Wirtschaftsbericht 2019/20 - Formular CH@WORLD: A754 - Switzerland Global Enterprise
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Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Staatssekretariat für Wirtschaft SECO Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen Formular CH@WORLD: A754 Représentation suisse à: Buenos Aires Pays: Argentine Date de la dernière mise à jour: 07.06.2020 Wirtschaftsbericht 2019/20 Zusammenfassung − Executive Summary Alberto Fernández ist noch nicht ganz ein halbes Jahr im Amt und hat, entgegen den Erwartungen, seine Position stark konsolidiert. Anfangs 2020 sorgte seine pragmatische und vermeintlich kooperative Vorgehensweise für Hoffnung. Er war im Januar 2020 noch auf Europareise, um sich mit verschiedenen Regierungschefs zu treffen und Argentiniens Weg in den Schuldverhandlungen zu ebnen. Seit jedoch das Coronavirus auch in Argentinien angekommen ist, weht ein ganz anderer Wind. Das Land befindet sich schon seit dem 20. März in strikter Quarantäne. Die täglichen Fälle waren über längere Zeit konstant tief, doch seit das Virus auch die Armenviertel erreicht hat, steigen die Zahlen stark an. Alberto Fernández wird trotzdem als Übervater und grosser Retter angesehen, die Opposition ist von der Bildfläche verschwunden. Der Präsident hat zwar im Moment die volle Unterstützung der Bevölkerung, bei der Bekämpfung der Pandemie wird allerdings die Wirtschaft komplett ignoriert. Zudem setzt die peronistische Regierung im Windschatten des Coronavirus ihre eigene Agenda durch: Mit verstärktem Staatsinterventionismus, Nationalismus und Protektionismus zeigt sie klar, wo ihre wirtschaftspolitischen Überzeugungen liegen. Die teilweise Rückkehr des Kirchnerismus in die Casa Rosada ist dem schlechten wirtschaftlichen Leistungsausweis Präsident Macris geschuldet. Argentinien geht es heute schlechter als nach dem Regierungswechsel 2015. Die Wirtschaft ist in diesem Zeitraum geschrumpft, die Preise haben sich vervielfacht und der Peso hat stark an Wert verloren. Seit 2018 befindet sich Argentinien in einer anhaltenden Rezession und erhielt vom IMF ein Rettungspaket im Wert von 57 Milliarden Dollar. Finanzminister Martín Guzmán ist seit Beginn 2020 in Kontakt mit dem IMF, zudem arbeitet er an der Umstrukturierung der Schulden. Der COVID-19 machte den Argentiniern einen Strich durch die Rechnung. Die Wirtschaft ist stark eingebrochen, während die Staatsausgaben ungebremst steigen (im April beliefen sich die Hilfsmassnahmen auf etwa 3 Prozent des BIP). Im gleichen Monat präsentierte Argentinien seinen Gläubigern eine Offerte zur Umstrukturierung der Schulden und verweigerte gleichzeitig die fälligen Zinszahlungen. Die Fristen, um die Offerte anzunehmen und die Zinsen zurückzuzahlen, sind bereits abgelaufen. Bisher hat es zwischen Schuldner und Gläubigern noch keine Übereinkunft gegeben, und Argentinien befindet sich in einem technischen Default. Die Regierung und vor allem die Unternehmer im Lande wollen einen Staatsbankrott jedoch möglichst vermeiden und sind weiterhin gewillt, mit den Gläubigern zu verhandeln und die Offerte zu verbessern. Die wirtschaftliche Zukunft Argentiniens ist sehr ungewiss. In Zeiten, in denen die internationale Kooperation sehr wichtig wäre, wird das Land protektionistischer und schneidet sich damit ins eigene Fleisch. Die Regierung hat nebst all den interventionistischen Massnahmen verkündet, dass es sich aus verschiedenen Verhandlungen des Mercosur für Freihandelsabkommen zurückziehe. An den
bereits abgeschlossenen Vertragsverhandlungen mit EU und EFTA will Argentinien jedoch festhalten. Mit diesem Meinungsumschwung gegen vertiefte ausserregionale Wirtschaftsintegration stösst Argentinien bei seinen Partnern auf Unverständnis. Viele der Massnahmen und Entscheide, die bisher während der COVID-19 Krise getroffen wurden, blenden nachteilige langfristige Konsequenzen aus. Die Wirtschaft wird nicht nur wegen des Coronavirus, sondern vor allem auch wegen vermehrter Staatseingriffe und Protektionismus leiden. Für 2020 wird ein Rückgang des BIP von gegen 10 Prozent erwartet. Argentiniens Wirtschaft wird längere Zeit brauchen, um sich von den aktuellen Verwerfungen zu erholen und wieder Tritt zu fassen. Die bereits angeschlagene argentinische Wirtschaft wird durch die COVID-19 Krise noch schwerwiegender als erwartet in Mitleidenschaft gezogen werden. Die anhaltende Rezession und der Wechselkurszerfall des argentinischen Pesos hat die Importnachfrage nachhaltig verringert, während die von der Regierung auferlegten drastischen COVID-19 Quarantäne-Massnahmen den Rückgang der Inlandsnachfrage markant verschärfen. Die Pandemie könnte Argentiniens Staatshaushalt komplett aus dem Lot bringen, das Defizit wird über die Notenpresse finanziert, was die Währung untergräbt und mittelfristig enormes Inflationspotenzial birgt. Bleiben die Umschuldungsbemühungen mit den Gläubigern erfolglos und gerät Argentinien formell in den Default, ist mit ernsten finanziellen Turbulenzen zu rechnen. Externe Finanzierungsquellen werden auch für den Privatsektor des Landes versiegen. 2/20
Inhaltsverzeichnis 1 Wirtschaftliche Probleme und Herausforderungen ................................................. 4 2 Internationale und regionale Wirtschaftsabkommen .............................................. 7 2.1 Politik, Prioritäten des Landes ...................................................................................... 7 2.2 Aussichten für die Schweiz (Diskriminierungspotenzial) ............................................... 8 3 Aussenhandel ............................................................................................................ 9 3.1 Entwicklung und allgemeine Aussichten ...................................................................... 9 3.1.1 Warenhandel ........................................................................................................... 9 3.1.2 Dienstleistungshandel ........................................................................................... 10 3.2 Bilateraler Handel ...................................................................................................... 10 3.2.1 Warenhandel ......................................................................................................... 10 3.2.2 Dienstleistungshandel ........................................................................................... 11 4 Direktinvestitionen................................................................................................... 11 4.1 Entwicklung und allgemeine Aussichten .................................................................... 11 4.2 Bilaterale Investitionen ............................................................................................... 12 5 Handels-, Wirtschafts- und Tourismusförderung, «Landeswerbung» ................. 12 5.1 Instrumente der Aussenwirtschaftsförderung ............................................................. 12 5.2 Interesse des Aufenthaltslands für die Schweiz ......................................................... 13 5.2.1 Tourismus, Bildung, andere Dienstleistungen........................................................ 13 5.2.2 Investitionen .......................................................................................................... 14 5.2.3 Finanzplatz Schweiz.............................................................................................. 14 Anhang ............................................................................................................................... 16 3/20
1 Wirtschaftliche Probleme und Herausforderungen Hinweis: Der vorliegende Wirtschaftsbericht muss vor dem Hintergrund der aktuell äusserst volatilen politischen und wirtschaftlichen Situation Argentiniens und der Pandemie COVID-19 mit Vorsicht betrachtet werden. Es ist momentan sehr schwierig, fundierte Prognosen über die Zukunft des Landes zu formulieren. Mit anderen Worten, was heute gilt, kann morgen bereits ganz anders sein. Makroökonomische Situation: Die argentinische Wirtschaft befindet sich seit 2018 in einer anhaltenden Rezessionsphase (bis zu -7 Prozent sind für 2020 erwartet), deren Ausgang schwierig abzuschätzen ist. Generell weist Argentinien momentan, sowie auch in historischer Perspektive gesehen, ein ausgeprägtes makroökonomisches Ungleichgewicht auf. Dies zeichnet sich durch eine hohe Inflation, eine kontinuierliche Abwertung des Pesos und eine negative Leistungsbilanz aus, was eine ganze Serie von weiteren Problemen für die Volkswirtschaft mit sich bringt. Im Dezember 2019 hat die neue Regierung unter Alberto Fernández ihr Amt angetreten, bis heute ist jedoch kein makroökonomischer Plan in Sicht. Die Regierung scheint sich eher mit ad-hoc Massnahmen über Wasser zu halten, ohne dabei langfristige Konsequenzen zu berücksichtigen. Seit den Präsidentschaftsvorwahlen Mitte August 2019 gingen die internationalen Finanzmärkte mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent von einem erneuten Default Argentiniens über die nächsten fünf Jahre aus. Anfangs 2020 hat die Regierung noch eifrig versucht, mit seinen Gläubigern in den Schuldverhandlungen auf einen grünen Zweig zu kommen. Allerdings haben sich die wirtschaftlichen Prognosen durch den Coronavirus dramatisch verschlechtert und daher musste sich die Regierung schon im April 2020 eingestehen, dass Argentinien seinen fälligen Zahlungen nicht nachkommen kann. Argentinien befindet sich nun in einem technischen Default, ist aber weiterhin gewillt mit den Gläubigern zu verhandeln. Neben dem drohenden Staatsbankrott hat das Land zudem mit dem Coronavirus zu kämpfen. Die COVID-19 Krise wird einseitig aus gesundheitspolitischer Sicht angegangen. Der wirtschaftliche Aspekt wird wissentlich ausgeblendet und der Präsident, nimmt einen permanenten Anstieg der Armut und Arbeitslosigkeit bewusst in Kauf (bis Ende 2020 wird eine Armutsrate von etwa 50 Prozent erwartet). Hohe Inflation: Für 2020 wird im Augenblick eine Inflation von etwa 45 Prozent prognostiziert, was weit über dem Niveau von 20-24 Prozent liegt, das in Argentinien als «normal» betrachtet wird. Anfang 2020 wurde ein Rückgang der Inflation dank Tarifkontrollen erwartet, allerdings hat man damals noch ohne die COVID- 19 Krise gerechnet. Bei einer solch hohen jährlichen Inflationsrate treten im argentinischen Kontext gefährliche Störungen der Wirtschaft auf. Neben den üblichen volkswirtschaftlichen Folgen, wie die rezessive Wirkung durch das Abschrecken internationaler Investoren, führt dies insbesondere in Argentinien zu einer ausgeprägten Kapitalflucht ins Ausland (hauptsächlich in USD), die sich wiederum negativ auf die Zahlungsbilanz und den Peso auswirkt. Um die Inflation unter Kontrolle zu bringen, hatte die argentinische Zentralbank im September 2018 einen Paradigmenwechsel in ihrer Geldpolitik vollzogen und die monetäre Basis bis Juni 2019 eingefroren. Der Preis dafür ist, dass die Zinsen der Zentralbank (Monetary Policy Rate) nun durch den Markt bestimmt werden, und die Zinsen der Schatzscheine (Leliqs) über längere Zeit mehr als 60 Prozent betrugen und erst vor kurzem auf 38 Prozent reduziert wurden. Vor dem Hintergrund des virtuellen wirtschaftlichen Stillstandes hat die Zentralbank in den vergangenen Wochen die Gelegenheit benützt und war in der Lage, die Leitzinsen offensiv auf unter 40 Prozent zu senken. Seit Beginn der landesweiten Quarantäne im März 2020 befinden sich zudem das Länderrisiko und der inoffizielle Dollarwechselkurs auf Höhenflügen. Ein Grund dafür könnte die Ausweitung der Geldmenge sein, um die exzessiven sozialen Ausgaben zu finanzieren. Eine Hyperinflation ist kurzfristig jedoch trotzdem unwahrscheinlich, denn viele Preise und Tarife sind staatlich fixiert, Kapitalkontrollen manipulieren künstlich die Nachfrage des Pesos und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist aufgrund der aktuellen Pandemie sehr eingeschränkt. Aus heutiger Perspektive scheint es kardinal, dass die Fiskalpolitik bald Signale liefert, dass der mittels Notenpresse finanzierte Defizit-Anstieg vorübergehend ist. Derzeit wagt niemand Prognosen über die reellen Inflationsaussichten und wie die ohne realwirtschaftlich Basis massive Ausweitung der Geldmenge verdaut werden soll. Denn wie das Amen in der Kirche, wird dieser Umstand früher als 4/20
später einen Abwertungsdruck auf Landeswährung ausüben, die anhaltende Einfrierung der Versorgungs-und Transporttarife untragbar und Lohnvereinbarungen obsolet machen. Haushaltsdefizit: Das Haushaltsdefizit hat u.a. neben der negativen Leistungsbilanz dazu geführt, dass der argentinische Peso sehr empfindlich auf die Entwicklungen auf den globalen Finanzmärkten reagierte. So kam es 2018, als die Erstarkung des US-Dollars und die Leitzinserhöhung durch die US-Notenbank die Währungen der emerging markets unter Druck setzten, zu einer Abwertung des Pesos um ca. 50 Prozent innert Jahresfrist. Im August 2019 verlor der Peso an einem einzigen Tag, als Reaktion auf das überraschende Resultat der Präsidentschaftsvorwahlen, mehr als 30 Prozent. Diese massive Abwertung erzeugte nicht nur inflationären Druck, sondern wirkte sich auch ungünstig auf die Schuldenlast aus, da 80 Prozent der argentinischen Schulden auf ausländische Währungen lauten. Als Kernelement sah das revidierte Abkommen mit dem IMF vor, das primäre Haushaltsdefizit bereits 2019 zu eliminieren. Das Haushaltsdefizit 2019 wurde im Vergleich zu den -3.74 Prozent des BIP im Vorjahr, auf – 0.44 Prozent stark reduziert. Im ersten Halbjahr 2019 zeigte sich Präsident Macri äusserst gewillt, das mit dem IMF vereinbarte Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushaltes vor allem durch Sparmassnahmen zu erreichen. Nach der Wahlschlappe bei den Präsidentschaftsvorwahlen präsentierte er aber Steuererleichterungen für Arbeitnehmer und KMUs, um die finanzielle Not der Bevölkerung zu lindern und die Wirtschaft zu stabilisieren. Schon damals kristallisierte sich heraus, dass Argentinien das Abkommen mit dem IMF nicht mehr einhalten kann. Weiter belastet die Zinslast der hohen Verschuldung das effektive Haushaltsbudget schwer: Die argentinische Regierung budgetierte für das Jahr 2019 ARS 748 Milliarden für die Tilgung von Schuldzinszahlungen, was ca. 17.5 Prozent des gesamten Budgets entspricht. Gemäss Berechnungen des argentinischen Finanzministeriums und Schätzungen der Weltbank waren Argentiniens Finanzierungsbedürfnisse (auf nationalem Niveau) für 2019 gedeckt. Dies setzte voraus, dass keine Überraschungen in den Finanzbudgets (auch in den Provinzen) auftauchen würden. Unter diesen Umständen hätte das Land aber spätestens dieses Jahr wieder neue Kredite aufnehmen müssen. Argentinien hat jedoch praktisch keinen Zugang zu den internationalen Finanzmärkten, die Zahlungsfähigkeit hat sich stark verschlechtert und ein Grossteil der Schulden ist in ausländischen Währungen denominiert. Schon seit Beginn 2020 ist die Regierung in regelmässigem Kontakt mit dem IMF. Mitte April hat die argentinische Regierung unter anderem wegen der COVID-19 Krise verkündet, dass es die fälligen Zinszahlungen von USD 503 Millionen nicht zahlen werde. Gleichzeitig wurde den Gläubigern eine Offerte unterbreitet, die eine Schonfrist von drei Jahren beinhaltet, eine Reduktion der Zinsen von 62 Prozent und einen Haircut des Kapitals von 5.4 Prozent. Die Gläubiger hatten bis zum 22. Mai Zeit, diese Offerte anzunehmen, jedoch wurde diese schon wenige Tage nach der Präsentation von vielen abgelehnt. Da es bisher nicht zu einer Einigung gekommen ist, befindet sich Argentinien in einem technischen Default. Beide Parteien, Gläubiger und Schuldner, sind jedoch gewillt, weiter zu verhandeln um eine gemeinsame Lösung zu finden. Wie die weiteren Verhandlungen ausgehen, bleibt offen, ein Staatsbankrott sollte jedoch mit allen Mitteln vermieden werden. Ansonsten werden unter anderem das Länderrisiko und der Peso wieder leiden und Argentinien wäre letztendlich etwaigen Entscheidungen der US-amerikanischen und europäischen Justiz ausgesetzt, da viele Anleihe-Emissionen unter US oder teilweise europäischem Recht erfolgten. Leistungsbilanzdefizit: Die argentinische Volkswirtschaft unterliegt, vereinfacht dargestellt, seit Jahrzehnten dem gleichen Mechanismus: Bei steigenden Einkommen nimmt jeweils die Nachfrage nach importierten Gütern zu. Als Folge steigen dann die Importe bei gleichbleibenden oder abnehmenden Exporten, was zu einem Leistungsbilanzdefizit führt, und dieses bewirkt wiederum eine Abwertung der Währung und/oder Rezession. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich während der Rezession erwartungsgemäss verringert und hat sich 2019 sogar zu einem Überschuss entwickelt. Die inländische Wirtschaftskrise verbunden mit dem Wechselkurssturz hatte einen sehr starken Rückgang der Importe zur Folge, was als Nebenwirkung in einer positiven Zahlungsbilanz resultierte. Die Importe werden vermutlich auch weiterhin zurückgehen, denn seit dem Amtsantritt der neuen Regierung sind klare Tendenzen zur Abschottung erkennbar und 5/20
das Bewilligungssystem für Importe wurde komplexer gestaltet. Argentinien ist allerdings aufgrund der COVID-19 Krise und weltweiten tiefen Soja- und Ölpreisen auch mit Exportschwierigkeiten konfrontiert. Die strukturellen, zugrundeliegenden Probleme sind dementsprechend noch nicht behoben, die bei einem erneuten Aufschwung wieder zu einem wachsenden Defizit führen könnten. Die vorherige Regierung Macri war bestrebt, die argentinische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu gestalten (WEF Global Competitiveness Report: Rang 83 von 140 Ländern) und die Exporte anzukurbeln. Zu diesem Zwecke sollte kräftig in die Verbesserung der Infrastruktur investiert werden, und ein PPP-Investitionsprogramm (Public Private Partnership) wurde aufgegleist. Die internationale Finanzierung dieses PPP-Programms gestaltete sich allerdings als schwierig, da die teilnehmenden Unternehmen in Korruptionsverfahren verwickelt waren, und US-amerikanische Gesetze Investitionen in Entitäten, die im Zusammenhang mit Korruption stehen, strikt untersagen. Ein guter Teil dieser Ausschreibungen wurde unter Macris Regierung abgeschlossen. Das Programm war vor allem im Energiebereich erfolgreich, bei der Infrastruktur und im Gesundheitswesen stockte es jedoch, da auch die Wirtschaft in Schieflage geriet. Die neue Regierung verfolgt diese Initiative jedoch nicht mehr, allein schon mit dem Konzept PPP hat sie nichts am Hut. Gemäss den jüngsten Verlautbarungen des Ministeriums für das Öffentliche Bauwesen sollen gewisse bereits erteilte PPP-Konzessionen für Nationalstrassennetz-Projekte rückgängig gemacht werden. Eigenheiten der argentinischen Volkwirtschaft - Dollarkurs: Ein Auszeichnungsmerkmal der argentinischen Volkswirtschaft ist das quasi-bimonetäre System. Während der argentinische Peso das offizielle Zahlungsmittel darstellt, denkt die Mehrheit der Bevölkerung bei grösseren Beträgen in USD. Dies ist bei der hohen Inflationsrate nicht überraschend. Zudem werden überzählige Peso von der Bevölkerung häufig in USD umgewechselt und, oft unter der Matratze, auf die Seite gelegt. Ein signifikanter Anteil der Dollar-Sparbeiträge fliesst über verschiedene Kanäle auch ins Ausland ab. Zudem ist in Argentinien die informelle Wirtschaft sehr gross. Schätzungen gehen von 30 Prozent aus, doch dieser Wert dürfte eher konservativ sein. Um den Abfluss von ausländischen Währungen weiter zu limitieren, wurde gleich zu Beginn der Amtszeit der aktuellen Regierung ein neues Gesetz erlassen. Auf dem Kauf von internationalen Flugtickets oder Waren und Dienstleistungen im Ausland gibt es eine Steuer von 30 Prozent, mit der soziale Programme finanziert werden sollen. Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Argentinien: Argentinien gilt unter internationalen Unternehmern als «kein Markt für Anfänger». Die aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen fügen sich in eine bewegte Wirtschaftsgeschichte des Landes mit zahlreichen Krisen und Zahlungsausfällen (deren 8 in den letzten 200 Jahren) ein. Doch die argentinische Wirtschaft zeigte jeweils auch eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Erholung und Erneuerung mit Phasen starken Wachstums. Mancher Unternehmer und Investor wusste mit der fluiden Situation umzugehen und war und/oder ist in Argentinien erfolgreich tätig, doch einige flogen auch auf die Nase. Zweifellos ist, dass Argentinien zumindest theoretisch über ein grosses wirtschaftliches Potential verfügt und somit auch die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen langfristig gesehen vor allem auch durch ein mögliches Freihandelsabkommen an Bedeutung gewinnen könnten. Kurzfristig dürfte die argentinische Wirtschaft jedoch einen noch tieferen Taucher machen, als vor der COVID-19 Krise erwartet wurde. COVID-19 in Argentinien: Anfang März 2020 verzeichnete Argentinien seinen ersten COVID-19 Fall. Wenige Zeit später wurde eine sehr strikte, landesweite Quarantäne implementiert, die die Wirtschaft komplett lahmgelegt hat. Seither wurden einige Restriktionen wieder gelockert, doch die Panik im Lande ist gross und Argentiniens Quarantäne könnte die längste der Welt werden. Die Grenzen wurden gleich schon zu Beginn geschlossen und bis September soll es keine kommerziellen Flüge mehr geben. Um die sozialen Probleme zu bekämpfen, hat die Regierung eine Reihe an Massnahmen getroffen. Preise für Grundnahrungsmittel und Tarife wurden eingefroren und Zahlungen für Wasser, Strom, Miete etc. wurden bei Zahlungsschwierigkeiten verschoben. Auch stellt der Staat finanzielle Unterstützung für die Ärmsten bereit und einen Gehalts-Bonus für das Gesundheits- und Sicherheitspersonal. Unternehmen 6/20
können Kredite zu sehr tiefen oder gar keinen Zinsen beziehen und der Staat übernimmt Teile der Lohnzahlungen. Allerdings gibt es auch ein striktes Entlassungsverbot und es ist zu erwarten, dass viele kleine und mittlere Unternehmen diese Krise nicht überleben werden. Alle Universitäten und Schulen wurden geschlossen und bleiben dies vermutlich auch noch bis August oder September 2020. Um das Gesundheitssystem zu stärken, wurden acht Notfallkrankenhäuser gebaut und medizinisches Material (und Schnelltests) wurde in grossen Mengen aufgestockt. Die gesundheitlichen Aspekte der Bekämpfung der COVID-19 Krise werden dabei klar von der Wirtschaft separiert und priorisiert. Diese Vorgehensweise ist jedoch fragwürdig, denn bis Ende Jahr soll aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation die Armut auf 50 Prozent steigen. Die Regierung scheint aber ohne jegliche Opposition ihre Agenda durchsetzen zu können und implementiert dabei Regulierungen, die mit dem Virus begründet werden, aber nicht unbedingt etwas damit zu tun haben. Die starken Unsicherheiten durch den Coronavirus und die Schuldverhandlungen führen zu einer sehr fragilen, volatilen Wirtschaft, die am Rande des Abgrunds operiert. 2 Internationale und regionale Wirtschaftsabkommen 2.1 Politik, Prioritäten des Landes Argentinien ist Mitglied von bedeutenden internationalen Wirtschaftsorganisationen wie der Welthandelsorganisation, dem Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank, nicht aber der OECD. Die vorherige argentinische Regierung hatte ein OECD-Beitrittsgesuch gestellt und wurde von prominenten Mitgliedern wie der USA und Grossbritannien unterstützt. Unterdessen gibt die USA allerdings Brasiliens OECD-Kandidatur den Vorrang vor jener von Argentinien. Darüber hinaus ist Argentinien Mitglied der G20 und übte 2018 die Präsidentschaft dieses internationalen Zusammenschlusses erfolgreich aus. Die Teilnahme Argentiniens am Geschehen dieser internationalen Organisationen und Gremien hat sich während der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri intensiviert. Unter der neuen peronistischen Regierung wird sich dies jedoch vermutlich ändern. Die aktuelle Regierung hat sich bisher zwar noch nicht zum Beitrittsgesuch zur OECD geäussert, ein Beitritt dürfte jedoch sowieso erschwert sein. Argentinien dürfte in einigen Punkten, wie zum Beispiel die stockende Aufarbeitung der Korruptionsfälle, gegen die Grundsätze der OECD verstossen und wird daher wohl noch länger auf die Mitgliedschaft warten müssen. Aufgrund einer schweren Rezession sah sich die ehemalige argentinische Regierung 2018 gezwungen, beim IMF einen Kredit von 57 Milliarden USD aufzunehmen, um die in Schieflage geratene Wirtschaft wiederzubeleben und wichtige öffentliche Investitionsprojekte und nicht zuletzt auch die Staatsausgaben an sich zu finanzieren. Seit anfangs 2020 ist die argentinische Regierung in Kontakt mit dem IMF, um eine nachhaltige Strategie für die Umstrukturierung der Schulden zu definieren. In den aktuellen Verhandlungen zur Umstrukturierung der Schulden mit privaten Gläubigern erhält Argentinien zudem Rückendeckung vom IMF. Der ehemalige Präsident Mauricio Macri setzte auf eine liberalere Wirtschaftsagenda als seine damalige Vorgängerin. Seine Regierung baute auf eine Diversifizierung der Exportprodukte und –Destinationen. und betonte zudem die Notwendigkeit, nicht bloss auf Primärgüter zu setzen, sondern vermehrt verarbeitete, Mehrwert erzeugende Produkte herzustellen. Ein wichtiges Projekt von Macri war die Erhöhung der Öl- und Gasförderung, was zu einer wichtigen Quelle für ausländische Devisen hätte werden können. Speziell herauszuheben sind dabei Investitionen in die Ölschiefer-Lagerstätte «Vaca Muerta» im Süden Argentiniens, welche nach Schätzungen der US-Amerikanischen Energieinformationsbehörde zu den grössten Öl- und Gasvorkommen der Welt gehört. Langfristig ist Vaca Muerta eine strategische Aktiva, angesichts der Pandemie COVID-19 und den tiefen Ölpreisen ist die weitere Ausbeutung allerdings finanziell nicht rentabel. Die Zukunft von «Vaca Muerta» ist mittelfristig entsprechend ungewiss. Im Vergleich zum wirtschaftsliberalen Macri kann man in Argentinien nun einen klaren Wandel der Wirtschaftspolitik feststellen. Alberto Fernández will Argentinien mitte-links und wirtschaftlich nationalistisch positionieren. Die Erhaltung der Arbeitsplätze und die Beschützung der heimischen Industrie ist dabei ausschlaggebend. Seit Beginn der durch das Coronavirus bedingten Krise beobachtet man verstärkte Staatseingriffe in den freien Markt. Ein erhöhter 7/20
Protektionismus, Preiskontrollen, Entlassungsverbote oder Steuererhöhungen werden als Instrumente gegen die Konsequenzen der Coronakrise begründet, die peronistische Regierung zeigt mit diesen Massnahmen jedoch immer mehr ihr traditionelles Credo einer gelenkten Wirtschaft. Innerhalb des Mercosur nahm Argentinien unter Mauricio Macri eine Führungsrolle ein. Der Amtsantritt von Jair Bolsonaro hat zu Zeiten Macris zu einer eher positiven Dynamik zwischen Argentinien und seinem wichtigsten Wirtschaftspartner Brasilien beigetragen. Dies hat sich jedoch mit dem Regierungswechsel in Argentinien geändert. Schon während des Wahlkampfes von Alberto Fernández gab es immer wieder Sticheleien seitens Bolsonaros und ein offizielles Treffen der Präsidenten gab es bisher noch nicht. Kommt hinzu, dass das argentinische Aussenministerium Ende April 2020 verkündete, sich aus verschiedenen Verhandlungen des Mercosur mit Ländern wie Kanada oder Korea zurückzuziehen. Dies mit der Begründung, die argentinischen Unternehmen, Arbeitsplätze und die Armen zu schützen. Für den Mercosur bedeutet dies einerseits, dass er an Verhandlungsstärke im internationalen Umfeld verliert und andererseits zu einem eigentlichen Prüfstand für den Integrationsprozess dieses Verbundes zu werden droht. Brasilien, als das wirtschaftlich grösste Mitglied, könnte versucht sein, einseitig mit diversen Verhandlungen fortzufahren. Die übrigen Mitgliedsstaaten Uruguay und Paraguay sind ihrem brasilianischen Nachbarn ideologisch näher, was weitere Entscheide vereinfachen würde. Argentinien möchte sich jedoch nicht vom Mercosur verabschieden. Die Abkommen mit EU und EFTA wolle man trotz allem weiterverfolgen. Zudem versucht Alberto Fernández seinen Mercosur-Partnern zu versichern, dass Argentinien auf keinen Fall austreten, sondern nur die momentane wirtschaftliche Krise bewältigen möchte. Der Abschluss des Freihandelsabkommens EU-Mercosur wurde in Argentinien jedoch schon vor dem Regierungswechsel und der Pandemie gemischt aufgenommen. Während die ehemalige Regierung und das Agribusiness das Abkommen äusserst positiv beurteilten, sehen sich viele Industriebetriebe durch die mögliche Konkurrenz aus Europa in ihrer Existenz bedroht. Sie monieren die Benachteiligung der lokalen Wirtschaft durch die hohen Steuern und den grossen bürokratischen und administrativen Aufwand. Generell ist zu erwarten, dass das Freihandelsabkommen mit der EU argentinische Firmen zu massiven Effizienzverbesserungen zwingen wird. Weniger abgeneigt sind die Argentinier allerdings gegenüber dem Freihandelsabkommen mit den EFTA-Staaten. Hier sieht Argentinien die möglichen europäischen Länder eher als komplementäre Wirtschaftspartner statt als Konkurrenz. Die Verhandlungen für ein solches Freihandelsabkommen konnten anlässlich der 10. Verhandlungsrunde im August 2019 erfolgreich abgeschlossen werden. Der Text befindet sich zurzeit in der juristischen Überprüfung und man hatte sich die Unterzeichnung für Mitte 2020 erhofft. Aufgrund des Coronavirus könnte es jedoch zu Verzögerungen kommen. Allgemein ist festzuhalten, dass sich Argentinien unter der Regierung Fernández wirtschaftspolitisch sehr verändert hat und dies wohl auch noch weiterhin tun wird. Während Macri versuchte, das Land zu öffnen und sich aktiv für den Abschluss von regionalen und internationalen Abkommen sowie die Reintegration des Landes in der Welt eingesetzt hat, dirigiert Alberto Fernández das Land tendenziell in die entgegengesetzte Richtung. Verstärkter Protektionismus, Importsubstitutionen und weitere Abschottung sind auch in nächster Zeit zu erwarten. 2.2 Aussichten für die Schweiz (Diskriminierungspotenzial) Die früher monierten praktischen Handelshemmnisse (Restriktionen in den Bereichen Import sowie Überweisungen von Devisen oder Lizenzgebühren ins Ausland) gehören wieder zum Alltag der Wirtschaftsbedingungen. Zwischenzeitlich funktionierte die internationale Abwicklung weitgehend reibungslos, und der Import von Gütern hatte sich mehrheitlich normalisiert. Die Praxis der neuen peronistischen Regierung zeigt jedoch einen Rückfall in frühere Gewohnheiten mit mehr Protektionismus und der Wiedereinführung von Handelsbarrieren. Ein spezifisches Diskriminierungspotential für Schweizer Unternehmen ist momentan aber nicht auszumachen. Die Bemühungen für eine stärkere regionale Integration innerhalb des Mercosur haben sich seit dem Regierungswechsel in Argentinien verlangsamt. Bis anhin war der Mercosur ohnehin eher ein politisches Projekt, denn die hohen Ambitionen einer Freihandelszone wurden (noch) nicht erreicht und 8/20
der Mercosur ist faktisch eher eine löchrige Zollunion, in der es weniger um die Öffnung der Mitgliedsländer als um den Schutz der brasilianischen und argentinischen Industrien vor globalem Wettbewerb geht. Die Mercosur-Staaten haben jedoch zum Ausdruck gebracht, dass sie bestrebt seien, innerhalb der Zollunion einen offenen Wirtschaftsraum zu bilden. Trotz der drastisch verminderten Wirtschaftsleistung Argentiniens und das potentiell verminderte Exportpotential für Schweizer Produkte bildet ein EFTA-Mercosur Abkommen eine mittel- und langfristig interessante Perspektive für international anerkannte Schweizer Erzeugnisse, die innerhalb der argentinischen Realwirtschaft komplementär sind und per se keine direkte Konkurrenz zur nationalen Industrie darstellen. 3 Aussenhandel 3.1 Entwicklung und allgemeine Aussichten 3.1.1 Warenhandel Die Exporte stiegen 2019 um 5.4 Prozent auf USD 65.11 Milliarden, während die Importe einen Rückgang auf USD 49.12 Milliarden, respektive ein Minus von 25 Prozent verzeichneten, wie das INDEC (Instituto Nacional de Estadistica y Censos) aufgrund provisorischer Zahlen berichtet. Entsprechend konnte Argentinien sein Handelsbilanzdefizit im Vergleich zum Vorjahr in einen Überschuss von USD 15.99 Milliarden umwandeln. Im ersten Quartal 2020 resultierte ein weiterer Handelsbilanzüberschuss von USD 3.2 Milliarden. Der Überschuss ist weniger mit dem Exportanstieg zu erklären, sondern viel eher mit dem dramatischen Rückgang der Importe, wie man im Anhang 3 erkennen kann. Die wichtigsten Exportprodukte sind noch immer pflanzliche und tierische Produkte, Lebensmittel und Transportsysteme. Die prozentuale Verteilung und das Volumen der Exportwaren ist im Vergleich zu 2018 etwa gleichgeblieben. Die wichtigsten Abnehmer von argentinischen Exportprodukten sind die Mitgliedsstaaten des Mercosur oder der EU. Brasilien ist dabei klar der wichtigste Handelspartner sowohl was die Exporte als auch die Importe anbelangt. Allerdings verzeichnen der Mercosur, die EU und auch die NAFTA einen starken Rückgang zwischen fünf und 15 Prozent des Handelsvolumens. Im Gegensatz dazu sind die Exportbeziehungen mit China, den ASEAN Staaten, dem Nahen Osten oder auch Ländern im Norden Afrikas gestiegen. China wurde schon zu Macris Zeiten als wichtiger Wirtschafts- und Investitionspartner angesehen und die Beziehungen zu China werden sich in Zukunft weiter intensivieren. Seit der COVID-19 Krise pflegen die beiden Länder einen engen Kontakt und bauen die bilaterale Kooperation aus. Zudem hat Argentinien grosse Mengen an medizinischem Material zur Bekämpfung der Pandemie von China einfliegen lassen. Die 10 wichtigsten Exportländer Brasilien; 16% Andere; 45% China; 10% USA; 6% Chile; 5% Vietnam; 4% Peru; 2% Indien; 3% Indonesien; 3% Schweiz; 3% Niederlande; 3% 9/20
Die Importe sind 2019 im Vergleich zu 2018 auf USD 49.12 Milliarden gesunken. Diese Entwicklung ist bei allen Importpartnern zu beobachten. Bei vielen der wichtigsten Importländer ist die Wareneinfuhr sogar im zweistelligen Bereich gesunken. Mexiko und Brasilien verzeichnen mit 40 und 35 Prozent die grösste Abnahme. Die prozentuale Verteilung der Importgüter war 2019 ähnlich wie im Vorjahr, die wichtigsten Produkte sind noch immer Maschinen und elektrisches Material, industrielle Produkte, Transportsysteme und Mineralien. Das Volumen ist jedoch bei allen Importwaren stark zurückgegangen. Diese bedeutende Abnahme hat verschiedene Gründe. Zu Zeiten, in denen die argentinische Wirtschaft wächst, importiert das Land oft mehr, als dass es exportiert, respektive die Akteure geben mehr aus als produziert wird. Im Moment findet jedoch das Gegenteil statt, denn Argentinien befindet sich in einer Rezession und importiert dementsprechend weniger Waren aus dem Ausland. Zudem führte die hohe Inflation und die starke Abwertung des argentinischen Pesos im zweiten Halbjahr 2019 zu einer Verteuerung der ausländischen Produkte. Die neue peronistische Regierung setzt mehrheitlich auf Protektionismus und Importsubstitutionen, was die Wareneinfuhr auch in Zukunft vermindern könnte. Ausserdem wird die durch COVID-19 bedingte globale Verlangsamung der Wirtschaft unmittelbare negative Auswirkungen auf die argentinischen Exportmöglichkeiten und die daraus resultierenden Devisen-Einnahmen haben. Die Auswirkungen werden gleich zweierlei sein; einerseits drückt die verminderte Nachfrage die Commodity-Preise und Investitionen für ungenützte Kapazitäten und andererseits werden Importe wegen fehlender Devisen und Kredit(frag)würdigkeiten unweigerlich stagnieren. Die 10 wichtigsten Importländer und die Schweiz Brasilien; 21% Andere; 26% Schweiz; 1% Spanien; 2% China; 19% Mexiko; 2% Italien; 2% Thailand; 2% Bolivien; 3% USA; 13% Paraguay; 3% Deutschland; 6% 3.1.2 Dienstleistungshandel Gemäss den Statistiken der WTO summierten sich die Exporte in diesem Bereich im Jahr 2018 auf USD 13.9 Milliarden, was einer Abnahme um USD 0.6 Milliarden im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Parallel sanken auch die Dienstleistungsimporte in der gleichen Periode um etwas mehr als USD 1 Milliarde auf USD 23.6 Milliarden. 3.2 Bilateraler Handel 3.2.1 Warenhandel Argentinien zählt in der Region neben Brasilien und Mexiko zu den grössten Exportmärkten für Schweizer Waren. Der Schweizer Handel mit Lateinamerika ist 2019 gestiegen. Diese Erhöhung stammt allerdings mehrheitlich von den wachsenden Goldimporten. Auch in Argentinien ist Gold mit 90 Prozent das vorherrschende Schweizer Importprodukt, gefolgt von Landwirtschaftsprodukten. Mit fast USD 1.7 Milliarden Exporten ist die Schweiz einer der zehn wichtigsten Exportmärkte von Argentinien. Wenn man das Gold jedoch nicht miteinberechnen würde, sind sowohl Importe als auch Exporte 10/20
zurückgegangen. Argentiniens Importe von Schweizer Waren ist 2019 etwa 30 Prozent gesunken. Argentinien importiert mit knapp 65 Prozent vor allem Pharmaprodukte, jedoch sind diese um etwa 15 Prozent zurückgegangen. Insgesamt nimmt Argentinien in der Rangliste der wichtigsten Handelspartner der Schweiz 2019 den 36. Rang ein. Das Gesamttotal des Handelsaustausches betrug im Jahr 2019 etwas mehr als USD 2 Milliarden und ist somit im Vergleich nur leicht gestiegen. Die Handelsbilanz ist mit USD 1.3 Milliarden stark positiv aus Sicht Argentiniens. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Importen und Exporten wird sich sehr wahrscheinlich aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der aktuellen Regierung noch verstärkten. 3.2.2 Dienstleistungshandel Zum bilateralen Dienstleistungshandel sind weder nationale Statistik-Zahlen, noch solche bei der Schweizer Nationalbank verfügbar. 4 Direktinvestitionen 4.1 Entwicklung und allgemeine Aussichten Die argentinische Zentralbank, Banco Central de la República Argentina (BCRA), publiziert seit dem Jahre 2016 keine Zahlen mehr betreffend Investitionen in Argentinien. Gemäss den letzten Zahlen des BCRA summierten sich die Direktinvestitionen für 2016 auf USD 74‘922 Millionen. Zwei Jahre später in 2018 beträgt der Stock an ausländischen Direktinvestitionen gemäss dem UN World Investment Report1 etwa USD 72‘784 Millionen. Die Investitionszahlen haben sich über die letzten Jahre in diesem Bereich bewegt, da die allseits erwartete Investitionsflut nach der Wahl von Präsident Mauricio Macri ausgeblieben ist. Trotz den zahlreichen Massnahmen während Macris Amtszeit bietet Argentinien mit seiner äusserst volatilen wirtschaftlichen und politischen Situation für internationale, aber auch für nationale Investoren, ein schwieriges Investitionsumfeld. Es ist zu erwarten, dass die Investitionszahlen aufgrund des möglichen Staatsbankrotts und unvorteilhafter Regierungsmassnahmen in Zukunft sinken werden. Mittelfristig sind Investoren vor allem auch wegen der Vertragsrechte und der Rechtsstaatlichkeit besorgt. Die wichtigsten Investorenländer dürften weiterhin die USA, Spanien, sowie die Niederlande sein. Die Schweiz folgt etwa auf dem 7. Rang vor Ländern wie Deutschland, Frankreich, Kanada oder China. Offizielle Zahlen für die Zeit nach 2016 gibt es aber keine. Wie bereits erwähnt, hatte die Regierung Macri zahlreiche Massnahmen ergriffen, um Investitionen anzuziehen und das Investieren aus Sicht der Geldgeber einfacher zu gestalten. Für Investitionen ist keine Zustimmung der Regierung mehr notwendig (ausser in sensiblen Bereichen wie Telekommunikation, Verteidigung sowie Öl und Gas). Auch konnten Gewinne während Macris Amtszeit ohne Hindernisse über die Landesgrenze hinweg transferiert werden und ausländische Investoren konnten Unternehmen vollständig akquirieren. Um ausländische Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zu fördern, verabschiedete die vorherige Regierung ein Public-Private Partnership-Gesetz (27.328), welches Regeln enthält, die den historischen Makel von Rückzahlungsausfällen stark reduzieren und Flexibilität für Umsetzungs- und Finanzierungsmechanismen bieten sollen. Dieses Gesetz stellte einen Paradigmenwechsel im öffentlichen Auftragswesen dar, da es die Vorrechte des Staates in diesem Bereich signifikant reduziert, wie z.B. die Möglichkeit, einen Vertrag unilateral zu verändern, die Vertragskündigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, sowie die Limitierung der staatlichen Verantwortlichkeit. Zudem hat die vorherige Regierung verschiedene Investorengarantien eingeführt. Die von der Regierung Macri eingesetzten Mechanismen zeigten, dass sie es ernst meinte mit der Investitionsvereinfachung und -absicherung. Doch ausländische Investitionen im grossen Ausmass blieben aus, und das PPP-Programm war, u.a. auf Grund eines erneuten Korruptionsskandals im Zusammenhang mit der Vergabe von Staatsaufträgen, bis jetzt nicht von Erfolg gezeichnet. Die am PPP-Programm beteiligten Unternehmen sind in Korruptionsverfahren verwickelt, was ausländische 1 https://unctad.org/en/Pages/DIAE/World%20Investment%20Report/World_Investment_Report.aspx 11/20
Investoren abschreckt oder ausländische Investitionen gesetzlich verunmöglicht. Das PPP Modell ist in letzter Zeit noch weiter in den Hintergrund getreten. Einerseits ist Argentinien wegen seiner Kreditwürdigkeit für ausländische Investitionen nicht sehr attraktiv und andererseits macht die neue Regierung auch keine Anstalten, dem Privatsektor zu hofieren und die vielen Staatseingriffe machen es für die Firmen nicht leicht. Auch plant die Regierung die Spielregeln für schon abgeschlossene Verträge zu verändern, was die Attraktivität solcher Engagements weiter erodiert. Die einzige Ausnahme scheint hier die Ölschiefer-Lagerstätte «Vaca Muerta» zu sein. Anfang 2020 und vor der Coronakrise hat Alberto Fernández zum Ausdruck gebracht, dass er möglichst viele ausländische Investoren anziehen will um die Ausbeute hochzufahren und somit die Wirtschaftlichkeit zu garantieren. Aufgrund des aktuellen weltweiten Ungleichgewichts des Angebots und der Nachfrage nach dem schwarzen Gold, wird die Ausbeutung wahrscheinlich aber für längere Zeit auf Eis gelegt sein. 4.2 Bilaterale Investitionen Argentinien verzeichnete gemäss Daten der Schweizerischen Nationalbank 2018 einen Bestand an Schweizer Kapital von CHF 3.045 Milliarden.2 Dies stellt eine Abnahme von fast CHF 0.9 Milliarden im Vergleich zum Vorjahr dar. Argentinien wies somit Ende 2018 nach Brasilien, Mexiko und Kolumbien den vierthöchsten Schweizer Kapitalbestand in Mittel- und Südamerika auf. Neuere Zahlen seitens der SNB oder der BCRA sind keine verfügbar. Die Schweiz dürfte aber weiterhin der siebt- oder achtgrösste ausländische Investor im Land sein. Die Botschaft hat keine Kenntnisse von argentinischen Investitionen in der Schweiz. 2019 investierte Nestlé USD 12 Millionen in eine Milchverarbeitungsanlage in Córdoba als Teil eines seit vier Jahren laufenden und USD 127 Millionen schweren Investmentplans. Ende 2017 gab Lafarge Holcim bekannt, in den beiden folgenden Jahren USD 120 Millionen in den Ausbau ihres Zementwerkes in Córdoba zu investieren. Glencore brachte als hälftige Miteigentümerin von Renova USD 100 Millionen für die Erweiterung des Hafens von Timbues in der Provinz Santa Fe auf. Mit ihren Investitionen in klinische Forschung von rund USD 20 Millionen belegte Novartis 2017 den zweiten Platz in der Region. Just Latam setze USD 2 Millionen an Kapital ein, um ihren Betrieb in General Rodriguez in der Provinz Buenos Aires zu vergrössern. Dadurch erhofft sich Just Latam eine Verbesserung seiner Aussenhandelstätigkeit. Im Kontext der Corona-Krise haben mehrere Schweizer Firmen, die auch als Teil der argentinischen Realwirtschaft agieren, Spenden für die argentinische Bevölkerung gemacht. Roche hat Argentinien mehrere Tausend Testkits gespendet um Verdachtsfälle auf COVID-19 zu testen. Novartis schenkte der Provinz Buenos Aires 200'000 Dosen des Medikaments Hidroxicloroquina, das unter anderem für Malaria und verschiedene Autoimmunkrankheiten verwendet wird. Es wurde auch schon an Coronavirus-Erkrankten eingesetzt und es könnten bis zu 10'000 schwerwiegende Fälle damit behandelt werden. Zudem spendete der Pharmakonzern 12'000 Schutzmasken an öffentliche Krankenhäuser und mehrere Millionen Pesos an zwei Stiftungen, die Nahrungsmittelhilfe und Hygienekits für die Armen bereitstellen. Auch Holcim spendete Schutzmasken an verschiedene Krankenhäuser in den Provinzen, in denen die Firma operiert. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé half der argentinischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Wasser im Wert von über ARS 22 Millionen und unterstützt zudem das argentinische Rote Kreuz und das «Red Argentina de Bancos de Alimentos» finanziell mit mehreren Millionen Pesos. 5 Handels-, Wirtschafts- und Tourismusförderung, «Landeswer- bung» 5.1 Instrumente der Aussenwirtschaftsförderung Die Schweizer Botschaft in Buenos Aires pflegt eine intensive Zusammenarbeit mit der Schweizerisch- Argentinischen Handelskammer (CCSA). Der Missionschef der Schweizer Vertretung in Argentinien 2 https://data.snb.ch/de/topics/aube#!/cube/fdiausbla 12/20
amtet als Ehrenpräsident der CCSA, und der erste Mitarbeiter ist Mitglied des Vorstandes. Der Handelsattaché der Botschaft steht in engem Kontakt mit der CCSA, wie auch mit „Switzerland Global Enterprise“, um schweizerische und argentinische Unternehmen bei Fragen und Problemen zu unterstützen. Die Kontakte zu den vor Ort aktiven Schweizer Unternehmen werden mittels Firmenbesuchen des Missionschefs und des Präsidenten der CCSA sowie Arbeitstreffen mit den CEOs aufrechterhalten und gepflegt. Die Unternehmen liefern ihrerseits in Form finanzieller Unterstützung einen wichtigen Beitrag für die Durchführung von sozialen und kulturellen Aktivitäten der Botschaft. Unter den Promotionsprojekten für die Schweizer Wirtschaft gilt es, den jährlichen Event EcoSuiza hervorzuheben, welcher 2019 bereits zum neunten Mal von der Botschaft in Zusammenarbeit mit der Handelskammer CCSA durchgeführt wurde und die Schweiz jeweils als innovatives und umweltbewusstes Land präsentiert. EcoSuiza ist eine Plattform für den Austausch über Themen in den Bereichen Ökologie und Wirtschaft, in deren Rahmen alljährlich Präsentationen, Vorträge, Podiumsdiskussionen und Ausstellungen zu einem spezifischen Thema organisiert werden (2011: Tunnelbau, 2012: Nachhaltige Architektur und Konstruktion, 2013: Nachhaltige Wassernutzung, 2014: Erneuerbare Energien mit Bertrand Piccard als Hauptreferent, 2015: Abfälle („solid waste“), 2016: nachhaltiger Transport, 2017: Sustainable Management). Die 2018 stattgefundene Veranstaltungen von EcoSuiza zum Thema «nachhaltiger Holzbau» in der Stadt Buenos Aires sowie in Ruiz de Montoya in der Provinz Misiones stiessen auf ein grosses Interesse beim Publikum, den Experten aus der Schweiz sowie den lokalen Behörden. EcoSuiza hat sich mittlerweile als alljährlicher Event und als Plattform für die Zusammenarbeit und den Austausch im Bereich der Nachhaltigkeit etabliert. Der letzte Event fand im November 2019 zum Thema Sustainable Food Systems per Videokonferenz statt. Im Rahmen der Aussenwirtschaftsförderung ist ein hohes Interesse von Anbietern von Schweizer Produkten oder Dienstleistungen in der Nutzung der Residenz des Botschafters für die Promotion dieser Produkte (z.B. in den Bereichen Nahrungsmittel, Uhren, Innovations-Industrie etc.) festzustellen. Im Juni 2019 fand die jährliche Swiss-Argentine Joint Economic Commission per Videokonferenz statt. Dabei haben verschiedene Repräsentanten von Argentinien und der Schweiz teilgenommen um über Themen wie die wirtschaftliche Situation, das Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und dem Mercosur oder die Diversifikation des bilateralen Handels zu sprechen. Dieses Treffen soll auch dieses Jahr in einem ähnlichen Rahmen wieder stattfinden. Anfang März 2020 gab es für die grössten Schweizer Firmen vor Ort zudem die Möglichkeit, den neuen Wirtschaftsminister Matías Kulfas anlässlich eines auf der Botschafterresidenz organisierten Treffens in kleinem Kreis kennenzulernen. Bei diesem Treffen ging es primär darum, die Chancen und Herausforderungen zu thematisieren, die die Unternehmen im Lande sehen. 5.2 Interesse des Aufenthaltslands für die Schweiz 5.2.1 Tourismus, Bildung, andere Dienstleistungen Nachdem es während mehreren Jahren keinen Direktflug zwischen der Schweiz und Argentinien mehr gab, bietet die Edelweiss Air AG seit November 2018 zwei Flüge pro Woche zwischen Buenos Aires und Zürich an. Wie der kommerzielle Flugverkehr in Argentinien in Zukunft aussehen wird, bleibt zurzeit jedoch noch offen. Die argentinische Regierung hat mit der Begründung der Pandemie COVID-19 von Mitte März bis voraussichtlich September 2020 alle Flüge suspendiert. Trotz des teuren Frankens ist die Schweiz als Reisedestination für Argentinierinnen und Argentinier weiterhin sehr attraktiv. Das Image des idyllischen Alpenlandes ist in Argentinien weit verbreitet und führt zusammen mit dem bedeutenden schweizerischen Migrationshintergrund (es wird geschätzt, dass rund 500‘000 argentinische Staatsangehörige Schweizer Wurzeln haben) dazu, dass viele Argentinierinnen und Argentinier den Wunsch hegen, unser Land zu bereisen. Die Schweiz ist ebenfalls ein Wunschziel für Studierende. Zwischen der Schweiz und Argentinien ist seit 1999 ein Abkommen in Kraft, welches den Austausch von Stagiaires regelt und die Möglichkeit geschaffen hat, im jeweils anderen Land Praktika zu realisieren. 13/20
Die Schweizer Botschaft in Buenos Aires bedient auf Anfrage hin Reisende, die unser Land besuchen wollen, mit Tourismusinformationen jeglicher Art. Im Rahmen geeigneter Anlässe, z.B. am Frankophonietag, bewirbt sie das Tourismusland Schweiz aktiv. Schweiz-Tourismus hat darüber hinaus von 2013 bis 2019 jeweils eine Reise eines argentinischen Journalisten in die Schweiz finanziert, der daraufhin diverse Artikel über seine Erfahrungen und die Reisemöglichkeiten in unserem Land publiziert hat. Die im Juli 2015 lancierte Facebook-Seite der Schweizerischen Botschaft in Buenos Aires hat sich als wichtiger Kommunikationskanal (mittlerweile über 23’000 Abonnenten) der Vertretung und nützliches Instrument der öffentlichen Diplomatie (u.a. durch die entstehende Interaktion) etabliert. Mittels der Seite werden verschiedene Aspekte der Schweiz dem Publikum nähergebracht (u.a. aus der Perspektive Tourismusförderung) sowie Aktivitäten der Botschaft und von Schweizer Institutionen oder Künstlern angekündigt und dokumentiert. Seit April 2017 verfügt die Botschaft ergänzend dazu über einen eigenen Twitterkanal, und seit August 2018 auch über einen weiteren des Missionschefs, welche sich beide grosser Beliebtheit erfreuen. Gegen Ende 2019 hat die Botschaft auch einen Instagram- Account erstellt, der bereits mehrere Tausend Followers hat und sich vor allem an das jüngere Publikum richtet. 5.2.2 Investitionen Die Botschaft hat weder Kenntnis von argentinischen Investitionen in der Schweiz noch von einem spezifischen Interesse. 5.2.3 Finanzplatz Schweiz Die argentinische G20-Präsidentschaft hatte die Schweiz zur Teilnahme am G20 Finance Track eingeladen. In diesem Rahmen fanden 2018 mehrere ranghohe Besuche statt: Bundesrat Ueli Maurer und der Präsident der Schweizerischen Nationalbank nahmen an den beiden Treffen der G20- Finanzminister und Zentralbankchefs im März und Juli in Buenos Aires teil. Im Vorfeld des zweiten Treffens fand ein bilateraler Austausch mit den argentinischen Behörden statt. Der Bundesrat wurde dabei von einer Delegation von Vertretern der Schweizer Finanzindustrie begleitet. Ein besonderes Augenmerk lag beim bilateralen Austausch auf dem Thema FinTech, welcher als potentieller Türöffner für eventuelle zukünftige Kooperationen dienen könnte. Argentinien zeigt sich, insbesondere im Rahmen der G20, kritisch gegenüber „Steuerparadiesen“ und dem Bankgeheimnis, welche als Entwicklungshemmer gesehen werden, da sie anderen Ländern Steuereinnahmen entziehen. Die Schweizer Banken waren auf dem Finanzplatz Argentinien aufgrund der regulatorischen Vorschriften bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen lange Zeit nicht mehr vertreten. 2017 hat jedoch eine Schweizer Bank 20% der Aktien eines argentinischen Finanzdienstleisters akquiriert, mit Option für eine Erhöhung auf 51%. Sollte der argentinische Finanzplatz mittelfristig wieder eine gewisse Stabilität finden und vorausgesetzt, dass das neue regulatorische Rahmenwerk (Productive Finance Act) Bestand hat, könnte dies weitere Schweizer Finanzinstitute zu Geschäftstätigkeiten auf dem argentinischen Markt bewegen. Mit der erfolgreich abgeschlossenen Steueramnestie, gekoppelt mit dem seit 2018 geltenden automatischen Informationsaustausch mit der Schweiz, hofft Argentinien, einen Teil von Auslandvermögen argentinischer Steuerpflichtiger für Investitionen im Land anziehen zu können. 2019 fand der erstmalige gegenseitige Austausch zwischen der Schweiz und Argentinien statt. Das neue Kapitalmarktgesetz (26.831), Productive Finance Act, modernisierte den gesamten gesetzlichen Rahmen für den argentinischen Kapitalmarkt durch die Einführung internationaler Praktiken. Dieses regulatorische Rahmenwerk zielt darauf ab, die Anzahl an Investoren und Unternehmen zu erhöhen und durch klare und transparente Regeln zur wirtschaftlichen Entwicklung Argentiniens beizutragen. Es soll zudem grenzüberschreitende Dienstleistungen ermöglichen. Ein erstmals im April 2013 aufgedeckter Korruptions-/Geldwäschereiskandal, worin unter anderem auch die ehemalige Präsidentenfamilie Kirchner verwickelt ist, sowie mehrere, seit 2016 ins Licht gerückte Korruptionsfälle von – der Kirchner-Regierung nahestehenden – Ex-Beamten und Unternehmern, die 14/20
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