FocusNo. 33 / 2020 - Corona-Krise und Immobilienwirt-schaft - Quantum AG
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Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, der Virus COVID-19 hält die Welt in Atem und hat mancherorts zu einem kompletten Stillstand des öffentlichen Lebens geführt. Auch in Deutschland erleben wir derzeit einen partiellen Shutdown der Wirtschaft. Während einige Unternehmen ihre Mit- arbeiter ins Home Office schicken und damit das Geschäft zumindest in Teilen am Laufen halten können, sind andere Geschäftstätigkeiten vollständig zum Erliegen gekommen. Zur gleichen Zeit sind die Mitarbeiter in Krankenhäusern und Gesund- heitseinrichtungen, in Supermärkten, Drogerien und Apotheken rund um die Uhr im Einsatz. Mit der Corona-Krise gerät Deutschland in eine komplexe Wirtschaftskrise, deren Dimensionen derzeit noch unklar sind. Uns allen stellen sich die Fragen: Wie Dr. André Scharmanski wird sich die Entwicklung in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten fortset- Leiter Research zen? Wann wird die Corona-Krise überwunden sein? Und was passiert danach? Der aktuelle Quantum Focus No. 33 „Corona-Krise und Immobilienwirtschaft“ befasst sich mit den möglichen Auswirkungen der Corona-Krise auf die deutsche Wirtschaft und insbesondere auf die Immobilienwirtschaft. Der kritische Faktor bei der Abschät- zung der wirtschaftlichen Effekte ist der weitere Pandemieverlauf, der die Dauer und Intensität der Stilllegung der deutschen Wirtschaft bestimmt. Als derzeit wahrschein- lichste Rezessionsentwicklungen werden der sogenannte U- bzw. L-Verlauf mit einem milderen bzw. schwerwiegenden Konjunktureinbruch diskutiert. Für die Bau- und Immobilienwirtschaft wird, im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen, aktuell ein etwas weniger starker Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität erwartet. Wenngleich die Folgen für Immobilienmärkte aufgrund ihrer Trägheit erst langsam und mit zum Teil erheblicher zeitlicher Verzögerung sichtbar werden, werden kurz-, mittel- und langfristig ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Teilsektoren erwartet. Wir hoffen, dass der Focus Sie bei guter Gesundheit im Home Office erreicht und wünschen Ihnen eine aufschlussreiche und interessante Lektüre. Bleiben Sie gesund! Dr. André Scharmanski FOCUS 33 1
Inhalt 4 Verbreitung Coronavirus in Deutschland – Aktueller Stand Wie schnell verbreitet sich das Coronavirus und wo steht Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich? 8 Effekte der Corona-Krise auf 3 Seite 13 Effekte der Corona-Krise auf Immobilienteilmärkte die Konjunktur Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Wirtschaft und Konjunktur? 13 Effekte der Corona-Krise auf Immobilienteilmärkte Welche Effekte auf die verschiedenen Sektoren sind kurz-, mittel- und langfristig zu erwarten? 22 Kurz & knapp Das Wichtigste dieser Ausgabe kurz zusammengefasst. Seite 08 Effekte der Corona-Krise auf die Konjunktur 2 FOCUS 33 C O R O N A- K R I S E U N D I M M O B I L I E N W I R T S C H A F T 3
Verbreitung Corona- Der Ökonom Marcel Fratzscher schätzt, dass die Entwicklung des Coronavirus‘ in Deutschland etwa zwei Monate hinter der Chinas liegt. In China gab es am 27.01.2020 knapp 3.000 bestätigte Fälle, 82 davon virus in Deutschland – Todesfälle. Knapp zwei Monate später, am 25.03.2020, sind in China über 80.000 bestätigte Fälle und mehr als 3.000 Todesfälle, aber auch fast Aktueller Stand 1 75.000 Geheilte gemeldet. In Deutschland sind es am selben Tag rund 37.000 bestätigte Fälle, über 200 Todesfälle und etwa 3.500 Genesene. Deutschland (heute): 37.323 Bestätigte Fälle am 25.03.2020 Italien (-7T): 35.713 Bestätigte Fälle am 18.03.2020 Italien (heute): 74.386 Bestätigte Fälle am 25.03.2020 1 Hinweis: Die Datenlage ist derzeit hochdynamisch. So kann es bei den Fallzahlen zu Abweichungen gegenüber anderen Darstellungen kommen. Die wichtigste der hier verwendeten Quellen ist die US-amerikanische Johns-Hopkins-Universität (JHU), da diese einen direkten Vergleich der nationalen, europäischen und weltweiten Fallzahlen nahezu in Echtzeit er- möglicht. Andere Institutionen, wie die WHO oder das RKI, veröffentlichen zum Teil abweichende Zahlen. Die Informationskette ist für Außenstehen- de nicht vollständig zu durchschauen, daher lassen sich die Ungereimt- heiten derzeit nicht abschließend erklären. Es geht hier vor allem um die grundsätzliche Darstellung des Verlaufs der Corona-Pandemie. 2 Mindestwert (keine Meldepflicht) 4 FOCUS 33 V E R B R E I T U N G C O R O N AV I R U S I N D E U T S C H L A N D – A K T U E L L E R S TA N D 5
Abb. 01 Tab. 01 Verbreitung COVID-19 in Deutschland und Italien (-7T) Bestätigte Fälle in Deutschland (gerundet) Bestätigte Fälle (Deutschland) Bestätigte Fälle (Italien -7T) Todesfälle (Deutschland) Todesfälle (Italien -7T) 40.000 3.500 08.03. 11.03. 14.03. 17.03. 20.03. 23.03.* 26.03.* 29.03.* 01.04.* 35.000 3.000 900 2.000 4.600 9.400 19.850 37.500 75.000 150.000 300.000 30.000 2.500 25.000 * ab 23.03. Berechnung anhand bisheriger „Epidemic Doubling Time“ von drei Tagen Bestätigte Fälle (absolut) 2.000 Todesfälle (absolut) 20.000 1.500 15.000 1.000 10.000 500 5.000 0 0 04.03.20 11.03.20 18.03.20 25.03.20 Daten: Johns Hopkins University CSSE (internationale Daten von WHO, CDC (USA), ECDC (Europa), NHC, DXY (China) und Meldungen der deutschen Behörden (Robert-Koch-Institut sowie Kreis- und Landesgesundheitsämter). Näher liegt jedoch ein Blick auf Italien, dem in Europa Besorgniserregend ist die exponentielle Verbreitung Deutschland Um die rasante Verbreitung des Virus‘ zu verlang- 449,6 derzeit am stärksten von COVID-19 betroffenen Land. des Virus, besser zu veranschaulichen durch die so- samen, stehen einige europäische Länder, darunter Im europaweiten Vergleich der absoluten Anzahl der genannte „Epidemic Doubling Time“ – die Zeit, die es Italien (seit dem 10.03.2020) unter Quarantäne. Die bestätigten Fälle liegt Deutschland hinter Spanien dauert, bis jeweils doppelt so viele Menschen infiziert Entwicklungsrate in Italien ist seitdem bereits leicht (49.515 bestätigte Fälle am 25.03.2020) auf Platz 3. sind. Zuletzt betrug die Epidemic Doubling Time in von etwa 25 Prozent (vor der Quarantäne) auf aktuell Ausgehend von der Entwicklung der absoluten Anzahl Deutschland drei Tage. (Tab. 01) rund 15 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vortag zu- der bestätigten Fälle folgt Deutschland etwa eine Wo- rückgegangen (seit der Quarantäne). Eine Ausgangs- che hinter Italien. Würde sich diese Entwicklung ungebremst so fortset- sperre für Deutschland ist bisher nicht geplant (Stand zen, hätten wir in Deutschland, rein rechnerisch, mit Italien 25.03.2020). Zunächst soll die Wirkung des jüngsten 1.232,4 Betrachtet man jedoch die gemeldeten Todesfälle, ist dem 1. April die 300.000 Marke erreicht. Zuletzt wur- Maßnahmenpaketes und des verordneten Einreise- die Entwicklung in Deutschland nicht mit der rasan- de die Epidemic Doubling Time von drei Tagen jedoch verbotes nach Deutschland abgewartet werden. Ver- ten Entwicklung in Italien oder Spanien vergleichbar. unterschritten, die berechneten 37.500 bestätigten schiedene Forschergruppen gehen davon aus, dass Während es hierzulande am 25.03.2020 bisher 206 Fälle wurden am 23.03.2020 nicht erreicht (sondern der Ausbruch erst in den Sommermonaten seinen Todesfälle gab, waren es in Italien vor sieben Tagen nur knapp 30.000). Über die letzten zwei Wochen be- Höhepunkt erreichen und es in den gemäßigten Kli- (bei ähnlicher Fallzahl der Infizierten) bereits 2.978 an trachtet, ist die Anzahl der bestätigten Fälle gegen- mazonen nach einer ersten Pandemiewelle zu wieder- CORVID-19 Verstorbene (und aktuell 7.503 Todesfälle über dem Vortag im Durchschnitt jeweils um etwa 24 holten Ausbrüchen in den Wintermonaten kommen am 25.03.2020). Erklärungen dafür konzentrieren sich Prozent gestiegen. Der vermeintlich starke Rückgang China könnte. 58,6 auf das schwach ausgestattete Gesundheitssystem, der Neuinfektionen am 21. und 22.03.2020, von dem in die starke Luftverschmutzung in den italienischen den Medien zuletzt bereits berichtet wurde, ist – leider Pandemie-Hotspots, die ältere Bevölkerungsstruktur – auf unvollständige Zahlen zurückzuführen. Die deut- und eine hohe Dunkelziffer an Infizierten. sche Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten gab bekannt, dass die Daten aus einigen Ämtern mit Umgerechnet auf den Bevölkerungsstand haben wir in Zeitverzögerung übermittelt wurden. Deutschland damit derzeit knapp 450 bestätigte Fälle und 2,5 Todesfälle pro eine Million Einwohner. Bestätigte Fälle pro Mio Einwohner am 25.03.2020 6 FOCUS 33 C O R O N A- K R I S E U N D I M M O B I L I E N W I R T S C H A F T 7
Effekte der Abb. 02 Wirtschaftliche Rezession – zwei Szenarien U- versus L-förmiger Konjunkturverlauf Corona-Krise auf U — U-förmiger Konjunkturverlauf ➔ bei rascher L — L-förmiger Konjunkturverlauf ➔ bei Verschärfung die Konjunktur Eindämmung der Pandemie der Pandemie und Stillstand der Wirtschaft bis mindestens Mai 2020 — Konjunktureinbruch gefolgt von kurzer Talsohle und zügiger Erholung inklusive Nachholeffekten — Einbruch ohne Wiederaufschwung in diesem Jahr — Vergleiche mit Naturkatastrophen aus der — Übertragung der realwirtschaftlichen Krise auf Vergangenheit zeigen kräftige Erholung nach Ende Finanzsektor der Krise — Starke Schrumpfung des BIPs ➔ -6% bis -20% ggü. Vj. — Schrumpfung des BIPs ➔ bis -3,5% ggü. Vj. — Stark einbrechende Geschäftserwartungen mit deut- — Arbeitsmarktentwicklung bleibt robust ➔ „Labour lich negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten- Hoarding“ entwicklung (Beschäftigungsabbau bis zu 1,8 Mio.) Quelle: ifo Institut, DIW, Deutsche Bank, IfW, Commerzbank Externer Schock für Wirtschaft und Finanzmärkte büßte der DAX von seinem Höchststand von knapp Wachstumsszenarien für Deutschland (schematisch) 13.800 Punkten am 20. Februar in einem Absturz über Veränderung zum Vorquartal in Prozent Mit der Corona-Krise gerät Deutschland in eine kom- 5.300 Punkte ein, bis auf einen vorläufigen Tiefstand plexe Wirtschaftskrise, deren Dimensionen derzeit von rund 8.500 Punkten am 18. März 2020. Damit ver- noch unklar sind. Laut einer Umfrage des ifo Instituts lor der Index innerhalb von nur 22 Börsentagen mehr Mitte März 2020 leiden bereits über 56 Prozent der als 38 Prozent seines Wertes. deutschen Firmen unter den Folgen der Corona-Epi- demie und den damit verbundenen negativen Auswir- Wachstum kungen. Am stärksten betroffen sind Unternehmen der Verlauf des Konjunktureinbruchs – U oder L? Tourismusbranche (96 Prozent) und des Gastgewer- bes (79 Prozent), gefolgt vom Verarbeitenden Gewer- Eine Rezession in diesem Jahr ist nicht mehr zu ver- be (69 Prozent) und dem Handel (63 Prozent). Damit meiden, wobei sich angesichts der sich täglich verän- unterbrechen die Folgen der Corona-Pandemie die dernden Lage nur sehr schwer einschätzen lässt, wie 0 Q4 2019 Q1 2020 Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Q1 2021 sich abzeichnende zaghafte Belebung der deutschen stark diese ausfallen wird. Anhaltspunkte können Er- Konjunktur. Die Industrie rutscht wieder tiefer in die Re- fahrungen aus früheren Schocks, von Epidemien wie Schrumpfung zession. Und die Krise macht die Fragilität des globalen Sars über Naturkatastrophen wie Hochwasser bis ökonomischen Systems und seiner Lieferketten und hin zur Finanzkrise 2008/2009 bieten. Der kritische -abhängigkeiten v. a. für die Industrie deutlich (Rottke Faktor bei der Abschätzung wirtschaftlicher Effek- 2020). Ebenso gerät die Binnenwirtschaft, die bis- te ist allerdings der weitere Pandemieverlauf, der die lang Stütze der konjunkturellen Entwicklung war, unter Dauer und Intensität der Stilllegung der deutschen Stress. Die Stimmung in den deutschen Unternehmen Wirtschaft (Shutdown) bestimmt. Denn die zur Ein- hat sich entsprechend massiv verschlechtert. So ist der dämmung der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnah- ifo Geschäftsklimaindex im März auf 86,1 Punkte einge- men (u.a. Schließung von Schulen und Universitäten, brochen, das ist der stärkste Rückgang seit 1991 und der Hotels, Gaststätten, Einzelhandelsgeschäften und die niedrigste Wert seit August 2009 (ifo Institut 2020). Stilllegung von Fabriken und Dienstleistungsbetrieben, Reisebeschränkungen, Absage von Veranstaltungen) Die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen der Corona- haben weitreichende Folgen für Bevölkerung und Wirt- Ohne Corona-Krise U-Szenario L-Szenario virus-Epidemie bleibt auch das beherrschende Thema schaft. Als derzeit wahrscheinlichste Rezessionsent- an den Weltbörsen. Infolge der schnellen weltweiten wicklungen werden der sogenannte U- oder L-Verlauf Verbreitung und der ergriffenen Gegenmaßnahmen im Folgenden dargestellt (Abb. 2): 8 FOCUS 33 E F F E K T E D E R C O R O N A- K R I S E A U F D I E K O N J U N K T U R 9
Abb. 03 Shutdown-Szenarien (Größter Wertschöpfungsverlust in einem Monat 40%) Ein Monat Shutdown Zwei Monate Shutdown Drei Monate Shutdown 100% Sollte die Pandemie in den nächsten Wochen abflauen, fende Produktion, Lieferketten und Absätze angewie- Produktionsniveau (Monat 1 = 100) 80% dürfte sich die Wirtschaft schnell wieder erholen. Zu sen sind, deren Stabilisierung ebenso einen gewissen erwarten wäre in diesem Fall ein Konjunktureinbruch time lag erfordert. Ein L-Verlauf der weiteren Wirt- gefolgt von einer kurzen Talsohle und einer zügigen schaftsentwicklung wäre dafür typisch. Eine positive 60% Erholung inklusive Nachholeffekten. Der Treiber für Gegenbewegung in Form von Nachholeffekten wie im die Erholung ist die Eindämmung des Virus‘, von daher ersten Szenario bliebe ebenso aus. Auch am Arbeits- 40% sind die Aufwärtschancen weniger abstrakt als nach markt käme es infolge einer langanhaltenden Krise zu gewöhnlichen Rezessionen. So zeigen etwa Verglei- massiven Verwerfungen, welche die Zustände auf dem che mit Naturkatastrophen aus der Vergangenheit je- Höhepunkt der Finanzkrise in den Schatten stellen 20% weils eine kräftige wirtschaftliche Erholung nach Ende würden. Stark einbrechende Geschäftserwartungen der Krise. In diesem ersten Szenario ist ein U-förmiger hätten deutlich negative Auswirkungen auf die Be- 0% Konjunkturverlauf wahrscheinlich. Das BIP würde im schäftigtenentwicklung. Sowohl die Stärke des Stel- 1 2 3 4 5 6 7 zweiten Quartal durch einen Rückgang der Produktion lenabbaus als auch der Einsatz von Kurzarbeit dürften Monate deutlich schrumpfen. Die Unternehmen und Verbrau- mit der Dauer und Intensität des wirtschaftlichen Still- cher könnten aber, was Produktion und Konsumver- legens deutlich steigen. Weitere Sorgen beziehen sich halten angeht, nach der Pandemie wieder rasch zur auf die Übertragung der realwirtschaftlichen Krise auf Normalität zurückkehren. Auf den Einbruch folgt durch den Finanzsektor, weil Banken Kreditausfälle haben, in Quelle: in Anlehnung an ifo Institut (2020) Nachholeffekte eine starke Gegenbewegung im dritten Schieflage kommen und keine Kredite mehr vergeben und vierten Quartal, sodass das BIP 2020 insgesamt könnten. Die Kreditversorgung der Wirtschaft wäre ge- nur geringfügig schrumpfen würde. Die Arbeitsmarkt- stört, was wiederum weitere dämpfende Effekte auf entwicklung bliebe relativ robust. Ähnlich wie in der die Wirtschaftsleistung hätte. Finanzkrise 2008/2009 würde die Rezession durch Unterbrechung stattgefunden hat, denn die Schäden Einbußen bei der Produktivität pro Arbeitnehmer (u.a. durch Insolvenzen, Produktionseinstellungen, Verlust durch Abbau von Urlaubs- und Gleitzeitguthaben) ab- Länge und Stärke des Shutdowns entscheidend für von Geschäftsbeziehungen etc. nehmen täglich zu. sorbiert werden. Gerade Unternehmen aus wissensin- wirtschaftliche Erholung Während eine Reduzierung der Wirtschaftsaktivität tensiven Dienstleistungsbereichen zeigen sich stabiler für einen Monat auf 60 Prozent des Normalniveaus gegenüber vorübergehenden Konjunktureinbrüchen Welcher der beiden Konjunkturverläufe eintreten mit anschließendem Übergangsmonat (80 Prozent) und versuchen, ihre vor allem hochqualifizierten Beschäf- wird, hängt vor allem an der Dauer und Intensität der und schneller Rückkehr zum Ausgangsniveau im tigten weitestgehend zu halten („Labour Hoarding“). Shutdown-Phase und der darauffolgenden Post-Shut- dritten Monat eine mit dem Finanzkrisenjahr 2009 down-Phase. Erstere bezieht sich auf den Zeitraum, in vergleichbare Schrumpfung der Wirtschaftsleistung Das zweite Szenario geht von einer mehrmonatigen dem die Wirtschaftstätigkeit in vielen Wirtschaftsbe- für das Gesamtjahr um 5,1 Prozent bedeuten könnte, Shutdown-Phase mit einem schwerwiegenden Scha- reichen eingestellt oder auf ein Minimum reduziert ist. würden längere Shutdown-Phasen wesentlich stärke- den für die deutsche Wirtschaft aus. Denn die Kosten Letztere auf den Zeitraum nach der Pandemie, bis die re wirtschaftliche Einbrüche zur Folge haben (Abb. 3). des Shutdowns nehmen mit seiner Dauer überpropor- Wirtschaftsaktivität nach dem Shutdown allmählich Ein zweimonatiger Rückgang auf 60 Prozent des Nor- tional zu. So benötigen nach der Pandemie alle Wirt- wieder aufgenommen wird, ansteigt und ihr Ausgangs- malniveaus hätte bereits drei Post-Krisen-Monate zur schaftsbereiche infolge längerer Unterbrechung der niveau wieder erreicht. Die Rückkehr auf das Normal- Folge und würde eine Reduzierung des BIPs für das Produktion, größerer Schäden durch Insolvenzen und niveau wirtschaftlicher Aktivität benötigt allerdings Gesamtjahr um 11,9 Prozent bedeuten. Sollte ein drei- Pleiten, Abwanderung von Arbeitskräften und des Ver- Zeit und man kann davon ausgehen, dass die Locke- monatiger „Lockdown" verhängt werden, könnte die lustes von Geschäftsbeziehungen eine gewisse Zeit, um rung eines Shutdowns schrittweise erfolgt (Post-Shut- Wirtschaft 2020 gar um 17,5 Prozent schrumpfen (ifo ihre Wirtschaftsaktivität wieder auszudehnen. Damit down-Phase). Insbesondere Wirtschaftsbereiche, bei Institut 2020). Je nach Intensität des wirtschaftlichen verlängert sich die Zeit, die benötigt wird, um wieder zu denen eine hohe Ansteckungsgefahr besteht, könnten Shutdowns (z.B. Rückgang auf 30, 40, 50 oder 60 Pro- einem Normalniveau wirtschaftlicher Aktivität zurück- erst später wiederaufgenommen werden zent) und möglicher Nachholeffekte sowie Wirkungen zukehren. Es würde nach der Krise nicht wieder schnell staatlicher Konjunkturprogramme können die Wirt- bergauf gehen können. Das liegt auch daran, dass die Generell fällt die Dauer der Post-Shutdown-Phase schaftsprognosen allerdings deutlich von den genann- deutschen Industriekonzerne stark auf länderübergrei- umso langwieriger aus, je länger die wirtschaftliche ten Berechnungen abweichen. 10 FOCUS 33 E F F E K T E D E R C O R O N A- K R I S E A U F D I E K O N J U N K T U R 11
Effekte der Corona-Krise auf Immobilienteilmärkte Die Corona-Krise macht sich immer stärker auch in der Bau- und Im- mobilienwirtschaft bemerkbar. Aktuell erwarten die Konjunkturforscher für die Bau- und Immobilienwirtschaft zunächst einen etwas weniger starken Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität auf rund 80 Prozent, denn laufende Projekte müssen zu Ende geführt, Dienstleistungen wie Hausverwaltung und Facility-Management trotz Corona weiterhin er- bracht werden. Wenngleich die Folgen für Immobilienmärkte aufgrund ihrer Trägheit erst langsam und mit zum Teil erheblicher zeitlicher Ver- zögerung sichtbar werden, steckt der folgende Orientierungsrahmen sektorenspezifisch die möglichen kurz- und langfristigen Risiken und Chancen ab. Entscheidender Faktor ist auch hier die Dauer und Inten- sität des wirtschaftlichen Shutdowns 12 FOCUS 33 E F F E K T E D E R C O R O N A- K R I S E A U F I M M O B I L I E N T E I L M Ä R K T E 13
Tab. 02 Tab. 03 Überblick: Kurzfristige Auswirkungen der Corona-Krise Überblick: Mittel- und langfristige Auswirkungen der Corona-Krise auf die Immobilienwirtschaft auf die Immobilienwirtschaft Assetklasse Entwicklung* Erläuterung Assetklasse Entwicklung* Erläuterung Mietwohnungen 0 Kurzfristig keine generellen Einflüsse auf die Mietausfallwahrscheinlichkeit zu erwarten Folge für die Wohnflächennachfrage abhängig von Dauer und Stärke des Konjunktureinbruchs (bei V- oder in Einzelfällen Mietstundung für einkommensschwache Haushalte U-läufigen Verlauf nur vorübergehend Anstieg der Mietausfälle und stagnierende Mietenentwicklung); Bei star- Mietwohnungen + ker Rezession zunehmende Mietausfallrisiken und rückläufige Mietpreisentwicklung bei rückläufiger Neubau- Zeitnah keine starken Effekte durch zunehmende Unsicherheit und Konjunktureinbruch zu erwarten tätigkeit; langfristig steigende Mieterquote denkbar; aus Investmentperspektive eher Gewinner in unsicheren Büro 0 rückläufige Personalentwicklung tritt erst zeitverzögert auf Zeiten; Profiteur von künftiger Zinsentwicklung, Beleihbarkeit; „Fluchtassetklasse“; atomisierte Mieterstruktur kurzfristige Gefährdung bei in Kürze auslaufenden Mietverträgen und konjunkturanfälligen Branchen Folge für die Büroflächennachfrage abhängig von Dauer und Stärke des Konjunktureinbruchs (bei V- oder Regulatorische Einschränkungen bzgl. Belegung und Flexibilität der Arbeitsplatzwahl U-läufigen Konjunkturentwicklungen geringe Effekte auf Beschäftigtenentwicklung wissensintensiver Co-Working -- Gefahr aufgrund kurzer Mietvertragslaufzeiten; Rückgang des Tagesgeschäftes analog zu Hotels Büro 0 Dienstleistungen); ggf. Beschleunigung des Trends zu digitalen Arbeitsplatzlösungen und flexiblen Büro- Einbruch bei Meetingraumbuchungen und Events konzepten; stärkere Konzentration auf Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter Logistik Exponentieller Anstieg der Logistikflächennachfrage (v.a. für Güter des täglichen Bedarfs) ++ Trend zu flexibleren und ortsunabhängigen Arbeitsmodellen (Lerneffekte aus der erzwungenen Home Office Last Mile Logistik stark nachgefragt Co-Working + Phase); Nutzen der höheren Flexibilität bzgl. Mietvertragslaufzeiten Light Industrial Mögliche Beeinträchtigung oder Einstellung der Produktion durch Konjunktureinbruch und 0 Steigende Relevanz infolge des zunehmenden Onlinehandels und Erhöhung von Lagerbeständen (als Lern- unterbrochene Lieferketten effekt aus Lieferengpässen); jedoch Gefahr bei Logistikflächen für verarbeitendes Gewerbe und bei länger- „Gewinner“ der Corona-Pandemie; Basisversorgung der physiologischen Grund- und Existenzbedürfnisse, Logistik + fristiger Unterbrechung der Lieferketten; Beschleunigung des Einsatzes von Automatisierung und Robotern Nahversorgung +++ v.a. des Lebensmitteleinzelhandels; Ausweitung der Ladenöffnungszeiten und starke Frequenzen (Reduzierung der Abhängigkeit von Arbeitskräften) In Deutschland in Aufschwung begriffene und noch unterallokierte Assetklasse, die von einer Umallokierung Highstreet -- Umsatzausfall durch Schließung; kurzfristig Mietminderungsforderungen bzw. Mietstundung Light Industrial + innerhalb der Assetklasse profitieren könnte; Wirkung des Konjunktureinbruches auf verarbeitendes Gewerbe entscheidend für Wertentwicklung Gastronomie Umsatzausfall durch Schließung bzw. eingeschränkte Öffnungszeiten; -- Normalisierung der Nachfrage und des Einkaufsverhaltens kurzfristig Mietminderungsforderungen bzw. Mietstundung Nahversorgung + Highstreet - Nachholeffekte, aber Rückgang der Passantenfrequenzen und weitere Verlagerung der Umsätze zum Onlinehandel Fitnessstudios -- Umsatzausfall durch Schließung; kurzfristig Mietminderungsforderungen bzw. Mietstundung Gastronomie + Entwicklung des Tourismus und Geschäftsreisetätigkeit entscheidend für mittel- und langfristige Entwicklung Umsatzeinbußen durch eingeschränkte Reisetätigkeit und Schließungen im Handel und Freizeitbereich; Parken - Fitnessstudios + Normalisierung; Gesundheitstrend hält an kurzfristig Mietminderungsforderungen bzw. Mietstundung; hohe Stellplatznachfrage im Umfeld von Krankenhäusern Parken + Mittelfristig Anstieg des MIV möglich (Meidung von überfülltem ÖPNV) *++ sehr positiv | + positiv | 0 neutral | - negativ | -- sehr negativ *++ sehr positiv | + positiv | 0 neutral | - negativ | -- sehr negativ Hotel und Gastronomie weiteren Konsolidierung der Branche zu rechnen. Die Einzelhandel gleichermaßen stark betroffen. mehr als acht Wochen könne der Einzelhandel nicht großen internationalen Reiseziele, wie beispielsweise überbrücken. Besonders betroffen sind Retailer mit Kurzfristig am stärksten betroffen sind die Branchen, New York oder Paris sind langfristig vermutlich stär- Die verordneten Ladenschließungen sorgten nach An- niedrigen Gewinnmargen. Kurzfristig kommt es daher die unmittelbar vom Tourismus abhängen, vor allem ker betroffen als inländische Reisemärkte, die nach gaben des Handelsverbandes (HDE) bereits in der ers- zu Mietminderungsforderungen oder Mietstundung. Hotels, Serviced Apartments, Restaurants, Freizeit- Aufhebung der Restriktionen von einem Trend zu re- ten Monatshälfte für Umsatzeinbußen in Höhe von rund und Messeveranstalter. Besonders einschneidend ist gionalen statt internationalen Reisezielen („staycation“ 1,15 Mrd. Euro pro Tag. Mit dem Maßnahmenpaket des Insolvente Unternehmen fallen schließlich auch in Zu- die Entwicklung der letzten Tage und Wochen für die statt „vacation“) profitieren könnten (JLL 2020). Nach Bundes vom 16.03.2020 dürfte die Summe noch deut- kunft als Gewerbemieter aus. Insgesamt dürfte es Hotellerie. In den Messestädten bleiben Geschäftsrei- überstandener Krise könnte zwar mit einem gewissen lich höher ausfallen, sodass inzwischen – ohne Online- damit schon mittelfristig weniger Nachrücker für frei- sende schon seit Anfang März weg, mit dem verordne- Nachholeffekt gerechnet werden – Experten gehen geschäft – die Umsätze auf Null zurückgegangen sind. werdende Flächen geben als bisher. Langfristig kann ten Reiseverbot folgen nun auch die privaten Reisen- dennoch davon aus, dass Investitionen in Hotels ver- Der Shutdown wird den stationären Modehandel schon mit Nachholeffekten gerechnet werden, jedoch wer- den. Mehr als 80 Prozent der Hoteliers in Deutschland schoben und Standorte neu bewertet werden müssen. im März fast die Hälfte des Umsatzes kosten, bis zum den die Passantenfrequenzen zumindest mittelfristig berichteten bereits vor dem Reiseverbot von Umsatz- Frühere Rezessionen oder Ereignisse (beispielsweise 20. März lagen die Umsätze durchschnittlich 42 Pro- zunächst zurückgehen. Die Krise wird vermutlich den einbußen (BayernLB 2020). Die weitere Ausbreitung Streiks oder Terroranschläge) zeigen, dass die Rück- zent unter dem Vorjahr (TextilWirtschaft). In den Läden Trend zur Verlagerung der Umsätze zum Onlinehandel des Virus‘ und die Maßnahmen zu dessen Eindämmung kehr zur Normalität oft langwierig ist und insbesondere hängt saisonale Ware, die nicht verkauft werden kann, und zu flexiblen Omni-Channel-Einzelhandelsmodel- verschärfen die Situation zunehmend und könnten für die Destinationen, die als Epizentren des Ausbruchs aber trotzdem bezahlt werden muss – dabei bindet die len weiter beschleunigen ("Social Distancing"). Wenn einige, insbesondere kleinere Betreiber bereits kurz- galten oder zu spät und ineffektiv reagierten, länger als Frühjahresmode nicht selten Anschaffungs- und Lie- sich die Lage zum Ende des Jahres verbessert, was fristig existenzbedrohend werden. Die Verfügungen zu andere mit den Nachwirkungen zu kämpfen haben. ferkosten im fünfstelligen Bereich. Hinzu kommen die eine Verlangsamung der Virusverbreitung ab Mitte des Betriebsschließungen in den einzelnen Bundesländern laufenden Fixkosten, monatliche Ausgaben für Perso- Jahres impliziert, könnte das Weihnachtsgeschäft die sind bisher nicht einheitlich. Der Betrieb von Hotels Highstreet nal, Mieten und Unterhaltung in bis zu sechsstelliger finanziellen Auswirkungen der Krise zumindest etwas und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu Höhe. Zahlreiche Unternehmen haben bereits Kurz- minimieren. privaten touristischen Zwecken ist jedoch mittlerweile Der ifo Geschäftsklimaindikator (März 2020) im Han- arbeit angemeldet. Insbesondere die Existenz kleine- bundesweit vorübergehend untersagt. del ist zuletzt massiv eingebrochen. Die Erwartungen rer Einzelhändler in der Textilbranche ist besonders Nahversorgung stürzten auf den niedrigsten Wert seit der Wiederverei- gefährdet. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth Vor allem dann, wenn die Epidemie über den Som- nigung und auch die aktuelle Lage schätzten die Unter- prognostiziert, dass es bereits in drei bis vier Wochen Der Lebensmitteleinzelhandel und Nahversorger profi- mer hinaus anhält, ist mittel- bis langfristig mit einer nehmen merklich schlechter ein. Dabei sind Groß- und zu Insolvenzen kommen wird – einen Lockdown von tieren kurzfristig von ihrer Funktion als Basisversorger 14 FOCUS 33 E F F E K T E D E R C O R O N A- K R I S E A U F I M M O B I L I E N T E I L M Ä R K T E 15
der physiologischen Grund- und Existenzbedürfnisse. Mittel- und langfristig werden sich Nachfrage und Ein- zusätzlichen regionalen Nachfrage nach Logistikflä- der Grundversorgung kurzfristig gesonderte Parktarife Im Lebensmitteleinzelhandel ist das ifo Geschäfts- kaufsverhalten nach der Corona-Krise normalisieren. chen, gleichzeitig aber auch zu einer verringerten Nach- oder kostenloses Parken innerhalb der städtischen klima im März gestiegen. Damit ist diese Branche eine Eine Anpassung der internationalen Lieferketten und frage beispielsweise an Containerhäfen führen kann Parkhäuser an. der ganz wenigen mit positiver Entwicklung. Die Ein- eine Rückbesinnung auf den deutschen bzw. regiona- (Realogis 2020, JLL 2020). Bei einer längerfristigen schätzungen zur aktuellen Lage verbesserten sich auf len Markt könnte erfolgen, um die Abhängigkeit von Unterbrechung der Lieferketten und einer daraus resul- Auch mittelfristig werden viele Fahrgäste aufgrund des den höchsten jemals gemessenen Wert seit 1972. einzelnen internationalen Märkten zu reduzieren und tierenden Veränderung der Produktionsstruktur sind erhöhten Ansteckungsrisikos im Nahverkehr und der dadurch die Auswirkungen ähnlicher Ereignisse in Zu- jedoch vor allem Logistikflächen für das verarbeitende damit verbundenen Unsicherheit weiterhin zunächst Um die gestiegene Nachfrage und die starken Frequen- kunft möglichst gering zu halten. Gewerbe gefährdet. Um weitere Produktionsausfälle auf Fahrten mit dem Auto umsteigen („Social Distan- zen (bei gleichzeitigen Mindestabstandsregelungen) in Zukunft zu vermeiden, könnten sich Unternehmen cing“). Werden die verordneten Ladenschließungen bedienen zu können, wurden kurzfristig die Ladenöff- Logistik und Light Industrial auch dazu entschließen, ihre Lagerbestände langfristig aufgehoben und die Home-Office-Phase beendet, wird nungszeiten erweitert, zusätzliches Personal und Leih- zu erhöhen, was sich wiederum positiv auf die Nachfra- mit einer wieder zunehmenden Auslastung von Stell- arbeiter eingesetzt und Sonderschichten gefahren. Entsprechend der kurzfristig veränderten Nachfrage ge nach Lagerflächen auswirken würde. Auch die durch plätzen im innerstädtischen Bereich gerechnet. Wenn Durch die Aufhebung des Sonntagsfahrverbotes für und Konsummuster steigt die Nachfrage nach Logis- die Krise denkbare Beschleunigung des Einsatzes von die Reisebeschränkungen aufgehoben werden und Lkw sind Logistik sowie An- und Auslieferung auch am tikflächen, insbesondere für Güter des täglichen Be- Automatisierung und Robotern zur Reduzierung der entsprechend der Flugverkehr wieder aufgenommen Wochenende möglich. Kurzfristig kommt es möglicher- darfs, gerade exponentiell an. Durch die Schließungen Abhängigkeit von Arbeitskräften könnte die Logistik- wird, wird entsprechend auch die Auslastung der Park- weise für einzelne Produkte zu Lieferengpässen. Bis- des stationären Einzelhandels und Restaurants sind flächennachfrage, insbesondere nach hochautomati- häuser in Flughafennähe wieder zunehmen. her planen die meisten Lebensmittelhändler vorläufig Onlinehandel und Heimlieferungen von Essen und Le- sierten und technologisierten Gebäuden, beeinflussen keine Ausweitung der Geschäftszeiten auf Sonntag, bensmitteln sprunghaft gewachsen, sodass insbeson- (JLL 2020). Die in Deutschland im Aufschwung begrif- Co-Working um die Belastung der Mitarbeiter nicht noch weiter zu dere die Last-Mile-Logistik derzeit stark nachgefragt fene, aber bisher noch unterallokierte Assetklasse verschärfen. Aufgrund der Verschiebung der inter- ist. Das Fachmagazin Lebensmittel Praxis berichtet, Light Industrial könnte von einer Umschichtung profi- Anbieter flexibler Co-Working-Spaces erfahren die nationalen Lieferketten werden aktuell Risikomonito- dass in der letzten Woche 40 Prozent mehr Ware als im tieren. Entscheidend für die Wertentwicklung ist auch Folgen der Corona-Krise derzeit anhand der deut- rings durchgeführt, insbesondere mit Fokus auf Italien Vorjahreszeitraum ausgeliefert wurde. Die Steigerung hier die Dauer und Wirkung des Konjunktureinbruches lich geringeren Auslastung und regulatorischen Ein- (Lebensmittel wie Obst, Wurst, Milchprodukte, Wein dürfte sich zum größten Teil auf haltbare Lebensmittel, auf das verarbeitende Gewerbe. schränkungen bezüglich Belegung und Flexibilität der und Olivenöl, aber auch Bekleidung und Kfz-Teile) und Konserven und Toilettenpapier beziehen, also nicht auf Arbeitsplatzwahl. Als Reaktion auf die geltenden Hy- China (vor allem Elektrowaren, Zubehör und Textilien). das gesamte bevorratete Sortiment. Dadurch ist auch Parken gienerichtlinien öffnen einige Betreiber nur noch für die Nachfrage nach Flächen für Lieferdienste und für neue Verteil- und Versandzentren zuletzt stark ange- Durch die verordneten Schließungen im Einzelhandel stiegen. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) stellte und der Gastronomie ist die innerstädtische Passan- zuletzt eine sprunghaft gestiegene Nachfrage von ei- tenfrequenz in vielen Städten um mehr als 80 Prozent ner Million Quadratmetern Lagerflächen innerhalb von gesunken. Da es im ÖPNV zu engem Kontakt und damit drei Tagen fest, hauptsächlich aus dem Lebensmittel- zu einem erhöhten Ansteckungsrisiko kommt, steigen einzelhandel und dem Medizinbereich. Um die Lage zu viele Fahrgäste auf Fahrten mit dem Auto um, sodass entspannen, überlassen einige Logistikentwickler und der Nahverkehr einen Rückgang der Fahrgastzahlen Industrieunternehmen den Händlern kurzfristig Lager- von 40 bis 80 Prozent im Vergleich zu der Normalaus- flächen, die langfristig vermietet werden sollten. lastung verzeichnet. Der TomTom Traffic Index zeigt dennoch, dass das Staulevel der vergangenen Tage Gleichzeitig erhöht sich der Einlagerungsbedarf für deutlich unter dem Jahresdurchschnitt liegt und auch Güter des täglichen Bedarfs und für Ersatz- und Pro- die Staubildungen in den Hauptverkehrszeiten ausblei- duktionsteile ebenfalls schon kurzfristig. Insbesondere ben. Insgesamt nimmt der motorisierte Individualver- in der Konsumgüterindustrie kommt es zu Beeinträch- kehr damit von Tag zu Tag ab. Den stärksten Rückgang tigungen oder Einstellung der Produktion durch den auf 22 Prozent des üblichen Verkehrsaufkommens Last-Mile-Logistik – Onlinehandel und Konjunktureinbruch und unterbrochene Lieferketten. gab es in München, wo strengere Beschränkungen Heimlieferungen Der Containerumschlag-Index des Leibniz-Instituts gelten als etwa in Berlin oder Hamburg. Entsprechend 40% für Wirtschaftsforschung und des Instituts für See- kommt es zu einer geringeren Auslastung von On- und verkehrswirtschaft und Logistik ist nach einer aktuel- Off-Street Stellplätzen in den Innenstädten. Durch die len Schnellschätzung im Februar um 10,9 Punkte ab- Ausgangsbeschränkungen und die Verschärfung der gestürzt. Treibende Kraft der Entwicklung waren die Ein- und Ausreisebestimmung vieler Staaten ist zu- chinesischen Häfen, aber auch die Häfen an der West- dem ein deutlicher Rückgang der Reisenden zu ver- küste der USA schlugen deutlich weniger Container um zeichnen, wodurch insbesondere Parkhäuser an Ver- (dvz 2020). kehrsknotenpunkten kurzfristig besonders betroffen sind. Anders sieht es beim Anwohnerparken aus, dort mehr Essen und Lebensmittel als im Aufgrund der Veränderung der internationalen Lie- ist die Parksituation derzeit oftmals angespannter als Vorjahreszeitraum wurden in der KW 12 ferketten ist eine Rückbesinnung auf den deutschen üblich. Viele Städte bieten zur Reduzierung des Anste- ausgeliefert Markt bereits zu erkennen, was mittelfristig zu einer ckungsrisikos in Bus und Bahn sowie zur Unterstützung 16 FOCUS 33 E F F E K T E D E R C O R O N A- K R I S E A U F I M M O B I L I E N T E I L M Ä R K T E 17
Tab. 04 verschoben werden. Damit sind zwar Flächen mit zeit- vorübergehend die Zuwanderungen aus dem Ausland. Effekte der Corona-Krise auf die Beschäftigung nah auslaufenden Mietverträgen wie auch konjunktur- Auf der Angebotsseite bremst die Corona-Krise den anfällige Branchen tendenziell gefährdet, generell sind Wohnungsbau. Immer mehr Baustellen geraten ins kurzfristig jedoch keine starken Effekte durch einen Stocken, weil Material, Genehmigungen und auslän- Konjunktureinbruch zu erwarten. Etwaige rückläufige dische Arbeiter fehlen bzw. Baustellen aufgrund von Beschäftigungsabbau nach Dauer des Shutdowns in Tagen Personalentwicklungen werden erst zeitverzögert auf Infektionsfällen geschlossen werden. Auch beim Ver- Sozialversicherungspflichtige Geringfügige Beschäftigung* dem Büroflächenmarkt spürbar und durch den bisheri- kauf von Wohnungen mache sich die Krise bemerkbar, Beschäftigung gen Nachfrageüberhang zunächst kompensiert. indem viele Käufer ihre Reservierungen stornieren und Annahmen: 1 Monat 2 Monate 3 Monate 1 Monat 2 Monate 3 Monate derzeit keine Notartermine stattfinden. Wertschöpfungs- Die mittel- und langfristigen Folgen für die Büroflächen- 190 570 950 290 490 680 rückgang: 40%; nachfrage sind abhängig von der Dauer und Stärke des Mittelfristig könnten bei starker Rezession (L-Verlauf) Post-Shutdown- Konjunktureinbruchs und der damit verbundenen Be- infolge sinkender Einkommen, höherer Arbeitslosig- Phase: 1 Monat schäftigtenentwicklung. Bei einer V- oder U-läufigen keit und Kurzarbeit die Mietausfallrisiken deutlich zu- Wertschöpfungs- 230 680 1.130 330 550 780 Konjunkturentwicklungen sind nur geringe Effekte auf nehmen, womit auch der Druck auf Mieten und Preise rückgang: 50%; die Beschäftigtenentwicklung, insbesondere in Bran- sich verstärken könnte. Vermietungszeiten könnten Post-Shutdown- Phase: 1 Monat chen wissensintensiver Dienstleistungen, zu befürch- sich verlängern, die Zahlungsbereitschaft würde sich ten. Das IAB geht davon aus, dass der Arbeitsmarkt tendenziell verringern. Entscheidend dafür ist die Dau- Wertschöpfungs- 280 760 1.510 340 190 680 Je nach Intensität insgesamt relativ robust bleiben kann, wenn die Coro- er des wirtschaftlichen Shutdowns und der davon ab- rückgang: 40%; Post-Shutdown- und Dauer des na-Ausbreitung nur einen vorübergehenden Effekt in hängige Anstieg der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit. Phase: 2 Monate der Wirtschaftstätigkeit zur Folge hat. Im Falle länger- Je nach Intensität und Dauer wird ein Beschäftigungs- Shutdowns droht fristiger Ausfälle und einer entsprechenden Normali- abbau um 160 Tsd. bis zu 1,8 Mio. prognostiziert. Wertschöpfungs- 340 910 1.810 390 610 780 rückgang: 50%; ein Beschäftigungs- sierung erst bis zum Jahresende könnte der Rückgang Post-Shutdown- der Erwerbstätigkeit allerdings stärker ausfallen. Hier- Langfristig würde sich die Rezession schließlich auch Phase: 2 Monate abbau von 190.000 bei spielt wieder die Intensität des Shutdowns und die auf die Bautätigkeit auswirken. Eine rückläufiger Neu- *Gesamte geringfügige Beschäftigung (ausschließlich geringfügig und im Nebenjob) bis über 1,8 Mio. Dauer der Post-Shutdown-Phase die entscheidende bautätigkeit privater Investoren und eine höhere Re- Quelle: Berechnungen des ifo Instituts (März 2020) Rolle (Tab. 04). levanz kommunaler Bestände wäre denkbar, wodurch auf der Angebotsseite bei wieder zunehmender Zu- Als Folge der Corona-Krise ist außerdem eine Verän- wanderung Engpässe auftreten könnten. Auf lange derung der Nachfrage hin zu digitalen Arbeitsplatz- Sicht könnte sich der Anteil der Mieterhaushalte in lösungen und flexibleren Bürokonzepten sowie eine Deutschland durch die hohe zunehmende ökonomi- Bestandsmieter mit festen Arbeitsplätzen. Analog zu mieverlauf zu rechnen (Savills 2020). Ebenso denkbar stärkere Konzentration auf Gesundheit und Wohlbefin- sche Unsicherheit und die fehlenden finanziellen Mit- den Entwicklungen im Hotel- und Veranstaltungssek- ist allerdings auch eine Verlagerung zu flexiblen Büro- den der Mitarbeiter denkbar. tel erhöhen. Ob Eigentum oder Miete, auch zukünftig tor haben die Restriktionen zu einem Rückgang bzw. konzepten in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, wovon wird sich die Nachfrage auf Metropolregionen konzent- vollständigen Erliegen des Tagesgeschäftes und einem die Branche mittelfristig profitieren könnte. Langfristig Wohnungsmarkt rieren, die auch in der Vergangenheit konjunkturunab- Einbruch der Meetingraumbuchungen und Events, die könnten die Lerneffekte aus der derzeitigen unfreiwil- hängig Menschen anziehen konnten. bei vielen Betreibern 40 bis 50 Prozent des Umsatzes ligen Home-Office-Phase die Etablierung flexibler und Kurzfristig sind im Wohnungssegment infolge der zeit- ausmachen, geführt. In einzelnen Fällen entstehen neue ortsunabhängiger Arbeitsmodelle weiter antreiben. verzögerten Wirkung des Konjunktureinbruchs auf Bautätigkeit Buchungen, wenn Unternehmen, in denen Home Office Durch die hohe Flexibilität im Hinblick auf die Miet- Einkommen und Beschäftigung etc. nur geringe Ein- nicht für alle möglich ist, einzelne Teams auf mehre- vertragslaufzeiten erleiden die Betreiber kurzfristig flüsse auf die Mietausfallwahrscheinlichkeit zu er- Die Corona-Krise sorgt sektorenübergreifend für re Standorte verteilen, um das Risiko zu minimieren. zwar einen Einbruch, könnten langfristig jedoch einen warten. Dennoch könnte es für einige Arbeitnehmer Verzögerungen auf Baustellen und bei notwendigen Außerdem verlängern aktuell einzelne Mieter ihre Ver- Nutzen aus der veränderten Büroflächennachfrage knapp werden, etwa wenn ihr Einkommen durch Kurz- Verfahren. Kurzfristig geraten immer mehr Bauvorha- träge oder schließen neue ab, wenn beispielsweise auf- ziehen und als mögliche „Gewinner“ aus der Krise her- arbeitergeld um etwa 40 Prozent verringert wird. Mit ben ins Stocken, weil Kommunen wichtige Entschei- grund von Bauverzögerungen durch die Corona-Krise vorgehen. zunehmender Dauer der Krise werden Mietstundun- dungen ausgesetzt haben, Material, Genehmigungen neue Mietflächen nicht zum geplanten Termin bezogen gen für einkommensschwache Haushalte zunehmen. und ausländische Arbeiter fehlen bzw. Baustellen auf- werden können und kurzfristig Zwischenlösungen be- Büromarkt Das Mietenmoratorium der Bundesregierung sieht grund von Infektionsfällen geschlossen werden. Die nötigt werden. Die jetzt abgeschlossenen Mietverträge vor, dass Vermieter das Mietverhältnis nicht we- Engpässe bei Lieferketten werden zunehmend größer. sind jedoch hinsichtlich ihrer Vertragslaufzeit deutlich Auch im Dienstleistungssektor ist der ifo Geschäfts- gen Mietschulden (aus dem Zeitraum zwischen dem So fehlen etwa Fliesen, Türen und Fenster. In einer re- flexibler und kürzer (IZ 2020). klimaindikator (März 2020) so stark gefallen wie noch 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020) kündigen dürfen, präsentativen Befragung des BFW gehen Ende März nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2005. Dies sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der bereits die Hälfte der Befragten von einer Verschie- Zwar könnte die Entwicklung langfristig wirtschaftliche gilt sowohl für die Einschätzung der Geschäftslage als Covid-19-Pandemie beruhen. Die Wohnungsnachfrage bung um zwei bis drei Monate aus. Folgen für die Betreiber haben, wenn flexibel kündbare auch für die Erwartungen. Durch die zunehmende Un- wiederum wird infolge der zunehmenden Unsicherhei- Büroflächen die ersten sind, die Unternehmen in einer sicherheit ob der wirtschaftlichen Folgen der Corona- ten kurzfristig stark einbrechen. Die Menschen warten Da die Bauinvestitionen und das Bauvolumen lang- Rezession abbauen. Mit existenzbedrohenden Ausma- Krise verhalten sich Büromieter bereits kurzfristig erst die weitere Entwicklung ab, bevor sie umziehen. fristig an die Entwicklung des BIP gekoppelt sind, ßen ist jedoch nur bei einem langanhaltenden Epide- zögerlicher am Markt, sodass Neuanmietungen Zusätzlich entfallen infolge der Grenzschließungen werden je nach Intensität und Dauer der Corona- 18 FOCUS 33 E F F E K T E D E R C O R O N A- K R I S E A U F I M M O B I L I E N T E I L M Ä R K T E 19
Krise die Fertigstellungszahlen zeitversetzt schrump- wirken, beispielsweise ein rückläufiger Anteil an Ein- bis Oktober 2022 nicht zur Kündigung des Mieters fen. Bei einem U-förmigen Konjunkturverlauf wird nur zelhandels- und Hotelimmobilien bei gleichzeitigem führen. Der Zusammenhang zwischen der Corona- ein leichter Rückgang der Bauinvestitionen und der Aufbau krisenresistenterer Assets. Letzteres trifft Pandemie und der Nichtzahlung ist vom Mieter im Bauleistung in 2020 um jeweils rund 0,5 Prozent erwar- insbesondere auf Wohnimmobilien mit vergleichswei- Einzelfall glaubhaft zu machen. Mit dieser Regelung tet (BauInfoConsult 2020). Die Umsatz- und Auftrags- se sichereren Mieteinnahmen zu, bei denen sich das werden Mieten nicht automatisch gestundet. Diese reserven aus der bisherigen Boomphase werden zu- Risiko zudem auf eine hohe Anzahl an Einzelmietver- können auch weiterhin eingeklagt und Mietsicherhei- nächst einen kompensierenden Effekt haben. Darüber trägen mit privaten Haushalten verteilt und Erfahrun- ten gezogen werden, lediglich das Kündigungsrecht hinaus handelt es sich beim Neubaumarkt um einen gen in der Finanzkrise eine gering bleibende Fluktua- wegen Zahlungsverzuges ist eingeschränkt. Diese Investitionsmarkt, in dem langfristige Überlegungen tion gezeigt haben. Hinzu kommt, dass während der Regelungen beziehen sich sowohl auf Wohn- als auch die Hauptrolle spielen und der weniger volatil als kurz- Shutdown-Phase Baufertigstellungen Verzögerungen Gewerbemietverträge. fristige Konsummärkte ausgeprägt ist. Entsprechend erfahren werden, was die Preise stabilisiert. ist auch der ifo Geschäftsklimaindex im Bauhauptge- Parallel hat der Bundestag einem durch neue Schul- werbe vergleichsweise moderat gesunken. Ein länger Auch in dieser Krise dürften zumindest die krisenre- den finanzierten Nachtragshaushalt in Höhe von 156 anhaltender, intensiverer Ausbruch des Coronavirus‘ sistenteren Teile des Immobilienmarktes wieder als Milliarden Euro zugestimmt. Hinzu kommen mehrere mit länger anhaltender Rezession würde allerdings die relativ sicherer Anlagehafen betrachtet werden, auch Gesetze mit Milliardenhilfen für Firmen, Selbststän- Aussichten beträchtlich eintrüben. Ein deutlicher Ein- wenn die angefangene Entschleunigung der Preisent- dige, Beschäftigte, Eltern und Krankenhäuser. Den bruch der Baugenehmigungen und zeitverzögert der wicklung weiter anhalten wird. Dazu trägt auch die größten Anteil hat ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds Fertigstellungszahlen wären die Folge, weshalb mittel- hohe Wahrscheinlichkeit einer Fortsetzung der Nied- (WSF), der auch staatliche Beteiligungen an Unterneh- fristig nach der wirtschaftlichen Erholung wieder An- rigzinsphase in diesem wirtschaftlichen Umfeld bei. men sowie Garantien für Firmen ermöglicht. Die So- gebotsknappheiten zunehmen dürften. Insbesondere das beschlossene Notkaufprogramm forthilfeprogramme können dazu beitragen, das Miet- der EZB für Anleihen („Pandemic Emergency Purchase ausfallrisiko zumindest kurzfristig zu reduzieren und Investment Programme“ (PEPP)) in Höhe von 750 Milliarden Euro damit die laufenden Mieteinnahmen in Immobilien- und das drohende Wiederaufflammen der Euroschul- anlagen zu stabilisieren. Derzeit verursacht die Unsicherheit über den Verlauf denkrise werden mittelfristig wohl auch die Finanzie- und die Auswirkungen der Corona-Krise eine starke rungskosten auf den Immobilienmärkten niedrig hal- Volatilität über fast alle Anlageklassen hinweg. Die ten. Bei einer längeren Shutdown-Phase mit L-Verlauf Auswirkungen auf den Immobilienmarkt sind noch ver- der Konjunktur könnte sich jedoch das Transaktions- gleichsweise gering und werden erst zeitlich verzögert volumen deutlich reduzieren, weil Banken ihre Kredit- 53% auftreten, da Immobilien im Gegensatz zu anderen An- konditionen dann neu justieren müssen. Natürlich wer- lageklassen nicht von heute auf morgen gekauft oder den die Garantien der Regierung hier helfen, die akut verkauft werden können. Aktuell verzögern sich aller- heftigsten Anpassungen zu dämpfen. Allerdings wären dings bereits Transaktionen aufgrund der Reisebe- in diesem Fall eine zunehmend eingeschränkte Kredit- schränkungen sowie der erhöhten Unsicherheiten, u.a. vergabe, hohe Liquiditätsaufschläge und strengere bzgl. der weiteren Nachfrage, Mieten- und Preisent- Finanzierungsbedingungen (höherer EK-Anteil, Ver- wicklung. Der Transaktionsmarkt wird entsprechend mietungsquote etc.) höchst wahrscheinlich. der befragten Investoren legen ihre Deals erst einmal über die Dauer der Krise mehr oder weniger zum Still- auf Eis oder steigen aus dem laufenden Verfahren stand kommen und Investoren geplante Transaktionen komplett aus (Evic 26. März 2020) vertagen. Auch die Immobilienfinanzierer treten auf Corona-Notpaket der Bundesregierung die Bremse. So ist auch das Immobilientransaktions- volumen in Asien in den ersten Wochen 2020 um etwa Am 25.03.2020 wurde das Gesetz zur Abmilderung 50 Prozent gegenüber den Vorjahren eingebrochen. der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insol- venz- und Strafverfahrensrecht im Bundestag verab- Die aktuellen Verwerfungen an den Finanzmärkten mit schiedet, zwei Tage später soll der Bundesrat dieses Kursrutschen an den Börsen haben darüber hinaus abschließend absegnen. Für die Immobilienbranche einen Anstieg der Immobilienquote vieler institutio- sind vor allem die Regelungen zu Mietverträgen neller Anleger bewirkt. Auch das könnte zunächst mal relevant. eine abwartende Haltung bei den Investoren auslösen. Gegen einen länger anhaltenden Einbruch des Invest- Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Mietern, die auf- mentvolumens spricht die weiterhin hohe Attraktivität grund der Auswirkungen von COVID-19 ihre Miete im der Immobilienanlage gegenüber Alternativanlagen. Zeitraum von April bis Juni 2020 ganz oder teilwei- Zusätzlich gelten Immobilien vor allem in Krisenzeiten se nicht zahlen können, nicht gekündigt werden darf. als wertbeständiges, sicheres Sachwerteinvestment. Mieter haben bis Ende September 2022 Zeit, die in Nichtsdestotrotz könnte die Corona-Krise mittelfris- diesem Zeitraum nicht gezahlte Miete nachzuzahlen. tig eine Neuausrichtung der Immobilienportfolien be- Der sechsmonatige Zahlungsrückstand kann also 20 FOCUS 33 E F F E K T E D E R C O R O N A- K R I S E A U F I M M O B I L I E N T E I L M Ä R K T E 21
Kurz & knapp Eine Rezession in diesem Jahr ist nicht mehr zu vermei- nur geringe Einflüsse auf die Mietausfallwahrscheinlich- den, wobei sich angesichts der sich täglich verändern- keit zu erwarten. Mit zunehmender Dauer der Krise wer- den Lage nur sehr schwer einschätzen lässt, wie stark den Mietstundungen jedoch zunehmen und auch die diese ausfallen wird. Als wahrscheinlichste Rezessions- Wohnungsnachfrage wird infolge stark abnehmender entwick-lungen werden derzeit der sogenannte U- und Wanderungsintensität und zunehmender Unsicherhei- L-Verlauf diskutiert. Sollte die Pandemie sich in den ten zeitnah stark einbrechen. nächsten Wochen abflauen, dürfte sich die Wirtschaft schnell wieder erholen (U-Szenario). Auf den Einbruch Vor allem bei einem L-förmigen Verlauf der Krise ist in folgt durch Nachholeffekte eine starke Gegenbewe- den Sektoren Hotel und Gastronomie sowie Einzelhan- gung im dritten und vierten Quartal, sodass das BIP del durch Insolvenzen mittel- bis langfristig mit einer 2020 insgesamt nur geringfügig schrumpfen würde. weiteren Konsolidierung zu rechnen. Im Einzelhandel Auch die Arbeitsmarktentwicklung bliebe relativ robust. wird die Verlagerung der Umsätze zum Onlinehandel Das L-Szenario geht von einer mehrmonatigen Shut- vermutlich weiter beschleunigt. Im Logistiksektor ist down-Phase mit einem schwerwiegenden Schaden durch das zunehmende Onlinegeschäft, die Erhöhung für die deutsche Wirtschaft aus. Damit verlängert sich von Lagerbeständen (als Lerneffekt aus Lieferengpäs- die Zeit, die benötigt wird, um wieder zu einem Normal- sen) und eine mögliche Rückbesinnung auf regionale niveau wirtschaftlicher Aktivität zurückzukehren. Eine Märkte eine deutliche Veränderung des Marktumfeldes positive Gegenbewegung in Form von Nachholeffekten denkbar. Insbesondere der zuvor im Aufschwung begrif- wie im ersten Szenario bliebe aus. Stark einbrechende fene Light-Industrial-Sektor könnte von einer entspre- Geschäftserwartungen hätten deutlich negativen Aus- chenden Umschichtung innerhalb der Assetklasse pro- wirkungen auf die Beschäftigtenentwicklung. Welcher fitieren. Auch hier sind Dauer, Stärke und Wirkung des der beiden Konjunkturverläufe eintreten wird, hängt vor Konjunktureinbruches auf das verarbeitende Gewerbe allem an der Dauer und Intensität der Shutdown-Phase entscheidend für die Wertentwicklung. Gleiches gilt für und der darauffolgenden Post-Shutdown-Phase. die Büroflächennachfrage und den Wohnungsmarkt. Die branchenübergreifende unfreiwillige Home-Office- Für die Bau- und Immobilienwirtschaft erwarten Kon- Phase könnte den Trend zu digitalen Arbeitsplatzlösun- junkturforscher zunächst einen etwas weniger starken gen und flexiblen Bürokonzepten beschleunigen. Bei Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, denn laufende einer starken Rezession drohen im Wohnungssegment Projekte müssen zu Ende geführt, Dienstleistungen wie zunehmende Mietausfallrisiken und eine rückläufige Hausverwaltung und Facility-Management trotz Coro- Mietpreisentwicklung. Langfristig würde sich die Rezes- na weiterhin erbracht werden. Die Folgen für Immobili- sion schließlich auch auf die Bautätigkeit auswirken. enmärkte werden aufgrund ihrer Trägheit erst langsam und mit zum Teil erheblicher zeitlicher Verzögerung Die Unsicherheit über den Verlauf und die Auswirkungen sichtbar. der Corona-Krise verursacht zwar eine starke Volatilität über fast alle Anlageklassen hinweg. Die Auswirkungen Kurzfristig massiv betroffen sind vor allem die Sektoren auf den Immobilienmarkt sind jedoch noch vergleichs- Hotel und Gastronomie und der Einzelhandel. Durch weise gering und werden erst zeitlich verzögert auf- Mit der Corona-Krise gerät Deutschland in eine komplexe Wirtschafts- Schließungen und eingeschränkte Öffnungszeiten treten, auch wenn aktuell Transaktionen aufgrund der krise, deren Dimensionen derzeit noch unklar sind. Der kritische Faktor kommt es zu totalen Umsatzausfällen, sodass kurzfris- Unsicherheit und Restriktionen bereits vertagt werden. tig mit Mietminderungsforderungen bzw. Mietstundung Nur bei einer längeren Shutdown-Phase könnte sich bei der Abschätzung der wirtschaftlichen Effekte ist der weitere Pande- zu rechnen ist. Nahversorger sind derzeit die wirtschaft- das Transaktionsvolumen infolge sinkender Mieten und mieverlauf, der die Dauer und Intensität der Stilllegung der deutschen lichen „Gewinner“ der Corona-Krise. Entsprechend ist Kaufpreise, einer zunehmend eingeschränkten Kredit- auch im Logistiksektor kurzfristig ein exponentieller vergabe, hoher Liquiditätsaufschläge und strengerer Wirtschaft bestimmt. Für die Bau- und Immobilienwirtschaft wird, im Anstieg der Nachfrage nach Lagerflächen für Güter des Finanzierungsbedingungen deutlich reduzieren. Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen, insgesamt ein etwas weniger täglichen Bedarfs bzw. Last-Mile-Logistik festzustel- len. In der Konsumgüterindustrie kommt es durch den Gegen einen länger anhaltenden Einbruch des Invest- starker Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität erwartet. Wenngleich Konjunktureinbruch und unterbrochene Lieferketten mentvolumens spricht generell die relative Attraktivität die Folgen für die Immobilienmärkte aufgrund ihrer Trägheit erst lang- gleichzeitig zu Beeinträchtigungen oder Einstellung der und Wertbeständigkeit der Immobilienanlage gegen- Produktion. Auf dem Büroflächenmarkt sind Flächen über Alternativanlagen sowie die weiterhin günstigen Fi- sam und mit zum Teil erheblicher zeitlicher Verzögerung sichtbar mit zeitnah auslaufenden Mietverträgen wie auch kon- nanzierungskosten. Allerdings könnte die Corona-Krise werden, werden kurz-, mittel- und langfristig ganz unterschiedliche junkturanfällige Branchen bereits kurzfristig tendenziell mittelfristig eine Neuausrichtung der Immobilienportfo- gefährdet. Auch Anbieter flexibler Co-Working-Spaces lien bewirken. So könnten systemrelevante bzw. krisen- Auswirkungen auf die verschiedenen Sektoren sowie auf die Vermie- verzeichnen Einbrüche insbesondere im Tages- und festere Assets wie Wohnimmobilien, Supermärkte oder tungs- und Investmentmärkte erwartet. Eventgeschäft. Im Wohnungssegment sind kurzfristig Gesundheitsimmobilien an Relevanz gewinnen. 22 FOCUS 33 KURZ & KNAPP 23
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