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Für ein Wirtschaftswunder 2.0 Wie Startups und Scaleups den deutschen Arbeitsmarkt beflügeln
Vorwort Startups und Scaleups werden in Deutschland für ihre können bereits 2030 nahezu vier Millionen Menschen Innovationskraft geschätzt – durch Payment Apps er- direkt für ein Startup bzw. Scaleup arbeiten. leichtern sie das Bezahlen, durch neuartige Impfstoffe Hierfür bedarf es aber weiterer gezielter Maßnahmen schützen sie unsere Gesundheit, durch neue Software in der neuen Legislatur, damit Startups und Scaleups revolutionieren sie Geschäftsprozesse. Wenig beachtet aktiv zur positiven Beschäftigungsentwicklung beitra- blieb bislang, dass Startups und Scaleups in Deutschland gen können. Wir brauchen ein Wirtschaftswunder 2.0, in bedeutendem Umfang Arbeitsplätze schaffen und um die Herausforderungen der digitalen Transformati- sichern. on und des Klimawandels zu meistern und Deutschland Wir – der Bundesverband Deutsche Startups, die im globalen Wettbewerb zu positionieren. Deutsche Börse, die Internet Economy Foundation und Unser Land muss für Gründerinnen und Gründer Roland Berger – haben uns zusammengetan, um mit langfristig attraktiv bleiben. Als Gesellschaft haben wir dieser Studie erstmals das Schlaglicht auf die Beschäf- ein Interesse daran, insbesondere Serien-Entrepreneure tigungseffekte von Startups und Scaleups zu richten. im Land zu halten – sie investieren nicht nur in neue Dabei ermitteln wir nicht nur die Zahl (und Qualität) der Unternehmen, sie geben auch ihr Wissen weiter und stär- unmittelbar geschaffenen Arbeitsplätze, sondern wid- ken die nächste Gründungsgeneration. Dafür braucht es men uns auch den Jobs, die indirekt durch die Wachs- ein ausreichendes Angebot an Late-Stage-Finanzierun- tumsunternehmen gesichert werden. gen und Exit-Möglichkeiten, vor allem einen starken Die Ergebnisse sind beeindruckend, insbesondere nationalen Kapitalmarkt, damit IPOs verstärkt in dann, wenn man sie ins Verhältnis zur Entwicklung an- Deutschland stattfinden. derer Unternehmenskategorien, beispielsweise den Mit dieser Studie möchten wir Ihnen sowohl die DAX30-Unternehmen, setzt: Während bei diesen etab- Datengrundlage zur wirtschaftlichen Bedeutung von lierten Unternehmen bezüglich der letzten zwei Jahre Startups an die Hand geben als auch Handlungsempfeh- ein Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen ist, kam es lungen. Mit einer umfassenden „Startup-Strategie“, die bei Startups und Scaleups zu einem erheblichen Anstieg die Bereiche Talente, Kapital und fairen Wettbewerb in der Arbeitsplätze. den Fokus stellt, kann die Regierung die Rahmenbedin- Also besteht kein Problem? Doch, denn im interna- gungen für ein Wirtschaftswunder 2.0 schaffen. tionalen Vergleich ist Deutschland weiter abgeschlagen. Unsere Daten zeigen, wie viel Potenzial aktuell unge- Wir wünschen Ihnen eine spannende und erkenntnis- nutzt bleibt: Wenn wir die Weichen richtig stellen, dann reiche Lektüre. Prof. Dr. Friedbert Pflüger Renata Bandov Christian Miele Vorsitzender Director – Head of Capital Markets Vorstandsvorsitzender Internet Economy Foundation Deutsche Börse Bundesverband Deutsche Startups 3
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Inhalt 1 EINLEITUNG 6 2 INNOVATIVE UNTERNEHMEN SCHAFFEN GUTE UND NACHHALTIGE ARBEITSPLÄTZE9 2.1 Startups sind wichtige Wissensentwickler und Trendscouts 2.2 Mittelbare und unmittelbare Jobeffekte 2.3 Der „Trickle-down-Effekt“: ein Blick auf die Startup-Impulse in den USA 3 WIRTSCHAFTSWUNDER 2.0? DIE BESCHÄFTIGUNGSEFFEKTE 18 VON STARTUPS UND SCALEUPS IN DEUTSCHLAND 3.1 Überdurchschnittliches Jobwachstum in den letzten drei Jahren – die Beschäftigung in Startups und Scaleups wächst deutlich stärker als in DAX30-Unternehmen 3.2 Wo entstehen die meisten Arbeitsplätze? Eine Differenzierung nach Alter, Beschäftigungszahl und Sektor der Unternehmen 3.3 Deutschland hinkt hinterher – ein internationaler Vergleich 4 EIN POSITIVER „SCHNEEBALLEFFEKT“: WIE STARK DIE DEUTSCHE 26 GRÜNDUNGSSZENE VON MEHR EXITS PROFITIEREN KÖNNTE 4.1 Nach wie vor Finanzierungslücken in der Spätphase 4.2 „Soonicorns“ und die Hoffnung auf einen neuen IPO-Boom in Deutschland 5 TALENTE, KAPITAL UND WETTBEWERB ALS TREIBSTOFF 32 FÜR WACHSTUM UND BESCHÄFTIGUNG 5.1 Talente für die Zukunft: Gründungen unterstützen, Diversität fördern, Mitarbeiterkapitalbeteiligung vereinfachen 5.2 Kapital für Wachstum und Beschäftigung: Zugang zu Late-Stage-Kapital weiter ausbauen, Exit-Kanäle und Eigenkapitalkultur stärken 5.3 Fairer Wettbewerb für Innovation und Wachstum: Plattformen regulieren, öffentliche Beschaffung reformieren 5
1 EINLEITUNG
1 Einleitung An der Innovationskraft der deutschen Gründungsszene zu halten und weiter auszubauen, dann kann der direk- besteht kein Zweifel mehr. Wer nach Belegen sucht, fin- te Anteil der Arbeitsplätze schnell auf Größenordnungen det sie zuhauf: Da ist zum Beispiel die Zahl der Unicorns wie bei DAX30-Unternehmen anwachsen. – der Startups mit einem Unternehmenswert von min- destens 1 Milliarde US-Dollar. Sie wächst in Deutschland Hinzu kommt: Für jeden neuen Arbeitsplatz in einem seit Jahren, genauso wie die Zahl ihrer kleinen Ge- Startup und Scaleup entstehen neue Arbeitsplätze au- schwister, der „Soonicorns“ (Bewertung: 250 Mio. bis ßerhalb der Gründungsszene. Das schnellere Wachstum 1 Milliarde US-Dollar), die das Potenzial haben, dem- hier führt zu einem entsprechend beschleunigten Be- nächst der Familie der „Unicorns“ anzugehören. Da sind schäftigungseffekt insgesamt. Geht man von vorsichti- aber auch die neuen Geschäftsmodelle, die so vielfältig gen Schätzungen hinsichtlich der Multiplikatoreffekte sind wie noch nie. Sie reichen von Flugtaxis und inno- von Jobs in Startups und Scaleups aus, kommt man auf vativen Software-Lösungen bis hin zu Fintech-Innova- rund 1,6 Millionen Arbeitsplätze, die von Startups und tionen und völlig neuartigen Industrie-Anwendungen. Scaleups in Deutschland direkt geschaffen und indirekt Sie treiben die Innovation im Land zu einem großen Teil durch sie gesichert werden. Das sind schon jetzt beein- voran. druckende Zahlen. Doch in Zukunft könnten noch viel mehr Menschen in Deutschland in Startups und Scale- Deutlich schwieriger einzuschätzen ist hingegen die ups arbeiten! Bedeutung der Gründungsszene für den deutschen Ar- beitsmarkt. Da Startups und Scaleups1 keine eigene Bran- Würde Deutschland bis 2030 das Niveau der USA – ge- che darstellen, fallen sie leicht durchs Raster der amtli- messen am prozentualen Anteil der in Startups und chen Statistik. Das hat dazu geführt, dass die Bedeutung Scaleups Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung – vieler junger Wachstumsunternehmen für die Beschäf- erreichen, dann wären 2030 in Deutschland 3,7 Millio- tigung im Land unterschätzt wird. Leider in doppelter nen Menschen direkt in Startups und Scaleups be- Hinsicht: Die vitale Startup- und Scaleup-Landschaft schäftigt – die positiven Effekte auf die Gesamtwirt- schafft nicht nur viele Arbeitsplätze, sie sorgt über Nach- schaft noch nicht mitberücksichtigt. frage- und Standorteffekte auch für neue Jobs außerhalb der eigenen Unternehmen. Dieses Beschäftigungspotenzial realisiert sich jedoch nur, wenn die Gründungsbasis in Deutschland insge- Die vorliegende Studie bringt Licht ins Dunkel und un- samt verbreitert wird. Um dies zu erreichen, müssen tersucht die Beschäftigungseffekte deutscher Startups sich speziell für Gründerinnen die Rahmenbedingungen und Scaleups. Das wichtigste Ergebnis: In den zurück- verbessern. Genauso unabdinglich ist es, dass „Schnee- liegenden Jahren ist die Zahl der in diesem Bereich Be- balleffekte“ endlich besser genutzt werden. Dafür müss- schäftigten stetig gestiegen – auf inzwischen rund te zunächst die Zahl der Startup-Exits zunehmen. Auf 415.000 Menschen. Wenn es gelingt, diese Dynamik diese Weise könnte wertvolles Kapital in den Startup- 7
Bereich zurückfließen und dadurch ein positiver Kreis- lauf in Gang gesetzt werden. Untersuchungen zeigen, Um „Schneeball- dass Gründerinnen und Gründer nach einem erfolgrei- chen Exit häufig in andere Startups investieren oder zu Serien-Entrepreneuren heranwachsen. Gleichzeitig kön- effekte“ endlich nen Investoren mithilfe der erwirtschafteten IPO-Ren- diten künftig größere Finanzierungsrunden stemmen. Kurz: Es entsteht eine positive und sich stetig verstär- besser zu nutzen, kende Dynamik, von der das gesamte Tech-Ökosystem in Deutschland profitieren würde. muss die Zahl Damit es dazu kommt, muss die Politik aber die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Angesichts der mit ih- nen verbundenen Jobeffekte muss die Förderung des für der Startup-Exits die Gesamtwirtschaft relevanten Startup-Ökosystems zu einem Kernanliegen der nächsten Bundesregierung werden. Die Dynamik des Beschäftigungszuwachses in zunehmen. der deutschen Gründungsszene zeigt, dass die Bemü- hungen der letzten Jahre Früchte tragen. Doch wir dürfen uns auf dem bereits Erreichten nicht ausruhen. Ins- besondere im Bereich der Scaleups besteht noch großer Handlungsbedarf. Andere Staaten, darunter Frankreich, haben dies verstanden und aufgeholt. Deutschland kann es sich nicht leisten, dass erfolgreiche Unternehmen mit überzeugenden Gründungsideen hier entstehen, nur um in der Wachstumsphase ins Ausland abzuwandern. Nie war der internationale Wettbewerb um Startups bauen auf den folgenden Kapiteln der Studie auf: Das und Scaleups und die damit verbundenen Arbeitsplätze zweite Kapitel beleuchtet die unterschiedlichen Job- größer. effekte von Startups und Scaleups für die gesamte Volks- wirtschaft. Im dritten Kapitel folgt eine quantitative Die am Ende der Studie präsentierten Handlungsemp- Untersuchung der Beschäftigungsentwicklung von Start- fehlungen zeigen, wie die Gründungsszene in Deutsch- ups und Scaleups für die letzten drei Jahre. Im vierten land ihr volles Potenzial in Bezug auf Beschäftigungsef- Kapitel beschreiben wir die Bedeutung von erfolgrei- fekte realisieren kann. Die Handlungsempfehlungen chen Exits. 8
2 INNOVATIVE UNTERNEHMEN SCHAFFEN GUTE UND NACHHALTIGE ARBEITSPLÄTZE
2.1 die Entwicklung alternativer Antriebskonzepte (Brenn- Startups sind wichtige Wissens- stoffzellen, Elektromotoren) lange Zeit zugunsten entwickler und Trendscouts langsamer Innovationszyklen bei traditionellen Ver- brennungsmotoren stagnierte. Erst durch das US-ame- rikanische Unternehmen Tesla wurde die Entwicklung In einem Hochlohnland wie Deutschland schaffen nur alternativer Antriebskonzepte wieder verstärkt in wettbewerbsfähige und innovative Unternehmen neue Deutschland vorangetrieben – ein Beispiel für den indi- und gut bezahlte Arbeitsplätze. Daraus ergeben sich zwei rekten Innovationseffekt, den Startups haben und mit Fragen: Wie können bestehende Unternehmen ihre vor- dem sie die Innovationsaktivitäten einer Industrie ver- handene Innovationskraft steigern? Und: Wie können stärken können. neue innovative Unternehmen so gefördert werden, dass sie möglichst viele Arbeitsplätze schaffen? Startups treiben die Volkswirtschaft und die etablierten Unternehmen aber zweitens auch dadurch an, dass sie Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen erhöht sich, überhaupt erst neue Märkte – auch für bestehende Ak- wenn sie in einem Umfeld agieren, in dem sie von ein- teure – schaffen. Etablierte Unternehmen scheuen bis- zelnen Pionieren „bedrängt“ werden. Startups sind sol- weilen vor diesem Schritt zurück, da sie eventuelle che Innovationspioniere. Sie sind also nicht nur im Rückschläge und Fehlinvestitionen vermeiden oder Sinne ihrer eigenen Unternehmensziele innovativ, son- minimieren wollen. Das heißt, Startups setzen noch dern stimulieren auch etablierte Unternehmen, ebenfalls stärker als etablierte Unternehmen auf neue Technolo- noch innovativer zu sein. Und das nicht nur als „Unicorn“, gien, um auf dem Markt Fuß zu fassen und neue Pro- sondern – im Fall eines eigenen Scheiterns – auch als dukte oder Geschäftsprozesse einzuführen, die es so Wissensentwickler mit Ausbildungsfunktion und Trend vorher nicht gab. Dadurch erzeugen sie einen massiven scout. Etablierte Unternehmen, die den eigenen Innova- Wertzuwachs, kurbeln gleichzeitig den Wettbewerb an tionsgrad noch weiter steigern wollen, haben diese Inno- und zwingen die bestehenden Unternehmen, sich wei- vationsfähigkeit von Startups längst erkannt und inves- terzuentwickeln. Ein gutes Beispiel hierfür ist Facebook, tieren oder kooperieren entsprechend stark mit diesen. das vor 17 Jahren als studentische Plattform in einem Studentenwohnheim gegründet wurde und später den Grundsätzlich lassen sich zwei Arten unterscheiden, wie Markt für Social-Media-Plattformen und für (Online-) Startups disruptiven Einfluss auf die Wirtschaft nehmen Werbung komplett auf den Kopf gestellt hat. und bestehende Unternehmen dabei unterstützen kön- nen, sich ständig weiterzuentwickeln. Startups treiben erstens den technologischen Fortschritt voran: Ein Blick auf die Automobilindustrie zeigt, dass 10
2 Innovative Unternehmen schaffen gute und nach- haltige Arbeitsplätze 2.2 Deutschland zieht Talente und Investitionen aus dem Mittelbare und unmittelbare Jobeffekte Ausland an und stärkt so die Wirtschaft insgesamt. Man kann diese Zusammenhänge konkret illustrieren. Durch Startups und Scaleups entstehen aber nicht nur Ein Startup sorgt nicht nur dadurch für Beschäftigung, direkte Jobeffekte mit Arbeitsplätzen innerhalb des je- dass es direkt Arbeitsplätze schafft. Die Mitarbeitenden weiligen Unternehmens, sondern auch indirekte Job- eines Startups bestellen Waren und spezialisierte sowie effekte bei Zulieferern und Services sowie sogenannte einfache Dienstleistungen (von Rechtsanwältinnen und induzierte Jobeffekte, da die neuen Arbeitskräfte bei Rechtsanwälten bis hin zu bis Reinigungskräften). Da- Startups, Scaleups und den damit indirekt verbundenen durch wird ein „virtuous circle“ von indirekten und in- Dienstleistern als Nachfrager in der Gesamtwirtschaft duzierten Effekten in Gang gesetzt, und dieser Kreislauf auftreten. Außerdem lassen sich Standorteffekte fest- sorgt dann für die oben genannten Beschäftigungsim- stellen: Ein starker Startup- und Scaleup-Standort pulse. →A A Ein gewaltiges Aufwärtspotenzial: die verschiedenen Beschäftigungseffekte von Startups und Scaleups Direkte, indirekte und induzierte Talente, Investitionen, Standorteffekte Beschäftigungseffekte stärken den Außenhandel Wirtschaftsstandort Beschäftigte von Startups und Scaleups Produkte und Services Induzierte Effekte sowie deren Lieferanten konsumieren für Endkunden Produkte und Services Lieferanten von Produkten und Services Startups und Scaleups beziehen Produkte Indirekte Effekte für Startups und Scaleups und Services von Lieferanten Startups und Scaleups schaffen Direkte Effekte Startups und Scaleups Arbeitsplätze Quelle: Roland Berger 11
So viel zur Theorie. Nun ist die Quantifizierung dieser dass für jeden Hightech-Job vier weitere Arbeitsplätze indirekten, induzierten und standortgebundenen Be- geschaffen worden sind.4 schäftigungseffekte natürlich schwierig und Gegenstand einer verzweigten akademischen Debatte. Es gibt aber Übertragen wir diese auf die USA bezogenen Schätzun- Zahlen und Tendenzen, die sich in auffallender Weise gen auf Deutschland bewusst defensiv, so lässt sich ein ähneln. Der Berkeley-Ökonom Enrico Moretti hat bei- Multiplikatoreffekt von 3 unterstellen. Das heißt, dass spielsweise in seinem preisgekrönten Buch The New für jeden in einem Startup oder Scaleup neu geschaffe- Geography of Jobs für die infrage stehende Quantifizie- nen Arbeitsplatz drei weitere Arbeitsplätze außerhalb rung einen Multiplikatoreffekt von fünf ermittelt. Für des jeweiligen Unternehmens entstehen. Berücksichtigt jeden in einem Startup neu geschaffenen Arbeitsplatz man sowohl direkte Beschäftigungseffekte als auch da- entstehen demnach fünf weitere außerhalb des Start- mit verbundene Multiplikatoreffekte, dann ergibt sich, up-Unternehmens.2 Das Economic Policy Institute hat dass derzeit in Deutschland Startups und Scaleups rund 2019 für die USA in der Studie Updated employment mul- 1,6 Millionen Arbeitsplätze schaffen und sichern. →B tipliers for the U.S. economy die entsprechenden Multi- plikatoreffekte für eine Vielzahl von Branchen unter- Die Vielfalt der durch Startups und Scaleups ausgelösten sucht und dabei nach „supplier jobs“, „induced jobs“ Arbeitsmarkteffekte spiegelt sich in der Diversität der sowie deren Summe – „total indirect jobs“ – unterschie- geschaffenen Jobs wider. Startups und Scaleups bieten den. Die Studie kommt für die Kategorie der Professional, nicht nur für eine bestimmte Klientel Arbeitsplätze, Scientific, and Technical Services auf einen Faktor von 4,2.3 sondern Beschäftigungsmöglichkeiten ganz unter- Bereits Jahre zuvor war das Bay Area Council Economic schiedlicher Art: Die positiven Beschäftigungseffekte Institute allein für die „Bay Area“ davon ausgegangen, reichen von hoch qualifizierten Jobs (z.B. in den Berei- B Ein großer Hebel: Startups und Scaleups schaffen nicht nur direkte Jobs, sondern sichern auch Beschäftigung über die Gründungsszene hinaus BESCHÄFTIGUNGSEFFEKTE DEUTSCHER STARTUPS UND SCALEUPS [Schätzung für 2020, Millionen Beschäftigte] Direkte Beschäftigung Indirekte Effekte ~0,4 ~1,2 ~1,6 Quelle: Dealroom, Roland Berger 12
2 Innovative Unternehmen schaffen gute und nach- haltige Arbeitsplätze chen IT, Data Science, Marketing & Kommunikation etc.) bis zu einfacheren Jobs (z.B. Fahrdienste, Reinigungs- In den USA kräfte etc.). Von dem Wachstum der Startups und Scale- ups profitieren also, gerade über die indirekten und in- duzierten Effekte, alle gesellschaftlichen Schichten hätte es seit den durch ein vergrößertes Jobangebot. 1980er-Jahren 2.3 Der „Trickle-down-Effekt“: ein Blick auf die Startup-Impulse in den USA ohne Gründungen Lässt sich der erwähnte Multiplikatoreffekt empirisch kein Netto- bestätigen, wenn man auf die allgemeine Entwicklung und Struktur des Arbeitsmarktes blickt? Und welche Arten von Jobs verdanken sich diesem „Trickle-down- Jobwachstum Effekt“? Auch hier hilft ein Blick auf die Entwicklung des ame- gegeben. rikanischen Arbeitsmarktes in den letzten fünf Jahren weiter: Neue und zukunftsträchtige Arbeitsplätze ent- standen nicht in den einstmals beschäftigungsintensi- zehnten ohne Neugründungen kein Netto-Arbeitsplatz- ven Zweigen der Industriegesellschaft, auch wenn sich wachstum gegeben hätte. Von 1977 bis 2005 verloren dies die Regierung von Donald Trump zum Ziel gesetzt etablierte Unternehmen demnach rund eine Million hatte, sondern vor allem in Bundesstaaten mit einem Netto-Jobs pro Jahr. Neu gegründete Unternehmen hin- hohen Anteil an Startups und Scaleups. Ein Blick auf gegen fügten durchschnittlich drei Millionen Arbeits- Zahlen des Quarterly Census of Employment and Wages plätze pro Jahr in diesem Zeitraum hinzu.5 zeigt, dass es im sogenannten „Rust Belt“ während der Amtszeit von Donald Trump keinen nennenswerten Be- Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse einer 2017 veröf- schäftigungszuwachs gegeben hat. fentlichten Untersuchung des Progressive Policy Institu- te eine ganz ähnliche Tendenz.6 Die Studie belegt, dass Der Technologie-Entrepreneur Vivek Wadhwa geht da- das Arbeitsplatzwachstum in Regionen mit großer Start- von aus, dass es in der US-Wirtschaft in den letzten Jahr- up-Aktivität deutlich ausgeprägter ist. Dabei basiert die 13
C Mehr Startup-Aktivität, mehr Jobs: In den USA zeigt sich eine stabile Korrelation zwischen Startup-Aktivität und Beschäftigungszuwachs 30,0% Der Metro Startup Economy Index errechnet sich aus Prozentuales Wachstum der Beschäftigung dem Prozentsatz der Stel- lenausschreibungen in einer 22,5% Metropolregion, die das im privaten Sektor 2007-2016 Wort „Startup“ enthalten. Dieser Prozentsatz wird dann normalisiert, indem er 15,0% durch den Median-Prozent- satz für alle analysierten Ballungsräume geteilt wird, womit sich der Metro Start- 7,5% up Economy Index für jeden Ballungsraum ergibt. Unter- sucht wurden die 100 größ- ten Ballungsräume der USA. Die Auswertung erfolgte 0,0% im Oktober 2016 und dann noch einmal im März 2017, anschließend wurden die Ergebnisse gemittelt. -7,5% 0,0 0,75 1,5 2,25 3,0 Metro Startup Economy Index , Oktober 2016 1 1 ausschließlich der Top-10-Metropolregionen Quelle: Metro Startup Economy Index, Progressive Policy Institute Studie How the Startup Economy is Spreading Across the 5,6% und das vierte Quartil nur 4,6%. Nun ließe sich ein- Country wiederum auf Zahlen des Metro Startup Economy wenden, dass sich dieses Ergebnis vor allem der ohnehin Index: Dieser misst den Anteil von Jobausschreibungen, herausragenden Wirtschaftsleistung von urbanen Bal- die den Terminus „Startup“ enthalten, an den gesamten lungsräumen verdankt. Aus diesem Grund stellt die er- Jobausschreibungen. wähnte Studie die Korrelation von Jobwachstum und Metro Startup Economy Index ohne Berücksichtigung der Die Top-25-Regionen des Metro Startup Economy Index zehn stärksten wirtschaftlichen Ballungsräume der USA weisen im Schnitt ein Jobwachstum im privaten Sektor dar. Auch unter Ausschluss dieser Top-10-Regionen lässt von 11,9% aus – das zweite Quartil hingegen nur noch sich eine Korrelation zwischen Jobwachstum und dem 14
2 Innovative Unternehmen schaffen gute und nach- haltige Arbeitsplätze D Mehr Gründungsgeschehen gleich mehr Jobwachstum: In Deutschland lässt sich eine ähnliche Dynamik wie in den USA beobachten 4,0 Hamburg München Berlin TREND 3,5 Durchschnittlich pro Jahr geschaffene Jobs 3,0 Heidelberg zwischen 2017 und 2019 [in %] 2,5 Stuttgart 2,0 Karlsruhe 1,5 1,0 Düsseldorf Top-3-Startup- 0,5 Essen Regionen Rhein-Ruhr-Region 0,0 Region Stuttgart/ Bonn Köln Karlsruhe -0,5 -1,0 -1,5 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 Durchschnittlicher NUI-Wert von 2017 bis 2019 1 ach dem IfM gelten nicht nur Existenzgründungen, sondern auch Betriebsgründungen, Übernahmen und Zuzüge von Gewerbebetrieben sowie Aufnahmen N einer gewerblichen Nebenerwerbstätigkeit als neue unternehmerische Initiative (NUI). Quelle: Institut für Mittelstandsforschung (IfM), Bundesagentur für Arbeit, Roland Berger Wert des Metro Startup Economy Index nachweisen. →C sicherungspflichtigen Jobs einhergeht. Auf der horizon- talen Achse in Abbildung 3 ist die durchschnittliche An- Diese Korrelation von Gründungsgeschehen und Job- zahl jährlicher Gründungen auf 10.000 Einwohnerinnen Wachstum lässt sich für Deutschland ebenfalls belegen: und Einwohner zwischen 2017 und 2019 abgetragen. Die Blicken wir auf die Jahre 2017 bis 2019, dann zeigt sich, vertikale Achse zeigt die prozentuale Änderung der sozi- dass der Wert des NUI-Index, der vom Institut für Mittel- alversicherungspflichtigen Jobs in einem Landkreis im standsforschung erhoben wird und die Anzahl der neu Jahresdurchschnitt zwischen 2017 und 2019. Die Steigung gegründeten Unternehmen auf 10.000 Einwohnerinnen der Regressionsgeraden verdeutlicht, dass ein hohes und Einwohner misst, mit einem Anstieg der sozialver- Gründungsgeschehen mit Jobwachstum einhergeht. →D 15
Eine hohe Korrelation zwischen dem Gründungsgesche- schluss. Brookings kommt zu dem Ergebnis, dass eine hen und Job-Wachstum kann also sowohl für die USA ausgeprägte Startup-Aktivität stärker mit hohen Gehäl- als auch für Deutschland belegt werden. Doch schaffen tern, Einkommen und gesteigerter Produktivität zusam- die Startups auch Wohlstand für eine Volkswirtschaft menhängt als etwa mit dem Anteil der Bevölkerung mit und ein ganzes Land? Bachelorabschlüssen oder mit der Anzahl Anzahl der Patente. →E Blicken wir zur Beantwortung dieser Frage noch einmal auf die USA: Das Brookings Institute hat in einer im Jahr Für die USA lässt sich also abschließend festhalten: Ein 2019 veröffentlichten Studie die Korrelation zwischen hoher Anteil von Startups korreliert nicht nur mit einem innovativen Ballungsräumen mit einem hohen Anteil hohen Beschäftigungswachstum insgesamt. Es lässt sich von Startups und verschiedenen makroökonomischen auch belegen: Die Arbeitsplätze, die in den USA im Zuge Faktoren untersucht.7 Die Studie kommt zu dem Ergeb- dieser Korrelation entstehen, sind häufig sehr gut be- nis, dass die Regionen, in denen sich Hightech-Startups zahlt. angesammelt haben, oftmals höhere Gehälter und eine bessere Produktivität aufwiesen als Regionen, in denen Auch wenn ein solches statistisches Schlaglicht noch dies nicht der Fall war. keine allgemeine Aussage über das Gehaltsniveau von Jobs in Startups und Scaleups erlaubt, so ist es doch ein Brookings verwendet zur Erklärung dieses Phänomens gewichtiges Indiz dafür, dass ausgeprägte Startup- und den selbst entwickelten Startup Complexity Index (SCI). Scaleup-Aktivität mit einem hohen regionalen Einkom- Dieser kombiniert Metriken zur Startup-Diversität und mensniveau einhergeht. Gerade wenn Startups wachsen, Startup-Ubiquität. Die Startup-Diversität bezieht sich sind sie auf eine Vielzahl unterschiedlicher Fachkräfte auf die Anzahl der technologischen Kategorien, in denen angewiesen. die Startups einer städtischen Region einen Wettbe- werbsvorteil oder eine überdurchschnittliche Innovati- Überdies bietet ein Arbeitsplatz in einem Startup auch onsneigung aufweisen. Die Startup-Ubiquität bezieht eine Reihe kultureller und immaterieller Vorteile, die sich auf die Gesamtzahl der Ballungsräume, die einen gerade für die Generation Y eine immer größere Rolle Vorteil in einer Technologiekategorie haben. Der SCI spielen: Selbstbestimmung, flexible Arbeitszeiten und erfasst somit die Komplexität des Startup-Ökosystems das Gefühl, etwas Neues aufbauen zu können. Startups anhand der Interaktion zwischen Vielfalt und Ubiquität. erweisen sich hier als Trendsetter einer neuen Arbeits- kultur, der sich die etablierten traditionellen Unterneh- In der Studie vergleicht das Brookings Institute die Kor- men anpassen müssen, wenn sie die jungen Talente für relation des SCI auf Einkommen und Produktivität mit sich gewinnen wollen. der Korrelation des Patent Complexity Index und dem Anteil der Bevölkerung mit einem universitären Ab- 16
2 Innovative Unternehmen schaffen gute und nach- haltige Arbeitsplätze E Startups sorgen nicht nur für mehr Jobs, sondern auch für gute Jobs: Startup-Aktivität korreliert besonders stark mit hohem Einkommen und Produktivität KORRELATIONSKOEFFIZIENT 0,73 0,72 0,68 0,62 0,60 0,52 0,43 0,40 0,31 Durchschnittliches Median Einkommen Produktivität Jahreseinkommen pro Arbeitsplatz Startup Complexity Index Patent Complexity Index Anteil der Bevölkerung mit Universitätsabschluss Quelle: Brookings Institute 17
3 WIRTSCHAFTSWUNDER 2.0? DIE BESCHÄFTIGUNGS- EFFEKTE VON STARTUPS UND SCALEUPS IN DEUTSCHLAND
3 Wirtschaftswunder 2.0? 3.1 die Jahre 2018 bis 2020, dann zeigen sich ein prozen- Überdurchschnittliches Job- tualer Anstieg von rund 55% und ein absoluter Anstieg wachstum in den letzten Jahren – von etwa 148.000 Jobs auf die schon im zweiten Kapi- die Beschäftigung in Startups tel genannten 415.000 Jobs.10 Aufgrund schwankender und Scaleups wächst deutlich stärker Datenqualität zwischen den untersuchten Jahren ist als in DAX30-Unternehmen jedoch davon auszugehen, dass die absolute Beschäf- tigtenzahl insbesondere im Jahr 2018 unterschätzt und dementsprechend das Wachstum überschätzt wird. Die Die Beschäftigungseffekte deutscher Startups und Scale- Zahl ist darum eher als Orientierungswert zu verstehen, ups entgehen der öffentlichen Aufmerksamkeit, weil der die allgemeine Tendenz aufzeigt: Die Beschäftigung sie im Rahmen der amtlichen Statistik nicht gesondert in Startups und Scaleups hat sich in den vergangenen ausgewiesen werden können: Wachstumsunterneh- Jahren dynamisch entwickelt. Während andere Berei- men sind schlichtweg keine eigene Branche und wer- che stagnieren, können Startups und Scaleups ein kon- den entsprechend auch nicht eigens erfasst. Um den- tinuierliches Jobwachstum verzeichnen. Zum Ver- noch einschätzen zu können, wie viele Menschen in gleich: Unter den DAX30-Unternehmen stieg die Be- Deutschland in Startups und Scaleups beschäftigt sind, schäftigungszahl zwischen 2018 und 2019 lediglich um greifen wir auf Informationen des Datenbankanbieters 1,3%, zwischen 2019 und 2020 sank sie pandemiebe- Dealroom zurück. dingt um 2,2%. →F Startpunkt unserer Analyse sind alle technologieori- Ein Grund für diese starke Dynamik sind auch Maßnah- entierten Wachstumsunternehmen, die nach 2004 men der Politik in den letzten Jahren, die darauf abziel- gegründet wurden und mindestens zwei Beschäftigte ten, die Rahmenbedingungen für Startups und Scaleups sowie ihren Hauptsitz in Deutschland haben. Damit hierzulande zu verbessern. Dazu zählen auch die ver- sind sowohl neu gegründete Startups als auch die be- besserten Möglichkeiten der VC-Finanzierung in der reits in der Wachstumsphase befindlichen Scaleups Frühphase in den vergangenen Jahren. Daten des Bun- Teil unserer Auswertung. Diese Liste mit Startups und desverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaf- Scaleups wurde anschließend manuell geprüft und ten (BVK) zeigen: Die VC-Investments in Deutschland um Fehleinträge bereinigt.8 So konnten wir insgesamt weisen in den Jahren 2010 bis 2015 eine durchschnitt- gut 11.300 Startups und Scaleups ermitteln und die liche jährliche Wachstumsrate von nur 4% auf, in den Zahl der Beschäftigten für die Jahre 2018 bis 2020 aus- Jahren 2015 bis 2019 hingegen eine Wachstumsrate von werten.9 28% – also im Vorfeld der beobachteten Beschäftigungs- effekte bzw. im Gleichklang mit diesen. Das Wachstum Blickt man auf die direkten Beschäftigungseffekte für der VC-Finanzierung hat als wesentlicher Treiber eines die seit 2005 gegründeten Startups und Scaleups für Beschäftigungswachstums gewirkt. 19
F Jobmotor Startups und Scaleups: Startups und Scaleups weisen sowohl prozentual als auch absolut [in 1.000 Personen] eine besondere Wachstumsdynamik auf -1% 1.467 1.487 1.454 55%1 415 341 STARTUPS DAX302 267 2018 2019 2020 2018 2019 2020 1 ufgrund schwankender Datenqualität zwischen den untersuchten Jahren ist davon auszugehen, dass die absoluten Beschäftigtenzahlen insbesondere im A Jahr 2018 unterschätzt und dementsprechend das Wachstum überschätzt wird 2 Anzahl der Beschäftigten in DAX30-Unternehmen in Deutschland Quelle: Geschäftsberichte, Dealroom, Roland Berger 3.2 Kuchens, wenn man Startups und Scaleups nach Alter, Wo entstehen die meisten Arbeitsplätze? Beschäftigungszahl und Sektoren vergleicht? Allgemein Eine Differenzierung nach Alter, lässt sich sagen, dass die Zahl der Beschäftigten bei den Beschäftigungszahl und Sektor der 2015 oder später gegründeten Unternehmen stärker als Unternehmen bei den etablierten Unternehmen gewachsen ist. Gerade diese Firmen profitieren also von den verbesserten Rah- menbedingungen der letzten Jahre. Das aber sollte kein Wo genau entstehen diese Arbeitsplätze? Wie verteilen Anlass sein, sich zufrieden auf die Schulter zu klopfen. sich die einzelnen Stücke des immer größer werdenden Im Gegenteil: Ein derart rasantes Wachstum verdeut- 20
3 Wirtschaftswunder 2.0? licht, was in Zukunft in Deutschland möglich ist und G V iel Output durch mittelgroße Unternehmen: welches Potenzial verspielt wird, wenn der politische Beschäftigtenentwicklung von Startups und Elan hinsichtlich der Verbesserung der Rahmenbedin- Scaleups geclustert nach Unternehmensgröße gungen nachlässt. VERTEILUNG DER JOBS AUF STARTUPS UND SCALEUPS Aus dem Alter eines Startups oder Scaleups lässt sich JE NACH GRÖSSE DER BESCHÄFTIGTENANZAHL aber nicht generell auf dessen Größe schließen. Wie verteilen sich also die Beschäftigungsimpulse, wenn 18% 23% man Startups und Scaleups hinsichtlich der Anzahl ih- >5.000 2-50 rer Beschäftigten unterscheidet? Auf Unternehmen mit einer Größe zwischen 51 und 500 11% Ca. 1.001-5.000 415.000 Mitarbeitenden entfallen 40% der 415.000 Arbeitsplät- Jobs ze, wobei Unternehmen dieser Größe nur 12% der un- tersuchten Firmen bilden. Hier schaffen also wenige 9% Player besonders hohe Beschäftigungsimpulse. Unter- 501-1.000 40% 50-500 nehmen der Größe von 2-50 Mitarbeitenden hingegen machen 87% der Firmen aus und in ihnen arbeiten 23% der 415.000 Beschäftigten. Gemeinsam entfallen also VERTEILUNG DER ANZAHL VON STARTUPS UND fast zwei Drittel der 415.000 Jobs auf Unternehmen mit SCALEUPS JE BESCHÄFTIGTENANZAHL einer Größe von 2-500 Mitarbeitenden. →G 0,3% 0,1% 1.001-5.000 >5.000 0,5% Schließlich ist noch zu prüfen, in welchen Geschäftsfel- 501-1.000 11,9% dern Startups und Scaleups am häufigsten aktiv sind und 50-500 Arbeitsplätze schaffen. Abbildung 8 zeigt, dass die Zahl der Beschäftigten im Sektor „Konsumgüter“ in absoluten Zahlen am höchsten ist. Das könnte sich allerdings bald 2020/ ändern, weil insbesondere die Bereiche „Fintech“, „Un- 2021 ternehmenssoftware“ oder „Transport und Reisen“ ein starkes, prozentuales Wachstum verzeichnen. Mit einer Zunahme der Beschäftigung um 83% bzw. 68% ragen sie 87,2% selbst unter den allgemein hohen Zuwachsraten hervor. 2-50 →H Quelle: Dealroom, Roland Berger 21
H Die digitale Arbeitswelt der Zukunft: Die meisten Beschäftigten sind im Bereich Konsumgüter tätig, Fintechs wachsen am schnellsten BESCHÄFTIGTE IM JAHR 2020 JE SEKTOR ['000] UND JEWEILIGE WACHSTUMSRATE VON 2018 BIS 2020 [%]1 +39% +68% +38% +68% +65% +83% +45% +59% +51% +77% +61% 87 76 Top-3-Wachstumssektoren 46 45 38 28 28 26 18 12 11 Konsumgüter Medien & Gesundheits- Halbleiter & HR Andere (z.B. Mode) Marketing wesen Robotik Transport Unterneh- Fintech Energie Bildung & Reisen menssoftware 1 nalog zu Abbildung 6 gilt auch hier, dass die absolute Beschäftigungszahl im Jahr 2018 tendenziell unterschätzt und das Wachstum daher eher überschätzt A wird; die hier angegebenen Wachstumsraten geben aber einen Überblick darüber, welche Branchen stärker und welche schwächer gewachsen sind Quelle: Dealroom, Roland Berger 3.3 den weltweit und in Europa führenden Startup-Natio- Deutschland hinkt hinterher – nen hinterher. Insbesondere im Vergleich mit den USA ein internationaler Vergleich zeigt sich ein erheblicher Nachholbedarf, damit aber zugleich auch ein enormes Potenzial, das in Deutsch- land brachliegt. Wie schneiden deutsche Startups und Scaleups hinsicht- lich der Beschäftigtenentwicklung im internationalen Derzeit sind 415.000 Menschen für deutsche Startups Vergleich ab? Auf den Punkt gebracht: Deutschland hinkt und Scaleups tätig. Das ist ein guter Anfang, aber bislang 22
3 Wirtschaftswunder 2.0? machen diese Beschäftigten nur rund 0,9% der insge- I Deutschland hinkt hinterher: In den USA samt 44,7 Millionen Beschäftigten in Deutschland aus. und Israel ist der prozentuale Anteil von In den USA liegt der entsprechende Wert bei fast 8,4%, Beschäftigten in Startups und Scaleups an in Israel immerhin bei rund 5,4%. →I der Gesamtbeschäftigung deutlich höher Diese Zahlen zeigen das große Potenzial, das in einer 8,4% dynamischen Entwicklung der Gründungsszene steckt. Vor allem, wenn man die zuvor erläuterten indirekten Beschäftigungseffekte mitberücksichtigt.11 Welche Konsequenzen hätte es, wenn Deutschland hin- sichtlich des Anteils der Beschäftigten bei Startups und 5,4% Scaleups an der Gesamtbeschäftigung zumindest das Niveau von Ländern wie Schweden und Großbritannien und damit von europäischen Spitzenreitern erreichen würde? Und welche Jobdynamik könnte in Deutschland entstehen, wenn Deutschland hinsichtlich des Anteils der Beschäftigten bei Startups und Scaleups sogar das 2,2% 2,1% Niveau der USA erreichen würde? Bezüglich dieser Fra- gen liefern wir am Beginn des nächsten Kapitels ein Zukunftsszenario, indem wir den potenziellen deut- 0,9% schen „Entwicklungspfad“ der Beschäftigungsentwick- lung in Startups und Scaleups unter Annahme interna- Deutsch- Schweden UK Israel USA tionaler Vergleichswerte errechnen. land Als Beschäftigungsmotor sind Startups und Scaleups in 1 er Dealroom-Datensatz wurde um Spin-offs deutscher Niederlassungen D internationaler Konzerne u.Ä. bereinigt. Insgesamt wurde die Anzahl der Deutschland nicht mehr wegzudenken. Wenn in den in Startups Beschäftigten in Deutschland um 22,6% nach unten korrigiert. Eine Korrektur in selbiger Höhe wurde für die Peer-Länder vorgenommen. nächsten Jahren neue Jobs entstehen, dann gibt es gute Chancen, dass sie in einem der vielen boomenden Tech- Quelle: Dealroom, Oxford Economics, Roland Berger Bereiche geschaffen werden: in einem B2B-Software-, Fintech- oder Health-Startup. tenzialwachstum zu realisieren. Wie stark Startup- und Das gilt umso mehr, weil die Voraussetzungen für die Scaleup-Jobs in den nächsten Jahren wachsen könnten, Branche als Ganzes nie günstiger waren, endlich ihr Po- zeigt folgende Hochrechnung. →J 23
J Enormes Potenzial: In Deutschland könnten 2030 bis zu 3,7 Millionen Arbeitsplätze in Startups und Scaleups entstehen BESCHÄFTIGUNGSPOTENZIAL DEUTSCHER STARTUPS 3.733 UND SCALEUPS IM JAHR 2030 ['000] 2.385 938 974 415 Startup- Startup- Startup- Startup- Startup- Beschäftigte Beschäftigte auf Beschäftigte auf Beschäftigte auf Beschäftigte auf 2020 Schweden-Niveau UK-Niveau Israel-Niveau US-Niveau Ausgangspunkt der Berechnung ist der Quotient aus in Startups Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung im jeweiligen Land 2020. Dieser wird in den Säulen dargestellt. Berücksichtigt werden Startups, die ab dem Jahr 2005 gegründet wurden, mindestens zwei Mitarbeitende und ein HQ im jeweiligen Land haben. Quelle: Oxford Economics, Dealroom, Roland Berger Ausgangspunkt sind die Anteile der Mitarbeitenden in In den letzten zwei Jahren schufen Startups und Scale- Startups und Scaleups an allen Beschäftigten im jewei- ups pro Jahr durchschnittlich 74.000 neue Jobs. Das ist ligen Land im Jahr 2020 (wie bereits in Kapitel 3 vorge- zunächst eine beeindruckende Dynamik. Aber: Wenn stellt). Diese Anteile haben wir ins Verhältnis zu der für sich das Wachstum der Startup- und Scaleup-Beschäf- 2030 prognostizierten Gesamtbeschäftigung in Deutsch- tigten in dieser Größenordnung fortsetzt, benötigt land gesetzt. Das Ergebnis ist keine Prognose der für Deutschland gut sieben Jahre, um einen ähnlich hohen 2030 zu erwartenden Beschäftigungseffekte von Startups Anteil an Mitarbeitenden in Startups und Scaleups zu und Scaleups. Stattdessen öffnet die Analyse die Augen erreichen wie Schweden oder Großbritannien.12 Wenn für das Potenzial, das ein vitales Gründungsökosystem das Gründungsökosystem auf dem Arbeitsmarkt hinge- für die deutsche Volkswirtschaft insgesamt entfalten gen eine ähnliche Bedeutung gewinnen soll wie in Isra- kann. el oder den USA, müssten Startups und Scaleups in 24
3 Wirtschaftswunder 2.0? Deutschland jedes Jahr 200.000 (prozentuales Beschäf- male Founders Monitor zeigt auf Basis seiner Kriterien tigungsniveau Israel) oder sogar 330.000 (prozentuales einen Gründerinnenanteil von immerhin 15,7% für 2019. Beschäftigungsniveau USA) neue Stellen schaffen. Im Tatsächlich steigt der Anteil von Gründerinnen am „Israel-Szenario“ würden 2030 in etwa 2,4 Millionen Gründungsgeschehen seit mehreren Jahren kontinuier- Menschen in Deutschland in einem Startup oder Scaleup lich leicht an. Diese allmähliche Verbesserung kann aber arbeiten. Im USA-Szenario wären es rund 3,7 Millionen nur ein Anfang sein, denn die Stärkung von Gründerin- Menschen. Rechnet man die mittelbaren Beschäfti- nen ist einer der wichtigsten Bausteine, um als Volks- gungseffekte hinzu, ergibt sich ein gewaltiges Potenzial wirtschaft im Vergleich zu Startup-Nationen wie den für den deutschen Arbeitsmarkt. USA und Israel aufzuschließen. →K Klar ist: Die hohe Beschäftigung in Startups und Scale- ups in Israel und den USA ist nicht aus dem Nichts K Zu wenig Gründerinnen: Frauenanteil in ausge- entstanden. Sie lässt sich auch nicht ohne Weiteres ko- wählten Studienfächern im Vergleich mit dem pieren. Doch wenn Deutschland eine Vielzahl guter, Anteil der Gründerinnen [%] zukunftstauglicher Jobs schaffen will, muss es sich an den Besten orientieren – und darauf hinarbeiten, Startup- und Scaleup-Potenzial bestmöglich zu fördern. Studierende insgesamt Wie realistisch ist es, dass Deutschland zur Startup- Nation13 wird? Die Antwort auf diese Frage hängt maß- geblich davon ab, ob es Deutschland schafft, seine Grün- Studierende im dungsbasis zu verbreitern. Erklärtes Ziel für die Zukunft Fach Informatik muss es sein, noch mehr Talente zur Unternehmens- gründung zu motivieren. Das gilt für alle Bevölkerungs- gruppen, aber speziell für Frauen. Denn aktuell sind sie Studierende im Fach BWL in der Gründungsszene deutlich unterrepräsentiert. Mehr Gründerinnen würden aber nicht nur mehr Start- Gründerinnen ups bedeuten, sondern automatisch auch mehr Beschäf- und Gründer von tigung. Startups in Deutschland Mithilfe unserer Datenbasis, die bis 2004 zurückreicht und nur Gründungen berücksichtigt, die bereits Mit- 10 PERSONEN arbeitende beschäftigen, können wir einen Gründerin- nen-Anteil von mageren 10 Prozent ermitteln. Der Fe- Quelle: Dealroom, Destatis, Roland Berger 25
4 EIN POSITIVER „SCHNEEBALLEFFEKT“: WIE STARK DIE DEUTSCHE GRÜNDUNGSSZENE VON MEHR EXITS PROFITIEREN KÖNNTE
4 Ein positiver „Schneeballeffekt“ Ob es eine gute Geschäftsidee aus der Ideenphase hin- Technologieentwicklung oft Jahre benötigen, ehe sie ein ausschafft, hängt maßgeblich von der Kapitalausstat- erstes Produkt auf den Markt bringen können. tung eines Startups ab. In den zurückliegenden Jahren konnte Deutschland in dieser Hinsicht aufholen. Die Die Finanzierungslücke in einem späteren Stadium ist Wahrscheinlichkeit, dass es ein Startup aus der Seed- aber noch aus einem weiteren Grund besorgniserregend. Phase zu einem Unicorn schafft, hat zugenommen und Eine mangelhafte Kapitalausstattung wirkt sich nämlich lässt sich inzwischen mit den USA vergleichen.14 Ein stark negativ auf das Arbeitsplatzwachstum aus. Umge- erster Erfolg, auf dem sich die Politik und Investoren kehrt gilt: Blieben größere Finanzierungsrunden in aber nicht ausruhen sollten. Denn ob Wachstumsunter- Deutschland nicht länger die Ausnahme, hätte das einen nehmen ihr volles Potenzial entfalten könnten, hängt stark positiven Beschäftigungseffekt. →L maßgeblich davon ab, ob ihnen ein erfolgreicher Exit gelingt. L Begrenzte Wachstumschancen: durchschnitt- liche Größe der Finanzierungsrunden in Europa 4.1 im Vergleich zu den USA im Jahr 2020 [Mio. EUR] Nach wie vor Finanzierungslücken in der Spätphase Europa 8,8 USA Was das Volumen der Anfangsfinanzierungsrunden be- 83% trifft, hat Deutschland inzwischen Boden zu den USA 5,7 gutgemacht. Zumindest in der Angel & Seed-Phase gibt 4,8 es nur noch geringfügige Unterschiede zwischen beiden Ländern. Ein völlig anderes Bild ergibt sich allerdings in den späteren Runden innerhalb der Early-Stage- sowie insbesondere in den Late-Stage-Finanzierungs- 1,8 runden. Für Letztere ist das durchschnittliche Deal-Vo- 1,0 1,2 lumen in den USA um 83 % höher als in Europa. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Wenn Scaleups in diesem Stadium Wachstumskapital fehlt, können sie Angel & Early Stage Late Stage leicht von Konkurrenten abgehängt werden. Das betrifft Seed1 insbesondere „Winner-takes-all“-Märkte, wie sie zum 1 In den USA werden Angel & Seed-Finanzierungen getrennt ausgewiesen, daher wird hier der Durchschnitt aus beiden Median-Werten dargestellt Beispiel für Plattform-Geschäftsmodelle typisch sind. Es betrifft aber auch „Deeptech“-Startups, die für ihre Quelle: Pitchbook, Roland Berger 27
M IPOs in Deutschland: Emissionsvolumen von auswirkt. So hat die Häufigkeit der Börsengänge in den Börsengängen im Jahr 2020 letzten Jahren zwar zugenommen, das volle Potenzial wird hierzulande aber noch nicht ausgeschöpft. Mit dem EMISSIONSVOLUMEN BEIM IPO IPO-Boom in den USA und China aus dem vergangenen [MIO. USD] Jahr konnte Deutschland nicht Schritt halten. Zum Vergleich: Die drei größten amerikanischen Börsen- 3.510 Debütanten des letzten Jahres sammelten jeder für sich 3.370 3.360 genommen doppelt so viel Investorengeld ein wie alle deutschen IPOs im Jahr 2020 zusammen. →M Gründe für den schwächelnden deutschen IPO-Markt gibt es viele. Immer wieder werden eine weniger stark ausgeprägte Aktienkultur, regulatorische Hürden oder eine fehlende Risikobereitschaft als Erklärung genannt. Fest steht, dass Scaleups ohne einen funktionierenden 1.566 heimischen Kapitalmarkt in ihrem Wachstum gebremst werden. Die VC-Runden fallen dann geringer aus, weil Kapitalgeber die geringere IPO-Wahrscheinlichkeit ein- preisen. Gleichzeitig wächst die Abhängigkeit von ein- zelnen Investoren. Beides wirkt sich negativ auf das jeweilige Unternehmenswachstum aus – und damit auch auf die Beschäftigung. Airbnb DoorDash Snowflake Deutschland gesamt 4.2 „Soonicorns“ und die Hoffnung auf Quelle: Morningstar, Deutscher Bundestag, Roland Berger einen neuen IPO-Boom in Deutschland Um zu verstehen, wie viel Potenzial der deutschen Die Unterversorgung bei Late-Stage-Finanzierung ist aber Volkswirtschaft durch nicht realisierte IPOs verloren nicht das einzige Problem. Im internationalen Vergleich geht, hilft ein Blick auf die Zahlen. Eine neue Analyse gelingt deutschen Scaleups noch viel zu selten der Sprung von Dealroom und der Deutschen Börse zeigt, dass die an die Börse, was sich genauso nachteilig auf ihre Kapi- Summe der Bewertungen von öffentlich gelisteten talausstattung und damit auch ihre Wachstumschancen Wachstumsunternehmen insgesamt deutlich schneller 28
4 Ein positiver „Schneeballeffekt“ gestiegen ist als die von nicht börsennotierten Unter- nehmen. Genau genommen um das 7,5-Fache statt um Börsennotierte das 4,4-Fache. Daraus lässt sich ableiten, dass auf den öffentlichen Märkten gelistete Unternehmen ihr Ge- schäftsmodell schneller skalieren können. Steht die Scaleups IPO-Option hingegen nicht zur Verfügung, droht ein entscheidender Wettbewerbsnachteil. wachsen deutlich Noch wichtiger ist allerdings der positive „Schnee- balleffekt“, der sich nach erfolgreichen Exits zeigt, wie bspw. durch Börsengänge von jungen Wachstumsunter- schneller als nehmen. Nach den erfolgten Exits fließt der IPO- oder Verkaufserlös nämlich zu einem nicht geringen Anteil wieder zurück in das Startup-System. Denn Gründerin- nicht gelistete nen und Gründer gründen in vielen Fällen neue Unter- nehmen oder werden zu Serien-Entrepreneuren. Sie geben dadurch ihr Wissen an die nächste Startup-Gene- Wachstums- ration weiter und erhöhen so die Erfolgschancen von Neugründungen. Gleiches gilt für Investoren, die nach einer erfolgreichen IPO in der Lage sind, größere Fonds unternehmen. aufzulegen, und damit künftig auch größere Finanzie- rungsrunden stemmen können. Die positiven Exit-Effekte verstärken sich über die Zeit. Sie tragen dazu bei, dass das Tech-Ökosystem als Ganzes wächst – und zwar im besten Fall nicht linear, sondern exponentiell. Erste Anzeichen dieser Dynamik lassen sich in Deutschland bereits beobachten, auch wenn das Gesamtpotenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft wurde. Dass immer mehr europäische Tech-Startups den hei- mischen Kapitalmarkt für ihr Börsendebüt bevorzugen, ist zumindest eine gute Nachricht. Laut Zahlen der Deut- 29
N Wachstumstreiber IPO: Infolge ihres Börsengangs konnten deutsche Scaleups Umsätze und Mitarbeiterzahlen weiter steigern Umsatzwachstum seit IPO x7 mynaric x6 Delivery Hero x5 Shop Apotheke x4 Hello Fresh Zalando x3 Akasol x2 x1 0 100 1.000 10.000 100.000 Neue Arbeitsplätze seit IPO (logarithmische Skala) Quelle: Dealroom, Deutsche Börse Venture Network schen Börse haben sich 87% der öffentlich gelisteten ropäische Ausland (vgl. Box zur deutschen Biotech-Bran- deutschen Tech-Unternehmen für einen IPO im Heim- che), die sich (aus den beschriebenen Gründen) nachtei- markt entschieden. Ob diese positive Entwicklung anhält, lig auf das europäische Startup-Ökosystem auswirken wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Einerseits könnte. wächst der Anteil unter den inzwischen über 90 „Sooni- corns“ in der DACH-Region, die über einen Börsengang Neue Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass ohne oder M&A-Deal nachdenken. Andererseits zeigt sich in ein ausgeglichenes Verhältnis von heimischen und aus- einigen Fällen eine Abwanderungstendenz ins außereu- ländischen Investoren eine Verlagerung der Wertschöp- 30
4 Ein positiver „Schneeballeffekt“ fung droht. So steigt beispielsweise die Wahrscheinlich- keit eines Exits in den USA, wenn sich amerikanische VCs an europäischen Startup-Finanzierungsrunden DEUTSCHE BIOTECH- beteiligen. Eine ähnliche Dynamik ist bei der Abwande- FIRMEN ZIEHT ES IN DIE USA. rung von Serien-Entrepreneuren festzustellen.15 Der deutschen Volkswirtschaft könnte dadurch wertvolles Know-how verloren gehen. Außerdem besteht die Ge- fahr, dass die zuvor beschriebene Kreislaufdynamik Deutsche Biotech-Unternehmen haben sich zu amerika- gehemmt wird und sich die gewünschten „Schneeball- nischen Börsenlieblingen gewandelt. Das zeigte spätes- effekte“ nicht in voller Bandbreite realisieren lassen. tens das beachtliche Debüt der Tübinger Firma Curevac Dass es auch anders geht, hat jüngst eine kleine Riege im Sommer 2020 an der Technologiebörse Nasdaq. Mit deutscher Unicorns gezeigt. Der Online-Versandhändler einem Kursgewinn von 250 Prozent setzte der Impfstoff- Zalando, der Kochboxen-Anbieter Hello Fresh und der hersteller selbst für amerikanische Verhältnisse einen Essenslieferdienst Delivery Hero haben zwei Dinge ge- neuen Maßstab. Trotz dieses außergewöhnlichen Erfolgs meinsam: Sie haben erstens in den letzten Jahren ein passt der Curevac-IPO in ein Muster, das sich bereits seit überaus erfolgreiches Börsendebüt in Deutschland hin- gelegt und konnten zweitens seither ein rasantes Job- Längerem abzeichnet: Deutsche Biotech-Unternehmen wachstum verzeichnen. Zusammen schufen die drei vollziehen ihren Börsengang mithilfe ihrer US-Standorte Scaleups seit ihren IPOs rund 27.000 neue Arbeitsplätze. in den USA, weil sie dort ein positiveres Marktumfeld vor- Eine Entwicklung, von der auch der heimische Arbeits- finden. Aus Sicht der Unternehmen lassen sich an der markt stark profitiert. →N Wall Street im Schnitt deutlich höhere Bewertungen er- Der finale Lackmustest für den deutschen Kapitalmarkt zielen, weil amerikanische Analysten die technologischen steht aber noch aus. Aktuell befinden sich in Deutsch- Innovationen besser einschätzen können und Investoren land rund 15 Unicorns in den Startlöchern. Das Berliner dort insgesamt risikofreudiger sind. In der Summe hat Gebrauchtwagenportal AUTO1 hat die Unicorn-Riege das dazu geführt, dass allein in den zurückliegenden drei indes Richtung Börse verlassen. Anfang des Jahres ge- lang ihm der bis dahin erfolgreichste deutsche IPO seit Jahren sechs deutsche Biotech-Firmen ihren IPO in den Herbst 2019. Das AUTO1-Emissionsvolumen betrug USA vollzogen haben. Deutschland konnte hingegen im 1,8 Milliarden Euro – genug Kapital, um die nächste selben Zeitraum keinen einzigen Biotech-Börsengang Wachstumsphase einzuläuten. Ob die verbliebenen Uni- verzeichnen. corns dem Beispiel folgen können, hängt auch von den politischen Weichenstellungen der nächsten Jahre ab. 31
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