Korruption im Sport - Transparency International Schweiz

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                                            Korruption im Sport
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                                            DOSSIER

VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser                  Privaten,     und     insbesondere     im   Instrumenten handelt es sich nicht nur
                                            Zusammenhang mit den internationalen        um exemplarische Anti­Korruptionmass­
In den letzten Jahren hat eine beun­        Sportverbänden, die ihren Sitz in der       nahmen als Richtschnur, sondern sie
ruhigende Zahl von Skandalen mehrere        Schweiz haben, nicht mehr zugelassen        dienen ebenso zur Wissensvermittlung
Sportarten getroffen. Eine unzurei­         und gerichtlich verfolgt und sanktioniert   und Sensibilisierung.
chende Governance und die Korruption        wird.                                       Das vorliegende Dossier präsentiert auf
schaden nicht nur dem Sport, seinen         In der Tat hören die Anstrengungen dort     der einen Seite die rechtliche Lage in der
Verbänden und seinen Vertretern,            nicht auf. Einerseits ist die transnatio­   Schweiz und die Gesetzgebungsmass­
sondern setzen auch den positiven           nale Zusammenarbeit aller Akteure –         nahmen, die Transparency International
Einfluss des Sports auf die Jugend aufs     Sportverbände, Staaten, Sponsoren, Me­      Schweiz für notwendig hält. Auf der
Spiel – namentlich indem der Sport          dien, Öffentlichkeit – notwendig, um die    anderen Seite werden andere anwend­
lehrt, die Werte des Fair­Plays zu be­      Korruption und Manipulationen inner­        bare Lösungsstrategien innerhalb der
folgen, Regeln zu akzeptieren oder ge­      halb und ausserhalb der Sportwett­          Klubs und Sportverbände sowie im
genseitigen Respekt füreinander aufzu­      kämpfe zu unterbinden. Um das Problem       Bereich der Prävention und Sensi­
bringen.                                    der Korruption andererseits an der          bilisierung vorgestellt.
Die Sportverbände tragen eine wichtige      Wurzel zu packen, bleibt bei den Gover­
Verantwortung im Bereich der Integri­       nance­Strukturen viel Arbeit zu tun –       Transparency International Schweiz
tät. Gleichzeitig unterliegen sie ge­       nicht nur bei den internationalen
waltigen Spannungen und stehen von          Sportverbänden, sondern auch bei den        Delphine Centlivres, Geschäftsführerin
vielen Seiten unter Druck. Die              nationalen und lokalen. Und dies
Durchführung der Fussballweltmeister­       genauso in Disziplinen, die weniger Auf­
schaft 2010 hat Südafrika 3.7 Milliarden    merksamkeit anziehen.
US­Dollar gekostet. Die Olympischen         Die Korruptionsfälle und Wetten über
Spiele 2012 in London ihrerseits werden     abgesprochene Spiele stellen eine direkte
                                                                                        INHALTSVERZEICHNIS
rund CHF 14 Milliarden gekostet haben.      Bedrohung für die Klubs und die
Diese Unsummen wecken Appetit auf           nationalen Sportverbände dar. Sie
                                                                                        VORWORT                                   1
mehr.                                       können strafrechtliche oder finanzielle
Wir haben kürzlich beim FIFA­Kongress       Konsequenzen nach sich ziehen, zu
                                                                                        INTEGRITÄT UND FAIR PLAY IM SPORT         2
auf der Insel Mauritius gesehen, dass die   Spielsperren führen und das Image und
Reformbemühungen des Weltfussball­          die Karriere der Funktionäre, Mitglieder
                                                                                        «DASS DIE INTERNATIONALEN SPORTVERBÄNDE
verbands leider im Sand verlaufen. Das      und Sportler beschädigen. Dennoch ist es
                                                                                        UNGENÜGEND REGULIERT SIND, GEFÄHRDET
ist ein klares Signal, dass es manchmal     möglich, sogar für kleine Vereine und
                                                                                        DAS IMAGE DER SCHWEIZ»
unmöglich ist, unangenehme Dinge            Verbände, ihre Mitglieder für Korruption
                                                                                        INTERVIEW MIT JEAN­LOUP CHAPPELET         8
hinter verschlossenen Türen zu regeln,      zu sensibilisieren und konkrete Mass­
sondern dass es in gewissen Fällen eine     nahmen für mehr Transparenz einzu­
                                                                                        «WENN WIR PROBLEME IN DER FAMILIE
klare Gesetzgebung braucht, um die          führen, ohne dass dies zu viel Zeit oder
                                                                                        HABEN, KLÄREN WIR DIE IN DER FAMILIE»
Ent­wicklung einer «Good Governance»        Geld in Anspruch nimmt.
                                                                                        INTERVIEW MIT JENS WEINREICH             10
zu unterstützen. Mit der Eröffnung der      In diesem Bereich kann Transparency
Vernehmlassung der neuen Gesetzes­          International ihre Expertise einbringen,
                                                                                        «OFFIZIALDELIKT PRIVATBESTECHUNG?
vorlage über die Privatbestechung si­       ebenso wie die Instrumente, die sie für
                                                                                        AUSWIRKUNGEN AM BEISPIEL DES SPORTS» 14
gnalisiert die Schweizer Regierung, dass    Klubs und nationalen Verbände in der
in Zukunft die Korruption unter             Schweiz entwickelt hat. Bei den
                                                                                        DIE FORDERUNGEN VON TI SCHWEIZ           15
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INTEGRITÄT UND FAIR PLAY IM SPORT

Die gesellschaftliche Bedeutung des         Die Korruptionsform ausserhalb des              meinnützigen Absicht des Sports und
Sports hat in den vergangenen Jahren        sportlichen Wettkampfs beinhaltet die           politischen oder wirtschaftlichen Inte­
durch steigende Professionalisierung        Be­stechung von Funktionären in Sport­          ressen,
und Kommerzialisierung erheblich zu­        verbänden, Korruption im Zusammenhang         • Autonomie für Sportvereine und Sport­
genommen und eine globale Reich­            mit der Vergabe von Grossanlässen und           verbände durch die Gesetzgebung (weit
weite erlangt. Wo viel Geld im Spiel        deren Vermarktungsrechten sowie im              weniger Regeln unterstellt als z.B. Un­
ist, wächst das Risiko für korrupte und     Sponsoringbereich. Einen der grössten           ternehmen),
betrügerische Machenschaften, welche        Korruptionsskandale lieferte zu diesem        • Abhängigkeit von ehrenamtlicher Mit­
die grundlegenden Werte des Sports –        Thema die in Zug ansässige Sport­               arbeit und starker Loyalität,
Fairness und Respekt – untergraben          marketing­Firma ISL/ISMM, der damals          • Knappheit von Ressourcen für Prä­
können.                                     wichtigste Geschäftspartner des Welt­           ventions­ oder Ausbildungsmassnah­
                                            fussballverbands FIFA für TV­Über­              men.
Korruption und Betrug kann im Sport auf     tragungsrechte6. ISL ging 2001 Konkurs,
zwei Arten auftreten1: einerseits Betrug    worauf die Staatsanwaltschaft Zug ein         Korruption im Sport steht im Widerspruch
innerhalb des sportlichen Wettkampfs        Verfahren wegen Schmiergeldzahlungen          zum gesellschaftlichen Nutzen des Sports
und andererseits Korruption in Sport­       der ISL an mehrere FIFA­Funktionäre er­       – seinem Wert für die gesundheitliche
verbänden oder in anderen Bereichen         öffnete. 2010 wurde das Verfahren             Aktivität, seiner integrativen Funktion und
ausserhalb des Sportwettkampfs.             eingestellt, indem die FIFA eine «Wieder­     seinen erzieherischen Werten. In diesem
                                            gutmachungszahlung» von CHF 5.5 Mio.          Dossier werden einerseits die rechtliche
Spielmanipulationen (Match­Fixing) und      an die Staatsanwaltschaft leistete. Aus       Situation in der Schweiz und die nach
betrügerische Absprachen, meist im Zu­      der Einstellungsverfügung geht hervor,        Transparency       International    Schweiz
sammenhang mit Sportwetten und Be­          dass sich die Bestechungszahlungen der        nötigen Gesetzesmassnahmen beschrie­
stechungszahlungen, gehören zum Be­         ISL/ISMM auf insgesamt mindestens CHF         ben. Allerdings genügen blosse Gesetzes­
reich der Korruption innerhalb des          140 Mio. beliefen. Empfänger dieser           artikel nicht, um das Korruptionsproblem
sportlichen Wettkampfs. Aufmerksam­         Zahlungen waren Spitzenfunktionäre wie        an der Ursache anzugehen. Deshalb
keit erlangte im Februar 2013 die Manipu­   João Havelange (Ex­FIFA­Präsident und         werden andererseits Lösungsansätze von
lation von europaweit über 380 Fussball­    bis April 2013 FIFA­Ehrenpräsident) oder      Transparency International Schweiz auf
spielen zwischen 2008 und 2011 –            Ricardo Teixeira (Ex­Präsident des brasili­   der Verbands­ und Vereinsebene sowie im
darunter       Champions­League­Partien,    anischen Fussballverbands). Ebenfalls wird    Präventionsbereich präsentiert.
WM­ und EM­Qualifikationsspiele sowie       deutlich, dass FIFA­Präsident Joseph
41 Partien in der Schweiz2. Die Ermitt­     Blatter höchstwahrscheinlich von diesen
lungen in der Schweiz führten zu            Zahlungen gewusst haben muss.                 RECHTLICHER RAHMEN IN DER
Spielsperren gegen neun Spieler3. Das                                                     SCHWEIZ
Bundesstrafgericht sprach die Ange­         Neben diesen einer breiten Öffentlichkeit
klagten im November 2012 jedoch über­       bekannten Fällen ist das Korruptionsrisiko    Bei Bestechung wird in der Schweiz
raschend vom Betrugsvorwurf frei4. Das      im Sport auch in weniger beachteten           unterschieden, ob Amtsträger oder private
Urteil stiess weitgehend auf Unver­         Bereichen vorhanden. Eine Reihe von           Akteure involviert sind. Weil Sportver­
ständnis und offenbarte eine Lücke im       Faktoren begünstigt das Korruptions­          bände keine öffentlich­rechtlichen Auf­
Schweizer Strafrecht bezüglich elektro­     risiko:                                       gaben übernehmen, fallen sie in die
nischer Wettanbieter, die der Bundesrat     • viel Prestige, Macht und Geld im Spiel,     Kategorie der Privatbestechung. Diese ist
mit einem neuen Tatbestand «Sport­          • Interessenkonflikte zwischen der ge­        im Bundesgesetz gegen den unlauteren
betrug» schliessen will5.                                                                 Wettbewerb (UWG) geregelt. Das UWG
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schliesst Unternehmen und Non­Profit­        Privatbestechung als Offizialdelikt im         sationen im Korruptionsfall zumeist nicht
Organisationen wie Sportverbände ein,        Kernstrafrecht des UWG eingeordnet             die Bedingung des unlauteren Wettbe­
sofern die Bedingung erfüllt ist, dass ein   werden soll7. Dies geschah nicht zuletzt       werbs mit direkten wirtschaftlichen Aus­
Wettbewerbsverhältnis tangiert wird.         aufgrund der Empfehlungen der Länder­          wirkungen auf die Konkurrenz erfüllen.
Diese Voraussetzung macht die Anwen­         prüfungen der GRECO (Groupe d’Etats            Deshalb bleiben Bestechungsvorfälle oft
dung des UWG im Sportbereich unsicher.       contre la Corruption) Ende 2011, die           straffrei – wobei insbesondere die Fälle bei
                                             Bestandteile der Europarat­Konvention          den grossen internationalen Sportorgani­
Die Privatbestechung ist als Antragsdelikt   gegen die Korruption sind8. Im Mai 2013        sationen auf Unverständnis in der Öffent­
gestaltet. Im Gegensatz zu einem             hat der Bundesrat die Vernehmlassung der       lichkeit stossen und erhebliche Image­
Offizialdelikt erfolgt eine Strafverfolgung  Gesetzesrevision eröffnet, um die Privat­      schäden nach sich ziehen.
einzig nach einem Strafantrag und nicht      bestechung als Offizialdelikt ins Straf­
von Amtes wegen, was ein grosses             gesetzbuch zu verschieben – und damit         Die Gesetzesvorlage, die Privatbestech­
Hindernis in der Korruptionsbekämpfung       ungeachtet der Wettbewerbsbeeinflus­          ung ins Kernstrafrecht (im 19. Titel des
darstellt. Oft haben die Involvierten bei    sung wirksame Instrumente gegen die           StGB) zu überführen, wo Delikte von
Korruptionsdelikten kein Interesse den Fall  Korruption in Unternehmen, NGOs und           Amtes wegen verfolgt werden müssen,
aufzudecken, da sie Imageschäden             Verbänden zur Verfügung zu stellen.           zielt deshalb in die richtige Richtung. Dies
befürchten und zukünftige freundschaft­                                                    mit dem Ziel, Sportverbände (und NGOs
liche Beziehungen unter Partnern ge­                                                       im Allgemeinen) ins Korruptionsstrafrecht
fährdet sehen. Aus diesen Gründen liegen    ZEIT  FÜR   GRIFFIGE   GESETZE                 aufzunehmen und der Bestechung von
seit der Aufnahme der Privatbestechung                                                     Amtsträgern anzugleichen. Korruptions­
in das Gesetz im Jahr 2006 noch keine Korruptionshandlungen durch Angehörige               fälle in Sportverbänden, aber auch bei
relevanten Gerichtsentscheide vor.          von Sportverbänden gelten als Privatbe­        Unternehmen oder anderen Privat­
                                            stechung. Die Korruptionsskandale im           akteuren, können mit wirksameren Mitteln
Würde ein Delikt in den Anwendungs­ Sport haben in den letzten Jahren den                  untersucht werden. Für die Sportverbände
bereich des UWG fallen (d.h. eine kom­ Druck erhöht, die Bestimmungen zur                  erhöht die Gesetzesvorlage auch den
merzielle Aktivität ist vorhanden), kann Privatbestechung zu verstärken. Mit der           Anreiz, wirksame Compliance­Programme
zusätzlich zur Bestrafung der fehlbaren     neuen  Gesetzesrevision  hat dies auch der     zu implementieren9.
Personen eine «kumulative Unterneh­ Bundesrat anerkannt, weil Sportorgani­
menshaftung» eintreten: Ein Sportverein
oder Sportverband wird für aktive Korrup­       Verschärfung des Korruptionsstrafrechts
tionsvergehen seiner Mitglieder bestraft        Am 15. Mai 2013 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur Revision des Kor­
werden, wenn er nachweislich nicht alle         ruptionsstrafrechts eröffnet. Die Gesetzesvorlage enthält keine Überraschungen:
«[…] erforderlichen und zumutbaren              Der Bundesrat will die Privatbestechung zum Offizialdelikt machen und
organisatorischen Vorkehren getroffen           Korruption unter Privaten auch dann ahnden, wenn sie den Wettbewerb nicht
hat, um eine solche Straftat zu ver­            verzerrt.
hindern.» (Art. 102 Abs. 2 StGB)                Aus diesem Grund soll nach dem Willen des Bundesrats die Privatbestechung neu
                                                 im Strafgesetzbuch unter den neuen Artikeln 322octies und 322novies geregelt
Heute wird wieder über eine Verschärfung         werden. «Denn die Privatbestechung kann z.B. der öffentlichen Gesundheit und
des Korruptionsstrafrechts diskutiert. Das       Sicherheit schaden, wenn in diesen Bereichen korrupte Geschäfte abgeschlossen
Bundesamt für Sport (BASPO) hat im               werden», so der Bundesrat in der Medienmitteilung zur Vorlage10. Die
November 2012 einen Bericht vorgelegt,           Vernehmlassung dauert bis zum 5. September 2013.
der unter anderem fordert, dass die
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Zur Bekämpfung von Spielmanipulationen          vorfällen unmittelbar betroffen. Mitarbei­   • Ethik­Kodex: Der Verband arbeitet
(Match­Fixing) im Zusammenhang mit              tenden, Mitgliedern und Athleten drohen        einen Leitfaden aus, der Richtlinien für
Internetwetten genügt diese Gesetzes­           strafrechtliche Konsequenzen, Spielsper­       Konfliktsituationen enthält. Hier wird
massnahme nicht. Das Bundesstrafgericht         ren und Imageschäden, die unange­              erklärt, wie Korruption aufgefasst wird
hat im November 2012 in einem weg­              nehme Folgen mit sich ziehen.                  und welche Handlungen nicht erlaubt
weisenden Urteil entschieden, dass                                                             sind, sowie die Sanktionen erläutert, die
elektronische Wettanbieter nicht irrege­        An erster Stelle steht für Vereine und         bei Regelverstössen verhängt werden.
führt werden können, und folglich die des       Verbände eine Risikoanalyse, um die          • Interessenkonflikte: Personen, die aktiv
Betrugs angeklagten Fussballer freige­          besonders anfälligen Gefahrenherde zu          in Vereinen tätig sind, stossen immer
sprochen11. Deshalb müssen neue Ge­             identifizieren. Bei Sportverbänden besteht     wieder auf Situationen, in denen Inte­
setzesinstrumente geschaffen werden,            vor allem das Risiko der passiven              ressenkonflikte bestehen. Der Sportver­
wie dies etwa der Bundesrat mit der             Korruption, wo Funktionäre von Aussen­         band stellt Richtlinien zur Verfügung,
Schaffung eines neuen Straftatbestandes         stehenden bestochen werden, um Einfluss        wie sich die betroffenen Personen in
«Sportbetrug» vorschlägt. Um der globalen       auf die Entscheidungsprozesse des Sport­       solchen Situationen verhalten sollen.
Dimension dieser Manipulationen gerecht         verbands zu erhalten. Darunter fallen        • Information: Damit Anti­Korruptions­
zu werden, muss zunehmend auch die              beispielsweise die Wahl des Präsidenten,       massnahmen wirken, ist der Verband
internationale   Kooperation     verstärkt      Bestimmung von Austragungsorten von            verantwortlich für die Information und
werden.                                         Turnieren oder Entscheide zur Vergabe          Sensibilisierung aller Mitglieder und
                                                von Verträgen. Neben diesen allgemeinen        Mitarbeitenden. Zu diesem Zweck führt
                                                Risiken gibt es Bereiche, die je nach          der Verband Schulungen durch, dis­
GOOD GOVERNANCE AUF DER                         Sport­ oder Verbandsart spezifische            kutiert und kommuniziert die Prinzipien
VEREINS­ UND VERBANDSEBENE                      Risiken für Korruptionsmuster aufweisen.       des Verbandes in Zusammenhang mit
                                                Darunter fallen Partnerschaften mit            der Korruption.
Das Vereinswesen in der Schweiz beruht          Sponsoren, die Organisation von Gross­       • Meldestelle: Wer sich im Sportbereich
auf freiwilligem Engagement und grossem         veranstaltungen, die Verbreitung von           engagiert, entwickelt oft starke Bin­
ehrenamtlichem Einsatz von unzähligen           Sportwetten oder Spielertransfers.             dungen und Loyalitäten innerhalb des
Personen. In der Schweiz gibt es rund                                                          eigenen Teams. Die Hemmschwelle
23‘000 Sportvereine, die sich in ca. 900        Basierend auf den Erkenntnissen der Ri­        kann hoch sein, über unsaubere Prakti­
nationalen, kantonalen und regionalen           sikoanalyse müssen als zweites Hand­           ken zu berichten. Deshalb brauchen
Sportverbänden organisieren12. Der gesell­      lungsfeld Instrumente ausgearbeitet wer­       Sportverbände ein Meldesystem, wo
schaftliche Wert dieser Aktivität ist zentral   den, mit denen Korruption zielgerichtet        Hinweisgeber (Whistleblower) keine ne­
und darf nicht durch unverhältnismässige        und präventiv eingedämmt werden kann.          gativen Konsequenzen zu befürchten
Regeln gefährdet werden. Aber auf Ver­          Die zentralen Elemente eines solchen           haben. Z.B. setzt die Deutsche Fußball
einsebene Bewusstsein und konkrete              Anti­Korruptionsprogramms sind13:              Liga (DFL) seit 2011 in Zusammenarbeit
Massnahmen für mehr Transparenz zu                                                             mit Transparency International einen
schaffen, ist auch für kleine Vereine und                                                      Ombudsmann ein.
Verbände machbar. Mit Transparenz ist           • Nulltoleranz: Der Verband bekennt sich
gemeint, dass wichtige Dokumente, Ent­            zu den grundlegenden Prinzipien der
scheidungsprozesse und Informationen              Transparenz, Integrität und Gleich­
zugänglich gemacht werden. Und diese              berechtigung. Korruption wird nicht
Massnahmen lohnen sich, denn Sportver­            akzeptiert und Regelvorstösse werden
bände und –vereine sind von Korruptions­          sanktioniert.
5

SENSIBILISIERUNG DER                           Anti­Korruptionsmassnahmen zu ver­
ÖFFENTLICHKEIT UND PRÄVENTION                  breiten und bekannt zu machen. Dies er­
                                               höht auch die Chancen auf eine zielge­
Korruption im Sport betrifft nicht nur         richtete Umsetzung der Instrumente. Der
grosse internationale Sportverbände in         damit einhergehende Austausch von
den umsatzstärksten Sportarten, sondern        Informationen ist eine wichtige Voraus­
auch weniger im Rampenlicht stehende           setzung für griffige Reglemente innerhalb
Sportbereiche. Vorfälle wie Spielmani­         der Sportverbände.
pulationen, Geschenke an Schiedsrichter
oder die Beeinflussung anderer Mann­
schaften sind auch auf Amateur­ oder
Juniorenniveau keine Tabuzone.

Obwohl      strafrechtliche    Instrumente
wichtig sind, muss die Korruptions­
problematik mit vorbeugenden Mass­
nahmen im Kern angegangen werden.
Sinnvolle Prävention richtet sich bereits
an Nachwuchssportlerinnen und –sportler,
die von Beginn an die positiven Werte des
Sports erleben sollten. Es geht darum
aufzuzeigen, wie schnell Abhängigkeiten
entstehen können und welche Gefahren
diese bergen. Die Verantwortung liegt in
erster Linie bei den Sportverbänden und
Sportvereinen, die durch Schulungen, In­
formationsmaterial, Informationsanlässe,
Workshops, Medienpräsenz, Internetauf­
tritt und Social Media ihre Tätigkeiten ge­
gen Korruptionsrisiken breitflächig kom­
munizieren können. Solche Aktionen
wecken das Interesse einer breiten Öffent­
lichkeit.

Ein weiteres Mittel zur Sensibilisierung der
Öffentlichkeit liegt in Partnerschaften
zwischen Sportverbänden und zivilgesell­
schaftlichen Organisationen – z.B. Trans­
parency International. Neben der Unter­
stützung zum Ausarbeiten und Realisieren
vorbildhafter Richtlinien können diese
Partnerschaften sehr wirksam sein, die
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ANMERKUNGEN

1    Weinreich. 2006. Die globale Spezialdemokratie. S. 30.; Bundesrat. 2012. Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport. S. 11.; Balmelli et al. 2012. Gutachten
     Sportbetrug und Good Governance. S. 7.
2    TagesAnzeiger. 04.02.2013. Ermittlungen in Wettskandal: Auch Schweizer Partien manipuliert.
3    20 Minuten. 21.05.2010. Harte Strafen im Schweizer Wettskandal.
4    Schweizer Radio DRS. 13.11.2012. Bundesstrafgericht spricht Schweizer Fussballer frei.
5    Bundesrat. 2012. Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport.
6    Handelszeitung. 11.07.2012. Hohe Millionenzahlungen an Funktionäre ­ Blatter wusste es.; Spiegel Online. 25.06.2010. Millionenschwerer Schmiergeldskandal: Fifa­Funktionäre
     kaufen sich frei.; Staatsanwaltschaft Kanton Zug. Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010. Veröffentlicht von der Handelszeitung, 11.07.2012.
7    Bundesrat. 2012. Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport.
8    GRECO (Groupe d'Etats contre la Corruption). 2011. Dritte Evaluationsrunde: Evaluationsbericht über die Schweiz (Thema I).
9    Méan. 2013. Le droit anticorruption et les organisations sportives internationales.
10   Bundesrat. 2013. Privatbestechung effizienter bekämpfen.
11   Bundesstrafgericht. Urteile vom 13. November 2012, TPF SK.2011.33 und SK.2012.21.
12   Rütter et al. 2011. Wirtschaftliche Bedeutung des Sports in der Schweiz – 2008.
13   Swiss Olympic. 2010. Ratgeber für Verbände: Transparenz im organisierten Sport.
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LITERATURVERZEICHNIS

PUBLIKATIONEN
Balmelli, Marco und Damian Heller. 2012. Gutachten Sportbetrug und Good Governance. Im Auftrag des Bundesamts für Sport (BASPO). Basel: Basel Institute on Governance.
        http://www.baspo.admin.ch/internet/baspo/de/home/aktuell/dossiers/korruption_illegale_wetten/uebersicht.parsys.1317.downloadList.51354.DownloadFile.tmp/gutachtensportbetrugun
        dgoodgovernance.pdf.
Bundesrat. 2012. Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport; Bericht in Erfüllung des Postulats 11.3754 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des
        Ständerats vom 28. Juni 2011.
        http://www.baspo.admin.ch/internet/baspo/de/home/aktuell/bundesrat_genehmigt_korruptionsbericht.parsys.83108.downloadList.8434.DownloadFile.tmp/28529.pdf.
Bundesrat. 2013. Privatbestechung effizienter bekämpfen. Medienmitteilung vom 15.05.2013. http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2013/2013­05­15.html.
Bundesstrafgericht. Urteile des Bundesstrafgerichts vom 13. November 2012, SK.2011.33 und SK.2012.21. http://bstger.weblaw.ch/pdf/20121113_SK_2011_33.pdf und
        http://bstger.weblaw.ch/pdf/20121113_SK_2012_21.pdf.
GRECO (Groupe d'Etats contre la Corruption). 2011. Dritte Evaluationsrunde: Evaluationsbericht über die Schweiz (Thema I).
        http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round3/GrecoEval3%282011%294_Switzerland_One_DE.pdf.
Méan, Jean­Pierre. 2013. Le droit anticorruption et les organisations sportives internationales. État du droit suisse, carences et propositions de réforme de lege ferenda. L’Expert­comptable
        suisse 2013|4 : 206­208.
Rütter, Heinz, Christian Höchli, Christian Schmid, Alex Beck und Matthias Holzhey. 2011. Wirtschaftliche Bedeutung des Sports in der Schweiz – 2008. Studie im Auftrag des Bundesamtes für
        Sport BASPO. http://www.baspo.admin.ch/internet/baspo/de/home/dokumentation.parsys.000161.downloadList.31089.DownloadFile.tmp/berichtsportwirtschaft2008231211.pdf.
Staatsanwaltschaft Kanton Zug. Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010. Veröffentlicht von der Handelszeitung, 11.07.2012.
        http://www.handelszeitung.ch/sites/handelszeitung.ch/files/article/documents/ein_2a_2005_31601a.pdf.
Swiss Olympic. 2010. Ratgeber für Verbände: Transparenz im organisierten Sport.
        http://www.swissolympic.ch/Portaldata/41/Resources/07_medien_downloads/dossiers/transparenz_im_sport/Broschuere_Transparenz_d.pdf.
Weinreich, Jens. 2006. Die globale Spezialdemokratie. Korruption als strukturelles Problem des Sportsystems. In: Jens Weinreich (Hrsg.): Korruption im Sport. Mafiose Dribblings, organisiertes
        Schweigen. Leipzig: Forum Verlag.

MEDIENBERICHTE
20 Minuten. 21.05.2010. Harte Strafen im Schweizer Wettskandal. http://www.20min.ch/sport/dossier/wettskandal/story/20146068.
Handelszeitung. 11.07.2012. Hohe Millionenzahlungen an Funktionäre ­ Blatter wusste es. http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/hohe­millionenzahlungen­funktionaere­blatter­wusste­
       es?fb_ref=.T_2veoNRTP4.like&fb_source=home_multiline.
Schweizer Radio DRS. 13.11.2012. Bundesstrafgericht spricht Schweizer Fussballer frei. http://drs.srf.ch/www/de/drs/nachrichten/schweiz/372763.bundesstrafgericht­spricht­schweizer­
       fussballer­frei.html.
Spiegel Online. 25.06.2010. Millionenschwerer Schmiergeldskandal: Fifa­Funktionäre kaufen sich frei. http://www.spiegel.de/wirtschaft/millionenschwerer­schmiergeldskandal­fifa­
       funktionaere­kaufen­sich­frei­a­702709.html.
TagesAnzeiger. 04.02.2013. Ermittlungen in Wettskandal: Auch Schweizer Partien manipuliert. http://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/Ermittlungen­in­Wettskandal­Auch­Schweizer­
       Partien­manipuliert/story/26087456.
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                                                                                             ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

                                                                                             INTERVIEW MIT PROF. DR. JEAN­LOUP
                                                                                             CHAPPELET*

    «DASS DIE INTERNATIONALEN SPORTVERBÄNDE UN­
    GENÜGEND REGULIERT SIND, GEFÄHRDET DAS IMAGE
    DER SCHWEIZ»
TI Schweiz: Herr Chappelet, in Ihren           ||||||||||||||||||||||||||||||||              das wahre Risiko, worunter das Image der
Publikationen schreiben Sie, dass Sport­       «Sportkorruption zerstört die                 Schweiz leiden könnte.
verbände sich aufgrund von Korruption          Vorbildsfunktion, die der Sport
und Wettkampfmanipulation im Sport             bei den Jugendlichen ausüben                  Es macht den Eindruck, dass Korruption
mit Governance­Massnahmen auseinan­            kann, ebenso wie das positive                 im Sport vor allem die grossen inter­
dersetzen müssen. Was genau bewirkt            Image des Sports.»                            nationalen Sportverbände betrifft. Warum
das Konzept der «Good Governance» bei                                                        sollten auch kleinere nationale oder
Sportverbänden?                                |||||||||||||||||||||||||||                   regionale Sportvereinigungen Massnah­
                                                                                             men gegen die Korruption einführen?
Jean­Loup Chappelet: Governance­               Können sich die Sportverbände selber re­
Massnahmen können sicherlich die Kor­          gulieren oder muss die Politik klare Richt­   Die regionalen oder nationalen Sport­
ruption in den Führungsstrukturen ver­         linien vorgeben?                              verbände treffen auf die gleichen Pro­
ringern (off the field), aber nicht wirklich                                                 bleme der Korruption – einfach in ihrer
die Korruption on the field, die auf die       Es ist wünschenswert, dass die Sportver­      jeweiligen Grössenordnung – wie die
Athleten, ihr Umfeld oder die Schieds­         bände so autonom wie möglich sind, weil       internationalen Verbände. In der Tat hat
richter zurückzuführen ist. Im Wesent­         der Staat nicht alles machen kann und         das Korruptionsrisiko eher mit Finanz­
lichen geht es dort um Doping und              darf. Aber wenn die Sportverbände nicht       fragen zu tun, die auch innerhalb der
Resultatverfälschung. Für diese Arten          ein adäquates Regelungssystem anwen­          nationalen oder kontinentalen Strukturen
von Sportbetrug müssen die Sportver­           den, und folglich ihre Autonomie nicht        auftreten können.
bände eigene Regeln übernehmen und             verdienen, muss gegebenenfalls der Staat
den Welt­Anti­Doping­Code der AMA              eingreifen, beziehungsweise das Zivil­ und    Angenommen, ein Sportverband will
(Agence mondiale antidopage) sowie die         Strafrecht.                                   Massnahmen einführen (Prinzipien und
von SportAccord vorgeschlagenen Re­                                                          Richtlinien), die dem Konzept der «Good
geln über Sportwetten einhalten.               Die Schweiz ist Sitz grosser inter­           Governance» entsprechen. Welches sind
                                               nationaler Sportverbände wie dem IOC          die wichtigsten Instrumente, um dies zu
Inwiefern stellt denn in der Schweiz die       oder der FIFA. Besteht die Gefahr, dass       erreichen?
Korruption im Sport ein ernstes Problem        solche Verbände die Schweiz verlassen,
dar?                                           wenn sie zu strengen Regeln unterworfen       Um Prinzipien und Richtlinien der
                                               sind? Oder wäre der Imageverlust ver­         Governance einzuführen, muss man mes­
Ein enormes Problem, denn die Sport­           kraftbar?                                     sen, was bereits gemacht wurde. Eine
korruption zerstört die Vorbildsfunktion,                                                    perfekte Governance, insofern es das gibt,
die der Sport bei den Jugendlichen aus­        Das Risiko eines Umzugs der grossen           wird nicht von heute auf morgen erreicht.
üben kann. Und sie zerstört auch das im        Sportföderationen von der Schweiz weg         Es gilt, vielmehr eine «bessere Gover­
Allgemeinen positive Image des Sports,         ist gering, weil sie in Europa oder Nord­     nance» (zum Beispiel «besser als letztes
das es erlaubt, wichtige Einnahmen für         amerika oder den meisten demokratischen       Jahr»), anstatt eine «gute Governance»
die Verbreitung oder Vermarktung von           Ländern keine bessere rechtliche Situation    («für immer») anzupeilen. In diesem Sinne
Sportanlässen zu generieren, die an­           als in der Schweiz finden würden. Kaum        ist es essentiell, mittels Indikatoren den
schliessend an die Basis weiterverteilt        welche werden wünschen, sich in Ländern       erreichten Fortschritt zu messen. An der
werden.                                        einzurichten, die keine Rechtsstaaten,        IDHEAP schlagen wir die «BIBGIS» vor
                                               sondern autoritäre oder diktatorische Re­     (Basic Indicators for Better Governance in
                                               gimes sind. Dass man die internationalen      International Sport).
                                               Sportverbände nicht besser reguliert, ist
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Der Bundesrat hat im November 2012           kann vielleicht mit der Entwicklung der
einen Bericht über die Korruption im Sport   Schweizer Positionen zum Banken­
veröffentlicht. Darin werden unter ande­     Informationsaustausch verglichen wer­
rem Gesetzesmassnahmen gefordert, z.B.       den.
die Privatbestechung als Offizialdelikt
auszugestalten. Inwiefern fördern diese      Was bleibt noch zu tun?
Massnahmen die «Good Governance» der
Sportverbände?                               Wie die anderen Sektoren des sozialen
                                             und ökonomischen Lebens muss der
Diese Massnahme sollte es den Schweizer      nationale und internationale Sport re­
Untersuchungsrichtern erlauben einzu­        guliert werden, um seine positiven Ei­
greifen, wenn sie einen Verdacht haben. Es   genschaften zu bewahren (Erziehung,
bräuchte keine Strafanzeige der be­          Gesundheit, soziale Integration) und
stechenden oder bestochenen Person           nicht in seinen Auswüchsen unter­
mehr – die im Allgemeinen nicht sehr         zugehen (Doping, Fälschung, Gewalt,
daran interessiert sind, solche Fälle vor    Korruption).
Gericht zu bringen. Um ein solches Ein­
greifen der Richter und externen Untersu­
chungen zu vermeiden, haben die Sport­
organisationen den Anreiz, ein adäquates
Regelungssystem anzuwenden. Damit ver­
meiden sie Korruptionsfälle, die von den
Richtern ans Licht gebracht werden
würden.
||||||||||||||||||||||||||||||||
«Mit dem neuen Gesetz hätten
die Sportorganisationen den An­
reiz, ein adäquates Regelungs­
system anzuwenden, um ein Ein­                                                         ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

greifen der Richter und externe                                                        * JEAN­LOUP CHAPPELET IST PROFESSOR AM
Untersuchungen zu vermeiden.»                                                          IDHEAP (INSTITUT DES HAUTES ETUDES EN
                                                                                       ADMINISTRATION PUBLIQUE) AN DER
||||||||||||||||||||||||||||||||
                                                                                       UNIVERSITÄT LAUSANNE. PROF. CHAPPELET
                                                                                       IST EXPERTE FÜR INFORMATIONS­ UND
                                                                                       SPORTMANAGEMENT UND PUBLIZIERTE 2013
Kann man davon ausgehen, dass mit dem
                                                                                       UNTER ANDEREM EINE STUDIE ZUR MESSUNG
Bericht des Bundesrates das Bewusstsein
                                                                                       VON GOVERNANCE­INDIKATOREN («BASIC
für die Korruptionsproblematik im Sport
                                                                                       INDICATORS FOR BETTER GOVERNANCE IN
mittlerweile gestiegen ist?
                                                                                       INTERNATIONAL SPORT (BIBGIS): AN
                                                                                       ASSESSMENT TOOL FOR INTERNATIONAL
Ja, zweifellos ist dieser Bericht ein
                                                                                       SPORT GOVERNING BODIES», ZUSAMMEN MIT
wichtiger Wendepunkt für die Schweiz. Er
                                                                                       MICHAËL MRKONJIC).
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                                                                                        ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

                                                                                        INTERVIEW MIT JENS WEINREICH*

«WENN WIR PROBLEME IN DER FAMILIE HABEN,
KLÄREN WIR DIE IN DER FAMILIE»
TI Schweiz: Herr Weinreich, die Schweiz     Öl­ und Gasbarone aus Russland, die          urteilt, immer wieder politisch motiviert
ist Sitz von rund sechzig internationalen   unter der Knute von Präsident Wladimir       begnadigt, und bleibt einer der wich­
Sportverbänden. Insbesondere beim           Putin stehen, und diejenigen aus dem         tigsten Sponsoren des Weltsports, als IOC­
Weltfussballverband FIFA werden immer       arabischen Raum, kaufen sich nicht nur       Sponsor, als Sponsor etlicher Weltver­
wieder Bestechungsvorwürfe erhoben.         Mega­Events wie Fußball­Weltmeister­         bände, von Olympiabewerbungen und
Warum soll es uns kümmern, wenn             schaften und Olympische Spiele, sie ent­     über zahlreiche andere Kanäle. Er ist auch
Sportfunktionäre korrupt sind oder          scheiden auch über hohe Ämter. Und sie       IOC­Mitglied und damit ein wirklicher
Grossanlässe unter der Hand vergeben        wollen mehr. Es ist eine bedrohliche Lage    Ehrenmann dieser absurden Branche.
werden?                                     und ich sehe niemanden, der gegen­
                                            steuert, auch nicht den scheidenden          Was verstehen Sie generell unter Kor­
Jens Weinreich: Weil diese Mega­            IOC­Präsidenten Jacques Rogge, der von       ruption im Sport?
Events zum grössten Teil immer mit          sich behauptet, er bekämpfe die Kor­
Steuermitteln finanziert werden. Ich bin    ruption. Schauen Sie mal nach im             Grundsätzlich gilt für mich die allum­
ziemlich sicher, dass auch die Bürger der   Olympischen Grundgesetz, in der Olym­        fassende und sehr einleuchtende Korrup­
Schweiz mittlerweile verstehen, wie un­     pischen Charta: Dort taucht das Wort         tionsdefinition von Transparency Inter­
durchsichtig und in weiten Teilen kor­      Korruption nicht einmal auf. Herr Rogge      national: Korruption ist der Missbrauch
rupt diese milliardenschweren Sport­        & Co. negieren die Wirklichkeit und die      von anvertrauter Macht zu persönlichem
konzerne agieren – ob nun die FIFA, das     hausgemachten Probleme.                      Vorteil. Wir finden im Sportbusiness sämt­
Internationale Olympische Komitee (IOC)                                                  liche Ausprägungen der Korruption, alle
oder etwa die europäische Fußball­                                                       Strukturen und Formen. Der Sport bietet
                                            |||||||||||||||||||||||||||||||
Union (UEFA). Die Bürger des Kantons                                                     als globales Geschäft wunderbare Schnitt­
Graubünden haben bei der Volks­             «Es ist eine bedrohliche Lage                mengen zwischen Wirtschaft und Politik,
abstimmung Anfang März die Olympia­         und ich sehe niemanden, der                  Kultur, Wissenschaft und Medien – in allen
bewerbung 2022 abgelehnt. Es war ein        gegensteuert.»                               Bereichen finden wir diese Gesichter der
deutliches Votum, das auch auf dem          |||||||||||||||||||||||||||||||              Korruption, wie es TI beschreibt.
Misstrauen gegenüber diesen schlecht
beleumundeten Sportkonzernen basiert.       Das hat meine Kollegin Grit Hartmann         ||||||||||||||||||||||||||||||||

Was läuft bei den grossen internatio­
                                            gerade wieder in einer Enthüllungs­          «Der Sport bietet als globales
nalen Sportverbänden schief? Sind es
                                            geschichte zur millionenschweren Miss­       Geschäft wunderbare Schnitt­
einzelne bestechliche Funktionäre oder
                                            wirtschaft im Gewichtheber­Weltver­          mengen zwischen Wirtschaft und
sind die Strukturen flächendeckend kor­
                                            band IWF beschrieben und dazu erstmals       Politik, Kultur, Wissenschaft und
rumpiert?
                                            einen Richterspruch des Weltsportge­         Medien – in allen Bereichen
                                            richtshofs CAS veröffentlicht: Herr          finden wir die Gesichter der
Die Probleme liegen auf struktureller
                                            Rogge deckt die Korruption in der IWF.       Korruption.»
                                            Er unternimmt nichts gegen den IWF­
Ebene, nicht bei einzelnen Funktionären.    Boss Tamàs Ajàn, IOC­Ehrenmitglied.          ||||||||||||||||||||||||||||||||
Und es ist die flächendeckende Kultur       Unter dem Patronat von Jacques Rogge
des Geben und Nehmens, die über viele       bleiben die 35 Weltverbände auch
Jahrzehnte ausgeprägt wurde. Das                                                         Die Besonderheit des Sportbusiness be­
                                            autonom zur Korruption.
Thema ist akuter denn je. Derzeit wird                                                   steht darin, dass er in einem weitgehend
                                            Oder nehmen wir das Beispiel des
der Weltsport – ich spreche da vor allem                                                 rechtsfreien Raum agiert. Während Sport­
                                            Samsung­Konzerns und dessen Boss Lee
vom olympischen Bereich, vom IOC und                                                     konzerne wie die FIFA und das IOC jährlich
                                            Kun­hee, der in Südkorea gottähnlichen
den 35 olympischen Weltverbänden –                                                       Milliardensummen umsetzen, ihre Funkti­
                                            Status genießt: Herr Lee wurde in seiner
von neuen Machthabern dominiert. Die                                                     onsträger diplomatischen Status besitzen
                                            Heimat mehrfach wegen Korruption ver­
11

und täglich mit den Vereinten Nationen       finden hier auch alle Formen der orga­     skandals 1998/99 zeitgemäße Regeln ge­
oder Staats­ und Regierungschefs (ob         nisierten Kriminalität wie Drogenhan­      geben. Nein. Das IOC veröffentlicht noch
nun von Demokratien oder Autokratien)        del, Menschenhandel oder Geldwäsche,       nicht einmal seine Konzernberichte.
und Konzernbossen aus der Wirtschaft         die im Sportbusiness akut zunehmen.
verhandeln,       werden      sie     von                                               Wer trägt den Schaden von korrupten
grundlegenden internationalen Antikor­      Unter die erwähnte Definition von           Handlungen im Sportbereich?
ruptionskonventionen nicht erfasst: nicht   Transparency International – Korruption
von den Konventionen des Europarates,       als Missbrauch anvertrauter Macht zum       Wenn der Sportwettkampf manipuliert
der EU, der OAS, der OECD und auch          persönlichen Vorteil – fällt auch un­       wird, wird der gesamte Wettbewerb un­
nicht von Konventionen der Vereinten        ethisches Handeln, das rechtlich nicht      glaubwürdig und ungültig, zumindest im
Nationen (UNTOC, UNCAC). Im natio­          direkt strafbar ist. Wo genau liegt im      moralischen Sinne. Leidtragende sind zu­
nalen Strafrecht, nicht nur in der          Sport die Grenze?                           nächst einmal diejenigen, die ehrlich und
Schweiz, wird Sportkorruption ebenfalls                                                 sauber agieren. Ich gehe mal davon aus,
kaum erfasst – auf keinen Fall aber         Unethisches Handeln kann von den            dass es auch auf höchstem Niveau solche
adäquat behandelt. Gesetze und Abkom­       Sportverbänden jederzeit bestraft wer­      Sportler, Betreuer und Offiziellen gibt.
men, die für die meisten Verhandlungs­      den, wenn sie denn wollen. Niemand          Wenn bei der Vergabe von Marketing­
partner dieser Sportfunktionäre gelten,     hindert die FIFA oder das IOC, ihre         verträgen und Events betrogen und be­
also für Politiker und Wirtschaftskon­      korrupten Funktionäre, deren Vergehen       stochen wird, wird zumindest der Wett­
zerne, gelten hier nicht. Ich nenne das     vom Strafrecht möglicherweise nicht er­     bewerber betrogen – also die unter­
Parallelgesellschaft. Das ist das eigent­   fasst werden, zivilrechtlich zu belangen.   legenen Sponsoren oder TV­Anstalten.
liche Problem.                              Oder überhaupt auf Grundlage eigener        Und letztlich natürlich die Steuerzahler,
In dieser Grauzone lässt sich ungeschützt   Statuten zu belangen. Das geschieht         die etwa Olympiabewerbungen finan­
kungeln. Die Betrachtungen von Juristen     kaum und wenn ja, meist unzureichend.       zieren. Reden wir über Steuerzahler, kom­
greifen dabei meistens zu kurz. Wir müs­    Selbst IOC­Präsident Jacques Rogge, der     men wir auf ein Grundproblem der Kor­
sen den Blick schärfen und viel weiter      behauptet, er verfolge eine Zero­           ruption zu sprechen, nämlich dass die Ge­
ausholen. Ich unterscheide drei große,      Tolerance­Politik, baut gern goldene        schädigten oftmals anonym bleiben und
fluide Bereiche der Korruption im Sport:    Brücken. So trat der IOC­Doyen und          sich deshalb auch der Aufschrei in
                                            FIFA­Ehrenpräsident João Havelange          Grenzen hält.
1. Korruption in der Ausübung bzw.          (Brasilien), der von der einstigen Sport­   Auffallend bei Sportkorruption ist zudem,
  Durchführung des reinen Sportwett­        marketingfirma ISL viele Millionen          dass geschädigte Sportler oder Firmen
  kampfes: Dazu zählen Doping, Spielab­     Franken Schmiergeld kassiert hat, im        sich kaum beklagen. Selten ging mal
  sprachen, Manipulationen von Kampf­       Dezember 2011 aus dem IOC zurück. Und       jemand vor Gericht. Denn es herrscht im
  und Schiedsrichtern.                      Herr Rogge erklärte öffentlich, da João     Grunde ein mafioses Prinzip in der Sport­
2. Korruption in Verbänden und bei der      Havelange kein IOC­Mitglied mehr sei,       familie. Niemand hat das je besser be­
  Organisation von sportlichen Wettbe­      könne die IOC­Ethik­kommission auch         schrieben als FIFA­Präsident Joseph Blat­
  werben: Beispiele sind die Vergabe von    nicht mehr handeln. Eine Schande.           ter, der mir in einem TV­Interview zu
  Ämtern, Marketingrechten oder Mega­       Grundsätzlich ist mir im olympischen        Protokoll gab: «Wenn wir Probleme in der
  Events wie Olympischen Spielen und        Weltsport kein Statut bekannt, das          Familie haben, dann klären wir die in der
  Fußball­Weltmeisterschaften.              modernen Anforderungen von Transpa­         Familie. Wir gehen aber nicht zu einer
3. Korruption außerhalb des eigentlichen    renz      und     Korruptionsbekämpfung     fremden Familie.» Also nicht zu einer
  Sportwettbewerbs: Geber und Nehmer        genügt. Es gibt kein solches Regelwerk.     anderen Gerichtsbarkeit als der eigenen.
  kommen aus Sport, Politik, Wirtschaft.    Nicht in der FIFA und schon gar nicht im    Denn diese ordentlichen Gerichte, so Herr
  Hierzu zählt letztlich der Missbrauch     IOC, obwohl gern behauptet wird, das        Blatter, «sind nicht mehr unsere Familie!»
  des Sports zu politischen Zwecken. Wir    IOC hätte sich im Zuge des Bestechungs­
12

||||||||||||||||||||||||||||||||              ist gar nicht so aufwändig, jedenfalls        Die Junioren­ und Amateursportler, die Sie
                                              nicht finanziell. Es geht um einen Kultur­    anführen, bekommen aber nicht den
«Wer aufschreit, wer durch Kor­
                                              bruch und um angepasste moderne               Großteil der öffentlichen Sportförderung,
ruption erzwungene Entschei­
                                              Regeln. Das hat überhaupt nichts mit          und das ist ein Problem! Es ist im Übrigen
dungen anficht, wer Transpa­
                                              einer angeblichen «Überflutung von ad­        zu einfach, die Korruptionsfrage nur auf
renz herstellen und sogar vor
                                              ministrativen Auflagen» zu tun. Vielmehr      Professionalisierung und Kommerziali­
Gericht ziehen will, nicht nur vor
                                              stellt sich die Kernfrage: Was ist dieses     sierung, also nur auf das Geld zu schieben.
Sportgerichte, den verstößt die
                                              verlogene, teilweise kriminelle Sportge­      Wollen Sie das Rad 100 Jahre zurück­
Familie.»
                                              schäft noch wert, das es nicht einmal         drehen? Natürlich wird auch im Nach­
||||||||||||||||||||||||||||||||              schafft, den fairen sportlichen Wettbe­       wuchs­ und Amateurbereich betrogen,
                                              werb und die fairen Wettbewerbs­              dort wird gedopt, dort gibt es Spielab­
                                              teilnehmer zu schützen? Dass da ein           sprachen, das volle Programm. Im Grunde
Wer aufschreit, wer durch Korruption er­      Schutzbedarf besteht, sollte doch Konsens     aber, behaupte ich, geht es dort fairer und
zwungene Entscheidungen anficht, wer          sein, oder? Der Gesetzgeber sollte da         sauberer zu als in der FIFA­Führung des
Transparenz herstellen und sogar vor Ge­      energisch nachhelfen, aber vor allem          Sepp Blatter. Gerade deshalb braucht es ja
richt ziehen will, nicht nur vor Sport­       sollte er die Sportorganisationen nicht aus   eine wirksame Aufklärung, einen Kultur­
gerichte, den verstößt die Familie. Deshalb   der Verantwortung nehmen, sondern             bruch und eine neue Generation von
ergeht es Whistleblowern im Sport immer       ebenso energisch einschneidende Verän­        Funktionären.
schlecht – schauen Sie sich das Schicksal     derungen einfordern. Sonst sollte der
des Argentiniers Mario Goijman an, der        Sport nicht länger mit Steuermitteln ge­      Sie verfolgen die Szene, insbesondere die
millionenschwere Korruption im Volley­        fördert werden. Ohne die vielen Hundert       Fifa und das IOC, schon seit vielen Jahren.
ball­Weltverband FIVB aufgedeckt und          Milliarden, die alljährlich aus verschiede­   Was motiviert Sie, diese Arbeit zu
dokumentiert hat: Herrn Goijmans wirt­        nen öffentlichen Kassen weltweit in den       verrichten, die ja wohl nicht immer ganz
schaftliche Existenz ist vernichtet! Wer      Sportsektor fließen, könnte die Branche       ohne Hürden zu erledigen ist?
dagegen schweigt, wird vielleicht beim        nicht existieren.
nächsten Mal mit einem Vertrag, einem                                                       Ich bin da sehr konservativ: Journalismus
Posten oder einem Event belohnt. Derlei       ||||||||||||||||||||||||||||||||
                                                                                            hat die Aufgabe, Missstände aufzudecken
Mechanismen können nur durch das              «Der Gesetzgeber sollte da ener­              und die Öffentlichkeit aufzuklären. Das
Straf­recht aufgebrochen werden.              gisch nachhelfen, aber vor allem              Promoten von Sportveranstaltungen ist
                                              sollte er die Sportorganisationen             für mich immer weniger Journalismus,
Der Sport ist ein wichtiges Element der       nicht aus der Verantwortung                   sondern eine Mischung von PR, Marketing
Gesellschaft. Er fördert die Gesundheit       nehmen, sondern ebenso ener­                  und Propaganda. Das können die Sport­
und hat eine integrative Funktion. Aber       gisch einschneidende Verände­                 konzerne viel besser. Wer recherchiert, wer
macht es Sinn, aufwändige Massnahmen          rungen einfordern. Sonst sollte               also Informationen öffentlich machen
in die Korruptionsprävention zu inves­        der Sport nicht länger mit Steu­              will, die andere Personen geheim halten
tieren? Viele engagieren sich ja ehren­       ermitteln gefördert werden.»                  wollen, der eckt an und stößt auf
amtlich und wünschen keine Überflutung        ||||||||||||||||||||||||||||||||              Widerstand. Das muss man aushalten
von administrativen Auflagen.                                                               können.
                                              Ist diese Kommerzialisierung und Pro­         Entscheidend ist die Frage, wie lange sich
Zunächst: Hochleistungssport fördert ge­                                                    diese Art des Journalismus noch finan­
                                              fessionalisierung die Hauptursache für
wiss nicht die Volksgesundheit. Das ist ein                                                 zieren lässt. Denn kaum ein Medium, auch
                                              Korruption im Sport? Inwieweit betrifft
Irrtum, der gern verbreitet wird. Aber das                                                  nicht in der Schweiz, leistet sich Re­
                                              das Problem Junioren­ und Amateur­
nur am Rande. Natürlich muss man in                                                         cherche. Zudem bricht das Finanzierungs­
                                              sportler, die den Grossteil der Athleten
Korruptionsprävention investieren – das                                                     modell für Journalismus zusammen.
                                              ausmachen?
13

Finanzierungsprobleme haben Organisati­
onen wie die FIFA dagegen nicht. Die FIFA
hat angeblich 1,4 Milliarden US­Dollar
Reserven und zahlt fürstliche Honorare
für Propagandisten, Lobbyisten, Weiß­
wäscher, Wissenschaftler, Schönfärber
und eine Armee von Anwälten, ja sie
spendet sogar 20 Millionen an Interpol,
um in besserem Licht dazustehen. Und
dennoch ist der Ruf der FIFA weltweit
ruiniert. Das Kürzel «FIFA» steht aufge­
klärten Zeitgenossen als Synonym für
Korruption. Das ist vor allem ein Verdienst
von Journalisten, auch wenn es viel zu
wenige sind, die sich mit Hintergründen
befassen.

Bleibt eine Sportwelt ohne Korruption
eine Illusion?

Ich bin kein Illusionist. Ich versuche, im
Rahmen meiner intellektuellen und
finanziellen Möglichkeiten einen ehr­
lichen Job zu machen. Nicht mehr, aber
auch nicht weniger.

                                              ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||

                                              *JENS WEINREICH IST FREIER JOURNALIST
                                              UND EXPERTE FÜR INTERNATIONALE
                                              SPORTPOLITIK. ER HAT FÜR SCHWEIZER
                                              MEDIEN WIE DIE NZZ, SONNTAGSZEITUNG
                                              ODER DIE BASLER ZEITUNG GESCHRIEBEN UND
                                              IST AUTOR ZAHLREICHER BÜCHER, UNTER
                                              ANDEREM «KORRUPTION IM SPORT: MAFIOSE
                                              DRIBBLINGS, ORGANISIERTES SCHWEIGEN»
                                              (2006). ZUDEM BETREIBT ER DEN BLOG
                                              «SPORT AND POLITICS»
                                              (WWW.JENSWEINREICH.DE).
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 «OFFIZIALDELIKT PRIVATBESTECHUNG?
 AUSWIRKUNGEN AM BEISPIEL DES SPORTS»

Die Auswirkungen der Revision des              direkt Geschädigten, was zu einer sehr          VERFILMUNG DER
Korruptionsstrafrechts am Beispiel des         hohen Dunkelziffer führt. Daniel                PODIUMSDISKUSSION
Sports waren Thema einer Podiumsdiskus­        Jositsch empfahl daher, dass Hin­
sion, die am 2. Mai 2013 von Transparency      weisgeber (Whistleblower) durch das             Die Verfilmung der Podiumsdiskussion ist
International Schweiz organisiert wurde.       Ge­setz    besser    gegen    negative          in voller Länge auf der Homepage von TI
Mit Matthias Remund (Direktor des              berufliche und soziale Konsequenzen             Schweiz (www.transparency.ch) verfügbar.
Bundesamts für Sport BASPO), Stephan           geschützt werden.
Netzle (Vizepräsident von Swiss Olympic),
Daniel Jositsch (Nationalrat ZH, Straf­       • Es herrscht Konsens, dass das Problem
rechtsprofessor an der Uni Zürich) und          der Sportkorruption internationale Di­
Jean François Tanda (Journalist bei der         mensionen hat. Jean François Tanda
Handelszeitung)       waren     namhafte        stellte dies am Beispiel eines Korrupti­
Experten aus dem Sport­ und Strafrechts­        onsfalls im internationalen Eishockey­
bereich auf dem Podium vertreten.               verband dar. Dieses Beispiel illustriert die
                                                beschränkte Glaubwürdigkeit der inter­
DIE WICHTIGSTEN ERKENNTNISSE                    nen Reformbemühungen der internatio­
AUS DER KONFERENZ:                              nalen Sportverbände.

• Die Gesetzesrevision scheint kaum um­       • Für internationale Probleme sind inter­
  stritten. Dass der Staat im Verdachtsfall     nationale Lösungen und Zusam­
  von Amtes wegen ermitteln und die             menarbeit notwendig. Das Bundesamt
  Privatbestechung nicht mehr von einer         für Sport (BASPO) ist in diesem Bereich
  Wettbewerbssituation abhängig sein            federführend, wie Matthias Remund
  soll, entfernt zwei grosse Hürden zur         darlegte. Neben der Korruption in
  Verfolgung von Korruptionsfällen in           Sportverbänden sieht das BASPO die
  Sportverbänden, Unternehmen oder              grössten Probleme bei der Sport­
  NGOs.                                         manipulation und dem Wettbetrug.
                                                Internationale Zusammenarbeit, Regu­
• Inwiefern wird das neue Gesetz wirksam        lation von Wetten und Präventions­
  sein? Ein erstes Problem ist, dass die        massnahmen liegen nicht nur im
  Sensibilisierung für korruptes Verhalten,     Interesse des Sports, sondern sind Vor­
  insbesondere bei kleinen Vorteilen wie        aussetzung zum Kampf gegen das
  Geschenken oder Einladungen, noch             organisierte Verbrechen.
  nicht genug vorhanden sei. Für Stephan
  Netzle ist daher neben dem Gesetz vor
  allem die Sensibilisierung für korruptes
  Verhalten im Sport zu schärfen. Swiss
  Olympic setze dies mit einem «Code of
  Conduct» um. Ein zweites Hindernis liegt
  in der Natur der Korruption, die ein
  «opferloses Delikt» ist. Im Gegensatz zu
  anderen Straftaten gibt es oft keine
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  DIE FORDERUNGEN VON TI SCHWEIZ

  Olympischer Sportsgeist zielt nach den Grundprinzipien des Internationalen Olympischen Komitees darauf ab, «eine Lebensart zu
  schaffen, die auf der Freude an Leistung, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels sowie auf der Achtung universell gültiger
  fundamentaler ethischer Prinzipien aufbaut». Ob innerhalb oder ausserhalb des Wettkampfs: Korruption im Sport untergräbt diese
  Grundsätze. Betrug, Bestechung oder Spielverfälschungen im Sport gefährden weit mehr als «nur» die Glaubwürdigkeit und Span­
  nung von Wettkämpfen – sie entziehen dem Sport seine gesellschaftliche Vorbild­, Erziehungs­ und Integrationsfunktion und
  können das Image eines Landes als Ganzes beeinträchtigen.
  Darum ist es eine zentrale Aufgabe der Gesellschaft, die Integrität und den Fair­Play­Gedanken des Sports zu schützen.

TRANSPARENCY INTERNATIONAL                     TRANSPARENCY INTERNATIONAL                   TRANSPARENCY INTERNATIONAL
SCHWEIZ FORDERT AUF DER GE­                    SCHWEIZ EMPFIEHLT SPORTVER­                  SCHWEIZ UNTERSTÜTZT ZUR SEN­
SETZESEBENE:                                   BÄNDEN UND SPORTVEREINEN:                    SIBILISIERUNG UND PRÄVENTION:

• Die Überführung der Privatbestechung         • Die Auseinandersetzung mit Gover­          • Partnerschaften zwischen Sportver­
 als Offizialdelikt ins Kernstrafrecht – wie    nance­Massnahmen, insbesondere ba­           bänden und Organisationen der Zivil­
 in der Vernehmlassungsvorlage vom Mai          sierend auf einer Risikoanalyse zur          ge­sellschaft
 2013 vorgesehen                                Identifizierung von anfälligen Gefah­
                                                ren­bereichen                               • Präventive Sensibilisierungsmassnah­
• Die Schaffung eines neuen Straftat­                                                        men im Rahmen von Schulungen, Öf­
 bestands «Sportbetrug» zur Bekämpfung         • Die Erarbeitung und aktive Umsetzung        fentlichkeitsarbeit und Informationsan­
 von Spielabsprachen und Wettkampf­              eines Anti­Korruptionsprogramms für         lässen, vor allem im Nachwuchssport
 manipulation (Match­Fixing)                     Sportverbände, basierend auf den Prin­
                                                 zipien der Transparenz und Integrität
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     TRANSPARENCY INTERNATIONAL SCHWEIZ
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     JUNI 2013
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