FORUM Das offizielle Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft e.V - Deutsche Krebsgesellschaft
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April 2017 | Jg. 32 | Nr. 02 FORUM Das offizielle Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. Fertilitätserhalt Welche Maßnahmen sind Partnerschaft wann und für wen indiziert und Krebs Erhalt sexueller Funktionen und Libido beim Viele Fragen, – Rektumkarzinom – Gynäkologischen Tumoren die zu stellen sind! „Wenn er uns trifft“ Blickwinkel von Betroffenen Meinung Pro und Contra Biosimilars www.krebsgesellschaft.de/forum
Editorial Forum 2017 · 32:103 F. Lordick DOI 10.1007/s12312-017-0241-y Universitätklinikum Leipzig, Universitäres Krebszentrum, Leipzig Online publiziert: 15. März 2017 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017 Partnerschaft und Krebs lichst schonende Therapieverfahren von Annette von Rexrodt aus Betroffenen- herausragender Bedeutung. Dies betrifft perspektive als auch der fachpsychologi- ganz besonders die operative Technik. sche Beitrag von Jochen Ernst und Gregor Exemplarisch werden die Möglichkeiten Weißflog betonen das tiefgreifende Mitbe- beim Rektumkarzinom von Rudolf Raab troffen sein von Partnern und Angehöri- und Lilia Kruse und die Behandlungstech- gen im Falle einer Krebserkrankung. Das niken bei gynäkologischen Tumoren von Wissen um die Belastung der Partner ist Annette Hasenburg und Kollegen darge- alt, die Forschung darüber hingegen jung. stellt. In den Kompetenzbereich jedes on- Ohne Frage besteht Lernbedarf, wie Part- kologisch tätigen Arztes gehört zudem ner und Partnerschaften im Falle von das Basiswissen um fertilitätserhaltende Krebs effektiv unterstützt werden können. »» Maßnahmen bei gonadotoxischen The- rapien. Bei Männern auch bis ins höhere „Das Wissen um die Belastung Lebensalter und bei Frauen bis etwa zum der Partner ist alt, die Forschung 40. Lebensjahr soll eine Aufklärung über Kryokonservierung von Spermien bzw. darüber hingegen jung.“ Eine Krebserkrankung bedroht eine Viel- ovarprotektive Maßnahmen und Kryo- zahl, wenn nicht alle Funktionen des Le- konservierung von Oozyten oder Ovar- Ernst und Weißflog stellen die zeit- bens. Als Erstes spüren das, neben den gewebe erfolgen. gemäßen Herangehensweisen dar. Die »» Erkrankten, die Lebenspartner. Die ge- Deutsche Krebsgesellschaft widmet sich meinsame Zukunft steht plötzlich in Fra- „In den Kompetenzbereich dem Thema ebenfalls in besonderer Wei- ge. Familienplanung und Kinderwunsch jedes onkologisch tätigen Arztes se. Ein Forschungsprojekt der Arbeitsge- verlagern sich ins Ungewisse. Die sozia- meinschaft Palliativmedizin (APM) zum le und wirtschaftliche Verantwortung für gehört das Basiswissen um fertili- Thema der Belastung und Unterstüt- Partner und Familie geraten ins Wanken. tätserhaltende Maßnahmen.“ zungsbedürfnisse von Angehörigen bei Das Körperbild und die Attraktivität für neu diagnostizierter inkurabler Krebser- den Partner sind bedroht durch Therapien Weitere Techniken, die einen Kinder- krankung wurde kürzlich einer namhaf- und Erkrankungsfolgen. Libido und sexu- wunsch nach Krebsbehandlung unterstüt- ten Stiftung zur Bewertung eingereicht. elle Funktionen werden in vielfacher Wei- zen, sind darüber hinaus in Entwicklung. Ich bin mir sicher, dass dieses Heft Ih- se beeinträchtigt. Die Komplexität der Maßnahmen, ins- nen wertvolle Informationen für den Um- Diese Ausgabe des FORUM widmet besondere bei Mädchen und Frauen, er- gang mit von Krebs Betroffenen geben sich dem hoch komplexen Thema in ei- fordert eine besondere Expertise in der kann – mit Betroffenen sind explizit die nigen wichtigen Aspekten. Ist es möglich, Beratung und Durchführung, die in den Erkrankten und deren Partner gemeint. optimale onkologische Behandlungser- Zentren des FertiPROTEKT Netzwerk gebnisse zu erzielen und dabei den Erhalt e. V. (www.fertiprotekt.com) gegeben ist. Ihr von Libido und sexuellen Funktionen zu Darüber informiert der Beitrag von Mi- berücksichtigen? Diese Frage stellt sich bei chael von Wolff und Stephan Seitz. vielen Krebserkrankungen. Zur Vermei- Ein ganz anderes Feld ist die psycho- dung organischer Störungen sind mög- soziale Belastung. Sowohl der Artikel von Florian Lordick Forum 2 · 2017 103
I n h alt FORUM · Band 32 · Heft 2 · April 2017 Editorial 103 Partnerschaft und Krebs Präsident 108 Doppelte Register – doppelter Aufwand? DKG - aktuell 109 Deutscher Krebspreis 2017 verliehen 109 Karl-Heinrich-Bauer-Medaille 2017. Die Deutsche Krebsgesellschaft ehrt Prof. Dr. Christian Wittekind 110 360° Onkologie – unser neues Infoangebot für Politik und Gesellschaft 111 Darmkrebs-Präventionspreis 2016 113 CanCon-Guide veröffentlicht J. Bruns · S. Dittmar · A. Elmer · M. Hallek · M. Hennrich · R. Rambach · G. Jonas · M. Klinkhammer-Schalke · U. Knirsch · B. J. Krause · K. Maag · G. Marckmann · U. Marschall · R. Rambach · H. Rebscher · S. Schmitz · H. Seiter · C. Straub · L. Uhl · J. Wasem 114 Positionspapier zur „Wissen generierenden onkologischen Versorgung“. Vorgelegt am 2. Februar 2017 von der AG Zukunft der Onkologie www.krebsgesellschaft.de/onko 118 SABCS 2016: Experten ordnen Studiendaten in klinischen Kontext ein 119 ASH Congress 2016: Neue Erkenntnisse in der Hämatoonkologie Meinung R. Frontini 120 Biosimilars in der Onkologie. Pro und Kontra zu den aktuellen Entwicklungen Junge Onkologen F. Nauck 123 Palliativmedizin bietet auch jungen Ärzten vielfältige Möglichkeiten Fokus: Partnerschaft und Krebs M. von Wolff · S. Seitz 126 Fertilitätserhalt bei gonadotoxischen Therapien Fertility preservation in gonadotoxic therapy A. Hasenburg · A. Seeger · M. J. Battista · R. Schwab 134 Behandlungstechniken bei gynäkologischen Tumoren. Besserer Erhalt sexueller Funktionen und der Libido Treatment techniques for gynecological tumors. Better preservation of sexual function and libido R. Raab · L. Kruse 138 Behandlungstechniken mit besserem Erhalt sexueller Funktionen und Libido beim Rektumkarzinom Treatment techniques for rectal cancer with better © [M] LisaValder / Getty Images / iStock preservation of sexual functions and libido J. Ernst · G. Weißflog 144 Partnerschaft und Krebs. Psychoonkologische Aspekte Partnership and cancer. Psycho-oncological aspects A. Rexrodt von Fircks 148 Krebs und Partnerschaft. Wenn er uns trifft Cancer and partnership. When it affects us +++ Online -Archiv finden Sie unter w w w.k rebsgesellschaf t.de/forum +++ FORUM 105
I n h alt FORUM · Band 32 · Heft 2 · April 2017 Sektion B Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie (PRIO) in Kooperation mit AG Palliative Medizin (APM) · AG Soziale Arbeit (ASO) · AG Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege (KOK) sowie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onkologie e. V. (DAPO) · Bundesverband – Haus der Krebsselbsthilfe 152 Kommunikation in der Onkologie. Bericht von einem innovativen Seminarkonzept H. Rexer · C. Wülfing für die Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO) 153 Fragebogen-Studie für Patienten mit Niedrig-Risiko-Prostatakarzinom. Studie zu Therapieentscheidung und Bewälti-gungsstrategien nach Diagnose von Niedrig-Risiko-Prostatakarzinom (COPCa) Konferenz Onkologischer Krankenpflege (KOK) in Kooperation mit dem Krebsverband Baden-Württemberg e. V. 155 Deutschlands Onko-Team 2017 gesucht V. Grünwald · T. Steiner für die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Nierentumore der DKG 156 Stellungnahme zur adjuvanten Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms F. Griesinger · W. Eberhardt · N. Marschner · M. Jänicke · L. Spring · J. Sahlmann · A. Fleitz · A. Karatas · A. Hipper · M. Sebastian · M. Thomas 157 Großangelegtes Registerprojekt CRISP – Dokumentation eines rasanten Therapiewandels. Am Beispiel NSCLC im Stadium IV und IIIB mit palliativer Intention Sektion A I. Fischer · J. U. Rüffer · M. Besseler · P. Bojko · P. Heußner · M. Koller · V. Milani · C. Riedner · N. Rinas · G. Schlimok · E. Schneider · M. E. Heim 160 Tumor-Fatigue-Sprechstunde der Bayerischen Krebsgesellschaft e.V. Was passiert da eigentlich? Teil II: Beratung Niedersächsische Krebsgesellschaft e. V . 164 Dr. med. Renate Bendel verstorben Schleswig-Holsteinische Krebsgesellschaft e. V., Kiel 164 Die Kieler BrustkrebsSprotten. Selbsthilfe für junge Patientinnen vor der Menopause Bayerische Krebsgesellschaft e. V., München 165 Neue Broschüre für Angehörige von krebskranken Menschen Sächsische Krebsgesellschaft e. V., Zwickau 167 10. Sächsischer Krebskongress in Chemnitz. Fortbildung für Ärzte und Fachpersonal Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V.; Universitätstumorzentrum Düsseldorf; Krebsberatung Düsseldorf 168 Neues Beratungsangebot für Paare bei Krebs Sektion C 169 Wie lässt sich „Systemversagen“ vermeiden? AMNOG-Prozess in der Onkologie 170 „Lebensqualität muss adäquat erhoben werden“. Interview mit Dr. B. Wieseler Verschiedenes Adressen Termine Impressum, Wissenschaftlicher Beirat FORUM 107
Präsident Forum 2017 · 32:108 Peter Albers DOI 10.1007/s12312-017-0230-1 Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. Online publiziert: 22. Februar 2017 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017 Doppelte Register – doppelter Aufwand? geplante Register personenbezogene Da- sind alle Bundesländer in Deutschland ten über den Einsatz neuer Arzneimittel aufgefordert, bis Ende 2017 klinische beim metastasierten Brust- und Prostata- Krebsregister einzurichten, in einigen krebs sowie dem multiplen Myelom sam- Bundesländern sind sie bereits aktiv. Bei meln und auswerten. der Ausgestaltung des gesetzlichen Rah- Das Projektziel ist wichtig und verdient mens für die klinischen Krebsregister ha- jede erdenkliche gemeinsame Anstren- ben sich alle Beteiligten ausdrücklich auf gung: Seit langem schon mahnen Fachex- eine einheitliche, datensparsame Basis- perten an, dass die Datengrundlagen aus dokumentation und die Vermeidung von Zulassungsstudien nicht ausreichen, und Doppelerfassungen durch die Leistungs- fordern zusätzliche Versorgungsdaten zur erbringer verständigt. Beurteilung des wirklichen Nutzens eines Ohne Kenntnisse der vorherigen Kran- neu zugelassenen Medikaments. Ja, wir kengeschichte wird die Interpretation der Schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs brauchen solche Daten. Dennoch sei die Daten aus dem neuen Register schwierig. sind nicht nur im medizinischen Sinn sys- Frage erlaubt, ob wir dafür wirklich ein Und viele der Anforderungen an die kli- temische Erkrankungen, sie wirken sich komplett neues Register benötigen. Denn nischen Krebsregister werden auch für das auch auf das soziale Gefüge der Betroffe- mit den klinischen Krebsregistern steht neue Register gelten. Ob und wie eine Zu- nen aus – auf Partnerschaft, Familien- und bereits ein Instrument zur Verfügung, sammenarbeit zwischen beiden Registern Berufsleben. Gerade beim Thema „Krebs das den gesamten Krankheitsverlauf eines stattfinden soll und wie die Schnittstelle und Partnerschaft“ fühlen sich Patienten Krebspatienten, von der Erstdiagnose bis aussehen könnte, war bei der Förderent- oft alleine gelassen. Das vorliegende Heft zum Rückfall, lückenlos dokumentieren scheidung aber offenbar kein Kriterium. greift medizinische und psychosoziale As- kann. Liegt es da nicht nahe, beim Auf- Nutzt man die Synergiemöglichkeiten mit pekte aus diesem Bereich auf – ein, wie ich bau des neuen Registerprojekts Synergien den klinischen Krebsregistern nicht, dann finde, wichtiges Thema. mit den bestehenden klinischen Krebsre- kostet die Entwicklung des neuen Regis- Aus gegebenem Anlass möchte ich an gistern zu nutzen? ters zusätzliches Geld und der Aufwand »» dieser Stelle noch auf ein anderes, wichti- wird größer. Ich vertraue auf eine kon- ges Thema eingehen. Mit Spannung war Synergien mit den klinischen struktive Einstellung aller Beteiligten. die Entscheidung des Innovationsaus- Krebsregistern sollten genutzt schusses über die Projekte erwartet wor- Ihr den, die für die nächsten drei Jahre durch werden den Innovationsfonds gefördert werden. Seit Januar 2017 ist es offiziell: Im Rah- Der gesetzliche Rahmen für die bun- men des Innovationsfonds ist unter ande- desweite Erfassung personenbezogener rem der Aufbau eines neuen Krebsregis- Krankheitsdaten in klinischen Krebsre- ters zur besseren Bewertung von Nutzen gistern besteht bereits seit 2013 in Form und Schaden innovativer Krebsmedika- des sogenannten Krebsfrüherkennungs- Ihr Peter Albers mente geplant. Zu diesem Zweck soll das und -registergesetzes (KFRG). Demnach Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft 108 Forum 2 · 2017
DKG - aktuell Forum 2017 · 32:109–113 DOI 10.1007/s12312-017-0243-9 Online publiziert: 8. März 2017 Deutscher Krebspreis 2017 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017 verliehen Petra Boukamp, Martin Lipp, Guido Rei- minierungen für die drei Kategorien ex- nische Krebsforschung ging der Deutsche fenberger und Michael Hallek wurden perimentelle, translationale und klinische Krebspreis 2017 an Prof. Dr. med. Michael für ihre wegweisenden Arbeiten mit dem Krebsforschung. Hallek (Klinik I für Innere Medizin, Uni- Deutschen Krebspreis 2017 geehrt. In der Kategorie experimentelle Krebs- versität zu Köln, Centrum für Integrierte Der Deutsche Krebspreis, gestiftet von forschung ging der Preis an Prof. Dr. rer. Onkologie Köln Bonn). der Deutschen Krebsgesellschaft und der nat. Petra Boukamp (DKFZ Heidelberg) Auch wenn sich die Forschungsgebiete Deutschen Krebsstiftung, zählt zu den re- und Dr. rer. nat., Dr. rer. nat. habil. Martin unterscheiden, eines haben die Preisträger nommiertesten Auszeichnungen in der Lipp (Max-Delbrück-Centrum für Mole- gemeinsam: Sie stehen für herausragende deutschen Krebsmedizin. Am 1. März kulare Medizin, Berlin). Im Bereich trans- wissenschaftliche Originalität und Quali- fand in Heidelberg die Verleihung des lationale Forschung wurde Prof. Dr. med. tät aktueller und zukunftsweisender Ar- Deutschen Krebspreises 2017 im Rah- Guido Reifenberger (Institut für Neuro- beiten im Bereich Onkologie. men des 19th International AEK Cancer pathologie, Heinrich-Heine-Universität Woran arbeiten sie konkret? Warum? Congress statt. Eingegangen waren 15 No- Düsseldorf) geehrt. In der Kategorie kli- Wofür bekommen sie den Deutschen Krebspreis? Was treibt sie an, was bewegt sie? Das soll nicht nur die Fachwelt wissen, sondern die breite Öffentlichkeit. Deshalb hat die Deutsche Krebsgesellschaft die Preisträger in diesem Jahr selbst zu Wort kommen lassen: vier Forschungsgebiete, vier Menschen, vier Videos: www.krebs- gesellschaft.de/deutscher-krebspreis.html. Kontakt Renate Babnik Deutsche Krebsgesellschaft/Kommunikation Tel. 030 3229329-25 9 Krebspreisträger E-Mail: babnik@krebsgesellschaft.de 2017 Karl-Heinrich-Bauer-Medaille 2017 Die Deutsche Krebsgesellschaft ehrt Prof. Dr. Christian Wittekind für seine besonderen Verdienste Der Pathologe Professor Dr. Christian Deutsche Krebsgesellschaft verdient Professor Dr. Christian Wittekind erhielt Wittekind aus Leipzig wurde auf dem gemacht haben. Wittekind erhält die seine Anerkennung als Facharzt für Pa- Internationalen AEK-Kongress mit der Auszeichnung insbesondere für sei- thologie im Jahr 1986, im gleichen Jahr Karl-Heinrich-Bauer-Medaille ausge- ne Leistungen bei der Erstellung und habilitierte er auch. Es folgten Positionen zeichnet. Diese Auszeichnung ver- Überarbeitung der nationalen und in- als leitender Oberarzt am Pathologischen gibt die Deutsche Krebsgesellschaft ternationalen TNM-Klassifikation zur Institut der Medizinischen Hochschule (DKG) an Mitglieder, die sich beson- Stadienbestimmung bösartiger Tu- Hannover sowie als Leiter der Abteilung ders um die Krebsmedizin und um die moren. für Pathologie in der Chirurgischen und Forum 2 · 2017 109
DKG - aktuell der Zentren findet, die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert werden. „TNM ist das international am weites- ten verbreitete System zur Beschreibung der Krebsausbreitung und zur Einschät- zung der individuellen Prognose. Ohne eine solche Klassifikation wäre eine ein- heitliche Tumordokumentation undenk- bar. Prof. Wittekind hat als international anerkannter Experte einen ganz wesent- lichen Anteil nicht nur an der Weiterent- 9 DKG-Präsident Prof. wicklung dieses Systems, sondern auch Albers (rechts) verlieh daran, dass es korrekt eingesetzt wird. ©©Brigitte Engelhardt dem Pathologen Prof. Dr. Christian Wittekind Darauf sind wir sehr stolz“, hob Prof. Dr. aus Leipzig die Peter Albers, Präsident der Deutschen Karl-Heinrich-Bauer- Krebsgesellschaft, anlässlich der Verlei- Medaille 2017 hung der Karl-Heinrich-Bauer-Medaille hervor. Urologischen Klinik Universität Erlangen; Wittekind ist seit 1993 Mitglied der an beiden Universitäten hatte Wittekind TNM Prognostic Factors Core Group Die Karl-Heinrich-Bauer- auch eine Professur inne. 1996 nahm Wit- der Union internationale contre le can- Medaille tekind den Ruf auf eine C4-Professur am cer (UICC), seit 1995 Mitglied und seit Universitätsklinikum Leipzig an und lei- 2006 Vorsitzender des deutschsprachigen Mit dieser Auszeichnung möchte die tet seither dort das Institut für Pathologie. TNM-Komitees. Er fungiert als Heraus- Deutsche Krebsgesellschaft die Erinne- Zu den besonderen Verdiensten Wit- geber der wesentlichen Standardwerke in rung an den bedeutenden Chirurgen Karl tekinds zählt die Weiterentwicklung des diesem Bereich: Dazu zählen die Auflagen Heinrich Bauer, Ordinarius der Chirur- sogenannten TNM-Systems. TNM be- 5 bis 8 der TNM-Klassifikation maligner gischen Klinik in Heidelberg und Grün- schreibt die anatomische Ausbreitung des Tumoren sowie die aktuellen Auflagen der des Deutschen Krebsforschungszent- Tumorgeschehens in drei Parametern: T des TNM-Atlas und des TNM-Supple- rums, als großen Arzt und erfolgreichen steht für die lokale Ausbreitung des Pri- ments. Als Sprecher der 2012 gegründe- Forscher auf dem Gebiet der Onkologie märtumors, N für die Metastasierung in ten Arbeitsgemeinschaft Tumorklassifi- lebendig halten. Der Preis wird seit 1994 regionäre Lymphknoten, M für das Feh- kation in der Onkologie (ATO) engagiert vergeben. len oder Vorhandensein von Fernmeta- sich Wittekind auch innerhalb der Deut- stasen. Diese Einstufung erlaubt prog- schen Krebsgesellschaft für das TNM-Sys- Kontakt nostische Aussagen und gibt häufig den tem. Die ATO beteiligt sich zum Beispiel Ausschlag für den weiteren Therapiever- an der Entwicklung onkologischer Leit- Dr. Katrin Mugele lauf; sie wird unter anderem auch von linien; sie setzt sich außerdem dafür ein, Pressestelle der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. Krebsregistern zur Tumordokumentati- dass die aktuell geltenden Tumorklassifi- Tel: 030 3229329-60 E-Mail: mugele@krebsgesellschaft.de on herangezogen. kationen Eingang in die Erhebungsbögen 360° Onkologie – unser neues Infoangebot für Politik und Gesellschaft „360° Onkologie“ ist seit Februar 2017 Schwerpunktthema, auf Versorgungszu- die politische Steuerung im Gesundheits- unser neues Informationsangebot für sammenhänge in der Onkologie sowie wesen ergeben. Politik und Gesellschaft. Drei- bis vier- auf medizinische Innovationen. Und wir Als Fachgesellschaft mit einem ein- mal im Jahr lenken wir die Aufmerksam- stellen die Frage, wie diese Themen das maligen Pool an Experten und Expertise keit mit einer Publikation, einem Video Leben von Krebsbetroffenen beeinflussen bringt sich die DKG sowohl in die Versor- und einer Infografik auf ein bestimmtes und welche Konsequenzen sich daraus für gungsrealität als auch in gesellschaftliche 110 Forum 2 · 2017
tung? Psychosoziale Onkologie? Wo ist der Unterschied? Die Botschaft: Unab- hängig von Begriffen empfehlen wir je- dem Betroffenen, eine Krebsberatungs- stelle aufzusuchen. Jede Ausgabe der Publikation „360° Onkologie“ wird künf- tig von einem Videostatement mit allge- mein verständlichen Zusatzinformatio- nen begleitet. Die Infografik „360° Onkologie“: Zur freien Nutzung stellen wir zu jedem Heft auch eine Infografik bereit – dieses Mal über die ambulante Krebsberatung in den Landeskrebsgesellschaften. Die Infografik ©©Renate Babnik/DKG ist im Format einer Powerpoint-Folie an- gelegt und kann unter Nennung des Ur- hebers direkt, aber unverändert übernom- men werden. 8 Generalsekretär Dr. Johannes Bruns beim Videodreh zu „360° Onkologie“. Das Ergebnis gibt es auf Das Infopaket ist auf www.krebsgesell- www.krebsgesellschaft.de/360-grad-onkologie schaft.de/360-grad-onkologie zu finden. Generalsekretär Dr. Johannes Bruns freut sich, durch das neue Informationsangebot und politische Debatten ein. Mit „360° ren Folgen auf. Konkrete Aktivitäten und in einen stärkeren Austausch zu treten – Onkologie“ öffnen wir einen weiteren Ka- Termine der Deutschen Krebsgesellschaft auch intern. Anregungen, Kommenta- nal für eine stärkere Präsenz der DKG in runden das Heft ab. Druckexemplare ver- re und Kritik zum Heft bzw. zu einzel- Politik und Gesellschaft. Die interne Be- schicken wir an Akteure und Multiplika- nen Beiträgen, zum Video, zur Infografik fragung im vergangenen Jahr (Marken- toren in Politik, Institutionen und Medi- schreiben Sie bitte an bruns@krebsgesell- kernanalyse) hatte das als eine Aufgabe en. Onlineausgaben stehen auf unserer schaft.de. formuliert. Webseite für jedermann bereit. Das Heft „360° Onkologie“: Erstes Das Video„360° Onkologie“: Der Schwer- Kontakt Schwerpunktthema ist die Psychoonkolo- punktbeitrag Psychoonkologie im aktuel- gie. Weitere Rubriken sind auf acht Seiten len Heft wird ergänzt um ein Videostate- Renate Babnik unter anderem Innovation, Versorgung ment von Generalsekretär Dr. Johannes Deutsche Krebsgesellschaft/Kommunikation sowie ein offenes Thema. Ein Serviceteil Bruns, in dem Begriffe erläutert werden: Tel. 030 3229329-25 E-Mail: babnik@krebsgesellschaft.de greift Gesetze und Beschlüsse sowie de- Psychoonkologie? Psychosoziale Bera- Darmkrebs-Präventionspreis 2016 geht an Ulrike Haug Epidemiologin wird für Studie zum Untersuchungsintervall bei immunologischen Stuhltests geehrt Der Darmkrebs-Präventionspreis 2016 Stuhl in der Darmkrebsfrüherkennung. Jahren möglicherweise den gleichen Nut- geht an Prof. Dr. Ulrike Haug vom Leib- Bislang wird empfohlen, diese Stuhlun- zen bringt. Der Darmkrebs-Präventions- niz-Institut für Präventionsforschung und tersuchung alle ein bis zwei Jahre durch- preis wird von der Deutschen Krebsge- Epidemiologie – BIPS in Bremen. Die re- führen zu lassen. In ihrer Studie konnte sellschaft, der Stiftung LebensBlicke und nommierte Wissenschaftlerin erhält den Ulrike Haug zeigen, dass beim Einsatz der Deutschen Krebsstiftung für heraus- Preis für eine Studie zum Einsatz quanti- eines empfindlicheren Tests ein längeres ragende Projekte und Untersuchungen im tativer immunologischer Tests auf Blut im Untersuchungsintervall von bis zu fünf Bereich der Darmkrebsprävention verge- Forum 2 · 2017 111
DKG - aktuell tiver und der organisatorische Aufwand geringer werden“, erklärte Prof. Dr. Jür- gen Riemann von der Stiftung LebensBli- cke die Entscheidung der Jury. „Generell sollten wir in Deutschland mehr in die Erforschung von Krebsfrüherkennungs- maßnahmen und Prävention investieren“, ergänzte Dr. Johannes Bruns, Generalse- kretär der Deutschen Krebsgesellschaft. „Solche Untersuchungen wie die der Preisträgerin liefern die Grundlage, um die Akzeptanz der Darmkrebsvorsorge in der Bevölkerung zu verbessern. Durch die ©©Hessische Krebsgesellschaft/Andreas Mann Vergabe des Darmkrebs-Präventionsprei- ses am Weltkrebstag wollen wir auf qua- litativ hochwertige Forschungsansätze in diesem Bereich aufmerksam machen.“ „Wir sind sehr stolz, dass die Preis- verleihung am Weltkrebstag in Wiesba- den stattfindet und froh, dass Krebsprä- ventionsinitiativen wie ‚du bist kostbar‘, die in Hessen initiiert wurde, mittlerwei- 8 v. l.: Prof. Riemann (Stiftung LebensBlicke), Prof. Albers (DKG), Prof. Dr. Ulrike Haug (Preisträgerin), Stefan Grüttner (hessischer Sozialminister) und Tom Buhrow (Schirmherr der Deutschen Krebsstiftung) le bundesweit umgesetzt wurden“, erklär- te der hessische Gesundheitsminister Ste- fan Grüttner. ben. Die Preisverleihung fand am 4. Fe- ckeln, zuverlässiger als chemische Tests. Der Darmkrebs-Präventionspreis bruar 2017, dem Weltkrebstag, auf der Quantitative immunologische Tests haben Veranstaltung „Hessen gegen Krebs“ in außerdem den Vorteil, dass sich ihre Emp- Der Darmkrebs-Präventionspreis ist eine Wiesbaden statt. findlichkeit exakt einstellen lässt. Initiative der Deutschen Krebsgesell- In Deutschland können alle gesetz- In ihrer Studie wertete das Team von schaft (www.krebsgesellschaft.de), der lich Krankenversicherten ab 55 Jahren Ulrike Haug in Zusammenarbeit mit der Stiftung LebensBlicke (www.lebensbli- eine Darmspiegelung in Anspruch neh- Erasmus-Universität in Rotterdam die Da- cke.de) und der Deutschen Krebsstiftung men. Sie ist die zuverlässigste Methode ten von 4523 Menschen aus. Die Proban- www.deutsche-krebsstiftung.de). Die Or- zur Früherkennung von Darmkrebs und den im Alter von 50 bis 74 Jahren hatten ganisationen setzen sich gemeinsam für muss bei unauffälligem Befund erst nach am niederländischen Darmkrebsfrüher- eine bessere Darmkrebsvorsorge und zehn Jahren wiederholt werden. Derzeit kennungsprogramm teilgenommen und -früherkennung ein. Der Darmkrebs-Prä- nehmen aber leider nur 20 bis 30 % aller sich dabei wiederholt einem quantitativen ventionspreis (bis 2014 Darmkrebs-Kom- Berechtigten dieses Angebot wahr. Eini- immunologischen Stuhltest unterzogen. munikationspreis) wird jährlich vergeben ge Vorsorgewillige bevorzugen stattdessen Basierend auf diesen Daten zeigten die und ist mit 5000 Euro dotiert. einen Test auf verborgenes Blut im Stuhl. Wissenschaftler, dass die seltenere Anwen- Diese Tests werden von den Kassen bereits dung eines empfindlicheren Tests (etwa Kontakt ab dem 50. Lebensjahr erstattet und soll- alle fünf Jahre) ähnlich viele Krebsfrüh- ten alle ein bis zwei Jahre wiederholt wer- stadien und Vorstufen identifizieren kann Dr. Katrin Mugele den. Bislang erfolgte der Nachweis auf Blut wie der weniger empfindliche Test mit ei- Pressestelle der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. im Stuhl mittels eines chemischen Tests; nem zweijährigen Untersuchungsintervall. Tel: 030 3229329-60 E-Mail: mugele@krebsgesellschaft.de zurzeit wird auf quantitative immunologi- „Die Preisträgerin hat mit ihrer Studie sche Verfahren umgestellt. Sie weisen den einen Ansatz geliefert, wie sich die Stuhl- Pia Edinger Blutfarbstoff Hämoglobin mit einem An- test-basierte Darmkrebsvorsorge mögli- Geschäftsstelle der Stiftung LebensBlicke tikörper nach und erkennen Darmkrebs cherweise vereinfachen lässt. Durch län- Tel: 0621 690853-88 sowie gutartige Wucherungen im Darm, gere Abstände zwischen den Tests könnte E-Mail: pia.edinger@lebensblicke.de die sich möglicherweise zu Krebs entwi- das Screening für die Bevölkerung attrak- 112 Forum 2 · 2017
CanCon-Guide veröffentlicht Der unter Beteiligung der Deutschen Krebsgesellschaft erstellte CanCon-Guide ist seit dem 10. Februar veröffentlicht und unter www.cancercontrol.eu/guide-lan- ding-page/abrufbar. Der CanCon-Guide ist das Kernprodukt der Cancer Control Joint Action der Europäischen Union – das entspricht etwa einem europäischen Krebsplan. Der CanCon-Guide richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter im Gesundheitswesen, an Regierun- gen und Entscheidungsträger und macht Vorschläge, wie Krebs in Zukunft effekti- ©©Quelle: Renate Babnik/DKG ver bekämpft werden kann und wie Un- terschiede in der Versorgungsqualität zwi- schen Mitgliedsstaaten abgebaut werden können. Kontakt Dr. Simone Wesselmann Dr. Christoph Kowalski Bereich Zertifizierung Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Kuno-Fischer-Str. 8 14057 Berlin wesselmann@krebsgesellschaft.de kowalski@krebsgesellschaft.de Forum 2 · 2017 113
DKG - aktuell Forum 2017 · 32:114–117 Dr. Johannes Bruns • Sabine Dittmar MdB • Prof. Dr. Arno Elmer • Prof. Dr. Michael DOI 10.1007/s12312-017-0244-8 Hallek • Michael Hennrich MdB • Ralf Rambach • Götz Jonas • Priv.-Doz. Dr. Monika Online publiziert: 14. März 2017 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017 Klinkhammer-Schalke • Ulrike Knirsch • Prof. Dr. Bernd Joachim Krause • Karin Maag MdB • Prof. Dr. Georg Marckmann • Dr. Ursula Marschall1 • Ralf Rambach2 • Prof. Dr. h. c. Herbert Rebscher • Prof. Dr. Stephan Schmitz • Dr. Hubert Seiter • Prof. Dr. Christoph Straub1 • Dr. Leonie Uhl • Prof. Dr. Jürgen Wasem BARMER 1 Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband (HKSH-BV) 2 Positionspapier zur „Wissen generierenden onkologischen Versorgung“ Vorgelegt am 2. Februar 2017 von der AG Zukunft der Onkologie Einleitung tisch unterschiedliche Entitäten aufgeteilt len für viele Krebsarten, neue Methoden wird, die jeweils unterschiedlich behan- zur Therapie des schwarzen Hautkreb- Die Behandlung von Krebs stellt unverän- delt werden können, kann man den ra- ses (RAF-Inhibitoren, Immuntherapeuti- dert eine der größten medizinischen He- santen Wandel sehr gut ablesen. Das Bei- ka) oder neue Therapien der chronischen rausforderungen unserer Zeit dar. Zurzeit spiel des Netzwerks Genomische Medizin lymphatischen Leukämie (Bcl-2-Inhibitor erkranken etwa 500.000 Menschen jähr- Lungenkrebs (mit Sitz in Köln) zeigt, wie Venetoclax, Bruton-Tyrosinkinase-Inhi- lich in Deutschland an Krebs. Trotz erheb- dieses Wissen in regionale Behandlungs- bitor Ibrutinib, Phosphoinositol-3-Kina- licher Fortschritte versterben noch immer konzepte übersetzt werden kann, welche se-Inhibitor Idelalisib, Anti-CD20-Anti- um die 40 bis 50 % aller neu diagnostizier- die Überlebenszeiten von Krebspatienten körper Obinutuzumab). ten Patienten an dieser Erkrankung. Au- verbessern. In vielen Fällen findet die Behandlung ßerdem steigt die Zahl der Krebsneuer- Insgesamt hat sich das wissenschaftli- mit neuen Medikamenten erst nach aus- krankungen. Gleichzeitig verursachen die che Verständnis, wie Krebs entsteht und führlicher molekulargenetischer Diagnos- Innovationen auf diesem Feld sehr schnell sich ausbreitet, dramatisch verbessert und tik statt, so beim Lungenkarzinom, aber wachsende Kosten, welche das Gesund- damit neue Möglichkeiten zur Therapie auch bei der chronischen lymphatischen heitssystem vor neue Herausforderungen eröffnet. Insbesondere für die Immunthe- Leukämie mit neuen, hochwirksamen In- stellen. rapie aktivieren wirksame Medikamente hibitoren, die eine Langzeitkontrolle der Insgesamt steht die Krebsforschung das Immunsystem zur effektiven Krebs- Erkrankung möglich machen könnten. an einem Wendepunkt. Die Wissenschaft therapie. Diese sogenannten Immun- Eine bedeutende Rolle spielt in die- muss gemeinsam mit den Versorgern und therapeutika zeigen bereits klare Erfolge sem Zusammenhang auch das Thema Kostenträgern im Gesundheitswesen eine bei Melanomen, Leukämien oder Lym- „Big Data“. In Deutschland sind diese Da- konzertierte Anstrengung unternehmen, phomen. Sie werden sehr wahrschein- ten in den unterschiedlichsten Medien, um erfolgreich zu sein. Krebs ist heute lich relevant bei einer großen Zahl weite- Registern und Institutionen gespeichert. nicht eine Krankheit, sondern hunderte rer Krebsarten. Ein anderer Ansatz greift Häufig wird sogar noch manuell archi- verschiedener Erkrankungen und Störun- verschiedene Signalwege an, die essentiell viert. Außerdem sind bei der Sammlung gen, jede mit einzigartigen Merkmalen, sind für die Krebsentwicklung, und ver- und Analyse dieser Daten sehr unter- Treibermutationen, aber auch Ansatz- wendet immer häufiger Kombinationen schiedliche Beteiligte involviert: Patien- punkten für eine gezielte Behandlung. Am von therapeutischen Inhibitoren, um die ten, Ärzte, Apotheker, Versicherungen/ Beispiel des Lungenkarzinoms, das bis vor Resistenzentwicklung zu hemmen. Krankenkassen, Regierungsinstitutionen, kurzem in zwei wesentliche Diagnosen Als konkrete Beispiele für diese Ent- Medizintechnik- und Arzneimittelher- eingeteilt wurde (kleinzelliges und nicht- wicklungen können stellvertretend ge- steller sowie Software- und Telekommu- kleinzelliges Lungenkarzinom) und das nannt werden: Checkpoint-Inhibitoren nikations-Unternehmen, deren Interessen heute in mindestens zwei Dutzend gene- oder gentherapeutisch modifizierte T-Zel- nicht zwangsläufig identisch sind. 114 Forum 2 · 2017
In der Medizin haben prospektiv oder tive darin, diese Forschungsbemühun- ständig beforscht, dadurch werden im auch retrospektiv erhobene Daten einen gen zu beschleunigen, Barrieren in der Monatstakt Behandlungen optimiert. hohen Stellenwert, zum Beispiel in klini- Forschung abzubauen, welche den frei- Diese Tatsache lässt die Forschung schen Studien oder Registern. Sie haben en Austausch von Patientendaten und und die Behandlung von Krebspatien- schon immer dazu beigetragen, neue Me- deren Krebsmerkmalen (-genomen) er- ten verschmelzen. Dabei ist sicherzu- dikamente, Diagnostika und Medizin- möglichen, Kooperationen zwischen For- stellen, dass sich die Krankenversiche- produkte erfolgreich zu entwickeln und schern, Ärzten, Spendern, Patienten und rung an der Wissensgenerierung aus operative Verfahren zu verbessern. Aber Patientenvertretern, Biotechnologie- und der Versorgung beteiligt, aber keine die Datennutzung in Deutschland ist seit Pharmaunternehmen zu beschleunigen Forschung finanziert. langem auf diesen Stand beschränkt und und zu verbessern. Die Initiative möch- 2. Das Ziel ist, eine integrierte, Wissen im Vergleich zu anderen Ländern (wie te die Innovationen von zehn Jahren in generierende onkologische Versor- Schweden, Dänemark oder USA) rück- bereits fünf Jahren erbringen, um Patien- gung zu schaffen. Diese bildet sekto- ständig. ten mehr Therapien früher zur Verfügung renübergreifende Netzwerke mit den Obwohl heute eine Vielzahl von Da- zu stellen und gleichzeitig Möglichkeiten bereits vorhandenen stationären und ten aus unterschiedlichsten Quellen zur zur Früherkennung und Prävention von vertragsärztlichen Versorgern in der Verfügung steht, können diese aus ver- Krebs zu verbessern. Onkologie. Hierbei wird nicht ange- schiedenen Gründen kaum genutzt oder Wenn Deutschland von diesen Entwick- strebt, dass die sogenannten Zentren ausgewertet werden. Dabei gibt es vie- lungen nicht völlig abgekoppelt werden will, (zum Beispiel Comprehensive Cancer le Fragestellungen, für deren Lösung die muss es selbst rasch handeln und umfas- Centers) die anderen Leistungserbrin- vorhandenen medizinischen Daten einen send neue Wege gehen, um die konzer- ger verdrängen, sondern diese bzw. essentiellen Beitrag leisten könnten. Ihre tierte Forschung an Krebserkrankungen deren Patienten sollen durch die Ver- Analyse könnte beispielsweise dabei hel- zu verbessern und diese Innovationen in netzung mit den Zentren profitieren. fen, die Qualität von Behandlungen zu die klinische Anwendung zu tragen. Da- Konkret werden regionale translatio- beurteilen, Patientengruppen zu clustern her schlägt diese Arbeitsgruppe ein Pro- nale Tumorkonferenzen aufgebaut und und Therapien genauer einzusetzen. Au- gramm vor, um in Deutschland eine deut- finanziell unterstützt, insbesondere, ßerdem könnten diese Daten helfen, die liche Dynamisierung auf diesem Gebiet zu aber nicht ausschließlich bei Krebs- Forschung für neue Behandlungsansätze erzielen, das für die Gesundheit der Bevöl- erkrankungen mit hohem medizini- voranzutreiben, zum Beispiel bei selte- kerung und die Volkswirtschaft Deutsch- schen Bedarf und hoher Innovations- nen Krebserkrankungen, bei denen gera- lands eine herausragende Bedeutung hat. dichte. Die Patientenselbsthilfe wird in de das Sammeln großer Mengen von ver- diese Netze integriert. wertbaren Gesundheitsdaten infolge der Das Programm 3. Die umfassende und gemeinsame Nut- geringen Zahl an Betroffenen eine He- zung von klinischen Daten mit relevan- rausforderung darstellt. Oder in der Ver- Dieses Programm hat folgende Merkmale ten, bildgebenden, biologischen oder sorgungsforschung, in der die bereits ver- und Kernideen: molekulargenetischen Daten („Omics“) fügbaren Daten zentral zusammengeführt 1. Forschung an Krebs wird heute un- muss zur Regel werden. Die für die und zum Nutzen der Patienten ausgewer- mittelbar in Behandlungsstrategien Forschung dringend notwendigen tet werden könnten. Ein Großteil dieser überführt. Ergebnisse aus Krebsthera- Strukturen zum Datenaustausch müs- Daten kann allerdings heute nicht genutzt pien generieren Forschungserkennt- sen zeitnah und praxistauglich ge- werden, sei es aus Datenschutzgründen, nisse. Daher müssen Forschung an schaffen werden. Die Daten gehören aus fehlenden Datenverarbeitungsmög- Krebs und Behandlung in enger Ko- dem Patienten, der sie der Forschung lichkeiten, oder aber aufgrund von Barri- operation und Vernetzung organisiert zur Wissensgewinnung übertra- eren der Datenübermittlung zwischen den sein. Dazu ist eine forschungsbasierte gen kann (Patientenwille vor Daten- unterschiedlichen Leistungserbringern im und „Wissen generierende“ Versor- schutz). Durch staatliche Maßnah- Gesundheitswesen. gung notwendig. Aus dieser Erkennt- men soll die Weiterleitung der Daten In dieser Situation hat der ehemalige nis folgen grundsätzliche strukturelle in die klinischen Krebsregister (§ 65c Präsident Obama während seiner „State Veränderungen – sowohl in der For- SGB V) als hoheitliche Aufgabe si- of the Union“-Ansprache 2016 Vizeprä- schung als auch für die Behandlung chergestellt werden, um so die Sicher- sident Biden beauftragt, ein neues, bisher von Krebs sowie für das System an heit und Verfügbarkeit der Daten zu nicht dagewesenes, nationales Programm sich. Aufgrund der sehr starken Dy- gewährleisten. Die regional tätigen zu starten, die „Moonshot“-Initiative, um namik in der Onkologie sind heute CCCs können hier als Datensammel- Krebs in seiner heutigen Form auszumer- die Forschungserkenntnisse manch- stellen tätig werden, welche die Infor- zen [1]. Als Startkapital für diese Initia- mal in wenigen Jahren praxisrelevant. mationen an die Klinischen Krebsre- tive hat das Weiße Haus 2016 einen Betrag Außerdem werden neue Medikamen- gister weiterleiten. Die Länder werden von einer Milliarde Dollar zur Verfügung te als Einzelsubstanzen entwickelt, verpflichtet, die entsprechenden Da- gestellt. Ihre gegenwärtige Aufgabe sieht entfalten aber ihre eigentliche Wir- ten an ein neu zu implementierendes die amerikanische „Moonshot“-Initia- kung erst in Kombination. Dies wird Forum 2 · 2017 115
DKG - aktuell nationales klinisches Sammelregister einheitliche Standards, zum Beispiel tung einer wissenschaftlich begründeten, weiterzuleiten. wie bei der DRG-Vergütung, sind zu klinisch orientierten Qualität der Indika- 4. Zur Erreichung einer zuverlässigen implementieren. Vor allem der medi- tionsstellung. Insbesondere ist es Ziel, dass Evidenz nach der Zulassung neuer zinische Leistungsbereich der „spre- alle Patienten einen fairen und schnellen Medikamente sind Postzulassungs- chenden oder zuhörenden Medizin“ Zugang zu nachweislich wirksamen, inno- studien der Goldstandard. Daneben muss stärker in den Vordergrund von vativen Krebstherapien erhalten. müssen ergänzende, neue Formen der Vergütungsstrukturen gerückt wer- Zusammen mit den Basisdaten aus den Evidenzgenerierung (Versorgungs- den. Klinischen Krebsregistern (§ 65c SGB V) studien, Krebsregister) ihren Nieder- 7. Die für Patienten und deren Ange- muss eine aussagekräftige, einfache, ein- schlag finden. Eine Finanzierung die- hörige erheblichen seelischen Belas- heitliche onkologische Qualitätsbericht- ser Maßnahmen ist sicherzustellen. tungen und Anpassungsstörungen erstattung für Leistungserbringer, Ent- Die Steuerung dieser Maßnahmen müssen durch geeignete Maßnahmen scheidungsträger und Patienten erfolgen. wird einer nationalen Einrichtung verringert werden. Hierzu gehören Durch die Nutzung der bestehenden Re- übertragen, die wissen(schaft)s- die Anerkennung der Psychoonkolo- gisterdokumentation der jeweiligen Län- gesteuert arbeiten muss. gie als voll erstattungsfähige Leistung der werden redundante Dokumentati- 5. Zusammenarbeit und Vernetzung: in der ambulanten wie der stationären onsleistungen strikt vermieden. Hierzu Die onkologische Regelversorgung Versorgung ebenso wie die Einrich- müssen auch verlässliche, zentrale, län- in Deutschland soll einen Qualitäts- tung eines gemeinsam mit den Patien- derübergreifende Strukturen in Form ei- sprung erfahren. Um wesentliche tenvertretern entwickelten Informati- nes nationalen klinischen Sammelregis- Fortschritt zu erzielen und Innovatio- onssystems (Patientenlotsen) und ein ters geschaffen werden. nen an den Patienten zu bringen, dür- Programm zur Patientenedukation Zur Sicherung und kontinuierlichen fen Forscher und Ärzte nicht länger (Prähabilitation). Evaluation neuer Erkenntnisse (For- im akademischen Streben um Publi- schung = Krebstherapie) werden Struktu- kationen und Impact-Faktorpunkte, Erste Vorschläge für gesetzgebe- ren zur klinischen Prüfung onkologischer sowie im wirtschaftlichen Wettbe- rische und politische Maßnah- Behandlungen sowie Forschung zur Prü- werb um Marktanteile im Gesund- men fung der Wirksamkeit neuer Therapieopti- heitswesen arbeiten, sondern müssen onen unter Alltagsbedingungen gefördert. sich vernetzen. Der Wert der For- Um diese Ziele umzusetzen, schlägt der Der Zugang zu Forschungseinrichtun- schungsergebnisse auf diesem Gebiet Arbeitskreis eine Reihe von Maßnahmen gen in der Versorgungskette wird sicher- muss sich auch am Wert für die Ge- vor. Im Folgenden findet sich eine ers- gestellt. sellschaft messen lassen. Die für einen te Zusammenstellung. Die Maßnahmen Der Gesetzgeber stellt zudem die zu- freien Austausch von Wissen über die nehmen zum Teil bereits im Nationalen verlässige, anbieterunabhängige und zeit- Patienten schädlichen Sektorengren- Krebsplan verabschiedete Maßnahmen nahe Bewertung neuer Krebsarzneimittel zen zwischen ambulant und stationär und Ziele wieder auf, die bis heute nur nach der Zulassung sicher und fördert im Gesundheitswesen müssen kon- unvollständig umgesetzt sind: ihre schnelle Einführung in die Versorgung, sequent abgebaut werden, Zusam- auch unter Nutzung der dafür im Zulas- menarbeit zwischen Krankenhäusern Arbeitskreisziel 1: Qualitätsge- sungsverfahren („conditional approval“) und Praxen, Universitäten und nicht- sicherte, vernetzte, regionale, bzw. im AMNOG-Verfahren (Befristung) universitären Einrichtungen, sowie forschende Kompetenzzentren etablierten Instrumente. Die neuen Arz- zwischen verschiedenen Berufs- oder aufbauen (entspricht Handlungs- neimittel zur Krebsbehandlung sind aber Facharztgruppen zur Regel werden. feld 2 des Nationalen Krebsplans: nach Zulassung und Nutzenbewertung Mit der Einführung der ambulan- Weiterentwicklung der onkologi- durch das AMNOG weiter zu evaluieren. ten spezialfachärztlichen Versorgung schen Versorgungsstrukturen und Hier ist gegebenenfalls das AMNOG zu nach § 116b SGB V ist eine richtige der Qualitätssicherung) ergänzen, eindeutiger zu formulieren oder Weichenstellung erfolgt, die jetzt aber einfach konsequenter zu nutzen. konsequent weiterverfolgt und ausge- Alle Krebspatienten erhalten eine qualita- Insgesamt stellen diese gesetzgeberi- baut werden muss. tiv hochwertige Versorgung, unabhängig schen Maßnahmen die innovative, evi- 6. Ambulantisierung: Onkologische The- von Alter, Geschlecht, Herkunft, Wohn- denzbasierte und patientennahe Ver- rapien können zunehmend ambulant ort und Versichertenstatus. Innovatio- ordnungspraxis sicher, begünstigen durchgeführt werden. Daher müs- nen in Diagnostik und Therapie werden gleichzeitig aber auch die nachhaltige sen für die Förderung der Vernet- in diesen Netzen permanent evaluiert Sicherung der Finanzierbarkeit medizi- zung speziell in diesem Bereich klare und dokumentiert. Forschungszentren nisch notwendiger hochpreisiger Krebs- Strukturen vom Gesetzgeber definiert (Universitäten) werden in diese Netzwer- arzneimittel. werden. Die Heterogenität bei der Ab- ke integriert und übernehmen einen Teil Die notwendigen Maßnahmen zur rechnung von ambulanten Leistun- der Koordinierungsaufgaben. Die Netz- molekularen Diagnostik („Omics“) wer- gen muss abgebaut werden. National werke übernehmen dabei die Verantwor- den hier ebenfalls integriert und in einem 116 Forum 2 · 2017
praxisrelevanten, qualitätsgesicherten (3) Die Therapieplanung für definier- über die Versorgung im jeweiligen Sektor Vorgehen in die Behandlungs-Stratifizie- te Entitäten und Indikationen findet hinaus. Dadurch wird unter anderem si- rung integriert; das bedeutet einen um- in interdisziplinären translationalen chergestellt, dass Patienten nach der Be- fassenden Einsatz der zur Verfügung ste- Tumorkonferenzen statt und schließt handlung im Krankenhaus nicht aus dem henden diagnostischen Methoden. Dieses alle an der Therapie und Behandlung Blick verloren werden. Ein wesentliches Vorgehen ist unter anderem deshalb un- beteiligten Berufsgruppen und Fach- Ziel besteht in der longitudinalen Beglei- verzichtbar, weil häufig seltene Mutatio- richtungen ein. tung des Patienten über die Sektorengren- nen in großen Patientenkollektiven aufge- (4) An den Konferenzen werden Patien- zen hinweg. spürt werden müssen, um den Patienten tenvertreter beteiligt. tatsächlich die passende Therapie zu ver- (5) Diese Fallvorstellungen in den in- Prähabilitation abreichen. terdisziplinären, translationalen Tu- (1) Patienten, bei denen eine komplexe, Um den Zugang der Patientinnen und morkonferenzen (inklusive Vor- und potentiell lebensbedrohliche Erkran- Patienten zu einer integrierten onkologi- Nachbereitung und Dokumentation) kung diagnostiziert wird, die in ihrem schen Versorgung zu erleichtern, stehen werden gesondert vergütet. Verlauf auch das soziale Leben des unterschiedliche Maßnahmen und Instru- Patienten und sein Umfeld betreffen mente zur Verfügung, zum Beispiel die Arbeitskreisziel 2: Aufbau einer kann, haben vor einer medizinischen Einführung eines Anspruchs der GKV- qualitätsgesicherten, auf den Intervention Anspruch auf Schu- Versicherten in das SGB V auf Vorstel- Bedarf der Krebspatienten abge- lungsmaßnahmen. lung in einer regionalen translationalen stimmten psychoonkologischen (2) Voraussetzung an der Teilnahme an Tumorkonferenz, die Einführung einer Versorgung, sowie eines Systems einer vortherapeutischen Patienten- speziellen Qualitätssicherung (auch zur zur bedarfsgerechten Patientenin- schulung ist, dass eine medizinische Beurteilung von Blut- und Gewebepro- formation und -begleitung sowie Intervention nicht unmittelbar erfor- ben in einem Zentrum) oder die Erwei- Prähabilitation derlich ist. terung der ambulanten spezialfachärztli- (3) Die Schulung umfasst physiothera- chen Versorgung gemäß § 116 SGB V. Psychoonkologische Versorgung peutische, psychosoziale, sozialrecht- Hierzu könnte folgende gesetzgeberi- Die psychoonkologische Versorgung wird liche und medizinische Inhalte. Das sche Maßnahme erwogen werden: im Sinne des Nationalen Krebsplans (Ziel Schulungsprogramm kann innerhalb Einführung einer Neuregelung unter 9) zur Regelversorgung. Die Psychoonko- von fünf Werktagen absolviert wer- dem Titel „Interdisziplinäre, translationale logie unterstützt nachweislich den The- den. Therapiekonferenz“ (alternativ auch Quali- rapieerfolg. Sie zielt vor allem darauf ab, tätssicherung oder Neufassung des § 116b die Belastungen von Tumorpatienten zu Kontakt ASV ohne Ausnahmeklauseln oder ande- lindern, die durch Krankheit und Thera- re einschränkende Bedingungen): pie entstehen. Psychosoziale Beratung un- Dr. Johannes Bruns (1) Patienten, bei denen eine behand- terstützt den Patienten bei der Auseinan- Generalsekretär lungspflichtige onkologische Erkran- dersetzung mit der Erkrankung und ihren Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Kuno-Fischer-Str. 8 kung diagnostiziert wird, die einen Folgen.Die psychoonkologische Versor- 14057 Berlin besonderen Aufwand im Hinblick auf gung liegt in der gesamtgesellschaftlichen Tel.: 030322932923 eine molekulare Diagnostik und die Verantwortung und ihre Finanzierung ist E-Mail: bruns@krebsgesellschaft.de Entwicklung einer dementsprechend nicht ausschließlich Aufgabe der GKV. komplexen Therapiestrategie mit sich bringt, haben Anspruch auf eine in- Lotsensystem terdisziplinäre Besprechung und Pla- Zentrale Anlaufstelle für die Koordinie- Literatur nung des weiteren Behandlungsver- rung und Organisation des Krebspatien- 1. Lowy DR, Collins FS (2016) Aiming High- laufes auf der Basis aller Befunde aus ten sind sog. Patienten-Navigatoren oder Changing the Trajectory for Cancer. N Engl J Med der gesamten Diagnostik. Onko-Lotsen. Diese bilden in jeder Ein- 19(20):1901–1904 (2) Die Teilnahme des individuellen Pa- richtung den zentralen Ankerpunkt wäh- tienten ist freiwillig. rend der Krebsbehandlung, vor allem aber Forum 2 · 2017 117
www.krebsgesellschaft.de/onko Forum 2017 · 32:118–119 DOI 10.1007/s12312-017-0225-y Online publiziert: 1. März 2017 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017 SABCS 2016: Experten ordnen Studiendaten in klinischen Kontext ein BRCA1-Mutationsträgerinnen haben bei triple-negativem Brustkrebs keine schlechtere, sondern eher eine günsti- gere Prognose; die kontralaterale Mastektomie geht nicht mit einem besseren Überleben einher. Die PI3K-Inhibition erweist sich beim Hormonrezeptor-positiven, HER2-nega- tiven Mammakarzinom offenbar als wirksam, aber auch als hochtoxisch – Ergebnisse zu selektiven PI3K-Inhibito- ren stehen noch aus. Über diese und viele weitere Studien ergebnisse diskutierten renommierte Fachleute in einer Ex- pertenrunde des ONKO-Internetportals anlässlich des San Antonio Breast Cancer Symposiums 2016 (SABCS). Die Vi- deo-Aufzeichnung der Diskussion ist online abrufbar auf www.krebsgesellschaft.de/sabcs_2016. Ausführlich diskutieren die Mammakarzinom-Experten u. a. die 8 Im Henry Gonzalez Convention Center in San Antonio kommen jährlich Daten der NSAPP-52-Studie in der neoadjuvanten Therapie beim führende Brustkrebs-Experten zusammen, um neueste Daten zur Therapie des Mammakarzinoms zu diskutieren. (Quelle/Copyright: dkg-web.gmbh) triple-positiven Mammakarzinom sowie Ergebnisse einer Studie zur dualen Blockade bei Hormonrezeptor-positivem HER2-po- sitivem Mammakarzinom. Diskutiert wurde auch, welche neu- ren. Des Weiteren diskutieren die Experten anhand neuer Studi- en Therapiemöglichkeiten der Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren en die Vor- und Nachteile einer adjuvanten Anthrazyklin-freien bietet. Chemotherapie gegenüber einer sequenziellen Anthrazyklin-Ta- Zum Thema Biomarker stellen die Experten eine beim SABCS xantherapie. präsentierte Studie vor, wonach TILs (tumorinfiltrierende Lym- Wichtig für die Praxis dürften auch die Ergebnisse zur Kombi- phozyten im Tumor) bei triple-negativen und HER2-positiven nation der endokrinen Therapie mit dualer Blockade beim meta- Tumoren mit guter Prognose korrelieren, bei luminalen Tumoren stasierten HER2-positiven Mammakarzinom sein, die die Fach- eher mit einer ungünstigeren Prognose. Prognostisch relevant ist leute vorstellen. auch der Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen (CTCs) vor Weitere Themen der Expertenrunde waren u. a. die POSH- und nach der neoadjuvanten Therapie, es zeigte sich aber keine Studie mit Mammakarzinom-Patientinnen unter 40 Jahren, die Korrelation mit dem Therapieansprechen. Auswirkungen der Postmastektomie-Bestrahlung auf Patientin- In der adjuvanten Therapie wurden beim SABCS neue Da- nen mit Brustrekonstruktion, die adjuvante Therapie beim Hor- ten zu Bisphosphonaten und zum SSNRI Duloxetin vorgestellt. monrezeptor-positiven Mammakarzinom sowie Ergebnisse der Duloxetin reduziert offenbar muskulo-skeletale Nebenwirkungen BELLE-3-Studie zur PI3K-Inhibition mit Buparlisib beim Hor- in der adjuvanten endokrinen Therapie mit Aromataseinhibito- monrezeptor-positiven HER2-negativen Mammakarzinom. 118 Forum 2 · 2017
ASH Congress 2016: Neue Erkenntnisse in der Hämatoonkologie Protokoll bleibt beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom der Goldstandard – hier müssen künftige Studien zeigen, ob und wie neue Substanzen in Kombination Verbesserungen bringen. Vielversprechend sind auch in diesem Jahr Studiendaten vom ASH-Kongress für die Therapie des Multiplen Myeloms, die in ei- ner Expertenrunde des ONKO-Internetportals diskutiert werden. Wie die Experten darlegen, sorgen zahlreiche neue Substanzen und Kombinationstherapien dafür, dass die Langzeittherapie zur Regel wird. Auch ältere Patienten profitieren von den Entwick- lungen. Denn für die Frage, welche Therapie geeignet ist, spielt weniger das Lebensalter als vielmehr der Allgemeinzustand eine entscheidende Rolle. Allerdings – so der Expertenkonsens – sind noch unbekannte Nebenwirkungen eine Herausforderung. Alle Expertenrunden, weitere Interviews und Berichte – z. B. zu oral verfügbaren Inhibitoren in der CLL-Therapie, zur Patho- 8 Impressionen vom ASH Congress 2016 in San Diego (Quelle/Copyright: physiologie, Prognose und Therapie Myelodysplastischer Syndro- dkg-web.gmbh) me (MDS) sowie zur Antikörper-Therapie bei AML-Patienten – finden Sie unter www.krebsgesellschaft.de/ash_2016 oder unter Neue therapeutische Optionen und Strategien im Bereich diesem QR-Code: der Hämatoonkologie wurden auf dem Jahrestreffen der American Society of Hematology (ASH) in Orlando, Florida/ USA der Fachwelt vorgestellt. Das ONKO-Internetportal be- richtet über die wichtigsten dort diskutierten Themen und Daten. Aktuelle Studiendaten zur Therapie von vor allem follikulären Lymphomen, Mantelzelllymphomen und diffus großzelligen Kontakt Lymphomen werden von Prof. Michael Pfreundschuh (Hom- Dr. Pia Nitz burg) und Prof. Martin Dreyling (München) zusammengefasst. Redaktion ONKO-Internetportal Bemerkenswert sind u. a. neue Daten zum CD20-Antikörper Obi- In Kooperation mit der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. nituzumab im Vergleich zu Rituximab. Beim Mantelzelllymphom Tel. 030 – 810 316 112 pia.nitz@dkg-web.de erweist sich die Rituximab-Erhaltungstherapie auch nach der au- tologen Stammzelltransplantation als vorteilhaft. Das R-CHOP- Forum 2 · 2017 119
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