Frauen im Sport - Land Burgenland

Die Seite wird erstellt Michael Lohmann
 
WEITER LESEN
Frauen im Sport - Land Burgenland
Frauen
                 im Sport
                 Von Protest bis Podest

                                              Rennen um Gleichstellung
                                                 Der mühsame Weg von Frauen
                                                          in den Spitzensport

                                                    Hürden im Randsport
                                            Extremsportlerin Alexandra Meixner
                                                                   im Interview

                                                       Genderkompetenz
                                                         Warum es um mehr als
© SHUTTERSTOCK

                                                        zwei Geschlechter geht

                 www.burgenland.at/frauen                             2_2022
Frauen im Sport - Land Burgenland
editorial

    Liebe Leserinnen
    und Leser!
                                                                                                                  V
                                                         Nicole Trimmel                                                    or genau 55 Jahren, am 19. April 1967, wurde die junge
                                   Abteilung 9 – Sport und Vereinspflege
                              Amt der Burgenländischen Landesregierung
                                                                                                                           Studentin Kathrine Switzer weltberühmt. Als erste Frau
                                                                                                                           überhaupt hatte sie sich – vorerst unbemerkt – zum
                                                                 Mehr Info:                                       Boston-Marathon angemeldet. Ein Tabubruch. Der empörte
                                                 nicole.trimmel@bgld.gv.at
                                          www.burgenland.at/bildung-sport/                                        Rennleiter versuchte, ihr nach rund vier Kilometern die Start-
                                                                                                                  nummer zu entreißen und sie aus dem Wettbewerb zu drängen.
                                                                                                                        Gleichberechtigung im Sport? Zumindest, was das Mara-
                                                                                                                              thonlaufen anging, sollte es bis zur Starterlaubnis für
                                                                                                                                 Frauen noch weitere fünf Jahre dauern.

                                                                                                                                   Switzer war ein klarer Fall von Diskriminie-
                                                                                                                                    rung, ein Opfer. Heute gehören Sportverbote
                                                                                                                                    aufgrund des Geschlechts in den meisten
                                                                                                                                   ­Ländern (leider nicht in allen!) Gott sei Dank
                                                                                                                                  der Vergangenheit an. Bei uns drehen sich die
                                                                                                                                ­Diskussionen nunmehr um die Bezahlung von
                                                                                                                             Sportler*innen, um Anteile an Sponsorengeldern
                                                                                                                         und Berichterstattung. Relativ rasch ist auch hier von
                                                                                                                  Diskriminierung die Rede, und Gleichberechtigung wird gerne
    inhalt                                                                                                        mit Gleichstellung (= unsportlich) verwechselt. Frauen geraten
    03_Standpunkt
                                                                                                                  in die undankbare Opferrolle.
    Frauenlandesrätin Astrid Eisenkopf
    04_Coverstory                                                                                                 Ungleiche Bedingungen? Ja, gibt es. Eine Sportart, die in einem
    Der lange Weg nach ganz oben                                                                                  Land Stadien füllt, Massen vor die Bildschirme zieht und Spon-
    07_Interview: Mari Lang                                                                                       soren animiert, interessiert anderswo kaum jemanden. Nach­
    Über Frauenquoten und Männeregos                                                                              frage hängt nicht am Geschlecht, wie männliche Synchron-
    08_Match um die Anerkennung                                                                                   schwimmer wissen. Sport ist eben in allen Belangen die
    Baustellen im Frauenfußball                                                                                   unverblümte Konfrontation mit der (gar nicht so schlimmen)
    10_Interview: Alexandra Meixner                                                                               Wirklichkeit. Kathrine Switzer erlebte noch eine andere. Sie war
    Als Frau im Extremsport                                                                                       tatsächlich Opfer. Wir sind es heute nicht mehr, auch dank ihr.
    12_Sport wirkt auf die Gesellschaft                                                                           Wir dürfen starten. Der Rest liegt an uns selbst.
    Geschlechtliche Vielfalt im Sport
                                                                                             © WOLFGANG PRUMMER

    14_Profisportlerinnen im Interview                                                                            Kämpfen, Mädels!
    „Arbeitet daran, dann ist es möglich!“
    16_Menschen zum Thema                                                                                         Eure Nicole Trimmel
    Mädchen- und Frauenfußball                                                                                    Mehrfache Kickbox-Welt- und Europameisterin

    impressum

    if: informativ & feministisch. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie interessierte Frauen, Männer und transgender Menschen
    Herausgeberinnen: Karina Ringhofer, Ekaterini Grebien, A9 – Referat Frauen, Antidiskriminierung und Gleichbehandlung des Landes Burgenland
    Redaktion: Ursel Nendzig Burgenland-­Redaktion: Karina Ringhofer, Ekaterini Grebien Lektorat: Coralie Riedler
     Artdirection und Produktion: Martin Jandrisevits, Titanweiß Werbeagentur GmbH Druck: Samson Druck Auflage: Burgenland 2.000, Gesamtauflage 15.800
     Beratung, Konzept, Koordination der Produktion: „Welt der Frauen“ Corporate Print für das Land Burgenland, Referat Frauen, Antidiskriminierung und Gleichbehandlung,
     Europaplatz 1, 7000 Eisenstadt, post.a9-frauen@bgld.gv.at. www.welt-der-frauen.at
     DSGVO-Hinweis: Sehr geehrte Bezieherinnen und Bezieher, mit 25. 5. 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten. Als Bezieherin/Bezieher haben Sie uns
     personenbezogene Daten zur ­Verfügung gestellt, die wir im Rahmen der Erfüllung Ihres Bezugswunsches verarbeiten. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten
    ist uns wichtig. Um unsere Informationspflicht nach der DSGVO zu erfüllen, möchten wir Sie für alle weiteren Details zu unserem Umgang mit Ihren Daten auf unsere Datenschutzerklärung
    ­hin­weisen. Diese finden Sie online auf www.burgenland.at/datenschutz.

  2 if: 2_2022
Frauen im Sport - Land Burgenland
standpunkt

                                                                            3 FRAGEN AN …
                                                                                                                                                              Bewegung ist der Schlüssel zu einem
                                                                                                                                                           ­ esunden, ausgeglichenen Leben und wirkt
                                                                                                                                                           g
                                                                            Ruth Schneeberger,                                                           sich positiv auf viele Lebensbereiche aus. Sport
                                                                            Staatsmeisterin in Rhythmischer
                                                                                                                                                        hält jung, steigert die Fitness, macht in der
                                                                            Sportgymnastik und Halbmarathon,
                                                                                                                                                      ­Gruppe auch noch Spaß und fördert den
                                                                            selbstständige Geschäftsfrau und Schriftstellerin                       ­Zusammenhalt.

                                                                            Im Profisport sind Leidenschaft, Wille, Fokus und eine positive       In den letzten Monaten haben viele Frauen die Liebe
                                                                            Einstellung sehr wichtig. Hat man diese Eigenschaften oder           zum Sport wiederentdeckt und die Zeit genutzt, sich
                                                                            erlernt man sie?                                                    selbst mit Sport und Bewegung etwas Gutes zu tun. Das
                                                                            Diese Eigenschaften haben nicht per se etwas mit Sport zu tun.     Land Burgenland organisiert heuer zum neunten Mal den
                                                                            Aber wenn man sie nicht hat, schafft man es vielleicht nur mit     Burgenländischen Frauenlauf. Ich möchte alle Mädchen
                                                                            übermäßigem Talent an die Spitze.                                 und Frauen unabhängig von ihrem Trainingszustand und
                                                                                                                                              Alter einladen, an diesem Event teilzunehmen.
                                                                            Fehlt dem Frauensport eine breite Basis?
                                                                            Dem Sport fehlt generell eine breite Basis in Österreich.         Im Mittelpunkt stehen Spaß und die Freude an der
                                                                            Ich habe in Spanien studiert und dort sowohl eine offenere        ­gemeinsamen Bewegung. Beim Frauenlauf setzen wir
                                                                            ­Einstellung zum Sport als auch breitere Unterstützung beim        ­heuer auch ein Zeichen im Sinne des Umweltschutzes. Die
                                                                             Sport erlebt. Das Geschlecht spielt meines Erachtens keine         gesamte Veranstaltung wird möglichst nachhaltig und
                                                                             Rolle. Das persönliche Umfeld sowie die sportlichen Möglich­        ­umweltschonend ausgerichtet: Auf PET-Flaschen sowie
                                                                             keiten vor Ort sind die entscheidenden Parameter.                    auf unnötiges Verpackungsmaterial wird verzichtet, die
                                                                                                                                                   Goodie-Bags sind aus Stoff und bei den Labestationen
                                                                            Welchen Rat würdest du einer jungen Sportlerin am Beginn               kommen Papier- statt Plastikbechern zum Einsatz.
                                                                            ­ihrer Karriere mit auf den Weg geben?                                  ­Außerdem werden in Kooperation mit der Gemeinde
                                                                             Konsequent die eigenen Ziele verfolgen, Garantien gibt es                Mattersburg benutzte Kartons gesammelt und
                                                                             ­weder im Sport noch im Leben.                                            ­fachgerecht wiederverwertet. Ich freue mich auf ein
                                                                                                                                                         sportliches Wiedersehen am 12. Juni beim 9. Burgen-
                                                                                                                                                          ländischen Frauenlauf in Mattersburg – „We like to
                                                                                                                                                            move it“!

                                                                                                                                                                        Ihre Astrid Eisenkopf
                                                                                                                       Vorfreude auf                                       Landeshauptmann-
                                                                                                                       den Frauenlauf
                                                                                                                       (v. li. nach re.):                                     Stellvertreterin
                                                                                                                       Claudia Schlager
                                                                                                                       (Bürgermeisterin von
                                                                                                                       Mattersburg),
                                                                                                                       Astrid Eisenkopf,
                                                                                                                       Ruth Schneeberger
                                                                                                                       ­(Mitinitiatorin).

                                                                                                 N   K T UND K
                                                                                                              O
                                                                                              PU
                                                                                                                 M
                                                                                          F

                                                                                                                                  Aktuelle Situation im Burgenland
                                                                                                                   MA
                                                                                       AU
© PRIVAT, DIE FOTOGRÄFIN, LANDESMEDIENSERVICE BURGENLAND, MARTINA TROINDL

                                                                                                50                                Im Burgenland werden rund 50 anerkannte förderbare Sport-
                                                                                                                                  arten praktiziert. Über 30 Fachverbände organisieren für die
                                                                                                                                  Sportler*innen Veranstaltungen, führen Trainingsleistungszentren
                                                                                                                                  u. v. m. Der Landessportbeirat besteht aus Vertreter*innen der drei
                                                                                                                                  Dachverbände ASKÖ, ASVÖ und SPORTUNION sowie der aktuellen
                                                                                                                                  Regierungspartei(en). Der Sportbeirat hat der Landesregierung für
                                                                                                                                  das Jahr 2021 eine Fördersumme in der Höhe von 1.233.300 Euro
                                                                                                                                  vorgeschlagen. Die Förderungen sind für Infrastrukturmaßnahmen,
                                                                                                 Im Burgenland                    Fahrtkostenentschädigungen, Platzierungsprämien, sportmedi­
                                                                                           werden rund 50 anerkannte              zinische Betreuungsmaßnahmen, Trainer*innenförderungen für den
                                                                                             förderbare Sportarten                ­Nachwuchssport sowie für Verbandsmaßnahmen vorgesehen und
                                                                                                   praktiziert.
                                                                                                                                  wurden von der Landesregierung genehmigt.

                                                                                                                                                                                                 2_2022 if: 3
Frauen im Sport - Land Burgenland
Von Protest bis Podest:

                       Frauen
                     im Sport     Sie kämpfen nicht nur
                                  gegen die Stoppuhr,
                                  sondern auch ­gegen
                                  Diskriminierung und
                                  alle möglichen und
                                  ­unmöglichen Wider-
                                   stände. Wie sich
                                  ­Frauen den Weg ganz
                                   nach oben ­erarbeitet
                                   haben – und weiterhin
                                   erarbeiten.

4 if:faktum 2_2022
Frauen im Sport - Land Burgenland
W
                              ir haben das Gefühl, dass Sport etwas      Frauen-Weltspiele
                              ist, das immer schon da war, eng ver-      Bis das Internationale Olympische Komitee die
                              bunden mit unserer Geschichte und          ­Spiele für Frauen öffnete, sollte es noch dauern. Erst
                unserer Kultur. Dass Sport ganz gezielt als solcher       wurden sie zu einzelnen Sportarten zugelassen, etwa
                ausgeübt wird, ist aber ein ziemlich junges Phäno-        Golf, Tennis und Bogenschießen. Frauen – ange-
                men. Erst als sich so etwas wie „Freizeit“ etablierte,    führt von der französischen Sportlerin Alice Milliat –
                begann so etwas wie „Sport“ Raum und Zeit zu fin-         gründeten aus Protest gegen die frauenfeindliche
                den. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurde Sport        Haltung des IOC 1921 die „Fédération Sportive
                zu einer weitverbreiteten Freizeitbeschäftigung. Für      ­Féminine Internationale“, die die „Frauen-Weltspie-
                verschiedene Sportarten wurden Regeln aufgestellt,         le“ austrug. Hunderte Frauen nahmen bei den später
                und langsam, aber sicher etablierte sich ein Wett-       „Frauen-Olympiade“ genannten Spielen teil – und
                kampfgeschehen, das seinen ersten Höhepunkt mit          schließlich gab das IOC dem Druck der Sportlerin-
                den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit fand,         nen nach. Bei den Olympischen Spielen in Amster-
                das war 1896.                                            dam 1928 durften Frauen auch beim olympischen
                   Von weiblicher Beteiligung sprechen wir hier          Herzstück, den Leichtathletikbewerben, teilnehmen.
                noch lange nicht. Sport und das vorherrschende                Es wäre gelogen, zu sagen, dass es ab hier steil
                Frauenbild von der schwachen Frau, deren Gebär­          bergauf ging. Die Hürden waren hoch, die Wider-
                fähigkeit unter sportlicher Betätigung leiden würde,     stände zäh. Zwar wandelte sich das Frauenbild zu
                wollte so gar nicht zur schweißtreibenden körperli-      schlank, selbstbewusst und emanzipiert, die Gegen-
                chen Betätigung passen. Siegeswille und Durchset-        argumente blieben aber starr: Sport sei für Frauen
                zungskraft waren ohnehin rein männliche Attribute.       nicht sittlich, medizinisch sowieso bedenklich und

                Pionierinnen:
                Frauen, die Sportgeschichte ­geschrieben haben
                In kaum einem Sport mussten Frauen so lange um Sichtbarkeit kämpfen wie im Radsport.

                Als Alfonsin Strada schreibt sich     gelder erhalten. Mit Erfolg: Seit     und 2021 ein WM-Qualifika­
                Radsportpionierin Alfonsina           1973 sind bei den US Open die         tionsspiel der Männer.
                Strada 1924 beim Giro d’Italia        Siegprämien von Frauen und            Sarah Thomas ist als erste Frau
                ein. Sie wird enttarnt, darf trotz-   Männern gleich.                       Teil der Schiedsrichtercrew des
                dem starten, avanciert zum            Als die Österreicherin Eva            berühmten Endspiels der Ameri-
                ­Publikumsliebling und darf wei-      ­Ganster als erste Frau von einer     kanischen Football-Liga, der
                terfahren, obwohl sie wegen           Skiflugschanze springt, schrei-       „Super Bowl“.
                Zeit­überschreitung ausfallen         ben wir das Jahr 1997. Bis            Als erste Frau gewinnt Fallon
                sollte. Bis heute gibt es beim        ­Anfang der 1990er-Jahre ist          Sherrock aus England ein Duell
                „Giro“ sowie der „Tour de             ­Skispringen nicht für Frauen zu-     bei der Darts-Weltmeisterschaft
                France“ ein Frauenrennen,             gelassen. Erst seit 2011 gibt es      2020. Bei der Darts-WM stehen
                ­getrennt vom „Hauptrennen“.          einen Weltcup, seit 2014 ist Ski-     zwei Frauen auf der Teilnehmer-
                Maria Teresa de Filippis war          springen olympisch. Nächstes          liste neben 94 Männern.
                1948 die erste weibliche Formel-      Ziel: eine Vierschanzentournee        In der Saison 2020/2021 gibt es
                1-Pilotin: 1958 nahm sie an zwei      für Frauen.                           zum ersten Mal einen Weltcup
                Rennen für Maserati teil. Seit        Fußball ist eine stark männlich       der Nordischen Kombination für
                Giovanna Amati vor 26 Jahren          dominierte Welt. 2003 ist Nicole      Frauen. Die US-Amerikanerin
                ihr Cockpit endgültig verließ,        Petignat aus der Schweiz die          Tara Geraghty-Moats gewinnt
                gab es keine Frau im Formel-1-­       erste Frau, die ein Europapokal-      den Weltcup, das erste WM-
                Zirkus.                               spiel der Männer pfeift. Stépha-      Gold geht an die Norwegerin
                Anfang der 1970er-Jahre               nie Frappart leitet 2019 als          Gyda Westvold Hansen. Von
                kämpft Billie Jean King dafür,        ­erste Frau ein internationales       den Olympischen Winterspielen
© iStockphoto

                dass männliche und weibliche          Pflichtspiel der Männer, 2020         bleiben Frauen aber vorerst
                Tennisprofis gleich hohe Preis-       ein Champions-League-Spiel            ­weiterhin ausgeschlossen.

                                                                                                                      2_2022 if: 5
Frauen im Sport - Land Burgenland
ganz einfach „Männersache“. Nach dem Zweiten
                                                      Weltkrieg war das Überleben wichtiger als der Sport.
                                                      Nach und nach wurden in der zweiten Hälfte des
                                                      20. Jahrhunderts Sportvereine (wieder-)gegründet –
                                                      mit Männern in allen federführenden Positionen.

                                                      Marathon: „unter ferner liefen“
                                                      In den 1960er- und 70er-Jahren stiegen endlich die
                                                      Zahlen von weiblichen Sportlerinnen und vor allem
                                                      der weibliche Anteil in den Vereinen. Doch immer
                                                      noch mussten Frauen zu Tricks greifen, um sich ih-
               BUCHTIPPS                              ren Platz im Sport zu sichern. Wie die Amerikanerin
               FRAUEN IM SPORT                        Kathrine Switzer, die als erste Frau den Boston-­
                                                      Marathon mit offizieller Startnummer absolvierte –
               Vergessene Heldin                      das war 1967. Sie trug allerdings nur ihre Initialen
               Althea Gibson war die erste            ein, war – zum Glück herrschte starker Schneefall –
               Schwarze, die Wimbledon gewann.        dick eingepackt und fiel deshalb inmitten der Läufer
               Bis zu diesem Erfolg wurde sie         nicht auf. Erst später wurde sie entdeckt, und ob-
               ­diskriminiert und ausgegrenzt,        wohl der erboste Renn-Direktor versuchte, ihr die
               ­beschimpft und ausgebuht. Angela      Startnummer zu entreißen, lief sie bis ins Ziel.
               Buxton war jüdischer Herkunft und         Erst 1984 wurde der olympische Marathon für
               kämpfte mit ähnlichen Erfahrungen.     Frauen geöffnet. Und es dauerte bis 1981, dass es die
               1956 gewannen sie gemeinsam das        erste Frau ins Gremium des Internationalen Olympi-
                     Damendoppel in Wimbledon.        schen Komitees schaffte. Die Spiele in Tokio 2020
                     Die Geschichte ihres Trium-      wurden als die ersten geschlechtergerechten Olympi-
                     phes ist hier nacherzählt.       schen Spiele ausgerufen: Zum ersten Mal in der Ge-
                                                      schichte musste jedes nationale Komitee mindestens
                     BRUCE SCHOENFELD                 eine Frau aufnehmen – mit 48,8 Prozent Teilneh-
                     „Althea Gibson – Gegen alle      merinnen war die Geschlechtergleichstellung bei den
                     ­Widerstände“ (übersetzt aus     Sportlerinnen und Sportlern erreicht.
                     dem Englischen von Elisabeth
                     Schmalen), HarperCollins,
                     412 Seiten, € 22,95

               Wahre Geschichte
               als Graphic Novel
               Die Sprinterin Samia Yusuf Omar
               wird in ihrer Heimat Somalia von
               islamistischen Extremisten bedroht,
               die Frauensport ablehnen. Sie
               macht sich auf die Flucht nach         Veronika Prükler,
               Europa, um an den Olympischen          Ironwoman
               Spielen teilzunehmen. Ihre Flucht      In ihrer Jugend erfolgreiche Läuferin,
               gelingt nicht, sie ertrinkt vor der    qualifizierte sich die Hobby-Triathletin Veronika
               Küste Maltas. Ihre Geschichte ist in   Prükler für die Ironman-Weltmeisterschaft auf
                     diesem Buch als Graphic          Hawaii. Nach zweimaliger Absage findet die WM
                     Novel beschrieben.               erst heuer wieder statt. Mittlerweile ist Veronika
                                                      stolze Mama eines einjährigen Sohnes. Trainieren
                     REINHARD KLEIST                  für eine Langdistanz ist dennoch möglich: „Als
                                                                                                              © SHUTTERSTOCK, PRIVAT

                     „Der Traum von Olympia. Die      junge Mama ist es besonders wichtig, auch Zeit für
                     ­Geschichte von Samia Yusuf      sich selbst einzuplanen. Wenn ich Sport treibe,
                     Omar“, Carlsen Verlag,           fühle ich mich frei und genieße jede Minute, in der
                     147 Seiten, € 11,90              ich mich auspowern kann.“

6 if: 2_2022
Frauen im Sport - Land Burgenland
Powerfrau.
                                                              Viele kennen die
                                                              ­Journalistin Mari
                                                               Lang aus den
                                                               ­aktuellen ORF-
                                                                Sportnachrichten,
                                                                deren Gastgeberin
                                                                sie seit 2015 ist. Sie
                                                                beschäftigt sich
                                                                ­darüber hinaus mit
                                                                 unterschiedlichen
                                                                 sozialen Themen und
                                                                 Gender-Equality.

                                 Mehr Frauen in den Sport!
                    In ihrem erfolgreichen Podcast „Frauenfragen“ stellt Moderatorin
                 und Sprecherin Mari Lang die Gender-Welt auf den Kopf. Bekannt ist sie
                 auch als Sportmoderatorin des ORF. Hier spricht sie über Frauenquoten,
                              Männeregos und den Mehrwert von Diversität.

                 if: Du bist eine von wenigen          Wird man als ­Sport-                    schlägt das kleinere Ereignis.
                 Frauen im Sportfernsehen.             moderatorin denn von den                Es bräuchte ein offizielles
                 Wie kamst du dazu?                    ­Kollegen ernst ­genommen?              ­Bekenntnis: Egal, was ist, ein
                 Mari Lang: Zuerst muss ich            Ich habe schon das Gefühl, dass          ­Beitrag über Frauensport ist fix.
                 s­ agen: Es gibt mehrere Frauen,      man sich vor allem am Anfang
                  ­Alina Zellhofer, Christina Inhof,   mehr beweisen muss, man skepti-         Immer wieder gibt es heiße
                   Anna Lallitsch, Karoline Zober-     scher beäugt wird und Fehler            Diskussionen, wenn Frauen
                   nig, um nur einige zu nennen. Im    nicht so leicht verziehen werden.       Männerfußballspiele
                   ORF gab es eine Offensive, mehr     Hier gilt aber wie für alle Frauen      ­kommentieren. Haben Männer
                   Frauen in den Sport zu holen. Bei   in klassischen Männerdomänen:            das Gefühl, ihr Sport wird
                   diesem Casting war ich zwar auch    Es liegt auch an uns Frauen,             ­dadurch abgewertet?
                   dabei, bin aber erst später als     selbstverständlich unseren Platz        Das ist nichts, was nur im Sport
                   ­Karenzvertretung dazugekom-        zu beanspruchen und uns nicht           passiert: Berufe, die früher von
                    men. Das war vor sieben Jahren.    aufs Geschlecht reduzieren zu las-      Männern ausgeübt worden sind,
                 Seither sind mehr Frauen gekom-       sen.                                    werden abgewertet, sobald die
                 men, denen es wichtig war, nicht                                              Frauen nachziehen. Etwa beim
                 in zweiter Reihe zu stehen, son-      Es gibt auch viel weniger Be-           Beruf des Lehrers. Das hat viel
                 dern präsent zu sein und wahrge-      richterstattung über Frauen-            mit Abwertung und auch mit
                 nommen zu werden. Und ich             sport. Wie kann man diesen              dem Ego zu tun. Wenn wir
                 weiß, dass es ein harter Kampf        Anteil erhöhen?                         Gleichberechtigung wollen, wird
                 war – und nach wie vor ist.           Es muss ins Bewusstsein von uns         es aber heißen müssen, dass
                                                       Journalistinnen und Journalisten        Männer den Platz frei machen
                 Wo findet dieser Kampf statt?         kommen, verstärkt Frauensport           müssen. Etwas weitergedacht
                 Wenn Frauen kommen, müssen            in den Fokus zu rücken. Beim            würde vielleicht die Sport­
                 Männer Platz machen. Dadurch          ORF gibt es da eine Initiative          berichterstattung einen Mehrwert
                 haben sie weniger Möglichkeiten,      über alle Redaktionen hinweg, die       bekommen, wenn es, statt immer
                 weniger Sichtbarkeit, das ist eine    „50:50-Challenge“, zur Steige-          nur über höher, schneller, weiter
                 einfache Rechnung. Es betrifft        rung des Frauenanteils in der           und Ergebnisse zu berichten,
                 jetzt eine Generation von Män-        ­Berichterstattung. In den Sport-       mehr in die Tiefe ginge, mit
                 nern, die es sozusagen abkriegt.       nachrichten haben wir eine             einem anderen Blick! Es ist
                 Die letzten Jahrhunderte war die       ­Sendezeit von vielleicht fünf         erwiesen, dass Diversität in
                 Männerquote 100 Prozent, inso-          ­Minuten, das heißt, drei oder vier   Unternehmen zu mehr Erfolg
                 fern müssen wir kein Mitleid             Beiträge. Wenn nun gerade Män-       führt. Das allein wäre ein ganz
© MARTINA LANG

                 ­haben. Ich bin, solange die Auf­        ner-Fußball-WM ist, fällt eine Ju-   triftiger Grund, zu sagen: mehr
                  teilung noch nicht 50:50 ist, ganz      doka, die gerade Europameisterin     Frauen in den Sport! Und zwar in
                  klar für eine Frauenquote.              geworden ist, raus: Das größere      allen Bereichen.

                                                                                                                          2_2022 if: 7
Frauen im Sport - Land Burgenland
Vor wenigen
  Jahrzehnten war
  Frauenfußball
  noch verboten.
  Inzwischen kaum
  mehr vorstellbar –
  und dennoch gibt es
  für Frauen in einer
  der populärsten
  Breitensportarten
  noch einiges zu tun.

  Match um die
  Anerkennung
    A
                         ls Österreichs Fußball-Nationalelf der         ges nur langsam wieder auf. Bis ins Jahr 1971 wurde
                         ­Frauen im April dieses Jahres das WM-         der Frauenfußball systematisch vom Österreichi-
                          Qualifikationsspiel gegen Nordirland be-      schen Fußballverband (ÖFB) unterdrückt, indem
               stritt, wurde es live im öffentlich-rechtlichen Fern­    alle Initiativen für den Fußball der Frauen im Keim
               sehen übertragen, zur besten Sendezeit. Das allein       erstickt wurden, etwa, indem er den Vereinen unter
               ist eigentlich eine Sensation, denn noch vor weni-       Androhung von Geldstrafen untersagte, Sportplätze
               gen Jahren war Frauenfußball im Fernsehen – und          für Frauenfußball zur Verfügung zu stellen. Den-
               auch sonst überall – quasi nicht vorhanden.              noch wurde 1972 eine Frauenfußball-Meisterschaft
                   Alles gut also im Frauenfußball? Jein. Nach wie      eingeführt – was das Interesse an diesem Sport nicht
               vor gibt es einige Baustellen – die mangelnde Zahl       merklich anheben konnte. 1984 veranstaltete die
               an Funktionärinnen, die fehlende mediale Aufmerk-        UEFA die erste Fußball-EM der Frauen, seit 1997
               samkeit und, ja, die viel zitierte Gehaltsschere wäre    findet sie auch regelmäßig alle vier Jahre statt. Die
               da auch noch. Es lohnt sich jedoch, auf die kurze        erste WM wurde 1991 in China ausgetragen, seit
               Geschichte des österreichischen Frauenfußballs zu        1996 ist Frauenfußball olympisch. In der Saison
               schauen, die 1924 mit der Gründung des ersten            2001/2002 richtete die UEFA erstmals den
               Frauenvereins „Diana“ in Wien begann. In den             Women’s Cup aus, der seit 2009/2010 analog zu
               1930er-Jahren hätte es für diese Sportart steil berg-   ­jenem der Männer „UEFA Women’s Champions
               auf gehen können, als die Damenfußball-Union             League“ heißt.
               ÖDU gegründet wurde und sich um eine eigene
                                                                                                                                © SHUTTERSTOCK, RED BULL

               Meisterschaft für Frauen (damals: Damen) be­            Frauen ohne Funktion
               mühte. Die Bemühungen kamen aber unter der              Als Spielerinnen haben sich Frauen in der einstigen
               ­nationalsozialistischen Herrschaft zum Erliegen.       Männerdomäne Fußball durchaus ihren Platz ge­
                Und standen nach dem Ende des Zweiten Weltkrie-        sichert. Schaut man sich im Feld der Funktionärin-

8 if: 2_2022
Frauen im Sport - Land Burgenland
nen und Funktionäre um, ist die Bilanz etwas er-          Frau an der Spitze: Irene Fuhrmann
nüchternder. Sportminister Werner Kogler beklagte,
dass es in den rund 60 Sport-Fachverbänden nur            Sie ist die erste Frau, die Chefin einer ­österreichischen Nationalelf ­wurde.
sechs Präsidentinnen gebe und es daher ein Ziel sei,      Seit Sommer 2020 leitet die ehemalige Assistentin des Cheftrainers
Frauen in Entscheidungsfunktionen zu bringen.             ­Dominik Thalhammer die Geschicke der ÖFB-Frauen-Auswahl. Und das
Das Gleiche gilt für den Bereich der Betreuerinnen        mit Erfolg. Sie qualifizierten sich zweimal in Folge für die Europameister-
und Trainerinnen sowie Sportmanagerinnen: Wo              schafts-Endrunde. Es ist auch für sie als ehemalige Spielerin ein Schritt,
man hinsieht, sind Frauen die Ausnahme jener Re-          der große Bedeutung hat. Das Trainerwesen, so die 41-Jährige, sei männ-
gel, die besagt, dass es Männer sind, die die Macht       lich dominiert. Weibliche Athletinnen brauchen aber weibliche Bezugs­
im Sport in Händen halten.                                personen und Ansprechpartnerinnen, gerade im Leistungssport. Es fehle
    Als Meilenstein kann die Gründung der ÖFB-            ­außerdem an hauptberuflichen Trainerinnen, weil den Vereinen die Mittel
Frauen-Akademie in St. Pölten angesehen werden.           dazu fehlen. Wichtig sei auch, viel mehr Mädchen zum Fußball zu bringen.
Im Sportleistungszentrum für Frauenfußball gibt
es seit dem Schuljahr 2011/2012 für junge Fuß­
ballerinnen die Möglichkeit, neben ihrer schuli-          Sieg für die Revoluzzerinnen
schen Ausbildung den Weg zur Profifußballerin –
und irgendwann auch zur Funktionärin, Trainerin           Sie sind weit erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen: Viermal
oder Präsidentin – zu gehen. Sportliche Leiter der        Olympiagold und ebenso viele WM-Titel holten die US-amerikanischen
ÖFB-Frauen-Akademie waren seit ihrer Gründung             Fußballerinnen. Ihre Gehälter aber fielen weit niedriger aus als jene der
allerdings nur Männer.                                    Männer. Das wollten die Sportlerinnen so nicht hinnehmen und klagten
                                                          den amerikanischen Verband wegen Diskriminierung auf jenen Betrag,
Vorbildwirkung                                            den sie bekommen hätten, wären sie nach dem Tarif der Männer bezahlt
Weitere Frauenprojekte im Fußball sind wohl im            worden: 67 Millionen US-Dollar. In erster Instanz scheiterten die
Entstehen, und das ist auch dringend nötig. Nach          Fußballerinnen, gingen im Juli 2021 in Berufung und bekamen schließlich
wie vor mangelt es an Role Models, Entscheidungs-         im Februar dieses Jahres recht. Megan Rapinoe, Starspielerin der
trägerinnen und Trainerinnen (wie Irene Fuhrmann,         Mannschaft und federführend im Kampf um die Gleichberechtigung,
s. Kasten), die den Frauenfußball im Zentrum der          sagte dazu: „Das ist ein großer Gewinn für alle Frauen.“
Sportwelt positionieren. Eine, die die Frauenfuß-
ballwelt nachhaltig verändern könnte, ist Sarah
Zadrazil, seit 2010 im ÖFB-Nationalteam, seit zwei
Jahren beim Deutschen Meisterverein FC Bayern
München und dabei, einen Trainerinnenkurs zu ab-
solvieren. In Europa, so sagte sie im Interview mit
orf.at, sei man im Frauenfußball noch lange nicht
dort, wo die US-Amerikanerinnen (s. Kasten) be-
reits seien – weil hier das Interesse am Männerfuß-
ball um ein Vielfaches höher sei. Damit einher
­gehen Zuschauerzahlen, Sponsoring, Merchan­                                                        Sarah Zadrazil
 dising – und die Bezahlung der Sportler.                                                          „Glaubt an eure Träume, dann ist
     Ein erster Schritt wäre also nicht, das gleiche                                             alles möglich“, sagt Sarah ­Zadrazil.
 ­Gehalt wie ihre männlichen Kollegen zu verlangen,                                          Die Fußballerin aus St. Gilgen hat es
  sondern die Strukturen zu verändern. Dahin etwa,                                     ins österreichische Nationalteam und in die
  dass Spiele auch in den großen Stadien stattfinden                                   Frauenmannschaft des FC Bayern München
  oder öfter Spiele im Fernsehen übertragen würden.                                    geschafft. Sie war die erste Österreicherin,
  Tatsächlich scheint sich hier etwas zu tun – siehe                                   die in ein Sportprogramm eines Colleges in
  eingangs erwähntes EM-Qualifikationsspiel oder die                                   den USA aufgenommen wurde. 2017 gab sie
  Austragung von Frauen-Champions-League-Spielen                                       bei der EM ihr Debüt in der Nationalmann­
  in der Münchener Allianz Arena. So geschehen im                                      schaft, das erst im Halbfinale endete, 2018
  März 2022, als die Münchnerinnen gegen die Pari-                                     war sie österreichische Fußballerin des
  serinnen als erste Frauenmannschaften in Deutsch-                                    Jahres. In Videotagebüchern gibt sie jungen
  lands größtem Stadion gegeneinander antreten durf-                                   Fußballerinnen ihre Erfahrungen als
  ten. Es siegten die Gäste aus Paris – und die gesamte                                Profisportlerin weiter.
  weibliche Fußballwelt.

                                                                                                                      2_2022 if: 9
Frauen im Sport - Land Burgenland
„Radle
   einfach weiter!“
   Sie ist vielfache Weltmeisterin – und kann nicht                                              ich alle Preisgelder zusammen­zähle,
   von ihrem Sport allein leben. Im Interview erzählt                                            komme ich auf 1.200 Euro. Für einen
   ­Alexandra Meixner von der Welt des Extremsports                                              Triathlonsieg gibt es 300 Euro, für das
                                                                                                 RAAM oder einen Weltrekord gar
    und welche besonderen Herausforderungen er für                                               nichts. Christoph Strasser, der für seine
    Frauen mit sich bringt.                                                                      sechs Siege beim RAAM ­weltberühmt
                                                                                                 wurde (und zum Glück von Sponsoren-
                                                                                                 geldern leben kann), sagt, er ist froh,
   if: Du bist sechsfache Weltrekord-             wirklich spitze finde – und auch uns           dass es nicht um hohe ­Preisgelder geht,
   halterin und ein Aushängeschild des            ­ rauen wünschen würde.
                                                  F                                              da sonst das Doping dort einziehen
   heimischen Extremsports. Was                                                                  ­würde. Ich sehe das ­genauso.
   wäre anders, wenn du ein Mann                  Das ist bei dir nicht der Fall?
   wärst?                                         Nein, trotz der Weltrekorde und obwohl         Woran liegt das, denkst du? Wieso
   Alexandra Meixner: Als ich die                 ich die erste Österreicherin bin, die das      ist Frauensport uninteressanter?
    Trainer­ausbildung an der Bundessport-        „Race Across America“ (RAAM, ein               Daran, dass wir zu wenige sind? Oder
   akademie absolviert habe, bin ich mit          Radrennen über circa 5.000 km, non-            am allgemeinen Rollendenken? Daran,
   Männern und Frauen ins Gespräch ge-            stop von der West- zur Ostküste Ameri-         dass Frauenberufe weniger populär sind?
   kommen, und wir alle waren uns einig:          kas, Anm.) zweimal beenden konnte,             Ich habe auch keine Antwort darauf.
   Wenn es um Medienpräsenz und Spon-             einmal als Zweite. Wobei ich nicht sagen
   soring geht, haben es Frauen viel schwe-       kann, inwieweit der sexistische Aspekt         Gibt es unter den Extremsportler­
   rer als M
           ­ änner. Bei Frauen kommt dazu,        hier eine Rolle spielt: Ich bin schon eher     innen engen Zusammenhalt?
   dass es umso schwerer ist, je weniger          alt und entspreche nicht so ganz dem           Irgendwann lernt man einander kennen.
   ­repräsentativ du bist: Alter, Aussehen        weiblichen Idealmodell. Kleine und             Wie gesagt: So viele Frauen sind wir ja
    und so weiter.                                ­lokale Sponsor*innen habe ich aber            nicht. Und es gibt durchaus eine extreme
                                                   ­immer, die einfach stolz darauf sind, dass   gegenseitige Unterstützung. So habe ich
   Welche Rolle spielt es, dass du                  sie eine Waldviertlerin unterstützen kön-    die Schweizerin Nicole Reist, zurzeit die
   eine absolute Randsportart                       nen, die so etwas wie einen Ultratriath-     beste Extrem-Radsportlerin, bei der Vor-
   ­betreibst?                                      lon macht. Auch für das RAAM hatte           bereitung auf das RAAM um Rat gefragt.
   Radsport – vor allem „Weitradeln“ – be-          ich einen persönlichen Sponsor, ein Ehe-     Was ich schön finde: Es werden auch ge-
   kommt kaum Medienpräsenz. Je mehr                paar, das wohl keinenWerbeeffekt für         genseitige Bewunderung und Motivation
   Präsenz, desto leichter ist es aber, Sponso-     seine Firma erzielt hat, aber einfach da-    ausgedrückt. Als ich den Weltrekord in
   ring für Bewerbe zu bekommen. Was ich            von begeistert war, was eine Frau leisten    den meisten pro Monat gefahrenen Fahr-
   aber schon sehe: Gerade jüngere Männer           kann.                                        radkilometern aufgestellt habe, hat es
   bekommen mittlerweile so gutes Sponso-                                                        zwei Wochen lang durchgeregnet. J­ eder,
   ring, dass sie gut davon leben können –        Das heißt, du musst dir deinen                 der gesagt hat: „Wird schon besser wer-
   auch ohne große Rekorde vorweisen zu           Sport selbst finanzieren?                      den, wirst sehen“, hat mich nur grantig
   können. Sie machen den Radsport haupt-         Mich hat der Sport bisher 250.000 Euro         gemacht. Irgendwann habe ich Nicole
   beruflich und haben keine Sorgen, sich die     gekostet, wovon rund die Hälfte durch          geschrieben, dass ich nicht mehr kann
   Rennen finanzieren zu können, was ich          Sponsorengelder gedeckt wurde. Wenn            vor lauter Regen, und sie hat gemeint:

10 if: 2_2022
Ende 2021 schafft Alexandra Meixner
                                                                                                                       einen weiteren Weltrekord: Sie fährt
                                                                                                                       die meisten Kilometer in einem Monat.
                                                                                                                       1.333,3 „erfährt“ sie – und ist über-
                                                                                                                       glücklich.

                                   Alexandra „Xandi“ Meixner,                                                          Hygiene: Bei den Ultrarennen haben wir
                                   50, ist Fachärztin für Gynäkologie und Sportmedizinerin aus Harmanschlag,           nur diese mobilen Toiletten, die nicht ge-
                                   Niederösterreich – und außerdem eine der erfolgreichsten österreichischen
                                   Ausdauerathletinnen. Sie hält insgesamt sechs Weltrekorde, darunter jenen           rade hygienisch sind. Mir fällt dazu ein,
                                   im „Double Deca Ultratriathlon“. Das bedeutet: An 20 Tagen wird je ein Iron-        dass ich irgendwann eine Studie gelesen
                                   man absolviert, also insgesamt 76 Kilometer Schwimmen, 3.600 Kilometer
                                   Radfahren und 844 Kilometer Laufen. 2017 nahm sie als erste Österreicherin
                                                                                                                       habe, in der stand, dass Frauen in den ers-
                                   am Race Across America teil und beendete es als Zweite nach zwölf Tagen,            ten Tagen der Menstruation am leistungs-
                                   vier Stunden und 35 Minuten. 2021 radelte sie mit 13.333,3 Radkilometern in         fähigsten sind – sofern sie keine Schmer-
                                   einem Monat ihren letzten Weltrekord – vorerst.
                                                                                                                       zen haben. Das Gleiche sagt man über die
                                                                                                                       Frühschwangerschaft. Da gab es wohl
                                                                                                                       unethische Geschichten mit strategisch
                              „Konzentrier dich nicht auf den Regen,       Ich habe mir schon vor langer Zeit die      geplanten Schwangerschaften und Abtrei-
                              du kannst ihn nicht ändern. Nimm es          Hormonspirale setzen lassen. Die meis-      bungen im ehemaligen Ostblock. Davon
                              hin und radle einfach weiter.“ In einer      ten Frauen, so auch ich, haben damit        ist heute keine Rede mehr.
                              solchen Situation versteht dich nur je-      keine Blutung mehr. Von anderen Frau-
                              mand, der weiß, wie es ist.                  en, die ich auch als Ärztin betreue, weiß   Du bist seit rund zehn Jahren
                                                                           ich, dass sie auch mithilfe hormoneller     ­Extremsportlerin – hat sich im Be-
                              Wie geht man eigentlich mit dem              Verhütung die Regel unterdrücken oder        zug auf das Geschlechterverhältnis
                              Thema Menstruation um, wenn man              verschieben. Es geht nicht nur um die       in dieser Zeit etwas geändert?
                              zum Beispiel einen Monat lang                Schmerzen – dagegen könnte man Me-          Vor allem im Ultratriathlon wird der Frau-
                              durchradelt?                                 dikamente nehmen, sondern auch um           enanteil auf jeden Fall höher, da sieht man
                                                                                                                       immer mehr Frauen bei den Bewerben,
                                                                                                                       was unheimlich schön ist. Beim „Weit­
                                                                                                                       radeln“ werden wir – noch nicht in Öster-
                                                                                                                       reich, aber international – mehr Frauen.
                                                                         Bettina Plank                                 Unter den Sportlerinnen und Sportlern
                                 Sie erkämpfte sich bei den Olympischen Spielen in Tokio die                           habe ich immer einen starken Zusammen-
© ALEX FELTEN, SEPP MALLAUN

                               Bronzemedaille in Karate. Den Grundstein dafür legte Bettina                            halt festgestellt, da wurde nicht gegen uns
                                Plank mit neun Jahren, als sie mit dem Karatesport be-                                 Frauen gearbeitet, im Gegenteil: Männli-
                                gann. Neben dem Spaß an der Bewegung fasziniert                                        che Athleten motivieren und unterstützen
                                  sie der respektvolle Umgang miteinander, aber                                        uns, vom ersten bis zum letzten Platz wird
                                auch die mentale Stärke, die gefordert ist, und                                        jede und jeder wertgeschätzt.
                                   das Selbstbewusstsein, das gefördert wird.
                                  ­Jungen M
                                          ­ ädchen rät sie: „Du darfst dich nie
                              ­unterkriegen lassen! Stecke dir Ziele und lass dir                                                                       2_2022 if: 11
                                  von niemandem einreden, sie seien zu hoch!“
„Sport wirkt
     auf die Gesellschaft“
                      100 % SPORT setzt sich für Gleichberechtigung im Sport ein – und mehr
                      als das. Seit heuer steht nun auch die geschlechtliche Vielfalt im Fokus
                      ihrer Arbeit. Caroline Weber, stv. Geschäftsführerin, und Liam Strasser,
                      Referent für geschlechtliche Vielfalt, im Interview.

                      if: Mit welchen Themen beschäftigt ihr euch,             nur zwei Geschlechter gibt. Hier schauen wir in Ab-
                      oder anders gefragt: Warum gibt es euch?                 stimmung mit LGBTIQ*-Interessensvertretungen,
                      Caroline Weber: Der Hauptgrund, warum 100 %              wo man im Sportsystem einwirken kann. Es ist ein
                      SPORT entstanden ist, war, um den Frauenanteil im        Randthema, das noch nicht im allgemeinen Be-
                      Sport zu erhöhen. Aus mehreren Projekten zur För-        wusstsein angekommen, geschweige denn verankert
                      derung von Mädchensport ist das Zentrum für              ist. Oder sogar bewusst nicht verbreitet wird.
                      ­Genderkompetenz entstanden. Unsere Aufgabe ist
                       es, dazu beizutragen, den Sport inklusiver und siche-   Das heißt, ihr kämpft an mehreren Fronten?
                       rer zu machen. Wir sind vom Sportministerium ge-        Caroline Weber: Frauen wurden und werden im
                       fördert und decken alle Genderthemen ab, seit heuer     Sport marginalisiert und in vielerlei Hinsicht diskri-
                       verstärkt durch Liams Fachbereich, geschlechtliche      miniert: Verdienst, Repräsentation in den Medien,
                       Vielfalt sowie Prävention sexualisierter Gewalt.        Anzahl der möglichen Sportgruppen, auf Funktio-
                                                                               närsebene werden Positionen männlich besetzt und
   Caroline Weber     Gibt es in diesem Bereich schon Bewusstsein?             nicht aus der Hand gegeben, Anliegen von Frauen
 und Liam Strasser
                      Lauft ihr offene Türen ein – oder steht ihr vor          werden nicht allumfassend wahrgenommen. Und
        stehen für
                                                                                                                                        © SHUTTERSTOCK, BEIGESTELLT

­Genderkompetenz      verschlossenen?                                          jetzt kommen wir mit der geschlechtlichen Vielfalt,
      im Sport ein.   Liam Strasser: Geschlechtliche Vielfalt wird bisher      einem Thema, das alteingesessenen Personen prinzi-
                      im binären System verstanden und endet meist bei         piell sauer aufstößt, weil sie ja schon einmal nachge-
                      Mann und Frau. Unser Fokus liegt auf Bewusstseins-       geben haben und Frauen – zumindest ein bisschen –
                      bildung, also überhaupt zu sagen, dass es mehr als       zum Zug kommen haben lassen.

12 if: 2_2022
An welchen Knöpfen kann man denn drehen,                 lässt, die man sonst nicht dulden würde, um nicht
um da eine Veränderung zu bewirken?                      alles aufs Spiel zu setzen. Seit wir dieses Thema aktiv
Liam Strasser: Alles, was von öffentlicher Seite         nach außen tragen, ist wahrnehmbar, dass einiges in
kommt oder rechtlich verbindlich ist, hat eine ganz      Bewegung kommt. Noch mehr freut es uns, dass die
andere Wirkung als alle Bemühungen, die bestenfalls      Überlegungen zur Einrichtung einer Vertrauensstelle
als Empfehlungen wahrgenommen werden können.             für den Sport konkreter werden.
Wir bräuchten also eine gesetzliche Grundlage, um
schnellstmöglich Veränderungen herbeizuführen.           Was wünscht ihr euch für den Sport der Zukunft?
Die Sportförderung anzupassen und Ausbildungs-           Liam Strasser: Ein Bekenntnis der Bundesregie-
programme auf alle Geschlechter auszuweiten, wäre           rung zur geschlechtlichen Vielfalt im Sport, und
ein möglicher Weg zur schrittweisen Chancengleich-          dazu, dass alle Menschen das gleiche Recht auf
heit. Sind Personen am Hebel, die Vielfalt nicht am      ­Partizipation, Persönlichkeitsentfaltung und
Schirm haben, ist es schwierig. Trans, non-binäre         ­-bildung im Sport haben. Dass alle Geschlechter
und inter Personen gilt es, als Teil des Systems zu        gleichwertig behandelt werden, sodass der Sport ein
verstehen, nur durch ihre Einbindung kann Ver­             diskriminierungsfreier Raum sein kann.
änderung bewirkt werden.                                   Caroline Weber: Es passiert so viel Sozialisierung
Caroline Weber: Ein spannender Hebel wäre auch           über den Sport. Was sich hier einmal durchsetzt, hat
der Sportstättenbau. Wir haben uns angeschaut, wel-      Allgemeingültigkeit. Deshalb ist Gerechtigkeit im Sport
che Normen und Vorschriften es gibt und wie man          für mich so ein wichtiges Thema, weil Sport in die
sie umgestalten kann, sodass Sportstätten für alle Ge-     ­Gesellschaft einwirkt – und die Gesellschaft in den
schlechter zum „Safe Space“ werden. Trainingshallen,        Sport.
Umkleidekabinen, Toiletten – das umfasst sehr viel.

Damit hängt das Thema „Sexualisierte Gewalt
im Sport“ zusammen. Inwiefern seid ihr in                    Der Verein
­diesem Thema aktiv?
 Caroline Weber: Wir stellen Referentinnen und               Als österreichisches Zentrum für Gender-
­ eferenten, bilden Multiplikatorinnen und Multi­
R                                                            kompetenz im Sport wurde 100 % SPORT
plikatoren aus, die dann in den Vereinen, Verbänden          vom Sportministerium als autonomer Verein
und Organisationen als Ansprechpersonen dienen. Sie          eingerichtet. Das Ziel: Geschlechtergerech-
vermitteln auch an Opferschutzorganisationen, sind           tigkeit, Gender-Mainstreaming und Gleich-
für alle Athletinnen, Athleten, Eltern und Erziehungs-       stellung aller Geschlechter in allen sport­
berechtigten sichtbar. Dazu haben wir ein E-Learning         lichen Belangen voranzutreiben. Dazu bietet
entwickelt, das von Hobbysportlern und -sportlerin-          der Verein neben verschiedensten Kampag-
nen bis zu Nationalteamprofis jeder nutzen kann.             nen, Veranstaltungen, der Aufbereitung von
                                                             Informationen und Schulung von Multiplika-
Sexualisierte Gewalt „schleicht sich oft ein“                torinnen und Multiplikatoren seit Neuestem
und baut sich langsam auf.                                   (und erstmals in Österreich) eine E-Learning-­
Liam Strasser: Viele Athletinnen und Athleten                Plattform zum Thema s­ exualisierte Gewalt
sind von Kind an täglich im Training, im gleichen            im Sport an. Diese ist für alle frei zugänglich.
Setting, und alles, was passiert, kommt einem ja nor-        Alle Infos: www.100prozent-sport.at und
mal vor. Dazu kommt, dass man so auf die Karriere            www.safesport.at
fokussiert ist und um der Karriere willen Dinge zu-

                                                                                                                   2_2022 if: 13
Lena Grabowski,
                                                              Schwimmerin, ist
                                                              EM-Dritte, Vize­
                                               Tanja Frank,   juniorenwelt­meisterin,
                                   Seglerin, gewann Bronze    mehr­fache ­öster-
                              bei den Olympischen Spielen     reichische Rekord­-
                                      2016 und wurde 2018     hal­terin und Sportlerin
                                         Vizeweltmeisterin.   des ­Jahres 2021
                                                              im Burgen­land.

                         Nicole Trimmel
                         ist mehr­fache Kickbox-Welt-
                         und Europameisterin.

         Lisa Fuhrmann
          ist mehrfa­che
                 Jugend-
               Welt- und
        Europameisterin
             in Jiu-Jitsu.

         Arbeitet                                                             if: Bezahlung, Anerkennung, Gleichbehand-
                                                                              lung – haben es Frauen im Profisport schwerer
                                                                              als Männer?

   daran, dann ist                                                            Lisa Fuhrmann: In meiner Sportart kommt es Gott
                                                                               sei Dank nicht zu Ungleichheiten zwischen Män-
                                                                               nern und Frauen. Bei uns kommt es auf die Leistung

      es möglich!                                                              der einzelnen Sportlerin und des einzelnen Sportlers
                                                                               an.
                                                                              Lena Grabowski: Die Athletinnen und Athleten
                                                                              ­haben relativ gleiche Voraussetzungen. Für Limits wie
                                                                               zum Beispiel bei Olympischen Spielen wird die Zeit
                                 Es gibt noch immer mehr                       des 16. Platzes der Vorgänger als Referenz genommen.
                                                                               Es ist bei manchen Strecken sogar so, dass die Quali­
                                       Spitzensportler als
                                                                               fikationsrichtlinien für Frauen leichter zu erreichen
                                    Spitzensportlerinnen.                      sind als für Männer, weil in einigen Bewerben die
                                Welche ­Strategien ­setzen                     Teil­nahmedichte deutlich geringer ist.
                             Profisport­lerinnen ein, die in                   Nicole Trimmel: Wenn diese Frage an einen männli-
                             bisher männlich dominierten                      chen Federballspieler ginge, der gerade an einen weib-
                                Sport­arten trainieren? Ein                   lichen Tennisstar denkt, würde er sie verneinen. Bei all
                                     E-Mail-Interview, vier                   den Themen geht es eher um die Sportart und um
                                                                              den Erdteil, auf dem man sie ausübt. Gleichberechti-
                                         Topsportlerinnen.                    gung ist wichtig – der Rest liegt, auch wenn’s wehtut,
                              Das Interview führte Ekaterini Grebien.         am Interesse, das man auslösen kann.

14 if: 2_2022
Let’s move it!

                                                                                     Sportevents im Burgenland
           Durch starke weibliche Vorbilder im Sport                                 11.–12. 6.:	Österreichische Meisterschaft in der ­
           ­können Geschlechterrollenbilder von Frauen                                              Mitteldistanz (Orientierungslauf), Draßburg
            und Männern in unseren Köpfen verändert                                  26. 6.-3. 7.:	Österreichische Tennis-Staatsmeisterschaften,
            ­werden. Wie seht ihr eure Vorbildwirkung für                                           ­Oberpullendorf
             junge Frauen?                                                           7. 8.: 	      Burgenland-Radrundfahrt, Bezirk Mattersburg
             Tanja Frank: Wir Frauen im Segelsport nehmen
           ­ nsere Vorbildwirkung sehr ernst. Junge, aufstrebende
           u                                                                         Frauenfußball im Burgenland
           Athletinnen brauchen Idole, um aufblicken zu                              Der burgenländische Frauenfußball wächst beständig.
           ­können, um zu lernen und daran zu wachsen.                               ­Ta­lentierte junge Frauen finden im Frauenfußballzentrum
            Nicole Trimmel: Ein Rollenbild, das mich stört, ist                       der HAK/HAS Stegersbach eine Ausbildungsstätte, die den
           jenes des Opfers. Für den Weg zu sportlichen Spitzen-                     Grundstein für eine professionelle Fußballkarriere legen kann:
           leistungen bin ich ganz alleine verantwortlich. Auch                      Seit 2021 werden Trainingsmöglichkeiten mit hochquali­
           Männer bekommen da nichts geschenkt. Meine Bot-                            fizierten Fußballtrainern angeboten (UEFA-A-Lizenz,
           schaft ist: Keiner hindert euch, gebt die Verantwor-                       ­Elite-Junioren-Lizenz). Und: Im Jahr 2021 wurde „Real Girls
           tung nicht ab, seid selbstbewusst, arbeitet hart an                         Play Soccer“ (ein Projekt des BFV) unter der Leitung von
            ­euren Zielen – dann ist es möglich.                                     Yvonne Lindner/Nina Potz gestartet: Neben fünf Stützpunk-
             Lena Grabowski: Meine Vorbildwirkung ist mir                            ten, an denen Mädchen-Fußballtraining ange­boten wird,
             sehr wichtig. Ich wollte immer schon zeigen, dass man                     ­wurden u. a. zwei Talentetraining-Standorte geschaffen, ein
             auch mit nicht optimalen Trainingsbedingungen seine                        Schulfußballprojekt realisiert, bei dem 13 Mittelschulen Fuß-
             Ziele erreichen kann. Bevor ich in das Leistungszen­                       ball als unverbindliche Übung anbieten, sowie Trainerinnen-
             trum in der Südstadt wechselte, war ich in den meis-                       kurse organisiert. Retrospektiv: Am Sportgelände des ASV
             ten Trainings die einzige Schwimmerin. Dass ich mich                       Draßburg fand am 19. Mai der „OSG Hopsi Hopper Cup
             mit meinem Heimatverein, der Schwimmunion Neu-                             2022“ für Mädchen in Volksschulen statt. Mehr Infos unter:
             siedl, für meine erste Junioren-EM und die EYOF1                        www.hak-stegersbach.at/ffz/
           qualifizieren konnte, war extrem wichtig für mich.                        www.realgirlsplaysoccer.at
             Lisa Fuhrmann: Durch die Erfolge, die ich die letz-                     www.burgenland.at/news-detail/maedchen-am-ball-nur-
             ten Jahre gesammelt habe, steigt offensichtlich die                     siegerinnen-beim-ersten-hopsi-hopper-cup-2022/
             Motivation bei den jungen Kämpferinnen und
             Kämpfern in unserem Verein, immer mehr möchten
             auf Wettkämpfe fahren. Generell melden auch viele
             Eltern ihre Kinder zum Jiu-Jitsu an.                               Geld aufwenden und später dann oft auf dich
                                                                                ­verzichten, weil Training und Wettkampf vorgehen.
           Inwiefern haben der familiäre Einfluss und                            Eine Leistungssportkarriere wäre ansonsten
           Sport in eurer Kindheit auf eure spätere                              ­undenkbar.
           ­Leistungssportkarriere Einfluss genommen?
            Tanja Frank: Mir wurde der Segelsport sprichwört-                   Was kann Sport bezüglich Gleichberechtigung
               lich in die Wiege gelegt. Von Beginn an war der                  in Zukunft leisten?
           ­familiäre Einfluss vorhanden – und ein wichtiger                    Lena Grabowski: In einigen Sportarten können
            ­Begleiter am Weg in und durch den Profisport.                        gleiche Qualifikationsrichtlinien für Großereignisse
             Lisa Fuhrmann: Durch meinen Vater, der Obmann                        oder gleiche Bezahlung für gleiche Leistungen
               und Trainer in meinem Verein ist und in seiner Jiu-               ­helfen. Bei der Bezahlung ist schon das Problem,
               Jitsu-Karriere ebenfalls Welt- und Europameister                   dass diese ja auch im normalen Leben nicht gerecht
               wurde, wurde mir Jiu-Jitsu mehr oder weniger auch                  ist. Nur ich kann mir schwer vorstellen, dass man
               in die Wiege gelegt. Wie man sieht, ist es auch                    bei einer erfolgreichen Sportlerin irgendwann sagt:
             ­meine Leidenschaft geworden. Außerdem hätte ich                     „Wow, die ist richtig gut!“ Und nicht mehr: „Wow,
              ohne Unterstützung meiner Familie niemals die                       für eine Frau ist die richtig gut!“
              Chancen gehabt, auf all die Wettkämpfe zu fahren,                   Nicole Trimmel: Ehrlich gesagt sehe ich nicht, dass
              auf denen ich war. Dafür bin ich ihr unglaublich                  Frauen im Sport – zumindest in unseren Breiten –
              dankbar!                                                          irgendwo nicht gleichberechtigt wären. Wenn’s um
              Nicole Trimmel: Der familiäre Einfluss ist entschei-              Frauen oder Mädchen geht, sehe ich unsere Aufgabe
           dend. Eltern müssen grundsätzlich offen für Sport                    am ehesten darin, das Selbstbewusstsein zu stärken
           sein, bestenfalls persönlichen Bezug zum Sport                       und dazu zu motivieren, die Chancen, die es gibt,
© PRIVAT

              ­haben, sie müssen dich fördern, viel Zeit oder auch              ­eigenverantwortlich beim Schopf zu packen.
           1
             EYOF: Europäisches Olympisches Jugendfestival, eine Multisportveranstaltung, die in den
           ungeraden Jahren zwischen den Olympischen Spielen stattfindet (Anm. der Red., Quelle: Wikipedia).

                                                                                                                                                  2_2022 if: 15
Menschen zum Thema

                 „Was halten Sie von
             Mädchen- und Frauenfußball?“

                           Franz Lederer, Mattersburg
                             Frauen im Fußball/Sport sind mehr denn je zeitgemäß, was die
                             Gleichstellung anbelangt. Vor allem setzen sich nun Menschen
                             mit dem Fußball auseinander, die diesen meist nur belächelt
                             haben. Damit könnten ganz neue Möglichkeiten und
                            Ressourcen für diesen Sport entstehen.

                       Philipp Koller, Burgenländischer Fußballverband
                            Der Frauenfußball hat in den letzten Jahren eine
                             enorme Entwicklung genommen und sich
                             erfreulicherweise im Spitzensport mittlerweile voll
                             etabliert. Um noch mehr Mädchen dorthin zu bringen,
                             werden auch seitens des Burgenländischen
                            Fußballverbandes viele Initiativen und Anreize für
                           den Mädchen- und Frauenfußball gesetzt.

                            Michael Perschy, Frauenkirchen
                             Ich bin ein Fan davon, Tabus aufzubrechen und neue
                             Möglichkeiten zu gestalten. Jede*r soll machen dürfen,
                             wonach ihr/m der Kopf grad steht, solange es dem eigenen
                             Körper guttut und Spaß macht.
                                                                                            © SHUTTERSTOCK, PRIVAT

www.burgenland.at/frauen
Sie können auch lesen