WIR HABEN DIE WAHL FRAUEN 1919-2019 - EINE AUSSTELLUNG DER GLEICHSTELLUNGSSTELLE ESSEN ANLÄSSLICH 100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT - Stadt Essen
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1A WIR HABEN DIE WAHL FRAUEN 1919–2019 EINE AUSSTELLUNG DER GLEICHSTELLUNGSSTELLE ESSEN ANLÄSSLICH 100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT
1B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Wir haben die Wahl. Frauen 1919–2019 Bis 1908 durften Frauen keiner Partei beitreten, kein Abitur machen und „Für Vereine, die bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, gelten … nicht studieren. Und bis 1918 besaßen sie kein Wahlrecht. Die Mehrheit nachstehende Beschränkungen: sie dürfen keine Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge als Mitglieder aufnehmen.“ der Menschen war davon überzeugt, dass die politischen und öffent Preußisches Vereinsgesetz, § 8, 1850. lichen Belange in den Händen der Männer gut aufgehoben waren. Im November 1918 wurde mit dem Untergang des Kaiserreichs die „Die Kulturgeschichte zeigt, daß die Frauen … an wissenschaftlichem Interesse und an Weimarer Republik ausgerufen – und mit ihr das Wahlrecht für schöpferischer Fruchtbarkeit die Männer nicht erreicht haben.“ Männer und Frauen ab 20 Jahren. Nicht alle waren davon begeistert. Die Überzeugung des Theologen und Zentrums-Politikers Carl Joseph Mausbach war bis Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Sogar Frauen selbst sprachen sich die dafür notwendige „Reife“ab. Noch im Oktober 1918 hatten die meisten Parteien das Frauenstimm recht abgelehnt. Nur die SPD forderte seit 1891 die politische Gleich „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, stellung von Mann und Frau. allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ Rat der Volksbeauftragten in Berlin mit dem Aufruf „An das deutsche Volk“ am 1919 konnten Frauen erstmals wählen und sich als Kandidatin wählen 12. November 1918. lassen. Wir haben die Wahl. Frauen 1919–2019 stellt die Pionierinnen vor, die am 21. März 1919 ins Essener Rathaus einzogen. Dieser wichtige Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung wird ergänzt mit Spots „Meine Herren und Damen! (Heiterkeit) Es ist das erste Mal, daß in Deutschland die Frau als freie und gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, auf die aktuelle Situation. Auch 100 Jahre später stehen für die Gleich und zwar ganz objektiv, daß es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten stellung der Geschlechter noch viele unerreichte Ziele auf der Agenda. Vorurteile überwunden hat.“ Die Frage lautet: Was ist zu tun? Die Sozialdemokratin Marie Juchacz war die 1. Frau, die am 19. Februar 1919 in der neu gewählten Nationalversammlung sprach. Weibliche Angestellte der städtischen Gasanstalt Essen, um 1910. Stadtwerke Essen/Fotoarchiv Ruhr Museum. 19192019
2A 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T 1908 „Heraus mit dem Frauenwahlrecht. Frauen-Tag 8. März 1914”. 08.03.1914 „Frauenspersonen“ dürfen einer Partei beitreten. Seit 1850 hatte das Gestaltung: Karl Maria Stadler Druck/Verlag: R. Schumann, Preußische Vereinsrecht dies verboten. Im selben Jahr erlaubte eine München (Nachdruck vom Neuen Bildungsreform auch Mädchen, Abitur zu machen und zu studieren. Vorwärts Verlag, Bonn). 1911 1918 Am 19. März findet in Deutschland zum ersten Mit der Revolution kommt ein neues Wahlrecht: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften Mal der „Internationale Frauentag“ statt. sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ Frauen waren vorher von allen politischen Wahlen ausgeschlossen. 1920 1919 Frauen können habilitieren und Professorin werden. 8 Frauen ziehen im März 1919 als erste weibliche Abgeordnete in die 1929 102-köpfige Essener Stadtverordne- Unter den 78 Abgeordneten der Essener Stadtverordnetenversammlung sind 10 Frauen. tenversammlung ein, dem heutigen Rat der Stadt Essen. Das Zentrum war der Sieger der Wahl und erhielt 46 Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. Die MSPD 23, die Koalition DNVP/DVP 15, die USPD 9, die DDP 6 und die 1934 Polenpartei 2. Archiv Ernst Schmidt. 1949 Frauen werden nicht mehr als Anwältinnen zugelassen, weil das einen „Einbruch in den altgeheiligten Grundsatz der Männlichkeit des Staates“ bedeutet hätte. Im Essener Stadtrat mit 64 Abgeordneten sitzen 4 Frauen. Kurz darauf setzt sich der Rat nur noch aus männlichen NSDAP-Mitgliedern zusammen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland tritt in Kraft, Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 lautet: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ 1950 Der Rat der Stadt Essen besteht aus 9 Frauen und 41 Männern. 1955 1969 Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verbietet den im Bund organisierten Vereinen den Frauen fußball: „Im Kampf um den Ball verschwindet Als 1. Essener Politikerin wird Antje Huber die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden (SPD) in den Deutschen Bundestag ge- unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Wahlkampfveranstaltung mit Antje Huber, Essen 1969. Fotograf: Willy van Heekern, Fotoarchiv Ruhr Museum. wählt. Der Rat der Stadt Essen wählt am 26. November mit Berta Möller-Dostali (SPD) seine 1. Bürgermeisterin. Die Essenerin Uta Ranke-Heinemann ist die 1. Frau der Welt mit einer Professur 1970 für katholische Theologie. Der DFB hebt sein „Damenfußball“- Frauenfußball im Ruhrgebiet, Mai 1955. Fotograf: Peter Kleu, Fotoarchiv Ruhr Museum. Verbot auf. 1971 Berta Möller-Dostali bei ihrer Wahl zur stellvertretenden Bürgermeisterin, Essen, 26. November 1969. Fotograf: In der Zeitschrift Stern bekennen sich 374 Frauen Willy van Heekern, Fotoarchiv Ruhr Museum. dazu, illegal abgetrieben zu haben. Nach § 218 des 1972 StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch strafbar. Mit Annemarie Renger (SPD) wird erstmals eine Frau Bundestagspräsidentin. In allen deutschen Behörden soll das Wort „Fräulein“ nicht mehr verwendet werden. 1976 Ehepaare können ab jetzt auch den Familiennamen der Frau tragen. Der § 218 wird geändert: der Schwangerschaftsabbruch ist grundsätz- lich strafbar, Ausnahmen gelten bei medizinischer, eugenischer oder 1977 kriminologischer Indikation oder einer sonstigen schweren Notlage. Die „Hausfrauenehe“ wird abgeschafft. Bis dahin konnte der Ehemann z. B. Arbeitsverträge seiner Frau auch 1980 gegen ihren Willen kündigen. Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und das Recht auf gleiches Entgelt wird im BGB verankert. Stellenausschreibungen werden fortan geschlechtsneutral formuliert. Arbeitssuchende im Arbeitsamt Gelsenkirchen, Januar 1967. Fotograf: Anton Tripp, Fotoarchiv 1983 Ruhr Museum. Als 1. Partei mit einer Frauenquote bei der Ämterbesetzung und der 1986 „Gleichstellung“ im Programm ziehen DIE GRÜNEN in den Bundestag ein. Die Stadt Essen richtet die Stelle einer Gleichstellungs- beauftragten ein. Die 1. Stelle deutschlandweit war 1988 Die SPD beschließt auf Druck der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer 4 Jahre zuvor in Köln eingerichtet worden. Frauen (ASF), eine Geschlechterquote von mindestens 40 % für alle Ämter und Mandate in ihr Statut aufzunehmen. Bei der CDU erfolgt dies 1996. 1970 bis 1989 1979 Die Erwerbsquote der Frauen steigt in diesem Zeitraum deutschlandweit von 46 % auf 54 % an, bei verheirateten Frauen von 39 % auf 48 %. Unter 42 Essener Ratsmitgliedern ist nur eine Frau. 19192019
2B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T 1989 Das neue Frauenförderungsgesetz von NRW legt fest, dass Frauen bei gleicher Eignung, Leistung und Befähigung bei Einstellungen und Beförderungen bzw. Höhergruppierungen solange bevorzugt werden, bis ein Frauenanteil von 50 % erreicht sein wird – was bis heute nicht der Fall ist. Die Stadt Essen beschließt die Einführung einer geschlechterneutralen Sprache in der Verwaltung. Dabei werden entweder beide Geschlechter genannt oder es Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit Oberbürger- meisterin Annette Jäger (rechts), Essen 1990. Fotografin: wird eine Neutralisierung wie „Studierende“ gewählt. Marga Kingler, Fotoarchiv Ruhr Museum. Annette Jäger wird 1. Oberbürgermeisterin der Stadt Essen. 1992 Maria Jepsen wird in Hamburg die 1. Bischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland. 1993 Heide Simonis wird in Schleswig-Holstein die 1. Ministerpräsidentin eines Bundeslandes. 1994 Art. 3 GG wird ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung 1997 bestehender Nachteile hin“. In Deutschland werden Vergewaltigungen in der Ehe unter Strafe gestellt. 2001 Der 1. Girls'Day – Mädchen-Zukunftstag findet statt, an dem Schülerinnen Einblick in technische und naturwissenschaftliche Arbeitsfelder nehmen, 2002 um in frauenuntypische Berufe hineinschnuppern zu können. Die Stadt Essen und alle städtischen Gesellschaften beschließen eine Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen in Ausbildung und Beruf. 2003 Fast die Hälfte aller Studierenden sind weiblich. Der Frauenanteil innerhalb der deutschen Professorenschaft liegt bei 8 %. 2004 Laut DGB sind 68,4 % der Niedriglohnbeschäftigten Frauen. 2005 2007 Angela Merkel wird die 1. Bundeskanzlerin Deutschlands. Mit der „Berliner Erklärung“ wird die Gleichberechtigung von Frauen und Männern als gemeinsames Ideal der Europäischen Union festgeschrieben. 2008 Zum 1. Mal findet in Deutschland der Equal Pay Day (Tag der Entgeltgleichheit) statt. Dabei geht es um den Entgeltunterschied zwischen Frauen und Männern. 2009 33 % der Mitglieder im Bundestag sind Frauen. 2010 2011 Hannelore Kraft wird die 1. Ministerpräsidentin in NRW und ist die 1. Präsidentin des Bundesrates. Der 1. Boys´ Day, der Jungen-Zukunftstag, findet statt. Jungen können an diesem Tag Berufe kennenlernen, in denen nur wenige Männer arbeiten. 100. Internationaler Frauentag. 2012 2014 Der Frauenanteil innerhalb der deutschen Professorenschaft liegt bei 19 %, bei der Richterschaft sind es 33 % und bei den Alleinerziehenden 90 %. Bei den Professuren an der Universität Duisburg-Essen liegt der Frauenanteil bei rund 21 %. 2006 lag er bei etwa 13 %. Marion Greve wird zur 1. Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Essen gewählt. 2015 Ein Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst wird erlassen. Die Aufsichtsräte großer Firmen 2016 müssen zu 30 % mit Frauen besetzt sein. Nach dem neuen Sexualstrafrecht ist nun jede sexuelle Handlung strafbar, die gegen den erkennbaren Willen einer Person vorgenommen wird. 2017 Der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen Im neuen Bundestag ist der Frauenanteil mit 30,9 % so gering wie 1998. In der Legislaturperiode von Männern und Frauen, der Gender Pay Gap, beträgt 21 %. von 2013 bis 2017 war der Frauenanteil mit 36,5 % in der Geschichte des Deutschen Bundestags seit 1949 am höchsten. 9 Frauen in Deutschland erhalten einen Michelin-Stern für ihre Kochkunst, neben 293 Männern. Zu den ausgezeichneten Küchenchefinnen zählt Erika Bergmann aus Essen. 2018 Ein Drittel der Beschäftigten im Handwerk ist weiblich. Für die Besetzung von Aufsichtsratsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, gilt eine Geschlechterquote von 50 %. Wenn ein Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuge- ordneten werden kann, gibt es ein Feld mit der Geschlechtsangabe „divers“. 2019 Aktuell sitzen 30 Ratsfrauen im 90-köpfigen Rat der Stadt Essen. SPD: 10 von 30, CDU: 9 von 28, GRÜNE: 4 von 9, EBB: 1 von 5, FDP: 1 von 5, LINKE: 2 von 4, PRO NRW: 2 von 2, BAL: 1 von 2 Ratsmitgliedern; Stand: 01.01.2019. Intern. Frauentag 2018 im Essener Rathaus. Von links nach rechts: Silke Schuhmann, Alexandra Ascher, Stefanie Müller, Veronika Maruhn, Christiane Volkmer, Thomas Kufen, Stefan Zebrowski, Beate Döpper, Gabriele Bloch-Fancello, Sara Bronowicki . Fotograf: Peter Prengel. 19192019
3A 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Essen um 1919 Es war eine turbulente Zeit, als Frauen 1919 zum ersten Mal wählen konnten. Der Erste Weltkrieg war mit der Revolution Anfang November 1918 zu Ende gegangen. Die Bevölkerung war erschöpft und unzufrieden, wollte mehr Lohn und mehr Lebensmittel – auf vielen Zechen in Essen wurde gestreikt. Der Kaiser hatte abgedankt. Wie sollte es nun weitergehen? In diese Unruhe fielen Anfang 1919 gleich drei Wahlen: am 19. Januar 1919 die Wahl zur Nationalversammlung, eine Woche später die Wahl zur verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung. Und am 2. März waren alle Männer und Frauen ab 20 Jahren aufgerufen, ihre Stimme für eine neue Stadtverordnetenversammlung in Essen abzugeben. Für die Parteien war es eine Herausforderung, innerhalb weniger Wochen den Wahlkampf zu organisieren. Die Wähler und (erstmals) Wählerinnen zu mobilisieren, gelang vor allem dem Zentrum. Diese Viele Frauen hatten im 1. Weltkrieg die Arbeit der Männer erledigt – hier in einer Fertigungshalle der Krupp´schen Gussstahlfabrik in Essen, ca. 1915. Viele Männer verstanden daher das Wahlrecht als eine Art Belohnung für die Partei hatte sich nie für das Frauenwahlrecht ausgesprochen, profitierte Leistungen an der „Heimatfront“. Fotograf unbekannt, Fotoarchiv Ruhr Museum. nun aber davon. Viele Essenerinnen waren katholisch und stimmten daher für die christlich demokratische Volkspartei. Arbeiterinnen auf der Kokerei Mathias Stinnes in Karnap, 1917. Fotograf unbekannt, Archiv Ernst Schmidt/Fotoarchiv Ruhr Museum. Ausflug der Essener Arbeiterjugend mit Arbeiterhochzeit um 1920 in der Kolonie Ebel, die damals zu Essen-Borbeck gehörte. Fotograf unbekannt, älteren Genossen, 1914. Fotograf unbe- Archiv Ernst Schmidt/Fotoarchiv Ruhr Museum. kannt, Archiv Ernst Schmidt/Fotoarchiv Ruhr Museum. „Den ganzen Tag über fuhren Lastautos mit bewaffneten Soldaten durch die Stadt, teils um zu agitieren, teils um für Ruhe zu sorgen. Rote Fahnen waren an der Tagesordnung. Einen schlechten Eindruck machte es, daß weibliche Personen mit roten Schleifen sich in niedrigster „Im Westen organisierten wir eine Reihe geeigneter Persönlichkeiten …, Weise einmischten. Bei den zahlreichen Umzügen sind sie sogar in erster die in zahlreichen Vorträgen die Frauen von der Notwendigkeit über- Reihe mitmarschiert.“ zeugten, daß Wahlrecht auch Wahlpflicht sei.“ Der Schüler Fritz Kesper über die Ereignisse Anfang November Albertine Badenberg aus Steele organisierte 1919 den Wahlkampf 1918 in Essen. für das katholische Zentrum. 19192019
3B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Frauenbewegung in Essen Die Essener Frauenbewegung vor 1919 war vielfältig. Es gab „Radikale“ wie Minna Deuper (1868–1937), die seit den 1880er Jahren aktiv war. Sie verteilte Flugblätter, forderte das Frauenwahlrecht und lud 1904 zu der 1 . öffentlichen Versammlung Essener Sozialdemokratinnen ein. Als Frauen ab 1908 Parteien beitreten durften, wurde sie sofort Parteimit glied. In den 1920er Jahren gehörte sie zu den Mitbegründerinnen der Essener AWO. Die Zweigstelle des Vereins „Frauenwohl“ wollte seit 1902 „auch in Essen der Frauenbewegung Boden“ verschaffen. Aktiv waren hier neben einigen Männern vor allem Frauen aus dem Essener Bürgertum wie Frida Levy (1881–1942), die sich seit 1911 lokal und auf Landes ebene im Verein für Frauenstimmrecht engagierte. Dieser Verein sah im Frauenstimmrecht eine „Forderung der Gerechtigkeit, „sozialer Notwendigkeit“ und „der Kultur“. 3. Reihe von rechts, 2. Person von unten: Die Essener Sozialdemokratin Wilhelmina (Minna) Deuper, Tochter eines Krupp-Arbeiters und die Frau eines Sozialdemokraten, auf dem SPD-Parteitag in Chemnitz 1912. Archiv Ernst Schmidt. Zahlreiche katholische und evangelische Frauen strebten vor 1918 nicht die politische, sondern die berufliche Gleichberechtigung an. So saß die Lehrerin Albertine Badenberg (1865–1958) im Vorstand des Vereins katholischer Lehrerinnen, der sich für die rechtliche und finan zielle Gleichstellung von Lehrerinnen einsetzte. 1903 gründete sie den Katholischen Frauenbund Deutschlands mit. Von 1924 bis 1932 saß die Zentrums-Abgeordnete im Preußischen Landtag. 102 Stadtverordnete wurden bei der ersten demokratischen Kommunal wahl am 2. März 1919 in Essen gewählt. Unter ihnen waren acht Frauen Sitzungssaal im Essener Rathaus, in dem mit dem Einzug der von fünf Parteien. Leider ist von ihnen nur wenig überliefert. ersten Politikerinnen eine „neue Zeit“ – so eine Tageszeitung am 22.03.1919 – begann. Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. Albertine Wilhelmine Friederike Anna „Ueberall waren die wenigen aktiven Genossinnen Badenberg (1865–1958) ergriff eine der wenigen Berufsmöglichkeiten für agitatorisch tätig, indem sie zunächst Versamm- bürgerliche Frauen im 19. Jahrhundert lungen einberiefen und Vertrauenspersonen wählen und wurde Lehrerin. 1919 wurde sie Zentrums-Mitglied. Steeler Archiv e. V. ließen. Daß diese Arbeit zur damaligen Zeit ganz außerordentliche Anforderungen an jede einzelne Ge- nossin in bezug auf Opfer- und Bekennermut stellte, bedarf wohl keiner besonderen Hervorhebung.“ Die Sozialdemokratin Minna Deuper (1868–1937) in einem Zeitungsartikel über die Zeit nach 1908, als Frauen zwar noch nicht wählen, aber einer Partei beitreten durften. „Ich protestiere gegen meinen Ausschluss von der Reichstagswahl, da ich als deutsche Staatsangehörige über 23 Jahre auf Grund der bestehenden Verfassung wahlberechtigt bin. … Wir Frauen wollen nicht nur die Pflichten dem Reiche gegenüber erfüllen, nämlich ihm die Bürger schenken, arbeiten und Steuern zahlen, wir fordern als Staatsangehörige auch unsere Rechte, nämlich die volle politische Gleichberechtigung.“ Frida Levy (1881–1942, ermordet in Riga) zog mit ihrem Mann, dem Rechtsanwalt Dr. Fritz Levy, 1901 nach Essen. Sie war im Frauenstimmrechtsverein aktiv und saß 1919 als „Bürgervertreterin“ im Ausschuss für Flugblatt des Preußischen Landesvereins für Volksbildung. Ihr Mann hatte für die SPD von 1919 bis 1933 einen Sitz in der Essener Stadtverordneten Frauenstimmrecht anlässlich der Reichstagswahl versammlung. Archiv Ernst Schmidt. 1912. Frida Levy war Vorsitzende des Essener Orts- vereins für Frauenstimmrecht und saß im erweiter ten Vorstand des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht. 19192019
4A 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Die 1. Frauen in der Essener Politik Zentrum Aus der Kommunalwahl im März 1919 ging das Zen trum mit 46 Mandaten als Sieger hervor. Das katholische Zentrum hatte das Frauenwahlrecht zwar nicht öffentlich gefordert, es aber seit einigen Jahren auch nicht mehr bekämpft. Die Lehrerin Franziska Gosewinkel (1891–1938) hatte sich bereits bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 aufstellen lassen, jedoch nicht genug Stimmen erhalten. Sie kandidierte wenige Wochen später erneut bei der Wahl in Essen. Der Stadtverord netenversammlung gehörte sie von 1919 bis 1929 an. Von 1921 bis 1929 saß sie für das Zentrum auch im Preußischen Provinziallandtag. Auch Antonie van Loosen (1874–1941) war Lehrerin. Seit 1897 war sie an der höheren Mädchenschule in Borbeck (heute würde man Gymnasium sagen), ab 1905 in leitender Position. Im Krieg hatte sie sich als Es gibt nur ein Foto der ersten drei Zentrums-Politikerinnen in der Essener Stadtverordnetenversammlung. Es zeigt Antonie van Loosen Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes in Borbeck mit ihren Kolleginnen und Kollegen an der höheren Mädchenschule in Borbeck. Sie steht in der Mitte der 3. Reihe von unten. Haus der innerhalb des „Kriegsliebesdienstes“ engagiert und zahl Essener Geschichte/Stadtarchiv. reiche Auszeichnungen erhalten. Bereits 1921 schied sie aus dem Rat aus. Über Maria Giesing, die von 1919 bis 1923 in der Essener Stadtverordnetenversammlung saß, ist nichts bekannt. Wahlzettel des Zentrums, 1919. Die Begriffe "Anarchie" und "Diktatur" richteten sich gegen die USPD, die die "Diktatur des Proletariats als notwendige Vorbedingung für die Ver- wirklichung des Sozialismus" und die Sozialisierung großer Industriebetriebe forderte. Haus der Essener Geschichte/ Stadtarchiv, 911/156. Anzeige für eine Frauenversammlung des Zentrums in der Volks-Zeitung am 26.02.1919. Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. 19192019
4B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Die 1. Frauen in der Essener Politik DDP / DNVP Sechs Frauen standen auf der 18-köpfigen „Liste Keller“ von der DDP. Die im November 1918 gegründete links liberale Deutsche Demokratische Partei meinte es ernst mit der Gleichberechtigung. Zwei DDP-Kandidatinnen schafften es daher in die Stadtverordnetenversamm lung: Die Volksschullehrerin und spätere Schulrektorin Maria Edler (1875–1961) war zugleich Vorsitzende der Ortsgruppe des Landesvereins Preußischer Volksschul lehrerinnen. Edler war in zahlreichen pädagogischen Einrichtungen und Gremien aktiv. Ihr Versuch, 1924 in die Nationalversammlung zu wechseln, scheiterte. Anna Bohn-Engelhardt (1880–1942) saß dem Stadt verband für Frauenbestrebungen vor und war 2. Vorsitzen de des Rheinisch-Westfälischen Frauenverbandes, der sich für eine qualifizierte Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen einsetzte. Bohn-Engelhardt saß für die DDP von 1919 bis 1933 in der Essener Stadtverordneten versammlung. Maria Edler von der DDP muss eine gute Rednerin gewesen sein. Normalerweise luden die P arteien redeerfahrene Politiker ein, statt ihre eigenen Kandidatinnen sprechen zu lassen. Arbeiter-Zeitung, 08.01.1919. Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. Über die Oberin Maria Lenbert, die die ultrakon servative Parteikooperation von DNVP und DVP in der Stadtverordnetenversammlung vertrat, ist nichts bekannt. Beide Parteien lehnten die Republik ab, wie zuvor das Frauenwahlrecht. Es ging diesen Parteien nicht um eine Gleichberechtigung von Mann und Frau. Frauen waren, so die DNVP, die „Hüterin der sittlichen und religiösen Grundlagen des Familien- und Volks lebens“. Die DDP wandte sich mit Anzeigen in Tages Sechs Frauen standen auf der 18-köpfigen „Liste zeitungen direkt an die wahlberechtigten Frauen. Keller“ von der DDP für die Essener Stadtverordneten Rheinisch-Westfälische Zeitung, 02.04.1919. Haus versammlung. Rheinisch-Westfälische Zeitung, der Essener Geschichte/Stadtarchiv. 27.02.1919. Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. Wahlzettel der DNVP für die Wahl zur National versammlung am 19.01.1919. Die DNVP erhielt 10,3 % der Stimmen, und von insgesamt 41 Abgeordneten waren 3 weiblich. AES 19/857, Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. 19192019
5A 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Die 1. Frauen in der Essener Politik MSPD / USPD Die Sozialdemokraten, seit 1917 in MSPD und USPD getrennt, k onnten nur 33 Sitze erringen. Monika Hinrichs (1868–1952) von der Mehr heitssozialdemokratie (MSPD) hielt in ihrem Tagebuch fest: „8. März. Heute zum erstenmal als Stadtverordnete im Rathause. 3 Wochen liegen hinter uns. Es war viel Arbeit. Wir, die sozialdemokratische Fraktion, sind 24 Mann stark.“ Sie ist die einzige P olitikerin, von der Selbstzeug nisse erhalten sind. Ihre Motivation, in die Politik zu gehen, ist daher bekannt: „Auch wurde ich auf das wuchtige, schwer um seine E xistenz ringende Proletariat aufmerksam und ihre Interessen wurden die meinen. Von 1919-1929 war ich Stadtverordnete im Stadtparlament zu Essen.“ Von Emma Grasse (1877–?), nach der eine Straße in Essen benannt ist, weiß man nur wenig. Da die Hausfrau aus Altenessen in die verfassung gebende Preußische Landesversammlung nachrücken konnte, zog sie die Landes- der Kommunalpolitik vor und wurde eine von 26 weiblichen der insgesamt 401 Abgeordneten der Landesversammlung. Emma Leder (1879–1967) war Vertreterin der politisch links stehenden Unabhängigen Sozialdemokratischen P artei Deutschlands (USPD) in Die USPD-Politikerin Emma Leder trat, ebenso wie Maria Monika Hinrichs war mit ihrem Mann Heinrich, der Stadtverordnetenversammlung. 1920 verließ sie diese, um 1924 Edler von der DDP, als Rednerin im Wahlkampf 1919 auf. Als einem Handwerker, von Süddeutschland nach erneut in den damaligen Essener Rat einzuziehen, dieses Mal für die Kommunistin kam sie 1935 in das Frauenkonzentrationslager Essen-Huttrop gezogen. „Ich warf mich mit in Moringen und überlebte. Nach 1945 war sie wieder in der Heißhunger auf alles, was die große Kunststadt Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Neun Jahre gestaltete sie KPD aktiv. Aus dieser Zeit stammt auch die Aufnahme. Archiv zu bieten hatte“, 1907. Archiv Ernst Schmidt. die Essener Politik mit. Nach der Machtübernahme durch die NSPD Ernst Schmidt. 1933 wurde sie mehrmals verhaftet. Emma Leder war 1919 aktiv in den Wahlkampf e ingebunden und Unter den 45 Kandidatinnen und Kandidaten sprach im Januar über „Die Frauen und die Wahlen zur National der MSPD (ab 1922: SPD) waren nur zwei Frauen: versammlung“. Sie wollte zuerst in die Nationalversammlung Emma Gasse auf Platz 4 und Monika Hinrichs auf einziehen, was jedoch nicht gelang. Arbeiter-Zeitung, Platz 15. Arbeiter-Zeitung, 26.02.1919. Haus der 13.01.1919. Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. Essener Geschichte/Stadtarchiv. Die MSPD wandte sich ausschließlich an männliche Wähler und benannte auch nur Kandidaten. Ob sie sich ihrer Sache bei den Wählerinnen sicher war? Denn die SPD hatte seit Jahr- zehnten für das Frauenwahlrecht plädiert. Arbeiter-Zeitung, 01.03.1919. Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. Emma Leder hatte bei der Essener USPD einen g uten Listenplatz und so war es nicht erstaunlich, dass sie gewählt wurde. Arbeiter-Zeitung, 28.02.1919. Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv. 19192019
5B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Frauen heute 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts äußern sich aktive Die Aussagen der elf Frauen von heute zeigen, dass sich Engagement Frauen, die die Essener Stadtgesellschaft von heute mitgestalten. Es lohnt, Vernetzung wichtig ist und Ziele zu erkämpfen sind. Doch geht um bisher Erreichtes, bestehende Ungerechtigkeiten und Ziele nicht durch aggressive Konfrontation, sondern mittels argumen für die Zukunft. tativer B eharrlichkeit. Über eine Quotierung herrscht unter den elf Frauen keine Einigkeit. Übereinstimmung gibt es jedoch in der Dabei wird deutlich: Geduld, Hartnäckigkeit, Mut und Selbstbewusst Beurteilung von Gleichberechtigung als große Chance – für Frauen sein sind auch heute noch für Frauen unerlässlich, um in b estimmte und Männer. Männerkreise einzudringen und als gleich unter Gleichen wahr genommen zu werden. Bei aller Beharrlichkeit alter Rollenbilder hat sich dennoch e iniges getan: Immer mehr junge Menschen bezeichnen sich selbst als In der Politik, der Wirtschaft und im Feminist/Feministin, um überholte Denkweisen und Strukturen auf öffentlichen Leben sind Frauen nach zubrechen. Aktuell fordert der Deutsche Frauenrat mit dem Aufruf wie vor unterrepräsentiert. #mehrfrauenindieparlamente wieder Wahlrechtsreformen, damit Männer und Frauen je zur Hälfte in den Parlamenten vertreten sind. Dagmar Rode Es sollte neben den Glauben an Gleichheit das Einsetzen für Gleichheit treten – also eine aktivere Haltung. Gleichberechtigung muss endlich in den Köpfen ankommen und Gleichstellung durch Corinna Gerleve bessere Rahmenbedingungen gelebt werden. Julia Jankovic Wir Frauen dürfen nicht darauf warten, dass die Veränderung zu uns kommt – wir müssen sie selbst gestalten. Wir brauchen einen Feminismus, Jutta Kruft-Lohrengel der die Rechte sowie die politische und soziale Gleichstellung aller Menschen im Blick hat. In den Parteien müssten die Frauen auf Gabriele Giesecke besseren Listenplätzen abgesichert werden, um in den Räten ein ausgewogeneres Ver- hältnis der Geschlechter zu erreichen. Verbal sind wir gegendert, was aber nichts Christiane Moos mit dem Verhalten zu tun hat. Deswegen: Für Selbstbestimmung und Gleichstellung Frauen werden seltener ernst genommen braucht es eine Quote. für die Dinge, die sie tun. Ihnen wird oft weniger zugetraut. Hiltrud Schmutzler-Jäger Johanna Ziemes Eine hundertprozentige Gleichstellung scheint auf absehbare Zeit nicht erreichbar. Daher ist weiterhin großes Engagement erforderlich, um das Erreichte zu In den Köpfen muss etwas passieren. erhalten und in kleinen Schritten weiterauszubauen. Hayriye Gedikoğlu Marianne Menze Die Zahl der weiblichen Führungskräfte in Unternehmen, Verwaltung und Wissen- schaft ist nicht zufriedenstellend. Petra Hermann 1919 2019
6A 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Gabriele Giesecke Christiane Moos ist seit 1999 Mitglied im Rat der Stadt Essen, seit 2014 als Fraktionsvorsitzende der Partei ist Bilanzbuchhalterin und u. a. im Landesvorstand NRW der Frauen Union der CDU aktiv. DIE LINKE. Gabriele Giesecke ist ehrenamtlich aktiv, unter anderem ist sie stellvertretende Seit 2014 sitzt sie für die CDU im Rat der Stadt Essen. Christiane Moos ist Mitglied im Unter Vorstandsvorsitzende von ProAsyl / Flüchtlingsrat Essen e. V. Hauptberuflich ist sie Fall nehmerinnenverband „Schöne Aussichten“, der Gründerinnen und Unternehmerinnen bei managerin im Integrationspoint beim Jobcenter Oberhausen. der Entwicklung von Strategien für ihr Geschäft und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt. Zudem vertritt sie den Unternehmerinnenverband im Frauenrat NRW. In der Vollversammlung der IHK MEO engagierte sie sich erfolgreich für eine Erhöhung des Es ist überfällig, dass alle Gremien, über die der Stadtrat bestimmt, paritätisch Frauenanteils auf 31 Prozent. mit Frauen und Männern besetzt werden. Aktuell ist dies weder bei den Ausschüssen der Fall noch z. B. bei den Aufsichtsräten und den Geschäftsführungen der städtischen Gesellschaften. Nur eines von sechs Dezernaten wird von einer Frau geführt. Außerdem Während meiner politischen Tätigkeit musste ich immer wieder die Erfahrung machen, gibt es nur zwei Fraktionsvorsitzende – bei sechs Fraktionen. Um Teilhabe der Frauen zu dass Frauen bei der Bewerbung um Mandate oder lukrative Aufsichtsratspositionen unter ermöglichen, sollten die Sitzungen nicht bis in den Abend dauern und eine vernünftige lagen. In den politischen Gremien ist der weitaus größte Anteil der Mitglieder männlich, in Kinderbetreuung sichergestellt werden. der CDU sind es aktuell 74 Prozent. Wenn bei einer Wahl Kandidaten beider Geschlechter antreten, unterstützen die meisten zuerst ihr eigenes Geschlecht. Die Frauen bei der Linken haben durchgesetzt, dass bei allen Parteigremien und auf allen Wahllisten von DIE LINKE Frauen immer die Hälfte der Plätze besetzen. Das Als Vorsitzende der Frauen Union der CDU Essen bemühe ich mich seit Jahren bezweifelt heute niemand mehr. d arum, Frauen für eine Kandidatur bei den Kommunalwahlen zu gewinnen. Frauen wägen sehr genau ab, ob sie die Verantwortung, die ein politisches Mandat mit sich bringt, übernehmen wollen. Da sind manchmal sehr viel Unterstützung und Überzeugungsarbeit Offensichtlich setzten viele Parteien eine Gleichstellung nicht aus freien Stücken erforderlich. Außerdem sind die wenigsten zu einer Kampfkandidatur bereit. um. Hier muss der gesellschaftliche Druck erhöht werden. Ich bin für eine Änderung des Wahlrechts wie in Frankreich. Dort werden Wahllisten für die kommunale Ebene nur zu gelassen, wenn sie paritätisch besetzt sind. Auch für die nationale Ebene ist das in Frankreich In den Parteien müssten die Frauen auf besseren Listenplätzen abgesichert werden, in der Diskussion um in den Räten ein ausgewogeneres Verhältnis der Geschlechter zu erreichen. Ich fände es gut, wenn die Stadt Essen eine Broschüre herausbrächte, die für das kommunalpolitische Engagement von Frauen wirbt. In anderen Kommunen gibt es so etwas bereits. Gleichstellung ist erreicht, wenn niemand mehr davon spricht. Die Fragen der Gleichberechtigung sind heute gesetzlich weitestgehend geklärt, aber Ich habe mich immer für die Dinge engagiert, die mir wichtig sind, und dabei nie es dauert eben lange, bis sich alles gesellschaftlich umsetzen lässt. Frauen sind häufiger von Zweifel gehabt, ob Männer das vielleicht besser können. Ich habe mich aktiv am Kampf sexueller Gewalt betroffen. Darauf zu achten, dass Ungleichheiten beseitigt werden, ist ein gegen das Abtreibungsverbot beteiligt. Aktuell muss der § 219a StGB abgeschafft werden. Teil des Feminismus, den wir auch hier in Deutschland noch brauchen. Es ist völlig unzeitgemäß, dass die Beratung zur Abtreibung immer noch durch Strafan drohung eingeschränkt wird. „Frauen und andere Minderheiten“ Nicht alle Frauen müssen arbeiten – diese Überschrift hat mich mal sehr und sich einer männlichen Biografie aufgeregt. Frauen bilden die Hälfte der anpassen. Nicht alle Männer müssen Gesellschaft. Tatsache ist aber auch: Sie Karriere machen. Es gibt unterschied- sind nicht als Einzige von gesellschaft- liche Lebensentwürfeund -ziele. licher Diskriminierung und Zurück Wenn es gesellschaftlich völlig akzep- setzung betroffen. Wir brauchen e inen tiert ist, dass Männer und Frauen ihr Feminismus, der die Rechte sowie die Leben nach ihren Wünschen gestal- politische und soziale Gleichstellung ten, dann ist Gleichstellung erreicht! aller Menschen im Blick hat – egal woher sie kommen, welchen Beruf sie ausüben, welchen Schul- abschluss sie haben. 1919 2019
6B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Petra Hermann Marianne Menze ist Kommunikationstrainerin und Unternehmensberaterin und sitzt seit 2017 für ist Geschäftsführerin der Essener Filmkunsttheater GmbH und damit Hüterin der Essener die FDP im Rat der Stadt Essen. Sie ist Mitglied des Kreis- sowie des Bezirksvorstands Kinokultur. Mit ihrem Mann Hanns-Peter Hüster übernahm sie viele Kinoschätze wie der FDP, ist stellvertretende Landesvorsitzende des Liberalen Mittelstands NRW und die Lichtburg. Ihr Büro schmücken zahlreiche Auszeichnungen wie das Bundesverdienst stellvertretendeBundesvorsitzende des Liberalen Mittelstands Bund. In der Landschafts kreuz (2013), der Ehrenpreis der unabhängigen Filmverleiher (2017), die „Ehrenplaket versammlung Rheinland sitzt sie für die FDP als sachkundige Bürgerin in verschiedenen te“ der Stadt Essen, der „Kopf des Jahres” des Marketing Club Ruhr (2018) und viele Ausschüssen. 2015 wurde ihr die Ehrennadel der Vereinigung Liberaler Kommunalpoli andere. Ihre Leidenschaft für das Kino prägt das Image von Essen deutschlandweit. tiker (VLK) für ihr jahrlanges, ehrenamtliches Engagement in verschiedenen liberalen Gruppierungen verliehen. Ich bewege mich in erster Linie in unserer Branche. Von einer Ungleichbehandlung kann ich da nicht reden, außer vielleicht bei dem ein oder anderen Macho-Mann, der Wir haben schon viel erreicht bei der Gleichberechtigung der Frauen, aber es gibt auch meinte demonstrieren zu müssen, dass es Frauen weniger draufhaben. noch viel zu tun. Die Zahl der weiblichen Führungskräfte in Unternehmen, Verwaltung und Wissenschaft ist nicht zufriedenstellend. Frauen sind unterrepräsentiert in den Parla Bei den Filmpremieren, die wir vor zehn Jahren hier hatten, lag der Männeranteil menten von Kommunen, Bund und Ländern. Deshalb bieten die FreienDemokraten im unter den Regisseuren bei etwa 95 Prozent. Das hat sich inzwischen zugunsten der Frauen Empowerment-Programm Support und Networking für politisch e ngagierte Frauen an, um verschoben. den Einstieg in die Führungsebenen der P olitik zu begleiten. In der Filmproduktion gibt es immer mehr Frauen. Die Regisseurinnen haben z. B. Feminismus sollte aufklären und diejenigen Denkmuster abbauen, die vor allem zur gefordert, bei den Filmförderungen eine Quote einzuführen. Das finde ich gut. Diskriminierung aufgrund von Geschlechterzughörigkeit führen. Wir müssen nach wie vor veraltete Rollenbilder überwinden und das beginnt schon im Kindergarten. Die Filmbranche besteht aus Filmverleihern und Kinobetreibern. Bei den großen Verleihern, die überwiegend US-amerikanische Mutterkonzerne haben, sitzen eigentlich Es geht darum, Mädchen wie Jungen eine freie Berufswahl zu ermöglichen, auch nur Männer auf den Spitzenpositionen. Bei den kleineren Verleihern sind es schon mehr eine Entscheidungsfreiheit darüber, ob und wie lange er oder sie die Berufslaufbahn für Frauen. Und bei den Kinos gab es vor der Multiplex-Zeit viele Betreiberinnen, so wie in der die Kindererziehung unterbricht oder die Arbeitszeit dafür reduziert. D afür müssen wir Lichtburg ja auch. Rahmenbedingungen schaffen. Denn gerade in Zeiten steigenden Fachkräftemangels können wir es uns nicht leisten, auf gut ausgebildete Frauen und Männer zu verzichten. Männer machen viele Geschäfte am Stehtisch, in Kneipen und an Orten, wo Frauen nicht mit hingehen. Das funktioniert bei Frauen so nicht. „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – sie bekommen nichts.“ So die französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir. In den Köpfen muss etwas passieren, weil ich glaube, dass bestimmte Frauen, die geeignet wären, nicht genommen werden, eben weil sie Frauen sind oder es ihnen schwerer gemacht wird. Ich glaube allerdings nicht, dass man das gesetzlich regeln kann. Die Stadt Essen hat in den letzten Jahren sehr viel für Chancengleichheit getan. Es gibt die Vereinbarung zur „Förderung der Chancengleichheit“ im Konzern Stadt Essensowie einen detaillierten Frauenförderplan, Fortbildungsangebote sowie ein um- fangreiches Beratungsangebot bei der Gleichstellungsstelle der Stadt Essen. 1919 2019
7A 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Jutta Kruft-Lohrengel Dagmar Rode übernahm 1990 als Diplom-Kauffrau zusammen mit ihrem Mann Karsten Lohrengel ist Pharmazeutisch-technische-Assistentin (PTA) und seit Februar 2018 Ratsfrau der das elterliche Autohaus Kruft in Oberhausen, das sie bis heute als Geschäftsführerin Fraktion des ESSENER BÜRGER BÜNDNIS (EBB) im Rat der Stadt Essen. Seit 2014 leitet. Sie ist u. a. ehrenamtliche Handelsrichterin, Mitglied im Hochschulrat der Univer ist sie p olitisch engagiert und seitdem auch als Mitglied im Kulturausschuss der Stadt sität Duisburg-Essen und eine von drei Frauen im 21-köpfigen Vorstand des Deutschen Essen aktiv. Sie ist u. a. beratendes Aufsichtsratsmitglied der Theater und Philharmonie Industrie- und Handelskammertags (DIHK) mit Sitz in Berlin. 2008 wurde Jutta Kruft- Essen / TUP. Lohrengel Vizepräsidentin der IHK zu Essen und 2013 deren Präsidentin. Sie war die erste Frau auf diesem Posten in der damals 173-jährigen Geschichte der Essener IHK. In der Politik, der Wirtschaft und im öffentlichen Leben sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Dies gilt trotz vergleichbarer Ausbildung insbesondere für berufliche Führungspositionen. Gesellschaftliche Veränderung braucht Vorbilder. So versuche ich als IHK-Präsidentin und Role Model Frauen Mut zu machen, sich in der Wirtschaft ehrenamtlich zu engagieren, Das ESSENER BÜRGER BÜNDNIS (EBB) wird seit vielen Jahren von einer Vor auch in exponierten Positionen. Ebenso ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – längst sitzenden geführt. Die nachfolgenden Positionen und die Zusammensetzung der Mitglieder kein reines Frauenthema mehr – ein wichtiges Anliegen für mich. Als Unternehmerin fördere sind allerdings noch weit von einer wünschenswerten Gleichstellung der Frau entfernt. Ich ich die Gleichwertigkeit beider Geschlechter hinsichtlich Ausbildung, Weiterbildung, Über hoffe, mein Engagement in der Politik macht anderen Frauen Mut, einen vergleichbaren tragung von Verantwortung und Entlohnung. Schritt zu tun. Um das Potenzial für Frauen in Führungspositionen zu erkennen und zu aktivieren, Der Anteil der Frauen im Rat der Stadt Essen liegt mit rund 33 Prozent über der ist die Schaffung von paritätisch besetzten Managementteams wichtig. Wir haben z. B. in Frauenquote im deutschen Bundestag (ca. 31 Prozent). Im Vergleich dazu beträgt der unserer IHK mit dem Forum „Chefsache Führungskultur“ eine Veranstaltungsreihe be Anteil der weiblichen Bevölkerung in Essen in etwa 51 Prozent und der der männlichen gonnen, die sich diesem Schwerpunkt widmet. Eine zentrale Botschaft lautet: Z ukünftig Einwohner knapp unter 49 Prozent. Es verbleibt also für die Ratsmitglieder ausreichender kommen erfolgreiche Unternehmen an einer auf Parität und Diversität ausgerichteten Spielraum, um die Gleichstellung der Frau im Rat durch eine Erhöhung der Frauenquote Personalpolitik nicht mehr vorbei. umzusetzen! Wenn Frauen mit Mut und Zuversicht ihre Leistungen selbstbewusst präsentieren, ihre Im Idealfall ist die Gleichstellung der Geschlechter erreicht, wenn es unter vergleich- Meinung kompetent äußern und vertreten und ihre Aufgaben mit großer Selbstverständlich- baren Voraussetzungen (Ausbildung, Fähigkeiten und Eignung) so gut wie keine Benach- keit bewältigen, trägt dies enorm zur Gleichwertigkeit bei. Wir Frauen dürfen nicht darauf teiligungen im Hinblick auf die gesellschaftliche, politische und ökonomische Gleichheit warten, dass die Veränderung zu uns kommt – wir müssen sie selbst gestalten. Wenn Sie das zwischen den Geschlechtern mehr gibt. Feminismus nennen, dann brauchen wir ihn. Wenn Teilzeitarbeit gleich verteilt und Altersarmut nicht mehr weiblich ist, wenn bei den Ausbildungsberufen nicht mehr zwischen typisch weiblich/ typisch männlich unterschieden wird und keine Einkommensunterschiede bei gleicher Art der beruflichen Tätigkeit vorhanden sind, wenn es eine g rößere Teilhabe von Frauen in der Politik gibt und mehr Regierungschefinnen auf der Welt – dann ist Gleichstellung erreicht. Im Sinne einer gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Gleichheit der Geschlechter bleibt insbesondere unter ökonomischen Gesichtspunk- ten noch viel zu tun. 1919 2019
7B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Hiltrud Schmutzler- Johanna Ziemes Jäger hat einen Master in Psychologie und ist systemische Beraterin. Aktuell ist sie als wis senschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Bildungswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen beschäftigt und schließt demnächst ihre Promotion ab. Die Queer ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin und bei der NRW Regionalagentur MEO beschäftigt. feministin ist seit 2016 Teil des Projekts „Feminismus im Pott“, das 2014 von einem Sie gehörte Anfang der 1990er Jahre zu den Mitbegründerinnen der 1. internationalen Blogger*innenkolletiv ins L eben gerufen wurde, um „die verschiedenen feministischen Steeler Frauengruppe und schloss sich bald der Grünen Frauengruppe an, um sich auch Stimmen im Ruhrgebiet zu sammeln.“ Auf Facebook hat es ca. 11.000 Follower*innen, dort frauenpolitisch zu engagieren. 1999 wurde sie für Bündnis 90/Die GRÜNEN in auf Instagram über 8.000. den Rat der Stadt Essen gewählt, deren Fraktionsvorsitzende sie seit 2003 ist. Sie sitzt in mehreren Ausschüssen, in einigen Aufsichtsräten und ist im Kultur- und Sportausschuss des Ruhrparlaments des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Wir Frauen arbeiten uns vor, von einer juristischen Gleichberechtigung hin zu einer sozio-kulturellen Chancengleichheit. Parteipolitisch aktiv bin ich zum Ende meines Studiums geworden, nachdem m eine Frauen werden seltener ernst genommen für die Dinge, die sie tun. Ihnen wird oft Tochter geboren wurde. Da habe ich gemerkt, dass ich mich nicht nur zunehmend mit den weniger zugetraut. klassischen Rollenklischees als studierende Frau und Mutter, sondern auch mit m einen Kommilitonen auseinandersetzen musste, die häufig versucht haben, die Meinungs Für eine Gleichberechtigung ist die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen w ichtig. bildungshoheit in den politischen Diskussionen zu übernehmen. Um die männliche Dominanz zu durchbrechen, müssen mehr Frauen in A ufsichtsräten und Politik über die Quote vertreten sein. Bis heute gibt es – auch in der Kommunalpolitik – noch viel zu tun, um mehr Frauen in die Kommunalparlamente sowie in die Führungsebenen von Verwaltung und städtischen Als Frau im akademischen Bereich werde ich häufiger unterbrochen, weil sich Männer Tochtergesellschaften zu bringen und auch für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit Sorge zu tragen. mehr in den Vordergrund drängen. Deshalb ist für mich auch heute noch die Frauenquote ein richtiges und wichtiges Politikerinnen müssen immer wieder beweisen, dass sie keine Abweichungsachse, I nstrument, um den Anteil an Frauen in der Politik und in Führungspositionen zu erhöhen. sondern eine kompetente Einzelperson sind, was bei heterosexuellen cis M ännern eher Denn ich möchte, dass wir nicht noch einmal 100 Jahre warten müssen, bis die Gleichberechti- anerkannt wird. gung von Frauen und Männern endlich selbstverständlich ist. Insgesamt brauchen wir viel mehr Solidarität. Wir GRÜNE haben eine Frauenquote für die Listenaufstellung der Frauen und Männer eingeführt, die für den Rat der Stadt kandidieren. Auch in unseren Mitgliederversammlungen und Fraktionssitzungen praktizieren wir seit langem eine quotierte Rednerliste (Frau-Mann, Frau-Mann), durch die sich eine andere bzw. ausgewogenere Diskussionskultur entwickeln Es könnte viel mehr von den Männern kommen, weil Feminismus ein konnte. großartiges Potenzial für alle Menschen hat. Die Frage ist immer: V erliere ich irgendetwas? Wenn die Männer von der Vorstellung wegkommen, In der Kommunalpolitik und den verschiedensten Gremien, Aufsichtsräten und in der Handlungsprivilegien zu verlieren, gewinnen sie neue Handlungsmög- Verwaltung stoße ich immer wieder auf „verbale Aufgeschlossenheit bei nachhaltiger Verhal- lichkeiten und -freiheiten. Die Abkehr von der toxischen Männlichkeit tensstarre“. Dieses Zitat der Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim spiegelt bis heute meine kann nur ein Gewinn sein. Alltagserfahrungen wider, dass wir verbal mittlerweile alles gendern, aber die alten Rollen- und Verhaltensmuster sich trotzdem hartnäckig halten. Wichtig ist es, starke Akteurinnen in der Stadt miteinander zu vernetzen. Männer tun es ja auch, sie sind sehr gut vernetzt und unterstützen sich gegen- seitig. Lasst uns endlich durchstarten! 1919 2019
8A 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Hayriye Gedikoğlu Julia Jankovic arbeitet im Babybesuchsdienst der Stadt Essen. Seit 2015 ist sie ehrenamtlich als ist seit 2014 Ratsfrau und Referentin für Europa und Internationales der SPD-Landtags Projektkoordinatorin und Ansprechpartnerin für das FrauenTeamWerk in Essen aktiv. fraktion in Nordrhein-Westfalen. Sie ist seit 2016 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Das 2009 von Frauen aus Essener Migrantenorganisationen und Initiativen gegründete sozialdemokratischer Frauen in Essen, der es u. a. um die Umsetzung der Interessen Netzwerk organisiert Treffen, Schulungen, Wochenendseminare und Exkursionen für und Forderungen von Frauen geht. Julia Jankovic ist Initiatorin des ersten Frauen interessierte und engagierte Frauen. Das FrauenTeamWerk ist an den Essener Verbund förderkonzepts und der ersten Frauenförderungsreihe der SPD Essen. der Immigrantenvereine e. V. angebunden und wird von den Integrationsagenturen der Wohlfahrtsverbände in Essen und der Stadt Essen – Fachbereich Interkulturelle Orientierung / Kommunales Integrationszentrum mitgetragen. Ungleichheit habe ich schon in der Kindheit erfahren. Auf die Frage, warum ich etwas nicht durfte, war die Antwort oft: „weil du ein Mädchen bist.“ Mit einem ausländischen Namen ist es nicht immer einfach zu unterscheiden, ob eine Es waren SPD-Frauen, die die Meilensteine der Gleichstellungspolitik in Deutschland enachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt oder aufgrund der Herkunft. So interessierte B erkämpft haben! Die SPD hat erreicht, dass die Lebensgeschichte von Frauen nicht nur ich mich nach der Schule für eine Ausbildung als Bankkauffrau. Meine Bewerbung wurde darin besteht, Kinder zu gebären und am Herd zu stehen. Ich wünsche mir, dass sich mehr mit der Begründung abgelehnt, dass man nicht für die Türkei Frauen a usbilden wolle. D iese Frauen daran erinnern, sie Mut und Inspiration finden, die Rechte der Frauen auch weiter- Erfahrung verdeutlicht, dass für Frauen mit Migrationshintergrund zu der bestehenden hin zu verteidigen. Geschlechterdiskriminierung eine spezifische Ungleichbehandlung e rschwerend hinzukommt. Gleichberechtigung muss endlich in den Köpfen ankommen und Gleichstellung durch Frauen mit Migrationshintergrund haben eine schwierigere Startposition bei der bessere Rahmenbedingungen gelebt werden. Essen kann seinen Beitrag familienpolitisch Arbeitssuche. Besonders bei einem sichtbaren Migrationshintergrund erfahren Frauen leisten, indem der Slogan „Großstadt für Kinder“ gelebt und Eltern entlastet werden. Ins- häufiger Diskriminierung. besondere Alleinerziehende müssen stärker unterstützt werden. Auch örtliche Arbeitgeber müssen Verantwortung übernehmen. Das Motto vom FrauenTeamWerk lautet „Bildung und Qualifizierung für Frauen aus allen Herkunftsländern sowie deren Vernetzung“. Bildung steht dabei für die Entwicklung der Laut aktuellem Gender Gap Report würde es – gingen es in dem bisherigen T empo eigenen Persönlichkeit, für die Sicherung von Demokratie, für die Förderung des friedlichen weiter – noch 108 Jahre dauern, bis Frauen und Männer weltweit gleiche ökonomische Zusammenlebens und für die Toleranz kultureller Vielfalt. Zu diesem Zweck führen wir Voraussetzungen hätten, Gleichstellung also Wirklichkeit wäre. Das ist schon bitter. Gleich- Seminare und Veranstaltungen durch. Die Qualifizierungen bieten den Teilnehmerinnen die stellung ist erst erreicht, wenn alle Mädchen auf dieser Welt geschützt aufwachsen, ohne sich Möglichkeit, ihre durch ehrenamtliche Tätigkeiten erworbenen Kompetenzen zu e rweitern, minderwertig zu fühlen, wenn Frauen und Männer gleichermaßen Spitzenpositionen besetzen ihre Potenziale zu stärken und ihre Arbeit in der Öffentlichkeit zu präsentieren. und das Wort „Quotenfrau“ als Schimpfwort aus unserem Wortschatz verschwunden ist. Wir Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung und haben ein Recht auf „die Hälfte des Kuchens“. Mein Appell: Lasst uns sachlich an der Frage arbeiten, wie wir diesen aufteilen können, und nicht ständig das ob infrage stellen. Ich wünsche mir mehr Frauen, die sich nicht mit dem persönlich Erreichten bequemen, und mehr Männer, die sich trauen, aus stereotypen Lebensverhältnissen auszubrechen und an der Seite der Frauen zu kämpfen. Gleichberechtigung bringt für Männer und Frauen gleichermaßen Vorteile. Eine hundertprozentige Gleichstellung scheint auf absehbare Zeit nicht erreichbar. Daher ist weiterhin großes Engagement erforderlich, um das Erreichte zu erhalten und in kleinen Schritten weiterauszubauen. 1919 2019
8B 1 0 0 J A H R E F R AU E N WA H L R E C H T Corinna Gerleve ist Unternehmensberaterin bei McKinsey, wo sie derzeit für eine Promotion im Bereich Wirtschaftswissenschaften an der TU Dortmund freigestellt ist. Für das Programm „Tandem“ der Ehrenamtsagentur Essen ist sie seit 2018 Mentorin einer Schülerin, um die junge Frau in ihren Ideen und Talenten zu bestärken. Als einen „Schritt hin zur Gleichberechtigung“ versteht sie auch ihr Engagement in einer Grundschule im Essener Norden, wo sie Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund Sprachunterricht erteilt. Ich habe Ungleichheit bisher eher selten erlebt. Zu einem Beratungsprojekt bin ich als inzige im Team geflogen, weswegen mich der Chef „Stewardess Corinna“ nannte. Warum E hat er sich dieses Klischeebildes bedient? Er hätte schließlich auch „Pilotin C orinna“ zu mir sagen können. Ich habe es nie so empfunden, dass mir Steine in meinen Weg gelegt wurden. Auch bei den Mädchen und jungen Frauen, die ich durch mein Ehrenamt kennenlerne, freut es mich ungemein zu sehen, welche ambitionierten Träume sie verfolgen und z. B. Ärztin oder Richte- rin werden wollen, was früher eher männerdominierte Berufsfelder waren. Es sollte neben den Glauben an Gleichheit das Einsetzen für Gleichheit treten – also eine aktivere Haltung. Viele Firmen achten zum Beispiel bereits darauf, dass auch Männer in Elternzeit gehen können. Tatsächlich scheint es aber gesellschaftlich noch nicht so akzeptiert, wenn der Mann dann zu Hause bleibt. Dafür müssen wir uns weiter einsetzen, nicht nur damit Mütter weiterarbeiten können, wenn sie wollen, sondern auch damit Väter die freie Wahl haben und nicht das Rollenbild des Geld verdienenden Mannes bedienen müssen. Gleichstellung ist erreicht, wenn das Thema nicht mehr diskutiert wird, sondern selbstverständlich ist. Frühere Frauengenerationen haben für die Gleichberechtigung w egweisende Frauenrechte erkämpft. Im Vergleich dazu macht meine Generation eher kleinere, aber nicht weniger wichtige Schritte. Denn es geht darum, diese Rechte einzufordern und in der Gesellschaft zu verankern – ob gleiche Be- zahlung, Vereinbarkeit von Job und Familie oder die Bestimmung über den eigenen Körper. Hier gibt es viele unterschwellig vorhandene Vorurteile in der Gesellschaft, was Mann oder Frau „darf “ oder „soll“, und dagegen können wir noch ambitionierter vorgehen. Impressum Eine Ausstellung der Gleichstellungsstelle der Stadt Essen Projektkoordination: Brigitte Liesner und Christiane Volkmer, Gleichstellungsstelle der Stadt Essen Projektkonzeption, Recherche und Texte: abeck ¦ büro für geschichtskommunikation, Essen Fotos: Anders fotografiert, Essen Gestaltung: RAFFELT DESIGN, Dortmund Dank an Oberbürgermeister Thomas Kufen und Amt für Ratsangelegenheiten und Repräsentation, Dr. Thomas Dupke / Fotoarchiv Ruhr Museum, Elke Fonger / Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros/Gleichstellungsstellen NRW, Birgit Hartings / Archiv Ernst Schmidt, Cordula Holtermann / Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv, Dr. Uri R. Kaufmann / Alte Synagoge Essen – Haus jüdischer Kultur, Thomas Morlang / Fotoarchiv Ruhr Museum / Steeler Archiv e. V. Dank an Hayriye Gedikoğlu, Corinna Gerleve, Gabriele Giesecke, Petra Hermann, Julia Jankovic, Jutta Kruft-Lohrengel, Marianne Menze, Christiane Moos, Dagmar Rode, Hiltrud Schmutzler-Jäger, Johanna Ziemes Weitere Informationen: www.frauenportal.essen.de | www.essen.de 1919 2019
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