FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN

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FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
01•2022

              Magazin für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit

          FLUTKATASTROPHEN – UND WIE WIR HELFEN
          Hochwasser in Deutschland, Hurrikane in Honduras, Taifune auf den Philippinen und Überschwemmungen durch
          den Monsun – Intensität und Häufigkeit von Extremwetterereignissen steigen durch den Klimawandel. Wir leisten
          humanitäre Hilfe für die betroffenen Menschen und unterstützen den Wiederaufbau – in Deutschland und weltweit.
FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
EDITORIAL
Liebe Freundinnen und Freunde,

die letzten Monate waren geprägt von großen humanitären Katas­
tro­phen direkt vor unserer Haustür. Die Flutkatastrophe im Westen
Deutschlands hinterließ im Juli letzten Jahres eine Spur der Verwüs-
tung: Mehr als 180 Menschen kamen ums Leben, Tausende verloren
ihr Zuhause. Wenige Monate später führt der Krieg in der Ukraine zu
unvorstellbarem Leid der Zivilbevölkerung. Gemeinsam mit unseren
Partnern leisten wir humanitäre Nothilfe – nach Naturkatastrophen
wie der Flut im Juli, aber auch für die Geflüchteten in der Ukraine und
den Nachbarländern.

Es sind Krisen und Zeiten wie diese, die uns wieder einmal zeigen, dass
auf unsere Mitglieder und Spender*innen Verlass ist. Herzlichen Dank
für die große Solidarität. Ein Jahr nach dem Hochwasser blicken wir in
diesem weitblick zurück auf großartiges ehrenamtliches Engagement,
schnelle und unbürokratische Hilfe sowie zahlreiche Beratungs- und
Unterstützungsangebote unserer AWO-Flutbüros. Gemeinsam mit dem
AWO Bundesverband und den AWO Bezirksverbänden Rheinland,
Mittelrhein, Niederrhein und Westliches Westfalen waren wir in der
Akutphase aktiv und lassen die Menschen auch nach der Flut nicht im
Stich.

Überschwemmungen richten weltweit immer wieder verheerende
Verwüstungen an. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen
unserer Projektregionen gab es im letzten Jahr schwere Überflutun-
gen und Hochwasserkatastrophen: durch Taifune auf den Philippinen,
Hurrikane in Honduras oder den Monsun in Nepal. Gemeinsam mit
unseren Partnern vor Ort leisten wir Nothilfe. Wie diese Nothilfe in
Deutschland, aber auch in unseren anderen Projektregionen funktio-
niert, erfahren Sie in diesem weitblick.

Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Arbeit und die großartige
Unterstützung, ohne die unsere humanitäre Hilfe nicht möglich wäre.
Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre.

Rudi Frick                  Ingrid Lebherz
Vorstandsvorsitzender       Geschäftsführerin                             3	
                                                                            FLUTKATASTROPHEN
                                                                             In Deutschland und weltweit

                                                                          4	
                                                                            FLUTKATASTROPHE      IM AHRTAL
                                                                             Eindrücke von der Hilfe vor Ort

                                                                          6	
                                                                            VIELFÄLTIGE   FLUTHILFE
                                                                             IN HAGEN
                                                                             Soforthilfen, psychologische Unterstützung
                                                                             und Alpaka-Wanderung

                                                                          8	
                                                                            EIN STARKES   TEAM
                                                                             AWO-Hochwasserhilfe in der Eifel

                                                                          10	
                                                                             SCHNELL   UND UNKOMPLIZIERT
                                                                             Unterstützung für Hochwasserbetroffene
                                          TITELBILD                          am Niederrhein
                               Die Volme – hier in
                                Hagen-Delstern –
                                überflutete im Juli
                                    2021 zahlreiche
                                      Straßenzüge.
FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
FLUT­KATASTROPHEN
                                                    In Deutschland und weltweit

                                                    Im vergangenen Jahr gab es weltweit über 400 Naturkatastrophen
                                                    mit über 10 000 Toten. Mehr als die Hälfte dieser Katastrophen be-
                                                    traf Überflutungen. Große Naturkatastrophen sind in Deutschland
                                                    eher selten. Der letzte Inlandseinsatz von AWO International war das
                                                    Elbhochwasser im Jahr 2013. Bereits damals sprach man von einem
                                                    „Jahrhunderthochwasser“.

                                                    Nach nicht enden wollenden Starkregen erreichte die Ahr im Juli
                                                    2021 einen Rekordpegelstand von 8 Metern. Viele Bäche in Rheinland-
                                                    Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurden zu reißenden Flüssen. Über
                                                    180 Menschen starben, Tausende verloren ihr Zuhause. Verstörende
                                                    Bilder, wie wir sie vom Tsunami auf den Philippinen, vom Erd­beben in
                                                    Nepal oder von Wirbelstürmen in der Karibik kennen, erreichten uns
                                                    aus unserer bekannten Umgebung in Deutschland.

                                                    Die Auswirkungen des Klimawandels und die damit verbundene
                                                    Zunahme an Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen sind
                                                    weltweit spürbar. Nach Einschätzung von Klimatolog*innen finden
                                                    sommerliche Starkregen bis zu neunmal häufiger statt und fallen zwi-
                                                    schen drei- und neunzehnfach stärker aus.

                                                    Während unsere Partnerländer Bangladesch, Guatemala und die Phi-
                                                    lippinen auf dem Weltrisikoindex 2021 ganz oben stehen, ist Deutsch-
                                                    land erst auf Platz 161 geführt. Das Hochwasser hat uns mit Brutalität
                                                    verdeutlicht, dass der Klimawandel auch hier angekommen ist und
                                                    wir nicht ausreichend vorbereitet sind. Im vergangenen Jahr war
                                                    AWO International neben dem Einsatz in den Hochwassergebieten in
                                                    Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen auch auf den Philippinen,
                                                    in Honduras, in Nepal und Bangladesch in der Fluthilfe aktiv. Die Aus-
                                                    löser der Überschwemmungen hängen oft mit regionalen Wetterphä-
                                                    nomenen wie dem Monsun in Südasien oder Taifunen in Südostasien
                                                    zusammen und werden durch den Klimawandel verstärkt.

                                                    In existenziellen Krisen werden stets lebensnotwendige Güter benö-
                                                    tigt. Wasser, medizinische Versorgung und Hygieneartikel, Nahrung
                                                    und ein Dach über dem Kopf. Sicherheit, psychosoziale Unterstützung
                                                    und in weiterer Folge Hilfen für den Wiederaufbau und die Wieder­
                                                    herstellung der Lebensbedingungen und des Alltags; im fernen Aus-
                                                    land wie auch in Deutschland. Durch unsere Erfahrung bei der Um-
                                                    setzung von Nothilfeprojekten im Ausland und die vorhandenen
11	
   PSYCHOLOGISCHE UNTERSTÜTZUNG                    Strukturen der AWO in Deutschland konnten wir bereits Tage nach
    NACH DER KATASTROPHE                            der Flut erste Nothilfemaßnahmen auf den Weg bringen, die konti-
    AWO-Hilfetelefon und digitale Gesprächsrunden   nuierlich ausgebaut wurden und von denen bis dato betroffene Men-
12	
   HOCHWASSER       IN DAVAO                       schen aus über 6900 Haushalten profitierten.
    Großes Engagement von Migrant*innen­-
    vereinen in der Fluthilfe                       Um gefährdete Menschen vor Ort besser auf Überschwemmungen
                                                    und andere Naturkatastrophen vorzubereiten, setzt AWO Internatio-
14	
   ÜBERSCHWEMMUNGEN            IN SÜDASIEN
                                                    nal in zahlreichen Ländern Katastrophenvorsorgeprojekte um. Dabei
    Nothilfeprojekte in Bangladesch und Nepal
                                                    werden Ersthelfer*innen ausgebildet, Vorsorgestrukturen etabliert,
15	
   DIE   TROPENSTÜRME ETA UND IOTA                 Schutzdämme angelegt, Katastrophenschutzpläne erarbeitet und Part-
    Verheerende Folgen in Honduras                  nerorganisationen fortgebildet, um im Ernstfall schnelle und effiziente
16	
   EINE   HUMANITÄRE KATASTROPHE                   Nothilfe zu leisten. Dadurch tragen wir dazu bei, Schäden und Opfer
    Unsere Nothilfeprojekte in der Ukraine          im Katastrophenfall signifikant zu reduzieren und Menschenleben zu
    und den Nachbarländern                          retten.
18	
   KURZ   NOTIERT
                                                    Es gibt noch viel zu tun.                               Felix Neuhaus
FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
FLUTKATASTROPHE
                                                                 IM AHRTAL
                                                                 Eindrücke von der Hilfe vor Ort
                          AHRTAL
EUROPA • DEUTSCHLAND

                                                                              AWO-AnsprechBar –
                                                                              Finanzielle Unterstützung und Beratung vor Ort
                                                                              Um den Betroffenen schnell finanzielle Hilfen zukommen zu
                                                                              lassen, waren die mobilen AWO-Beratungsteams nach dem
                                                                              Hochwasser direkt in den Flutgebieten im Kreis Ahrweiler un-
                                                                              terwegs. Dort halfen sie, die Soforthilfeanträge auszufüllen.
                                                                              So konnten unbürokratisch 5 646 550 Euro Soforthilfen an
                       Austausch über Erlebtes, hilfreiche Tipps unter        3372 Haushalte ausgezahlt werden. Bereits während der Sofort­
                       Nachbar*innen und ein wenig Alltag – das alles         hilfe-Phase wurden auch erste Beratungsgespräche geführt,
                       wird durch unser gemeinsames Projekt mit dem           erzählt Elvin, Migrationsberater im AWO-Hochwasserteam:
                       AWO Bezirksverband Rheinland in den beheizten          „Einige der Migrant*innen haben Fluchterfahrungen und damit
                       Wintertreffs „Nelkenweg“ und „Kurpark“ in Bad          eine doppelte Belastung. Vieles hier erinnert an Kriegszustände,
                       Neuenahr für Betroffene der Flutnacht ermöglicht.      was sehr belastend für diese Menschen ist.“
                       Organisiert von der Stadt Bad Neuenahr und finan-
                                                                              Um auch längerfristig eine Möglichkeit zu haben, vor Ort Bera-
                       ziert von AWO International und Aktion Deutschland
                                                                              tungen durchzuführen, wurde im Dezember die AWO-Ansprech-
                       Hilft wurden in zwei Wintertreffs von November bis
                                                                              Bar eröffnet. „Direkt unterstützen können wir hier etwa, wenn es
                       April warme Mahlzeiten an bis zu 100 Personen täg-     um verschiedenste Anträge geht. Wir können vielen Menschen
                       lich ausgegeben.                                       die Kommunikation anbieten, wenn sie zum Beispiel überfordert
                                                                              sind oder all ihre Unterlagen verloren haben“, erzählt Lina, Bera-
                       Der Kreis Ahrweiler gilt als das am schwersten         terin im AWO-Hochwasserteam. Oft geht es auch darum, zuzu-
                       vom Hochwasser betroffene Gebiet: Die sonst so be-     hören und zu zeigen, dass niemand mit seinen Sorgen allein ge-
                       schauliche Ahr schwoll bis auf über sieben Meter an.   lassen wird. „Wenn man den Menschen Mut machen und ihnen
                                                                              aufzeigen kann, was es noch für Unterstützungsmöglichkeiten
                       Tausende Menschen verloren ihr Zuhause, und allein
                                                                              gibt, dann gibt es viel Dankbarkeit zurück.“
                       im Ahrtal kamen 134 Menschen ums Leben. Mit dem
                       Fluthilfeteam der AWO, ehrenamtlichen Helfer*innen     Zusätzlich organisiert das Hochwasserteam für die Kinder- und
                       und Betroffenen haben wir im März bei unserem          Jugendlichen im Ahrtal ein Freizeitprogramm: von Spieletonnen
                       Besuch über die täglichen Herausforderungen im         in den Wintertreffs über Bastel- und Trommelworkshops bis zum
                       Flutgebiet und die Hilfe vor Ort gesprochen.           Familientag auf der Sommerrodelbahn oder in einer Eisdisco.

                                                                                 4
FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
Christiane und Finchen kümmern
                           sich im Nelkenweg nicht nur um die
                           Essensausgabe, sondern machten den
                           Wintertreff zu einem beliebten und
                           wichtigen Ort der Begegnung im Ahrtal.

Wintertreffs – Orte der Begegnung im Ahrtal                         Handschuh … Da war es schon toll, hier im Nelkenweg einfach in
Mit dem ersten Schritt in das bunt und liebevoll eingerichte-       die Runde fragen zu können – und irgendwer hatte immer genau
te Zelt schlagen einem Herzlichkeit, leckerer Essensduft und        das fehlende Gerät da oder kannte jemanden, der es organisieren
angeregtes Murmeln entgegen. Sofort ist klar: Hierher kommt         konnte.“ Auch die Gespräche mit Bekannten und Nachbar*in-
niemand nur, um sich mal eben ein warmes                                             nen halfen ihm und seiner Frau sehr dabei, die
Essen abzuholen. Christiane Thul Steinheuer                                          schrecklichen Ereignisse der Flutnacht und die
ist die gute Seele des Treffs am Nelkenweg:                                          belastende Zeit danach zu verarbeiten.
„Ich bin seit dem 15. Juli im Einsatz. Südlich       Acht Monate nach der Flut
der Ahr gab es keinen Bäcker und keinen of-           sind immer noch wenige           Die großen und kleinen Sorgen sind hier
fenen Supermarkt. Ich begann, mit meinem             Geschäfte offen, und viele        bekannt. Mittlerweile ist längst eine Ge-
Bollerwagen durch die Gassen zu fahren und              Menschen fühlen sich           meinschaft entstanden, die sich gegenseitig
Kaffee und Süßes zu verteilen. Lange roch es            alleingelassen. Unsere         unterstützt und berät. Christiane hat eine
hier nach Fäulnis, Fäkalien und Diesel. Später                                         WhatsApp-Gruppe mit mittlerweile 85 Teil-
                                                      Mahlzeiten geben einen
habe ich zu Hause Mahlzeiten gekocht und                                               nehmer*innen, in der der Menüplan und neue
                                                              Rhythmus.
verteilt.“ Später gab es viele Sachspenden, und                                        Hilfsangebote verbreitet werden. „Acht Mona-
Christiane verköstigte mit anderen Freiwil-                                            te nach der Flut sind immer noch wenige Ge-
ligen bis zu 1500 Betroffene und Helfer*in-                                            schäfte offen, und viele Menschen fühlen sich
nen: „Damals haben wir unter Camping-Bedingungen vor allem alleingelassen. Unsere Mahlzeiten geben einen Rhythmus. Die
Dosen gewärmt und Getränke ausgegeben. Doch im Herbst meisten Leute bleiben mehrere Stunden, um sich auszutauschen.“
wurde es kalt und es regnete oft. Viele Menschen hatten Atem-
wegsbeschwerden, waren allein und ratlos.“ Im Oktober machte Ende April liefen die kostenfreien Essen in den Wintertreffs aus,
die Stadt Bad Neuenahr die Essensausgabe zum Wintertreff, und dennoch unterstützt das AWO-Team weiterhin die Bevölkerung
AWO und Aktion Deutschland Hilft finanzierten neben zwei im Ahrtal. „Wir wollen weiterhin Treffpunkte ermöglichen, bei
großen beheizten Zelten auch ein professionelles Catering.           denen soziale Netze selbst organisiert vertieft werden können,
                                                                     während zeitgleich langsam der Alltag wieder in den Vorder-
Finchen ist 91 Jahre alt und Christianes rechte Hand bei der Be- grund rückt“, erzählt Rebecca, Sozialarbeiterin im AWO-Hoch-
wirtschaftung des Wintertreffs. In der Flutnacht hing sie an ein wasserteam. Daher bleibt der Wintertreff Nelkenweg bestehen,
Fenstergitter geklammert in den Fluten. „Finchen ist jeden Tag öffnet aber nicht mehr jeden Tag. Das Team der AWO Rhein-
die Erste und hilft bei der Essensausgabe. Sie ist immer gut drauf; land organisiert dort weiterhin einmal wöchentlich eine Nach­
letzte Woche haben wir hier ihren Geburtstag gefeiert“, berichtet mittagsveranstaltung. Dass es weitergehen muss, ist auch für
Christiane.                                                          Christiane klar: „Der Nelkenweg ist längst mehr als ein Winter-
                                                                     treff und muss auch in Zukunft das ganze Jahr über bestehen
Peter, der regelmäßig mit seiner Frau Ingrid zum Essen in den bleiben. Wir sind eine Gemeinschaft und brauchen diesen Platz
Nelkenweg kommt, erzählt uns, dass er durch den Wintertreff so zum Austausch. Wenn es einmal keine Finanzierung mehr gibt,
einige gute Tipps in Erfahrung bringen konnte. „Es war ja nichts, machen wir aus eigener Kraft weiter.“
wirklich gar nichts mehr da. Kein einziger Stift, kein einziger                              Anne Busch, Felix Neuhaus, Miriam Druba

                                                                       5
FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
HAGEN
EUROPA • DEUTSCHLAND

                                                      Eine kleine Auszeit:
                                                      Alpaka-Wanderung mit
                                                      Hochwasserbetroffenen.

                       VIELFÄLTIGE FLUTHILFE IN HAGEN
                       Soforthilfen, psychologische Unterstützung und Alpaka-Wanderung

                       Während in Hagen die Lenne zahlreiche Straßenzüge überflutete, kam das Wasser im nahe gelegenen Altena
                       die Berghänge heruntergeschossen. Hagen und die umliegenden Gemeinden bilden eine der Regionen im
                       Westen Deutschlands, die besonders schwer von der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 getroffen wurden.
                       Neben massiven Schäden an der Infrastruktur waren zahlreiche Privathaushalte stark betroffen. Durch
                       unsere gemeinsamen Projekte mit dem AWO Bezirksverband Westliches Westfalen und dem AWO Unterbezirk
                       Hagen-Märkischer Kreis wurden die Betroffenen durch Soforthilfen unmittelbar unterstützt. Außerdem
                       werden vom AWO-Fluthilfeteam in Hagen Antragsberatungen, psychosoziale Begleitung sowie Freizeit­
                       angebote für betroffene Familien angeboten.

                       Hilfe direkt vor Ort – Mobile Berater in der Fluthilfe            völlig verwüstet, zahlreiche teure Stoffe musste sie wegwer-
                       AWO-Mitarbeiter Gerard Gross lief in den geschädigten Gebieten fen, da sie durch das Wasser und den Schlamm unbrauchbar
                       in Hagen und Altena von Haus zu Haus – zunächst, um die Men- geworden waren. Unterstützung bekommen Betroffene wie
                       schen über die Soforthilfen der AWO zu informieren, später auch, Frauke durch das AWO-Hochwasserteam in Hagen. In einem
                       um sie bei Fragen rund um den Wiederauf-                                             Hochwasser­hilfebüro in der Innenstadt bie-
                       bau zu unterstützen, zuzuhören und gemein-                                           tet der Verband gemeinsam mit anderen
                       sam an Lösungsmöglichkeiten für multiple                                             Wohlfahrtsverbänden und der Stadt Hagen
                                                                       Einfach dass jemand zuhört
                       Herausforderungen zu arbeiten. Verstärkt                                             eine Anlaufstelle für betroffene Personen.
                       wird das mobile Hochwasserteam in Hagen              und da ist, das ist toll.       Die AWO-Flutberaterin Sabine Krimpmann
                       durch den Psychologen Bernd Schumacher.                                              bietet dort Unterstützung beim Ausfüllen
                                                                                                            der umfassenden Anträge auf staatliche
                       „Einfach dass jemand zuhört und da ist, das ist toll“, erzählt Hilfen, berät über unbürokratische finanzielle Hilfen der AWO,
                       Frauke von Lehm, die sowohl privat als auch gewerblich schwer beispielsweise zur Wiederbeschaffung von Hausrat, aber auch
                       von dem Hochwasser betroffen war. Die gelernte Schneiderin über Wiederaufbauhilfen. Zur Verfügung gestellt werden diese
                       ist erschöpft von den bürokratischen Herausforderungen beim Auszahlungen über Spendengelder von AWO international und
                       Wiederaufbau. In der Flutnacht wurde ihr eigenes Nähatelier Aktion Deutschland Hilft.

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FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
Flutberater Gerard Gross spricht mit                 Mit dem Programm „Eine Flut an schönen Dingen“ bringt das
                        Frauke von Lehm über die Fortschritte und            Hochwasserteam gemeinsam mit dem Theater an der Volme Licht
                        Herausforderungen beim Wiederaufbau.                 und Humor zurück zu den Menschen in den betroffenen Gebieten.

Psychosoziale Unterstützung                                      zu senken und den Hochwasserbetroffenen gleichzeitig eine
für Hochwassergeschädigte                                        Auszeit von den Sorgen und Ängsten zu geben, bietet das Hoch­
Während in der Anfangszeit die Auszahlung von Soforthilfen den wasserteam in Hagen verschiedene Freizeitangebote für Hoch-
Schwerpunkt des Projektes bildete, zeigen sich mit der Zeit auch wassergeschädigte an. Ob Bowlingabend, Alpaka-Wanderung
die psychischen Folgen für Betroffene immer deutlicher. Bernd oder Krimidinner – das Hochwasserteam in Hagen lässt sich
Schumacher, der Psychologe aus dem Hochwasserteam in Hagen, immer wieder neue Aktionen einfallen, um den Menschen zwi-
berichtet von kollektiver Angst und Unruhe der Betroffenen bei schen Renovierungsarbeiten, Geldsorgen und Antragsherausfor-
Regen und steigendem Flusspegel: „Das Schlimme ist, dass die derungen eine kleine Auszeit zu ermöglichen. Gleichzeitig wer-
Kinder sehen, wie die Erwachsenen schwach werden. Und dann den durch die Aktionen niedrigschwellig Räume für Austausch
werden sie still und bekommen Angst,                                                      und Gespräche geschaffen. Eine beson-
die Eltern noch mehr zu belasten.“ Aus                                                    ders erfolgreiche Aktion war der Früh-
diesem Grund werden verschiedene                                                          jahrsputz im Biotop Königssee im März
Angebote für Kinder entwickelt, zum        Die Situation hat viele psychisch und          2022. Gemeinsam mit den betroffenen
Beispiel ein Kindermitmachtheater, in       körperlich an ihre Grenzen gebracht.          Menschen und anderen Verbänden or-
dem sie auf spielerische Art und Wei-      Wir wollen den Menschen kurzfristig            ganisierte das AWO-Hochwasserteam
se die Erfahrungen des Hochwassers                                                        eine große Aufräumaktion in drei be-
                                               und unbürokratisch ein wenig
verarbeiten können. Das Projekt wurde                                                     sonders von der Flut betroffenen Gebie-
                                                    Entlastung schenken.
in Zusammenarbeit mit einer Theater­                                                      ten, um noch vorhandene Spuren der
pädagogin entwickelt. Darüber hinaus                                                      Flut zu beseitigen. Im Anschluss wurde
werden geschädigten Familien kosten­                                                      gemeinsam gegrillt.
lose Kuren an der Ostsee angeboten. „Die Situation hat viele
psychisch und körperlich an ihre Grenzen gebracht“, so Andreas Wiederaufbauhilfe –
Frank, Geschäftsführer der AW Kur und Erholung GmbH: „Wir Kein Sprint, sondern ein Marathon
wollen den Menschen kurzfristig und unbürokratisch ein wenig „Fluthilfe ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon, für den
Entlastung schenken.“ Das Angebot richtet sich an Eltern oder wir einen langen Atem brauchen“, erklärt Michael Scheffler,
Großeltern, die mit ihren Kindern oder Enkelkindern eine Aus- Vorsitzender des AWO Bezirksverbands Westliches Westfalen.
zeit in schweren Zeiten benötigen.                               Beim Wiederaufbau gilt das Prinzip der Nachrangigkeit. Als Ers-
                                                                 tes muss – falls vorhanden – die Versicherung den Schadensfall
Eine kleine Auszeit –                                            prüfen. Was sie nicht zahlt, übernimmt der Staat, allerdings nur
Freizeitaktivitäten für Hochwasserbetroffene                     zu 80 Prozent. Erst danach dürfen Spenden zum Einsatz kommen.
Vielen Menschen, die in ihrem Leben sonst nie auf Hilfe ande- Seit Ostern konnten wir in Hagen endlich mit der finanziellen
rer angewiesen waren, fällt es schwer, Hilfen anzunehmen. Wiederaufbauhilfe starten.
Besonders für ältere Menschen ist es zudem eine große Hürde,                                                        Miriam Druba
psychologische Angebote anzunehmen. Um die Hemmschwellen

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FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
AWO International zu Besuch beim Hochwasserteam
                                                                                                                   in Schleiden-Gemünd. Von links nach rechts:
                                                                                                                   Detlef Fassbender, Anne Busch (AWO International),
                                                                                                                   Elisa Frauenkron und Jan Warrink.

                                                                      EIN STARKES TEAM
                                                                      AWO-Hochwasserhilfe in der Eifel

  SCHLEIDEN-                                                          Schleiden-Gemünd ist eine der am stärksten vom Hochwasser
   GEMÜND                                                             betroffenen Gemeinden in der Region Mittelrhein. AWO Inter-
                                                                      national war im März zu Besuch vor Ort, um die gemeinsamen
                                                                      Projekte zu reflektieren, mit Helfer*innen und Betroffenen
EUROPA • DEUTSCHLAND

                                                                      zu sprechen und zukünftige Angebote zu planen. Besonders
                                                                      beeindruckt hat uns der unermüdliche Einsatz der Ehrenamtli-
                                                                      chen in der kleinen Gemeinde in der Eifel.

                       Seit dem ersten Tag im Einsatz –                                   Die Ehrenamtlichen der AWO-Ortsvereine in den vom Hoch-
                       Ehrenamtliche Helfer*innen der AWO in der Eifel                    wasser betroffenen Regionen haben in den ersten Tagen und
                       „Wir haben einfach angepackt und koordiniert. Man muss             Wochen bei der Antragstellung für Soforthilfen tatkräftig unter-
                       auch einfach funktionieren in so einer Situation“, berichtet Jan   stützt – so auch in Schleiden-Gemünd. „Der Zusammenhalt hier
                       Warrink, Hotelbetreiber und Mitglied des AWO Ortsvereins           in Gemünd war enorm. Das hat noch keiner von uns so erlebt,
                       Schleiden. Als Betreiber des Hotels Katharinenhof in Gemünd        und das ist das Positive, das wir trotz dieser schrecklichen Kata-
                       war er selbst schwer von dem Hochwasser betroffen: Küche,          strophe erlebt haben“, erzählt Detlef Fassbender, Vorsitzender
                       Speise- und Gemeinschaftsräume wurden von den Wasser­              des AWO Ortsvereins Schleiden bei unserem Besuch vor Ort.
                       massen vollständig zerstört. Dennoch nahm er ohne zu zögern        170 bis 180 Soforthilfeanträge nahm er zu Beginn pro Tag entge-
                       andere Betroffene, die nicht in ihren Häusern bleiben konn-        gen.
                       ten, auf, organisierte einen Duschwagen für die Nachbarschaft
                       und startete eine Einsatzzentrale für Helfer*innen, die aus ganz   Unmittelbar nach der Sintflut nahm auch der Fahrdienst in
                       Deutschland angereist kamen – oft aber nicht genau wussten,        Schleiden-Gemünd seine Arbeit auf und wird seitdem von Detlef
                       wo und wie sie am besten unterstützen konnten. Auch der AWO        Fassbender ehrenamtlich und mit viel Herzblut koordiniert und
                       stellte er kostenlos ein erstes provisorisches Flutbüro in einem   durchgeführt. Je nach Bedarf bringt er Betroffene zum Arzt, zum
                       der Hotelzimmer zur Verfügung, von wo aus die ersten Sofort­       Einkaufen oder ins Fluthilfebüro, wo sie zum Beispiel Unterstüt-
                       hilfeanträge entgegengenommen werden konnten.                      zung bei Wiederaufbauanträgen erhalten. Neben dem Transport
                                                                                          von A nach B hat er auch immer ein offenes Ohr für seine Mit-

                                                                                             8
FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
Der Fahrdienst ermöglicht Hochwasser-                                           Frau Schuler zeigt uns ihr Haus, das
                             geschädigten wieder etwas Mobilität                                             aufgrund der irreparablen Flutschäden
                             und Normalität.                                                                 abgerissen werden muss.

fahrer*innen, gibt Informationen zu Hilfsangeboten weiter und        Und ich will auch niemandem etwas wegnehmen.“ Im Nachhin-
macht den Menschen Mut, sich Unterstützung zu suchen.                ein ist sie aber sehr dankbar: „Ich bin froh, dass ich die drei hatte,
                                                                     die haben mir wirklich sehr geholfen. Mir ging es zwischenzeit-
Alle Helfer*innen gemeinsam unter einem Dach                         lich wirklich schlecht. Da habe ich zwischendurch schon einmal
Im Dezember 2021 konnte das AWO-Flutbüro gemeinsam mit an-           gedacht: Du wärst besser mit weggeschwommen. Das waren kei-
deren Hilfsorganisationen in das neue Hilfszentrum Schleidener       ne schönen Erfahrungen.“
Tal umziehen. Die AWO arbeitet dort Hand in Hand mit den Bera-
ter*innen der Malteser und der Caritas. Außerdem gibt es in dem Sie erinnert sich noch sehr genau an die Nacht vom 14. auf den 15.
Zentrum ein kleines Begegnungscafé. Ziel des AWO-Teams vor Juli: „Ich höre manchmal noch das Wasser, denn das kam hier ja
Ort ist es, die materielle, soziale und persönliche Lebenssituation die Straße runter. Wir standen hier am Fenster und schauten auf
der von der Flut betroffenen Menschen zu stabilisieren. „Jeder, den Friedhof, da schwamm ja auch alles. Alles ist weggeschwom-
der Hilfe braucht, dem wird hier geholfen“, fasst Flutberaterin men“, erzählt sie bei unserem Projektbesuch im März. Inzwischen
Elisa Frauenkron die Arbeit des Hilfezentrums                                          hat sie in ihrer Straße eine Mietwohnung ge-
zusammen. Neben der Unterstützung mit den                                              funden. Dort kann die Rentnerin bleiben, bis
komplexen Wiederaufbauanträgen des Landes                                              sie nach dem Abriss ein neues Haus gebaut hat.
NRW helfen die Berater*innen je nach Bedarf            Der Zusammenhalt hier
der Betroffenen auch bei der Suche nach Woh-           in Gemünd war enorm.            Auch wenn die sichtbaren Schäden der Flut
nungen, Handwerker*innen, Anwält*innen                   Das hat noch keiner           mit der Zeit mehr und mehr aus dem Stadtbild
oder der Beschaffung neuer Möbel.                       von uns so erlebt, und         verschwinden, bleibt die psychische Belastung
                                                         das ist das Positive,         der Betroffenen groß. „Nachts darf ich nicht
Enorme Hilfsbereitschaft –                               das wir trotz dieser          wach werden, denn dann kann ich nicht mehr
Im Gespräch mit einer Betroffenen                                                      einschlafen“, erzählt Frau Schuler: „Ich bin be-
                                                     schreck­lichen Katastrophe
Bei unserem Projektbesuch in Schleiden tra-                                            stimmt zehn Jahre älter geworden in der Flut-
                                                             erlebt haben.
fen wir Frau Schuler (Name geändert), die                                              nacht. Ich glaube, man kann das nicht begrei-
dem Fluthilfeteam sehr dankbar ist. Durch                                              fen, wenn man es nicht erlebt hat. Die eigene
die Hochwasserkatastrophe im Juli wurde ein                                            Verwandtschaft versteht das nicht. Die, die
Öltank im Keller ihres Hauses zerstört, der penetrante Ölgestank hier waren und geholfen haben, die verstehen das.“ Die Hilfsbe-
war auch acht Monate später im ganzen Haus zu riechen. Als klar reitschaft vor Ort sei immer noch enorm, berichtet die Rentnerin:
wurde, dass das ganze Haus verunreinigt war und sie nicht weiter „Wildfremde Leute sind mit Putzeimer, Schaufeln, Stiefeln und
dort leben konnte, nahm Jan Warrink sie im Hotel Katharinen- Plastiksäcken angekommen, um sich nützlich zu machen und zu
hof auf. Dort erfuhr sie dann auch vom Fluthilfebüro der AWO, helfen.“ Auch jetzt gibt es noch eine große Hilfsbereitschaft von
in dem sie Unterstützung bei der Suche nach einem Rechtsan­- Menschen, die am Wochenende nach Schleiden kommen.
walt bekam. Die Hilfen des AWO-Teams anzunehmen, fiel Frau                                                              Miriam Druba
Schuler am Anfang nicht leicht: „Es fällt mir schwer, Unterstüt-
zung anzunehmen, ich habe sonst ja immer den anderen gegeben.

                                                                        9
FLUTKATASTROPHEN - UND WIE WIR HELFEN
SCHNELL UND
                       UNKOMPLIZIERT
                                                                                   REGION
                                                                                NIEDERRHEIN

                       Unterstützung für Hochwasserbetroffene
                       am Niederrhein

                       Durch die verheerende Flutkatastrophe         „Gerade zu Beginn gab es einen großen          Acht Monate später haben wir uns per
EUROPA • DEUTSCHLAND

                       im Juli 2021 sind auch in mehreren Städ­      Bedarf an kurzfristigen Reparaturen und        Zoom mit der jungen Mutter verabredet,
                       ten am Niederrhein Straßenzüge über­          Ersatzbeschaffungen, um die Grundbe-           die hochschwanger war, als das Hochwas-
                       flutet und zahlreiche Wohnungen unbe­         dürfnisse der Betroffenen zu decken und        ser ihre Souterrainwohnung in Düsseldorf
                       wohnbar geworden. Gemeinsam mit dem           den Menschen wieder eine Perspektive           unbewohnbar machte. „In dem Moment,
                       AWO Bezirksverband Niederrhein hat            zu eröffnen.“ Über die finanziellen Hilfen     in dem wir in der vollgelaufenen Woh-
                       AWO International schnell reagiert und        hinaus stellt Wiemers nach wie vor einen       nung saßen, zwei Tage vor Entbindungs-
                       Soforthilfen an 82 geschädigte Haushalte      großen Redebedarf der Betroffenen fest.        termin, haben wir uns gefragt: Wie soll
                       ausgezahlt. Außerdem werden Betroffe­         Auch ist es für viele eine neue Situation,     es jetzt weitergehen? Wir waren wirklich
                       ne am Niederrhein mit Einzelfallhilfen        plötzlich auf Hilfe angewiesen zu sein. „Es    perspektivlos und total unter Schock“, be-
                       und Wiederaufbauhilfen finanziell un­         ist ja schon eine komische Situation, wenn     richtet sie. In den Nachrichten habe sie
                       terstützt.                                    man auf einmal bedürftig ist“, berichtet       zwar gehört, dass die Spendenbereitschaft
                                                                     eine der Flutgeschädigten im Nachhinein:       so hoch sei wie nie, aber wie sie als Be-
                       In den ersten Wochen und Monaten nach         „Es war echt super und total hilfreich, dass   troffene an die Unterstützung herankam,
                       der Flut ging es darum, den Menschen,         Herr Wiemers immer wieder das Ange-            wusste sie zunächst nicht. „Ich bin dann
                       die persönlich und materiell von der          bot gemacht hat und man sich dabei auch        im Internet relativ schnell auf die AWO
                       Flut­katastrophe betroffen waren, schnell     nicht unwohl gefühlt hat.“                     gestoßen. Die waren die Einzigen, die uns
                       und unbürokratisch zu helfen. Andreas                                                        sofort geantwortet haben. Der Antrag war
                       Wiemers, der die Hochwasserhilfe im           „Was uns am allermeisten                       am nächsten Tag im Briefkasten, wir ha-
                       Bezirksverband Niederrhein koordiniert,       geholfen hat, war tatsächlich                  ben ihn ausgefüllt und zurückgeschickt,
                       erklärt: „Wir unterstützen Menschen           diese schnelle und unkompli­                   und das Geld war sofort bei uns auf dem
                       dabei, die materiellen Schäden schnellst-     zierte Hilfe von der AWO“                      Konto. Das war genau das, was wir in dem
                       möglich zu beseitigen, damit die Hoch-        Andreas Wiemers erzählt, dass in einigen       Moment gebraucht haben.“
                       wasserkatastrophe emotional verarbeitet       Einzelfällen auch über die Soforthilfe hi-
                       werden kann.“ Bei Herausforderungen           naus weitere Hilfen geleistet werden. Ge-      Am Anfang hat die Familie noch gedacht,
                       oder sprachlichen Barrieren bei der An-       gen Vorlage von Belegen ist beim Bezirks-      dass sie einfach ein Trocknungsgerät be-
                       tragsstellung wurde via Telefon oder in       verband Niederrhein die Beantragung            kämen und dann wieder alles gut sei. Tat-
                       der persönlichen Beratung der Antrag          von Einzelfallhilfen über 2500 Euro hin-       sächlich war ihre Wohnung jedoch mona-
                       gemeinsam ausgefüllt. Die Soforthilfe-        aus möglich, bei Summen über 5000 Euro         telang unbewohnbar, und das Paar musste
                       Zahlungen werden von den AWO-Mitar-           kommt eine Härtefallkommission zum             vorübergehend getrennt voneinander bei
                       beiter*innen in die Phönix-Datenbank des      Einsatz. „In einem Fall wurde zum Beispiel     den Eltern leben. Zum Glück haben sie ge-
                       Deutschen Roten Kreuzes gespeist: Dort        das Kind zwei Tage zu spät geboren, aber       meinsam mit der kleinen Tochter relativ
                       wird jede*r registriert, der*die Fluthilfen   das Kinderzimmer wurde durch das Hoch-         schnell eine neue Wohnung gefunden.
                       bekommt, um Doppelzahlungen zu ver-           wasser bereits zerstört. Das Land NRW hat      Mit den Spendengeldern konnte die Fami-
                       meiden.                                       sich geweigert, das Kind als Kostenfaktor      lie neue Möbel finanzieren und hat sich in-
                                                                     bei der Wiederaufbauhilfe anzurechnen.         zwischen gut eingelebt: „Jetzt ist alles gut,
                       Benötigt werden die Soforthilfen beson-       Da sind wir dann mit der Einzelfallhilfe       und das nicht zuletzt, weil wir so schnelle
                       ders für Schäden, die nicht durch einen       eingesprungen“, so Wiemers.                    und unkomplizierte Hilfe bekommen ha-
                       Versicherungsschutz oder staatliche Un-                                                      ben von der AWO.“
                       terstützung gedeckt sind, erklärt Wiemers:                                                                                Miriam Druba

                                                                                                10
EUROPA • DEUTSCHLAND
PSYCHOLOGISCHE UNTERSTÜTZUNG
NACH DER KATASTROPHE
AWO-Hilfetelefon und digitale Gesprächsrunden

Gemeinsam mit der AWO Lifebalance                           tröstende Worte und eine Art Rezept oder            fene, die in Kooperation mit SoulTable und
und dem AWO Bundesverband haben                             Pflaster zu finden. Das ist aber nicht im-          dem AWO BV Mittelrhein angeboten wer-
wir schnell nach der Katastrophe eine                       mer hilfreich. Es kann besser sein, erst mal        den. Begleitet von einer erfahrenen Mode-
psychologische Hotline ins Leben geru-                      zuzuhören und dem Menschen Raum zu                  ratorin bietet SoulTable einen geschützten
fen: das AWO-Hilfetelefon Flut. „Es hilft,                  geben, Dinge auszusprechen – auch Wut               Raum zum Reden. Für Betroffene ist das
jemanden zu haben, der sich am ande-                        und Verbitterung. Und danach geht es                Angebot kostenlos. SoulTable-Beraterin
ren Ende der Leitung Zeit nimmt und das                     darum, gemeinsam die nächsten Schritte              Simone berichtet, dass sich die Teilneh-
Gehörte dank professioneller Erfahrung                      zu finden.“                                         mer*innen gegenseitig am besten verste-
aushalten kann“, erklärt Psychologin Dr.                                                                        hen und es ihnen guttue zu reden und zu
Christiane Schönknecht, die das Angebot                     Ein weiteres psychosoziales Angebot im              merken, dass es den anderen ähnlich geht.
leitete. „Wenn im privaten Umfeld von                       Kontext unserer Fluthilfe sind digitale
Sorgen berichtet wird, ist der Reflex groß,                 Gesprächsrunden für Hochwasserbetrof-

AWO-Hochwasserhilfe in Zahlen
                                                                                                                „Wenn der Körper schmerzt,
                                                                                                                ist es wichtig, frühzeitig zum Arzt
      225 454 €                       15 401                      576                          148              zu gehen. Das Gleiche gilt bei
      Spenden                        Personen                psychosoziale                    Geräte            psychischem Schmerz. Wenn die
                                                              Gespräche
    sind direkt bei AWO
                                 profitierten von unseren
                                   Soforthilfezahlungen       wurden im Kontext
                                                                                        wie beispielsweise
                                                                                    Heiztrockner wurden zum
                                                                                                                Seele wehtut, braucht sie Unter-
 Inter­national für die Hoch­
  wasserhilfe eingegangen.
                                in Höhe von bis zu 5000 €
                                       pro Haushalt.
                                                                 der Fluthilfe
                                                                durchgeführt.
                                                                                    kostenlosen Verleih ange-
                                                                                     schafft und ausgegeben.
                                                                                                                stützung, und jeder, der sich diese
                                                                                                                Hilfe organisiert, ist stark und
                                                                                                                mutig.“
                                                                                                                                   Christiane Schönknecht,
        432                          13 000                        274               10 Millionen €                                      AWO Lifebalance
      Kinder &                      Mahlzeiten                   Fahrten                für den
    Jugendliche                                                                      Wiederaufbau
 aus betroffenen Familien       wurden in unseren Winter-      hat der Fahrdienst              für
   nahmen an unseren             treffs in Bad Neuenahr-       im Schleidener Tal       vom Hochwasser­
 Kinderprogrammen teil.          Ahrweiler ausgegeben.           durchgeführt.        Betroffene reserviert.

                                                                                         11
Durch wochenlange, ungewöhnlich starke Regenfälle kam es
                                                                                                 in Davao City im August 2021 zu starken Überschwemmungen.

                                                               HOCHWASSER IN DAVAO
                                                              Großes Engagement von
                                                              Migrant*innenvereinen in der Fluthilfe

                                                                                Sechs Monate später haben wir uns mit Nurjanna Cervantez und
                                                                                Juliet Bercasio unterhalten, die von den Überschwemmungen
                                                                                betroffen und an der Hilfsaktion beteiligt waren. Juliet ist 54 Jah-
                                                                                re alt und aktives Mitglied der Bago Aplaya Migrant Association
                            In den letzten Jahren kam es in den Küsten­
SÜDOSTASIEN • PHILIPPINEN

                                                                                (BAMA), einem lokalen Migrant*innenverein, der von AWO
                            gemeinden von Davao City im Süden der Philippinen
                                                                                International unterstützt wird. Vor dem Hochwasser ging sie von
                            vermehrt zu Überschwemmungen. Dies liegt unter      Haus zu Haus und half dabei, möglichst alle Menschen in ihrem
                            anderem an der begrenzten Kapazität der Flüsse      Stadtbezirk über die drohende Überschwemmung zu informie-
                            zur Ableitung des überschüssigen Wassers nach       ren. „Ich habe eine Doppelfunktion: Ich arbeite als Barangay-
                            starken Regenfällen. Im August 2021 wurden          Personal (lokale Verwaltung) und bin gleichzeitig aktives Mit-
                            einige unserer Projektgemeinden in Davao City       glied einer sozialen Struktur für Wanderarbeiter*innen. Es ist
                            von starken Überschwemmungen heimgesucht,           meine Pflicht, für die Sicherheit meiner Gemeinde zu sorgen, und
                                                                                es ist auch meine Verantwortung, die zurückgebliebenen Fami-
                            die durch wochenlange, ungewöhnlich starke
                                                                                lien der Arbeitsmigranten zu schützen, damit die Angehörigen,
                            Regenfälle ausgelöst wurden. Über unseren
                                                                                die im Ausland arbeiten, sich keine Sorgen um ihre Familien in
                            Partner vor Ort, das Mindanao Migrants Center       der Heimat machen müssen.“ Juliet kann sich besonders gut ein-
                            for Empowering Actions, Inc. (MMCEAI), wurden       fühlen, da sie früher ähnliche Erfahrungen gemacht hat, wäh-
                            besonders schwer betroffene Familien mit            rend ihr Mann als Wanderarbeiter in Saudi-Arabien war und
                            Nothilfesets versorgt.                              sich um die Familie sorgte. Juliet arbeitete weiter, auch als das

                                                                                   12
Juliet hilft bei der Koordination der
                                                                                                      Hochwasserhilfen im BAMA Migrant Desk.

Wasser hüfthoch stand. In dieser Zeit half sie bei der Verteilung ten Ort leben und Menschen aus Deutschland oder anderen
von Hilfsgütern an ihre Nachbar*innen. Sie weiß genau, was in     Teilen der Welt bereit sind, uns zu unterstützen. Das ist einer der
solchen schwierigen Situationen zu tun ist, und ist der Meinung,  Gründe, warum wir stark geblieben sind“, berichtet Juliet. Die
dass ein Gefühl von Normalität in Katastrophenzeiten wichtig ist. erfahrene Unterstützung motivierte sie und ihre Kolleg*innen,
                                                                                                 alle Hochwasserbetroffenen zu be-
Nurjanna, 34, ist ebenfalls Mitglied                                                             suchen und dabei mitzuhelfen, die
in einer von AWO International                                                                   Hygienesets an die Bewohner*in-
unterstützten Migrant*inneniniti-           Es ist meine Pflicht, für die Sicherheit             nen zu verteilen.
ative, der Bangkal Muslim Village            meiner Gemeinde zu sorgen, und es ist
Migrant Association (BMVMA).                auch meine Verantwortung, die zurück­               Nurjanna und Juliet sind der An-
Sie war selbst unmittelbar von           gebliebenen Familien der Arbeitsmigranten              sicht, dass das Problem der sich
dem Hochwasser betroffen. „Die            zu schützen, damit die Angehörigen, die im            häufenden Überschwemmungen
anhaltenden heftigen Regenfälle                                                                 in Davao auch von Menschen ge-
                                         Ausland arbeiten, sich keine Sorgen um ihre
verschlimmerten unsere Lage dra-                                                                macht ist. Viele Anwohner*innen
                                            Familien in der Heimat machen müssen.
matisch.“ Während sie ihr Haus                                                                  benutzen den Fluss wie eine große
wieder herrichtete, konnten ihr                                                                 Müllhalde, und ein unzureichen-
Mann und sie nicht zur Arbeit ge-                                                               des Abwassersystem verschärfe
hen, da ihre Mobilität durch die Überschwemmungen stark ein- das Risiko ebenfalls. Beide erklärten, dass es dringend notwen-
geschränkt war. Ein kompletter Stillstand ihres regulären Tages- dig sei, diese Risiken zu reduzieren und sich angemessen auf
ablaufs bedeutete für sie den Verlust ihrer Einnahmen. Alles, was Flut­ereignisse vorzubereiten. Glücklicherweise ist die örtliche
sie für die Bedürfnisse der Familie brauchten, war buchstäblich Verwaltung aktiv und setzt sich für eine verbesserte Bebauungs-
weggeschwemmt worden.                                             planung und die Verbesserung des Abwassersystems ein. Über-
                                                                  schwemmungen werden auch in Zukunft die jährliche Regenzeit
Nurjanna und Juliet erhielten die von AWO International und in den Küstengemeinden von Davao prägen. Aber die Menschen
MMCEAI bereitgestellten Hilfspakete, die an von der Flut beson- in den betroffenen Gebieten lernen jedes Mal dazu, bessere Vor-
ders schwer betroffene Familien verteilt wurden. „Wir wissen sorge zu treffen, sich zu schützen und sich gegenseitig zu helfen.
die Gedanken der Menschen und ihre Hilfsbereitschaft sehr zu                                                        Kerstin Grimm
schätzen, vor allem, weil wir hier an einem fernen, unbekann-

                                                                       13
Verteilung von Bargeldhilfen an                                                        Unterstützung für von der Flut
                                                          Geflüchtete in Rohingya-Flüchtlingscamps.                                              betroffene Familien in Nepal.

                                ÜBERSCHWEMMUNGEN IN SÜDASIEN
SÜDASIEN • BANGLADESCH, NEPAL

                                Nothilfeprojekte in Bangladesch und Nepal

                                In unseren Projektregionen in Südasien       zeit- und kosteneffizient.“ Darüber hinaus   „Der Transport der Hilfsgüter zu den Ver-
                                kommt es durch den Monsun und geogra­        wurden 200 weitere stark betroffene Fa-      teilungsstellen war herausfordernd. Die
                                fiebedingte Hochwasserproblematiken          milien mit notwendigen Utensilien ver-       Region ist sehr hügelig und viele Straßen
                                regelmäßig zu Überschwemmungen. Ge­          sorgt, die durch die Überschwemmungen        waren aufgrund der Erdrutsche nicht pas-
                                meinsam mit Partnerorganisationen vor        beschädigt wurden oder verloren gingen,      sierbar. Da blieb uns nur der Weg zu Fuß,
                                Ort leistet AWO International Nothilfe       wie zum Beispiel Kleidung, Kochzubehör       um zu den Dörfern zu gelangen“, berichtet
                                und unterstützt Hochwasserbetroffene         oder Moskitonetze.                           ein Mitarbeiter von NEEDS Nepal von den
                                beim Neustart nach den Katastrophen.                                                      Herausforderungen bei der Nothilfe. „Hin-
                                                                             Nothilfe und Wiederaufbau                    zu kam, dass ungefähr zur selben Zeit die
                                Soforthilfe für Geflüchtete                  in West-Nepal                                neue COVID-19-Variante Omikron auch
                                in Rohingya-Flüchtlingscamps                 Auch nach der regulären Monsunsai-           hier in Nepal ausbrach.“ So versorgte unser
                                Im Juli 2021 führten starke Regenfälle in    son kann es in Südasien zu starken und       Team in einem weiteren Schritt 733 Schu-
                                der Region um Cox’s Bazar in Bangladesch     andauernden Regenfällen kommen – so          len mit Schutzmasken, Desinfektionsmit-
                                zu Sturzfluten, Überschwemmungen             auch Ende Oktober 2021 in West-Nepal.        teln und Handwaschstationen, um eine
                                und Erdrutschen in den Rohingya-             Insbesondere die Provinz Sudurpashchim       weitere Verbreitung von COVID-19 – ge-
                                Flüchtlingssiedlungen und den umliegen-      und unsere Projektregion im Distrikt Doti    rade in dieser Krisenzeit – einzudämmen.
                                den Dörfern. Die Fluten zerstörten über      waren stark betroffen. Hunderte Häuser
                                6000 Unterkünfte, Gesundheitseinrich-        und circa 50 000 Hektar Agrarflächen         In beiden Projekten, in Bangladesch und
                                tungen und Tausende Sanitäranlagen.          wurden durch Überflutungen und die           Nepal, wurden die Familien nach dem
                                Mehr als 64 000 Geflüchtete waren be-        dadurch ausgelösten Erdrutsche beschä-       Grad ihrer Bedürftigkeit für die Not­
                                troffen; 24 000 Menschen wurden ob-          digt oder zerstört. Unmittelbar nach der     hilfemaßnahmen ausgewählt. Dies ist nie
                                dachlos. Unsere lokale Partnerorganisa-      Flut­katastrophe verteilte unsere langjäh-   eine leichte Entscheidung, da die Anzahl
                                tion Gana Unnayan Kendra, kurz GUK,          rige Partnerorganisation NEEDS Nepal         der Bedürftigen oft die verfügbaren Res-
                                engagiert sich bereits seit einigen Jahren   Lebensmittelpakete an betroffene Fami-       sourcen und Mittel für die Hilfsmaßnah-
                                in den betroffenen Flüchtlingslagern.        lien, um die schlimmste Not für mehrere      men überschreitet. Einkommensschwa-
                                „In dem Nothilfeprojekt entschieden wir      Wochen zu lindern. Außerdem wurden           che Familien sowie verletzliche Gruppen
                                uns für die Verteilung von Bargeld an        die Familien mit verschiedenen Mate­         wie zum Beispiel alleinerziehende Frauen,
                                300 Haushalte. Der unkomplizierte Zu-        rialien für die Errichtung von temporären    Senior*innen und Menschen mit Behinde-
                                gang zu Bargeld gewährleistet, dass die      Notunterkünften unterstützt. 35 Famili-      rungen wurden für die Hilfsmaßnahmen
                                von den Überflutungen betroffenen Men-       en, deren Häuser gänzlich zerstört wur-      priorisiert. Ziel war es auch, das Selbst­
                                schen ihre Unabhängigkeit und Würde          den, erhielten zusätzlich Baumaterialien,    hilfepotenzial zu stärken und die Hoff-
                                bewahren und eigene Prioritäten setzen       Bargeldgutscheine, Nutztiere und Saatgut.    nung und Kraft der Betroffenen für einen
                                können“, erklärt ein Projektmitarbeiter      Damit konnten sie ihre Lebensgrundlagen      Neustart nach der Katastrophe zu unter-
                                von GUK. „Bargeldhilfen sind im Vergleich    sichern sowie ihre Häuser wiederauf­         stützen.
                                zu anderen Hilfsmaßnahmen außerdem           bauen.                                                     Linda Römer, Martina Purwins

                                                                                                       14
DIE TROPENSTÜRME
        ETA UND IOTA
        Verheerende Folgen in Honduras

        Im November 2020 fegten die Tropen­           befand sich immer noch im Ausnahme­         Jetzt, eineinhalb Jahre nach Eta und Iota,

                                                                                                                                                MITTELAMERIKA • HONDURAS
        stürme Eta und Iota über Mittelamerika        zustand. Es war unmöglich, innerhalb        sind die Menschen und lokale Behörden
        hinweg. Als Folge kam es zu Erdrutschen       von zwei Wochen die von Eta verursachte     besser auf eine solche Katastrophe vor-
        und Überschwemmungen, die verhee­             Zerstörung zu beheben. Das Ausmaß war       bereitet. Dennoch sind viele an genau
        rende Verwüstungen hinterließen. Den          erschreckend: 3 907 229 Menschen wa-        den Ort zurückgekehrt, wo ihnen schon
        schlimmsten Schaden allerdings richte­        ren unmittelbar von den beiden Tropen­      einmal alles genommen wurde. Da keine
        ten die Tropenstürme in Honduras an, wo       stürmen betroffen, 95 Menschen kamen        Umsiedlungspolitik stattgefunden hat,
        etwa vier Millionen Menschen unmittel­        durch sie ums Leben. Auch die Sachschä-     werden mit dem nächsten Hochwasser
        bar von der Katastrophe betroffen waren.      den waren enorm: 26 835 Häuser, 173 Stra-   vermutlich ähnliche Schäden entstehen.
        Zentralamerika ist geprägt von aktiven        ßen und 44 Brücken wurden beschädigt
        Vulkanen. In der Region kommt es regel­       oder zerstört.                              Menschenleben retten
        mäßig zu Erdbeben, Hurrikanen und                                                         durch Katastrophenvorsorge
        Tropenstürmen. Die Hurrikan-Saison            Als Antwort auf diese Katastrophe haben     Loida Yax, Projektreferentin bei AWO
        dauert in der Regel von Juni bis Novem­       wir mit unserer honduranischen Part-        International im Regionalbüro Mittelame-
        ber. Schlimmer als die Hurrikane selbst       nerorganisation Organismo Cristiano de      rika, hat das Projekt von Beginn an beglei-
        sind meist die Folgen: starke Regenfälle,     Desarrollo Integral de Honduras, OCDIH,     tet und sagt heute rückblickend: „Idealer-
        Überschwemmungen und Erdrutsche.              ein Wiederaufbauprojekt gestartet, das      weise werden Sicherheitsmaßnahmen vor
                                                      im Jahr 2021 die Familien in Potrerillos    Eintritt einer Katastrophe ergriffen. Das
        Die Tropenstürme Eta und Iota                 bei der Rückkehr zu einem normalen          würde es den Gemeinden ermög­       lichen,
        So war es auch im November 2020, als die      Leben unterstützte. In Zusammenarbeit       sich schneller davon zu erholen. Es ist
        Tropenstürme Eta und Iota über Mittel-        mit den lokalen Behörden und Gemein-        wichtig, weiterhin Projekte zur Risiko-
        amerika hinwegzogen. Anfang November          den wurden zudem Aktionspläne zur           minimierung umzusetzen und dement-
        verursachte Eta in Honduras große Zer-        Katastrophenvorsorge erarbeitet, um so      sprechend auch in Prävention statt nur
        störungen. Als Folge des Sturms kam es zu     für zukünftige Ereignisse vorbereitet zu    in neue Infrastruktur zu investieren.“ Sie
        Starkregen und Überflutungen, wodurch         sein.                                       ruft zu mehr Katastrophenvorsorge in der
        zahlreiche Straßen und Brücken zerstört                                                   Region auf: „Wir können unsere Arbeit
        wurden. Insbesondere die Bevölkerung          Nothilfepakete und                          nur dann verbessern, wenn die Familien,
        entlegener Gebiete wurde dadurch von          finanzielle Unterstützung                   Gemeinden, Organisationen und staatli-
        jeglicher Hilfe abgeschnitten. Vielen blieb   Die Menschen in Potrerillos wurden mit      chen Behörden vorbereitet sind. Auf diese
        nur noch die Rettung auf ihre Dächer, um      Nothilfepaketen ausgestattet, die Lebens-   Weise können wir mehr Menschenleben
        dort auf Hilfe zu warten.                     mittel, Haushalts- und Hygieneartikel       retten. Wir von AWO International haben
                                                      enthielten. 100 Familien bekamen über       die Möglichkeit, solche Projekte durchzu-
        Die Menschen hatten sich noch kaum von        sogenannte Cash-Transfers finanzielle       führen, und möchten nicht erst reagieren,
        ihren Verlusten erholen können, als kurz      Unterstützung, pro Familie umgerechnet      wenn der Notfall schon da ist.“
        darauf der Tropensturm Iota wütete. Der       gut 350 Euro. Diese Hilfe ermöglichte es                    Simone Tarabay, Karin Eder
        Gemeindebezirk Potrerillos, unser Projekt­    ihnen auch, ihre Häuser zu reparieren.
        gebiet im Nordwesten von Honduras,

Unsere Partnerorganisation
OCDIH verteilt Nothilfepakete mit
Lebensmitteln, Reinigungs-
und Hygieneartikeln an Betroffene.
Erich Fenninger, Geschäftsführer unseres Koope-                                      Beim Entladen der Hilfsgüter
rationspartners Volkshilfe Österreich, übergibt                                      in Czernowitz gab es viele
Hilfsgüter in der Stadt Czernowitz, Ukraine.                                         spontane Helfer*innen.

                                                                                     EINE HUMANITÄRE
                                                                                     KATASTROPHE
 EUROPA • UKRAINE

                                                                                     Unsere Nothilfeprojekte in der Ukraine
                                                                                     und den Nachbarländern

                    Der Krieg in der Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe. Die Zivilbevölkerung leidet, und mehr als 13 Millio­
                    nen Menschen wurden laut UNHCR in den letzten Wochen entweder innerhalb des Landes vertrieben oder
                    sind in die Nachbarländer geflohen (Stand Mai 2022). Das entspricht fast einem Drittel der Bevölkerung der
                    Ukraine. Zusammen mit Aktion Deutschland Hilft rief AWO International Ende Februar zu Spenden für die
                    Nothilfe auf, um zusammen mit Partnern vor Ort gezielt zu helfen.

                    Gemeinsam mit der Volkshilfe Österreich unterstützen wir         Erich Fenninger, Geschäftsführer unseres Kooperationspartners
                    die langjährige ukrainische Partnerorganisation Narodna          Volkshilfe Österreich, war bereits Anfang März in Czernowitz,
                    Dopomoha, kurz NDU, in der westukrainischen Stadt                um dringend benötigte Hilfsgüter wie Nahrungsmittel, Schlaf-
                    Czernowitz. Dort wurde unter anderem ein „Welcome Point“         säcke und Medikamente an NDU zu übergeben. „Hunderte Men-
                    eingerichtet, wo Binnenvertriebene frisches Trinkwasser und      schen haben spontan eine Kette gebildet und beim Entladen ge-
                    warme Mahlzeiten erhalten. Von dort aus vermittelten die         holfen. Dieser Zusammenhalt und Einsatz der Zivilgesellschaft
                    Mitarbeiter*innen und Freiwilligen von NDU bereits Notunter-     ist überwältigend. Man sieht, unsere Hilfe kommt direkt bei
                    künfte für über 500 Binnenflüchtlinge und führten psychosozia-   den Menschen an“, berichtete Fenninger im Anschluss. Seitdem
                    le Beratungsgespräche mit über 100 Menschen durch.               wurden bereits zwei weitere umfangreiche Hilfslieferungen
                                                                                     nach Czernowitz organisiert – weitere werden in den nächsten
                                                                                     Wochen folgen.

                                                                                        16
Bis zu 2500 Binnen­
                                                                                                                  flüchtlinge werden
                                                                                                                  täglich in dem
                                                                                                                  gemeinsamen Projekt
                                                                                                                  von AWO BV Oberbayern
                                                                                                                  und AWO International
                                                                                                                  in Lwiw mit einem
                                                                                                                  warmen Essen versorgt.

                                  Die rumänische Partnerorgani-
                                  sation Migrant Integration Center
                                  versorgt Geflüchtete in Brașov.

Mehr als 6,8 Millionen Menschen haben die Ukraine aufgrund pädagogisch betreut und mit Mahlzeiten versorgt. „Als der Krieg
des Krieges bereits verlassen und suchen Schutz in den Nachbar- anfing, mussten wir unsere Arbeit ein bisschen umstellen: Wir
ländern wie Polen, Rumänien oder der Republik Moldau. Trotz haben jetzt zum Beispiel die Unterstützung von 85 Waisen­
großer Solidarität der Zivilbevölkerung vor Ort kommen viele kindern aus Donezk übernommen. Diese Kinder werden mit
Aufnahmeländer nach und nach an die Grenzen ihrer Kapazi- Lebensmitteln und anderen Sachen ausgestattet, die sie im
täten – etwa bei der Unterbringung. Deshalb unterstützen wir Moment dringend brauchen“, berichtet Yuriy Lopatynsky, Ge-
gemeinsam mit unserem Schweizer Netzwerkpartner Solidar schäftsführer unserer ukrainischen Partnerorganisation aus
Suisse zwei rumänische Nichtregierungsorganisationen (NRO) Lwiw. Walnuss Haus versorgt pro Tag circa 2500 Menschen mit
bei der Versorgung von Geflüchteten. Die zwei lokalen Partner­ einem warmen Essen: „Wir verteilen Essen am Bahnhof – sozu-
organisationen LOGS in Timișoara und                                                sagen an den Toren von Lwiw. Da kommen
Migrant Integration Center Brașov                                                   die Geflüchteten aus dem Osten und der
arbeiten schon lange im Migrations-                                                 Zentralukraine an, also Menschen, die
bereich. Neben Unterbringungen und                                                  gerade vor Schüssen und Bomben fliehen.
psychosozialen     Beratungsangeboten              Hunderte Menschen                Ebenso unterstützen wir mit dem Essen
erhalten Geflüchtete aus der Ukraine                                                drei Unterkünfte für Geflüchtete“, so Yuriy
                                           haben spontan eine Kette gebildet
in den beiden Projekten Unterstützung                                               Lopatynsky.
                                              und beim Entladen geholfen.
durch Bargeld oder Gutscheine, um
                                               Dieser Zusammenhalt und
ihre Grundbedürfnisse zu decken.                                                    Neben dem Bezirksverband Oberbayern
                                            Einsatz der Zivilgesellschaft ist       unterstützt AWO International aktuell auch
In ganz Deutschland zeigen sich                überwältigend. Man sieht,            den AWO Kreisverband Wunsiedel, den
AWO-Gliederungen solidarisch mit den         unsere Hilfe kommt direkt bei          Bezirksverband Potsdam sowie die Lan-
Betroffenen und organisieren Spenden-               den Menschen an.                desverbände Brandenburg und Sachsen-
aktionen, Nothilfeprojekte oder Unter­                                              Anhalt bei Hilfslieferungen in die Ukraine
künfte für Geflüchtete. Neben den                                                   und nach Polen. Insgesamt konnten bis
Projekten mit Partner­   organisationen                                             Anfang Mai 2022 in Kooperation mit
in der Ukraine und Rumänien unter-                                                  AWO-Verbänden und der Volkshilfe Öster­
stützt AWO Interna­   tional auch verschiedene AWO-Verbände reich bereits 18 Hilfstransporte durchgeführt werden und circa
bei Nothilfeprojekten in der Ukraine sowie bei Hilfstransporten 90 Tonnen dringend benötigter Hilfsgüter wie Lebensmittel,
von Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und medizinischen Pro- medizinisches Material und Hygieneartikel in die Ukraine sowie
dukten nach Polen und in die Ukraine.                           in Verteilzentren und Geflüchtetenunterkünfte in Polen gelie-
                                                                fert werden. Wir sind überwältigt von der großen Solidarität
Gemeinsam mit dem AWO Bezirksverband Oberbayern unter- und Hilfsbereitschaft für die Menschen in der Ukraine sowie die
stützen wir zum Beispiel die ukrainische NRO Walnuss Haus Menschen auf der Flucht.
in Lwiw, die aktuell 150 Personen in Notunterkünften sozial­                                                     Miriam Druba

                                                                      17
KURZ
NOTIERT                                                                    Erinnerungs­­aktionen
                                                                           für tote Migrant*in-
                                                                           nen in Katar
                                                                           Am 21.11.2022 findet in Katar das
                                                                           WM-Eröffnungsspiel statt. Tausende
                               Planungsworkshop                            Wanderarbeiter*innen haben auf den
                               in Uganda                                   Baustellen für die gesamte Infrastruk-
                                                                           tur und die Stadien für die WM in den
                               In diesem Jahr geht der erste dreijährige   letzten Jahren den Tod gefunden. Zehn-
                               Projektzyklus von AWO International         tausende leben und arbeiten unter aus-
                               in Uganda – unserem jüngsten Aus-           beuterischen und menschenunwürdi-
                               landsbüro – zu Ende. Im Februar             gen Bedingungen. Gemeinsam mit dem
Der Klimawandel sorgt          führten wir daher einen partizipativen      Künstler Volker-Johannes Trieb sowie
schon heute für eine           Planungsworkshop für die neue Pro-          der AWO Westliches Westfalen haben
                               jektphase (2023–2025) in Uganda durch.      wir am Tag der Gruppenauslosung am
Zunahme der Häufigkeit
und Intensität extremer
Wetterereignisse. Dies
führt vielerorts zu
Nahrungsmittel- und
Wasserknappheit. Die
größten Auswirkungen
sind in Afrika, Asien,
Mittel- und Südamerika,
auf kleinen Inseln und in
der Arktis zu spüren. Da-
                               Der Workshop brachte Teilnehmer*in-         1. April vor der FIFA-Zentrale in Zürich
mit steht der Klimawandel
                               nen von vier Partnerorganisationen          ein Zeichen gegen die menschenver-
auch der Erreichung der        (AFARD, COVOID, ECO, UCOBAC) und            achtenden und grausamen Bedingungen
Ziele für Nachhaltige          einem neuen Partner (RICE-WN) zusam-        in Katar gesetzt. Die 6500 platzierten
                               men. Die Teilnehmer*innen tauschten         Fußbälle mit dem Zitat „Weltgewissen,
Entwicklung entgegen.          ihre Erfahrungen mit den laufenden          du bist ein Fleck der Schande“ stehen
                               Projekten aus und entwickelten gemein-      für die vielen Menschen, die in Katar
                               sam neue Projektrahmen. Diese neuen         ums Leben gekommen sind. Im Novem-
                               Projekte zielen auf die Entwicklung von     ber werden die Bälle erneut in einem
                               Existenzgrundlagen, auf nachhaltige         Bundesligastadion im Ruhrgebiet plat-
Weltklimarat (IPCC 2022: 11)
                               Landwirtschaft, Kleinunternehmen            ziert. Ebenfalls sollen zum WM-Start
                               und die friedliche Koexistenz zwischen      Traueranzeigen mit Spendenaufrufen
                               Geflüchteten und Aufnahmegemein-            veröffentlicht werden. Wir freuen uns,
                               schaften ab.                                wenn Sie sich an der Aktion beteiligen
                                                                           und eine Anzeige schalten!
                                                                           Weitere Infos finden Sie auf www.welt-
                                                                           gewissen-katar.de. Rückfragen gerne an:
                                                                           lara.roescheisen@awointernational.de.

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