Frauen und Geld - Land Vorarlberg

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Frauen und Geld - Land Vorarlberg
Frauen
                                            und Geld
                                            Eine Kombination
                                            mit Potenzial

                  Anlagevermögen
                  Ratschläge einer Finanzberaterin

                  Frauen verdienen weniger
                  Woran das liegt und wie frau besser verhandelt

                  Investieren Frauen anders?
© SHUTTERSTOCK

                  Geschlechterunterschiede bei der Geldanlage

                 www.vorarlberg.at/frauen                          1_2022
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
editorial

    Frauen und Geld –
    ticken Frauen anders?
                                                                                                           D
                                                                  Tanja Kopf                                         er Umgang mit Geld ist kein einfacher. Vieles werden wir von
                                                            Funktionsbereich
                                                   Frauen und Gleichstellung
                                                                                                                     unseren Eltern übernommen haben, so manche Tipps gibt es
                                                    tanja.kopf@vorarlberg.at                                         heute auf dem „freien Markt“ in vielen Sachbüchern, Maga­
                                                                                                           zinen und Apps, die Frauen in Finanzfragen beraten wollen. Die
                                                             Mehr Infos:
                                               www.vorarlberg.at/frauen                                    „Brigitte“ hat den großen „Finanz­Guide für Frauen“ herausgegeben.
                                     frauen.gleichstellung@vorarlberg.at                                   Und der Hamburger Emotion Verlag die Frauenzeitschrift „Finanzielle“
                                                                                                                  auf den Markt gebracht.
                                                                                                                       Vorbei ist die Zeit, als der Mann der Verdiener war und der
                                                                                                                          Frau ein „Haushalts­ und Taschengeld“ überlassen hat.
                                                                                                                            Die Zunahme der Zahl der berufstätigen Frauen hat
                                                                                                                             die Rollen verändert. Auch wenn das Einkommen der
                                                                                                                             Frau immer noch als „Zubrot“ zum Familienein­
                                                                                                                             kommen gesehen wird – Einkommensunterschiede
                                                                                                                             sind sicherlich eines der Themen bei Frauen und
    inhalt                                                                                                                  Geld – Stichwort Gender­Pay­Gap …

    03_Standpunkt
                                                                                                                        Mit verschiedenen Facetten des Themas Geld befasst sich
    Von Katharina Wiesflecker
                                                                                                                   diese Ausgabe des „if“­Magazins. Neben der Beschreibung von
    04_Coverstory
                                                                                                           historischen Entwicklungen finden Sie hier ein aufschlussreiches Inter­
    Warum sollte Geld „Männersache“ sein?
                                                                                                           view zur finanziellen Absicherung nach Scheidung und Haftungsüber­
    07_Interview: Monika Maximilian
    Die Finanzberaterin über Frauen und Anlage
                                                                                                           nahmen. Wir wollten außerdem wissen, wie wichtig die Finanzchefin
                                                                                                           des Landes Vorarlberg, Barbara Kubesch, Gender­Budgeting in der
    08_Frauen verdienen mehr
    Lohnschere und Gehaltsverhandlung
                                                                                                           Haushaltsführung findet. Fachliche Empfehlungen erhalten Sie von der
                                                                                                           Leiterin der ifs Schuldenberatung, Simone Strehle­Hechenberger, und
    10_Interview: Bettina Zehetner
    Wichtiges zu Geld und Ehe                                                                              im Interview mit der Landesgeschäftsführerin des ÖGB, Manuela Auer,
                                                                                                           lesen Sie deren aktuelle politische Forderungen.
    11_Frau legt an
    Vorurteile und Vorteile
                                                                                                           Zu guter Letzt darf ich Sie auf unser neues Gewinnspiel aufmerksam
    13_Kleiner Kredit, große Wirkung
    Die Bedeutung von Mikrokrediten                                                                        machen. Unter allen Einsendungen verlosen wir das Buch „Madame
                                                                                                           Moneypenny: Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen
    14_Frauenarmut im Alter
    Das Absehbare hinnehmen?                                                                               können“. Schicken Sie ein Mail an frauen.gleichstellung@vorarlberg.at,
                                                                                                           Stichwort „Gewinnspiel“. Einsendeschluss ist der 18. März 2022.
    15_Einkommen fair verteilen
    Manuela Auer im Interview                                                                              Der/die GewinnerIn wird per E­Mail kontaktiert. Teilnahme ab
                                                                                                           18 Jahren. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
                                                                                       © LAND VORARLBERG

    16_Menschen zum Thema
    „Wie wichtig ist Geld in Ihrem Leben?“
                                                                                                           Viel Freude beim Lesen – und achten Sie neben der Gesundheit auch
                                                                                                           aufs Geld.

    impressum

    if:informativ & feministisch. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie interessierte Frauen und Männer
    Herausgeberin: Funktionsbereich Frauen und Gleichstellung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung
    Redaktion: Ursel Nendzig Bundeslandredaktion: Tanja Kopf, Susanne Birnbaumer, Siegrid Pescoller Organisation: Janine Meinrad Lektorat: Coralie Riedler
    Artdirection und Produktion: Martin Jandrisevits, Titanweiß Werbeagentur GmbH Druck: Samson Druck Auflage: Vorarlberg 2.500, Gesamtauflage 15.800
    Beratung, Konzept, Koordination der Produktion: „Welt der Frauen“ Corporate Print für das Amt der Vorarlberger Landesregierung,
    Funktionsbereich Frauen und Gleichstellung www.welt-der-frauen.at. DSGVO-Hinweis: Sehr geehrte Bezieherinnen und Bezieher, mit 25. 5. 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung
    (DSGVO) in Kraft getreten. Als Bezieherin/Bezieher haben Sie uns personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt, die wir im Rahmen der Erfüllung Ihres Bezugswunsches verarbeiten.
    Der verantwortungsvolle Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten ist uns wichtig. Um unsere Informationspflicht nach der DSGVO zu erfüllen, möchten wir Sie für alle weiteren Details
    zu unserem Umgang mit Ihren Daten auf unsere Datenschutzerklärung hinweisen. Diese schicken wir Ihnen auf Wunsch und Anfrage via frauen.gleichstellung@vorarlberg.at gerne zu.

  2 if: 1_2022
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
standpunkt

                            3 FRAGEN AN …
                                                                                                                            D   ie unbezahlte Care-Arbeit hat in
                                                                                                                                Österreich fast dasselbe Volu-
                            Barbara Kubesch                                                                              men wie die bezahlte Erwerbsarbeit:
                            ist seit 2015 Abteilungsvorständin der                                                   Neun Milliarden Stunden wird unbezahlte
                            Finanzabteilung im Amt der Vorarlberger Landes­                                       Care-Arbeit verrichtet, nur wenig mehr,
                            regierung und somit Finanzchefin des rund zwei                                      nämlich 9,5 Milliarden Stunden verbringen die
                            ­Milliarden schweren Vorarlberger Landeshaushalts.                                 ÖsterreicherInnen mit Erwerbsarbeit, erhob die
                                                                                                             Ökonomin Katharina Mader von der WU Wien.
                            Wohl kaum jemand in Vorarlberg verwaltet so viel                                Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit werden dem-
                            Geld wie Sie? Können Sie nachts ruhig schlafen?                                nach von Frauen geleistet, Männer hingegen ver-
                            In den letzten beiden Jahren habe ich nicht immer gut                         richten zwei Drittel der bezahlten Arbeit. Hochge-
                            geschlafen. Covid-19 kostet nicht nur die Gesundheit,                        rechnet werden so 100 bis 105 Milliarden Euro an
                            sondern zur Bewältigung auch viel Geld. Es ist ein gro-                     Dienstleistungen unbezahlt erbracht.*
                            ßer Spagat zwischen der Finanzierung nie da gewese-
                            ner Leistungen bei gleichzeitig gesunkenen Einnahmen.                      Die Folgen dieser „Aufteilung“ sind hinlänglich be-
                                                                                                       kannt: Der Gender-Pay-Gap erinnert uns regelmäßig
                            Ist der Beruf des Kämmerers immer noch eine                                an das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen,
                            ­Männerdomäne? In den Gemeinden dominieren zweifel-                        ähnlich ist das Bild beim Gender-Pension-Gap – die
                            los die Männer. Auf Ebene der Bundesländer sind die                         ­Altersarmut ist weiblich. Partnerschaftliche Rollen-
                            Frauen aber in der Mehrheit. Finanzmanagement der                            aufteilung, der Ausbau der Kinderbetreuung und
                            Länder scheint derzeit eine Frauendomäne zu sein.                            ­höhere Erwerbsquoten sind weiterhin Ziele, die die
                                                                                                          Frauenpolitik mit Nachdruck verfolgen muss.
                            Zum Budgetjahr 2022 wird zum zehnten Mal ein                                   Daneben sollten wir uns aber auch dafür einset-
                            ­Gender-Budgeting-Bericht erstellt. Hat sich in                                  zen, dass der wissenschaftliche und wirtschafts-
                            diesen zehn ­Jahren dadurch etwas verändert?                                      politische Diskurs zur Ökonomie eine stärkere
                            ­Leistungen unter dem Gender-Blickwinkel zu untersu-                                               weibliche Perspektive bekommt
                            chen, erfordert zwangsläufig eine Auseinandersetzung                                                    und damit auch zu anderen
                            mit dem Thema. Durch die Verknüpfung mit dem Budge-                                                        Sichtweisen führt.
                            tierungsprozess ist dies der Fall und das Thema rückt
                            zwangsläufig ­immer mehr ins Bewusstsein. Insofern hat
                            sich in den letzten Jahren einiges getan.                                                                       KATHARINA
                                                                                                                                            WIESFLECKER
                                                                                                                                            Frauenlandesrätin

                                                                                                                                               *Quelle: https://anschlaege.at/
                                                                                                                                                feministische-oekonomie-

                                           N   K T UND K                                                                                        gegen-die-krise/
                                                        O
                                        PU

                                         51
                                                            M
                                    F

                                                              MA
                                 AU

                                                                   51 Tage pro Jahr arbeiten Frauen in Österreich unentgeltlich.
                                                                   Der Equal Pay Day, der in Österreich dieses Jahr am 21. Feb-
                                               TAGE               ruar stattfindet, kennzeichnet rechnerisch jenen Tag, bis zu
                                                                 dem Frauen unentgeltlich arbeiten. Das bedeutet, dass Männer
                                                               für denselben Verdienst 51 Tage weniger arbeiten müssen als
                                                           Frauen. Der Aktionstag markiert also symbolisch die immer noch
                                                    existente Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. In Vorarlberg ist diese
                                                    im Bundesschnitt gesehen leider besonders hoch: Mit einem Einkommens­
                                                    unterschied von 26 Prozent ist das „Ländle“ Schlusslicht im Bundesländer-
© PRIVAT, LAND VORARLBERG

                                                    vergleich. Niedrige Einkommen von Frauen haben Auswirkungen auf später:
                                                    Wer weniger verdient, bekommt in der Arbeitslosigkeit geringere Unterstüt-
                                                    zung und im Alter eine wesentlich niedrigere Pension. Eine gerechtere Ein-
                                                    kommensverteilung ist die Voraussetzung für die Absicherung von Frauen.
                                                      Quellenangabe: https://equal-pay-day.at/epd-2021-in-oesterreich/

                                                                                                                                                         1_2022 if: 3
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
Frauen
                                  und Geld
                     E
                               s gibt ungezählte Studien, die Frauen einen     „­Standard“ berichtete, sind in Österreich 90 Prozent
                               ­eklatanten Nachteil attestieren, wenn es ums   der Aktienbesitzer männlich. Auch sie verortet da­
                                Thema Geld geht. So sind Frauen häufiger       hinter die auseinanderklaffende Gehaltsschere zwi­
                       von Altersarmut betroffen als Männer – laut der         schen Frauen und Männern.
                     ­Initiative „alt.arm.weiblich“ in absoluten Zahlen
                      doppelt so viele. Das hängt damit zusammen, dass         Haushaltsgeld
                      Frauen weniger Geld verdienen – der Gender-Pay-          Als nach Ende des Zweiten Weltkrieges langsam
                      Gap (siehe S. 8) drückt dieses geschlechtsspezifische    Haushaltsgeräte Einzug in die heimischen Wohn­
                      Gefälle in unbarmherzigen Zahlen aus (in Österreich      zimmer hielten, wurde Hausarbeit einfacher. Sie er­
                      sind die Bruttogehälter von Frauen rund 19 Prozent       setzten das Dienstbotenpersonal: kurioserweise der
                      niedriger als jene der Männer). Und das wiederum         Zeitpunkt, an dem sich die Trennung in eine Män­
                      hängt damit zusammen, dass die wenigsten Frauen          nerwelt – Beruf – und eine Frauenwelt – Heim und
                      einen ununterbrochenen, geradlinigen Karriereweg         Familie – festmachen lässt. Damals war es üblich,
                      vorweisen.                                               dass der Mann über die Höhe des Geldes entschied,
                          Nachdem sie nach wie vor den Hauptanteil der         das der Frau zur Verfügung stand. Er allein entschied
                      Pflege- und Familienarbeit leisten, fügen Geburten       über dessen Höhe. Reichte es nicht aus (was oft ge­
                      den Karriereleitern von Frauen schwere Knicke zu.        nug vorkam, da Männer sich schlicht nicht mit den
                      Mütter arbeiten dann häufig in Teilzeit oder in ge­      marktüblichen Preisen von Lebensmitteln aus­
                      ringfügiger Beschäftigung, weshalb sie weniger in die    kannten), musste die Frau kreativ werden.
                      Pensionskassa einzahlen. Es ist ein Teufelskreis, der         Die Gesetzgebung dieser Zeit festigte die Tren­
                      dazu führt, dass Frauen häufiger finanziell abhängig     nung zusätzlich. Erst seit 1957 dürfen Frauen (theo­
                      sind – trotz Erwerbstätigkeit – und damit auch selte­    retisch) ein eigenes Bankkonto haben. Bis in die
                      ner und weniger daran arbeiten, ihre finanzielle         1970er-Jahre hatten Frauen kein Recht auf eine
                      ­Unabhängigkeit voranzutreiben: Wie Silvia Richter,      ­eigene Erwerbstätigkeit ohne die Zustimmung ihres
                       Leiterin des Private Banking der Zürcher Kantonal­       Ehemannes. Als Folge war ihre ökonomische (und
                       bank Österreich, in einem Interview mit dem              ­eigentlich auch soziale) Existenz gänzlich an den

4 if:faktum 1_2022
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
Achtung, Stolperfalle!

                                        Worauf es grundsätzlich beim Thema Geld
                                        und F
                                            ­ inanzplanung ankommt und welche
                                        Sätze man ab jetzt streichen sollte.

                                        1. „Über Geld spricht man nicht.“
                                           Ein ­uralter und längst überholter
                                           Glaubens­satz. Wieso nicht darüber
                 Wie konnte es             sprechen, wie man sich die eigene
                 ­eigentlich dazu          ­Finanzplanung vorgestellt hat, welche
                 kommen, dass Geld         Ziele man verfolgt und wie viel man
                 zur „Männersache“         verdient?
                                        2. „Ich vertraue meinem Partner blind –
                 wurde? Was das
                                           bei Geld kenne ich mich nicht aus.“
                 Haushaltsgeld             Schon beim ersten gemeinsamen
                 ­damit zu tun ­haben      Mietvertrag ist es wichtig, sich auf
                 ­könnte und warum         ­dieselbe Augenhöhe zu begeben. Sich
                 Frauen deshalb            blind auf den Partner zu verlassen und
                 eher sparen als           das ­unangenehme und unromantische

                 ­investieren.             Thema nicht ansprechen zu wollen, ist
                                           keine gute Idee. Sondern: achtsam
                                           und aktiv alle finanziellen Entschei-
                                           dungen gemeinsam treffen. Das gilt
                                           auch und besonders beim Thema
                                           Care-Arbeit und Kinderbetreuung und
                                           zieht sich weiter bis zum Pensions-
                                           splitting. Und: Ein eigenes Bankkonto
                                           ist das Mindeste, was es braucht, um
                                           finanziell unabhängig zu sein.
                                        3. „Ich habe keinen Überblick, es geht
                                           sich alles irgendwie aus.“ Das Funda-
                                           ment für jede Finanzplanung ist, zu
                                           wissen, wo man überhaupt steht. Dazu
                                           gehört ein genauer Überblick über
                                           Konto, Kredite, Sparbücher … Um zu
                                           wissen, wohin das Geld fließt, einfach
                                           über ein paar Monate alle Ausgaben
                                           aufschreiben.
                                        4. „Mein Nachbar hat mir geraten, in
                                           ­Bitcoins zu investieren.“ Nicht zu
                                           ­wissen, worin genau man das Geld
                                           ­investiert, ist eine echte Stolperfalle.
                                           Auch in etwas zu investieren, nur, weil
                                           es andere oder vermeintlich alle tun,
                                           ist nicht ratsam. Sich genau zu infor-
                                           mieren und beraten zu lassen, ist der
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                                           mühsamere, aber lohnendere Weg.

                                                                       1_2022 if:faktum 5
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
Ehemann gebunden. Genauso ist das Sozialversiche­       tigen, aber nach wie vor seltener investieren als Män­
                     rungssystem auf den Mann als Arbeitenden ausge­         ner. Dabei sind sie, wenn sie sich für Investments
                     richtet, Frau und Kinder sind mit ihm mitver­           entscheiden, erfolgreicher als Männer. Immer wieder
                     sichert – und von ihm abhängig.                         belegen Studien die Überlegenheit von Frauen beim
                                                                             Thema Geldanlage – sie schätzen das Risiko einer
                      Eigenes Konto                                          Investition besser ein, informieren sich umfassender
                         1975 trat das Eherechtswirkungsgesetz in Kraft.     und erzielen eine bessere Rendite.
                             Es ersetzte das patriarchalische durch das
                               partnerschaftliche Prinzip und definierte     Sparen als Frauensache
                                 erstmals die Unterhaltspflicht als eine     Der eine Hebel, der Frauen in der Vergangenheit
                                   wechselseitige. Auch die Führung eines    beim Thema Geld zur Verfügung stand, war also das
                                   gemeinsamen Haushalts wurde darin         Sparen. Auf der Einkommensseite vom Ehemann
                                   deklariert – im Unterschied zu dem bis    abhängig, war die Verringerung der Ausgaben, das
                                   dahin geltenden ABGB 1811, das diese      „Abzweigen“ kleiner und kleinster Beträge, um sie
                                   Rolle klar der Frau zugewiesen hatte.     auf die Seite zu legen, das, was Frauen zur eigenen
                                     Seit 1975 ist es Frauen in Österreich   Vorsorge leisten konnten. Möglicherweise eine
                                  auch überhaupt erst gestattet, ohne Zu­    ­Erklärung dafür, dass Frauen bis heute gerne auf das
                                stimmung des Ehemannes zu arbeiten, ein       „gute alte Sparen“ setzen. Sie legen ihr Geld tenden­
                              eigenes Konto zu eröffnen und damit ihre        ziell auf ein Sparbuch – und vergessen dabei die Tat­
                           finanzielle Situation selbst in die Hand zu        sache, dass sich das Geld aufgrund der niedrigen
                        nehmen. Insofern ist es wohl erklärbar, dass sich     Zinsen nicht vermehrt und über die Zeit an Kauf­
                     Frauen heute zwar mehr mit ihren Finanzen beschäf­       kraft verliert. Doch, und das ist die gute Nachricht:
                                                                              Langsam erfolgt eine Trendwende. Finanzratgeber
                                                                              speziell für Frauen, Blogs (siehe Kasten) und Berate­
  Online weiterlesen                                                          rinnen (siehe Interview auf S. 7) bringen Frauen
                                                                              dazu, sich um ihre finanzielle Situation zu
  Blogs, die Frauen dazu animieren und dabei unter­stützen,                   ­kümmern. Und Frauen verkünden laut, dass ihre
  ihre Finanzen in die Hand zu nehmen.                                         ­eigenen Finanzen und die Liebe zum Partner nicht
                                                                                zusammenhängen.
  www.madamemoneypenny.de
  Die Autorin und Unternehmerin Natascha Wegelin hat den wohl

                                                                                        ROLE
  ­bekanntesten Blog rund ums Thema Frau und Geld ins Leben gerufen.
  Sie hat a
          ­ ußerdem das Buch „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die                              MODEL

  Hand nehmen können“ veröffentlicht und ist als Mentorin aktiv.
  www.investorella.at
  Der bekannteste Finanzblog für Frauen aus Österreich. Larissa Kravitz              Stanislava Topolovac
  trägt über ihre Seite alles weiter, was Frauen wissen müssen, um zu                Geboren in Bosnien, ­aufgewachsen im
  ­investieren. In ihrem gleichnamigen Podcast erzählt sie von feministi-            Nordburgenland, a
                                                                                                     ­ rbeitete Stanislava
  schem und nachhaltigem Investment.                                                 ­Topolovac mit 20 Jahren bei einem
  www.hermoney.de                                                                    ­Wirtschaftsprüfer. Parallel absolvierte sie
  Unabhängige Expertinnen geben auf dieser Seite ihr Wissen zum                      ihr Studium im Bereich Finanz- und
  ­Thema Geld weiter und helfen Frauen dabei, finanzielle Gleichberech-              ­Rechnungswesen an der FH Wien. 2016
  tigung zu erlangen. Die Expertinnen sind auch in Podcasts zu hören.                     ­erfolgte der ­Einstieg ins Konzern­
  www.geldfrau.de                                                                              rechnungswesen bei der UNIQA.
  Nicht nur jede Menge Informationen rund ums Geld, sondern                                       ­Stanislavas Talent liegt im
  auch O
       ­ nlinekurse werden hier angeboten. Die Seite, von Geld-                                    ­Umgang mit Zahlen und
                                                                                                    ­großen Datenmengen. Auf
                                                                                                                                      © SHUTTERSTOCK, ANDREAS EHRENREICH

  coach Dani Parthum betrieben, bietet auch eine Community
  zum Austausch über das Thema Finanzen und Geldvermögen.                                           Basis der erhaltenen Daten
  www.damensache.at                                                                                 von allen UNIQA-Stand­
  Die Plattform hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen über Finanz-                                     orten erstellt sie Konzern-
  und ­Altersvorsorge aufzuklären. Sie bietet eine Community,                                     zahlen, die die Grundlage für
  ­Vorträge und Workshops sowie eine Academy, bei der man sich                                 weitere geschäftspolitische
  über Finanzthemen weiterbilden kann.                                                     ­Entscheidungen bilden.

6 if:faktum 1_2022
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
Durchhalte-Vermögen
                                                                                   Warum es für viele Frauen schwieriger ist,
                                                                                  ihre finanziellen Ziele zu verfolgen – ja, sie sich
                                                                                 überhaupt zu stecken –, berichtet Vermögens-
                                                                                beraterin Monika Maximilian.

                                   Monika     If: Sie sagen, Frauen und             ments zum Vermögensaufbau             Abhängigkeit in der Partnerschaft
                              Maximilian
                                              ­Investment seien ihr                 und die persönliche Absicherung.      zusammen.
                      ist seit mehr als
                               20 Jahren       „Herzens­thema“ – warum ist
                        ­Akademischer          es Ihnen so wichtig?                 Woher kommt diese Unlust,             Welchen wichtigsten Tipp
                                ­Financial
                                  ­Planner,    Monika Maximilian: Wer unab­         sich um das eigene Vermögen           ­geben Sie Frauen mit auf den
                            ­gewerbliche      hängig ist, kann frei bestimmen.      zu kümmern?                            Weg in die finanzielle Unab-
                             Vermögens­
                         beraterin und        Finanzielle Abhängigkeit – etwa       Ich denke, dass es viel mit der        hängigkeit?
                          ­unabhängige        in einer Partnerschaft – zwingt       Prägung im Elternhaus zu tun hat      Die drei wichtigsten Buchstaben
                       Versicherungs­
                                maklerin.     Frauen oft dazu, in dieser Part­      und schon mit der Berufswahl be­      für Erfolg: TUN. Das gilt aber für
                                     www.     nerschaft zu bleiben. Geld macht      ginnt. Die wenigsten Frauen wäh­      alles im Leben. Die schlechteste
                      finanzberaterin.
                                      wien
                                              frei und selbstbestimmt – des­        len „außergewöhnliche“ Berufe,        Entscheidung ist immer die, keine
                                              wegen liegt es mir so sehr am         die ihnen mehr Gehalt einbrin­        Entscheidung zu fällen. Es ist si­
                                              Herzen. Ich bin Feministin durch      gen würden, und entscheiden sich      cher jeder Frau zu raten, sich dem
                                              und durch, Vermögensberaterin         für Branchen, die traditionell        Thema zu stellen. Dabei steht im­
                                              seit 20 Jahren und bemühe mich,       weiblich und schlecht bezahlt         mer die Frage nach der Wertigkeit
                                              Frauen in ihre finanzielle Unab­      sind. Ich bezeichne mich als ganz­    im Vordergrund, nicht jene nach
                                              hängigkeit zu begleiten.              heitliche Finanzberaterin, und        dem Preis, also: Was ist es mir
                                                                                    eine meiner wichtigsten Fragen        wert, etwas für meine ­finanzielle
                                              Geld wurde lange Zeit als             an meine Kundinnen ist: „Was          Unabhängigkeit zu tun? Ist es mir
                                              „Männersache“ behandelt.              sind Sie bereit, für Ihren Vermö­     wert, vielleicht 50 Euro im Monat
                                              Wie hat sich das in diesen            gensaufbau zu tun?“ Wenn es we­       zu investieren, und wäre ich be­
                                              20 Jahren verändert?                  der Eigenmittel gibt noch die Be­     reit, an meinen Ausgaben oder
                                              Es gibt immer mehr Frauen, die        reitschaft, weniger auszugeben        Einnahmen etwas zu verändern,
                                              diszipliniert durchhalten, wenn es    oder eine zusätzliche Einkom­         damit ich mir diesen Betrag lang­
                                              um die Realisierung ihrer finan­      mensquelle aufzutun, wird es          fristig leisten kann?
                                              ziellen Träume geht. Ich merke        schwierig. In Österreich gibt es
                                              auch, dass die Finanzbildung per      kein einziges Finanzprodukt, das      Gibt es ein „Zu spät“, wenn es
                                              se mehr wird – durch Podcasts         nichts kostet, egal, was Werbung      um finanzielle Ziele geht?
                                              und Blogs, es gibt viele Finanzbe­    oder Medien behaupten. Diese          Der ideale Zeitpunkt, mit dem
                                              raterinnen, die mit ihrem Wissen      Kosten muss man einspielen, und       Vermögensaufbau zu beginnen, ist
                                              nach außen und in die Medien          das braucht Zeit. Man muss für        um das 21. Lebensjahr. Man kann
                                              gehen. Trotzdem gibt es noch viel     das finanzielle Ziel etwas tun –      dann mit kleinen Beträgen über
                                              zu viele Frauen, die nicht das nö­    das fällt meiner Erfahrung nach       den „Zinseszinseffekt“ auf wirk­
                                              tige Durchhaltevermögen haben,        Frauen schwerer als Männern.          lich gute Summen kommen. Ob
                                              das hinter einem Vermögensauf­        Diese sind disziplinierter, können    es nie zu spät ist? Das hängt na­
                                              bau steckt. Ich höre oft: „Ich will   besser damit umgehen, Risiko zu       türlich von den finanziellen Mög­
                                              jetzt leben und nicht sparen.“        tragen, gehen fokussierter ihrem      lichkeiten ab – aber ich sage
                                              Oder: „Ich habe ein Kind und          Ziel entgegen. Bei Frauen beob­       ­immer: Selbst wenn man erst in
© CLEMENS SCHNEIDER

                                              kann nicht“, was ich, ehrlich ge­     achte ich häufig, dass Verträge re­    höherem Alter beginnt und selbst
                                              sagt, als Ausrede empfinde. Denn      duziert oder gestoppt werden. Für      wenn man nur kleine Beträge auf
                                              es geht immer um die Wertigkeit       mich ist das erschreckend. Denn        die Seite legt, wird sich nach und
                                              und nie um die Höhe des Invest­       damit hängt oft die finanzielle        nach ein Polster aufbauen.

                                                                                                                                            1_2022 if:faktum 7
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
Frauen                                                              Wie man es dreht
                                                                                      und wendet,

               verdienen
                                                                                      bereinigt und
                                                                                      relativiert: Frauen
                                                                                      bekommen

                    mehr
                                                                                      weniger Gehalt
                                                                                      als Männer. Woran
                                                                                      das liegen mag
                                                                                      und wie man
                  (als sie bekommen)!                                                 besser verhandelt.

                           D
                                        ie Statistik zeigt,   durchgeführt. Diese ergab für Österreich einen Ein­
                                        dass die Richtung     kommensunterschied zwischen Frauen und Männern
                                        stimmt: Die Ein­      von rund neun Prozent, der nicht erklärt werden
                              kommensschere zwischen          kann. Im EU-Vergleich gehört Österreich damit in
                              Frauen und Männern (ge­         die Gruppe jener acht Länder, die mit einem berei­
                              messen an den mittleren         nigten Gender-Pay-Gap von weniger als zehn Prozent
                              Brutto-Jahreseinkommen)         unter dem EU-Schnitt liegen. Unterboten wird dieser
                              hat sich von 39,8 Prozent       Wert noch von Zahlen der OECD, die Österreich
                             im Jahr 2009 auf 36,4 Pro­       eine unerklärbare Lohndifferenz von nur 5,4 Prozent
                            zent im Jahr 2019 leicht ge­      bescheinigt – ein im internationalen Vergleich gerin­
                           schlossen. In absoluten Zah­       ger Wert.
                          len bedeutet das: 2019 ver-
                        dienten Frauen 13.033 Euro we­        Vielfältige Gründe
                       niger pro Jahr. Dabei ist natürlich    Alles gut also? Nein. Denn auch fünf oder zehn Pro­
                     zu bedenken, dass das Nettoein­          zent sind ein Unterschied, den es eigentlich nicht ge­
                   kommen aufgrund der progressiven           ben sollte. Die Gründe für seine Existenz sind viel­
                 Besteuerung etwas weniger große              fältig. Am Anfang steht wohl die Berufswahl. Allein
                  ­Unterschiede aufweist (29,7 Prozent).      dadurch, dass Frauen häufiger Berufswege einschla­
                   Noch einmal kleiner wird die Diffe­        gen, die schlechter bezahlt sind (Einzelhandel, körper­
                renz, wenn man die Unterschiede               nahe Dienstleistungen, soziale Berufe), und Männer
          ­zwischen Vollzeit- und Teilzeit betrachtet         jene Bereiche wählen, in denen es traditionellerweise
(14,3 Prozent). Unterm Strich bleibt es jedoch, was           mehr Geld gibt (technische Berufe), öffnet sich die
es ist: ein Unterschied. Frauen verdienen weniger             Schere.
Geld als Männer.                                                  Eine weitere Erklärung dafür ist, dass Gehaltsver­
    Um die Gehaltsunterschiede vergleichbar zu                handlungen mit Frauen tatsächlich anders ablaufen als
­machen, wurde der international standardisierte              jene mit Männern. Sie werden – bewusst oder unbe­
 Gender-Pay-Gap erschaffen, der sich auf die durch­           wusst – diskriminiert oder verlangen einfach weniger.
schnittlichen Bruttoverdienste pro Stunde und auf             Eine Studie des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt-
Beschäftigte in Unternehmen mit mindestens zehn               und Berufsforschung zeigt, dass Frauen eher zufrieden
Beschäftigten in der Privatwirtschaft bezieht. Dieser         mit ihrem Gehalt sind als Männer und seltener oder
Gender-Pay-Gap hat sich in den Jahren zwischen                gar nicht nach einer Gehaltserhöhung fragen.
2009 und 2019 von 24,3 auf 19,9 Prozent verringert.               Jedenfalls ist selbst für Soziologen der Gehalts­
                                                                                                                        © SHUTTERSTOCK, MICHAEL HARTL

Der EU-Schnitt beträgt allerdings 14,1 Prozent. Da            unterschied von knapp 20 Prozent zwischen Frauen
liegt Österreich nach wie vor deutlich darüber. Zu­           und Männern nicht restlos erklärbar. Eine Vermu­
letzt wurde für das Jahr 2014 die sehr aufwendige Be­         tung, die sich unter Ökonominnen und Ökonomen
rechnung des Gender-Pay-Gaps unter Berücksichti­              hält, ist, dass Frauen weniger Energie darin investie­
gung von Merkmalen wie Branche, Beruf, Alter etc.             ren, Fortbildungen oder Seminare zu besuchen, die
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
ROLE    MODEL

                                          Christina Tassioglou
 ist Gründerin des Unternehmens „Raum für Gestaltung“ in Salzburg.
          Mehr als 25 Berufsjahre lang sammelte sie Erfahrungen in den
     Bereichen Modedesign, Visual Merchandising und Interior Design. Sie
   erschafft. Mit Know-how und von ganzem Herzen. Vor etwas mehr als einem
       Jahr gründete sie ihr eigenes Unternehmen – und suchte sich dafür Rat in
       verschiedenen Frauennetzwerken. Tassioglou: „Wir Frauen können so viel
   mehr erreichen, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und an uns glauben.“

                                                                Let’s talk money!

                                                                Nach mehr Gehalt zu fragen, fällt vielen schwer. Hier einige
                                                                Tipps zur erfolgreichen Gehaltsverhandlung.
ihre Karriere vorantreiben könnten. Wohl, weil ihre
Berufswege – Kinder, Familie, Pflege – ohnehin                  • HOCHSTAPELN. Bescheidenheit ist eine ehrenwerte
­weniger geradlinig und schwieriger planbar v­ erlaufen.        Eigenschaft – jedoch nicht, wenn es um knallharte Zahlen geht.
 Denn so viel ist klar: Frauen, die den Großteil der            Tiefstapeln in Kombination mit Perfektionismus ist überhaupt
 Kinderbetreuung übernehmen, haben neben ihrer re-              teuflisch. Seine Leistung stolz nach außen zu tragen, auch wenn
 gulären Arbeit keine Zeit, sich um Weiterbildungen             es um vermeintlich selbstverständliche Aufgaben geht, ist nie
 zu kümmern, und arbeiten ohnehin oft in Teilzeit. Es           verkehrt. Man sollte sich nicht dafür schämen, über positives
 ist also ein in sich verschlungenes, voneinander ab-           Feedback auf die eigene Arbeit zu sprechen.
 hängiges System, das am Ende ein e­ rnüchterndes               • VORBEREITEN. Eine Gehaltsverhandlung ist leicht
 ­Resultat liefert: Frauen bekommen weniger Geld als            vergleichbar mit einem sportlichen Wettkampf. Auch dabei ist
  Männer – obwohl sie gleich viel verdienen würden.            es unumgänglich, sich gut vorzubereiten. Allein schon die
                                                                geforderte Summe ein paarmal laut auszusprechen, die eigenen
                                                                Leistungen aufzuzählen (vor dem Spiegel oder jemandem
                                                                Vertrauten), ist sehr hilfreich.
    Weiterführende Links                                        • KONKRETISIEREN. Es ist jedenfalls von Vorteil, eine konkrete
    zum Thema Gehalt                                                         Summe zu nennen. Dabei klar und sachlich bleiben,
                                                                                     keine Witze oder abschwächende Gesten
    Mit diesem Tool kann man schnell und
                                                                                          machen. Die Summe sollte sich daran
    ­einfach herausfinden, ob die eigene
                                                                                             orientieren, was Kolleginnen und
    ­Entlohnung fair ist:
                                                                                                   Kollegen verdienen und was
    www.gehaltsrechner.gv.at
                                                                                                    branchenüblich ist. Am besten
    Hier lässt sich nachrechnen, wie viel                                                            knapp über einer „runden
    vom Bruttogehalt am Ende tatsächlich                                                              Summe“ in die Verhandlung
    ­übrig bleibt:                                                                                     einsteigen, sodass man mit der
    https://bruttonetto.arbeiterkammer.at                                                              abgerundeten Summe noch
                                                                                                       gut leben kann.
    Auch die zu erwartende Pensionshöhe                                                                • RATIONAL BLEIBEN. Wird
    lässt sich online nachrechnen:                                                                     die Forderung abgelehnt, ist
    https://pensionsrechner.arbeiterkammer.at                                                          das ein Tiefschlag – der aber
                                                                                                      nicht persönlich genommen
    Eine Plattform, die Frauen vor den
                                                                                                     werden sollte. Jetzt heißt es:
    ­Wirtschaftsvorhang holt:
                                                                                                    nicht emotional werden, sondern
    https://sheconomy.media
                                                                                                   rational nachfragen, woran es liegt
    Infos zum Equal Pay Day, dem Tag,                                                         (war die Leistung vielleicht doch
    bis zu dem Frauen gratis arbeiten                                                      nicht ausreichend?), und Ziele
    (21. Februar 2022)                                                                  vereinbaren, bei deren Erreichen die
    https://equal-pay-day.at                                                         Gehaltserhöhung dann doch gewährt wird.

                                                                                                              1_2022 if:faktum 9
Frauen und Geld - Land Vorarlberg
„Wissen,
worauf man sich
       einlässt“
   Die Ehe kann etwas
   Schönes sein – hat aber
   per se nichts mit
   Gefühlen zu tun. Umso
   wichtiger ist eine
   ­ausführliche Beratung.
    Und zwar vor der Heirat.

   If: Welchen Irrtümern oder falschen
   Vorstellungen sitzen Frauen auf,
   wenn es um das Thema Ehe geht?
   Bettina Zehetner: Ich denke, dass die
     Vertragsseite eher ignoriert und die
   ­Romantikseite zu stark hervorgekehrt
    wird. Die Ehe ist aber ein Vertrag und
    hat – vom Rechtlichen her – nichts mit
    Gefühlen zu tun. Im Grunde ist sie eine          ­ rbeit geleistet und sich darauf verlassen
                                                     A                                             rückgezahlt wird. Im Fall einer Schei­
    Wirtschaftsgemeinschaft, die die gegen­          hat, dass der Mann das Geld verdient.         dung erlischt diese Haftung aber nicht,
    seitige Versorgung zum Inhalt hat. Frau­         Wichtig ist, für sich und den eigenen         der Vertrag mit der Bank existiert un­
    en sollten sich gut überlegen, welche            Lebensplan zu wirtschaften.                   abhängig von der Ehe.
    ­Lebensform für sie die richtige ist und
     wie sie die Verantwortung für die eigene        Wie wichtig ist ein Ehevertrag?               Was ist der wichtigste Tipp, den Sie
           Existenzsicherung nicht aus der           In vielen Fällen ist er nicht notwendig,      jeder Frau, die heiraten möchte, mit
                    Hand geben. Auch sollten         nur, wenn eine Frau ihr eigenes Vermö­        auf den Weg geben?
                         sie überlegen, was im       gen schützen möchte. Unserer Erfah­           Vor der Ehe wie vor jedem Unterschrei­
                            Fall einer Trennung      rung nach ist das eine Sache, die Män­        ben eines Vertrages sollte man sich gut
                              passiert. Schließ­     ner ganz selbstverständlich betreiben.        informieren, was man unterschreibt –
                                lich scheitert die   Frauen wollen oft vermeiden, geldgierig       also das Ehegesetz durchlesen. In der Be­
                                  Hälfte der Ehen    zu erscheinen, und verzichten von sich        ratung freuen wir uns, wenn Frauen vor
                                  irgendwann.        aus auf vieles, um – was verständlich         der Eheschließung zu uns kommen, um
                                  Das ist vom        ist – nicht abhängig zu sein. Davon ist       sich zu informieren, welche Rechte und
                                 ­Gefühl her trau­   klar abzuraten, denn ein Verzicht auf         Pflichten sie eingehen. Das heißt nicht,
                               rig, aber umso        Unterhalt gefährdet auch den Anspruch         dass wir von der Ehe abraten – es gibt
                              schlimmer, wenn        auf Mindestsicherung oder Ausgleichs­         viele positive Aspekte, etwa, dass Män­
                            man beispielsweise       zulage. Gefühl und Geld sollten hier          ner genauso die Pflicht zur Haushalts­
                       ­immer unbezahlte             nicht vermischt werden.                       führung und Kinderbetreuung haben.
                                                                                                   Aber es geht darum, dass jede Frau
   Bettina Zehetner                                  Wie sieht es mit Haftungsüber­                ­wissen sollte, worauf sie sich einlässt.
   ist seit über 20 Jahren                           nahmen nach einer Scheidung aus?               Das bedeutet in keiner Weise, dass da­
   beim Verein „Frauen*
   ­beraten Frauen*“, wo sie                         Banken tendieren dazu, Ehefrauen dazu          mit die Romantik gekillt wird, im
    psychosoziale Beratung in                        zu animieren, den Kreditvertrag mitzu­         ­Gegenteil, eine Beziehung wird umso
    allen Formen und Medien zu
    vielen Themen anbietet,                          unterschreiben – oft nicht nur als Bür­         glücklicher sein, wenn rechtlich und
                                                                                                                                                 © SHUTTERSTOCK

    etwa Gewalt in Beziehungen                       gin, sondern als Kreditnehmerin. Auch           wirtschaftlich Klarheit besteht und auch
    oder Trennung bzw.
    ­Scheidung.
                                                     wenn sie kein oder kaum eigenes Geld            die unbezahlte Sorgearbeit partnerschaft­
   www.frauenberatenfrauen.at                        verdient und der Kredit vom Mann zu­            lich geteilt wird.

10 if:faktum 1_2022
Frau legt an
                 F
                          rauen sind als Investorinnen und         Legen Frauen ihr Geld                  verbringen, worin sie ihr Geld investie­
                          Anlegerinnen von der gesamten       anders an als Männer? Sie sind              ren. Umso verwunderlicher, dass sich
                          Finanzwelt entdeckt worden.            vermeintlich
                                                                 ­              weniger gut               Frauen offensichtlich weniger wohl mit
                 Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie           informiert
                                                               ­          und risikofreudig
                                                                              ­     ­       –             dem Kauf und Besitz von Aktien fühlen
                 hat diesen Fokus noch mehr geschärft –       gerade das ist aber ein starker             als Männer (siehe dazu auch Interview
                 weniger Geld wurde ausgegeben, dafür                     Vorteil.                        auf S. 7) – wenn sie sich aber einmal
                 wurde das Sparen wieder interessanter.                                                   überwunden haben und dabeibleiben,
                 Der Finanzdienstleistungskonzern                                                         sind sie meist erfolgreicher.
                 J. P. Morgan Asset Management hat dies       Risikofreude
                 zum Anlass genommen, eine Studie über        Auch das digitale Finanzportal Joonko       In Frauen investieren
                 Frauen und Geldanlage durchzuführen,         hat das Geldverhalten von Frauen näher      Umgekehrt werden übrigens Frauen
                 um den Fragen nachzugehen: Wie legen         untersucht. Gerade junge Frauen sparen      auch immer mehr als Investment
                 Frauen an? Worin unterscheiden sich          demnach zielorientierter als Männer und     entdeckt: Beim sogenannten „Gender
                 Anlegerinnen und Sparerinnen?                sind weniger risikofreudig. Das ist nicht   Lens Investing“ werden Faktoren erwägt
                      Die Studie ergab, dass 71 Prozent       unbedingt ein Nachteil. Risikoreiche        wie: Wie ist der Frauenanteil in der
                 der Frauen in Österreich bereits             Aktien, zu wenig breite Streuung, Spe­      Firma? Kommen Produkt,
                 Erfahrungen am Kapitalmarkt haben.           kulation – all das lässt die Rendite von    Dienstleistung und die Aktivitäten
                 79 Prozent der Anlegerinnen setzen           traditionell risikofreudigeren Männern      Frauen zugute? Sind die Gründer
                 ­allerdings auf Sparbücher und               häufig sinken. Wie die Ökonomen             weiblich? Sind andere Investoren
                  Tagesgelder. Aufgrund der niedrigen         Amos Tversky und Daniel Kahnemann           weiblich? Ist die Mission der Firma im
                  Zinsen trägt das nicht unbedingt dazu       beschreiben, sind Frauen weniger an­        Interesse der Geschlechtergleichstellung
                  bei, sich ein komfortables Finanz­polster   fällig für Selbstüberschätzung als Män­     oder fördert diese direkt? 2016 stellte
                  aufzubauen. Spannend ist auch, dass es      ner. Ein klarer Vorteil im Bereich der      eine Studie fest, dass sich diese „Linse“
                  den befragten Frauen nicht egal ist, wo     ­Investitionen.                             rentiert: Die Kapitalrendite von
                  ihr investiertes Geld arbeitet: Für drei        Das Vorurteil, dass Frauen weniger      Unternehmen mit mindestens einer Frau
                  Viertel (im Vergleich zu zwei Dritteln      gut Bescheid wüssten, dürfte sich in­       in der Führungsetage lag um 3,3 Prozent
© SHUTTERSTOCK

                  der Männer) von ihnen ist nachhaltiges      zwischen auch überholt haben. Studien       höher als bei einem vergleichbaren
                  Investieren in Klimaschutz und              legen nahe, dass Frauen viel mehr Zeit      Konzern ohne Frauen im oberen
                  Menschenrechte von großer Bedeutung.        mit Recherche und der Entscheidung          Management.

                                                                                                                                  1_2022 if:faktum 11
H
                                                            ilfe zur Selbsthilfe: Dieses Prinzip steckt hinter Mikro­
                                                            krediten. Ein System, das darauf beruht, Geld an
                                                            Kleingewerbetreibende, vorwiegend in Entwicklungs­
                                                 ländern, zu vergeben. Zumeist stehen auf der einen Seite nicht
                                                 staatliche Organisationen, auf der anderen Seite Frauen, die sich
                                                 einen Weg aus Armut und Abhängigkeit schaffen wollen.

Kleiner Kredit,
                                                    Die Idee ist nicht neu, seit Jahrhunderten helfen wir uns mit
                                                 kleineren Summen gegenseitig, sparen gemeinsam oder investie­
                                                 ren ineinander. Das konkrete Konzept ist schon eher jung: Seit

große Wirkung                                    den 1970er-Jahren werden solche Mikrokredite vergeben, Togo
                                                 und Bangladesch waren die ersten Länder, für die solche Finan­
                                                 zierungen angeboten wurden. 2006 wurde von den Vereinten
                                                 Nationen zum „Jahr der Mikrokredite“ ernannt, im gleichen
                     Für Frauen in Ländern der   Jahr wurde der Friedensnobelpreis an Muhammad Yunus ver­
                  sogenannten „Dritten Welt“     geben, jenen Wirtschaftswissenschaftler, der als Begründer der
                                                 Mikrofinanz-Bewegung gilt. Seine Grameen Bank war es, die die
                  sind sie das Versprechen für
                                                 ersten Mikrokredite vergab.
              finanzielle Unabhängigkeit und
                 den Weg aus der Armut. Was      So funktioniert ein Mikrokredit
              dahintersteckt, wie und ob die     Es sind Kredite mit sehr geringer Finanzierungssumme – maxi­
                                                 mal 1.000 Euro, aber auch Summen von wenigen Euro –, die an
                   Kredite tatsächlich helfen.   jene vergeben werden, die im herkömmlichen Sinne als nicht
                                                 kreditwürdig gelten. Menschen, die keinen Zugang zu einer
                                                 Bank haben und/oder nicht die nötigen Sicherheiten vorlegen
                                                 können. Abgesehen davon: Für Banken sind Mikrokredite im
                                                                                                                        © ISTOCKPHOTO.COM

                                                 ökonomischen Sinne nicht lohnend. Der Lohn von Mikrokredi­
                                                 ten ist die wirtschaftliche Existenz, die sich die Kreditnehmerin­
                                                 nen aufbauen können. Kreditnehmerinnen, denn: Deutlich

12 if:faktum 1_2022
mehr Frauen als Männer nehmen Mikrokredite auf. Mikrokre­                 Mikrokredite
           dite werden in den meisten Fällen ohne jegliche Sicherheiten an
           die Kreditnehmerinnen vergeben. Oft wird anstelle von materi­             Beispiele für Mikrokredite gibt es weltweit zahllose.
           ellen Sicherheiten ein Ersatz verlangt: die Garantie eines Be­            Sie alle haben gemeinsam, dass der Großteil der
           kannten, der bei Zahlungsausfall oder vorübergehender Zah­                ­Kreditnehmenden Frauen sind.
           lungsunfähigkeit die Kreditrate übernimmt. Die Entscheidung,
           ob ein Kredit gewährt wird oder nicht, beruht häufig auf den zu           Oikocredit ist wohl der bekannteste Anbieter von Mikro-
           erwartenden Erträgen und darauf, ob diese eine pünktliche                 krediten. Seit 1975 vergibt die Organisation Darlehen in
           Rückzahlung möglich machen. Wenn dies nämlich zuverlässig                 Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik, unabhängig
           geschieht, wird häufig ein Folgekredit in Aussicht gestellt, als          von Religion, Kultur, Alter oder Geschlecht. 87 Prozent der
           ­zusätzlicher Anreiz dafür, am Ball zu bleiben und die Rück­              Oikocredit-Kunden sind Frauen. Sie arbeiten dabei mit
            zahlungen vertragsgemäß zu leisten.                                      ­lokalen Partnerorganisationen zusammen, etwa
                                                                                     „Per Mujer“ in Lateinamerika. www.oikocredit.at
           Frauensache                                                               Kiva ist eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation.
           Weltweit sind laut „Microcredit Summit Campaign Report                    Auf ihrer Website werden Unternehmerinnen und Unter-
           2015“ 83 Prozent der Mikrokreditnehmenden weiblich. Meist                 nehmer mit ihrer Geschichte vorgestellt, denen dann im
           leben sie in abgeschiedenen, unterentwickelten Gebieten und               Stil eines Crowdfundings Geld zur Verfügung gestellt
           leihen sich Summen zwischen umgerechnet 50 (Asien und Afri­               ­werden kann. www.kiva.org
           ka) und 1.500 (Osteuropa und Zentralasien) US-Dollar. Das                 Das internationale Kinderhilfswerk Plan International
             Geld stammt von privaten Anlegern, die sich an einem Mikro­             stellt einkommensschwachen Familien Mikrokredite zur
             finanzfonds beteiligen. Dieser Fonds wiederum wird von einer            Verfügung. Sie arbeiten dabei mit lokalen Mikrofinanz­
             weiteren Bank betrieben, die das Geld nun weiter an die Mikro­          organisationen zusammen. www.plan-international.at
             finanz-Dachorganisation weiterverleiht, beispielsweise eine             Auch die von Karlheinz Böhm gegründete Organisation
           ­Mikrofinanzbank in Indien. Deren Mitarbeiter und Mitarbeite­             Menschen für Menschen vergibt Mikrokredite vorwiegend
            rinnen bringen das Geld zu den Kundinnen bzw. Kunden und                 an verwitwete oder geschiedene Frauen in Äthiopien.
            holen die Ratenzahlungen dort auch wieder ab. Die meisten                ­Dabei werden die Frauen angeleitet, ihren eigenen, selbst
            Kundinnen haben nämlich auch keinen Zugang zu                            verwalteten Kreditverein zu betreiben.
            ­elektronischem Zahlungsverkehr.                                         www.menschenfuermenschen.at

           Wie erfolgreich?
           Immer wieder stehen Mikrokredite in der Kritik. Sie würden         Zinsen – zwischen 20 und 30 Prozent – verlangen. (Tatsächlich
           die Armen ausbeuten, Überschuldung befeuern und zu hohe            liegen sie mit diesem Tarif aber weit unter jenen der lokalen
                                                                              Geldverleiher und nur knapp über jenen der einheimischen
                                                                              ­Banken.) Auch gibt es immer wieder Skandale, etwa, als sich

              ROLE   MODEL
                                                                               2010 mehrere Kreditnehmer und -nehmerinnen das Leben
                                                                               ­nahmen, weil sie ihre Rückzahlungen nicht mehr leisten konn­
                                                                              ten. Dass sie nicht das Allheilmittel zur Armutsreduzierung sind,
                             Nicole Nussbaumer                                ist allgemeiner Konsens.
                             Fit für Finanzen. Nicole Nussbaumer ist                Ein Problem ist, dass sich viele ärmere Menschen selbst­
                             Schülerin der HLW Riedenburg, Bregenz            ständig machen, weil sei keinen anderen Job finden können. Die
                             und war Teilnehmerin beim Workshop               meisten von ihnen sind dabei aus derselben Branche: Sie verkau­
                             „Finanzführerschein“. „Mir wurde erst            fen Handarbeiten, Früchte oder Streetfood in den Städten oder
                             bewusst, wie schnell man in eine finan­          kaufen sich eine Ziege oder Hühner im ländlichen Gebiet. Bie­
                             ziell schwierige Lage geraten kann. Die          ten jedoch alle das Gleiche an, sind die Profite bekanntermaßen
                             Fallbeispiele sind mir besonders in Er­          sehr gering. Ein Bericht des Center for Global Development legt
                             innerung geblieben, da sie unmittelbar           nahe, dass Mikrokredite wohl keinen Effekt auf Armut hätten.
                             aus dem Leben gegriffen waren“, sagt             Schlecht sind die Kredite deshalb aber nicht. Allein, dass es welt­
                             sie und empfiehlt den Workshop weiter.             weit fast 200 Millionen Mikrokreditnehmerinnen und -nehmer
                             „Gerade junge Frauen sollten ermutigt              gibt, zeigt, dass sie gebraucht werden. Sie mögen keinen direkten
                                  werden, sich mit dem Thema früh­              Weg aus der Armut darstellen, bieten Menschen aber die
                                      zeitig auseinanderzusetzen,               ­Option, sich selbstständig zu machen und Zugang zu größeren
                                         um auch im Alter vor Armut              Krediten zu ermöglichen und dadurch mehr Autonomie und
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                                          geschützt zu sein.“                    Flexibilität zu erlangen.
                                            www.fitfuersgeld.at

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Frauenarmut im Alter –
   das Absehbare hinnehmen?
   Die Perspektive der Leiterin der ifs Schuldenberatung,
   Simone Strehle­Hechenberger

                   D
                               as österreichische Pensionssystem ist stark
                               einkommenszentriert. Das heißt, wer ein
                               hohes Einkommen hat und möglichst
                    durchgängig einer bezahlten Beschäftigung nachgeht,
                    wird am Ende belohnt. Das scheint auf den ersten
                    Blick nachvollziehbar, entspricht aber eher ­selten der
                   Lebensrealität von Frauen. Und auch das Argument
                   der Versorgung in der Ehe schwächelt angesichts
                   ­einer Scheidungsrate von 43 Prozent. Deshalb ist es
                    von besonderer Bedeutung, dass junge Frauen darü­
                    ber informiert sind, welche Auswirkungen ihre Ent­
                    scheidungen für ihr Auskommen im ­Alter haben.
                       Die harten Fakten sind schnell erzählt: Typische
                    Frauenberufe sind schlechter bezahlt, die Einstiegs­
                        gehälter geringer und der Anstieg flacher. Nur
                              22 Prozent der Führungskräfte sind weib­
                                  lich, die Lohnschere zwischen Frauen
                                                                              Finanzieller Stress hat Folgen: Nicht zuletzt ist die
                                     und Männern beträgt laut Eurostat        psychische Gesundheit stark davon betroffen.
                                      19,9 Prozent. Dennoch ist nur rund
                                       ein Drittel der Gehaltsunterschiede    sogar 48,1 Prozent. Dies führt dazu, dass 18 Prozent
                                       auf Beruf, Branche, Ausbildungs­       der Frauen über 65 armutsgefährdet sind.
                                       niveau, Alter, Dauer der Betriebszu­        Armut führt zu reduzierten Teilhabechancen am
                                      gehörigkeit und Art des Arbeitsver­     gesellschaftlichen Leben, Einsparungen bei Lebens­
                                    trages zurückzuführen.                    mitteln, Kleidung, Heizung, Problemen bei der
                                Lohndiskriminierung und schlechteres          Wohnraumerhaltung, zum Verharren in ungesunden
Simone Strehle-­           Selbstmarketing sind weitere Ansätze, um die       Beziehungen, zu Abhängigkeiten und eingeschränk­
Hechenberger       fehlenden zwei Drittel zu erklären.                        ten Möglichkeiten für die eigene Pflege im Alter.
                       Neben dem durchschnittlich geringeren Einkom­          ­Finanzieller Stress ist ungesund, kann zu Schlaflosig­
                   men werden auch Berufsunterbrechungen und Teil­             keit, Konzentrationsschwierigkeiten, psychischen
                   zeit schlagend. 47,7 Prozent der Frauen, aber nur          Problemen, Scham und sozialem Rückzug führen.
                   11,9 Prozent der Männer arbeiten in Teilzeit. Frauen            Eine Verortung des Problems auf individueller
                   haben im Durchschnitt zehn Beitragsjahre weniger           Ebene greift zu kurz. Wir brauchen lebbare gesell­
                   als Männer, denn Frauen leisten den überwiegenden          schaftliche Lösungen, damit Frauen nach einem
                   Teil der Karenz- und Kinderbetreuungszeiten, der            ­arbeitsreichen Leben nicht im Regen stehen gelassen
                   Pflege- und Sorgearbeit. Dabei verringert jedes Jahr         werden. Hierzu zählen Maßnahmen wie eine vom
                   Berufsunterbrechung die Pension um durchschnitt­             Partnereinkommen unabhängige Erhöhung des Aus­
                   lich zwei Prozent, ein Jahr Teilzeit um ein Prozent.         gleichszulagenrichtsatzes zur Pension, das von der
                    Vergleicht man die durchschnittliche Wochenarbeits­         Zustimmung des Partners unabhängige Pensionssplit­
                    zeit unter Berücksichtigung von bezahltem Erwerbs­          ting, aber auch die Verbesserung der Kinderbetreu­
                    einkommen und unbezahlter Arbeit, so arbeiten               ung und der Situation der Frauen am Arbeitsmarkt,
                    Frauen drei Stunden mehr als Männer, erhalten dafür         die Stärkung des Wohnungseigentums sowie die
                                                                                                                                        © PRIVAT

                    aber rund 42 Prozent weniger Pension, in Vorarlberg         ­Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters.

14 if: 3_2021
Einkommen fair verteilen
                                                                       Frauen haben
                                                                  eine höhere Lebens­

                M
                             anuela Auer ist seit 2000         erwartung, verdienen aber                     müssen aber weiterentwickelt werden.
                             Landesgeschäftsführerin des        weniger als Männer und                       Frauen wiederum können ihre Gehalts­
                             Österreichischen Gewerk­            sollten daher fürs Alter                    situation überprüfen. Viele wissen
                 schaftsbundes (ÖGB) und seit 2004              mehr auf die hohe Kante                      nicht, wie viel ihr Kollege mit ähnlichen
                ­Vizepräsidentin der Arbeiterkammer                   legen. Wie soll                        Tätigkeiten verdient. Wir brauchen
                 (AK) Vorarlberg. In ihrer gewerkschaft­                                                     Sanktionsmöglichkeiten und Einkom­
                                                                        das gehen?
                 lichen und politischen Tätigkeit setzt sie                                                  mensberichte für alle Betriebe (nicht
                 sich insbesondere auch für die Chancen­                                                     nur Großbetriebe) sowie die Auswei­
                 gleichheit und Entgeltgerechtigkeit für       Eine Voraussetzung für die Berufstätig­       tung auf alle Dienstgeber, auch Länder
                 Frauen ein. Im Interview nimmt sie zu         keit von Frauen ist Kinderbetreuung,          und Gemeinden.
                 wichtigen Fragen des Gender-Pay-Gap           daher fordern ÖGB und alle Sozialpart­
                Stellung.                                      ner einen Rechtsanspruch ab dem ersten        Hat dieser erhebliche Einkommens-
                                                               Geburtstag des Kindes. Erst wenn die          unterschied über das monetäre
                if: Österreich zählt zu den EU-Län-            Rahmenbedingungen passen, können              Einkommen hinaus noch andere
                dern mit dem größten Lohnunter-                wir über weitere Schritte wie Wiederein­      Auswirkungen?
                schied zwischen Frauen und Män-                stieg, eine Aufstockung der Wochen­            Natürlich wirken sich das Einkommen
                nern, Vorarlberg ist noch dazu im              stunden bei Teilzeit oder Vollzeitbe­          und die geringeren Beitragsjahre
                Bundesvergleich „führend“. Woran               schäftigung reden. ÖGB und AK haben            ­negativ auf die Pensionshöhe aus. Vor
                liegt das?                                     ein Familienarbeitszeitmodell entwi­            allem seit der Pensionsreform 2005, mit
                Manuela Auer: Die Gründe sind viel­            ckelt, das vorsieht, dass beide Elternteile     der der Durchrechnungszeitraum auf
                 fältig. Ein wichtiger Faktor ist die Be­      ungefähr gleich viel Zeit für die Kinder­       das gesamte Arbeitsleben angehoben
                 wertung von Arbeit, besonders in den          betreuung und Erwerbsarbeit zur Verfü­          wurde. Dadurch schlagen sich lange
                 system­erhaltenden Berufen, wo sehr viele     gung haben und dafür einen finanziel­           Teilzeitphasen, Berufsunterbrechungen
                Frauen beschäftigt sind. Tätigkeiten, die      len Bonus erhalten. Solche Modelle              und geringes Einkommen direkt nieder.
                als typisch weiblich angesehen werden,         einer gerechteren Verteilung von Arbeit         Wir brauchen daher eine bessere
                wie z. B. das Pflegen und Betreuen von         müssen wir forcieren.                           ­Anrechnung der Kindererziehungs­
                Menschen, müssen besser bewertet und                                                            zeiten, wie es das Modell des ÖGB
                bezahlt werden. Dazu kommen die Ver­           Dort, wo bei den Gehältern viel ver-             ­vorsieht. Allerdings sind auch andere
                einbarkeit von Beruf und Familie, lange        handelt wird, ist bekanntlich auch                Ansprüche wie die Höhe des Arbeits­
                ­Berufsunterbrechungen, die ungleiche          die Schere größer. Wenn es wenig                  losengeldes oder die Kurzarbeit
                 Verteilung von bezahlter und unbezahlter      Spielraum gibt, ist der Gap gerin-            ­betroffen.
                 Arbeit, fehlende Lohntransparenz und          ger. Würde hier eine rechtliche
                 lange Teilzeitphasen, Stichwort „­ gläserne   Lohntransparenz Abhilfe schaffen?             Und zum Schluss in einem Satz:
                 Decke“ und Altersarmut.                       Ja, ich bin überzeugt, dass Transparenz       Was raten Sie den Frauen?
                                                               eine Voraussetzung für gerechte Bezah­        Sichern Sie sich Ihre Unabhängigkeit
© SPÖ BLUDENZ

                Was könnte getan werden, um den                lung ist. Der ÖGB hat gute Erfahrun­          durch ein eigenes existenzsicherndes
                Gender-Pay-Gap zu reduzieren?                  gen mit den Einkommensberichten, sie          Einkommen.

                                                                                                                                            3_2021 if: 15
Menschen zum Thema

    „Wie wichtig ist Geld in Ihrem Leben?“

             Verena Alton                     Katharina                          Isabel Baldreich
              Studentin                     Hofner-Göllner,                       Projektleiterin
                                         Apothekerin in Pension
       „Unabhängigkeit und Lebens-                                                      So wichtig!
      qualität – das bedeutet Geld für                                      Wir müssen über Geld reden.
        mich. Unabhängigkeit vom               Geld selbst ist mir              Denn: Ohne Geld geht
        ­Partner, von den Eltern und       nicht so wichtig, aber die           nichts. Wohnen, Essen,
      ­davon, eine berufliche Laufbahn   ­Unabhängigkeit, die ich damit   ­Mobilität, Teilhabe und Freizeit,
      nur des Gehalts wegen anstelle      habe. Natürlich bin ich auch    Vorsorge im Alter gibt es nicht
         von wahrem Interesse ein­        ­etwas stolz darauf, dass ich    „umsonst“. Wer Geld darüber
       schlagen zu müssen. Lebens­       ­immer finanziell unabhängig         hinaus verplanen kann, ist
       qualität vor allem im Sinne der    war und dass ich es gerade      ­privilegiert – das vergessen wir
        Wohnsituation und Freizeit­      auch jetzt in der Pension bin.                  viel zu oft.
                gestaltung.“              Und das kann ich nur allen
                                          ­Frauen wünschen: Schaut,

                                                                                                                                       © PRIVAT, ISABEL BALDREICH, SHUTTERSTOCK
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                                                                          Amt der Vbg. LR, FuB Fr. und Gleichst., Römerstr. 15, 6900 Bregenz
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