Brauchen wir eine Frauenquote? - ifo Institut
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Brauchen wir eine Frauenquote? 3 Das Bundesjustizministerium und das Bundesfamilienministerium wollen einen Gesetzesvorschlag einbringen, der den Unternehmen vorgibt, auf Führungsebene eine eigene Frauenquote festzule- gen und zu veröffentlichen. Ist eine Quote für Frauen in Führungspositionen sinnvoll, oder scha- det sie der Gleichstellung der Frauen? Brauchen wir eine Frauen- tut für Wirtschaftsforschung, das regelmä- quote für Aufsichtsräte? ßig auswertet, wie sich der Frauenanteil un- ter den Führungskräften entwickelt, in sei- »Willkommen in der Macho-AG.In Sachen nem jüngsten Führungskräfte-Monitor zu weibliches Top-Management ist Deutsch- folgendem Fazit: »Das Versprechen der Pri- land ein Entwicklungsland«, heißt es in ei- vatwirtschaft zur Verbesserung der Chan- nem Beitrag der Wirtschaftswoche vom cengleichheit von Frauen und Männern aus 4. August 2008 mit Blick darauf, dass sich dem Jahr 2001 wartet bei den Führungs- die Spitzenpositionen in der deutschen positionen noch auf seine Einlösung.« Wirtschaft immer noch fest in Männer- hand befinden. Das gilt auch für die Auf- Die Bundesregierung setzt dennoch wei- sichtsräte, die die Geschäftsführung ei- ter auf freiwillige Selbstverpflichtungen nes Unternehmens kontrollieren sollen, der Unternehmen. Sie will sich nicht fest- den Vorstand ernennen und weitreichen- legen, wann und wie eine höhere Betei- Barbara Steffens* de Entscheidungen genehmigen. Wich- ligung von Frauen in Aufsichtsräten er- tige Kontrollgremien also, in denen Frau- reicht werden soll. Der geplante Stufen- en leider kaum zu finden sind. Ihr Anteil plan ist nicht terminiert und wird unver- liegt in den Aufsichtsräten der 200 größ- bindlich bleiben, denn Sanktionen sind ten deutschen Unternehmen bei nur nicht vorgesehen. So kommt die Gleich- 9,8%, wie die jüngsten Zahlen des Deut- stellung von Frauen in Aufsichtsgremien schen Instituts für Wirtschaftsforschung in den nächsten Jahren nicht voran. Ei- belegen. Dass es überhaupt so viele sind, ne wichtige Chance wird vertan! ist vor allem den deutschen Mitbestim- mungsregeln zu verdanken: Mehr als 70% Andere Länder Europas sind wesentlich der Frauen, die derzeit ein Aufsichtsrats- weiter. Am konsequentesten und erfolg- mandat inne haben, vertreten die Seite reichsten ist dabei Norwegen. Nach ei- der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. ner freiwilligen Vorlaufphase mit umfang- Die Aufsichtsratspositionen, die von den reichen Weiterbildungsangeboten und Anteilseignern zu besetzen sind, sind nur dem Aufbau einer Datenbank mit poten- zu 4% von Frauen besetzt. tiellen Kandidatinnen müssen seit 2006 per Gesetz mindestens 40% der Sitze in Deutschland hat also erhebliche Defizite Aufsichtsräten börsennotierter Unterneh- in Sachen Gleichstellung in der Privatwirt- men von Frauen besetzt sein. Sanktio- schaft. Nicht nur kostspielige Bildungsin- nen bis zum Verlust der Börsennotierung vestitionen werden so vergeudet, den Un- sind dabei vorgesehen. Trotz anfängli- ternehmen gehen auch kostbare kreative chen Widerstands aus der Wirtschaft ist Potentiale verloren. Überdies bleibt die Ar- das Gesetz inzwischen höchst erfolgreich beitsmarktdynamik ungenutzt, die eine er- umgesetzt. Auch die Niederlande setzt höhte Frauenerwerbstätigkeit brächte. Un- auf eine Quote. Ab 2016 soll in Firmen verbindliche Abmachungen wie die »Ver- mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und einbarung zwischen der Bundesregierung Mitarbeitern nicht nur der Aufsichtsrat, und den Spitzenverbänden der deutschen sondern auch der Vorstand zu mindes- Wirtschaft zur Förderung der Chancen- tens 30% mit Frauen besetzt sein. Die- gleichheit« aus dem Jahr 2001 sind ge- ser Gesetzentwurf hat bereits die Zweite scheitert. So kommt das Deutsche Insti- Kammer passiert. * Barbara Steffens ist Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nord- Verbindliche Quoten werden auch in Bel- rhein-Westfalen. gien und Österreich diskutiert. Belgien 63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 17/2010
4 Zur Diskussion gestellt zum Beispiel plant eine Quote von mindestens 30% in den Allein die wirtschaftliche Vernunft legt es also nahe, mehr Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Der Vorschlag Frauen ins Top-Management zu holen. Die McKinsey-Stu- stammt übrigens von der christdemokratischen Senatorin die bezeichnet die Erhöhung des Frauenanteils deshalb fol- Sabine de Bethune. In Österreich sieht der Stufenplan von gerichtig als »Imperativ für die Wettbewerbsfähigkeit« der Familien- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek für Unternehmen. Dabei geht es nicht nur darum, ob Frauen staatsnahe Betriebe eine Quote von 25% bis 2013, und tatsächlich die besseren Managerinnen sind – wofür man- von 40% bis 2018 vor. Ähnliches plant Großbritannien. Und ches spricht. Es geht auch um Unternehmenskultur: Viel- auch in Frankreich hat eine verbindliche Frauenquote von falt nutzt Unternehmen, während geschlechtliche Einfalt 40% in Aufsichtsgremien börsennotierter Unternehmen die schadet. Reine Männerwirtschaft, wie sie in Deutschland ersten parlamentarischen Hürden genommen. Damit das praktiziert wird, lässt beispielsweise die Motivation der Mit- Gesetz in Kraft tritt, muss allerdings noch der Senat zu- arbeiterinnen und Mitarbeiter genauso sinken wie die Pro- stimmen. Viele Konzerne haben jedoch schon reagiert und duktivität. Heiner Thorborg, einer der bekanntesten Perso- Frauen in ihre Gremien geholt. nalberater in Deutschland, formuliert es so: »Homogen männlich besetzte Topmanagement-Gruppen entwickeln oft Kurz: Die Frauenquote erobert Europa. einen Korpsgeist, der in weniger elitären Zirkeln Betriebs- blindheit genannt wird.« Recht hat er! Nicht ohne Grund Auch die neue nordrhein-westfälische Landesregierung will tritt auch Thorborg für eine gesetzliche Quote ein. dazu beitragen, dass Deutschland den europäischen Stan- dard bei der Gleichstellung erreicht. Deshalb werden wir uns Mit Frauen ziehen also auch andere Sichtweisen und ein an- im Bundesrat für eine Quotierung von Aufsichtsräten in bör- derer Stil in den Aufsichtsrat ein. Dies bedeutet nicht, wie es sennotierten Unternehmen einsetzen. An Rhein und Ruhr der ehemalige Vorsitzende der Regierungskommission Deut- scher Corporate Governance Kodex, Gerhard Cromme, ein- wollen wir zudem Maßnahmen ergreifen, um eine geschlech- mal gesagt hat, dass der Aufsichtsrat zum »Kaffeekränzchen« terparitätische Besetzung von Aufsichts- und Verwaltungs- wird. Im Gegenteil. So stellt das Conference Board of Cana- räten in landeseigenen sowie kommunalen Betrieben und da bei weiblichen Aufsichtsräten ein stärkeres inhaltliches In- Gesellschaften zu erreichen. teresse und einkonsequenteres Nachhaken bei kritischen The- men fest. Auch das zeigt: Auf Frauen zu verzichten, bedeu- Dabei sind wir nicht allein. Netzwerke wie die Initiative Frau- tet Verzicht auf Professionalität und Effizienz. en in die Aufsichtsräte (FidAR) oder der Deutsche Juristin- nenbund engagieren sich seit Jahren für mehr Frauen in Unternehmen, die keine oder nur wenige Frauen in Füh- der Wirtschaft. Sie sind Türöffnerinnen für den Vorschlag, rungspositionen haben, sollten sich auch fragen, welchen Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen zu quotieren. Eindruck sie auf Frauen als Kundinnen, als Geschäftspart- Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder, die nerinnen und als potentielle Mitarbeiterinnen machen. Kaum Frauen Union der CDU und auch Vertreter der Wirtschaft vorstellbar, dass Unternehmen mit einem rein männlichen wie der ehemalige Chef des Bundesverbandes der Deut- Top-Management auf hervorragende weibliche Führungs- schen Industrie, Hans-Olaf Henkel, sind sicher alles ande- kräfte attraktiv wirkt. Solche Firmen werden künftig sicher re als »Quoten-Fans«, aber sie eint die Einsicht: Es geht stärker die bittere Erfahrung machen, dass sich hochquali- nicht mehr ohne Quote. »Die Frauenquote hilft, den Über- fizierte Frauen anderen Unternehmen zuwenden. gang zur neuen Normalität zu beschleunigen«, schreibt da- zu der Chefredakteur des Handelsblatts Gabor Steingart. Neben all den positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft ist die Die neue Normalität – das ist eine Wirtschaftswelt, die sich geschlechtergerechte Teilung von Macht zugleich auch ein der Potentiale von Frauen bewusst ist und sie für sich zu wichtiger Schritt zu einer gerechteren und demokratischeren nutzen weiß. Gesellschaft. In der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages vom Mai 2008 betonte der ehemalige norwegi- Tatsächlich gibt es gute Gründe, die für Frauen in Spitzen- sche Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen: »Frauen reprä- positionen sprechen. So machen Studien etwa von Cata- sentieren 50% der Bevölkerung unseres Landes, und da gibt lyst oder McKinsey deutlich, dass Führungsgremien aus es keine guten Gründe dafür, dass sie nur 6% der Mitglieder Männern und Frauen ökonomisch erfolgreicher sind als rei- in den Führungsgremien der Aktiengesellschaften stellen sol- ne Männergremien. Demnach erzielen Firmen mit vielen Frau- len.« Ähnlich sieht es Klaus-Peter Müller, Vorsitzender der Re- en im Vorstand eine bis zu 48% höhere Eigenkapitalrendite gierungskommission Deutscher Corporate Governance Ko- als Unternehmen ohne Frauen im Vorstand. Die McKinsey- dex (DCGK): »Die Aufsichtsräte des Exportweltmeisters Studie stellt allerdings auch fest, dass in einem Entschei- Deutschland sind immer noch zu national und zu männlich.« dungsgremium mit zehn Personen mindestens drei Frau- envertreten sein müssen, um Einfluss ausüben zu können. Tatsächlich repräsentieren sie nicht die gesellschaftliche Wirk- Die klassische Einzelkämpferin kann nichts verändern! lichkeit. Auch die Argumentation der Quotengegnerinnen ifo Schnelldienst 17/2010 – 63. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 5 und -gegner, gute Frauen setzen sich auch ohne Quote durch re Zusammensetzung benennen sollen, die abhängig von und mit »Quotenfrauen« würde die Leistungsfähigkeit der der jeweiligen unternehmensspezifischen Situation zu einer Aufsichtsräte sinken, zieht nicht. Soll das etwa bedeuten, angemessen Berücksichtigung von Frauen führen sollen. dass Frauen nicht genügend qualifiziert sind oder nicht aus- Weitere Empfehlungen der Kommission zielen auf die Be- reichende Leistungen bringen? Entscheidend sind andere rücksichtigung von Frauen bei der Zusammensetzung des Gründe. So wird bei der Besetzung von Aufsichtsratspos- Vorstands und bei der Besetzung von Führungspositionen ten noch immer stark vom Ähnlichkeitsprinzip ausgegangen im Unternehmen. Damit setzt die Kommission wichtige Im- und nur im »Old Boys«-Netzwerk gesucht, wie etwa Anet- pulse, aber ihre Anregungen sind nicht bindend. Zwar müs- te von Alemann in ihrer Studie »Chancenungleichheit im Ma- sen die Unternehmen darlegen, welchen Kodex-Empfeh- nagement. Begründungsmuster der Unterrepräsentanz von lungen sie nicht gefolgt sind, Sanktionen haben sie aber Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft« (2007) heraus- nicht zu fürchten. gefunden hat. Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchung lautet: Männer suchen Männer mit möglichst ähnlichem Eine gesetzliche Regelung zur Quotierung von Aufsichtsrä- beruflichen Profil sowie ähnlichen Denk- und Handlungswei- ten ist zweifellos ein wichtiger Schritt. Aber wir wollen Frau- sen und gleichen Ansichten aus. Leider wird das Prinzip en auch mit weiteren, flankierenden Maßnahmen fördern. nur langsam durchbrochen. Große Bedeutung hat in Norwegen das Schulungsprogramm »Female Future« des Norwegischen Unternehmensverban- Die Erfahrungen aus Norwegen zeigen eindrücklich, dass des, das Frauen auf ihre Arbeit als Aufsichtsrätinnen vorbe- die Einführung einer Quote ein nicht nur taugliches, sondern reitet. Mehr als die Hälfte der bisherigen Teilnehmerinnen auch notwendiges Mittel ist, um den Anteil von Frauen in sitzt mittlerweile in Kontrollgremien börsennotierter Unter- Führungsetagen börsennotierter Unternehmen zu erhöhen. nehmen oder kleinerer Gesellschaften. Ein ähnliches Quali- Auch in Norwegen hatte Freiwilligkeit keinen Erfolg. Erst das fizierungsprogramm – nicht nur für Frauen – wäre auch in Gesetz brachte die Wende. Noch vor der gesetzlichen Re- Deutschland sinnvoll. gelung lag der Frauenanteil in norwegischen Aufsichtsräten von Börsenunternehmen nur bei 7% (2003). Bis zu einem Eine Datenbank, in die sich potentielle Aufsichtsrätinnen ein- Stichtag 2005 sollte ein Frauenanteil von 40% in den Auf- tragen können, kann das Quotierungsziel ebenfalls unter- sichtsräten der Unternehmen erreicht sein. Das 2003 ver- stützen. Damit würde deutlich, dass es in Deutschland vie- abschiedete Quotengesetz sah ausdrücklich vor, dass die le qualifizierte Frauen gibt, die Aufsichtsratspositionen be- Quotenregelung nicht in Kraft treten sollte, wenn die Wirt- setzen können. Und selbstverständlich brauchen wir auch schaft die Quote bis zum Stichtag »freiwillig« erreicht. Die- Initiativen, die mithelfen, den Pool geeigneter Frauen für Füh- se, den Unternehmen zugebilligte Übergangsfrist, zeigte nur rungspositionen immer wieder mit neuen Kräften auszustat- wenig Erfolg. Erst nach Inkrafttreten des Gesetzes, das bei ten, etwa durch Mentoring-Programme, wie sie Nordrhein- Nichterfüllung den Unternehmen mit Verlust der Börsenno- Westfalen bereits seit Jahren fördert. Diese Programme tra- tierung droht, stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsratsgre- gen dazu bei, weibliche Führungskräfte systematisch aus mien auf 40%. der Mitte der Bevölkerung aufzubauen. Eine gesetzliche Quo- te wäre ein echter Quantensprung. Sie nutzt nicht nur den Und Deutschland? Es gibt zwar das ermutigende Beispiel Frauen, sondern trägt auch dazu bei, die Unternehmen dau- der Deutschen Telekom, die auf allen Managementebenen erhaft zukunftsfest zu machen. Und sie würde Frauen zu einen Frauenanteil von 30% erreichen will. Aber leider hat ihrem Recht verhelfen: die Hälfte der Macht. dieses Vorbild bislang niemand nachgeahmt. Daher brau- chen wir verbindliche Quotenvorgaben, die stufenweise an- steigen. Eine gesetzlich vorgegebene Quote wäre auch mit dem Grundgesetz und mit den gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen vereinbar, das zeigen juristische Gut- achten. Eine Regelung könnte so aussehen, dass bis 2013 zunächst 25%, bis 2017 dann 40% und bis 2021 etwa die Hälfte der Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften mit Frauen besetzt sein müssten. Um wirklich wirksam zu sein, muss das Nichterreichen der vorgegebenen Quote auch sanktionierbar sein. Dies ist übrigen sein großer Schwachpunkt der Empfehlun- gen der Regierungskommission Deutscher Corporate Go- vernance Kodex. Die Kommission hat zwar kürzlich be- schlossen, dass Aufsichtsräte künftig konkrete Ziele für ih- 63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 17/2010
6 Zur Diskussion gestellt nicht nur die seit vergangenem Jahr für Deutschland ver- bindliche Offenlegung der Vorstandsvergütung befolgen, sondern seit nun fast zehn Jahren auch darlegen, welche Maßnahmen sie im Hinblick auf zahlreiche Fragen des Um- welt- und Arbeitnehmerschutzes und eben auch im Hin- blick auf die Gleichstellung der Geschlechter unternom- men haben. Der Ansatz vertraut auf die soziale Kontrolle durch die Öffentlichkeit und die Anlageentscheidung des Investors, denen diese Fragen nicht gleichgültig sind. Mess- bare Erfahrungen, im Hinblick auf die Wirksamkeit dieses Mittels, bestehen freilich nicht. Dennoch geht man einen Schritt weiter: In Frankreich hat die Nationalversammlung am 20. Januar 2010 ein Gesetz zur Einführung einer ver- Gregor Thüsing* bindlichen Frauenquote von 20% nach drei und 40% nach sechs Jahren in den Kontrollgremien börsennotierter Ge- sellschaften und öffentlicher Unternehmen verabschiedet (Proposition de loi relative aux règles de cumul et d’incom- Transparenz statt Quote patibilité des mandats sociaux dans les sociétés anony- mes et à la représentation équilibrée des femmes et des Gesetzgeberische Maßnahmen zur hommes au sein des conseils d’administration et de sur- Geschlechtergerechtigkeit in veillance).2 Unternehmen, die bisher keine Frauen in ihren Führungspositionen können sinnvoll sein Vorständen bzw. (bei öffentlichen Unternehmen) Aufsichts- räten haben, müssen innerhalb einer Frist von sechs Mo- Die Ministerinnen wollen handeln. Deutsche Unternehmen naten nach Inkrafttreten des Gesetzes mindestens eine sollen künftig mehr Frauen in Führungspositionen und in den Frau berufen. Das Gesetz liegt der zweiten Kammer, dem Aufsichtsräten haben. Bundesjustizministerium und Bun- Senat, zur Entscheidung vor. desfamilienministerium wollen daher den Vorschlag eines Gesetzes einbringen, das den Unternehmen vorgibt, auf Ist ein weiterer Schritt nach vorne nun sinnvoll, gar notwen- Führungsebene eine eigene Frauenquote festzulegen und dig? Wer die Quote tatsächlich will und nicht nur als Damo- zu veröffentlichen.1 klesschwert androhen will, wie Ministerin Schröder sie ver- standen wissen will, der muss sagen, wieso er die Quote Das liegt im Trend der aktuellen Entwicklung. Bereits die jüngs- will. Denn nach ihren Zielen ist sie zu messen. In den USA te Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex wird der Sinn der board diversity sehr viel intensiver disku- ging in diese Richtung. So soll der Aufsichtsrat künftig kon- tiert als zurzeit hier noch. Sie ist nicht beschränkt auf die krete Ziele für seine Zusammensetzung benennen, die unter Frauenfrage, sondern erstreckt sich mit gleicher Breite auf Berücksichtigung der jeweiligen unternehmensspezifischen die angemessene Berücksichtigung von Ethnien.3 Wesent- Situation zu mehr Vielfalt und hier insbesondere zu einer an- liche Rechtfertigung ist hier das Ziel der Qualitätssicherung gemessenen Berücksichtigung von Frauen führen sollen. Die der Corporate Governance. Man beschwört die bessere Dis- Vorschläge des Aufsichtsrats an die Wahlgremien, insbeson- dere die Hauptversammlung und die zuständigen Ausschüs- 2 Gesetzgebungsprozess dokumentiert unter: http://www.senat.fr/dossier- se, sollen diese Ziele berücksichtigen. Wichtige Unterschie- legislatif/ppl09-291.html. de aber zeigen sich auf den ersten Blick. Der Kodex will nur 3 Aus der neueren Diskussion herausgegriffen: Nowicki, 30 Hamline J. Pub. eine »angemessene Berücksichtigung« und lässt offen, was L. & Pol'y 549 (2009); Sneirson, 88 Or. L. Rev. 491 (2009); Bromme, 33 J. Corp. L. 665 (2009). Zuvor bereits Branson, No Seat at the Table: How das ist; er formuliert ein Ziel, ohne es zu konkretisieren und Corporate Governance and Law Keep Women Out of the Boardroom den Weg dahin vorzugeben. Der Vorstoß der Ministerinnen (2007); Barnard, More Women on Corporate Boards? Not So Fast, 13 Wm. & Mary J. Women & L. 703 (2007); Dallas, The New Managerialism and setzt darauf, zwar kein zwingendes Recht zu schaffen, aber Diversity on Corporate Boards of Directors, 76 Tul. L. Rev. 1363 (2002); Transparenz im Hinblick auf den Stellenwert der Geschlech- Fairfax, Clogs in the Pipeline: The Mixed Data on Women Directors and Continued Barriers to Their Advancements, 65 Md. L. Rev. 579 (2006); tergerechtigkeit im Unternehmen zu schaffen. dies., The Bottom Line on Corporate Board Diversity: A Cost-Benefit Ana- lysis of the Business Rationales for Diversity on Corporate Boards, 2005 Das hat durchaus Vorbilder im Ausland. Börsennotierte Ak- Wis. L. Rev. 795; dies., Some Reflections on The Diversity of Corporate Boards: Women, People of Color, and the Unique Issues Associated with tiengesellschaften des französischen Rechts etwa müssen Women of Color, 79 St. John's L. Rev. 1105 (2005); Polden, Forty Years After Title VII: Creating an Atmosphere Conducive to Diversity in the Cor- porate Boardroom, 36 U. Mem. L. Rev. 67 (2005); Ramirez, Games * Prof. Dr. Gregor Thüsing ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht CEOs Play and Interest Convergence Theory: Why Diversity Lags in Ame- der sozialen Sicherheit der Universität Bonn. rica's Boardrooms and What to Do About It, 61 Wash. & Lee L. Rev. 1583 1 Vgl. die Rede der Ministerin Schröder am 4. März 2010 im Bundestag, (2004); ders., A Flaw in the Sarbanes-Oxley Reform: Can Diversity in the abrufbar http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Presse/reden,did=134074.html. Boardroom Quell Corporate Corruption?, 77 St. John's L. Rev. 837 (2003). ifo Schnelldienst 17/2010 – 63. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 7 kussionskultur in divers besetzten Gremien, man erhofft ei- anderen Geschlechts, der zurückgestellt wird bei gleicher ne bessere Informationsverarbeitung und eine größere Aus- Qualifikation. Er wird schlechter behandelt aufgrund eines wahl an geeigneten Kandidaten, man verweist auf die Sig- Umstands, für den er nichts kann, im Interesse eines allge- nalwirkung nach außen auch im Hinblick auf die Kunden des meinen politisch-gesellschaftlichen Ziels. Und wenn es ei- Unternehmens. So recht belegen lässt sich das alles nicht, ne Quote für das Geschlecht gibt: Warum nicht für die Eth- aber es entspricht vernünftigen Vermuten. Und so zitiert man nie oder das Alter? Warum ist geschlechtliche Diversity dem dann – je nach Standpunkt und politischem Herkommen – Gesetzgeber wichtiger als kulturelle? Ungleichbehandlung Studien, die in der Tat eine positive Korrelation zwischen der durch Diskriminierungsschutz. Jede Quote muss daher dem Unternehmensrentabilität und der gemischten Zusammen- Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen: Formelle Gleichbe- setzung des Vorstands belegen, oder aber Studien, die ent- handlung und ihre Durchbrechung hin zur faktischen gegengesetzt diesen Zusammenhang nicht sehen oder so- Gleichstellung müssen in ein angemessenes Verhältnis zu- gar auf eine negative Korrelation hindeuten. einander gesetzt werden. Dies schließt nicht aus, selbst Quo- ten zu gestalten – wie etwa im US-amerikanischen Arbeits- Es fällt aber auf, dass das Ziel einer Effektivierung der Chan- recht5 –, die auch eine Bevorzugung von schlechter Quali- cengleichheit hier oftmals nur argumentatives Mittel zum fizierten gegenüber dem besser Qualifizierten bei hinreichen- Zweck ist: Gute Frauen und Farbige werden sich nur in ei- der Rechtfertigung zulassen. Feste Quoten unabhängig von nem Unternehmen engagieren, wenn sie auf einen diskri- der Qualität der Bewerber wären aber dann noch weiterge- minierungsfreien Aufstieg hoffen können. Hierfür nun taugt hend. Mit der Steigerung der Effizienz kann das freilich dann eine Quote im Aufsichtsrat nur wenig: Denn Aufsichtsrat ist kaum mehr begründet werden. Ein weitreichender Eingriff in nicht das Karriereziel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Corporate Governance wäre es ohnehin. des Unternehmens. Will man mehr Frauen im Aufsichtsrat, so kann dies letztlich nur ein Mittel sein, getragen von der In der Tat: Das Ziel ist zu wichtig, als dass nichts getan Hoffnung, dass gerade Frauen dafür sorgen werden, dass werden sollte. Die Pflicht zu Transparenz und Offenlegung der Vorstand eine geschlechtergerechte Organisation des scheint der Königsweg. Das Unternehmen muss Farbe be- Unternehmens gewährleistet; der Aufsichtsrat selber kann kennen, was es von Diversity hält, und es muss Fakten es nicht. Aber auch die Quote im Vorstand wäre kaum ge- mitteilen, nicht Lippenbekenntnisse. Es muss erklären, was eigneter, kommt der doch regelmäßig von außen. Sinnvol- es auch unterhalb der Vorstandsebene für den Karriereweg ler erscheint eine Zielvorgabe für Führungspositionen allge- von Frauen tut, es muss erklären, wie weit familienfreund- mein, wie immer man die auch im Näheren eingrenzen will. liches Arbeiten möglich ist. Dann mag es auch erklären, Das Vorgehen der Deutschen Telekom kann hier ein Beispiel warum es von ambitionierten Quoten absieht, und es muss sein, das Nachahmer finden kann. Bis Ende 2015 sollen hier dann in Kauf nehmen, wenn negative Publicity dem Unter- 30% der oberen und mittleren Führungspositionen im Un- nehmen schadet. Denn die Kontrolle durch das Auge der ternehmen mit Frauen besetzt sein. Die Regelung gilt welt- Öffentlichkeit dürfte hier effektiver sein als bei den Vorstands- weit. Neben der Erweiterung ihres Talentpools verspricht bezügen – das verbreitete Presseecho und die positiven sich die Deutsche Telekom durch mehr Vielfalt im Manage- Reaktionen auf das Beispiel Deutsche Telekom führen dies ment langfristig eine höhere Wertschöpfung für das Unter- deutlich vor Augen. nehmen. Aber auch hier hat man die Wertschöpfung im Auge. Das Unternehmen verweist auf »Studien [, die] bele- Die Vorschläge werden bald auf dem Tisch liegen. Schon gen, dass Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil ein die ehrliche Diskussion dient der Sache und kann dann am signifikant besseres Unternehmensergebnis und höhere Ren- Ende Regelungen bringen, die auch von der Wirtschaft nicht tabilität erzielen. Anleger und Fonds achten außerdem ver- als Belastung, sondern Bereicherung empfunden werden stärkt auf nachhaltiges Wirtschaften, wozu auch die Chan- können. Das sachliche Argument sollte mehr erreichen, als cengleichheit zwischen Männern und Frauen gehört.«4 Wenn reflexartige Zurückweisung oder Applaus. aber dem so ist: Warum machen das nicht alle Unterneh- men so? Warum bedarf es des Zwangs zum eigenen Glück? Hierüber lohnt nachdenken, und solange eine klare Ant- wort nicht gefunden sind, sind weiche Regelungen besser als starre Vorgaben einer Politik, die es besser weiß. Will der Gesetzgeber dann tatsächlich weiter zu harten oder weichen Quoten, so sollte ihm klar sein: Die Quote ist im- mer eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Angehörigen des 4 Pressemitteilung der Deutschen Telekom AG vom 15. März 2010, abruf- bar unter http://www.telekom.com/dtag/cms/content/dt/de/829454. 5 Leading case: United Steelworkers of America v. Weber 443 US 193 (1979). 63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 17/2010
8 Zur Diskussion gestellt raten wird, im Aufsichtsrat. Denn – wie es der Volksmund schon sagt und ganz ohne Vorurteil – Gleich und Gleich gesellt sich gern, Männer neigen dazu, Männer einzustellen, Frauen werden sich gerade weibliche Bewerber genauer an- sehen. Deshalb halte ich eine Quote im Aufsichtsrat für rich- tig. Sie muss aber auch spürbar sein, es darf eben nicht die eine einzige, dann tatsächliche »Quotenfrau«, sein. Inso- fern sehe ich bei 40% die gesunde »kritische Masse». Der bürokratische Aufwand scheint mir beherrschbar zu sein. Sicher kann nicht von heute auf morgen auf die Erfüllung einer Quote beharrt werden, aber mit nachvollziehbaren Fris- ten halte ich die Umsetzung für machbar – da wurden in Christine Bortenlänger* Deutschland schon ganz andere Themen gemeistert. Warum sich überhaupt etwas ändern muss 100 Prozent Ja – ein Plädoyer für die Quote im Aufsichtsrat Die Anzahl der Arbeitsfähigen in der Bevölkerung wird bis zum Jahr 2050 um 30% oder 16 Millionen zurückgehen. Es gibt eine ganze Reihe von Vorurteilen über den Einsatz 2050 wird die Hälfte der Bevölkerung über 55 Jahre alt sein. einer Quote, und eine Quote ist sicherlich nicht die einzige Unternehmen müssen schon aus diesem Grunde verstärkt denkbare Lösung. Sie ist derzeit aber der schnellste Weg, auf das Potential der Frauen zurückgreifen. Ein wichtiger einen Veränderungsprozess in Deutschland zu erreichen und Grund für diesen demographischen Wandel in den westli- gegenüber anderen Ländern aufzuholen. Nicht selten liegt chen Industrienationen existiert seit ziemlich genau 50 Jah- der Anteil von Frauen in Führungspositionen in anderen eu- ren: Am 18. August 1960 kam in den USA die erste Anti- ropäischen Industrienationen deutlich über dem deutschen Baby-Pille auf den Markt. Seitdem können Paare entschei- Durchschnitt. Alarmierend ist diese Situation vor dem Hin- den, ob und wann sie verhüten. Seitdem hat sich ein grund- tergrund, dass Firmen mit gemischten Führungen bessere legender Wandel im Geschlechterverhalten und im Selbst- Ergebnisse erzielen und auch deutlich innovativer sind, so verständnis der Frauen vollzogen, mit allen bekannten Fol- der »Innovationsreport« des Deutschen Instituts für Wirt- gen. Die Anzahl der Geburten in Deutschland und allen west- schaftsforschung (DIW). Und, Innovation ist der Schlüssel- lichen Industriestaaten halbierte sich nahezu – der »Pillen- faktor im Wettbewerb der Industrienationen. knick« war eingetreten. In Norwegen gibt es bereits seit 2002 eine Quote von 40% Mit der Pille wurde auch ein neues Selbstverständnis, eine für den Aufsichtsrat – bis dahin saßen auch dort nur 8% neue Unabhängigkeit propagiert. Doch spiegelt sich dieser der Frauen auf einem solchen Posten. Bis 2008 mussten Bewusstseinswandel in unserer Gesellschaft, in der Politik, börsennotierte Unternehmen diese Quote umsetzen, Staats- Wissenschaft und Wirtschaft wider? Wir verfügen über ei- betriebe schon bis 2006. Der Aufschrei war auch im Nor- nen so hohen Anteil an hochqualifizierten Frauen wie noch den laut beim Beschluss des Gesetzes, doch es klappte und nie, doch in den Führungsebenen der Wirtschaft, an den norwegische Unternehmen behaupten sich auf den Märk- Schaltstellen der Politik und an der Spitze der Universitäten ten dieser Welt seither nicht schlechter. Weil damals in Nor- oder Forschungseinrichtungen hält sich der Frauenanteil wegen tatsächlich teilweise Mangel an qualifizierten Frauen noch immer in engen Grenzen. Daran hat bisher nicht ein- herrschte, die einen Aufsichtsratsposten anstrebten, wur- mal Kanzlerin Angela Merkel etwas geändert – denn auch den Programme eingeführt, die weibliche Führungskräfte ihr Kabinett ist von Männern dominiert, und die Frauen be- »Aufsichtsrats-reif« machen sollen – mit Erfolg. Inzwischen setzen die typischen »Frauenthemen« Arbeit und Soziales, haben etwa die Niederlande und selbst Spanien ähnliche Verbraucherschutz, Familie, Bildung und – immerhin – Jus- Gesetze verabschiedet – mit Erfüllung bis 2015, in Frank- tiz. Das Verhältnis unter den Ministern liegt bei 15 Männern reich soll es 2016 soweit sein. zu fünf Frauen – bei Gerhard Schröder saßen noch sechs Ministerinnen im Kabinett. Eine Quote für mehr Frauen in Führungspositionen muss dort ansetzen, wo über die Einstellung des Vorstands be- 2004 konnten bereits mehr Frauen als Männer ein Jura-Stu- dium vorweisen, und in Wirtschaftswissenschaften hielten * Dr. Christine Bortenlänger ist Geschäftsführerin der Börse München und sich Frauen und Männer die Waage – beide Abschlüsse Vorstand der Bayerische Börse AG, München. dominieren bei den Vorstandsvorsitzenden der großen deut- ifo Schnelldienst 17/2010 – 63. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 9 schen Unternehmen. Gegensätzlich gestaltet sich die Lage ben ihrer Funktion als Zentralpersonalvorstand außerdem in den Naturwissenschaften: Unter den Absolventen mit ei- CEO von Siemens Österreich. Damit wird Siemens dem nem entsprechenden Diplom finden sich gerade einmal 20% eigenen Anspruch, den Vorstand mehr zu diversifizieren, Frauen. Wir wissen alle, dass technisch ausgerichtete Un- mehr und mehr gerecht. Inzwischen wird Frauen auch zu- ternehmen händeringend nach Frauen suchen und der heu- getraut, verfahrene Situationen zu retten: So wurde an die te so beliebte »Girls Day« genau mit dieser Zielrichtung ge- Spitze der Hypo Real Estate mit Manuela Better eine Frau startet wurde. Frauen bevorzugen oft Hochschulabschlüs- berufen, nachdem »Krisenmanager« Axel Wieandt hinge- se im Gesundheitswesen, in der Bildung sowie in den Geis- worfen hatte. tes- und Sozialwissenschaften. Der wesentliche Grund für eine Veränderung ist aber, dass Zu den Zahlen sich Unternehmen, die von Frauen geführt werden, deut- lich erfolgreicher am Markt behaupten als »männerzentrier- Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen sind Frauen und te« Firmen. Nach der Unternehmensberatung McKinsey fah- 51% der Frauen verfügen heute über einen Hochschulab- ren Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil im Vorstand schluss – Tendenz steigend. Aber nicht einmal ein Drittel fast 50% höhere Gewinne ein als die Konkurrenz reiner Män- (31%) sind ganz allgemein in Führungspositionen tätig und nergesellschaften. Allerdings, auch das belegte McKinsey nur 15% im mittleren Management. In den 200 größten schon 2007 mit einer Studie über die größten europäischen deutschen Unternehmen sind gerade einmal 35 auf Vor- Unternehmen, müssen es mehrere Frauen sein – mindes- standsebene angesiedelt. In den Aufsichtsräten behaupten tens drei – die im Vorstand die Dinge bewegen – die klassi- sich Frauen mit 10% Anteil besser, aber hier schlägt vor al- sche Einzelkämpferin steht auf verlorenem Posten. Unter- lem die Arbeitnehmerseite in mitbestimmten Unternehmen schiedliche Sichtweisen, Ausschöpfen von Potential, so- zu Buche (siehe: Frauen in Führungspositionen. Barrieren ziale Kompetenz, Vielfalt als Unternehmenskultur – das sind und Brücken, Bundesministerium für Familie, Senioren, nur einige weitere Stichworte, die für eine weibliche Prä- Frauen und Jugend, 2010). In der Finanzbranche gestaltet senz auch auf Führungsebene sprechen. sich die Situation für Frauen noch schwieriger: In den 100 größten Banken sind gerade einmal 2,6% der Vor- Ein typisches Argument gegen mehr Frauen in Führungs- stände Frauen, bei den Versicherungen 2,8% (vgl. DIW Wo- positionen lautet, Frauen könnten gar nicht führen, und vor chenbericht 4/2010). In den DAX-Konzernen, also in den allem, sie wollten überhaupt nicht führen. Tatsächlich gibt es Flaggschiffen der deutschen Wirtschaft, befinden sich nicht eine ganze Reihe von durchaus führungsstarken und höchst einmal 1% Frauen auf der Kommandobrücke – und keine talentierten Frauen an der Spitze großer und wichtiger, nicht einzige Kapitänin! nur börsennotierter Unternehmen. Doch noch immer kann man sie einzeln nennen, kennt sie fast schon durch die Bank In Deutschland sind nur 36,1% aller Mütter, deren jüngstes persönlich: Das reicht von Simone Bagel-Trah, die bei Hen- Kind unter drei ist, überhaupt erwerbstätig – in der OECD kel dem Gesellschafterausschuss und Aufsichtsrat vorsitzt, sind es 52%, in Dänemark über 70%. Schon hier geht Beatrice Weder di Mauro, die nicht nur als erste Frau zum Deutschland jede Menge Potential verloren, weil es offen- Mitglied des Sachverständigenrates ernannt wurde, son- sichtlich in Deutschland besonders schwierig ist, Beruf und dern auch als Aufsichtsrätin bei Thyssen-Krupp engagiert Familie unter einen Hut zu bringen. Und noch schwieriger, ist, bis hin zu Nicola Leibinger-Kammüller vom Maschinen- Familie und Karriere adäquat zu vereinbaren – wenigstens bauer Trumpf, Bettina Würth, Susanne Klatten oder Elisa- von Seiten der Frau. In fast jedem Interview werde ich ge- beth Schäffler. Noch immer sind es eher mittelständische fragt, wie ich meinen persönlichen Aufstieg an die Börse Familienunternehmen, die Frauen aus der Familie die Chan- München mit meiner Familie vereinbaren konnte. Ich glau- ce und das Vertrauen geben, die Firma auch in schwierigen be nicht, dass diese Frage männlichen Kollegen auch nur Zeiten zu führen. einmal gestellt wurde. Der Financial Times Deutschland war dies eine eigene – bei Unerfreulich sind aber nicht nur die Zahlen des Status quo, den Lesern äußert geschätzte – Serie wert: »Töchter der viel unerfreulicher ist die Tatsache, dass sich in den ver- deutschen Wirtschaft« mit 50 Porträts solcher weiblicher gangenen zehn Jahren so wenig geändert hat. Das ist nicht Leitfiguren. In Großkonzernen besetzen Frauen oftmals die nur mein persönlicher Eindruck in einer von Männern do- eher »weichen«Themen innerhalb eines Vorstandes: Regi- minierten Arbeitswelt: 2001 waren 26% der Frauen in Füh- ne Stachelhaus ist Personalvorstand bei E.on – in gleicher rungspositionen, heute sind es 31% – das ist ein minima- Funktion sind Brigitte Ederer bei Siemens oder Angelika ler Fortschritt, vor allem, weil die Zahlen von Jahr zu Jahr Dammann bei SAP tätig. Immerhin hat Siemens mit Bar- ohnehin um 1 bis 2% nach oben oder unten pendeln. Die- bara Kux als Einkaufsvorstand noch eine zweite Frau im se Entwicklung ist der Hauptgrund, warum ich mich heu- Führungszirkel und die Österreicherin Brigitte Ederer ist ne- te – anders als noch vor wenigen Monaten – überzeugt 63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 17/2010
10 Zur Diskussion gestellt für eine Quote einsetze. Es muss sich etwas ändern und damit sich etwas ändert, müssen heute die Weichen ge- stellt werden. Die Gesellschaft hat zu lange gewartet und darauf gesetzt, dass die Kompetenz von Frauen, ihre Er- fahrung und ihre Qualifikation alleine ausreichen. Das ist aber nicht der Fall. Was eine Quote nicht kann Noch immer halten mehr als die Hälfte der Bürger aus den westlichen Bundesländern es für die beste Lösung, wenn die Frauen zuhause bleiben und sich um die Kinder küm- mern – in Ostdeutschland sind es weniger als ein Drittel. Jana Oehmichen* Meines Erachtens muss ein Bewusstseinswandel eintre- ten, denn das eine schließt das andere nicht aus. Berufstä- tigkeit von Mann und/ oder Frau darf (und muss) nicht auf Kosten der Kinder ermöglicht werden. In der Generation der Frauenquoten in Deutschland? – Jüngeren – so eine Brigitte-Studie von 2008 – wollen 80% Wer Symptome lindert, adressiert nur der Frauen »Kind und Job«. Andere Länder machen uns vor, selten die Grundursache des Problems dass das ein realisierbarer Wunsch ist. Und, in der Unter- suchung des Familienministeriums über Frauen in Führungs- Spätestens durch die Forderung nach professionelleren Füh- positionen von 2010 haben 56% der Frauen in Führungs- rungs- und Aufsichtsgremien deutscher Aktiengesellschaf- positionen Kinder – und 77% der Männer. Die Vereinbarkeit ten mittels gesteigerter Diversität der Gremien wird das The- von Familie und Beruf betrifft Frauen wie Männer, und sie ma »Frauen in Führungspositionen« in der Öffentlichkeit wie- scheint sich lösen zu lassen. 44% der Frauen in Führungs- der regelmäßig diskutiert. Argumente für eine Steigerung positionen haben nach der gleichen Studie ihren beruflichen des Anteils von Frauen in den Führungsgremien gibt es vie- Werdegang unterbrochen, zum Beispiel in Form einer Ba- le. Doch die Suche nach nachhaltig wirksamen Maßnahmen bypause, ohne dass es ihrer Karriere geschadet hätte. zur Steigerung des Anteils weiblicher Vertreterinnen in Füh- rungspositionen blieb in Deutschland bisher annähernd er- Selbstläufer sind Quoten in Aufsichtsräten aber nicht, das folglos. Umso näher liegt es, sich an den Staaten Europas ist auch mir bewusst. In der Finanzbranche zum Beispiel zu orientieren, die eine Lösung gefunden zu haben schei- sind mit 15% bei Banken und 11% bei Versicherungen weib- nen. Mit der Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsrä- liche Aufsichtsräte immer noch unterrepräsentiert. Doch te börsennotierter Unternehmen in Norwegen konnte dort die Zahlen machen Hoffnung. Denn die Präsenz im Aufsichts- natürlicher Weise der Anteil weiblicher Vertreter in Aufsichts- rat ist der richtige Schritt. räten innerhalb weniger Jahre auf 40% erhöht werden (vgl. Hoel 2008). Schließlich blieben den norwegischen Unter- Die ganz praktischen Probleme der Vereinbarkeit von Fa- nehmen sonst nur die Möglichkeiten, gegen das Gesetz zu milie und Beruf lassen sich durch die Quote nicht lösen. Aber verstoßen oder die Börsennotierung aufzugeben. Sollte mehr Frauen in Führungspositionen können und werden Deutschland ein ähnlich ambitioniertes Ziel verfolgen und die mehr Verständnis für diese Themen aufbringen und Lösun- Quote für Frauen in Führungspositionen einführen? Es han- gen erzielen. Die heutigen technischen Möglichkeiten der delt sich hierbei um zwei Fragen, die separat von einander Kommunikation erlauben es überdies, viele Bereiche der Ar- betrachtet und beantwortet werden müssen. beit auch von Führungskräften völlig ortsunabhängig zu er- ledigen. Es wird mehr und mehr darum gehen, die Arbeit an die Lebensumstände anzupassen, und nicht die Lebens- Deutschland braucht mehr Frauen in umstände an die Arbeit. Nur dann schafft es ein Unterneh- Führungspositionen men, die Besten, die Qualifiziertesten, die Motiviertesten für sich zu gewinnen – auch die Frauen! Nur 3,7% aller Vertreter der Kapitalseite der Aufsichtsräte deutscher börsennotierter Unternehmen waren 2007 Frau- en (vgl. Oehmichen et al. 2010). In deutschen Vorständen befanden sich 2008 nur 2,4% weibliche Vertreter (vgl. Lind- * Dipl.-Wi.-Ing. Jana Oehmichen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karls- ruher Institut für Technologie (KIT)/Universität Karlsruhe (TH). ifo Schnelldienst 17/2010 – 63. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 11 städt et al. 2010). Von einer im Corporate-Governance-Ko- effiziente Entscheidungen zu treffen. Für das Beispiel des dex geforderten »angemessene Vertretung von Frauen« (vgl. Aufsichtsrats bedeutet dies Folgendes: Bisher gibt es noch Weber-Rey 2009) kann demnach noch nicht gesprochen weit weniger potentielle weibliche Kandidaten mit densel- werden. Es besteht Handlungsbedarf. Die Gründe für eine ben Profilen wie ihre männlichen Kollegen (z.B. ehemalige solche Forderung lassen sich in zwei Gedanken aufteilen: oder aktuelle Vorstände mit Industriekenntnis). Im Zuge ei- Erstens entgeht den Unternehmen ein bedeutender Intelli- ner Quote wären die Unternehmen somit dazu gezwun- genz-Pool für die Besetzung ihrer wichtigsten Positionen, gen, immer dieselben Kandidatinnen zu berufen. Eine sol- wenn sie die Hälfte der Gesellschaft diskriminieren (vgl. che Mehrfachernennung resultiert allerdings unabhängig unter anderem Westphal und Milton 2000). Zweitens ist da- vom Geschlecht in einer Verschlechterung der Qualität des von auszugehen, dass die Diversität in Führungsgremien Kontrollmechanismus Aufsichtsrat: Viele zusätzliche Man- die Qualität der Arbeit des Managements und der ganzen date führen nachgewiesener Maßen zu einer stärkeren zeit- Belegschaft steigert. Diverse Teams können auf einen grö- lichen Abgelenktheit der Aufsichtsratsmitglieder und einem ßeren Erfahrungsschatz, vielfältigere Fähigkeiten und ein damit verbundenen schlechteren Unternehmenserfolg (vgl. breiteres Spektrum an Wissen zurückgreifen (vgl. unter an- Fich und Shivdasani 2006). derem Rost und Osterloh 2008). Frauen in der Belegschaft und potentielle weibliche Berufsanfänger hätten glaubhaf- Es steht außer Frage, dass die Einführung einer Quote zu te Rollenvorbilder. einer sichtbaren Verbesserung des Frauenanteils in Füh- rungspositionen führen würde. Mit ihr können allerdings nur die Symptome des Problems behoben werden. Erste em- Eine verbindliche Quote würde viele Nachteile pirische Ergebnisse auf repräsentativen deutschen Stich- mit sich bringen proben zeigen zwar, dass die Akzeptanz eines weiblichen Kollegen bei männlichen deutschen Aufsichtsratsmitgliedern Die Einführung einer gesetzlichen Quote analog der norwe- steigt, wenn sie bereits Erfahrungen in der Zusammenar- gischen Vorgehensweise (vgl. Hoel 2008) würde ohne Zwei- beit mit Frauen sammeln konnten. Es stellt sich aber auch fel die Repräsentanz von Frauen in Aufsichträten direkt ver- heraus, dass dieser positive Erfahrungseffekt nur bei hie- ändern. Die Einführung einer Quote ist allerdings mit drei ent- rarchisch gleichgestellten Frauen besteht. Ob diese Wahr- scheidenden Gefahren verbunden: dem Generalverdacht nehmung der hierarchischen Gleichgestelltheit für nach Ein- der »Quotenfrau«, der Delegation wichtiger Entscheidungen führung der Quote berufene Frauen noch bestehen würde, in andere Gremien und dem Mangel an potentiellen Kandi- ist nicht gesichert (vgl. Oehmichen et al. 2010). datinnen. Auf diese drei Aspekte wird im Folgenden im De- tail eingegangen. Alternative Stellhebel zur Erhöhung des Erstens bestünde mit Einführung einer verbindlichen Quo- Frauenanteils in Führungspositionen te die Gefahr, dass die berufenen Frauen dem Generalver- dacht unterliegen, nur »Quotenfrauen« zu sein. Das bedeu- Für den Gesetzgeber bieten sich insbesondere zwei Mög- tet, ihnen würde unterstellt, nicht aufgrund ihrer Qualifikati- lichkeiten zur Lösung der Situation: Transparenzverpflich- on, sondern nur aufgrund ihres Geschlechts berufen wor- tungen und eine Anpassung der Familienpolitik. Die beiden den zu sein. Dies hätte eine deutliche Schwächung der be- Stellhebel werden im Folgenden kurz erläutert. troffenen Frau in ihrer Position zur Folge. Noch fehlt es jungen Frauen, die eine Karriere in Führungs- Frauen in Führungsgremien vorzuschreiben, impliziert zwei- positionen der Wirtschaft anstreben, an Rollenvorbildern. tens noch nicht, sie vorgeschriebener Maßen an den wich- Nur selten bekommen sie vorgelebt, dass dies ein realisti- tigsten Entscheidungen im Unternehmen teilhaben zu las- sches Ziel ist. Doch genau diese Rollenvorbilder sind nötig, sen. Für das Beispiel des Aufsichtsrats bestünde noch im- um an den eigenen Erfolg glauben zu können. Wären Un- mer die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen in die Aus- ternehmen nun gesetzlich dazu verpflichtet die Frauenan- schüsse zu delegieren, in die die weiblichen Aufsichtsrats- teile in ihren Führungsebenen (auch die Ebenen unter Vor- mitglieder ggf. nicht durch die anderen Aufsichtsräte gewählt stand und Aufsichtsrat) transparent zu machen, könnte dies werden. Die logische Konsequenz wäre die weiterführende jungen Frauen als Entscheidungsstütze dienen. Die Unter- Quotierung in die Ausschüsse hinein. Doch auch diese wür- nehmen würden gleichzeitig merken, dass ihnen ohne über- de nicht verhindern, dass wichtige Entscheidungen fortan zeugende Frauenanteile in den Führungsebenen hochka- in informelle, männliche Kreise verlagert würden. rätige Absolventinnen auf dem Arbeitsmarkt an die Kon- kurrenz verloren gehen (vgl. Lindstädt et al. 2010). Das dritte Problem der Quotierung der obersten Führungs- ebenen besteht darin, dass Unternehmen im Falle des Man- Ein zweiter Stellhebel ist der aktive Abbau von Vorurteilen. gels an potentiellen Kandidatinnen dazu gezwungen sind in- Unternehmen muss endgültig die Angst genommen wer- 63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 17/2010
12 Zur Diskussion gestellt den, eine weibliche angehende Managerin würde ein höhe- Women on Corporate Boards of Directors – International Research and Practice, Edward Elgar Publishing Limited, Cheltenham, 79–87. res »familiäres Ausfallrisiko« bergen als ein männlicher Kon- Lindstädt, H., J. Oehmichen, M. Wolff, und C. Watrinet (2010), Frauen in Füh- kurrent. Die passende Familienpolitik kann hier viel bewir- rungspositionen – Status Quo in der deutschen Wirtschaft – Analyse orga- nisatorischer Erfolgsfaktoren und individueller Potentiale – Abschlussbe- ken. Besteht die Sicherheit eine Krippenplatzes und hat sich richt, http://www.inqa.de/Inqa/Navigation/projekte,did=251530.html, Stand: endlich das gesellschaftliche Bild etabliert, dass die Nutzung 27. August 2010. eines solchen Frauen nicht zur Rabenmutter macht, so re- Oehmichen, J., M.S. Rapp, und M. Wolff (2010), »Der Einfluss der Aufsichts- ratszusammensetzung auf die Präsenz von Frauen in Aufsichtsräten«, Zeit- duziert sich das Ausfallrisiko für den Arbeitgeber. schrift für betriebswirtschaftliche Forschung 62, 504–533. Rost, K. und M. Osterloh (2008), »You Pay a Fee for Strong Beliefs: Homogeneity as a Driver of Corporate Governance Failure«, SSRN Working Doch trotz aller regulativer Möglichkeiten, liegt es letzten En- Paper. des in der Verantwortung der Unternehmen, zu erkennen, Westphal, J.D. und L.P. Milton (2000), »How Experience and Network Ties Affect the Influence of Demographic Minorities on Corporate Boards«, dass sie durch den Abbau noch immer bestehender Vorur- Administrative Science Quarterly 45, 366–398. teile und dem Öffnen des Weges in die Führungsetage für Frauen die Entscheidungsqualität ihres Managements wei- ter verbessern können. Bei der Wahl geeigneter Maßnah- men sollten die Unternehmen allerdings über das Bereistel- len eines 9:00 bis 17:00 Uhr geöffneten Kindergartens hi- nausgehen. Transparenz kann auch innerhalb der Unterneh- men ein wertvoller Stellhebel sein: Die interne Kommunika- tion von Erfolgsgeschichten weiblicher Führungskräfte (in beispielsweise der Mitarbeiterzeitung) dient weiblichen Nach- wuchskräften als Rollenvorbild und trägt zur Reduktion der Vorurteile bei den männlichen Kollegen bei (vgl. Lindstädt et al. 2010). Einige Unternehmen scheinen den Handlungsbedarf schon erkannt zu haben. So gibt es bereits erste Erfolgsgeschich- ten zu berichten. Mit Angelika Damman berief SAP in die- sem Jahr eine Frau in den Konzernvorstand. Mit Frau Kux wurde bei Siemens zum ersten Mal in der über 160-jähri- gen Unternehmensgeschichte eine Frau in den Konzernvor- stand berufen. Ähnliche Aktivitäten sind auf Ebene der Auf- sichtsräte zu beobachten: Henkel ist der erste DAX-Kon- zern mit weiblicher Aufsichtsratsvorsitzender. Und Renate Köcher besetzt als erste Frau drei Aufsichtsratsposten bei DAX-Unternehmen (Allianz, BMW und MAN). Zusammenfassen kann gesagt werden, dass die noch im- mer dramatisch geringen Frauenanteile in deutschen Füh- rungspositionen eine Diskussion möglicher Maßnahmen sei- tens des Gesetzgebers und seitens der Unternehmen erfor- dern. Die Einführung einer Quote würde zwar aus kurzfris- tiger Perspektive zu einer oberflächlichen Verbesserung der Situation führen. Die Nachteile und Gefahren, die die Quo- te mit sich bringt, können dadurch aber nicht aufgewogen werden. Die Quote würde kurzfristig die Symptome lindern. Das eigentliche Ziel, dass bei der Bestellung von Führungs- personen das Geschlecht langfristig keine Rolle mehr spielt, wird dadurch aber nicht verfolgt. Literatur Fich, E.M. und A. Shivdasani (2006), »Are Busy Boards Effective Monitors?«, Journal of Finance 61, 689–724. Hoel, M, (2008), »The quota story: five years of change in Norway«, in: S. Vinnicombe, V. Singh, R.J. Burke, D. Bilimoria und M. Huse (Hrsg.), ifo Schnelldienst 17/2010 – 63. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 13 naturwissenschaftlichem Bezug oft mehr Entwicklungs- Bildnachweis: DIE JUNGEN UNTERNEHMER/Anne Kreuz. möglichkeiten in der Wirtschaft. Ungünstig ist auch das Wahlverhalten von Frauen bei den Ausbildungsberufen. Mehr als die Hälfte der weiblichen Auszubildenden ent- scheidet sich für nur zehn von fast 350 Berufen. Die Fol- ge: In einigen Branchen stehen Unternehmen bereits vor dem großen Dilemma, dass es schlichtweg zu wenig weib- liche Nachwuchskräfte gibt. Ein weiterer Punkt ist, dass manche Männer auch noch mutiger sein könnten, wenn es darum geht, Frauen in den Führungsetagen eine Chance zu geben. Glücklicherweise ist sich aber die Wirtschaft insgesamt der großen Bedeu- Marie-Christine Ostermann* tung des Themas Frauen in Führungspositionen bewusst. Das zeigt im Übrigen auch der im Juli 2010 aktualisierte Corporate Governance Kodex. Dieser schreibt vor, dass Unternehmen eine angemessene Berücksichtigung von Mit einer Quote tut man Frauen keinen Frauen in Führungspositionen und Aufsichtsräten anstre- Gefallen ben sollen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben ge- zeigt, dass nicht nur börsennotierte Unternehmen den Derzeit läuft in Deutschland eine lebhafte Debatte darüber, Empfehlungen des Kodex sehr offen gegenüberstehen. Es ob es eine gesetzliche Quote für Frauen in Führungsposi- ist also davon auszugehen, dass der Anteil von Frauen in tionen geben sollte. Meine Antwort auf diese Frage ist ein- Führungspositionen weiter steigen wird. Momentan liegt deutig: Nein, wir brauchen eine solche Quote nicht. Denn er bereits bei 27%. man tut den Frauen in unserem Land keinen Gefallen, wenn man sie per Gesetz zu Quotenfrauen abstempelt. Das wä- Dies alles macht deutlich: Eine gesetzliche Quote zur Fest- re kontraproduktiv für ein gleichberechtigtes Miteinander setzung des Frauenanteils in den Führungsetagen von Un- in den Unternehmen. Bei der Stellenbesetzung sollte al- ternehmen ist überflüssig. Sie ist auch von vielen Frauen lein die Qualifikation maßgeblich sein – und nicht das Ge- selbst gar nicht gewollt. So lehnen einer Umfrage des Bun- schlecht. Die Ablehnung einer gesetzlichen Frauenquote desfamilienministeriums zufolge 84% der Frauen in Füh- bedeutet jedoch keineswegs, dass wir auf das hervorra- rungspositionen eine Quote zur Steigerung des Frauenan- gende Potential gut ausgebildeter Frauen verzichten soll- teils im operativen Bereich ab. Ich bin überzeugt: Gesetzli- ten. Frauen werden dringend gebraucht – sowohl im Top- cher Zwang ist bei diesem Thema kontraproduktiv. Es gibt Management als auch in anderen Bereichen. Doch an- genug andere Wege, um den Frauenanteil in Führungspo- statt auf eine gesetzliche Quotenregelung zu setzen, soll- sitionen zu erhöhen. Politik, Bildungssystem und Wirtschaft te man lieber die beruflichen Rahmenbedingungen für Frau- können hier gemeinsam noch viel erreichen. en optimieren. Ein wichtiges Thema ist hier die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem durch eine ausreichende Ver- sorgung mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Auf diesem Gebiet besteht noch viel Handlungsbedarf. So muss sich die Politik unbedingt an ihre Vorgaben halten und sicherstel- len, dass es bis 2013 bundesweit für 35% der unter Drei- jährigen einen Betreuungsplatz gibt. Darüber hinaus sollten Frauen ermutigt werden, mehr Stu- diengänge zu belegen, die besonders für ökonomische Top-Positionen qualifizieren. Die meisten Frauen entschei- den sich für geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Fächer. Dabei bieten Studiengänge mit technischem oder * Marie-Christine Ostermann ist Bundesvorsitzende des Verbandes DIE JUNGEN UNTERNEHMER und geschäftsführende Gesellschafterin des Lebensmittelgroßhandels Rullko Großeinkauf GmbH & Co. KG. 63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 17/2010
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