Früherkennung, Frühintervention bei psychischen Krankheiten aus juristischer Sicht - Basler Tagung für Versicherungsrecht und ...

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Früherkennung, Frühintervention bei
psychischen Krankheiten aus juristischer
Sicht
2. Basler Tagung für Versicherungsrecht und
Versicherungspsychiatrie, 25. Januar 2013

Prof. Dr. iur. Thomas Gächter

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Übersicht
I.   Problemstellung und Eingrenzung
II. Versicherungsstruktur
III. Lösungsansätze
     1. Case-Management durch den Arbeitgeber oder durch die
        Krankentaggeldversicherung
     2. IIZ
     3. Früherfassung / Frühintervention
     4. Integrationsmassnahmen (Art. 14a IVG)
     5. (Weitere) ordentliche Eingliederungsleistungen
     6. Zwischenfazit betreffend psychisch Erkrankte
IV. Rolle des Arbeitgebers
V.   Kritisches Fazit
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I. Problemstellung und Eingrenzung

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    Ausgangslage Unfall
Gesundheit
                  Unfall

                            Heilbehandlung und Eingliederung

                                                                         t
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    Psychische Krankheit
Gesundheit

                                        Arbeitsunfähigkeit

                                                             Eingliederung

               Medizinische Behandlung

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Problemstellung und Eingrenzung der
Fragestellung

 Wann und mit welchen Mitteln kann aus rechtlicher Sicht
  interveniert werden, um eine Desintegration zu vermeiden?
 Wo liegen die systemischen Grundprobleme (Systemfragen,
  nicht Einzelfragen)?
 Schwerpunkt, dem Tagungsthema entsprechend, auf
  psychische Erkrankungen während der Erwerbstätigkeit.

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II. Versicherungsstruktur

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Schutz / Wiederherstellung psychischer
Gesundheit: Normative Grundlagen
Prävention
 ArG (Gesundheitsschutz), UV (Arbeitssicherheit), z.T.
  OR/Personalrecht
Medizinische Behandlung
 KVG, UVG, MVG, IVG (bis 20)
Eingliederung
 UVG, MVG, IVG, (KTV, Berufl. Vorsorge)
Entschädigung für bleibende Gesundheitsschäden
 IVG, UVG, MVG, Berufl. Vorsorge, Privatversicherung

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Interventionszeitpunkt bei Krankheit

 Bei Krankheit im Arbeitsverhältnis kommen Eingliederungs-
  versicherer i.d.R. erst zu spät zum Einsatz.
 KV und KTV haben nur beschränktes Eingliederungs-
  interesse (keine Rentenzahlungspflicht). (Immerhin: Art. 29
  IVG)
 UV und MV haben starkes Eingliederungsinteresse
  (Rentenvermeidung) und setzen gleich nach dem
  Unfallereignis mit der Eingliederung / dem Case Management
  ein.

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III. Lösungsansätze

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Übersicht über die Problemlösungsansätze

 Frühere Erkennung und frühere Intervention bei der Gefahr
  krankheitsbedingter Desintegration.
 Frühere Zuweisung zu den bestmöglichen Integrations-
  institutionen.
 Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen den
  verschiedenen Institutionen / Versicherungszweigen.
 Aber: Bislang keine grundlegende Systemreform, nur
  Korrekturen am historisch gewachsenen und stark
  fraktionierten System.

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1. Case Management Arbeitgeber / KTV

 V.a. grössere Arbeitgeber (Anreiz: Reduktion von Fehlzeiten
  und von Personalverslust).
 KTV: Reduktion von längeren Taggeldzahlungen. Keine
  gesetzliche Pflicht!
 Sehr frühe Intervention möglich.
 Sehr gute Anpassung auf die individuellen Verhältnisse,
  insbesondere auf das Arbeitsumfeld.
 Sehr effektive Lösung; keine gesetzliche Pflicht.
 Sinn anderer Massnahmen (v.a. der IV): Unterstützung der
  Bemühungen der Arbeitgeber/der KTV.

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2. Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) (1)

Grundidee: Verbesserte Zusammenarbeit zwischen den
(Sozial-)Institutionen zur wirkungsvollen (Re-)Integration
komplexer Fälle.
 2001: Empfehlung der SODK und VDK: Zunächst IV, ALV,
  Sozialhilfe
 2004: Handbuch IIZ
 2005: IIZ-plus: Einbezug von KTV, UV und Berufl. Vorsorge
 2006/2008: 5. IVG-Revision: Verankerung IIZ, Früherfassung,
  Frühintervention, Integrationsmassnahmen
 2006-2010: IIZ-MAMAC; Evaluation 2011

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2. Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) (2)

Wirkungen von IIZ (Evaluation IIZ-MAMAC)
 Klientel IIZ-MAMAC: 55 % ALV, 10 % IV, 30 % Sozialhilfe.
 Verbesserte Kundenfreundlichkeit, allenfalls Beschleunigung
 Aber: „Insgesamt hat IIZ-MAMAC … bisher im Durchschnitt zu
  keiner Wirkungsverbesserung in Bezug auf die Integrations-
  rate geführt.“

(Quelle: Evaluation des nationalen Projekts IIZ-MAMAC, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht
Nr. 9/10)

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2. Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) (3)

Mögliche Ursachen
 Enge Triage-Kriterien: Komplexe Mehrfachproblematik,
  Anmeldung bei IIZ-Institution, (Re-)Integrationschance,
  innerhalb von 4 Monaten seit Anmeldung. (Nur ca. 1300 Fälle
  pro Jahr/CH).
 Meist erst Anmeldung nach Desintegrationsbeginn (d.h.
  Stellenverslust etc.)
 Hauptanliegen: Effektivere und raschere Zuführung ins
  System.

(Quelle: Evaluation des nationalen Projekts IIZ-MAMAC, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht
Nr. 9/10)

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3. Früherfassung / Frühintervention: Zwecksetzung

 Einführung mit 5. IVG-Revision, „Eingliederung statt Rente“
 Art. 1a lit. a IVG: „Die Leistungen dieses Gesetzes sollen …
  die Invalidität mit geeigneten, einfachen und zweckmässigen
  Eingliederungsmassnahmen verhindern, vermindern oder
  beheben.“
 Früherfassung zur Erhöhung der (Wieder-)Eingliederungs-
  chancen bzw. der Prävention von Desintegration.
 Vermeidung von Chronifizierung bei längerer Arbeitsun-
  fähigkeit / Desintegration
 Möglichst Erhaltung des Arbeitsplatzes (z.B. mit Frühinter-
  ventionsmassnahmen)

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3. Früherfassung: Grundsatz
                                              Art. 1ter Abs. 1 IVV
                                              • 30 Tage ununterbrochen
                                              • Während 1 Jahr wiederholt
Art. 3a IVG: Grundsatz                        • Aber: AU Voraussetzung!
1 Durch die frühzeitige Erfassung von arbeitsunfähigen (Art. 6
ATSG) Versicherten soll bei diesen Personen der Eintritt einer
Invalidität (Art. 8 ATSG) verhindert werden.
2Die IV-Stelle führt die frühzeitige Erfassung in Zusammenarbeit
mit anderen Versicherungsträgern und mit privaten
Versicherungseinrichtungen, die dem Versicherungsaufsichts-
gesetz vom 17. Dezember 2004 unterstehen, durch.
                                       Ansatzpunkt für IIZ; aber nicht
                                       deckungsgleich mit Art. 68bis IVG
                                       (restriktiverer Datenschutz!)

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3. Früherfassung: Meldung
Art. 3b Meldung
2 Zur Meldung berechtigt sind:

a. die versicherte Person sowie deren gesetzliche Vertretung;
b. die im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen der
    versicherten Person;
c. der Arbeitgeber der versicherten Person;
d. die behandelnden Ärzte und Chiropraktoren der versicherten Person;
e. der Krankentaggeldversicherer nach Artikel 12 KVG;
f. private Versicherungseinrichtungen, die dem VAG unterstehen und eine
    Krankentaggeld- oder eine Rentenversicherung anbieten;
g. der Unfallversicherer nach Artikel 58 UVG;
h. die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, die dem FZG unterstehen;
i. die Durchführungsorgane der Arbeitslosenversicherung;
j. die Durchführungsorgane der kantonalen Sozialhilfegesetze;
k. die Militärversicherung;
l. der Krankenversicherer.
3 Die Personen oder Stellen nach Absatz 2 Buchstaben b–l haben die

versicherte Person vor der Meldung darüber zu informieren.
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Früherfassung: Meldung

 Aus: Eingliederung vor Rente. Evaluation der Früherfassung, der Frühintervention und der
 Integrationsmassnahmen in der IV, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 13/12
                                                                                                   Seite 19
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3. Früherfassung / Frühintervention: Verfahren

Quelle: Erwin Murer, Invalidenversicherung: Prävention, Früherfassung und Integration, Bern 2009
                                                                                                   Seite 20
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Früherfassung: Sanktionen

 Grundsätzlich: Freiwillige Meldung.
 Aber: Leistungskürzung ohne Mahn- und Bedenkzeitverfahren
  (Art. 7b Abs. 2 lit. a IVG), wenn sich die Versicherte Person
  trotz Aufforderung der IV-Stelle nach Art. 3c Abs. 6 IVG nicht
  unverzüglich angemeldet hat und sich dies nachweislich auf
  die Dauer oder das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit oder der
  Invalidität auswirkt.
 Und: Art. 29 Abs. 1 IVG, Rentenanspruch beginnt frühestens
  sechs Monate nach Geltendmachung des Anspruchs. (Starke
  indirekte Wirkungen!)

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3. Frühintervention: Zweck

Massnahmen der Frühintervention: Art. 7d IVG
1Mit Hilfe der Massnahmen der Frühintervention soll der
bisherige Arbeitsplatz von arbeitsunfähigen (Art. 6 ATSG
Versicherten erhalten bleiben oder sollen die Versicherten an
einem neuen Arbeitsplatz innerhalb oder ausserhalb des
bisherigen Betriebes eingegliedert werden.

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3. Frühintervention: Massnahmen
Massnahmen der Frühintervention: Art. 7d IVG
2    Die IV-Stellen können folgende Massnahmen anordnen:
a. Anpassungen des Arbeitsplatzes;
b. Ausbildungskurse;
c. Arbeitsvermittlung;
                                           Max. CHF 20‘000 pro
d. Berufsberatung;                                Person
e. sozial-berufliche Rehabilitation;         (Art. 1octies IVV)
f.    Beschäftigungsmassnahmen.
3    Auf Massnahmen der Frühintervention besteht kein Rechtsanspruch.
4Der Bundesrat kann den Massnahmenkatalog erweitern. Er regelt die
Dauer der Frühinterventionsphase und bestimmt die Höchstgrenze des
Betrages, der pro versicherte Person für Frühinterventionsmassnahmen
eingesetzt werden darf.

                                                                        Seite 23
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3. Frühintervention: Abgrenzung zu ord. Eingliederung

Massnahmen der                      Ord. Eingliederungs-
Frühintervention                    massnahmen

 Arbeitsunfähigkeit als             Bestehende oder drohende
  Voraussetzung                       Invalidität als
                                      Voraussetzung

 Kein Rechtsanspruch                Rechtsanspruch

 Kein Taggeldanspruch               Taggeldanspruch

                                                           Seite 24
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3. Früherfassung / Frühintervention: Wirksamkeit

 Mehr Personen noch am Arbeitsplatz bei FE (68 % statt
  60 %); allerdings Zusatzanreiz: Art. 29 IVG (aufgeschobener
  Rentenbeginn)
 Schnellere Leistungszusprache (FI)
 Leicht bessere Wiederintegration
 FI häufiger an Personen mit psych. Beschwerden
 Positive Wirkung auf vorläufige Eingliederungserfolge
 Potential noch nicht ausgeschöpft, aber positiver Kulturwandel

(Quelle: Eingliederung vor Rente. Evaluation der Früherfassung, der Frühintervention und der
Integrationsmassnahmen in der IV, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 13/12 (Nov. 12),
Zeitperiode 2008–2011, Auswahl von Ergebnissen)

                                                                                                    Seite 25
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3. Früherfassung / Frühintervention: Wirksamkeit

 Aus: Eingliederung vor Rente. Evaluation der Früherfassung, der Frühintervention und der
 Integrationsmassnahmen in der IV, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr.
 13/12                                                                                       Seite 26
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4. Integrationsmassnahmen (Art. 14a IVG): Zweck
IIbis Die Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die
berufliche Eingliederung
Art. 14a IVG
1 Versicherte, die seit mindestens sechs Monaten zu mindestens 50
Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) sind, haben Anspruch auf
Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche
Eingliederung (Integrationsmassnahmen), sofern dadurch die
Voraussetzungen für die Durchführung von Massnahmen beruflicher Art
geschaffen werden können.

   „Brückenfunktion“ zu beruflicher Integration bei fehlender
    Eingliederungsfähigkeit
   Befristet auf i.d.R. ein Jahr
   V.a. für psychisch Erkrankte
   „Ordentliche“ Eingliederungsleistung (Anspruch, Taggeld)
                                                                 Seite 27
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4. Integrationsmassnahmen: BGE 137 V 1

   Ausgangspunkt: Versicherter Bauarbeiter mit somatoformer
    Schmerzstörung und 100% Arbeitsunfähigkeit als Bauarbeiter
    verlangte Integrationsmassnahmen, was im verweigert wurde.
   Eine unterschiedliche Behandlung von körperlich und psychisch in
    ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkten Versicherten in Bezug auf die
    Durchführung von Integrationsmassnahmen findet keine Stütze in
    Gesetz und Verordnung und lässt sich auch nicht aus Sinn und
    Zweck der im Rahmen der 5. IV-Revision in Kraft gesetzten
    Regelung ableiten (E. 5).
   Der Anspruch auf Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die
    berufliche Eingliederung im Sinne von Art. 14a Abs. 1 IVG setzt eine
    mindestens 50%ige Arbeitsunfähigkeit nicht nur im bisherigen Beruf
    oder Aufgabenbereich (Art. 6 Satz 1 ATSG), sondern auch in einem
    anderen Beruf oder Aufgabenbereich (Art. 6 Satz 2 ATSG) voraus
    (E. 7).
                                                                    Seite 28
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4. Integrationsmassnahmen (Art. 14a IVG): Inhalt

Art 14a IVG
2AlsIntegrationsmassnahmen gelten gezielte, auf die berufliche
Eingliederung gerichtete:
a. Massnahmen zur sozial-beruflichen Rehabilitation;                   Max.
                                                                  CHF 100/Tag
b. Beschäftigungsmassnahmen.                                     (Art. 4octies IVV)

5Die Massnahmen, welche im Betrieb erfolgen, werden in enger
Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber getroffen und umgesetzt. Bleibt der
oder die Angestellte weiterhin im Betrieb beschäftigt, so kann die
Versicherung dem Arbeitgeber einen Beitrag leisten. Der Bundesrat legt
Betrag, Befristung und Auszahlungsbedingungen fest.

                                                                         Seite 29
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4. Integrationsmassnahmen (Art. 14a IVG): Wirksamkeit

 Seltener als FI und andere berufliche Massnahmen (3 % der
  Erstkontakte).
 Meist sozialberufliche Rehabilitation.
 Meist Personen ohne Arbeitsplatz.
 Deutlich überwiegend Zusprache an psychsich Erkrankte.
 Grösserer vorläufiger Eingliederungserfolg; d.h. 1/3 der
  Personen kann eine berufliche Massnahme in Angriff
  nehmen.

(Quelle: Eingliederung vor Rente. Evaluation der Früherfassung, der Frühintervention und der
Integrationsmassnahmen in der IV, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 13/12 (Nov. 12),
Zeitperiode 2008–2011, Auswahl von Ergebnissen)

                                                                                                    Seite 30
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5. (Weitere) ordentliche Eingliederungsleistungen

Vorbemerkung: Ausser Art. 18b IVG sekundär bei Prävention
und (Wieder-)Eingliederung psychisch Erkrankter:

 Art. 15 IVG: Berufsberatung
 Art. 16 IVG: Erstmalige berufliche Ausbildung
 Art. 17 IVG: Umschulung
 Art. 18 IVG: Arbeitsvermittlung
 Art. 18b IVG: Einarbeitungszuschuss
 Art. 18d IVG: Kapitalhilfe

                                                            Seite 31
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6. Zwischenfazit betreffend psychisch Erkrankte
 Verbesserung durch Früherfassung, Frühintervention und
  Integrationsmassnahmen (5. IVG-Rev., 2008)
 Aber: Selbst „Früherfassung“ setzt mit dem Erfordernis der
  Arbeitsunfähigkeit von 30 Tagen (bzw. mehrmals innert eines
  Jahres) für psych. Desintegrationsprozesse recht spät an.
 Integrationsmassnahmen sind nur beschränkt zur
  Arbeitsplatzerhaltung geeignet (Erfordernis der sechs-
  monatigen Arbeitsunfähigkeit zu mindestens 50 %)
 Die Wirksamkeit der Massnahmen ist messbar, aber (noch)
  eher gering.
 Hypothese: Wirksame Integration durch sorgfältige Arbeit-
  geber mit Case Management (allein oder in Kooperation mit
  der KTV)
                                                           Seite 32
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IV. Rolle des Arbeitgebers

                                    Seite 33
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Gesetzliche Vorgaben
   Sehr unpräzise Vorgaben durch ArG und OR (vgl. Steiger-
    Sackmann, Schutz vor psychischen Gesundheitsrisiken am
    Arbeitsplatz, im Druck); schwer durchsetzbar.
   Art. 3b Abs. 2 lit. c IVG: Meldung (Früherfassung)
   Art. 7c IVG (Mitwirkung des Arbeitgebers): Der Arbeitgeber
    arbeitet aktiv mit der IV-Stelle zusammen. Er wirkt bei der
    Herbeiführung einer angemessenen Lösung im Rahmen des
    Zumutbaren mit.
   Art. 14a Abs. 5 IVG (Ingetrationsmassnahmen): Die
    Massnahmen, welche im Betrieb erfolgen, werden in enger
    Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber getroffen und umgesetzt.
    Bleibt der oder die Angestellte weiterhin im Betrieb beschäftigt, so
    kann die Versicherung dem Arbeitgeber einen Beitrag leisten. Der
    Bundesrat legt Betrag, Befristung und Auszahlungsbedingungen fest.

                                                                   Seite 34
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Spannungsverhältnis

                                          Respekt vor der
             Fürsorgepflicht /           Persönlichkeit der
        Hilfe zur (Erhaltung der)         Arbeitnehmer /
               Integration             Respekt vor subjektiven
                                            Eigenheiten

                                   Und:
                           Datenschutz gegenüber
                              „Unbeteiligten“?

                                                                 Seite 35
Rechtswissenschaftliches Institut

Bedeutung des Arbeitgebers

In Anlehnung an das berühmte Diktum „Der freiheitliche,
säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht
garantieren kann.“ (Ernst-Wolfgang Böckenförde):
Die Eingliederung psychisch Kranker in den Arbeitsmarkt lebt
von Voraussetzungen, die der Staat nur sehr beschränkt selbst
garantieren kann.

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V. Kritisches Fazit

                                    Seite 37
Rechtswissenschaftliches Institut

Kritisches Fazit

 Massnahmen der 5. (und 6.) IVG-Revision insbesondere auch
  für psychisch Erkrankte: Bislang mässig wirksam.
 Hauptproblem: Ansetzen zum richtigen (frühstmöglichen)
  Zeitpunkt.
 Gefahr der „fürsorglichen Belagerung“ (Kurt Pärli) mit
  gleichzeitigem Abbau von Datenschutz und individuellen
  Entscheidungsspielräumen?
 Vorerst: Bessere Einbindung bzw. Motivation der Arbeitgeber
  (Beiträge, Einarbeitungszuschüsse etc.)?
 Mittelfristig „grosse Lösung“: Strukturanpassung mit
  Eingliederungsanreiz für künftigen „Rentenzahler“ (z.B.
  Zusammenführung von KTV und IV)?
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