GEDÄCHTNISORT DER REPUBLIK - Das Österreichische Heldendenkmal im Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg - Vandenhoeck & Ruprecht

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GEDÄCHTNISORT DER REPUBLIK - Das Österreichische Heldendenkmal im Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg - Vandenhoeck & Ruprecht
GEDÄCHTNISORT
  DER REPUBLIK
   Das Österreichische Heldendenkmal
 im Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg

   GESCHICHTE – KONTROVERSEN – PERSPEKTIVEN

Herausgegeben von Heidemarie Uhl/Richard Hufschmied/Dieter A. Binder
Heidemarie Uhl; Richard Hufschmied; Dieter A. Binder (Hg.): Gedächtnisort der Republik

 Heidemarie Uhl · Richard Hufschmied · Dieter A. Binder (Hg.)

Gedächtnisort der Republik
                                  Das Österreichische Heldendenkmal im
                                    Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg
                                 Geschichte – Kontroversen – Perspektiven

                             bö hlau v e r la g w i e n k öl n w e im ar

                     © 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien
                 ISBN Print: 9783205209058 — ISBN E-Book: 9783205209072
Heidemarie Uhl; Richard Hufschmied; Dieter A. Binder (Hg.): Gedächtnisort der Republik

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek :
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung : Äußeres Burgtor der Wiener Hofburg. (Bundesministerium für
Landesverteidigung, Heeresbild- und Filmstelle)

Vorsatz : Äußeres Burgtor mit Blick auf das Kunsthistorische und das
Naturhistorische Museum, im Hintergrund der Flakturm in der Stiftskaserne –
Amtsgebäude General Spannocchi. (Fotografie Karl Pani, 2010)

Nachsatz : Luftansicht des Areals der Wiener Hofburg und des Heldenplatzes,
Aufnahme 2014. (Fotografie Stefanie Grüssl / Burghauptmannschaft Österreich / mit
Dank an die Flugpolizei des Bundesministeriums für Inneres)

© 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Zeltgasse 1, A-1080 Wien
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorheri-
gen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Korrektorat : Vera M. Schirl, Wien
Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien
Satz : Michael Rauscher, Wien

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-205-20907-2

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                                   ISBN Print: 9783205209058 — ISBN E-Book: 9783205209072
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Inhalt

Dieter A. Binder
Vorwort 7

Heidemarie Uhl
Einleitung 9

I. Das Äußere Burgtor vor der Errichtung des Heldendenkmals

Richard Kurdiovsky
Das Äußere Burgtor. Planungs-, Bau- und Nutzungsgeschichte 1817 – 1916 15

Richard Lein
»Lorbeer für unsere Helden«. Ein erster Schritt zum Kriegsgedenken im Äußeren Burgtor 73

II. Die Errichtung des Österreichischen Heldendenkmals 1933/34

Richard Hufschmied · Heidemarie Uhl
Das Projekt Österreichisches Heldendenkmal. Vorgeschichte, Realisierung und geschichtspolitische
Intention 103

Richard Hufschmied
Patriotische Veranstaltungen zur Finanzierung des Heldendenkmals                 119

Anna Stuhlpfarrer
»Ein Denkmal des Dankes, der Ehre und der Treue«. Der zweistufige Wettbewerb zur Errichtung des
Österreichischen Heldendenkmals 1933/34 135

Richard Hufschmied
Die Weihe des Österreichischen Heldendenkmals am 9. September 1934. Geschichtspolitische
Legitimierung der »Ständestaat«-Diktatur 191

Dieter A. Binder
»Von Wallenstein bis Dollfuß«. Feldherren, Schlachtorte und historische Sinnstiftung in der Ehrenhalle des
Heldendenkmals 215

Richard Hufschmied
Das Bildprogramm der Ehrenhalle des Heldendenkmals und der Sonderweg des Marineverbands 227

                                                                                                              Inhalt   5

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III. Das Heldendenkmal in »Ständestaat«-Diktatur und NS-Zeit

Richard Hufschmied
Militärisch-staatliches Totengedenken in der Zwischenkriegszeit                247

Anna Stuhlpfarrer
Triumphtor – Gedenkstätte – Relikt vergangener Zeiten. Über den Umgang mit dem Äußeren Burgtor in
den Jahren des NS-Regimes 269

Richard Hufschmied
Glorifizierung des Todes. Der nationalsozialistische Heldengedenktag im Reichsgau Wien und weitere
Gedenkakte im Heldendenkmal 1938 – 1945 283

Richard Hufschmied
Rechtlicher Status und bauliche Veränderungen des Heldendenkmals in der NS-Zeit                          301

IV. Das Österreichische Heldendenkmal in der Zweiten Republik

Peter Pirker
Erbrachte Opfer. Das Heldendenkmal als Symbol der postnationalsozialistischen Demokratie in
Österreich 309

Richard Hufschmied · Heidemarie Uhl
Die Totenbücher des Ersten und Zweiten Weltkriegs in der Krypta des Heldendenkmals                             361

Richard Hufschmied
Die Kameradschaft Heldendenkmal 1954 – 2009. Antidemokratische Nischen im Zentrum der
Republik 381

Richard Hufschmied · Stefan Gugerel
Die Krypta des Heldendenkmals als Sakralraum. Von der Weihe 1934 bis zur Profanierung 2015                           397

Heidemarie Uhl
Auf dem Weg zu einer neuen Erinnerungskultur. Die Transformation des Österreichischen
Heldendenkmals am Beginn des 21. Jahrhunderts 405

Abkürzungsverzeichnis 451

Zeittafel 453

Dank 456

Autorinnen und Autoren 458

Personenregister 459

6 Inhalt

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Dieter A. Binder

Vorwort

Das Österreichische Heldendenkmal im Äußeren geschaffenen Skulptur des Toten Kriegers hinterlegt
Burgtor der Wiener Hofburg kann mit einer gewis- hätte. Der naheliegende Ansatz, die Skulptur zu heben
sen Berechtigung als Leitfossil der Militärhistorischen und Nachschau zu halten, wurde durch unterschiedli-
Denkmalkommission beim Bundesministerium für che Zurufe blockiert. Einerseits wurde die Liegeskulptur
Landesverteidigung definiert werden. Einerseits spie- in Form einer Grabplatte als Ersatzgrab definiert, wo-
geln das Äußere Burgtor und sein Umfeld exemplarisch mit die Hebung des Steins als Störung der Totenruhe
den Heldenkult seit dem europäischen Sieg über das zu interpretieren gewesen wäre. Andererseits meldete
Frankreich Napoleons aus der Perspektive des habsbur- man denkmalpflegerische Bedenken an, da man bei der
gischen Reiches, andererseits ist es durch die Gestal- Lösung des Steins von seinem Unterbau irreparable Be-
tung der Krypta als Gedenkort für die Gefallenen der schädigungen als gegeben annahm. Um die vage Theo-
österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg rie des Ersatzgrabes abzusichern, wurden Vorschläge an
ein signifikanter Repräsentationsort der Regierungs- die Kommission herangetragen, sterbliche Überreste aus
diktatur des »Ständestaates«, der allerdings bereits bei einem namenlosen Kriegsgrab unter die Platte einzu-
der Einweihung nationalsozialistisch kontaminiert war. bringen, um der Republik ein Denkmal des unbekann-
Die Interventionen des späten Kaiserreiches – »Lorbeer ten Soldaten zu bescheren.
für unsere Helden« 1916 – hinterließen ebenso Spuren        In der Krypta, die 1934 auch als Sakralraum geweiht
wie die Nutzung der Anlage durch die Republik nach und mit einem Altar versehen worden war, wurde in
1945, die dem Totengedenken des Ersten jenes des den Totenbüchern der Gefallenen des Ersten Weltkrie-
Zweiten Weltkrieges inkorporierte, während man dem ges gedacht, soweit deren Geburtsort innerhalb Öster-
bis dahin vernachlässigten zweiten Flügel des Burgtors reichs in den Grenzen der Ersten Republik lag. Nach
analog zur Krypta einen säkularen Weiheraum für die 1945 wurde, wie dies auch zumeist bei den über das
Opfer des Widerstandes gegen das nationalsozialistische ganze Land verstreuten Kriegerdenkmälern geschah, das
Regime einschrieb. In einem letzten Schritt nicht hin- Gedenken an die toten Österreicher, die in den unter-
terfragender Nutzung schrieb man der Krypta das Ge- schiedlichen Waffengattungen des nationalsozialisti-
denken an die in Erfüllung ihres dienstlichen Auftrags schen Deutschen Reiches gedient hatten, minimalistisch
ums Leben gekommenen Angehörigen des Bundesheers einbezogen. Den Toten des Ersten wurden die Toten des
der Zweiten Republik ein. Leerräume der Nutzung als Zweiten Weltkrieges gegenübergestellt, die durch ihren
zentrales staatlich-militärisches Denkmal suchten poli- Tod als Soldaten zu »Helden der Heimat« wurden. In
tische Gruppierungen wie der Verband der Unabhängi- Analogie zu den Totenbüchern von 1914 bis 1918 hin-
gen und die Burschenschaften, Veteranenverbände aus terlegte man solche für die Jahre 1939 bis 1945. Ein
dem Milieu der untergegangenen Heimwehren der Zwi- derartiges Gedenken stand im dezidierten Widerspruch
schenkriegszeit und des Kameradschaftsbundes für ihre zu den Traditionserlässen des Österreichischen Bun-
Interessen zu nutzen.                                    desheeres, in denen seit den frühen 1960er Jahren eine
    Bereits kurze Zeit nach der Gründung der Militär- Bezugnahme auf die Armee des nationalsozialistischen
historischen Denkmalkommission vor 25 Jahren gab Regimes ausdrücklich untersagt war und ist, soweit es
es die ersten Diskussionen über die Krypta, die seitens nicht um die Ehrung des militärischen Widerstands
des Ressorts vom Militärordinariat verwaltet wurde. geht. Zweifellos gibt es eine Fülle von Kriegerdenkmä-
Angestoßen wurde die Diskussion durch wiederholte lern im öffentlichen Raum, zumeist errichtet von den
Hinweise auf ein nationalsozialistisches Bekennerschrei- überlebenden Kriegsveteranen in den 1920er Jahren,
ben, das der Bildhauer Wilhelm Frass unter der von ihm die der Gefallenen aus dem Heimatort gedenken und

                                                                                                               Vorwort   7

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die nach 1945 zusätzliche Tafeln für die Gefallenen des ralisiert wurde. In einem ersten Schritt wurde das Ge-
Zweiten Weltkriegs erhielten. Dies geschah nur allzu oft denken an die Angehörigen des Bundesheers, die seit
in jener Form der Amalgamierung, die etwa in Spitz an 1955/56 im Dienst ihr Leben gelassen haben, ins Freie
der Donau zur zentralen Widmungstafel »Die Heimat verlegt, ehe 2019 in der Ehrenhalle ein Gedenkort für
ehrt ihre toten Helden – 1914 – 1918 / 1939 – 1945« sie geschaffen wurde. Die Krypta, deren Einrichtung
führte. Die markante Figurengruppe des hier bespielhaft vollständig erhalten bleibt, wird nunmehr für temporäre
angeführten Denkmals zeigt zwei Soldaten in der Feld- Ausstellungen genutzt.
uniform der k. u. k. Armee und symbolisiert die Kame-        Die Komplexität des Heldendenkmals und des ihm
radschaft über den Tod hinaus. Dafür ziert die zentrale vorgelagerten Heldenplatzes haben die Militärhistori-
Widmungstafel das Eiserne Kreuz, wie es 1939 wiede- sche Denkmalkommission über ihren zentralen Auftrag,
rum als Auszeichnung aufgelegt worden war.                die Gedenkkultur innerhalb des Ressorts kritisch und
    Nun ist das Gedenken der Heimkehrer- und Vetera- anregend zu begleiten, hinausgeführt. Die jahrzehnte-
nenverbände eine private Intervention im öffentlichen lange Praxis der Nutzung des Äußeren Burgtors mit
Raum und unterliegt nicht dem Traditionsverständnis seinen unterschiedlichen Gedächtnisorten – Krypta
des Bundesheers. Als der Nationalratsabgeordnete Ha- für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs,
rald Walser (Grüne) darauf hinwies, dass in den Toten- Weiheraum für den Widerstand und Gedenkstätte des
büchern für den Zeitraum 1939 bis 1945 zumindest Bundesheers der Zweiten Republik – für zentrale staat-
ein Kriegsverbrecher aufscheint, der nicht als Angehö- liche Gedenkakte ließ das Desiderat eines Gedenkortes
riger eines Kampfverbandes ums Leben gekommen war, der Republik Österreich erkennen. Daraus entstand
sondern als Zivilangestellter der SS bei einer Häftlings- die Idee, für den Heldenplatz ein Denkmal der Repu-
revolte im Vernichtungslager Sobibor erschlagen wurde, blik einzufordern. Nachdem der ursprünglich Plan, ein
konnte die Frage des zeitgemäßen Gedenkens in der neues Denkmal zu schaffen, bald nach dem Beginn des
Krypta neu gestellt werden. Einerseits wurden die To- von der Bundesregierung getragenen Diskussionspro-
tenbücher an das Staatsarchiv abgegeben, andererseits zesses angesichts der damit verbundenen Kosten ad acta
wurde nun der Weg zur Hebung der Marmorskulptur gelegt worden ist, hat die Kommission nunmehr die
frei, unter der die nationalsozialistische Widmung des Übertragung des Staatsgründungsdenkmals aus dem
Bildhauers Frass und überraschend eine weitere pazi- Schweizergarten auf den Heldenplatz angeregt. Dieses
fistische Botschaft seines Mitarbeiters Alfons Riedel 1966 errichtete Monument gedenkt der Gründung der
gefunden wurden. Beide Schriftstücke wurden dem Republik 1918 und deren Wiedererrichtung 1945 und
Heeresgeschichtlichen Museum übergeben. Seitens wurde 2015 kurzfristig durch einen Staatsakt, der auf
der Kommission wurde unter der Federführung der Anregung des Ressorts durchgeführt wurde, aus dem
stellvertretenden Vorsitzenden Heidemarie Uhl (Ös- Dornröschenschlaf erweckt. Eine derartige Neuaufstel-
terreichische Akademie der Wissenschaften, Wien) lung könnte das Bemühen, den Heldenplatz in seiner
eine internationale Expertentagung organisiert, die das historischen Dimension – vom Kaiserforum zum Ort
weitere Vorgehen beratend begleiten sollte. Die anwe- der »Anschluss«-Proklamation im März 1938 – für die
senden Expertinnen und Experten schlossen sich der Republik in »Besitz« zu nehmen, zu einem erfolgreichen
Einschätzung von Aleida Assmann (Konstanz) an, die Abschluss bringen. Am entscheidenden Neuansatz, den
das gesamte Äußere Burgtor und das Heldendenkmal Tag des Endes des Zweiten Weltkriegs mit der Kapitu-
mit seinen vielfachen Bedeutungsschichten als Buch lation des nationalsozialistischen Deutschen Reichs als
der österreichischen Geschichte bezeichnete. Daraus re- Tag der Freude über die Befreiung vom Nationalsozia-
sultierte der Vorschlag der Musealisierung der Krypta, lismus mit einem Fest auf dem Heldenplatz zu begehen,
die in weiterer Folge seitens der Militärdiözese de-sak- hatte das Ressort einen entscheidenden Anteil.

8 DIeter a. BInDer

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Heidemarie Uhl; Richard Hufschmied; Dieter A. Binder (Hg.): Gedächtnisort der Republik

Heidemarie Uhl

Einleitung

Das Äußere Burgtor am Wiener Heldenplatz erscheint einandersetzungen um das historische Selbstverständnis
auf den ersten Blick wenig spektakulär. Die klassizis- der Zweiten Republik. Veteranenverbände einschließ-
tische Architektur fügt sich ein in die historistischen lich rechtsextremer Vereinigungen würdigten durch
Bauwerke am und um den geschichtsträchtigen Ort – Kranzniederlegungen für die Gefallenen des Zweiten
die Neue Hofburg, von der Republik in der Zwischen- Weltkriegs die »Pflichterfüllung« der österreichischen
kriegszeit fertiggestelltes Vermächtnis kaiserlicher Pa- Soldaten in der deutschen Wehrmacht. Organisationen
lastarchitektur, die weiteren repräsentativen Bauten der ehemals politisch Verfolgter pochten auf die offizielle
Ringstraßenzeit mit dem Kunsthistorischen und dem Opferthese und forderten die Würdigung des Wider-
Naturhistorischen Museum, mit Blickachsen zu wei- stands als Grundlage für das Wiedererstehen der demo-
teren zentralen Bauten des ausgehenden 19. Jahrhun- kratischen Republik Österreich am 27. April 1945. Die
derts – Parlament, Wiener Rathaus, Burgtheater und auf Beilegung von Konflikten bedachten ÖVP-SPÖ-
Universitätsgebäude. Seit 1934 beherbergt das Äußere Koalitionsregierungen integrierten beide geschichtspo-
Burgtor das Österreichische Heldendenkmal, errichtet litischen Lager in das Heldendenkmal. 1958/59 wurde
als zentrales staatlich-militärisches Gefallenendenkmal. die Inschrift in der Krypta – »1914 Den toten DeS
Der profane Torbau, in dem bis 1918 die Wache der kai- weltKrIegeS 1918« durch die Jahreszahlen »1939«
serlichen Hofburg untergebracht war, wurde 1933/34 und »1945« ergänzt. 1959 erfolgte die Anbringung einer
zu einem sakralen Ort umgestaltet. Der Einbau einer Tafel für den Widerstand gegen das NS-Regime an der
Ehrenhalle für die habsburgische Armee über der Tor- Fassade und 1965 die Einrichtung des Weiheraums im
durchfahrt und vor allem der Umbau des rechten, volks- linken Flügel des Burgtors, gewidmet dem »geDenKen
gartenseitigen Flügels zu einem als Krypta bezeichneten an DIe oPFer IM KaMPFe uM ÖSterreIChS FreI-
Sakralraum mit einem bei der Eröffnung des Helden- heIt«, so die Inschrift des Denkmalblocks aus schwar-
denkmals am 9. September 1934 vom Wiener Erzbi- zem Marmor. Der 1965 beschlossene Nationalfeiertag
schof geweihten Altar verliehen dem Äußeren Burgtor am 26. Oktober bildete den Anstoß für das neue staat-
einen weihevollen, sakralen Charakter.                   lich-militärische Zeremoniell der paritätischen Kranz-
    Zugleich war dem Heldendenkmal von Beginn an niederlegungen, erstmals am 26. Oktober 1966 prak-
seine Funktion als geschichtspolitisches Prestigeprojekt tiziert. Staatspräsident und Bundesregierung legten in
der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur eingeschrieben. Hier aufeinanderfolgenden Gedenkakten jeweils einen Kranz
verbanden sich Verehrung der imperialen militärischen in der Krypta für die Gefallenen des Ersten und Zwei-
Vergangenheit und autoritär oktroyierte katholische Ös- ten Weltkriegs und im Weiheraum für den Widerstand
terreich-Idee, mit Stoßrichtung gegen Demokratie und gegen das NS-Regime nieder. Mitte der 1960er Jahre
Republik im Allgemeinen und die Sozialdemokratie im wurde das Heldendenkmal so zu einem Symbol des Aus-
Besonderen. Nach der Machtergreifung der Nationalso- tarierens der (geschichts-)politischen Lager. Ungeachtet
zialisten und dem »Anschluss« an NS-Deutschland im der Befriedung auf staatsoffizieller Ebene bestanden die
März 1938 nutzten die neuen Machthaber das Helden- unvereinbaren Gegensätze zwischen Wehrmachts- und
denkmal für staatlich-militärisches »Heldengedenken« Widerstandsgedenken subkutan weiter und brachen fall-
und propagandistische Inszenierungen. Unmittelbar weise konflikthaft auf – etwa in den feindlichen Reak-
nach Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft tionen auf Simon Wiesenthal, als er 1975 die Mitglied-
und des Zweiten Weltkriegs war die zukünftige Verwen- schaft von FPÖ-Parteiobmann Friedrich Peter in einer
dung ungewiss. In den 1950er und frühen 1960er Jah- für Massenmorde an der Zivilbevölkerung verantwort-
ren wurde das Heldendenkmal zum Schauplatz der Aus- lich SS-Infanteriebrigade aufdeckte. Die Waldheim-

                                                                                                               eInleItung   9

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Heidemarie Uhl; Richard Hufschmied; Dieter A. Binder (Hg.): Gedächtnisort der Republik

Debatte 1986 legte die Widersprüche des österreichi- glied des Internationalen wissenschaftlichen Beirats)
schen Gedächtnisses offen. Obwohl sich die Kritik an sollte zu einem Lern- und Vermittlungsort über den ös-
Waldheim, 1986 trotz des Verdachts der Beteiligung an terreichischen Umgang mit Krieg, Nationalsozialismus
Kriegsverbrechen zum Bundespräsidenten gewählt, an und Holocaust am zentralen Platz der Republik werden.
seinem Bekenntnis zur »Pflichterfüllung« in der Wehr- Für staatlich-militärische Gedenkfeiern und Jubiläen
macht entzündete, blieb das Gedenken an die gefalle- sollte am Heldenplatz ein Denkmal der Republik Ös-
nen Wehrmachtssoldaten weiterhin eine Konstante terreich errichtet werden.
in der österreichischen Erinnerungskultur – nicht nur      Im Rahmen der Neugestaltungspläne wurde vom
vor den lokalen Kriegerdenkmälern, sondern auch im Verteidigungsministerium auch eine umfassende Auf-
staatlichen Heldendenkmal. Das sollte sich erst im Ge- arbeitung und Analyse des Gedächtnisortes Helden-
folge der Bewusstseinsbildung über die Verbrechen der denkmal beauftragt, die mit dieser Publikation vor-
Wehrmacht durch die beiden Wehrmachtsausstellungen liegt. Für die Mitarbeit konnten die HerausgeberInnen
ändern, die 1996 und 2002 auch in Wien gezeigt wur- namhafte HistorikerInnen und KunsthistorikerInnen
den. Von 2002 bis 2012 sorgten die Proteste gegen die gewinnen. Richard Kurdiovsky untersucht umfassend
provokanten Kranzniederlegungen deutschnationaler die Bau- und Funktionsgeschichte des 1821 bis 1824
schlagender Burschenschaften am 8. Mai in der Krypta errichteten Burgtors. Richard Lein beleuchtet die erst-
regelmäßig für Schlagzeilen. Der jährliche Aufmarsch malige Verwendung als Kriegsdenkmal durch die »pa-
der Burschenschaften am Tag des Kriegsendes auf dem triotische« Aktion »Lorbeer für unsere Helden« 1916.
von Polizeikräften hermetisch abgeriegelten Heldenplatz Anna Stuhlpfarrer analysiert mit neuem Archivmaterial
bewirkte jedoch auch eine intensive Auseinandersetzung die beiden Wettbewerbe zur Errichtung des Helden-
über den 8. Mai als einen Gedenktag, der bislang in denkmals 1933/34 und die (nicht realisierten) Pläne zur
Österreich keine Rolle gespielt hatte.                  architektonischen Umgestaltung in der NS-Zeit. Ri-
    Im Jahr 2012 gelangte das staatliche Heldendenk- chard Hufschmied kontextualisiert die Errichtung des
mal selbst in den Fokus der Kritik. Nachdem der Grüne Heldendenkmals im Rahmen der staatlich-militärischen
Nationalratsabgeordnete Harald Walser den Beleg für Gedenkkultur der Zwischenkriegszeit und rekonstruiert
die Namensnennung eines NS-Massenmörders in den die Finanzierung und die Weihefeierlichkeiten am 9.
Totenbüchern der Krypta veröffentlicht hatte, veran- September 1934 sowie die Nutzung durch das NS-Re-
lasste das Verteidigungsministerium die Entfernung der gime 1938 bis 1945. Peter Pirker konnte für eine Studie
Totenbücher des Ersten und Zweiten Weltkriegs und zu den Nachkriegskonflikten um das staatlich-militä-
aller weiteren Erinnerungsobjekte aus der Krypta. Am rische Gedenken an die gefallenen Wehrmachtssolda-
18. Juli 2012 erfolgte die Öffnung des Denkmals des ten einerseits, den Widerstand gegen das NS-Regime
Toten Kriegers. In seinem Sockel wurde die seit Jahren andererseits gewonnen werden. Die Verfasserin unter-
vermutete nationalsozialistische Widmungsschrift des sucht die neuen Kontroversen um das Heldendenk-
Bildhauers und illegalen Nationalsozialisten Wilhelm mal seit Beginn der 2000er Jahre im Kontext der seit
Frass aufgefunden, überraschenderweise aber auch eine der Waldheim-Debatte 1986 grundlegend veränderten
Gegenschrift seines Mitarbeiters Alfons Riedel.         österreichischen Gedächtniskultur, dokumentiert die
    Mit dieser Widmung war das zentrale staatliche Interventionen in den Ort seit der Zäsur 2012, als die
Kriegerdenkmal nachhaltig nationalsozialistisch kon- Gedenkakte beim bis dahin zentralen Denkmal des To-
taminiert. Der damalige Verteidigungsminister Nor- ten Kriegers gestoppt wurden, und gibt einen Ausblick
bert Darabos erklärte den Ort als nicht mehr geeignet auf derzeit diskutierte Vorhaben.
für staatlich-militärische Gedenkakte. Ein vom Ver-        Das Projekt zur Darstellung und Analyse des Hel-
teidigungsministerium eingerichteter Internationaler dendenkmals als staatlich-militärischem Gedächtnisort
wissenschaftlicher Beirat zur Neugestaltung des Hel- der Republik Österreich wurde vom Bundesministe-
dendenkmals empfahl die Musealisierung des Äuße- rium für Landesverteidigung angestoßen und finanziert.
ren Burgtors. Das Heldendenkmal als einzigartiges Die Publikation ist Teil der umfassenden, selbstkriti-
»100jähriges Geschichtsbuch« (Aleida Assmann, Mit- schen Auseinandersetzung des Österreichischen Bun-

10 heIDeMarIe uhl

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Heidemarie Uhl; Richard Hufschmied; Dieter A. Binder (Hg.): Gedächtnisort der Republik

desheeres mit seiner Traditionspflege. Die Konflikte           BunDeSheereS – Der SChutZ Von DeMoKratIe
um das Heldendenkmal wurden zu einem Katalysator               unD MenSChenreChten BeStIMMt auCh DIe
für die Entwicklung und Vertiefung einer zukunftsori-          traDItIonSPFlege. 2019 entStanD DIe neue ge-
entierten militärischen Erinnerungskultur. Parallel zur        DenKStÄtte FÜr DIe angehÖrIgen DeS ÖSterreI-
Errichtung des neuen Bundesheer-Ehrenmales wurde               ChISChen BunDeSheereS In Der ehrenhalle DeS
2019 eine Informationstafel in der Krypta angebracht,          helDenDenKMalS. DIe ›KrYPta‹ wurDe MuSealI-
in der bekundet wird : Durch die »natIonalSoZIalIS-            SIert, uM alS ort Der KrItISChen reFleXIon Der
tISChe wIDMung Steht DIe ›KrYPta‹ IM wIDer-                    ÖSterreIChISChen geSChIChte Zu DIenen.«
SPruCh Zu Den werten DeS ÖSterreIChISChen

                                                                                                          eInleItung   11

                                       © 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien
                                   ISBN Print: 9783205209058 — ISBN E-Book: 9783205209072
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