanna oder Sami kann das Interesse        und den jüdischen Jugendlichen eine Stimme zu geben.
     an den Figuren geweckt werden, was den Zugang zum             Der ironisierende Vorspann kann ggf. genutzt werden,
     Film erleichtert. Es empfiehlt sich, dass sich die Lernen-    um die Erwartungen der Lernenden abzufragen.
     den im weiteren Stundenverlauf jeweils auf den Protago-

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Anmerkungen zur Erarbeitung                                 Weiterführende Impulsfragen für den Austausch im
Erarbeitung 1: While-Watching (M5 – Phase 1)                Plenum können dann lauten:
In dieser Phase liegt der Fokus auf den Äußerungen
von Eva, Hanna oder Sami. Es wird nicht erwartet, dass      • Wie fandet ihr Eva, Hanna, Sami? Was war interessant?
die Lernenden alle Fragen erschöpfend beantworten.            Beeindruckend? Überraschend?
Die Fragen sollen helfen, das Interesse der Lernenden       • Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es
auf bestimmte Aspekte zu lenken. Die kurzen Stopps an         zwischen euch und den dreien?
ausgewählten Stellen während des Anschauens sollen          • Womit / mit wem konntet ihr euch identifizieren?
den Lernenden Zeit geben, ihre Antworten zu vervoll-          Was war euch fremd?
ständigen. Stopps bieten sich rund alle 10 Minuten bzw.     • Wie müsste sich der Schulunterricht über das
zu ausgewählten thematischen Übergängen an.                   Judentum im Sinne der Aussagen Evas, Hannas und
Am Ende des Films sollten Lernende die Möglichkeit          	Samis im Film verändern? Was habt ihr in der Schule
haben, kurze Verständnisfragen zu stellen.                    bisher über das Judentum gelernt?
                                                            • Wie fandet ihr den Film? Was hat euch besonders
Erarbeitung 2: Post-Watching I (M5 – Phase 2)                 gefallen? Was hat euch gefehlt? Was würde euch noch
In dieser Einzelarbeitsphase liegt der Fokus auf der Wir-     interessieren?
kung von Eva, Hanna und Sami auf die Lernenden. Auch
können Fragen formuliert werden. Auf Zeitmanagement         Die Diskussion kann entlang der thematischen Berei-
ist zu achten, um ausreichend Zeit für das Abschlussge-     che in M6 strukturiert werden. Die hier abgedruckten
spräch zu haben.                                            möglichen Ergebnisse sind allerdings nicht im Sinne
                                                            eines geschlossenen Erwartungshorizonts zu verstehen.
Erarbeitung 3: Post-Watching II                             Vielmehr verdeutlichen sie, welche Punkte (v. a. auch
(M5 – Phase 3 und Sprechblasen)                             aus Perspektive der jüdischen Protagonistinnen und
Hier sollen sich die Lernenden in gemischten Dreier-        Protagonisten) von Bedeutung sind. Sie müssen nicht
oder Sechsergruppen (Lernende mit Arbeitsaufträgen          notwendigerweise auf der Tafel oder im Heft festgehalten
zu je Eva, Hanna, Sami) auf Grundlage der Aufgaben zu       werden.
Phase 3 über ihre Beobachtungen und Fragen austau-          Wenn als Einstieg das Quiz gewählt wurde, empfiehlt
schen und ihre Eindrücke zu jungem jüdischem Leben          es sich, dieses am Ende der Doppelstunde zu bespre-
in Deutschland heute in den Sprechblasen festhalten.        chen, z. B. indem das Lösungsblatt für Schülerinnen und
Wichtig ist, dass die Lernenden ihre Auswahl begründen.     Schüler gezeigt wird (M3) und die Antworten abgegli-
                                                            chen und ggf. aufgrund der Erkenntnisse aus dem Film
Vertiefung und Problematisierung                            berichtigt werden können. Insbesondere die Fragen 8
Hier soll zunächst von den Sprechblasen und Fragen          und 9 bedürfen einer näheren Erläuterung durch die
(Phase 3 auf M5) ausgegangen werden, die aus den            Lehrkraft. Falls keine Zeit mehr für die Besprechung des
Gruppen ins Plenum getragen werden.                         Quiz sein sollte, kann der Abgleich als nachbereitende
                                                            Hausaufgabe von den Lernenden erledigt werden. Die
                                                            Ergebnisse sollten unbedingt in der folgenden Stunde im
                                                            Klassenraum besprochen werden.

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