Film: Jung und Jüdisch in Baden-WürttemBerg - materialien zum einsatz des Films im unterricht
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Inh a lt Vorworte Dr. Michael Blume 4 Regisseur Willi Kubica 5 Teil 1: Hintergrundwissen und didaktische Em pfehlungen 1. Der Film im Unterricht (Sybille Hoffmann) 6 2. Hintergrundtexte 2.1. FAQs zum Einsatz des Films in heterogenen Lerngruppen 9 (Dr. Robert Ogman, Sybille Hoffmann) 2.2. Mediale Repräsentationen von Jüdinnen und Juden 13 (Dr. Robert Ogman) 2.3. Podcast: Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945 – 15 Rückblick, Istzustand und Perspektive (Laura Cazés, Susanne Benizri, Torsten Rottberger) 2.4. 321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland 16 (Daniel Felder) Teil 2: Unterrichtsvorschläge 19 3. Vorschlag 1: Arbeit mit dem ganzen Film (Carsten Arbeiter, Daniel Felder) 3.1. Tabellarischer Stundenverlauf 21 3.2. Hinweise zum Stundenverlauf 22 3.3. Materialien 24 4. Vorschlag 2: Arbeit mit dem gekürzten Film (Yvonne Engist, Judith Schürmer) 4.1. Tabellarischer Stundenverlauf 39 4.2. Hinweise zum Stundenverlauf 40 4.3. Materialien 43 5. Literaturverzeichnis 50 Impressum 54 3
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, im Jahr 321 erließ Kaiser Konstantin ein Edikt, das auch Juden wer das Leben junger Menschen nur auf Grabsteine und traurige zur Übernahme von Ämtern in der Kurie und der Stadtverwal- Musik reduziert, bestreitet ihnen Leben, Würde und Vielfalt. tung Köln verpflichtete. Dies gilt heute als frühester Beleg für Deswegen hat das Staatsministerium sich ganz bewusst als offi- die Existenz jüdischer Gemeinden nördlich der Alpen. In diesem ziellen Beitrag des Landes Baden-Würrtemberg zum Festjahr für Jahr feiern wir deshalb bundesweit 1700 Jahre jüdisches Leben in einen Film entschieden, in dem junge, jüdische Baden-Württem- deutschen Landen. bergerinnen und Baden-Württemberger selbst zu Wort kommen! Dieses Jubiläum wollen auch wir in Baden-Württemberg Nutzen wir das Festjahr also, um das Erinnern und Würdigen zum Anlass nehmen, um die Geschichte jüdischen Lebens und nicht zu vernachlässigen und beim aktuell sichtbaren Antisemitis- seine tiefe Verwurzelung im Land zu würdigen. Denn zu oft mus klare Kante zu zeigen. Der vorliegende Film „JUNG UND wird die Geschichte des Judentums auf die Aspekte von Leid JÜDISCH IN BADEN-WÜRTTEMBERG“, der in Kooperation und Verfolgung reduziert. Und die letzten Monate zeigen mit der Filmakademie Baden-Württemberg entstanden ist, legt deutlich, dass der Antisemitismus als Verschwörungsmythos einen Schwerpunkt auf das junge jüdische Leben in unserem Bun- gegenüber Jüdinnen und Juden selbst Jahrzehnte nach der desland. Es ist beeindruckend, wie viele facettenreiche Geschich- Schoa nicht verschwunden ist. ten sich aus den Ansichten und Erzählungen der Protagonistinnen und Protagonisten abbilden lassen! Ich hoffe, der Film lädt zu Aber gerade auch junge Menschen wollen beim Aufbau ihrer zahlreichen spannenden Diskussionen und Erkenntnissen ein – jeweiligen, komplexen Identität nicht bemitleidet, sondern res- im Unterricht und darüber hinaus. pektiert werden. Die junge Ezidin Nadia Murad, die im Irak die Zerstörung ihres Dorfes Kocho und selbst schlimme Gewalt erlitt, Ich danke dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, das die sagte mir dazu einmal: „Ich stehe dafür, dass uns die Leute nicht Erstellung dieser Broschüre ermöglicht hat und dem Zentrum für als Opfer anschauen, sondern als Überlebende.“ Da begriff ich, Schulqualität und Lehrerbildung für die gelungene Umsetzung. dass es bei der Erinnerung an Leid auch darum gehen muss, Lassen Sie uns 2021 als Chance wahrnehmen und einen Fokus Kraft für ein besseres, gerechteres Morgen zu schöpfen – für alle auf das Miteinander legen, um voneinander zu lernen – für eine Menschen. Wer das Judentum oder sonst eine Gemeinschaft, bessere und gemeinsame Zukunft! Ihr Dr. Michael Blume Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus 4
Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer, in diesem Schreiben möchte ich eine Erkenntnis mit Ihnen teilen, Die Protagonistinnen und Protagonisten werden damit nicht nur die ich im Laufe der Arbeit an diesem Film gemacht habe. Ich bin auf ihr Jüdischsein reduziert, sondern verweisen allgemein auf der Überzeugung, dass niemand, der oder die sich als Nicht-Jude die Herausforderungen einer modernen Welt – aber in einem bzw. Nicht-Jüdin dem „Deutschen“ zugehörig empfindet, unbe- lockeren und zwanglosen Ton. Mein Ziel war es immer, dass man fangen auf das Thema Judentum reagiert. am Ende des Films sagt: „Das hat Spaß gemacht“ – und nicht be- tretenes Schweigen im Walde herrscht. Das heißt nicht, dass die Ich selbst war mir vor dem Beginn des Projekts nicht bewusst, schweren Noten des Themas einfach ignoriert und nicht gespielt wie stark ich diese Befangenheit empfinde: Verunsicherung, werden, aber es geht um die Frage, wie bunt die Melodie ist, die Berührungsängste. Das ist ein unangenehmes Gefühl, das man erklingt – und diese hier ist nicht in Moll verfasst. am liebsten nicht spüren will und am leichtesten loswird, indem man sich nicht mehr mit dem Judentum beschäftigt. Doch das Und ja: Die Themen und Fragestellungen jüdischer Menschen in ist natürlich ein Teufelskreis, der sich auch noch immer wieder Deutschland mögen bisweilen überfordern und für andere nicht durch schwere, traurige und düstere Reportagen und Nachrichten zwingend sofort nachvollziehbar sein – aber: Das ist völlig okay. vertieft. Befangen ein Filmprojekt umzusetzen ist nicht möglich. Denn ist das nicht häufig der Fall? Ist das nicht sogar die Regel? Ich habe die anfängliche Berührungsangst überwunden und bin Egal, mit welchem Menschen man es gerade zu tun hat? Ist man sehr froh darüber. nicht jedes Mal befangen, wenn man die Welt des Gegenübers nicht komplett versteht? Manchmal mehr, manchmal weniger. Seien Sie versichert: Dieser Film ist nicht düster, bedrückend, Aber es ist eine Konstante im menschlichen Austausch, die uns schwarz-weiß und traurig. Dabei fokussiert er sich nicht aus- doch ansonsten auch nicht abschreckt. schließlich auf die jüdische Identität der Protagonistinnen und Protagonisten, sondern auf Fragen, die die junge Generation Legen wir also die Befangenheit im Umgang mit jüdischem allgemein betreffen, und das auf eine teils selbstironische, Leben ab. Gegen den Teufelskreis. Ich denke, dieser Film kann augenzwinkernde Art und Weise. Kleine Spleens und Eigenarten auf humorvolle und abwechslungsreiche Art und Weise dabei werden genauso gezeigt wie jüdische Themen. helfen. Beste Grüße und viel Spaß, Ihr Willi Kubica Filmregisseur 55
Teil 1: Hintergrundwissen und didaktische Empfehlungen 1. Der Film im Unterricht (Sy bille H offma nn) Der Film „JUNG UND JÜDISCH IN BADEN-WÜRT- wie individuelle Aspekte (z. B. Zukunftswünsche, TEMBERG“ von Willi Kubica setzt den Fokus des Berufsziele, Hobbies, Abneigungen, Religiosität, gesell- Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ schaftliches Engagement etc.). Die Leitfrage könnte hier weniger auf die Vergangenheit als auf die Gegenwart und in etwa lauten: Was verbindet uns jenseits von Religion Zukunft jüdischen Lebens, die von uns allen gemeinsam und kulturell/ ethnischer Herkunft? Wo sind wir gleich? gestaltet werden kann. Die sympathischen, reflektierten Wo finde ich mich wieder? Andererseits sollten auch jungen Protagonistinnen und Protagonisten und die die spezifischen Erfahrungen, die die Protagonistinnen vielen für Jugendliche hochaktuellen Themen, die der und Protagonisten des Films als Jüdinnen und Juden und Film anspricht, machen ihn für die Fächer Deutsch, Minderheit in Baden-Württemberg machen, thematisiert Geschichte, Gemeinschaftskunde und Religion gleicher- werden. Nicht um jüdisches Leben als solches zu proble- maßen attraktiv. Um mit den Worten des Regisseurs zu matisieren oder dieses als „anders“ zu markieren, sondern sprechen, geht es vor allem um „die nächsten 1700 Jahre“ um jüdische Lebenswelten und Alltagserfahrungen sicht- und was wir aus ihnen machen. bar zu machen und Perspektivwechsel zu ermöglichen (ob sie dadurch für Nichtjüdinnen und -juden „erlebbar“ Im Film lernen wir junge jüdische Erwachsene aus werden, wie im Vorspann des Films ironisierend ange- Baden-Württemberg und ihre individuellen Erfahrun- kündigt wird, sei dahingestellt). gen, Deutungen und Wünsche für die Gegenwart und Zukunft kennen. Dabei werden ganz verschiedene Pers- Das Verständnis dafür, dass Menschen in einer vielfälti- pektiven sichtbar – Unterschiede zwischen der jüngeren gen Gesellschaft unterschiedliche Erfahrungen machen, und älteren Generation werden genauso thematisiert wie ist für differenzsensible Bildung grundlegend und sollte verschiedene Blickwinkel, Positionierungen und Iden- im heterogenen Lernraum angebahnt werden. Wenn titätskonstruktionen der jungen Erwachsenen im Film. Eva, Hanna und Sami im Film z. B. über Fremdzuschrei- Beim Zuschauen wird deutlich, dass die Protagonistin- bungen und Erwartungshaltungen der nichtjüdischen nen und Protagonisten des Films Erfahrungen machen, Mehrheitsgesellschaft gegenüber Jüdinnen und Juden die einerseits große Schnittmengen mit dem Alltag und sprechen, wird auch deutlich, dass unterschiedliche der Lebenswelt nichtjüdischer junger Erwachsener Menschen damit unterschiedlich umgehen und dass es aufweisen (können) und andererseits spezifisch jüdisch nicht „die“ richtige oder falsche Strategie geben kann. sind. Genau hierin liegen Chance und Herausforderung Die übergeordneten Leitfragen könnten hier lauten: Was der Thematisierung des Films im Unterricht, ganz im sind wiederkehrende Erfahrungen jüdischer Jugendli- Sinne differenzsensibler Pädagogik: Einerseits gilt es, die cher in Deutschland? Wie deuten die Jugendlichen diese Gemeinsamkeiten der jungen Menschen im Film mit den Erlebnisse? Und wie gehen sie damit (auch proaktiv) um? Jugendlichen im Klassenzimmer herauszuarbeiten und zu besprechen. Kollektive Herausforderungen wie z. B. Über den Vergleich mit spezifischen Erfahrungen die Klimakrise, die Digitalisierung und der Umgang mit anderer Minderheiten in Deutschland (z. B. Menschen sozialen Medien können genauso thematisiert werden mit Einwanderungsgeschichte, Menschen mit nicht- 6
christlicher Religionszugehörigkeit) könnten ggf. und je von Vielfalt (BTV), die auf die Auseinandersetzung mit nach Zusammensetzung und Interesse der Lerngruppe unterschiedlichen Identitäten in einer vielfältigen Gesell- abschließend wiederum Gemeinsamkeiten und Paralle- schaft und auf die Bewusstmachung der eigenen Identität len zu den Erfahrungen jüdischer Menschen besprochen zielt, sowie die Leitperspektive Medienbildung, die u. werden. So könnte über die Thematisierung von stereo- a. auf die Analyse von medialen Diskursen sowie die typen Rollenzuschreibungen die Frage erörtert werden, reflektierte und verantwortungsbewusste Nutzung von worin sich diese ähneln und worin sie sich aber auch Medien fokussiert. Auch können Bezüge zum Leitfaden unterscheiden. Die Leitfragen hierzu könnten ggf. lauten: Demokratiebildung (2019) hergestellt werden, der z. B. Welche Erfahrungen mit stereotypen Zuschreibungen im Baustein 1 (Identität und Pluralismus) hervorhebt: und Erwartungen mache ich als Mädchen, als Migrantin/ Migrant, als Schülerin/Schüler mit Behinderung etc.? „Die Schülerinnen und Schüler setzen Aspekte Was ärgert mich? Wie gehe ich damit um? ihrer Identität in Bezug zur Pluralität, die sie in ihrer Umgebung antreffen. Dazu gehören unter anderem Der Film sollte in der Schule als Gesprächsangebot individuelle Eigenschaften, Neigungen, Stärken und gesehen und entsprechend genutzt werden. Beim Einsatz Schwächen, Erwartungen, Rollenbilder, Werte und im Unterricht geht es weniger um die Vermittlung von religiöse Überzeugungen. Dabei erkennen sie Normalität Inhalten und Kenntnissen über das Judentum, sondern in der Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeiten in der darum, mit den Schülerinnen und Schülern in einen Verschiedenheit.“ kreativen und anregenden Austausch zu kommen. Dazu (Leitfaden Demokratiebildung, 2019, 12). muss nicht jede Szene analysiert und diskutiert werden. Vielmehr geht es darum, dass die Schülerinnen und Der hier vorgestellte Unterrichtsvorschlag ist nicht Schüler sich zum Gesehenen und Gehörten persönlich in auf ein bestimmtes Schulfach bezogen. Der Einsatz in Beziehung setzen und die Reflexion über eigene Identitä- Fächern wie Deutsch, Religionslehren, Ethik, Geschichte ten und Erfahrungen angeregt wird. Individuellen Deu- oder Gemeinschaftskunde ist naheliegend; um den tungen und Rezeptionen sollte Raum gelassen und diese Rahmen dieser Broschüre nicht zu sprengen, wird an sollten diskutiert werden. Welche Aspekte des Films dieser Stelle auf die Ausweisung der konkreten prozess- Aufmerksamkeit erregen, kann zwar über Arbeitsaufträ- und inhaltsbezogenen Kompetenzen verzichtet. ge gelenkt werden, die letztendliche Auseinandersetzung ist aber immer individuell und erfolgt in den Köpfen der Gerade wegen des expliziten Gegenwarts- und Zukunfts- Lernenden. Diesem Konstruktionsprozess sollte, wenn bezugs eignet sich der Film besonders im Anschluss an möglich, Raum gegeben werden. eine Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und der Der Film bietet die Möglichkeit, die Kompetenzen der Schoa im Geschichtsunterricht. Indem er aufzeigt, dass es schulart- und fachübergreifenden Leitperspektiven des heute wieder ein buntes, selbstbewusstes und vielfälti- Bildungsplans 2016 zu vertiefen. Hierzu gehört u. a. die ges jüdisches Leben in Deutschland gibt, ermöglicht er Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz einen positiven Ausblick auf die Gegenwart und kann 7
eine Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen anregen, hierüber ein angeregter Austausch in der Lerngruppe zum Beispiel darüber, was die Schoa heute für jüdische statt und wird ggf. Interesse an einer vertiefenden Deutsche bedeutet und wie heutiges jüdisches Leben in Auseinandersetzung geweckt, dann ist ein wichtiges Deutschland aussieht. Ziel erreicht. Für den Einsatz in Vorbereitungsklassen (VKL) sowie im Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Der Einsatz im eigenen Unterricht wird sicherlich auch Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen (VABO) von den persönlichen Interessen und Kenntnissen der oder auch anderen Lerngruppen, die verstärkte sprach- Lehrkräfte abhängen, doch soll an dieser Stelle be- liche Unterstützung benötigen, wurden die Materialien tont werden, dass hierfür keine einschlägige Expertise stärker didaktisiert und sprachsensibel aufbereitet. nötig ist. In den unten abgedruckten Beiträgen findet sich hilfreiches Hintergrundwissen, das bei der Unter- Der Einsatz in der Kursstufe und in beruflichen Schulen richtsvorbereitung und -durchführung unterstützen ist selbstverständlich auch möglich und soll an dieser kann. Mindestens ebenso wichtig wie Fachwissen und Stelle ausdrücklich empfohlen werden. Die Niveau -kompetenzen sind aber bei der Thematisierung im differenzierung ergibt sich dann weniger über die heterogenen Klassenzimmer eine selbstreflexive und Aufgabenformate als über die Beiträge der Schülerinnen differenzsensible Herangehensweise, die unterschiedli- und Schüler und die Diskussionen. che Perspektiven sichtbar macht und anerkennt und die es Schülerinnen und Schülern ermöglicht, „sich frei und ohne Angst vor Diskriminierung zu artikulieren“ (vgl. Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt, BTV). Der Film ist sprachlich und inhaltlich recht anspruchs- voll; die Protagonistinnen und Protagonisten im Film sind junge Studierende, also in der Regel älter als die den Film rezipierenden Schülerinnen und Schüler, so dass nicht automatisch eine Identifikation gewährleistet ist. Dennoch bieten die hier vorgelegten Unterrichtsvor- schläge die Möglichkeit, den Film bereits in den Klassen 9 und 10 der Sekundarstufe I und des Gymnasiums einzu- setzen. Dabei muss nicht jeder im Film angesprochene Aspekt im Detail diskutiert werden. Über die Aufgaben- stellungen können sich die Schülerinnen und Schüler mit den Protagonistinnen und Protagonisten auseinan- dersetzen und sich mit diesen in Beziehung setzen. Findet 8
2. Hintergrundtexte Die hier abgedruckten Texte stellen Informationen zum Die Texte müssen nicht alle gelesen werden, um den Film Einsatz im schulischen Unterricht, zum historischen und im eigenen Unterricht einzusetzen. Vielmehr stellen sie gegenwärtigen jüdischen Leben in Deutschland sowie ein Angebot dar, aus dem auch einzelne Themenbereiche seiner Darstellung in den Medien bereit. ausgewählt werden können. 2.1. FA Q s z u m E insat z d e s F il m s in h eter ogenen Ler ngr uppen ( Dr . R o b e rt O gm a n, S y b il l e H of f ma nn) 1. Was muss ich alles über die jüdische 2. Muss ich mich mit Israel oder dem Religion und Geschichte wissen, damit ich Nahostkonflikt auskennen, damit ich den den Film unterrichten kann? Film kompetent unterrichten kann? Sie müssen kein Fachwissen zum Judentum haben, um Der Nahostkonflikt ist nicht Thema des Films, sondern den Film zu unterrichten. Der Film fokussiert auf die es geht um junge Jüdinnen und Juden in Baden-Würt- drei Protagonistinnen und Protagonisten Hanna, Eva temberg. Der Nahostkonflikt ist nur insofern von Bedeu- und Sami und deren spezifische und sehr individuelle tung, als dass thematisiert wird, dass Jüdinnen und Juden Perspektiven, Erfahrungen, Deutungen und Wünsche. in Deutschland häufig (und ungewollt) die Erfahrung Da der Film gegenwarts- und zukunftsorientiert angelegt machen, in Bezug zum Nahostkonflikt gesetzt werden. ist, ist auch kein spezifisches Wissen über die jüdische Eva spricht im Film über das Problem der „jüdischen Geschichte nötig. Viel wichtiger ist es, sich bewusst zu Dreifaltigkeit“, das die Fremdzuschreibungen an Jüdin- machen, dass es nicht „die“ jüdische Perspektive gibt, nen und Juden begrifflich zusammenfasst: Sie werden sondern dass es vielmehr um jüdische Perspektiven im häufig nur im Kontext von Antisemitismus, der Schoa Plural geht. Ein weiterer Aspekt ist es, sich zu vergegen- und dem Nahostkonflikt wahrgenommen und sollen wärtigen, dass für die jüdische Gemeinschaft Religion als Repräsentantinnen und Repräsentanten für den Staat zwar ein wichtiger Bestandteil der Identität ist, dass aber Israel bzw. dessen Politik herhalten, indem sie z. B. auf die jüdische Kultur, die eigene (Familien-)Geschichte, die die israelische Politik angesprochen oder aufgefordert Erinnerung an die Schoa und/ oder die Verbindung zum werden, zu ihr Stellung zu nehmen. Dies ist nicht nur Staat Israel weitere identitätsstiftende Aspekte sein kön- eine stereotypisierende (Rollen-)Zuschreibung, sondern nen. Religion steht also nicht unbedingt im Vordergrund, ignoriert auch die Tatsache, dass die persönlichen Bezüge sondern bildet nur ein Teil der Identität der Jugendlichen von Jüdinnen und Juden zu Israel sehr unterschiedlich im Film. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der sein können und jüdische Jugendliche selbstverständ- Wunsch von Hanna nach einer Selbstverständlichkeit lich auch unterschiedliche (oder gar keine!) politische deutsch-jüdischer Identität („dass es ganz normal ist, Meinung zum Konflikt haben können und dürfen. jüdisch und deutsch zu sein“). Im pädagogischen Raum ist es v. a. wichtig, jüdische 9
Schülerinnen und Schüler nicht zu Stellvertreterinnen 3. Im Unterricht habe ich das Thema und Stellvertretern Israels und/ oder zu Expertinnen und Antisemitismus schon intensiv behandelt. Experten des Nahostkonflikts zu machen. Denn jüdische Wird das nicht zu viel? Menschen werden dadurch zu „Anderen“ gemacht und von der vermeintlichen „Wir“-Gruppe ausgeschlossen. Im Vordergrund des Films stehen jüdische junge Erwach- Sollten Diskussionen im Unterricht in Richtung Nahost- sene aus dem heutigen Baden-Württemberg und nicht konflikt abgleiten, ist anzuraten, den Fokus als Lehrkraft die Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus. Im ganz bewusst wieder auf Baden-Württemberg und Film wird deutlich, dass die Jugendlichen nicht auf eine jüdisches Leben im Hier und Jetzt zu richten. Dies sollte Opfergeschichte reduziert werden wollen. Sie monieren den Lernenden auch transparent gemacht werden. auch einseitige mediale Darstellungen von Jüdinnen und Juden, die diese oft nur im Kontext von Antisemitismus, Schoa und Nahostkonflikt („jüdische Dreifaltigkeit“) sicht- und erfahrbar machen. Sie wünschen sich mehr Darstellungen von jüdischen Menschen als handelnde Akteurinnen und Akteure, die sich gegen Antisemitis- mus wehren können. Der Film erzählt Geschichten von jüdischer Identität, Zugehörigkeit, Selbstbewusstsein und Stolz. Der Blick geht eher nach vorne in die Zukunft und in die Gegen- wart. Der Film ist eine Chance, andere und vielfältige Geschichten von Jüdinnen und Juden in den Unterricht zu tragen und sollte auch dazu genutzt werden. 10
4. Wenn Antisemitismus nicht das Thema 5. Wie gehe ich mit möglichen antisemitischen des Films ist – soll und darf ich mit den Äußerungen um? Schülerinnen und Schülern überhaupt darüber sprechen? Antisemitische Äußerungen sollten niemals einfach so stehengelassen werden, unabhängig davon, ob sie Die Jugendlichen im Film erzählen von Rollenzuschrei- manifest oder subtil sind, sich also in Form von Andeu- bungen und Erwartungen, die von Seiten der nicht- tungen, angeblichen Witzen oder stereotypen Zuschrei- jüdischen Mehrheitsgesellschaft an sie herangetragen bungen äußern. Auch sollte eine Reaktion erfolgen, werden. Auch berichtet z. B. Eva, dass sie aus Furcht vor ganz unabhängig davon, ob jüdische Schülerinnen und möglichen antisemitischen Reaktionen nicht immer Schüler mit im Klassenzimmer sind oder nicht. Grund- gleich ihre jüdische Identität preisgibt und dass es sich, sätzlich sollte immer davon ausgegangen werden, dass wenn sie es tut, „immer wie ein Outing“ anfühlt, d. h. ein jüdische Lernende Teil der Lerngruppe sein könnten. selbstverständlicher und normaler Umgang ist leider Auf antisemitische Aussagen sollte auch unabhängig von nicht immer gegeben. Auch wird das Thema Antisemitis- der jeweiligen Kommunikationsform reagiert werden: mus in der Diskussion rund um das Thema Sichtbarkeit Aktueller Antisemitismus zeigt sich häufig in Bezug auf vs. Sicherheit angeschnitten. den Nahostkonflikt, über Verschwörungsmythen oder durch eine Relativierung oder gar Leugnung des Nati- Für die Arbeit mit dem Film ist es empfehlenswert, im onalsozialismus und der Schoa. Die im Film angespro- Hinterkopf zu haben, chene „Jana aus Kassel“, die sich im Dezember 2020 auf • dass Antisemitismus kein historisches Phänomen, einer Demonstration gegen die Coronamaßnahmen mit sondern für Jüdinnen und Juden in Deutschland Sophie Scholl verglichen hat, ist für eine solche Relativie- belastender Alltag ist und ihre Sicherheit bedroht, rung ein Beispiel. • dass Antisemitismus weit vor Terroranschlägen Antisemitische Äußerungen müssen als antisemitisch er- (z. B. Halle 2019) beginnt, und zwar mit Fremdzu- kannt, benannt und entsprechend zurückgewiesen wer- schreibungen, stereotypen Rollenerwartungen, den, ohne die betreffenden Lernenden zu stigmatisieren scheinbar harmlosen Witzen und Andeutungen und und als Antisemiten/ Antisemitinnen zu klassifizieren. • dass der Kampf gegen Antisemitismus in erster Linie Eine sachliche, freundliche und zugleich entschiedene eine Aufgabe der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft Haltung der Lehrkraft ist hier entscheidend. Der Schutz sein sollte (vgl. die Diskussionen im Film über die von Betroffenen sollte im Vordergrund stehen, und eine Wirksamkeit von Aufklärung/Begegnungen und wer zeitnahe Reaktion ist dabei äußerst wichtig. dafür zuständig ist). Diese Aspekte können bei Bedarf diskutiert und vertieft werden. 11
6. In meiner Klasse sind auch jüdische 7. In meiner Klasse sind Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler. Was muss ich Schüler mit verschiedenen religiösen und bei der Arbeit mit dem Film beachten? kulturellen Hintergründen. Was muss ich beachten, wenn ich den Film zeige? Grundsätzlich muss in heterogenen Lernräumen immer davon ausgegangen werden, dass auch jüdische Schüle- In heterogenen Lernräumen bietet sich bei der Arbeit rinnen und Schüler mit im Klassenzimmer sein könnten, mit dem Film in besonderem Maß die Chance, Bezüge unabhängig davon, ob dies bekannt ist oder nicht. Im zu Erfahrungen mit Fremdzuschreibungen und Rollen Film wird deutlich, dass Jüdinnen und Juden aus (berech- erwartungen herzustellen, die die Schülerinnen und tigter) Furcht vor negativen Reaktionen der Umwelt ihre Schüler in Minderheitenpositionen möglicherweise jüdische Identität nicht immer offenlegen (möchten). auch im eigenen Alltag machen. Muslimisch sozialisierte Falls Sie von jüdischen Schülerinnen und Schülern Schülerinnen und Schüler werden vielleicht häufig auf in Ihrer Klasse wissen, drängen Sie sie nicht in eine den Islam angesprochen. Schülerinnen und Schüler mit Repräsentationsrolle. Falls eine jüdische Schülerin oder Migrationsgeschichte erleben unter Umständen auch, ein jüdischer Schüler sich zum Film äußern oder ggf. dass sie auf ihre Herkunft und Kultur bzw. eine Opferge- einen speziellen Beitrag leisten möchte (z. B. in Form schichte (des Rassismus und des Kolonialismus) reduziert eines Referats), geben Sie ihr/ihm die Gelegenheit dazu. werden. Falls solche Vergleiche gezogen werden sollten, Reflektieren Sie dabei aber eigene Erwartungen: Jüdische ist es wichtig, Rassismuserfahrungen nicht zu relativie- Schülerinnen und Schüler sprechen nicht für „die“ jüdi- ren, Opferkonkurrenzen zu vermeiden und dabei die sche Community und sind nicht automatisch ausgewie- Spezifika des Antisemitismus und der Schoa im Blick zu sene Expertinnen und Experten zum Judentum, sondern behalten. können höchstens von individuellen Erfahrungen, Zugängen und Interessensbereichen berichten. Wenn Reflektieren Sie auch mögliche eigene Erwartungen: von Antisemitismuserfahrungen berichtet werden sollte, Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte relativieren und bagatellisieren Sie die Erfahrungen nicht. sind nicht pauschal antisemitischer als Lernende ohne Falls aus der Klasse derartige Kommentare kommen soll- Migrationsgeschichte bzw. Lernende mit Täterbiografien ten, weisen Sie diese entschieden zurück (vgl. Punkt 4). in der Familiengeschichte. Schülerinnen und Schüler können die verschiedensten familienbiografische Bezüge zur Schoa haben. Genauso können jüdische Schülerin- nen und Schüler auch eine Migrationsgeschichte haben, z. B. wenn die Familie in den 1990er Jahren aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Baden-Württemberg immigriert ist. Insgesamt eröffnet der Film auch Zu- gänge zur Thematisierung von Gemeinsamkeiten und ähnlichen Erfahrungen. Die Schaffung von persönlichen Bezügen in der Auseinandersetzung im heterogenen Klassenzimmer ist daher von Bedeutung. 12
2 .2. M e d i ale R ep r ä s e ntat ione n v on J üdinnen und Juden ( Dr . R o b e rt O gm a n) Eine Herausforderung, mit der alle Minderheiten kon- basiert auf dem Bestseller der jüdischen Amerikanerin frontiert sind, ist ihre häufig verzerrte mediale Darstel- Deborah Feldman (2012, deutsch: 2016) und handelt lung. Trotz eines zunehmenden Bewusstseins, dass unsere von ihrer Flucht aus einer strengen, ultra-orthodoxen Gesellschaft vielfältig ist, werden sie oft einseitig oder Gemeinde in New York City und dem Neuaufbau eines negativ dargestellt oder ganz vergessen (Schmitt & Ernst, säkularen Lebens in Berlin. Während viele jüdische wie 2020). Dies gilt auch für die Darstellung des jüdischen nichtjüdische Zuschauerinnen und Zuschauer ihren Lebens, des Judentums und der jüdischen Geschichte im Freiheitskampf feiern, sorgte die Netflix-Darstellung deutschen Kontext. und ihre Rezeption zum Teil auch für Bauchschmerzen in der jüdischen Community in Deutschland. Denn es Obwohl einst die Heimat jüdischer Reformbewegung wurde genau als die Art von Schwarz-Weiß-Darstellung und Aufklärung, ist es dennoch in Deutschland nicht eines vermeintlich rückständigen und dogmatischen unüblich, Jüdinnen und Juden als fremd, rückständig Judentums auf der einen und eines ebenso vermeintlich oder seltsam darzustellen. Eine Titelseite der Zeitschrift weltoffenen Deutschlands auf der anderen Seite empfun- „Der Spiegel Geschichte“ (2019, 3) porträtierte „Jüdisches den. Tatsächlich bewahrheiteten sich die Befürchtungen Leben in Deutschland“ mit einem Foto zweier langbär- einiger deutsch-jüdischer Kommentatorinnen und tiger, schwarz gekleideter, älterer orthodoxer Männer Kommentatoren durch die Behauptung Jan Böhmer- und beschrieb diese als „die unbekannte Welt nebenan“. manns in seinem Podcast „Fest & Flauschig“ vom Mai Doch die große Mehrheit der jüdischen Menschen in 2020, „Unorthodox“ sei ein „guter Einstieg in die jüdische Deutschland sehen sich durch solche „Klischeebilder“ Kultur“. Denn die besondere Geschichte ist „für die nicht repräsentiert, wie unter anderem der Präsident des gesamte jüdische Gegenwart keineswegs repräsentativ“ Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, (Cazés & Baier, 2020). Es fällt auch Jüdinnen und Juden dazu kritisch anmerkte (Schuster et. al., 2019). Im Film „häufig schwer, eine angemessene Auseinandersetzung bemerkt auch die Protagonistin Hanna: „Wir sind nicht mit dem Phänomen der abgekapselten Ultraorthodoxie diese schwarz-weißen Bilder (...) wir sind vielfältig.“ Dies zu finden“. Sprich: Es ist eben „kein guter Einstieg in die ist im Übrigen auch das Studienergebnis des „Gemeinde jüdische Kultur“, sondern ein Randphänomen eines barometer“ des Zentralrats der Juden in Deutschland vielfältigen Judentums. (2020). Auch die Darstellung des zeitgenössischen Deutschlands Es scheint eine Art Faszination für ein „exotisches“ und in der Serie kann kritisch hinterfragt werden. Das Bild „fremdes“ Judentum zu geben, was auch den enormen von Berlin im Film als antisemitismusfreie Zone kont- Erfolg der deutschen Netflix-Mini-Serie „Unortho- rastiert stark mit dem ansteigenden Antisemitismus und dox“ in Deutschland erklärt. Diese wahre Geschichte dem Ratschlag, dass Jüdinnen und Juden ihre religiösen 13
Symbole in der Öffentlichkeit verstecken sollten, um darzustellen: die Fixierung auf Antisemitismus, die Schoa körperliche Gewalt oder verbale Anfeindungen zu und den Nahostkonflikt. Es geht nicht unbedingt darum, vermeiden. Dazu rieten unter anderem Josef Schuster, dass die Protagonistinnen und Protagonisten glauben, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und dass diese Themen vermieden werden sollten. Vielmehr Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragter der Bundes- geht es darum, Jüdinnen und Juden nicht auf diese The- regierung (Süddeutsche, 2015; Zeit Online, 2019). Es mag men zu reduzieren. diese Zonen von Sicherheit geben. Außerhalb davon ist die Situation eine andere. Sonst würde auch die in Berlin In einem Gespräch mit dem Produktionsteam von lebende Deborah Feldman nicht ihren Sohn darum bit- „Druck“ werden Eva, Hanna und Sami gefragt, ob sie ten, sein Jüdischsein geheim zu halten (Feldman, 2015). lieber Darstellungen von jüdischen Menschen sehen würden, die ihre Identität aus Angst vor Antisemitismus Es sind aber nicht nur solche einseitigen Narrative, verstecken, oder eher Darstellungen, die „positive Identi- denen jüdische Menschen ausgesetzt sind. Oft werden täten“ zeigen. Sami gibt der letzteren Option den Vorzug. sie einfach ignoriert, als würden sie nicht existieren. Das bedeutet aber keineswegs, Probleme auszublenden. Das ist auch der Fall, wenn sich eine Fernsehsendung Wichtig ist, dass jüdische Personen als handelnde Sub- explizit das Ziel setzt, Vielfalt zu präsentieren, und jekte dargestellt werden. „Was ich mir wünschen würde“, keine einzige jüdische Figur darin vorkommt. Im Film sagt Hanna, „ist, dass jüdische Personen sich wehren liest Sami eine Beschreibung der Serie „Druck“ aus dem können.“ Und Eva bekräftigt: „Auf gar keinen Fall in eine Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vor: „Dass Diversität Opferrolle fallen.“ in einer Jugendserie berücksichtigt wird, dass verschie- dene Körper und Herkünfte, Religionen, Milieus und Die weit verbreitete Frustration über solche verzerr- Familienkonstellationen ganz natürlich gezeigt werden, ten Darstellungen erklärt auch den großen Erfolg des ohne sie immer zu thematisieren, das ist grandios.“ (von jüngsten Kurzfilms „Masel Tov Cocktail“ (2020). Darin Hof, 2019). Jüdische Menschen werden allerdings kom- wehrt sich der Protagonist, Dima, gegen antisemitische plett außen vor gelassen. In den bisherigen sechs Staffeln Beschimpfungen in der Schule und wird dafür suspen- kommt keine einzige jüdische Figur vor. Dazu sagt Sami: diert. Der Film schildert nicht nur das gesellschaftliche „Was sie vielleicht vermeiden wollen [...] ist, dass sie es Labyrinth, in dem sich jüdische Menschen in Deutsch- nicht schaffen, eine jüdische Person normal darzustellen.“ land heute befinden, er behandelt auch den jüdischen Für die Darstellung der restlichen Figuren scheint das Protagonisten als handelnden Akteur. Und er tut dies, aber kein Problem zu sein. indem er keine einfachen Lösungen anbietet. Dabei ver- weigert er sich den stereotypen Darstellungen von Juden Eva weist auf weitere Probleme hin, die Medienpro- und Jüdinnen als ewige Fremde oder hilflose Opfer und duktionen ihrer Meinung nach haben, wenn es darum öffnet neue Perspektiven der medialen Repräsentation geht, ein realistisches Bild des heutigen jüdischen Lebens des Judentums. 14
2 .3. Po d c as t: Jüd isc h e s L e b e n in D e u ts c hla nd na c h 1945 – R ü c kb li c k , I st z us ta nd und P e r spektive ( L au r a C az é s , S us a nne B e niz ri, Tor s ten Rottber ger ) Über den untenstehenden Link kann auf einen Podcast zum jüdischen Leben in Deutschland nach 1945 zugegriffen werden. Das Interview realisierten und erarbeiteten Torsten Rottberger, Studienrat am Albert- Schweitzer-Gymnasium Gundelfingen und ehem. Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG) Baden, und Susanne Benizri, Religionslehrerin (Jüdische Religionslehre) und Leiterin des Erziehungs referats der IRG Baden. Interviewt wurde Laura Cazés, Leiterin der Abteilung für Kommunikation und Digitalisierung der Zentral- wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Sie studierte European Studies und Psychologie und Laura Cazés begann 2015 ihre hauptamtliche Tätigkeit bei der ZWST als Koordinatorin des Deutsch-Israelischen LIN KS ZUM POD CAST: Freiwilligendienstes. Von 2017 bis 2019 war sie gewählte www.schule-bw.de/1700jahre-podcast Vizepräsidentin der European Union of Jewish Students. www.zsl-bw.de/juedisches-leben-antisemitismus Kernthemen ihres Engagements sind die Diversität und Wahrnehmung jüdischer Lebenswelten in Deutschland, der Einbezug jüdischer Perspektiven in gesellschaftliche Diskursräume und die Schaffung innovativer Konzepte in jüdischen Communities. Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland bildet den Zusammenschluss der jüdischen Wohlfahrts- pflege in Deutschland. Als Dachorganisation vertritt die ZWST die jüdischen Gemeinden und Landesverbände auf dem Gebiet der jüdischen Sozialarbeit. 15
2 .4 3 2 1 – 2 0 2 1 : 1 7 0 0 J a h re jüdis c hes Leben in D euts c hla nd (D a nie l F e l d e r) Pest- und Kreuzzugspogrome, Vertreibungen, Antisemi- Blüte im 10. und 11. Jahrhundert tismus, Schoa – was über das Judentum in Deutschland In den Kerngebieten des ehemaligen Frankenreichs, an Wissen in Umlauf ist, wird oft im Kontext einer insbesondere am Rhein und in Lothringen, wuchsen im Geschichte von Leid, Ausgrenzung, Verfolgung und Mittelalter bedeutende jüdische Gemeinden heran, die Ermordung erzählt, als Opfergeschichte. im 10. und 11. Jahrhundert zu Zentren jüdischer Gelehr- samkeit wurden. Der Einfluss dieser Gemeinden inner- Ohne Zweifel sind und waren diese Aspekte der Ge- halb des Judentums war so groß, dass man die Bewohner schichte des Judentums in Deutschland real, mit all ihren dieser Gebiete als Aschkenasim, also Bewohnerinnen grausamen und bis heute nachwirkenden Implikationen. und Bewohner von Aschkenas, bezeichnete. Aschkenas Selbst die bizarrsten antisemitischen Vorurteile leben bis ist ein Begriff aus der Bibel, der mit den Germaninnen heute weiter und schaffen es sogar, sich in alten und neu- und Germanen dem Gebiet des heutigen Deutschland en Gewändern immer wieder neu zu zeigen – Jüdinnen sowie mit Mittel- und Osteuropa assoziiert wurde. Heute und Juden werden als Christusmörder, Brunnenvergifter, werden etwa 70 Prozent der Jüdinnen und Juden welt- Kindermörder, geldgierige Betrüger oder Geheim weit mit diesem ethno-religiösen Begriff bezeichnet. verschwörer mit Weltbeherrschungsanspruch imaginiert und für die Kriege, Krisen und Konflikte dieser Welt Die jiddische Sprache verantwortlich gemacht. Unter den Aschkenasim entwickelte sich mit dem Jiddischen eine Sprache, die sich aus dem Hebräischen, Es gibt jedoch auch eine andere Seite dieser Geschichte. slawischen Sprachen, vor allem aber aus dem Mittel- Eine Seite, in der Jüdinnen und Juden als deutsche Bür- hochdeutschen zusammensetzt. Man fand sie vor allem gerinnen und Bürger greifbar werden, die in die deutsche in Osteuropa, als sich mit den Vertreibungen im Mittelal- Gesellschaft integriert waren und das Land mitgestaltet ter und in der frühen Neuzeit das Zentrum des aschke- und geprägt haben. nasischen Judentums immer mehr dorthin verlagerte. Vor der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten 321: Erster schriftlicher Beleg für eine jüdische und Nationalsozialistinnen sowie dem damit einherge- Gemeinde in Köln henden Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Wussten Sie, dass die Geschichte des Judentums in Juden wurde Jiddisch von etwa 13 Millionen Menschen Deutschland mindestens genauso alt ist wie die Ge- schichte des Christentums hierzulande? Der erste Nach- weis für die Präsenz jüdischen Lebens in Deutschland stammt aus dem Jahr 321. In einem Dekret des römischen Kaisers Konstantin geht es um die Berufung von Juden in den Stadtrat der Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Das ist der Name des spätantiken Köln. Zur gleichen Zeit finden wir auch die ersten christlichen Spuren auf dem Gebiet des heutigen Deutschland. Der römische Kaiser Konstantin, Kapitol, Rom, Italien 16
Emanzipation und rechtliche Gleichstellung Mit den Nachwirkungen der Französischen Revolution, der napoleonischen Herrschaft und dem damit einher- gehenden Liberalisierungsschub kam es im 19. Jahrhun- dert zu einer deutlichen Verbesserung der rechtlichen Situation der deutschen Jüdinnen und Juden. Mit dem sogenannten Badischen Judenedikt von 1809 begann der steinige Weg der Emanzipation. Erst 1862 erhielten Jüdinnen und Juden dort die vollständige bürgerliche Die mittelalterliche Synagoge in Worms, Gleichstellung. Zwischen 1828 und 1864 folgte Würt- erbaut 1174/75 temberg. In dieser Zeit entstanden auch Reform- und gesprochen. Es war damit nach dem Englischen und Liberalisierungsbewegungen innerhalb des Judentums. Deutschen die drittgrößte Sprache in der germanischen Mit der modernen Orthodoxie und dem liberalen Juden- Sprachfamilie. tum haben zwei wichtige Strömungen jüdischer Religion ihren Ursprung in Deutschland. Begleitet wurden diese Landjudentum in Südwestdeutschland Umwälzungen im 19. Jahrhundert aber auch vom Auf- In den mittelalterlichen Quellen begegnet uns das Juden- kommen des modernen Rassenantisemitismus, der sich tum in Deutschland meist als Teil der sich entwickelnden in seiner Radikalität immer mehr steigerte. Stadtkultur. 1241 wurden die ersten jüdischen Gemein- den auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg greifbar, so z. B. in Esslingen. Die heutige Synagoge, die auch im Film zu sehen ist, ist jedoch erst seit 1819 Gebets- haus. Aufgrund von immer weitreichenderen wirtschaft- lichen und rechtlichen Restriktionen sowie willkürli- chen Vertreibungen aus ganzen Regionen und Städten kam es einerseits zu Auswanderungsbewegungen nach Osteuropa, insbesondere in polnisch-litauische Gebie- te, andererseits zu Ansiedlungen im ländlichen Raum. Insbesondere in Südwestdeutschland entwickelten sich seit dem 17. Jahrhundert, vor allem in reichsstädtischen und ritterlichen Herrschaftsgebieten, kleine jüdische Landgemeinden, die vom Wohlwollen der Herrschen- den abhängig waren. In Württemberg selbst war es, mit wenigen Ausnahmen, Jüdinnen und Juden seit 1498 nicht mehr gestattet, sich niederzulassen. Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen, 25. April 1828 17
Beiträge zu Kultur und Wissenschaft Schoa und Judentum in Deutschland Schon im Mittelalter wirkten Jüdinnen und Juden nach 1945 auch im einfachen Handwerk am Aufbau von Städten Die Schoa stellt den schrecklichsten Bruch in der und Handel mit und leisteten damit wichtige Beiträge Geschichte des Judentums in Deutschland und Europa zur Modernisierung ganzer Regionen. Generell waren dar. Allein in Baden-Württemberg wurden rund 150 Perioden mit stabilen Rechtsverhältnissen und Auf- Gemeinden vernichtet. stiegsmöglichkeiten auch Perioden der Blüte jüdischer Gemeinden. Besonders in der Zeit zwischen rechtlicher So lebten z. B. in Stuttgart vor der Machtübernahme der Gleichstellung und Schoa waren deutsche Jüdinnen Nationalsozialisten rund 4.500 Jüdinnen und Juden, von und Juden in vielen gesellschaftlichen Bereichen aktiv denen die meisten vertrieben oder ermordet wurden. und leisteten Beiträge zu Literatur, Musik, Theater und Die sich zwischen 1948 und 1951 langsam wieder formie- Film, zu Forschung, Wissenschaft und Lehre sowie rende jüdische Gemeinde bestand zum Teil aus überle- zu Wirtschaft und Politik. Es gibt 13 deutsch-jüdische benden Stuttgarterinnen und Stuttgartern, zum Teil aus Nobelpreisträger und Nobelpreisträgerinnen, aus dem sogenannten Displaced Persons, staatenlosen jüdischen deutschen Sprachraum gar 26. Unter ihnen befinden sich Flüchtlingen vor allem aus Osteuropa. Sie konnten 1952 berühmte Persönlichkeiten wie Albert Einstein oder die Stuttgarter Synagoge neu einweihen. Bis Anfang Sigmund Freud, die unser modernes Leben nachhaltig der 1990er Jahre wuchs die Israelitische Religions geprägt haben. gemeinschaft Württemberg auf knapp 900 Mitglieder an. In Baden wurde 1971 in Karlsruhe die erste Synagoge wieder eingeweiht. Aufgrund der Zuwanderung von Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion zu Beginn der 1990er Jahre erlebten die jüdischen Gemeinden einen enormen Mitgliederzuwachs, so dass heute rund 8.000 Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg leben. 18
Teil 2: Unterrichtsvorschläge 19
Angesetzt wird eine Doppelstunde (90 Minuten) zur Es werden zwei Varianten zur Umsetzung angeboten: Arbeit mit dem Film, wobei es sich bei interessierten und diskussionsfreudigen Klassen empfiehlt, 135 Minuten Variante 1 behandelt den gesamten Film in voller Länge. einzuplanen. Keinesfalls sollte auf die Abschlussphase Diese Variante wird für Lerngruppen empfohlen, deren verzichtet werden. Vertiefungen in darauffolgenden Kompetenzen in Deutsch gut entwickelt sind und die Stunden sind möglich, aber nicht notwendig. Dies sollte weniger sprachliche Unterstützungsangebote benötigen. vom Interesse und den Bedürfnissen der Lerngruppe abhängig gemacht werden. Variante 2 behandelt Ausschnitte aus dem Film. Die beiliegenden Materialien sind sprachsensibel gestaltet und eignen sich für Lerngruppen, die mehr sprachliche Unterstützung zur Analyse des Films benötigen. 20
3. Vorschlag 1: Arbeit mit dem ganzen Film (Carsten Arbeiter, Daniel Felder, Sybille Hoffmann) 3 .1 Tab e llar i s c h e r S t und e nv e r l a uf Phase/Sozialform Unterrichtsinhalte Material Zeit Einstieg Pre-Watching (Sek. I) M1 oder 10 Min. (EA/UG) Wissensquiz (M1): Besprechung erfolgt am Ende der Stunde. M4a, Oder M4b, Steckbriefe (M4): Nach Ausfüllen des eigenen Steckbriefs M4c vergleichen SuS ihren mit dem von Eva, Hanna oder Sami. Alternative (Sek. II) a) Impuls: „Wo ist euch jüdisches Leben bisher begegnet?“ b) SuS schildern und reflektieren Eindrücke (Alltag, Unterricht, Medien u. a.). Hinführung (LI) Input durch Lehrkraft: Kurzes Vorstellen des Films. Erarbeitung I (EA) While-Watching (mit kurzen Zwischenstopps): Einzelarbeit zu M5a, 50 Min. Äußerungen der Protagonistinnen und Protagonisten M5b, (Phase 1 auf M5) M5c a) Je ein Drittel der SuS beschäftigen sich mit Eva (M5a), Phase 1 Hanna (M5b) oder Sami (M5c). b) SuS bearbeiten während des Films stichwortartig die Fragen zu Phase 1 auf M5. Überleitung (UG) Inter-Watching: Kurze Rückfragen zum Film Erarbeitung II Post-Watching I: Stillarbeit zu persönlichen Eindrücken zu M5a, 5 Min. (EA/GA) den Protagonistinnen und Protagonisten (Phase 2 auf M5) M5b, SuS notieren stichwortartig ihre Eindrücke zu Eva, Hanna oder M5c Sami. Phase 2 Post-Watching II: Austausch in Kleingruppen (Phase 3 auf M5) M5a, 10 Min. In Dreier- oder Sechsergruppen (ein oder zwei SuS mit einander M5b, ergänzendem Fokus auf Eva, Hanna oder Sami) tauschen sich M5c, M5d SuS über ihre Beobachtungen und Fragen aus. Phase 3 Vertiefung & Transfer Post-Watching III: Vertiefung und Transfer M6 15 Min. (SV/UG) a) Kurzer Bericht aus den Gruppen (Sprechblasen auf M4). M2 b) Diskussion und Vertiefung einzelner Aspekte im Plenum M3 (Lösungshinweise siehe M6). c) Falls Einstieg über Quiz erfolgte: Auswertung und Rückbezug im Plenum oder Selbstkorrektur mit Lösungsblatt (M2, M3) Abkürzungen: EA = Einzelarbeit SuS = Schülerinnen und Schüler GA = Gruppenarbeit SV = Schülervortrag LI = Input durch Lehrkraft UG = Unterrichtsgespräch 21
3 .2 . H inw e ise z um S t un denver la uf Ziel der Doppelstunde nisten/ die Protagonistin fokussieren, deren Steckbrief Ein wichtiges Anliegen des Films und der Doppelstunde sie erhalten haben. Kennt die Lehrkraft ihre Lernenden ist es, dass die Schülerinnen und Schüler junges jüdisches gut, kann sie vorab entscheiden, wer wessen Steckbrief Leben als bunt, vielfältig, fröhlich, selbstbewusst, stolz, zugeteilt bekommt. engagiert und reflektiert erleben und wahrnehmen, dass Eva, Hanna und Sami nicht ständig mit Antisemitismus, Möglicher alternativer Einstieg für die Schoa und Nahostkonflikt assoziiert werden wollen. Sie Sekundarstufe II möchten, dass andere ihnen unverkrampft begegnen. Vor Für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II kann allem dies sollte den Schülerinnen und Schülern deutlich auch ein stärker abstrahierender Einstieg gewählt wer- werden, andere Aspekte des Films können gegebenen- den. Ein solcher könnte über den Impuls „Wo ist euch falls vernachlässigt werden. bisher jüdisches Leben begegnet?“ erreicht werden, der an die Tafel geschrieben wird. Die Auseinandersetzung Anmerkungen zum Einstieg (M1 – M4) mit der Frage kann entweder gleich im Unterrichtsge- Das Wissensquiz und die Steckbriefe sollen spielerisch spräch im Plenum oder entlang der Methode „Think- und schnell zum Film hinführen. Es kann gewählt wer- Pair-Share“ stattfinden. den, anhand welcher Variante der Einstieg erfolgen soll. Es ist zu erwarten, dass jüdisches Leben und Judentum Das Wissensquiz kann einige Begriffe aus dem Film vielfach im Kontext von Antisemitismus, der Schoa und/ vorentlasten und stellt Bezüge zu Geschichte und Politik oder dem Nahostkonflikt kennengelernt wurden und her. Die Auswertung erfolgt am besten am Ende der von den Lernenden auch mit diesen Themenkomplexen Stunde, da einige Fragen durch den Film beantwortet assoziiert wird. Eine andere Möglichkeit ist, dass die werden. Es ist auch möglich, das Quiz mit Lösungsblatt Schülerinnen und Schüler bemerken, dass sie wenig bzw. als Hausaufgabe zur Selbstkorrektur aufzugeben. Dabei nichts über jüdisches Leben wissen und es ihnen außer- sollte allerdings darauf geachtet werden, dass die im Quiz halb der Schule noch nicht begegnet ist. angesprochenen Aspekte in der Folgestunde nochmals durch die Lehrkraft aufgegriffen werden. Dies sollte an dieser Stelle noch nicht kommentiert Bei der Einstiegsvariante mit den Steckbriefen steht der werden, da dies im Film eine große Bedeutung hat. individuelle Bezug im Vordergrund. Das Arbeitsblatt Strittiges oder Widersprüchliches muss an dieser Stelle enthält eine Vorlage zum Ausfüllen eines Steckbriefs und nicht aufgelöst werden, sollte aber in jedem Fall in der einen fertig ausgefüllten Steckbrief von entweder Hanna, Vertiefungsphase wieder aufgegriffen werden. Eva oder Sami. Es empfiehlt sich, das Blatt so zu falten, dass zunächst der eigene Steckbrief ausgefüllt werden Anmerkungen zur Hinführung kann und im Anschluss mit dem Steckbrief der jewei- Hier wird von der Lehrkraft kurz erklärt, dass der ligen Protagonistin oder des Protagonisten des Films Film im Zusammenhang mit dem Jubiläum „1700 Jahre verglichen werden kann. jüdisches Leben in Deutschland“ unter Pandemiebedin- gungen entstanden ist und dass er zum Ziel hat, junges Durch das Abgleichen des eigenen Steckbriefs mit dem jüdisches Leben in Baden-Württemberg zu porträtieren Steckbrief von Eva, Hanna oder Sami kann das Interesse und den jüdischen Jugendlichen eine Stimme zu geben. an den Figuren geweckt werden, was den Zugang zum Der ironisierende Vorspann kann ggf. genutzt werden, Film erleichtert. Es empfiehlt sich, dass sich die Lernen- um die Erwartungen der Lernenden abzufragen. den im weiteren Stundenverlauf jeweils auf den Protago- 22
Anmerkungen zur Erarbeitung Weiterführende Impulsfragen für den Austausch im Erarbeitung 1: While-Watching (M5 – Phase 1) Plenum können dann lauten: In dieser Phase liegt der Fokus auf den Äußerungen von Eva, Hanna oder Sami. Es wird nicht erwartet, dass • Wie fandet ihr Eva, Hanna, Sami? Was war interessant? die Lernenden alle Fragen erschöpfend beantworten. Beeindruckend? Überraschend? Die Fragen sollen helfen, das Interesse der Lernenden • Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es auf bestimmte Aspekte zu lenken. Die kurzen Stopps an zwischen euch und den dreien? ausgewählten Stellen während des Anschauens sollen • Womit / mit wem konntet ihr euch identifizieren? den Lernenden Zeit geben, ihre Antworten zu vervoll- Was war euch fremd? ständigen. Stopps bieten sich rund alle 10 Minuten bzw. • Wie müsste sich der Schulunterricht über das zu ausgewählten thematischen Übergängen an. Judentum im Sinne der Aussagen Evas, Hannas und Am Ende des Films sollten Lernende die Möglichkeit Samis im Film verändern? Was habt ihr in der Schule haben, kurze Verständnisfragen zu stellen. bisher über das Judentum gelernt? • Wie fandet ihr den Film? Was hat euch besonders Erarbeitung 2: Post-Watching I (M5 – Phase 2) gefallen? Was hat euch gefehlt? Was würde euch noch In dieser Einzelarbeitsphase liegt der Fokus auf der Wir- interessieren? kung von Eva, Hanna und Sami auf die Lernenden. Auch können Fragen formuliert werden. Auf Zeitmanagement Die Diskussion kann entlang der thematischen Berei- ist zu achten, um ausreichend Zeit für das Abschlussge- che in M6 strukturiert werden. Die hier abgedruckten spräch zu haben. möglichen Ergebnisse sind allerdings nicht im Sinne eines geschlossenen Erwartungshorizonts zu verstehen. Erarbeitung 3: Post-Watching II Vielmehr verdeutlichen sie, welche Punkte (v. a. auch (M5 – Phase 3 und Sprechblasen) aus Perspektive der jüdischen Protagonistinnen und Hier sollen sich die Lernenden in gemischten Dreier- Protagonisten) von Bedeutung sind. Sie müssen nicht oder Sechsergruppen (Lernende mit Arbeitsaufträgen notwendigerweise auf der Tafel oder im Heft festgehalten zu je Eva, Hanna, Sami) auf Grundlage der Aufgaben zu werden. Phase 3 über ihre Beobachtungen und Fragen austau- Wenn als Einstieg das Quiz gewählt wurde, empfiehlt schen und ihre Eindrücke zu jungem jüdischem Leben es sich, dieses am Ende der Doppelstunde zu bespre- in Deutschland heute in den Sprechblasen festhalten. chen, z. B. indem das Lösungsblatt für Schülerinnen und Wichtig ist, dass die Lernenden ihre Auswahl begründen. Schüler gezeigt wird (M3) und die Antworten abgegli- chen und ggf. aufgrund der Erkenntnisse aus dem Film Vertiefung und Problematisierung berichtigt werden können. Insbesondere die Fragen 8 Hier soll zunächst von den Sprechblasen und Fragen und 9 bedürfen einer näheren Erläuterung durch die (Phase 3 auf M5) ausgegangen werden, die aus den Lehrkraft. Falls keine Zeit mehr für die Besprechung des Gruppen ins Plenum getragen werden. Quiz sein sollte, kann der Abgleich als nachbereitende Hausaufgabe von den Lernenden erledigt werden. Die Ergebnisse sollten unbedingt in der folgenden Stunde im Klassenraum besprochen werden. 23
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