Geltungsrahmen dieses Dokuments - ECDC
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
TECHNISCHER BERICHT Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld Reduzierung der Übertragung von COVID-19 von potenziell asymptomatischen oder präsymptomatischen Personen durch die Verwendung von Gesichtsmasken 9. April 2020 Geltungsrahmen dieses Dokuments Dieses Dokument enthält die Stellungnahme des ECDC bezüglich der Eignung von Gesichtsmasken und anderen Gesichtsbedeckungen im sozialen Umfeld bei nicht erkrankten Personen, um die Übertragung von COVID-19 von potenziell präsymptomatischen oder asymptomatischen Maskenträgern auf andere Personen zu reduzieren. Zielgruppe Öffentliche Gesundheitsbehörden in den Ländern der EU/des EWR und im Vereinigten Königreich. Hintergrund • Eine medizinische Gesichtsmaske (auch als Operationsmaske bezeichnet) ist eine medizinische Vorrichtung, die Mund, Nase und Kinn bedeckt und eine Barriere darstellt, die die Übertragung eines infektiösen Erregers zwischen dem Krankenhauspersonal und dem Patienten begrenzt. Sie wird von Angehörigen der Gesundheitsberufe verwendet, um zu verhindern, dass große Atemtröpfchen oder Spritzer von Atemwegsekret Mund und Nase des Maskenträgers erreichen, und um die Verbreitung großer Atemtröpfchen des Maskenträgers an der Quelle zu reduzieren und/oder einzudämmen [1]. Medizinische Gesichtsmasken entsprechen den Anforderungen der Europäischen Norm EN 14683:2014. • Nicht-medizinische Gesichtsmasken (oder Nasen-Mund-Bedeckungen bzw. „Community“-Masken; falsch auch als Mundschutz bezeichnet) umfassen verschiedene Formen von selbst hergestellten oder im Handel erhältlichen Masken oder Gesichtsbedeckungen aus Stoff, anderen Textilien oder Materialien wie Papier. Sie sind nicht standardisiert und nicht für die Verwendung im Rahmen der medizinischen Versorgung oder von Angehörigen der Gesundheitsberufe vorgesehen. • Eine Atemschutzmaske bzw. eine filtrierende Halbmaske (Filtering Face Piece, FFP) dient dazu, den Träger vor dem Kontakt mit Kontaminanten in der Luft (z. B. vor dem Einatmen von Infektionserregern zusammen mit kleinen und großen Partikeltröpfchen) zu schützen, und gilt als persönliche Schutzausrüstung (PSA) [1]. Atemschutzmasken werden hauptsächlich von Angehörigen der Gesundheitsberufe zum Selbstschutz verwendet, insbesondere bei aerosolerzeugenden Verfahren. Atemschutzmasken mit Ventil sind als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Vorgeschlagene Zitierweise: Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten. Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld. Stockholm: ECDC; 2020. © Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, 2020. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.
Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld TECHNISCHER BERICHT DES ECDC Maskenträgers ungeeignet, da sie die Abgabe ausgeatmeter Atemwegsekretpartikel in die Umgebung nicht verhindern [2]. Atemschutzmasken erfüllen die Anforderungen der Europäischen Norm EN 149:2001+A1:2009. In der EU/im EWR und im Vereinigten Königreich empfehlen die folgenden Länder seit dem 1. April das Tragen von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit: Österreich, Bulgarien, Tschechien, Slowakei und Litauen. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Gründe für das Tragen von Gesichtsmasken durch asymptomatische Personen im sozialen Umfeld Medizinische Gesichtsmasken werden als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers für Personen mit Symptomen empfohlen, um die Verbreitung von Atemtröpfchen durch Husten oder Niesen zu verhindern. Auch die Husten- und Nies-Etikette (d. h. das Bedecken von Mund und Nase beim Husten und Niesen mit einem Taschentuch) zielt darauf ab, die Ausbreitung der Infektion durch eine infizierte Person zu begrenzen. Das Tragen einer Gesichtsmaske als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers reduziert nachweislich die Freisetzung von Atemwegsekrettröpfchen, die respiratorische Viren enthalten,[3] und wird zur Reduzierung der Übertragung von Tuberkulose [4] und Influenza [5-7] empfohlen. Es gibt vermehrt Hinweise darauf, dass Personen mit leichten oder keinen Symptomen im präsymptomatischen und frühen Stadium der Infektion zur Ausbreitung von COVID-19 beitragen können [8-15]. Die Bedeutung asymptomatischer Infektionen bei der Übertragung ist unbekannt. Die Evidenz dafür stammt aus Studien zur Virusausscheidung (Virus-Shedding) [11,13,16], epidemiologischen Untersuchungen von COVID-19-Clustern [14,17] und Schlussfolgerungen aus Modellen [10,12] (Anhang). Eine Gesichtsmaske kann dazu beitragen, die Ausbreitung von Infektionen im sozialen Umfeld zu reduzieren, indem sie die Ausscheidung von Atemwegsekrettröpfchen durch infizierte Personen minimiert, die möglicherweise nicht einmal wissen, dass sie infiziert sind, und bevor sie Symptome entwickeln. In dieser Hinsicht kann das Tragen einer Maske durch asymptomatische Personen als Erweiterung der derzeitigen Praxis der Verwendung einer Gesichtsmaske durch symptomatische Personen betrachtet werden. Was die Schutzwirkung medizinischer Gesichtsmasken vor einer influenzaartigen Erkrankung (ILI) und einer im Labor bestätigten Influenza im persönlichen Umfeld für den Träger anbelangt, ist die Evidenz widersprüchlich [5,15,18,19]. Aufgrund der lückenhaften Evidenzlage gibt es bislang keine Empfehlungen dahingehend, dass Personen, die nicht krank sind, und solche, die keinen Patienten versorgen, eine Maske tragen sollten, um die Übertragung von Influenza oder COVID-19 zu reduzieren. Die WHO empfiehlt in dem Dokument „Non- pharmaceutical public health measures for mitigating the risk and impact of epidemic and pandemic influenza“ [Nicht-pharmazeutische Maßnahme zur Reduzierung des Risikos und der Auswirkungen bei epidemischer und pandemischer Influenza], dass bei einer schweren Epidemie oder Pandemie auch asymptomatische Personen unter bestimmten Bedingungen eine Gesichtsmaske tragen sollten, um die Übertragung im sozialen Umfeld zu reduzieren. Die Empfehlung beruht auf der mechanistischen Plausibilität der potenziellen Effektivität dieser Maßnahme [20]. Zu beachten ist, dass die gesamte entsprechende Evidenz aus Studien zu Influenza und anderen Coronaviren stammt und möglicherweise nicht direkt auf COVID-19 anwendbar ist. Es gibt keine Beweise dafür, dass nicht-medizinische Gesichtsmasken oder andere Gesichtsbedeckungen ein wirksames Mittel zum Schutz der Atemwege des Maskenträgers darstellen. Insgesamt erwies sich die Filterwirksamkeit verschiedener nicht-medizinischer Gesichtsmasken als sehr niedrig (2–38 %) [21]. In einer Studie waren Gesichtsmasken aus Baumwolle mit einem höheren Risiko des Eindringens von Mikroorganismen und ILI verbunden, als wenn keine Maske getragen wurde [5]. Es gibt nur begrenzte indirekte Evidenz dafür, dass nicht-medizinische Gesichtsmasken aus verschiedenen Materialien die Freisetzung von Atemwegsekrettröpfchen durch Husten in die Umgebung verringern können. Die derzeitige Evidenzlage legt aber nahe, dass nicht-medizinische Gesichtsmasken als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers weniger effektiv sind als medizinische Masken [22]. Es gibt keine bestimmten Standards für selbst hergestellte, nicht-medizinische Gesichtsmasken. Einer der Vorteile nicht-medizinischer Gesichtsmasken aus Stoff oder anderen Textilien besteht darin, dass sie leicht hergestellt werden können und waschbar und wiederverwendbar sind. Sowohl medizinische als auch nicht-medizinische Gesichtsmasken werden in asiatischen Ländern, beispielsweise in China, Singapur, Südkorea und Japan, von der breiten Öffentlichkeit häufig benutzt. Seit der SARS- Epidemie 2003 ist das Tragen von Gesichtsmasken zusehends üblich geworden. In Hongkong trugen 76 % der Bevölkerung während der SARS-Epidemie eine Gesichtsmaske [23]. In einer Studie aus China war das Tragen einer Gesichtsmaske bei Personen ohne bekannten Kontakt mit SARS-Patienten mit einem geringeren SARS- 2
Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld TECHNISCHER BERICHT DES ECDC Risiko verbunden [24]. Es ist nicht bekannt, ob das Tragen dieser Masken in der Öffentlichkeit mit den in einigen dieser Länder beobachteten niedrigeren COVID-19-Raten zusammenhängt. Die Gründe dafür sind, dass es sich beim Tragen von Masken nur um eine von vielen reaktiven Maßnahmen und Praktiken in diesen Ländern handelt und der Husten- und Nies-Etikette und Handhygiene dort ein höherer Stellenwert zugeschrieben wird als anderswo [23]. Möglicherweise dient das Tragen von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld primär als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers. Diese Maßnahme kann vor allem in epidemischen Situationen besonders relevant sein, in denen von einer hohen Anzahl asymptomatischer, aber infektiöser Personen im sozialen Umfeld ausgegangen werden kann. Das Tragen einer Gesichtsmaske könnte vor allem in folgenden Situationen in Betracht gezogen werden: • in geschlossenen Räumen mit hoher Besucherfrequenz, zum Beispiel in Lebensmittelgeschäften, Einkaufszentren usw.; • in öffentlichen Verkehrsmitteln; und • an bestimmten Arbeitsplätzen und in bestimmten Berufen, die eine physische Nähe zu vielen anderen Personen beinhalten (z. B. Polizisten, Kassierer, wenn sie nicht durch eine Glastrennwand geschützt sind, usw.), und wenn Telearbeit nicht möglich ist. Das Tragen medizinischer Gesichtsmasken durch alle Angehörigen der Gesundheitsberufe, die keine COVID-19-Patienten versorgen, kann als zusätzliche Maßnahme zur Reduzierung der Übertragung von COVID-19 im medizinischen Umfeld betrachtet werden. Es gibt zwar keine Festlegungen hinsichtlich optimaler Strategien, in jedem Fall müssen aber die Verfügbarkeit von Gesichtsmasken, das Ausmaß der Übertragung innerhalb einer Gemeinschaft und die aktuell geltenden Gegenmaßnahmen berücksichtigt werden. In einigen Gesundheitsversorgungseinrichtungen in Europa ist es bereits für alle Mitarbeiter in der Patientenversorgung Vorschrift, bei der Arbeit eine Gesichtsmaske zu tragen. Es ist zu betonen, dass das Tragen von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld nur als ergänzende Maßnahme und nicht als Ersatz für die wichtigsten Präventivmaßnahmen betrachtet werden sollte, die empfohlen werden, um die Übertragung im sozialen Umfeld zu reduzieren, also beispielsweise räumliches Abstandhalten, Zuhausebleiben bei Krankheit, Telearbeit, sofern möglich, Husten- und Nies-Etikette, gründliche Handhygiene und Vermeidung des Berührens von Gesicht, Nase, Augen und Mund. Die korrekte Verwendung von Gesichtsmasken ist wichtig. Die Gesichtsmaske sollte das Gesicht vom Nasenrücken bis zum Kinn vollständig bedecken. Vor dem Aufsetzen und Abnehmen der Gesichtsmaske sind die Hände mit Wasser und Seife oder einem Handdesinfektionsmittel auf Alkoholbasis zu reinigen. Die Gesichtsmaske muss von hinten abgenommen werden, wobei die Vorderseite möglichst nicht berührt werden sollte. Einweg- Gesichtsmasken sind auf sichere Weise zu entsorgen. Nach dem Abnehmen der Gesichtsmaske sind die Hände zu waschen oder es sollte ein Handdesinfektionsmittel auf Alkoholbasis aufgetragen werden. Waschbare, wiederverwendbare Gesichtsmasken sollten nach jedem Tragen so bald wie möglich mit einem handelsüblichen Reinigungsmittel bei 60 °C gewaschen werden. Kampagnen zur angemessenen Verwendung von Gesichtsmasken können die Effektivität der Maßnahme verbessern. Im Zusammenhang mit dem Tragen von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld sind drei wichtige Punkte zu beachten: • Es sollte sichergestellt werden, dass medizinische Gesichtsmasken (und Atemschutzmasken) in erster Linie für die Verwendung durch Angehörige der Gesundheitsberufe reserviert sind, insbesondere angesichts der derzeitigen Knappheit persönlicher Atemschutzvorrichtungen in den Ländern der EU/des EWR. • Das Tragen einer Gesichtsmaske kann ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln, das zum suboptimalen räumlichen Abstandhalten und zu mangelnder Husten- und Nies-Etikette und Handhygiene führt – und möglicherweise dazu, dass selbst erkrankte Personen nicht zuhause bleiben. • Es besteht das Risiko, dass das unsachgemäße Abnehmen der Gesichtsmaske, das Anfassen einer kontaminierten Gesichtsmaske oder eine verstärkte Neigung gesunder Personen, beim Tragen einer Maske das Gesicht zu berühren, das Übertragungsrisiko nicht verringert, sondern vielmehr erhöht. Es ist wichtig zu vermitteln, dass Personen, die in ihrem sozialen Umfeld Gesichtsmasken verwenden, dies tun, um ihre Mitmenschen zu schützen, falls sie infiziert sind. Es liegt ihnen daran, das Virus nicht unwissentlich zu verbreiten, d. h. sie tragen die Maske nicht, um sich selbst vor anderen zu schützen. Das Tragen einer Maske sollte nicht als Eigensucht ausgelegt, sondern vielmehr als Akt der Solidarität befürwortet werden. 3
Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld TECHNISCHER BERICHT DES ECDC Tabelle. Vor- und Nachteile des Tragens einer Maske im sozialen Umfeld Argumente und Evidenz für das Tragen von Argumente und Evidenz gegen das Gesichtsmasken Tragen von Gesichtsmasken Aufgrund der sich mehrenden Evidenz dafür, dass Personen Medizinische Gesichtsmasken sind derzeit mit leichten oder keinen Symptomen zur Ausbreitung von knapp. In Anbetracht des gegenwärtigen COVID-19 beitragen können, sind Gesichtsmasken und andere Drucks auf die Gesundheitssysteme muss Gesichtsbedeckungen als Maßnahme zur Infektionsprävention ihre Nutzung durch Angehörige der auf der Seite des Maskenträgers zu betrachten, die andere Gesundheitsberufe klar priorisiert und bereits bestehende Maßnahmen zur Verringerung der gesichert werden. Übertragung von COVID-19 ergänzt. Immer häufiger zeigt sich, dass die Ausscheidung des SARS- Es gibt nur begrenzte indirekte Beweise CoV-2-Virus kurz vor Symptombeginn und in den ersten 7 bis dafür, dass nicht-medizinische 8 Tagen danach erhöht ist. Gesichtsmasken als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers wirksam sind. Gesichtsmasken wurden in asiatischen Ländern in der Das Tragen einer Gesichtsmaske kann ein Öffentlichkeit häufig verwendet und mit einem etwas falsches Sicherheitsgefühl vermitteln, was zu geringeren SARS-Risiko bei Personen ohne bekannten Kontakt einer Lockerung des räumlichen mit SARS-Patienten während der SARS-Epidemie 2003 in Abstandhaltens und zu häufigeren Verbindung gebracht. Gesichtsberührungen führt (Zurechtrücken der Maske usw.). Nicht-medizinische Gesichtsmasken und andere Gesichtsmasken müssen vorsichtig Gesichtsbedeckungen aus Textilien haben den Vorteil, dass sie aufgesetzt und abgenommen werden, um leicht hergestellt werden können. Sie sind waschbar und eine Selbstkontamination zu vermeiden. wiederverwendbar. Gesichtsmasken werden von bestimmten Bevölkerungsgruppen (z. B. Kindern) oder von Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen nur schlecht toleriert. Es gibt keine festgelegten Standards für nicht-medizinische Gesichtsmasken, die als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers oder zum persönlichen Schutz verwendet werden. 4
Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld TECHNISCHER BERICHT DES ECDC Schlussfolgerungen • Medizinische Gesichtsmasken müssen vorrangig für die Verwendung durch Angehörige der Gesundheitsberufe anstatt durch die Allgemeinbevölkerung reserviert werden. • Das Tragen von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit kann als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers dienen, um die Ausbreitung der Infektion im sozialen Umfeld zu reduzieren, indem die Ausscheidung von Atemwegsekrettröpfchen von infizierten Personen, die noch keine Symptome entwickelt haben oder asymptomatisch bleiben, minimiert wird. Es ist nicht bekannt, inwieweit das Tragen von Masken im sozialen Umfeld zusätzlich zu den anderen Gegenmaßnahmen zu einer Reduzierung der Übertragung beitragen kann. • Das Tragen von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld könnte in geschlossenen Räumen (insbesondere mit hoher Besucherfrequenz) wie z. B. in Lebensmittelgeschäften, Einkaufszentren oder öffentlichen Verkehrsmittel usw. in Betracht kommen. • Die Verwendung nicht-medizinischer Gesichtsmasken aus verschiedenen Textilien könnte insbesondere dann in Betracht kommen, wenn medizinische Gesichtsmasken aufgrund einer Versorgungsknappheit bevorzugt für die Verwendung als persönliche Schutzausrüstung durch Angehörige der Gesundheitsberufe eingesetzt werden müssen. Dies basiert auf begrenzter indirekter Evidenz, denen zufolge das Tragen nicht-medizinischer Gesichtsmasken als Maßnahme zur Infektionsprävention auf der Seite des Maskenträgers zu befürworten ist. • Das Tragen von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld sollte nur als ergänzende Maßnahme und nicht als Ersatz für etablierte Präventivmaßnahmen betrachtet werden, z. B. räumliches Abstandhalten, Husten- und Nies-Etikette, gründliche Handhygiene und Vermeidung des Berührens von Gesicht, Nase, Augen und Mund. • Die angemessene Verwendung von Gesichtsmasken ist ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Maßnahme und kann durch Aufklärungskampagnen verbessert werden. • Empfehlungen zur Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld sollten Evidenzlücken, die Versorgungslage und mögliche negative Nebenwirkungen entsprechend berücksichtigen. Beitragende ECDC-Sachverständige (in alphabetischer Reihenfolge) Agoritsa Baka, Orlando Cenciarelli, Erika Duffell, Angeliki Melidou, Pasi Penttinen, Diamantis Plachouras, Anastasia Pharris, Emmanuel Robesyn, Carl Suetens Anhang Virusausscheidung (Virus-Shedding). Im Verlauf der Infektion ist das Virus 1–2 Tage vor Auftreten der Symptome in Atemwegsproben nachweisbar. Es kann in mittelschweren Fällen bis zu 8 Tage und in schweren Fällen bis zu 2 Wochen persistieren [16]. Das Profil der Viruslast ist bei SARS-CoV-2 ähnlich wie bei der Influenza (Höhepunkt ungefähr zum Zeitpunkt des Symptombeginns)[13], unterscheidet sich aber von dem von SARS-CoV (Höhepunkt ca. 10 Tage nach Symptombeginn) und von MERS-CoV (Höhepunkt in Woche zwei nach Symptombeginn). Höheres Alter wurde mit einer höheren Viruslast in Verbindung gebracht. Die hohe Viruslast kurz vor dem Symptombeginn legt nahe, dass SARS-CoV-2 in einem frühen Stadium der Infektion und möglicherweise in der unmittelbaren Zeit vor dem Symptombeginn leicht übertragbar ist [13]. Virus-RNA wurde ab Tag 5 nach Symptombeginn und in mittelschweren Fällen bis zu 4 bis 5 Wochen lang im Stuhl sowie in Vollblut, Serum, Speichel und Urin nachgewiesen. Ein längeres Shedding von Virus-RNA wurde in nasopharyngealen Abstrichen (bis zu 37 Tage bei erwachsenen Patienten) und im Stuhl (mehr als einen Monat nach der Infektion bei pädiatrischen Patienten) berichtet. Es ist zu beachten, dass das Shedding von Virus-RNA nicht mit Infektiosität gleichzusetzen ist. Die Viruslast kann ein potenziell nützlicher Marker für die Beurteilung der Schwere der Erkrankung und der Prognose sein: Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass die Viruslast in schweren Fällen bis zu 60 Mal höher war als in leichten Fällen [25]. Übertragung in der präsymptomatischen Phase der Infektion. Es gibt keinen erheblichen Unterschied in Bezug auf die Viruslast bei asymptomatischen und symptomatischen Patienten, was bedeutet, dass die Möglichkeit einer Virusübertragung durch asymptomatische Patienten besteht [11]. Nach wie vor besteht Ungewissheit hinsichtlich des Einflusses der präsymptomatischen Übertragung auf die Übertragungsdynamik der Pandemie insgesamt, da die Evidenzlage in Bezug auf die Übertragung durch asymptomatische Fälle aus Fallberichten suboptimal ist. 5
Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld TECHNISCHER BERICHT DES ECDC In Singapur wurden sieben kleine Cluster dokumentiert, wobei zehn der Fälle in diesen Clustern auf eine präsymptomatische Übertragung zurückzuführen sind. Dies entspricht 6,4 % der 157 Fälle mit lokal erworbener Infektion [14]. Darüber hinaus wurden in China Fälle von präsymptomatischen und asymptomatischen Übertragungen gemeldet. In einer Pflegeeinrichtung in den USA könnte eine ähnliche Situation vorgelegen haben [17]. Unter Heranziehung von Modellen wurde der Anteil der präsymptomatischen Übertragung bei Einhaltung von Präventionsmaßnahmen auf ungefähr 48 % und 62 % geschätzt [10]. Aufgrund eines kürzeren seriellen Intervalls von COVID-19 (4,0 bis 4,6 Tage) im Vergleich zur mittleren Inkubationszeit (5 Tage) wurde eine präsymptomatische Übertragung als wahrscheinlich erachtet [12]. Den Autoren zufolge haben zu dem Zeitpunkt, an dem symptomatische Fälle erkannt und isoliert werden, bereits viele Sekundärtransmissionen stattgefunden. Übertragungswege. In den meisten Fällen wird angenommen, dass Coronaviren von Person zu Person über große Atemtröpfchen übertragen werden, die entweder eingeatmet werden oder sich auf Schleimhäuten ablagern. Andere mögliche Übertragungswege von Coronaviren sind der Kontakt mit Infektionsträgern und das Einatmen von Aerosolen, die bei aerosolerzeugenden Verfahren entstehen. Das SARS-CoV-2-Virus wurde in Atemwegs- und in Stuhlproben nachgewiesen. In seltenen Fällen wurde Virus-RNA auch in Blutproben nachgewiesen, es gibt jedoch keine Beweise für eine Übertragung durch Kontakt mit Blut [26]. Die relative Bedeutung der Übertragung von SARS-CoV-2 über Tröpfchen, Infektionsträger und Aerosole ist noch nicht geklärt. Unklar sind auch das Ausmaß an Schutz, das die verschiedenen Komponenten persönlicher Schutzausrüstung bieten, und die Übertragbarkeit des Virus in verschiedenen Stadien der Krankheit. Verwendung von Gesichtsmasken in der EU. Die folgenden Länder empfehlen seit dem 1. April 2020 das Tragen von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit: • Litauen: http://sam.lrv.lt/uploads/sam/documents/files/KORONA/20200330_Rekomendacijos_AAP_kiti_sektoriai.pd f; der Bevölkerung wird empfohlen, in der Öffentlichkeit Gesichtsschutzmasken, Atemschutzmasken oder andere Schutzausrüstung zu tragen, um Nase und Mund zu bedecken, außer am Steuer von Kraftfahrzeugen. Parks und andere öffentliche Plätze sollten von Gruppen mit höchstens zwei Personen (ausgenommen Mitglieder derselben Familie) besucht werden, um die Anforderungen an sicheren Kontakt (Abstand von mehr als zwei Metern und für weniger als 15 Minuten) und Hygiene einzuhalten. • Österreich: https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Aktuelle- Ma%C3%9Fnahmen.html; https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:5d5ba721-6051-4c66-b059- c554227cc11d/20200403_Fragen%20und%20Antworten%20zum%20Mund-Nasen-Schutz.pdf • Tschechien: https://www.vlada.cz/en/media-centrum/aktualne/the-government-has-decided-to-require- the-wearing-of-protective-equipment-and-reserved-time-for-senior-citizens-to-do-their-food-shopping- 180465/ • Slowakei: Offizielles Dokument für das vorgeschriebene Tragen von Masken (oder anderer Atemschutzausrüstung) mit Wirkung zum 25. März 2020: http://www.uvzsr.sk/docs/info/covid19/Opatrenie_UVZSR_povinnost_nosit_ruska_24032020.pdf • Bulgarien: http://www.mh.government.bg/bg/novini/aktualno/grazhdanite-koito-se-namirat-v-zakriti-ili- na-otkr/ Literaturverzeichnis 1. National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH). Use of respirators and surgical masks for protection against healthcare hazards [internet]. Atlanta: CDC; 2018 [accessed 1 April 2020]. Available from: https://www.cdc.gov/niosh/topics/healthcarehsps/respiratory.html 2. European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Safe use of personal protective equipment in the treatment of infectious diseases of high consequence. Stockholm: ECDC; 2014. Available from: https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/media/en/publications/Publications/safe-use-of-ppe.pdf 3. Leung NHL, Chu DKW, Shiu EYC, Chan K-H, McDevitt JJ, Hau BJP, et al. Respiratory virus shedding in exhaled breath and efficacy of face masks. Nat Med. 2020 2020/04/03. 4. Dharmadhikari AS, Mphahlele M, Stoltz A, Venter K, Mathebula R, Masotla T, et al. Surgical face masks worn by patients with multidrug-resistant tuberculosis: impact on infectivity of air on a hospital ward. Am J Respir Crit Care Med. 2012 May 15;185(10):1104-9. 5. MacIntyre CR, Seale H, Dung TC, Hien NT, Nga PT, Chughtai AA, et al. A cluster randomised trial of cloth masks compared with medical masks in healthcare workers. BMJ open. 2015;5(4):e006577. 6. MacIntyre CR, Chughtai AA. Facemasks for the prevention of infection in healthcare and community settings. BMJ : British Medical Journal. 2015;350:h694. 6
Verwendung von Gesichtsmasken im sozialen Umfeld TECHNISCHER BERICHT DES ECDC 7. Cheng VC, Tai JW, Wong LM, Chan JF, Li IW, To KK, et al. Prevention of nosocomial transmission of swine-origin pandemic influenza virus A/H1N1 by infection control bundle. J Hosp Infect. 2010 Mar;74(3):271-7. 8. Li R, Pei S, Chen B, Song Y, Zhang T, Yang W, et al. Substantial undocumented infection facilitates the rapid dissemination of novel coronavirus (SARS-CoV2). Science. 2020:eabb3221. 9. Rothe C, Schunk M, Sothmann P, Bretzel G, Froeschl G, Wallrauch C, et al. Transmission of 2019-nCoV infection from an asymptomatic contact in Germany. New England Journal of Medicine. 2020. 10. Ganyani T, Kremer C, Chen D, Torneri A, Faes C, Wallinga J, et al. Estimating the generation interval for COVID-19 based on symptom onset data. medRxiv. 2020:2020.03.05.20031815. 11. Zou L, Ruan F, Huang M, Liang L, Huang H, Hong Z, et al. SARS-CoV-2 Viral Load in Upper Respiratory Specimens of Infected Patients. N Engl J Med. 2020 Mar 19;382(12):1177-9. 12. Nishiura H, Linton NM, Akhmetzhanov AR. Serial interval of novel coronavirus (COVID-19) infections. Int J Infect Dis. 2020 Mar 4;93:284-6. 13. To KK, Tsang OT, Leung WS, Tam AR, Wu TC, Lung DC, et al. Temporal profiles of viral load in posterior oropharyngeal saliva samples and serum antibody responses during infection by SARS-CoV-2: an observational cohort study. Lancet Infect Dis. 2020 Mar 23. 14. Wei WE, Li Z, Chiew CJ, Yong SE, Toh MP, Lee VJ. Presymptomatic Transmission of SARS-CoV-2 — Singapore, January 23–March 16, 2020. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2020. 15. World Health Organization (WHO). Non-pharmaceutical public health measures for mitigating the risk and impact of epidemic and pandemic influenza. Geneva: WHO; 2019. Available from: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/329438/9789241516839-eng.pdf 16. Wölfel R, Corman VM, Guggemos W, Seilmaier M, Zange S, Müller MA, et al. Virological assessment of hospitalized patients with COVID-2019. Nature. 2020 2020/04/01. 17. Kimball A, Hatfield KM, Arons M. Asymptomatic and presymptomatic SARS-CoV-2 infections in residents of a long-term care skilled nursing facility — King County, Washington, March 2020. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2020. 18. Aiello AE, Murray GF, Perez V, Coulborn RM, Davis BM, Uddin M, et al. Mask use, hand hygiene, and seasonal influenza-like illness among young adults: a randomized intervention trial. The Journal of infectious diseases. 2010;201(4):491-8. 19. Larson EL, Ferng Y-H, Wong-McLoughlin J, Wang S, Haber M, Morse SS. Impact of non-pharmaceutical interventions on URIs and influenza in crowded, urban households. Public Health Reports. 2010;125(2):178-91. 20. World Health Organisation (WHO). Non-pharmaceutical public health measures for mitigating the risk and impact of epidemic and pandemic influenza: WHO; 2019. Available from: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/329438/9789241516839-eng.pdf 21. Rengasamy S, Eimer B, Shaffer RE. Simple Respiratory protection – evaluation of the filtration performance of cloth masks and common fabric materials against 20–1000 nm size particles. The Annals of Occupational Hygiene. 2010;54(7):789-98. 22. Davies A, Thompson K-A, Giri K, Kafatos G, Walker J, Bennett A. Testing the efficacy of homemade masks: would they protect in an influenza pandemic? Disaster medicine and public health preparedness. 2013;7(4):413-8. 23. Lo JY, Tsang TH, Leung YH, Yeung EY, Wu T, Lim WW. Respiratory infections during SARS outbreak, Hong Kong, 2003. Emerg Infect Dis. 2005 Nov;11(11):1738-41. 24. Wu J, Xu F, Zhou W, Feikin DR, Lin CY, He X, et al. Risk factors for SARS among persons without known contact with SARS patients, Beijing, China. Emerg Infect Dis. 2004 Feb;10(2):210-6. 25. European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Cloth masks and mask sterilisation as options in case of shortage of surgical masks and respirators – 26 March 2020. Stockholm: ECDC; 2020. Available from: https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/Cloth-face-masks-in-case- shortage-surgical-masks-respirators2020-03-26.pdf 26. Liu Y, Yan LM, Wan L, Xiang TX, Le A, Liu JM, et al. Viral dynamics in mild and severe cases of COVID-19. Lancet Infect Dis. 2020 Mar 19. 27. World Health Organization (WHO). Report of the WHO–China joint mission on coronavirus disease 2019 (COVID-19). Geneva: WHO; 2020. Available from: https://www.who.int/docs/default- source/coronaviruse/who-china-joint-mission-on-covid-19-final-report.pdf. 7
Sie können auch lesen