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Editorial Inhalt 3 Tipps & Tools 4 Schwerpunkt Corona und Reha COVID-19: eine Pandemie Prof. Dr. Helga Seel mit Langzeitfolgen Geschäftsführerin der BAR 6 Corona – und jetzt? Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf den Beratungsalltag Liebe Leserin und lieber Leser, 8 Wie die Beruflichen Trainings- in ungewöhnlichen Zeiten, wie in der aktuellen Krise, zeigt sich, wie zentren (BTZ) der Pandemie trotzen eine Gesellschaft funktioniert. Die COVID-19-Pandemie schärft den 9 Interview: Kinder und Blick auf die Stärken und Schwächen unserer gesellschaftlichen Sys- Jugendliche unter Druck teme. Vieles steht auf dem Prüfstand, etwa in der Arbeitswelt und 10 Reha-Entwicklung im Gesundheitswesen. Die rehabilitative Versorgung in der Pandemie Interview: Corona-Krise stärkt ist auf vielfältige Weise betroffen. Die Zahl der angetretenen Reha- Stellenwert von Rehabilitation Maßnahmen ging im vergangenen Jahr zurück. Die Situation ist aus- 12 Recht gesprochen dynamisch und ein umfängliches Lagebild ist nur mit Entschädigung nur bei Vorbehalt möglich. Absehbar ist aber bereits jetzt, dass die COVID- nachgewiesenem Impfschaden – 19-Spätfolgen auch die Rehabilitation vor große Herausforderungen Soldatenversorgungsrecht stellen wird. Da das Corona-Virus neben der Lunge auch andere Or- gane wie Herz, Nieren, Leber und Gehirn befallen kann, ist das Spek- Impressum trum der Langzeitfolgen vielfältig. Viele Menschen, die von Corona Reha-Info der BAR, Heft 3, Juni 2021 genesen sind, werden in ihrer Teilhabe zumindest vorübergehend ein- Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft für geschränkt sein und Unterstützung benötigen. Rehabilitation (BAR) e. V., Solmsstr. 18, 60 486 Frankfurt am Main Das Ausmaß dieser Krankheitsfolgen erfordert ein hohes Maß an Verantwortlich für den Inhalt: medizinischem, therapeutischem und organisatorischem Einsatz. Prof. Dr. Helga Seel Einrichtungen der medizinischen und beruflichen Reha, Beratungs- Redaktion: Günter Thielgen (verantwortlich), Dr. Regina Ernst, Franziska Fink, Bernd Giraud, Dr. Teresia Widera stellen und Trainingszentren stehen mit an vorderster Front bei der Rechtsbeitrag: Dr. Thomas Stähler und Marcus Schian Bewältigung der Folgen der Pandemie und werden auch mittel- und Statistik: Dr. Teresia Widera, Christian Brand langfristig eine wichtige Rolle spielen. Telefon: 069/605018–0 E-Mail: info@bar-frankfurt.de Die Rehabilitation bietet Chancen und Möglichkeiten, Long-COVID- Internet: www.bar-frankfurt.de Patienten zu unterstützen und die Folgen ihrer Erkrankung zu lindern. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) ist der Zusammenschluss der Reha-Träger. Seit Es gibt mittlerweile eine Reihe von Handreichungen und Informatio- 1969 fördert sie im gegliederten Sozialleistungssystem nen zum Thema Reha und Corona. Die BAR selbst berichtet auf ihrer die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen. Die BAR koordiniert und unterstützt das Zusammenwirken Website über aktuelle Entwicklungen in Rehabilitation und Teilhabe der Reha-Träger, vermittelt Wissen und arbeitet mit an der Weiterentwicklung von Rehabilitation und Teilhabe. im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Ihre Mitglieder sind die Träger der Gesetzlichen Renten-, Wie Menschen im Gesundheitswesen und anderswo unter Ausnah- Kranken- und Unfallversicherung, die Bundesagentur für Arbeit, die Bundesländer, die Bundesarbeitsgemein- mebedingungen ihre Arbeitsabläufe engagiert und kreativ und mit schaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger großer Verantwortung für die ihnen anvertrauten Menschen organi- der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe, die Kassen- sieren, zeigen die Beiträge in dieser Ausgabe der Reha-Info. Sie be- ärztliche Bundesvereinigung sowie die Sozialpartner. richten aus ihrem Arbeitsalltag und der Beratung und Unterstützung Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Genehmigung der BAR gestattet. von Menschen mit Behinderungen unter Corona-Bedingungen. Der Druck: reha gmbh, Saarbrücken deutlich erkennbare besonnene und sachliche Umgang mit der Krise Druckauflage: 3.000 Exemplare vermittelt Zuversicht, die wir alle brauchen. Schlussredaktion und Grafik: Perfect Page, Karlsruhe Jill Köppe-Ritzenthaler, Clarissa Rosemann Titelbild: Paulista, adobe stock Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre, Composing: Clarissa Rosemann Ihre Helga Seel Gedruckt auf Umweltpapier Circleoffset Premium White, FSC®-zertifiziert, Blauer Umweltengel und EU Ecolabel 2 Reha-Info der BAR | 3-2021
Tipps & Tools Foto: metamorworks, istock E-Learning ● Kooperation der Reha-Träger im Reha-Prozess Modul 3 des E-Learning-Kurses der BAR zur „Kooperation der Reha-Träger im Reha-Prozess“ ist online. Dort, wo konkrete Situationen der trägerüber- greifenden Zusammenarbeit entstehen, knüpft Modul 3 an, beleuchtet den Re- ha-Prozess als Ganzes und im Einzel- nen die Kooperation und Koordination der Reha-Träger in wichtigen Phasen. Damit ist der E-Learning-Kurs der BAR www.bar-frankfurt.de > Service > Fort- und Weiterbildung > E-Learning komplett. Corona – rechtliche Entwicklungen Leichte Sprache ● Auf einen Blick ● Überarbeitung Wegweiser Die BAR gibt auf ihrer Website Informationen zu aktuellen Entwicklungen im Reha und Teilhabe Bereich Rehabilitation und Teilhabe, die in Zusammenhang mit der Corona-Pan- Mit dem Bundesteilhabegesetz demie stehen. Angeführt werden in erster Linie bundesweite und trägerübergrei- (BTHG) hat sich der rechtliche und sys- fende Regelungen. Die Übersicht wird regelmäßig aktualisiert. Hier finden Sie unter temische Kontext des Bereichs Reha anderem Informationen zu den Sozialschutzpaketen, zum COVID-19-Krankenhaus- und Teilhabe grundlegend verändert. entlastungsgesetz, Empfehlungen und Rundschreiben im Bereich der Reha-Träger Der Wegweiser Reha und Teilhabe in und weitere nützliche Links. Leichter Sprache erläutert die neuen Regelungen und Foto: Andreas Haertle, adobe stock www.bar-frankfurt.de > Themen > Corona-Rechtliche-Entwicklungen wird in mehreren Heften herausge- geben. Heft 1 er- scheint in Kürze unter dem Titel „Re ha und Teil- Bedarfsermittlung habe – Die wich- tigsten neuen Re- ● Basis- und Fokusseminar gelungen“. Die BAR bietet auch 2021 zwei Seminare zur Bedarfsermittlung nach dem SGB Weitere Hefte IX an. In einem Onlineseminar (29.09.2021) lernen Sie die Bedarfsermittlung im Re- werden im Laufe des Jahres folgen. Sie ha-Prozess kennen. In dieser Phase geht es darum, die Bedarfe des Menschen zu befassen sich unter anderem mit den ermitteln und Teilhabeziele zu entwickeln. Im Fokusseminar (03.11.2021) geht es neuen Regelungen in den Bereichen Ge- darum zu verstehen, wie bei der Bedarfsermittlung konkret vorzugehen ist. Darüber sundheit und Pflege, Bildung und Ausbil- hinaus bietet das Seminar Raum zum Austausch über Best-Practice-Beispiele, In- dung, Arbeit oder Familie und Freizeit. strumente und Verwaltungsverfahren, um Impulse für die eigene Arbeit zu bekom- men. Das Fokusseminar ist in Präsenz geplant. www.bar-frankfurt.de > Service > Publikationen > www.bar-frankfurt.de > Service > Fort- und Weiterbildung Reha-Grundlagen Reha-Info der BAR | 3-2021 3
Corona und Reha Foto: Andrey Kiselev, adobe stock Info Die genauen Quellen- angaben zu den Corona- Zahlen sind aufgeführt auf www.bar-frankfurt.de > Zahlen-Daten-Fakten > Zahlen zu Corona Herausforderungen auf allen Ebenen COVID-19: eine Pandemie mit Langzeitfolgen Als Anfang 2020 die ersten Medien fast 5.000. Viele Menschen sollen 10 bis 20 Prozent über SARS-CoV-2 berichteten, ei- haben aber auch die Infektion der COVID-19-Patientin- 3,61 Mio. nem ominösen Virus, das sich in der überstanden, manche sind bisher in Deutsch- nen und Patienten unter bis dahin weitgehend unbekannten jedoch nicht vollständig ge- land gemeldete Corona-Langzeitfolgen COVID-19-Fälle chinesischen Stadt Wuhan wie ein nesen. Dazu zählen auch die (Stand: 19.5.2021) leiden. Da das Corona- Lauffeuer ausbreitete, ahnten wohl Patientinnen und Patienten, Virus neben der Lunge nur die wenigsten, was auf die Welt die trotz überstandener Co- 3,34 Mio. auch andere Organe wie bisher in Deutsch- zukommen würde. Von den verstö- rona-Virus-Infektion unter er- Herz, Nieren, Leber und land verzeichnete renden Bildern von Kühlwagen vor heblichen COVID-19-Spätfol genesene Gehirn befallen kann, ist Krankenhäusern wie in Bergamo gen leiden. „Post-Covid-Syn- COVID-19-Fälle auch das Spektrum der (Stand: 19.5.2021) oder New York, über das Erliegen drom“ oder „Long Covid“ nen- Langzeitfolgen vielfältig. weiter Teile des öffentlichen und nen Fachleute dieses neue 86.665 Die Corona-Pandemie wirtschaftlichen Lebens und einem Krankheitsbild. Zudem gibt es bisher in Deutschland hat das Land und die dokumentierte Todes- gigantischen Konjunkturpaket, bis Menschen, die zwar nicht an fälle im Zusammen- Welt in einen Ausnahme hin zur zeitweiligen Einschränkung COVID-19 erkrankt sind, aber hang mit COVID-19 zustand versetzt. Sie hat (Stand: 19.5.2021) von Grundrechten: Das Virus wurde unter den seelischen Aus- Auswirkungen auf alle Be- zu einer „demokratischen Zumu- wirkungen der Corona-Pan- 9,9 Mio. reiche des alltäglichen Le- tung“, wie Bundeskanzlerin Angela demie leiden. Mittlerweile gilt bisher vollständig bens (insbesondere Kon Merkel in einer Pressekonferenz es als erwiesen, dass ein Teil gegen SARS-CoV-2 takt-, Betriebsbeschrän geimpfte Personen konstatierte. der an COVID-19 erkrankten in Deutschland kungs- und Hygiene- bzw. Menschen nach Abschluss (Stand 19.5.2021) Infektionsschutzverord- S either sind mehr als drei Millio ihrer akuten Behandlung mit nungen), das Gesund- nen Menschen in Deutschland anhaltenden Beschwerden und Corona- heitssystem und die Ausgestaltung der an COVID-19 erkrankt, beinahe Spätfolgen zu kämpfen hat (vgl. dazu Gesundheits- und Sozialpolitik. Auch die 80.000 sind im Zusammenhang mit dem z. B. Studien von Maxwell 2020; Taquet rehabilitative Versorgung ist auf vielfälti- Virus gestorben und die Zahl der Corona- et al. 2020; Townsend et al. 2020; Van ge Weise betroffen. Die Situation ist dy- Intensivpatienten ist aktuell nach wie vor den Borst et al. 2020). Wissenschaft- namisch und Prognosen lassen sich nur auf einem hohen Niveau, zurzeit sind es lichen Forschungsergebnissen zufolge mit Vorbehalt stellen. 4 Reha-Info der BAR | 3-2021
Corona und Reha Beeinträchtigungen bei Corona-Langzeitfolgen, auch „Post-Covid-Syndrom“ oder „Long Covid“ genannt Geschwächter Allgemeinzustand Psychische Probleme im Umgang mit Gefäßerkrankungen mit Risiko z. B. mit allgemeiner Schwäche, Kraft- und bei der Bewältigung der COVID-19- für Herzkreislauferkrankungen minderung und Einschränkung in Erkrankung und ihrer Folgen, Reduk Nerven- und Gehirnschädigungen, der Bewegung tion der Lebensqualität, Unruhe, zum Teil mit starken Schmerzen der Andauernde Müdigkeit (Fatigue) Stress Reaktionen, Angst, auch so- Extremitäten, Gefühlsstörungen bzw. ziale Angst, depressive Verstimmung Sensibilitätsstörungen an Händen Lungenschäden, Atem- bzw. Luftnot, und Reizbarkeit, Existenzsorgen und Füßen, Lähmungen, kognitiven Husten, Langzeitfolgen der Beatmung Psychosomatische Beschwerden wie Beeinträchtigungen unter Einschluss Verlust des Geruchs- und Ge- Herzklopfen, Atemnot, Magen-Darm- von Gedächtnisproblemen, Konzen- schmackssinns und nur langsame Beschwerden, Kopfschmerzen und trationsstörungen, Wortfindungsstö- bzw. unvollständige Erholung dieser Schlafstörungen rungen, Unruhe und Verwirrtheit Sinnesfunktionen In der medizinischen Rehabilitation gibt schaftlichen Medizinischen Fachgesell Wie geht es weiter? es Auswirkungen auf verschiedenen Ebe schaften (AWMF) stellt auf ihrem Portal Die Forschungslage ist zwar noch in- nen: Rehabilitationseinrichtungen sind AWMF online Empfehlungen und Leitli konsistent, Fachleute aus Medizin und angehalten, zu schließen und wieder zu nien bereit, u. a. klinisch-ethische Empfeh- Psychotherapie gehen aber davon aus, öffnen. Sie verzeichnen Einnahmeaus- lungen zu Entscheidungen über die Zu- dass es verstärkt zu körperlichen und fälle und Umsatzeinbrüche. Branchen- teilung intensivmedizinischer Ressour- seelischen Folgeschäden in Folge der verbände warnen vor sich zuspitzenden cen im Kontext der COVID-19-Pandemie, Corona-Pandemie und damit zu Beein- Notlagen von Reha-Kliniken. Viele Ein- Empfehlungen zur intensivmedizinischen trächtigungen der Erwerbsfähigkeit und richtungen fürchten, trotz Corona-Hilfen Therapie von Patientinnen und Patien- der Teilhabe allgemein kommen wird. wirtschaftlich nicht zu überleben. ten mit COVID-19, Handlungsempfeh- Das könnte zu einem Anstieg des Der Klinikalltag in Rehabilitations- lungen zur häuslichen Isolierung von Reha-Bedarfs führen – sowohl für einrichtungen verändert sich. So führen Verdachtsfällen und COVID-19-Fällen Menschen, die mit dem COVID-19-Vi- Hygienevorschriften zu Anpassungen in- mit leichtem Krankheitsbild, Patienten- rus infiziert wurden, als auch für dieje- terner Prozesse, beispielsweise bei Grup- leitlinien, Informationen zum Corona- nigen, die durch anderweitige Auswir- pensitzungen. Die somatischen (Multior- Virus für die hausärztliche Praxis oder kungen der Pandemie gesundheitlich gankrankheit) und psychosozialen Fol- Leitlinien zur Therapie von Patientinnen belastet sind. Sicher ist, dass die Ge- gen von Corona treten in den Vorder- und Patienten mit COVID-19 aus pal- sellschaft im aktuellen Corona-Alltag grund. Es stellen sich Fragen der An- liativmedizinischer Perspektive. Die BAR und für den Post-Corona-Alltag erheb- schlussversorgung nach überstandener berichtet auf ihrer Website über aktuelle liche Anpassungsleistungen in allen Be- Corona-Erkrankung. Entwicklungen im Bereich Rehabilitation reichen vollziehen muss. Wie das „neue und Teilhabe, die in Zusammenhang mit Normal“ dann aussehen wird, wird sich Hilfs- und Informations- der Corona-Pandemie stehen. noch zeigen müssen. angebote Mittlerweile gibt es aber auch ein gan- zes Potpourri an Hilfsangeboten. So ha- Hilfs- und Informationsangebote ben mehrere Träger und Institutionen In- Kompetenznetz Public Health COVID-19 (vor allem für Behörden, formationsseiten, Blogs, FAQ‘s, Stellung Institutionen und politische Entscheiderinnen und Entscheider) nahmen und Handreichungen zum The- www.public-health-covid19.de ma Reha und Corona veröffentlicht. Es hat Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell- sich ein Kompetenznetz Public Health schaften (AWMF) Soziale Teilhabe und Lebensqualität in der stationären zu COVID-19 gebildet, das verschiede Altenhilfe unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie ne Handreichungen zur Verfügung stellt, www.awmf.org/die-awmf/awmf-aktuell/aktuelle-leitlinien-und- u. a. zum Arbeitsschutz, zu psychi- informationen-zu-covid-19 schen Arbeitsbelastungen oder zur Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation sozialen Isolation als Mortalitätsrisiko. www.bar-frankfurt.de > Themen > Corona-Rechtliche-Entwicklungen Die Arbeitsgemeinschaft der Wissen- Reha-Info der BAR | 3-2021 5
Corona und Reha Corona – und jetzt? Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf den Beratungsalltag Ein Erfahrungsbericht zweier Reha- Manager aus dem Bereich Berufs- krankheiten der Unfallkasse Baden- Württemberg (UKBW) in Karlsruhe D ie Unfallkasse Baden-Württem- berg zählt zu den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern in Deutschland und ist zuständig für Ar- beitsunfälle und Berufskrankheiten. Auch im Bereich Rehabilitation und Teilhabe stellt uns die Pandemie vor Gerlinde Aufmuth-Ott, Louis Steffen, große Herausforderungen, da die voll- BK-Reha-Managerin UKBW BK-Reha-Manager UKBW umfängliche bedarfsorientierte Bera- tung unserer Versicherten in diesem Be- reich besonders wichtig ist. dass dieser umfängliche, aber auch sen- derjenigen, die an Krebs erkrankt oder sible Beratungsbereich am besten im di- aufgrund einer anderen Erkrankung als Persönliche Kontakte rekten Kontakt zu unseren Versicherten Risiko-Versicherte gelten. erschwert erfolgen kann. Wir sind adressatenorientierte und trä- Vor der Pandemie haben uns die Ver- Diese Aspekte standen zu Beginn der gerunabhängige Berater nach Standards sicherten zurückgemeldet, dass sie be- Pandemie dem persönlichen Beratungs- des Sozialgesetzbuchs (SGB, insbeson- sonders den persönlichen Kontakt vor ansatz vor Ort entgegen. Um dennoch bei dere SGB VII und SGB IX). In dieser Funk- Ort sehr schätzen und auch wünschen. den Versicherten zu sein, haben wir den tion sind wir für die Planung, Steuerung, So haben wir in den vergangenen Jahren telefonischen Kontakt verstärkt genutzt Begleitung und Evaluation den persönlichen Kontakt und ausgebaut. Andererseits haben die der medizinischen Reha- immer weiter ausgebaut Versicherten selbst zunehmend Kontakt - 15,5 % bilitation zuständig, außer- und eine hohe Akzeptanz per E-Mail zu uns aufgenommen. (= 2,1 Mio.) dem für die berufliche und Rückgang der bei der Umsetzung unserer Durch den Ausbau der Hygienemaß- soziale Teilhabe und die Patientenzahlen in Beratertätigkeit erfahren nahmen (Handdesinfektion, FFP2-Mas- deutschen Kranken- Teilhabe an Bildung auf können. ken) und dem Start der Impfkampagnen häusern von Januar der Grundlage von Teilha- bis September 2020 im konnten wir den persönlichen Kontakt be- und Rehaplänen. Vergleich zu 2019 Die Pandemie hat nicht bedingt wiederherstellen. Das Aufgabengebiet nur zu Abstands- und Hy- Mit Einverständnis der Gesprächs- 52 % umfasst die komplette Fest- Anteil der stationär gienevorschriften geführt, und Netzwerkpartner – neben unseren stellung und Bearbeitung behandelten COVID- sondern auch zur Ein- Versicherten sind das Arbeitgeber, Ärz- 19-Patienten, die 70 aller in Frage kommenden Jahre oder älter waren schränkung der Kontakte tinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Teilhabeleistungen, insbe- zu unseren schwerstkran- Therapeuten und andere – führen wir, sondere auch von ergän- 33 % ken Versicherten. Diese wo immer es möglich ist, persönliche Anteil der stationär zenden Leistungen (bei neue Lage stellte uns vor Beratungen durch. behandelten COVID- spielsweise Wohnungs- und 19-Patienten, die die Frage, wie wir unserem So nehmen wir beispielsweise im Kfz-Hilfe), die nachgehende jünger als 60 Jahre Beratungsansatz weiter Rahmen unserer Sprechstunden (Haut, waren Betreuung von schwerver- gerecht werden können. Atemwege oder Rücken) an Untersu- letzten Versicherten sowie 1,6 Mio. Oberste Priorität hat chungen mitsamt Erstellung von Re- die Sicherstellung der quali- Aufgeschobene für uns die Sicherheit und ha-Plänen teil oder an Arbeitgeberge- Operationen im fizierten Pflege. Bereits aus Gesundheit unserer Ver- sprächen im Rahmen des Betrieblichen Corona-Jahr 2020 den Aufgaben ist ersichtlich, sicherten, ganz besonders Eingliederungsmanagements. Nicht zu- 6 Reha-Info der BAR | 3-2021
Corona und Reha Instrument für die weitere Planung und Foto: DC Studio, adobe stock 10-20 % Steuerung der medizinischen, berufli- COVID-19-Genesene, die chen und sozialen Teilhabe. mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben (unabhän- gig von dem Schweregrad Selbst nach erfolgreicher stationä- der vorausgegangenen rer Reha-Maßnahme ist in den meisten COVID-19-Erkrankung) Fällen eine nahtlose ambulante Wei- 34 % terbehandlung unserer Versicherten Anteil der Menschen, unabdingbar. Aus unseren bisherigen die sechs Monate nach einer COVID-19-Erkran- Erfahrungen und dem Verlauf der Virus- kung neurologische infektion konnten wir erkennen, dass oder psychiatrische Erkrankungen aufweisen sich die Zeit der Rekonvaleszenz lange hinziehen kann. Um eine schnelle, ge- zielte und effiziente letzt führen wir bedarfsorientierte Be- Unsere Teilnahme an den Rehabilitationswirkung ratungen unserer Versicherten an ihren Untersuchungsterminen in zu erzielen, nutzen wir 36 % Wohnorten oder in unseren beiden Ver- den Praxen unserer (Bera- der Befragten mit Bedarf weiterhin das Instru- waltungsgebäuden in Stuttgart und tungs)-Ärztinnen und Ärz- an Gesundheitsversor- ment der regelmäßigen gung berichten von Be- Karlsruhe durch. te kristallisiert sich als sehr handlungsverzögerungen telefonischen/persönli- effizient und wichtig für im Corona-Jahr 2020 chen Beratung nach der Hoher Beratungsbedarf unsere Versicherten he stationären Reha-Maß- mit steigender Tendenz raus. Wir erreichen damit + 12 % nahme mit Hinzunahme Steigerung der Anzahl Das Corona-Virus hat uns Reha-Manager die optimale nahtlose Be- der Arbeitslosen mit einer Ärztin/eines Arz- vor neue Herausforderungen gestellt. Es darfsermittlung, ganz im Schwerbehinderung tes für die Koordination. zwischen März 2020 steht auf der Liste der Berufskrankhei- Sinne einer ganzheitlichen In unserer Beratungstä und März 2021 ten, wird unter bestimmten Vorausset- Beratung. tigkeit im BK-Reha-Ma- zungen auch als solche anerkannt und 40 % nagement wenden wir geht mit multiplen und nicht erforschten Neben den ambulanten Anteil der erwerbstätigen derzeit hauptsächlich die Personen in Deutschland, Komorbiditäten einher. Versicherte, die Therapiemöglichkeiten bie- die Einkommenseinbußen oben genannten Maß sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, ha- ten wir bei entsprechender im Corona-Jahr 2020 nahmen an, die allen Be- hinnehmen mussten ben einen hohen Beratungsbedarf, der Indikation und Reha-Fä rufserkrankten zuteil monatlich steigt. Diesem Wunsch wollen higkeit eine stationäre Re- + 21 % werden. und können wir entsprechen, indem wir habilitationsmaßnahme in Steigerung der Anzahl immer mehr Netzwerke aufbauen. Gera- mittlerweile darauf spezia der Arbeitslosen Aus den genannten zwischen März 2020 de in einer solch schwierigen Zeit spielen lisierten Post-Covid-Reha- und März 2021 Gründen, nach unseren Er- Netzwerkpartner eine wichtige Rolle. Einrichtungen an. In diesem fahrungen und vor allem Zuge möchten wir unsere 6 Mio. den zahlreichen positi Personen in Kurzarbeit Anlaufstellen waren anfänglich die Abschlussgespräche un- im April 2020 ven Rückmeldungen un- niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mittelbar vor Entlassung serer Versicherten möch- verschiedener Fachrichtungen wie zum aus der stationären Maß 2,85 Mio. ten wir unsere Kollegin- Personen in Kurzarbeit Beispiel Lungenfachärzte, Kardiologen, nahme besonders hervor- nen und Kollegen aus im Januar 2021 Neurologen, aber auch Therapeutinnen heben. Diese werden im (Hochrechnung) dem Bereich Reha-Ma- und Therapeuten aus dem Bereich Phy- Rahmen von Video- oder Te- nagement ermuntern, sio- und Ergotherapie. Wegen der zu- lefonkonferenzen gemein- 2,2-mal den persönlichen Kon- mehr nehmenden Zahl an Erkrankten und der sam mit Ärztinnen und Ärz- takt zu Versicherten auch Fehltage aufgrund schon vor der Pandemie bestehenden ten, Therapeutinnen und einer COVID-19-Diagnose in diesen schwierigen Engpässe bei der schnellen Vergabe von Therapeuten und unseren bei Fachkräften in Zeiten aufzubauen und Kontakt mit Kindern Untersuchungsterminen bei Fachärztin- Versicherten durchgeführt. gegenüber solchen in aufrecht zu erhalten. nen und -ärzten, greifen wir nun zusätz- Diese Abschlussgespräche anderen Arbeitsfeldern lich auf unsere Beratungsärzte zurück. dienen uns als hilfreiches Reha-Info der BAR | 3-2021 7
Corona und Reha Abrupte Änderung für alle Beteiligten Wie die Beruflichen Trainingszentren (BTZ) der Pandemie trotzen Die weltweite Pandemie stellt auch die berufliche Rehabilitation und ihre Beteiligten vor völlig neuartige Herausforderungen, für die es keine vorge- fertigten Herangehensweisen gibt. D ie Organisation der Beruflichen erschwert (beispielsweise Beantragung Trainingszentren musste nicht von Maßnahmen nach Sozialdienstleis nur den Umgang mit Corona- ter-Einsatzgesetz oder Anforderung ein- Fällen unter Teilnehmenden und Mitar zelfallbezogener Beantragungen). beitenden regeln. Sie sah sich auch stän- Die Beruflichen Trainingszentren ha- dig und rasch wechselnden Vorgaben ben sich innerhalb kürzester Zeit der Pan von Politik und Leistungsträgern gegen- demielage angepasst, um den Teilneh- Heiko Kilian, über. Betretungsverbote mit vorüber - menden die Fortsetzung ihrer Reha- Geschäftsführer BAG-BTZ Berlin gehenden Schließungen einiger Stand- Maßnahmen zu ermöglichen: Flächen- orte, Abstandsregelungen und Hygiene- deckend wurde das Training auf Home dass eine Rückkehr an seinen Arbeits- konzepte machten die Nutzung vieler office-Betrieb umgestellt. Die digitale platz denkbar wurde. Räumlichkeiten unmöglich, Gruppenan- Infrastruktur wurde aufgerüstet – Hard- Sechs Wochen nach Beginn erzwang gebote konnten nicht mehr stattfinden, ware für Teilnehmende (Laptops/Tab- die Pandemie eine Unterbrechung seiner Trainingsbereiche nur eingeschränkt lets) beschafft und eingerichtet, zusätz- Trainingsmaßnahme. In den täglichen oder nicht mehr genutzt werden. liche Schulun gen organisiert und neue telefonischen Kontakten mit seiner Psy- Die wirtschaftlichen Folgen waren ab- Software eingekauft oder auch in Win- chologin berichtete er, wie er sich erneut sehbar – es gab Einbrüche in der Bele deseile entwickelt oder angepasst. Bera- ins Bett zurückziehe und nur mit großer gung, deren Steuerung massiv erschwert tung und Betreuung erfolgten nun online Anstrengung imstande sei, das Haus für war. Unterstützung durch die Leistungs oder telefonisch. Einkäufe zu verlassen. Nach mehreren träger blieb aus: So wurden beispiels Für diejenigen, die sich bereits einige Anrufen gelang es, ihn an seinen PC zu weise viele Rehaberater der Ar beits - Zeit im Training befanden, erwies sich lotsen und zur Teilnahme am Homeof agenturen zur Bearbeitung von Kurz dieser abrupte Übergang meist als leist- fice-Programm zu motivieren, an dem er arbeitergeldanträgen abgeordnet und bar. Problematisch war die Situation für zunächst nur unregelmäßig, bald aber die Einrichtungen der medizinischen Re- neue Teilnehmende und ihre Betreue- kontinuierlich teilnehmen konnte. Er be- habilitation durften nur eingeschränkt rinnen und Betreuer. Bei den ohnehin tonte, dies habe ihn vor weiterer Ver- belegt werden, sodass Anträge zu Leis- psychisch belasteten Teilnehmenden schlechterung bewahrt. Nachdem mit tungen zur Teilhabe am Arbeitsleben löste die Pandemie zusätzliche Verun- Aufnahme des Hybridmodells Teilprä- (LTA) nur in kleinem Umfang gestellt sicherung und manche Rückfälle aus. senz im BTZ möglich wurde, stellte er bzw. bearbeitet werden konnten. Der Die Einführung von Hybrid- und Schicht- selbst erfreut fest, dass sich sein Befin- entstandene Antragsstau führt bei in- modellen mit einem Wechsel analoger den und seine Belastbarkeit verbesserten. zwischen meist gut ausgelasteten Häu- Präsenz- und digitaler Homeoffice-Tage sern zu Wartezeiten, da die Einhaltung löste diese Schwierigkeiten. Groß war Fazit und Ausblick der Flächenvorgabe mit je 10 m² pro die Erleichterung, als Teil- und Vollprä- Die Beruflichen Trainingszentren haben Person gewährleistet werden muss. senz wieder möglich wurden. trotz der enormen Herausforderungen So litten im vergangenen Jahr viele die Fortführung der Reha-Maßnahmen Einrichtungen an erheblichen wirtschaft- Illustriert sei dies an einem Fallbeispiel: sichergestellt und neue Modelle und Ar- lichen Einbußen. Finanzielle Unterstüt Herr S., 41 Jahre, Diplom-Ingenieur, in beitsformen aus dem Boden gestampft, zung durch Bund, Länder und Leistungs- Trennung lebend, konnte sich nach zwei die eine sinnvolle Ergänzung der Ange- träger gab es zwar, aber der Zugang war langen depressiven Episoden mit statio- bote beinhalten, aber eine analoge Prä- durch hohe bürokratische Hürden massiv nären Aufenthalten soweit stabilisieren, senz nicht ersetzen können. 8 Reha-Info der BAR | 3-2021
Corona und Reha Kinder und Jugendliche unter Druck Die Pandemie zeigt Bedarf an Vermittlung von Bewältigungsstrategien Martina Siegwardt arbeitet als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeu- tin mit eigener Praxis in Ginsheim-Gustavsburg. BAR Reha-Info hat sich mit der Sozialpädagogin über die Auswirkungen der Pandemie unterhalten. Wie hat sich Ihre Arbeit nicht genügend Autonomie und Intim- durch die Pandemie verändert? sphäre erfahren, war die Rückkehr in den Während ich im Frühjahr letzten Jah- geschützten Therapieraum sehr wichtig. res, dem ersten für alle überraschenden Im Moment nutze ich die Videosprech- Lockdown, in den meisten psychothe- stunde vorwiegend in der begleitenden rapeutischen Sitzungen mit Kindern, Elternarbeit oder mit jungen Erwachse- Jugendlichen und den Eltern auf Video- nen, die beispielsweise aufgrund ihres sprechstunde umgestiegen bin, arbeite Studiums umgezogen sind. ich jetzt wieder überwiegend mit Prä- Martina Siegwardt, senzterminen und mit den üblichen Hy- Umfragen zufolge steigt die Diplom Sozialpädagogin (FH) gienemaßnahmen. Durch die Psycho- Nachfrage nach Psychothe- therapie über Video konnte ich zunächst rapien für Kinder und Jugend- Existenz- und Zukunftsängsten, die sie den Kontakt zu den Familien aufrecht- liche in der Corona-Pande- unbewusst an die Kinder wei tergeben. erhalten. Gleichzeitig gab es allen Be- mie. Woran liegt das? Hinzu kommt, dass die kompensieren- teiligten auch das Gefühl, unter den er- Es gibt eindeutig eine verstärkte Nachfra- de Beziehung zu anderen Erwachsenen schwerten Bedingungen selbstwirksam ge nach Psychotherapien, die in meiner wie Betreuer, Lehrer, Trainer nicht mehr und handlungsfähig bleiben zu können. Praxis besonders ab den Herbstferien, ausreichend gegeben ist. Für die Jugend- Die Grenzen der digitalen Psychothera- den anschließenden Schulschließungen lichen ist der fehlende oder nicht aus- pie sind von den – oft nicht ausreichen- und veränderten Unterrichtsbedingun- reichende Kontakt zu Gleichaltrigen be- den – technischen Voraussetzungen gen spürbar wurde. Gleichzeitig hat sich sonders belastend. Entwicklungsbedingt in den Familien gesetzt. Sie sind aber aber auch gezeigt, dass nicht alle Anfragen benötigen sie die Unterstützung durch auch von den individuellen Fähigkeiten einer längerfristigen psychotherapeu- die Peergroup, um ein selbstbestimm- des Kindes abhängig, beispielsweise die tischen Behandlung bedürfen. Manch- tes Leben zu entwickeln und sich von Konzentration auf ein „Bildschirmgegen- mal reicht es schon, mit wenigen Ge- den Eltern abgrenzen zu lernen. über“ aufrecht zu erhalten. sprächen oder in einer kurzen Behand- Diese Fähigkeiten sind lung neue Perspektiven Wie sehen Sie die altersabhängig und auch und Handlungsräume zu Folgen der Pandemie? von Kind zu Kind sehr unter- 30 % schaffen oder sich selbst Das Ausmaß der Auswirkungen der Co der 7- bis 17-Jährigen schiedlich. So sind jüngere weisen eine psychi- und die Umstände besser rona-Maßnahmen auf die Kinder, Ju- Kinder von der leibhaftigen sche Belastung auf annehmen zu können. gendlichen und ihre Familien wird wohl Anwesenheit des Therapeu- (vor der Pandemie 18 %) Offensichtlich ist, dass erst in den nächsten Monaten deutlich ten abhängig, während der + 13 % die familiären Konflikte und werden, beispielsweise wenn ein abseh- Kontakt zu vielen Jugendli Anstieg des Risikos die Belastung meiner jun- barer schulischer Alltag eingekehrt ist. chen auch längerfristig über für psychische Auf- gen Klientel durch die en- Optimistisch stimmt mich aber, dass fälligkeiten bei Kindern das digitale Medium auf- im Corona-Jahr ge Konstellation zu den unsere größten Ressourcen als Mensch rechterhalten werden kann. gegenüber 2019 selbst oft psychisch kran- zur Bewältigung auch dieser Krise unse- Aber selbst die Älteren sind ken oder durch die anhalten- re soziale Ausrichtung, unsere Lern- und 46 % froh, wieder persönlich – de Doppelbelastung über- Umstellungsfähigkeiten sind. Dies kann der 15- bis 30- wenn auch dann mit Mas- Jährigen, hatten am forderten Eltern zugenom- ich in meiner therapeutischen Praxis ke – kommen zu können. Ende des Corona- men haben. Einige Eltern immer wieder erleben, auch wenn diese Jahres 2020 Angst Besonders für Jugendliche, vor der Zukunft leiden selbst unter übermä- Fähigkeiten manchmal erst wiederent- die innerhalb der Familie ßigenLeistungsansprüchen deckt werden müssen. Reha-Info der BAR | 3-2021 9
Reha-Entwicklung Vier Fragen an Dr. Susanne Wagenmann Interview mit Dr. Susanne Wagenmann, Abteilungsleiterin Soziale Sicherung, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber- verbände und neue Vorstandsvorsitzende der BAR Corona-Krise stärkt Stellenwert von Rehabilitation 1 Wie sehen Sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ßige Corona-Tests anbieten. In einem nächsten Schritt müssen schnellst- möglich Impfungen durch Betriebsärz- 2 Welche Rolle kann die Rehabilitation in der aktuellen Situation spielen? die Arbeitswelt? tinnen und Betriebsärzte ermöglicht werden. Betriebe leisten damit Erfolgreiche Rehabilitation leistet wei- Die Corona-Pandemie ist einen umfangreichen Beitrag terhin einen wertvollen Beitrag zum Er- für unsere Gesellschaft die Ökonomische zum Bevölkerungsschutz halt und zur Wiederherstellung der Be- und medizini- größte Bewährungsprobe und zur Pandemiebekämp- schäftigungsfähigkeit von oft dringend sche Krise, seit dem Bestehen der fung und sorgen dafür, benötigten Arbeits- und Fachkräften. Digitalisierung Bundesrepublik Deutsch- dass die negativen Folgen Die durch Arbeitsunfähigkeit entstehen- land. Wirtschaftlich sind die für die Arbeitswelt möglichst den volkswirtschaftlichen Kosten sind Schäden immens: Mit einem Ein- gering bleiben. gewaltig. Allein die unmittelbaren Kos- bruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ten durch Entgeltfortzahlung im Krank- im vergangenen Jahr ist Deutschland in Die Corona-Krise bietet aber auch heitsfall beliefen sich im Jahr 2019 auf eine tiefe Rezession gerutscht. Gerade Chancen. Sie hat gezeigt, in welchem 59 Mrd. Euro. Daher ist es wichtig und in den vom Lockdown besonders be- Ausmaß eine Digitalisierung möglich richtig, die Leistungsfähigkeit des Reha- troffenen Branchen kämpfen viele Be- oder erforderlich ist. In kürzester Zeit Systems weiter zu stärken. triebe um ihr Überleben. Die Auswirkun- wurde eine technische Infrastruktur auf- Gerade vor dem Hintergrund der gen dieser Wirtschaftskrise zeigen sich gebaut, um wegen des notwendigen aktuellen Corona-Krise könnte der Re- auch auf dem Arbeitsmarkt durch einen „social distancings“ mobil arbeiten und habilitation in Zukunft eine noch grö- großen Umfang an Kurzarbeit und einer Konferenzen und sogar Arztbesuche di- ßere Bedeutung zukommen. Bereits gestiegenen Arbeitslosigkeit. gital durchführen zu können. Es hat sich heute wissen wir, dass aber auch gezeigt, dass – insbesondere ein Teil der Erkrank- Vor diesem Hintergrund kann man im öffentlichen Bereich – noch einige Di- ten an Langzeit- die Leistungen der Betriebe beim wirk- gitalisierungslücken zu schließen sind. folgen einer Coro- Fachkräfte- samen Arbeits- und Infektionsschutz na-Infektion lei- mangel, Arbeitsfähigkeit gar nicht genug wertschätzen. Diesen Man sieht es beispielsweise an der den. Zudem gibt guten Schutz der Beschäftigten bestäti- fehlenden Digitalisierung der Gesund- es Hinweise, dass gen auch Studienergebnisse durch neu- heitsämter, die eine effiziente Kontakt- die Pandemie und trale Forschungsinstitute. Beschäftigte nachverfolgung erschwert, sowie beim die damit einhergehen- berichten über eine hohe Zufriedenheit Homeschooling und der fehlenden Aus- den notwendigen Beschränkungen die mit dem Corona-Management und dem stattung der Schülerinnen und Schüler Menschen auch psychisch belasten. Verhalten durch ihre Vorgesetzten. In ei- mit mobilen Lerngeräten. Auch der öf- Auch wenn es zu den Effekten noch nem Sachstandsbericht an die Bundes- fentliche Dienst konnte seinen Beschäf- keine ausreichende und belastbare regierung Anfang April konnten die Spit- tigten nicht im gleichen Maße mobiles Studienlage gibt, könnte es zu einem zenverbände der deutschen Wirtschaft Arbeiten ermöglichen, wie es die Wirt- erhöhten und veränderten Rehabilita- den Nachweis erbringen, wie erfolgreich schaft getan hat. Jetzt gilt es, die Chan- tionsbedarf führen. Die medizinische die Betriebe in kürzester Zeit ihren Be- cen zur Digitalisierung auch in diesen und berufliche Rehabilitation wird daher schäftigten flächendeckend regelmä- Bereichen zu nutzen. einen wichtigen Beitrag zu Bewältigung 10 Reha-Info der BAR | 3-2021
Reha-Entwicklung der Auswirkungen der Corona-Pande- kann die notwendige Staats- meinsam als Leitmotiv mie leisten. ferne gewährleistet werden. - 32 % voranbringen. Mit dem Rückgang der angetre- Und auch hier kann die Digitalisie- Gleichwohl ist eine Strategie Bundesteilhabegesetz tenen Reha-Maßnah- rung, die durch die Corona-Krise einen zu entwickeln, um die Verwal- men von Januar bis und dem Teilhabever- Schub erhalten hat, einen positiven Ef- tungseffizienz zu verbessern. September 2020 im fahrensbericht konnten Vergleich zu 2019 fekt entfalten. Neue Arbeitsformen und Die Gestaltungsrechte der bereits einige Weichen Technologien können sich auch förder- sozialen Selbstverwaltung sind + 56 % gestellt werden. lich auf die Inklusion am Arbeitsmarkt dort, wo es sinnvoll ist, zu er- Anstieg der Fehltage Aber auf dem be- wegen psychischer auswirken. Fast 30 Prozent aller Unter- weitern. Die Verantwortungs- Erkrankungen im reits Erreichten sollten nehmen sehen nach einer Studie des bereiche von Gesetzgeber, Mi- Corona-Jahr 2020 wir uns nicht ausruhen, Instituts der deutschen Wirtschaft Köln nisterialbürokratie und sozia- im Vergleich zu 2010 denn auf Ebene der (kontinuierliche e.V. (IW) durch die Digitalisierung neue ler Selbstverwaltung müssen Entwicklung) BAR gehört zur Norma- Chancen für die Beschäftigung von sachgerecht abgegrenzt sein. lität stets auch ein Rin- Menschen mit Behinderungen. Der Staat sollte sich dazu auf + 102 % gen um Verbesserun- Anstieg der Fehltage den Erlass der Rahmengesetz- gen von Leistungen, der 3 wegen Belastungs- Wo sehen Sie die gebung beschränken und die und Anpassungs- Wirksamkeit und Wirt- störungen (F43) im Vorteile der sozialen konkrete Ausgestaltung dieser Corona-Jahr 2020 schaftlichkeit, das alle Selbstverwaltung und wie Gesetzgebung der Selbstver- im Vergleich zu 2010 Beteiligten einbindet. kann sie verbessert und waltung überlassen. Kranken- (kontinuierliche Bei einem Leistungs- Entwicklung) gestärkt werden? und Pflegekassen müssen in volumen von 40 Mrd. Zukunft wieder Vorstandsver 75 % Euro, die 2019 für Reha Die Tatsache, dass Arbeitgeber- träge eigenverantwort- der Psychiater und und Teilhabe ausgege- Psychotherapeuten in und Versichertenvertreter in lich abschließen kön- ben wurden, haben wir Gestaltungs- Deutschland rechnen den Organen der Selbstver- nen. Die Berufung mit einem Corona-be- in der Rehabilitation für rechte, dingten Anstieg psy- waltung partnerschaftlich von hauptamtli sich genommen längst Einschränkungen chischer Erkrankungen zusammenwirken, ist von durch Gesetz- chen Geschäfts- in den kommenden die Dimension eines erheblicher Bedeutung. Die geber führern der Sozial zwölf Monaten ganzen Sozialversiche- Zusammenarbeit dient der versicherung muss rungszweigs erreicht. +5% praktischen Verwirklichung un- ausschließlich in die Anstieg der Anrufe bei Um für Rehabilitandin- seres sozialen Rechtsstaats und dem Zuständigkeit der Selbstver- der Telefonseelsorge nen und Rehabilitan- Erhalt des sozialen Friedens. Tausende waltung fallen. Auch die Ar im Corona-Jahr 2020 den damit ein Optimum in der Selbstverwaltung ehrenamtlich beitslosenversicherung mit 43 % zu erreichen, müssen tätige Vertreterinnen und Vertreter der Selbstverwaltung handelt aus der Befragten trinken Reha-Maßnahmen wirt- Arbeitgeber und der Gewerkschaften mit eigenem Recht auch gegen- häufiger Alkohol als schaftlich eingesetzt vor der Pandemie ihren unterschiedlichen Lebens- und Be- über Ministerien und ist keine werden. Oft helfen Ver rufserfahrungen ermöglichen ausgewo- nachgeordnete Dienstbehörde. einfa chungen in der gene und lebensnahe Sachlösungen, bei Verwaltung sowohl den Leistungsemp- denen die sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte gleichermaßen berück- sichtigt werden. 4 Als neue Vorstandsvor- sitzende der BAR: Wo sehen Sie mittel- und lang- fängern als auch der Gemeinschaft der Beitragszahler. Beispielsweise verspre che ich mir von der Entwicklung eines fristig die künftigen Aufga- gemeinsamen Grundantrags positive Die Autonomie der Sozialversiche- benschwerpunkte der BAR? Auswirkungen auf den Zugang, die rungsträger ist in den letzten Jahren Transparenz und die Effizienz der Ver- durch einen gewachsenen Staatseinfluss Es ist mir eine große Freude im Vor- waltungsprozesse. Dafür brauchen wir auf die Sozialversicherung immer weiter stand der BAR die erfolgreiche Koope- einen langen Atem, Geduld und gemein- beschnitten worden. Damit Versicherte ration der vergangenen Jahre nicht nur same Verständigung. Denn dicke Bretter und Arbeitgeber die von ihnen finanzier- zwischen den Sozialpartnern sondern bohren sich nicht von selbst, noch wer- ten Sozialversicherungen verantwortlich auch mit den Reha-Trägern fortsetzen den sie über Nacht gebohrt. Für solche und aktiv mitgestalten können, muss zu dürfen. Die Zusammenarbeit der Re Vorhaben ist die BAR genau die richtige dieser Trend umgekehrt werden. Nur so ha-Träger werden und müssen wir ge- Plattform. Reha-Info der BAR | 3-2021 11
Recht Der Anspruch auf Versorgung setzt einen Ursachen- zusammenhang zwischen Impfung und Schaden voraus; dieser muss nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen feststehen. Entschädigung nur bei nachgewiesenem Impfschaden – Soldatenversorgungsrecht Es habe nicht festgestellt werden Die Wahrscheinlichkeit eines ursäch- Orientierungssatz* können, dass die Impfung die Ursache lichen Zusammenhangs als Voraus- Wer einen Impfschaden erleidet, der Erkrankung war. Maßgeblich für die setzung einer Gesundheitsschadensan- erhält nur eine Entschädigung, Ursachenfeststellung sei der aktuelle erkennung gemäß § 61 Satz 1 IfSG ist wenn die Impfung als Ursache Stand der medizinischen Forschung und gegeben, wenn auf der Grundlage der der Erkrankung feststeht. Wissenschaft. Obwohl der verwendete zum Zeitpunkt der gerichtlichen Ent- LSG Niedersachsen-Bremen, Impfstoff schon in über 600 Millionen scheidung aktuell geltenden medizini- Urteil v. 28.01.2021 – L 10 VE 11/16 Dosen gespritzt worden sei, gebe es schen Lehrmeinung (hierbei unter Bezug (rechtskräftig) keine Berichte über ähnliche auf die Anhaltspunkte für die * Leitsätze oder Entscheidungsgründe des Gerichts Fälle. Dies sei ein Indiz für ärztliche Gutachtertätigkeit bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell anderweitige Ursachen. und Versorgungsmedi- abgewandelt und gekürzt Außerdem habe der zinische Grundsätze Mann schon vor der als Anlage zur Vers- Sachverhalt und Impfung erste Sym- MedV) mehr für als Entscheidungsgründe ptome der Krankheit gegen einen Ursa- gezeigt. chenzusammenhang G eklagt hatte ein Soldat, der Der Anspruch auf spricht. Ge mäß stän- 2010 wegen eines bevorste- Versorgung als Folge diger Spruchpraxis des henden Auslandseinsatzes ge- einer Impfung setzt im BSG reicht die bloße Mög- gen Gelbfieber geimpft wurde. Danach Soldatenversorgungsrecht eine lichkeit der schädlichen Wirkung litt er unter anderem unter Schwindel, Schutzimpfung als Wehrdienstverrich- eines Impfstoffs hingegen nicht aus. Sprachproblemen, verlangsamten Au- tung, den Eintritt einer über eine übliche genbewegungen und Unbeweglichkeit. Impfreaktion hinausgehenden gesund- Vorliegende Entscheidung ist nicht In einer ersten Einschätzung hielt der heitlichen Schädigung (Impfkomplika- zuletzt vor dem Hintergrund der anste- Truppenarzt den Angaben zufolge zwar tion) sowie eine – dauerhafte – gesund- henden Neuordnung des allgemeinen so- einen Zusammenhang zwischen den heitliche Schädigung (Impf schaden) zialen Entschädigungsrechts (SGB XIV) neurologischen Ausfällen und der Imp- und einen Ursachenzusammenhang sowie der Entschädigung für Soldatinnen fung für möglich. Allerdings lehnte die zwischen Impfung und Schaden voraus; und Soldaten mit anerkannter Wehr Foto: littlewolf1989, adobe stock Bundeswehr eine Entschädigung ab, dieser muss nach gesicherten medizini- dienstbeschädigung in einem eigenstän weil es Hinweise dafür gäbe, dass die Er- schen Erkenntnissen feststehen. Hierbei digen Regelwerk (Soldatenentschädi krankung schon vorher aufgetreten sei. gilt im sozialen Entschädigungsrecht gungsgesetz, SEG) von Interesse. Hierbei (vgl. § 1 Abs. 3 Bundesversorgungs- sind auch besondere Vorkehrungen für Nach erfolglosem Klageverfahren gesetz, BVG) ebenso wie im Recht der ein zügiges Verfahren verankert, die sich folgte auf der Grundlage mehrerer Gutach- gesetzlichen Unfallversicherung die in die übergreifenden Regelungen des ten auch das Landessozialgericht (LSG) Kausalitätstheorie von der wesentlichen SGB IX (vgl. § 7 SGB IX) einfügen. der Rechtsauffassung der Bundeswehr Bedingung. und hat einen Anspruch des Klägers aus § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) gegen die BR Deutschland verneint. Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: Politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen Erscheinungstermin: 16.08.2021
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