GEMEINSAM ANS ZIEL? LERNORTKOOPERATION IM DIGITALEN WANDEL
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
STUDIE 2/2021 PAULA RISIUS, DAVID MEINHARD GEMEINSAM ANS ZIEL? LERNORTKOOPERATION IM DIGITALEN WANDEL
STUDIE 2/2021 INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG 3 2. DATENGRUNDLAGE UND METHODIK 4 3. STAND DER LERNORTKOOPERATION IM ALLGEMEINEN 6 3.1 ABSTIMMUNGSPROZESSE IM RAHMEN DER LERNORTKOOPERATION 6 3.2 TYPISIERUNG DER LERNORTKOOPERATIONEN 9 3.3 ZUSAMMENHANG VON LERNORTKOOPERATION UND DIGITALISIERUNG DER BERUFLICHEN AUSBILDUNG 11 11 4. POTENZIALE DER DIGITALISIERUNG FÜR DIE LERNORTKOOPERATION 13 5. FAZIT UND AUSBLICK 15 LITERATUR 16 2
1. EINLEITUNG Bei der Gestaltung der digitalen Ausbildung nimmt die mann et al., 2015). In dieser Studie wird anhand einer Kooperation zwischen den Berufsschulen und Ausbil- nichtrepräsentativen Stichprobe von Berufsschullehr- dungsbetrieben eine wichtige Rolle ein. Obwohl die kräften, Ausbilderinnen und Ausbildern analysiert, wie duale Struktur innerhalb der Berufsausbildung in zufrieden die Befragten mit der Lernortkooperation sind Deutschland bereits einen gewissen Grad der Koope- und wie genau sie diese ausgestalten. Anhand ihrer ration der beiden Lernorte Betrieb und Berufsschule Antworten wird die Zusammenarbeit der Befragten impliziert, wurde diese Zusammenarbeit erst mit der jeweils einem von drei Kooperationstypen nach Busch- Novellierung des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 2005 feld und Euler (1994) zugeordnet. Zudem wird unter gesetzlich verankert. Dies ist insbesondere vor dem dem Vorzeichen der Digitalisierung betrachtet, inwie- Hintergrund erstaunlich, dass die Lernortkooperation fern das Berufsbildungspersonal eine Notwendigkeit in einschlägigen Studien als einer der Faktoren genannt zur Intensivierung der Zusammenarbeit sieht und wel- wird, welcher die Ausbildungsqualität maßgeblich be- che Möglichkeiten sie hierzu in digitalen Tools sehen. einflusst (Wenner, 2018). Im Zuge der Digitalisierung der Ausbildung werden mancherorts weitere Lernorte Die vorliegende Studie ist der zweite Teil einer vier- relevant, wie etwa die überbetrieblichen Berufsbil- gliedrigen Studienreihe, in welcher die Perspektive des dungsstätten, die in ihrer Rolle für die Digitalisierung Berufsbildungspersonals auf unterschiedliche Facetten der beruflichen Bildung ebenfalls öffentlich gefördert der Digitalisierung beruflicher Ausbildungsprozesse werden (BIBB 2021). Durch die Lernortkooperation analysiert wird. Gegenstand der ersten Teilstudie war soll sichergestellt werden, dass das in den betrieblichen die Betrachtung des aktuellen Stands der Digitalisie- Ausbildungsabschnitten vermittelte Praxiswissen an- rung in der beruflichen Ausbildung (Risius, 2021). Die gemessen mit den theoretischen, fachlichen wie folgenden Teilstudien werden sich den veränderten allgemeinbildenden Inhalten der Berufsschule ver- Anforderungen und damit verbundenen Herausfor- schränkt wird. Dies soll die Flexibilität der Auszu- derungen des Berufsbildungspersonals (Risius et al., bildenden erhöhen, sodass sie im Arbeitsleben auch 2021) sowie den sich daraus ergebenden Handlungs- unbekannte Situationen meistern können (Schwendi- bedarfen (Seyda / Risius, 2021) widmen. 3
STUDIE 2/2021 2. DATENGRUNDLAGE UND METHODIK Im Rahmen des Projekts NETZWERK Q 4.0 wurde von November 2020 bis Januar 2021 eine Befra- gung des Berufsbildungspersonals durchgeführt. Das NETZWERK Q 4.0 ist ein Verbundprojekt des Instituts der deutschen Wirtschaft mit den Bildungswerken der Wirtschaft und weiteren Akteuren im Bereich der Aus- und Weiterbildung, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Die Befragung fällt in einen Zeitraum, in welchem die Corona-Pandemie starke Restriktionen hinsichtlich des Schul- und Ausbildungskontexts hervorrief und somit die Kompetenz- und Wissensvermittlung im Ausbildungskontext weit digitaler stattfand als vor Beginn der Pandemie. Die Befragung der Lehrkräfte an Berufsschulen fand werden, erfolgt eine Typisierung der Kooperationsakti- getrennt von der Befragung der Ausbilderinnen und vitäten anhand des Schemas von Buschfeld und Euler Ausbilder statt, da die Fragen im Wortlaut an die Situa- (1994). tion der unterschiedlichen Lernorte angepasst wurden. Insgesamt nahmen 157 Lehrkräfte und 261 Ausbilde- Zur Typisierung wurde ein mehrstufiges Verfahren rinnen und Ausbilder an der Befragung teil. Die Verbrei- durchgeführt. Im ersten Schritt wurden dabei die An- tung der Befragungen übernahmen die Bildungswerke gaben derjenigen Befragten von der weiteren Analyse der Wirtschaft. Eine systematische Stichprobenziehung ausgeschlossen, denen ihren Antworten zufolge die war aufgrund fehlender Kenntnisse über die Zu- Ansprechpartner am jeweils anderen Lernort gänzlich sammensetzung der Grundgesamtheit nicht möglich. unbekannt waren. Nur Antworten von Personen, die Aufgrund der unsystematischen Stichprobenziehung die Frage „Ich kenne meine Ansprechpartner an der Be- und der geringen Teilnehmendenzahl sind die Befra- rufsschule bzw. in den Ausbildungsbetrieben“ mit „trifft gungsergebnisse nicht repräsentativ. Eine Stichproben- zu“, „trifft eher zu“ oder „trifft eher nicht zu“ beantwor- beschreibung ist Risius (2021) zu entnehmen. teten, wurden somit berücksichtigt. Im zweiten Schritt Die vorliegende Studie widmet sich ausführlich der wurde ein Dummy-System entwickelt, das für alle Ausgestaltung von Lernortkooperationen. Die ver- weiteren Items der Fragenbatterie den Wert 0 annahm, wendete Fragenbatterie ist angelehnt an eine Studie wenn die Aussage als nicht oder eher nicht zutreffend von Wenner (2018), welcher die Lernortkooperation gekennzeichnet wurde, und den Wert 1 zugewiesen aus Sicht von Auszubildenden betrachtet und dabei auf bekam, wenn die Antwortmöglichkeit „trifft zu“ oder Eulers (2004) Gegenüberstellung verschiedener drei-, „trifft eher zu“ gewählt wurde. Im dritten Schritt wurden vier- bzw. fünfstufigen Kooperationstypisierungen zu- die Dummies zu den Typen der Lernortkooperation rückgreift, um die unterschiedlichen Gestaltungsformen nach Buschfeld und Euler (1994) geclustert und Sum- von Lernortkooperationen zu beschreiben. Nachfolgende menscores für jeden Typen errechnet. Dabei gingen die Tabelle stellt die zugrundeliegenden Typisierungen Items wie folgt in die Scores ein: gegenüber: • Informieren: Nach Inhalten erkundigen, Probleme bei Auszubildenden besprechen, Lernstandsentwicklung Im Rahmen der Studie wird eine Analyse vorgenom- einzelner Auszubildender miteinander besprechen men, welche Typen der Lernortkooperation in der • Abstimmen: Absprachen zum Softwareeinsatz Stichprobe besonders verbreitet sind. Die für diese treffen, Lerneinheiten zeitlich koordinieren, Studie entwickelte Fragenbatterie ist dabei eher für Lernmaterial austauschen eine Analyse der Intensität von Lernortkooperationen • Zusammenwirken: Gemeinsame Erarbeitung von als zur Erfassung der Motivation hinter der Zusammen- Lerneinheiten, gemeinsame Durchführung von arbeit geeignet, weshalb eine Typisierung nach Pätzold Ausbildungsprojekten (1991) ungeeignet erscheint. Da auch sporadische, Im vierten und letzten Schritt schließlich wurden alle durch externale Einflüsse induzierte Kooperationsaktivi- analysierten Fälle einem Typen der Lernortkooperation täten nicht mit der genutzten Fragenbatterie erfasst zugeordnet. Hierbei wurden die Typen als Hierarchie 4
verstanden: Während „Informieren” die geringstmög- wirken“ erreichten nur diejenigen Befragten, die zuvor liche Abstimmung erfordert und „Abstimmen” eine Typ 2 zugezählt wurden und zusätzlich mindestens mittlere Intensität der Lernortkooperation voraussetzt, eines der entsprechenden Items im Bereich „Zusam- geht das „Zusammenwirken” mit einem erheblichen menwirken“ bejaht hatten. Aufwand einher. Eine Befragungsperson wurde dem Typ 1 „Informieren“ zugeordnet, wenn mindestens ein Item aus diesem Cluster als zutreffend gekennzeichnet wurde, der Summenscore also nicht den Wert Null annahm. Befragungspersonen, die darüber hinaus mindestens ein Item aus dem Bereich „Abstimmen“ als zutreffend markiert hatten, wurden dem Typ 2 „Abstimmen“ zugeordnet. Den Typ 3 „Zusammen- BUSCHFELD / EULER, PÄTZOLD, 1991 BERGER / WALDEN, 1995 1994 Unterscheidungs- Intensität Intention Intensität dimension Anzahl Typen 3 4 5 Bezeichnung der Typen 1. Informieren 1. Pragmatisch -formal 1. Keine Kontakte 2. Abstimmen 2. Pragmatisch -utilitaris- 2. Sporadische 3. Zusammenwirken tisch Aktivitäten 3. Didaktisch -methodisch 3. Kontinuierlich- 4. Bildungstheoretisch- probleminduziert begründet 4. Kontinuierlich- fortgeschritten 5. Kontinuierlich- konstruktiv Differenzierungs- • Kooperationsinhalt • Kernmotivation: • Kontakthäufigkeit merkmale • Kooperationsrahmen external vs. internal • Kooperationsrahmen • Nebeneinander vs. • Problemzentrierung • Kooperationsinhalt Miteinander • Didaktische Über- legungen • Gesellschaftliche Perspektive QUELLE: Eigene Darstellung nach Wenner (2018) und Euler (2004) 5
STUDIE 2/2021 3. STAND DER LERNORTKOOPERATION IM ALLGEMEINEN 3.1 ABSTIMMUNGSPROZESSE IM RAHMEN DER tert werden, indem die in den Betrieben erworbenen LERNORTKOOPERATION praktischen Kompetenzen durch in den Berufsschulen Der Begriff Lernortkooperation bezeichnet im Bereich vermitteltes theoretisches Wissen ergänzt werden. der beruflichen Bildung das „technisch-organisato- Vor dem Hintergrund der Digitalisierung äußerten rische und das pädagogische Zusammenwirken des Unternehmensvertreterinnen und -vertreter in einer Lehr- und Ausbildungspersonals der an der beruflichen qualitativen Befragung den Wunsch nach einer ver- Bildung beteiligten Lernorte“ (Kaiser / Pätzold 2006, S. stärkten Verzahnung der Ausbildungsabschnitte 355). Diese kurze Definition unterstreicht die Bedeu- (Südwestmetall, 2020). Eine weitere Erkenntnis aus tung des Berufsbildungspersonals für die praktische der vorgenannten Studie ist, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Zusammenarbeit der dualen Ausbil- Lernortkooperation ein längerfristiges Engagement dungspartner. Zudem ermöglicht diese Fokussierung aller beteiligten Personen der unterschiedlichen Lern- weg von den institutionellen Aspekten der Kooperation orte erfordert und somit kein „Selbstläufer“ ist. Dieses eine Abfrage relevanter Punkte des Zusammenwirkens Engagement kann aus einer individuellen Nutzenab- durch die vorliegende Befragung der Berufsschul- wägung heraus allerdings nur realisiert werden, wenn lehrkräfte sowie der Ausbilderinnen und Ausbilder. der erwartete zukünftige Nutzen eines Engagements Mithilfe von Lernortkooperationen soll der Erwerb einer innerhalb der Lernortkooperation höher als der eigene umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit erleich- individuelle Aufwand ist. Aus dieser Abwägung heraus ABBILDUNG 3.1: FUNKTIONSTÜCHTIGKEIT DER LERNORTKOOPERATION ZWISCHEN BERUFSSCHULEN UND AUSBILDUNGSBETRIEBEN 40 35 30 25 20 37,6 34,5 31,4 15 23,6 10 15,3 13,0 11,1 10,8 5 8,3 6,1 4,5 3,8 0 SEHR GUT EHER GUT MITTEL EHER SEHR KANN ICH SCHLECHT SCHLECHT NICHT BEURTEILEN QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, Berufsschullehrkräfte Ausbilderinnen und Ausbilder N(Berufsschullehrkräfte) = 157, N(Ausbilder) = 261 6
ergibt sich die Notwendigkeit, die Vorteile und Perspek- Antworten aus, was den Ergebnissen der vorliegenden tiven einer intensiveren Lernortkooperation sichtbar zu Studie weitaus näherkommt. machen und zu kommunizieren. Neben der Gesamtbetrachtung der Qualität der Ler- In der Gesamtbetrachtung gibt der größte Teil des nortkooperation fokussiert die vorliegende Befragung Berufsbildungspersonals an, die Kooperation zwischen mehrere Teilaspekte, welche die Zusammenarbeit des den Beteiligten an den beiden Lernorten Berufsschule Berufsbildungspersonals an Schulen und Betrieben und Betrieb funktioniere zumindest mittelmäßig, kennzeichnen (siehe Abbildung 3.2). Für eine bessere wobei sich die Rückmeldungen seitens der befragten Lesbarkeit stellt die Abbildung die Antwortkategorien Ausbilderinnen und Ausbilder sowie den Lehrkräften „Trifft zu“ und „Trifft eher zu“ kumuliert da und verzichtet teilweise unterscheiden (siehe Abbildung 3.1). Knapp auf eine Darstellung der Antworten „Trifft eher nicht die Hälfte aller befragten Lehrkräfte (48,4 Prozent) zu“ und „Trifft nicht zu“ sowie der Ausweichkategorie beurteilt die Lernortkooperation alles in allem als eher „Kann ich nicht beurteilen“. gut oder sehr gut. Bei den Ausbilderinnen und Aus- bildern urteilen 44,5 Prozent ebenso. 12,7 Prozent Der deutlichste Unterschied zwischen den Rückmel- der Lehrkräfte sowie 17,2 Prozent der Ausbilderinnen dungen aus Schule und Betrieb findet sich hinsicht- und Ausbilder hingegen beurteilen die Kooperation mit lich der Frage, ob den Befragten die Ansprechpartner dem dualen Partner als eher schlecht oder gar als sehr am jeweils anderen Lernort bekannt seien. Während schlecht. Auffällig ist zudem, dass mehr als 15 Prozent 85,7 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder dies der Lehrkräfte keine Beurteilung abgeben können. Ein bejahen, stimmen nur rund 69 Prozent der befrag- möglicher Grund dafür ist, dass nicht alle Lehrkräfte im ten Lehrkräfte dieser Aussage zu. Dies mag aus der direkten Kontakt zum Ausbildungspersonal im Betrieb Tatsache resultieren, dass betriebliche Akteure in der stehen, sodass die Zusammenarbeit entsprechend nicht Regel mit der Klassenlehrerin bzw. dem Klassenlehrer beurteilt werden kann. Auch in Abbildung 3.2 zeigt der Berufsschulklasse einen einzelnen, zentralen An- sich, dass Lehrkräfte deutlich seltener angeben, dass sprechpartner haben, während Berufsschullehrkräfte die jeweiligen Ansprechpartner beim dualen Partner oftmals innerhalb von Klassen unterrichten, die sich bekannt seien. Die insgesamt überwiegend positive aus Auszubildenden sehr vieler kleineren wie größeren Beurteilung der Lernortkooperation durch Lehrkräfte, Ausbildungsbetriebe zusammensetzen. Hier fällt es Ausbilderinnen und Ausbilder bildet dennoch ein gutes wesentlich schwerer, alle relevanten Ansprechpartner Fundament für weitere Überlegungen zum Ausbau und gleichermaßen kennenzulernen. zur Intensivierung. Ebenfalls häufig als zutreffend gekennzeichnet wurden Dieses Ergebnis widerspricht auf den ersten Blick die beiden Aussagen, die sich auf die individuelle Situ- den Ergebnissen von Flake et al. (2019), deren Unter- ation einzelner Auszubildender beziehen. 82,8 Prozent suchung auf einer repräsentativen Befragung von der befragten Lehrkräfte an Berufsschulen gaben an, 830 Unternehmen aus dem Jahr 2017 zufolge die die Problemlagen einzelner Schülerinnern und Schüler Zufriedenheit von Unternehmen mit der Berufsschule mit dem dualen Partner zu besprechen. Bei den Aus- mit Werten zwischen 19,5 Prozent und 30,4 Prozent bilderinnen und Ausbildern antworteten 74,9 Prozent deutlich geringer ausfällt. Die Unterschiede lassen sich der Befragten entsprechend. Bei der Besprechung der jedoch mit Blick auf die hohen Anteile fehlender Anga- Lernstandsentwicklung einzelner Azubis ist die Aus- ben erklären: Je nach Fragestellung konnten zwischen prägung dieser Nennung bei den Lehrkräften und dem 32,4 und 43,5 Prozent der Unternehmen in besagter betrieblichen Ausbildungspersonal vergleichbar hoch Studie die jeweiligen Eigenschaften der Berufsschulen (54,7 bzw. 57,3 Prozent). Eine mögliche Erklärung für nicht bewerten. Entfernt man die fehlenden Angaben die marginal höheren Werte bei den Lehrkräften könnte aus der Analyse, machen die zufriedenen Angaben die stärker pädagogisch ausgerichtete Lehrerbildung zwischen 32,8 und 46,6 Prozent der verbleibenden sein, woraus sich gegebenenfalls eine stärkere Orien- 7
STUDIE 2/2021 ABBILDUNG 3.2: ABSTIMMUNGSPROZESSE ZWISCHEN AUSBILDUNGSBETRIEB UND BERUFSSCHULE ANTEIL DER „TRIFFT ZU“ BZW. „TRIFFT EHER ZU“-ANTWORTEN, IN PROZENT 85,7 Ansprechpartner kennen 69,4 74,9 Probleme bei Azubis besprechen 82,8 Informieren Lernstandsentwicklung einzelner 54,7 Azubis besprechen 57,3 38,6 Sich nach Inhalten erkundigen 40,4 Ausgewählte Inhalte zeitlich 35,5 koordinieren 23,1 Abstimmen 13,9 Lehr-/Lernmaterial austauschen 19,6 Sich zum Einsatz von Software und 10,0 Tools absprechen 13,2 Zusammenwirken Gemeinsame Ausbildungsprojekte 17,0 durchführen 21,0 6,6 Gemeinsam Lerneinheiten erarbeiten 7,1 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Nicht dargestellte Antworten: „trifft eher nicht zu“, „trifft nicht zu“, Ausbilderinnen und Ausbilder Berufsschullehrkräfte „kann ich nicht beurteilen“. QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, N(Berufsschullehrkräfte) = 156-157, N(Ausbilderinnen und Ausbilder) = 258-259 tierung am Lernenden ergibt, die in dieser Form in den Struktur finden die Akteure der Berufsausbildung in den Betrieben und aufgrund der operativen Erfordernisse Ausbildungsordnungen (bezüglich der betrieblichen in diesen nicht immer durch das Ausbildungspersonal Ausbildung) beziehungsweise der Rahmenlehrpläne gewährleistet werden kann. (bezüglich der Inhalte des Berufsschulunterrichts). Während eine stärkere Verzahnung und ein engeres Nur rund jeder vierte Befragte gab als zutreffend an, Zusammenspiel der theoretischen und praktischen dass ausgewählte Ausbildungs- bzw. Unterrichts- Ausbildungsphasen sicher wünschenswert wären, inhalte aufeinander abgestimmt werden. Eine zumin- zeigt diese Rückmeldung, dass die Absprache im Detail dest grobe Orientierung der inhaltlichen und zeitlichen noch nicht flächendeckend stattfindet. Die obenstehen- 8
de Abbildung zeigt zudem vier weitere Aspekte einer rationstypen zugewiesen werden. Hinzu kommen 37 möglichen gemeinsamen Planung und Gestaltung von Befragte, deren Angaben zwar in die Scoreberechnung Lehr-Lernprozessen. Beispielhaft gab nur rund jeder aufgenommen wurden, die jedoch keinem der Typen fünfte Befragte an, dass die Aussage „Wir führen ge- zugeordnet werden konnten. Dies betrifft 13,6 Prozent meinsam Ausbildungsprojekte durch“ zumindest eher der befragten Ausbilderinnen und Ausbilder und 3,8 zuträfe. Das Schlusslicht dieser Rückmeldungen bildet Prozent der befragten Berufsschullehrkräfte, die ge- die Erarbeitung gemeinsamer Lerneinheiten (Lehrkräfte nügend Angaben gemacht haben. Sie kennen zwar ihre mit 7,1 Prozent und Ausbildungspersonal mit 6,6 Pro- Ansprechpartner am jeweils anderen Lernort, es findet zent). Es wird hierdurch deutlich, dass das Potenzial jedoch kein weiterer Austausch statt. einer Lernortkooperation zur Schaffung eines qualita- tiven Mehrwerts der Ausbildungsprozesse aufgrund Etwas mehr als die Hälfte der Befragten mit aus- engerer inhaltlicher, methodischer und zeitlicher Ab- reichenden Angaben können dem Kooperationstyp stimmungen zwischen den Lernorten bisher noch nicht „Informieren“ zugeordnet werden. Bei diesem Koope- realisiert werden konnte. rationstyp suchen 93,2 Prozent das Gespräch, wenn Probleme bei Auszubildenden auftreten. 58,9 Prozent 3.2 TYPISIERUNG DER LERNORTKOOPERATIONEN besprechen darüber hinaus auch die Lernstandsent- Auf Basis der Überlegungen von Wenner (2018) und wicklung der Auszubildenden mit den Kolleginnen und darüber hinausgehender Überlegungen wurden die Kollegen am jeweils anderen Lernort. Nur ein gutes Aussagen zur Lernortkooperation den drei Typen von Drittel (37,0 Prozent) der Befragten, die dem Typ „In- Lernortkooperationen nach Buschfeld und Euler (1994) formieren“ zugeordnet werden, erkundigen sich regel- zugeordnet. Dabei wurden Befragungspersonen nicht mäßig nach den Inhalten am jeweils anderen Lernort. weiter berücksichtigt, die ihre Ansprechpartner am Somit liegt der Fokus der Zusammenarbeit eindeutig jeweils anderen Lernort nicht kannten. Das exakte Vor- auf der probleminduzierten Absprache zwischen den gehen der Clusterung wird in Kapitel 2 beschrieben. Lernorten, während die Auseinandersetzung auf inhalt- Aufgrund fehlender Angaben bei den betreffenden licher Ebene ausbleibt und so kein tieferes zeitliches Unterfragen konnte 50 Befragten keiner der Koope- oder organisatorisches Ineinandergreifen der Lerninhalte zwischen den Lernorten erfolgt. ABBILDUNG 3.3: ENTFALLEN DER BEFRAGTEN AUF DIE VERSCHIEDENEN TYPEN DER LERNORTKOOPERATION 80 60 40 60,3 54,8 20 25,4 24,0 19,8 15,7 0 TYP TYP TYP „INFORMIEREN“ „ABSTIMMEN“ „ZUSAMMENWIRKEN“ QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, Ausbilderinnen und Ausbilder Berufsschullehrkräfte N(Berufsschullehrkräfte)=126, N(Ausbilder)=204 9
STUDIE 2/2021 ABBILDUNG 3.4: ANGEGEBENE ABSTIMMUNGSFORMEN NACH ABSTIMMUNGSTYPEN SUMME „TRIFFT ZU“ UND „TRIFFT EHER ZU“, IN PROZENT DES AUF DEN JEWEILIGEN TYP ENTFALLENDEN BERUFSBILDUNGSPERSONALS 93,0 Probleme bei Azubis besprechen 97,5 98,2 Informieren Lernstandsentwicklung einzelner 58,9 76,5 Azubis besprechen 89,5 37,0 Sich nach Inhalten erkundigen 53,1 84,2 Ausgewählte Inhalte zeitlich 63,0 koordinieren 77,2 Abstimmen 45,7 Lehr-/Lernmaterial austauschen 61,4 Sich zum Einsatz von Software und 23,5 Tools absprechen 38,6 Gemeinsame Ausbildungsprojekte Zusammen- 91,2 durchführen wirken Gemeinsam Lerneinheiten erarbeiten 45,6 0 20 40 60 80 100 Nicht dargestellte Antworten: „trifft eher nicht zu“, „trifft nicht zu“, Typ „Informieren“ „kann ich nicht beurteilen“ Typ „Abstimmen“ Typ „Zusammenwirken“ QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, N=330 Weitere 24,0 Prozent der befragten Ausbilderinnen zent tauschen Lehr- und Lernmaterialien miteinander und Ausbilder und 25,4 Prozent der Lehrkräfte an aus und 23,5 Prozent treffen Absprachen zum Ein- Berufsschulen mit ausreichenden Angaben lassen satz digitaler Tools und Methoden. Insgesamt ist die sich dem Kooperationstyp „Abstimmen“ zuordnen. Mit Lernortkooperation auf dieser Ebene somit deutlich Blick auf die zuvor beschriebenen Handlungen, die für intensiver als auf der Stufe des Informierens. das Erreichen der Stufe „Informieren“ notwendig sind, erreichen die Befragten in der Kategorie jeweils höhere Der erwartungsgemäß geringste Anteil des befragten Werte als Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder, Berufsbildungspersonals fällt unter den Kooperations- deren Zusammenarbeit nicht über diese Handlungen typ „Zusammenwirken“. Lediglich 15,7 Prozent der hinausgeht. 97,5 Prozent treffen problembasierte Ausbilderinnen und Ausbilder und 19,8 Prozent der Absprachen, 76,5 Prozent besprechen regelmäßig analysierten Berufsschullehrkräfte mit ausreichenden die Lernstandsentwicklung einzelner Auszubildender Angaben gestalten die Lernortkooperation derart eng, und 53,1 Prozent erkundigen sich regelmäßig nach dass von einem Zusammenwirken gesprochen wer- den Lerninhalten am anderen Lernort. Darüber hinaus den kann. In allen Kategorien der zuvor erläuterten stimmen 63,0 Prozent der Befragten in diesem Typus Lernortkooperationstypen erzielen Befragte des Typus ausgewählte Inhalte zeitlich aufeinander ab. 45,7 Pro- „Zusammenwirken“ höhere Prozentzahlen. 10
Darüber hinaus findet eine intensive Zusammenarbeit 3.3 ZUSAMMENHANG VON LERNORTKOOPERATION auf zwei unterschiedliche Arten statt. 91,2 Prozent UND DIGITALISIERUNG DER BERUFLICHEN führen ihrer eigenen Aussage zufolge gemeinsame AUSBILDUNG Ausbildungsprojekte mit den Kolleginnen und Kollegen Von Interesse ist nicht nur, wie sich die Lernortkoope- am jeweils anderen Lernort durch. Zudem geben 45,6 ration aus Sicht des Berufsbildungspersonals gestaltet, Prozent der Befragten an, gemeinsame Lerneinheiten sondern auch, womit eine intensive Lernortkooperation zu konzipieren. einhergeht. Unter Rückbezug auf Abbildung 3.1 zeigt sich, dass Befragte zufriedener mit der Lernortkoope- Der unterschiedlich hohe Grad des Zusammenwirkens ration sind, wenn sie diese als intensiver beschreiben. wird auch an der Gesamtzahl der als zutreffend mar- Während Befragte des Kooperationstyps „Informie- kierten Aussagen deutlich. Von den insgesamt acht ren“ der Funktionalität der Lernortkooperation durch- Aussagen zur Lernortkooperation kennzeichneten schnittlich lediglich einen Wert von 2,8 zuweisen, was Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder des Ko- der Antwortkategorie 3 „mittel“ am nächsten kommt, operationstyps „Informieren“ durchschnittlich 2,3 als beschreiben Befragte des Typs „Zusammenwirken“ zutreffend, während Befragte des Typs „Abstimmen“ die Funktionalität mit einer 1,9, was am ehesten der auf 3,5 Aussagen und Befragte des Typs „Zusammen- Bewertungsstufe 2 „eher gut“ entspricht. Dieser Zu- wirken“ auf 5,6 Aussagen positiv antworteten. In der sammenhang liegt auf der Hand, da nur Personen, die Gesamtschau ergibt sich somit ein durchmischtes Bild grundsätzlich mit der Lernortkooperation zufrieden von Lernortkooperationen, das von lediglich problemin- sind, diese auch weiter intensivieren und somit einen duzierten Absprachen bis zu tiefgreifender inhaltlicher höherwertigen Kooperationstypen erreichen werden. Zusammenarbeit reicht. ABBILDUNG 3.5: ANZAHL DURCHSCHNITTLICH EINGESETZTER DIGITALER LERNMEDIEN BZW. VERMITTELTER DIGITALER KOMPETENZEN NACH KOOPERATIONSTYPEN UND PERSONENKREIS DURCHSCHNITTLICHE ANZAHL EINGESETZTER DURCHSCHNITTLICHE ANZAHL VERMITTELTER DIGITALER LERNMEDIEN DIGITALER KOMPETENZEN 4,4 5,7 Typ „Zusammenwirken“ 5,6 Typ „Zusammenwirken“ 7,4 5,1 6,7 3,0 4,1 Typ „Abstimmen“ 3,4 Typ „Abstimmen“ 6,0 3,2 5,3 3,2 3,8 Typ „Informieren“ 3,3 Typ „Informieren“ 5,7 3,2 5,0 0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 6 7 8 QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, N=330 Berufsschullehrkräfte Ausbilderinnen und Ausbilder gesamt 11
STUDIE 2/2021 Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen Mitarbeitenden des Unternehmens zusammen, der der Intensität der Lernortkooperation und der Anzahl Zusammenhang lässt sich jedoch nicht über die Unter- digitaler Kompetenzen, welche die Befragten in der be- nehmensgröße erklären. Wahrscheinlicher ist, dass die ruflichen Ausbildung vermitteln (siehe Abbildung 3.4). Lernortkooperation dazu beiträgt, neue Lernmedien Je stärker die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten, kennenzulernen und der Austausch mit dem jeweils desto höher ist die Anzahl vermittelter Kompetenzen. anderen Lernort dazu führt, dass auch die dort ver- Während Befragte des Kooperationstyps „Informieren“ mittelten digitalen Kompetenzen soweit möglich in die durchschnittlich 5,0 digitale Kompetenzen vermitteln, eigenen Lehrprozesse aufgenommen werden. Zudem sind es bei Befragten des Typs „Abstimmen“ 5,3 und zeichnen sich vermutlich die besonders engagierten bei denjenigen des Typs „Zusammenwirken“ 6,7. Ein Befragten auch durch einen hohen zeitlichen Invest ähnliches Bild besteht beim Einsatz digitaler Lernme- in die Lernortkooperation aus, was gleichzeitig die dien. Auch hier nimmt die Anzahl der digitalen Lernme- ausgiebige Vermittlung digitaler Kompetenzen und dien sukzessive zu, von 3,2 Lernmedien auf den Stufen Nutzung digitaler Lernmedien erklären könnte. Beide des Informierens und Abstimmens auf durchschnittlich Überlegungen können auf Grundlage der vorliegenden 5,1 digitale Lernmedien auf der Stufe des Zusammen- Daten nicht abschließend bewertet werden, weshalb wirkens. Dies hängt im Fall der Ausbilderinnen und an dieser Stelle weiterer Forschungsbedarf besteht. Ausbilder in den Betrieben auch mit der Anzahl der 12
4. POTENZIALE DER DIGITALISIERUNG FÜR DIE LERNORTKOOPERATION Zu den weiteren Potenzialen der Digitalisierung für die Zunächst kann festgehalten werden, dass über alle drei Lernortkooperation wurde erneut die Zustimmung zu Aussagen hinweg diejenigen Befragten öfter zustimmen, mehreren Aussagen innerhalb der Befragung des Be- die dem Lernortkooperations-Typus „Zusammenwirken“ rufsbildungspersonals abgefragt. Anders als in Kapitel zugeordnet sind. Auch stimmt die Mehrheit der Be- 3 steht dabei nicht der tatsächliche Stand der Lernort- fragten der Aussage zu, dass die Einführung neuer kooperation, sondern vielmehr die Einstellung bzw. Lerninhalte in der Ausbildung eine enge Abstimmung Meinung zu unterschiedlichen Maßnahmen im Kontext erfordert. Diese grundsätzlich positive Haltung zu einer von Lernortkooperation und Digitalisierung im Fokus. engeren Abstimmung zeigt, dass das Berufsbildungs- Somit geben die erfragten Informationen einen Einblick personal im Zuge der Digitalisierung eine hohe Not- in die Ansichten des Berufsbildungspersonals bezüg- wendigkeit für eine Intensivierung der Lernortkoope- lich einiger Zukunftsaspekte der Lernortkooperation. ration sieht. Gleichzeitig unterstreicht die Zustimmung ABBILDUNG 4.1: POTENZIALE DER DIGITALISIERUNG FÜR DIE LERNORTKOOPERATION SUMME „TRIFFT ZU“ UND „TRIFFT EHER ZU“, IN PROZENT DES AUF DEN JEWEILIGEN KOOPERATIONSTYP ENTFALLENDEN BERUFSBILDUNGSPERSONALS 100 80 60 93,8 93,8 90,6 89,4 88,0 88,0 88,0 87,5 83,7 82,9 82,8 40 73,5 71,4 67,5 65,6 58,0 56,5 53,1 20 0 AUSBILDER- BERUFS- AUSBILDER- BERUFS- AUSBILDER- BERUFS- INNEN UND SCHULLEHR- INNEN UND SCHULLEHR- INNEN UND SCHULLEHR- AUSBILDER KRÄFTE AUSBILDER KRÄFTE AUSBILDER KRÄFTE Gemeinsame fachliche Weiter- Einführung neuer digitaler Nutzung digitaler Tools bildungsmaßnahmen für Lehrkräfte Lerninhalte in der Ausbildung er- vereinfacht LOK und Ausbilder wären sinnvoll fordert eine engere Abstimmung Nicht dargestellte Antworten: „trifft eher nicht zu“, „trifft nicht zu“, Typ „Informieren“ „kann ich nicht beurteilen“ Typ „Abstimmen“ Typ „Zusammenwirken“ QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, N(Berufsschullehrkräfte)=157, N(Ausbilder)=259-260 13
STUDIE 2/2021 allerdings nochmals den Rückschluss aus dem vorigen an beiden Lernorten ermöglichen, aber auch – bezogen Abschnitt, dass die Abstimmungsprozesse zwischen auf die angewandten Lernmethoden – das gemein- Ausbilderinnen und Ausbildern und Lehrkräften noch schaftliche Kennenlernen neuartiger Lehr- und Lernmit- verbesserungswürdig sind. Aus der Abbildung 4.1 wird tel. Ein enger Austausch zwischen den Ausbildungs- zudem deutlich, dass Ausbilderinnen und Ausbilder mit beteiligten innerhalb der Weitebildungsmaßnahmen 78,1 Prozent der Befragten der Aussage noch häufiger könnte sich als „Katalysator“ der Lernortkooperation zustimmen als die Lehrkräfte mit 63,1 Prozent. Der erweisen, der die Vernetzung insgesamt, aber auch Wunsch nach einer inhaltlichen Rückkoppelung scheint die inhaltlichen, methodischen und zeitlichen Abstim- hier auf der betrieblichen Seite somit noch einmal größer mungen zwischen den dualen Partnern befördert. zu sein. Ebenfalls mehr als die Hälfte der Befragten in Schulen und Betrieben stimmten der Aussage zu, dass Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die befrag- die Nutzung digitaler Tools die Lernortkooperation ver- ten Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder im Zuge einfacht. Die Digitalisierung stellt also nicht nur neue des digitalen Wandels der Arbeitswelt eine stärkere inhaltliche und methodische Anforderungen an die Zusammenarbeit der Lernorte einerseits als notwen- Ausbildung, sondern bietet zudem auch neue Möglich- dig erachten, diese andererseits aber auch durch die keiten für den Austausch zwischen den Beteiligten. technischen Möglichkeiten als vereinfacht ansehen. Die Digitale Kommunikationswege oder der Austausch Sinnhaftigkeit, welche die Befragten in gemeinsamen bzw. die gemeinsame Bearbeitung digitaler Dokumente fachlichen Weiterbildungen sehen, unterstreicht erneut, zwischen dem betrieblichen und schulischen Ausbil- wie wichtig gerade die lernortübergreifende Wissens- dungspersonal wären hier nur beispielhaft zu nennen. vermittlung auch für die Befragten selbst ist. Bemer- kenswert ist dabei, dass nicht nur die bereits stark in Die größte Zustimmung erfuhr die Aussage, dass der Lernortkooperation Aktiven, sondern auch weniger gemeinsame fachliche Weiterbildungsmaßnahmen aktive Befragte die gemeinsame Weiterbildung als sinnvoll seien (78,4 Prozent der Lehrkräfte und 86,9 sinnvoll erachten. Dies unterstreicht, dass den Befrag- Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder). ten die Bedeutsamkeit der Lernortkooperation für die erfolgreiche Digitalisierung der beruflichen Ausbildung Diese würden – bezogen auf berufsfachliche Inhalte – bewusst ist. ein gemeinsames Verständnis digitaler Arbeitsprozesse 14
5. FAZIT UND AUSBLICK Die Lernortkooperation nimmt im Dualen System eine Auf der Grundlage eines Schemas von Buschfeld und zentrale Rolle ein und wird in Forschungsarbeiten als Euler (1994) wurden insgesamt acht Aussagen zur wichtiger Erfolgsfaktor für die Ausbildungsqualität Lernortkooperation in drei Kooperationstypen eingeteilt. benannt (z. B. Wenner, 2018). Dies gilt auch für Zeiten Voraussetzung für eine Zuteilung zu einem der Typen einer fortschreitenden Digitalisierung der beruflichen war es, zumindest den Ansprechpartner am jeweils an- Ausbildung. Eine zentrale Herausforderung für das deren Lernort zu kennen. Über die Hälfte der Befragten Zusammenwirken der Lernorte auf den Lernerfolg der gehören dabei dem Typ „Informieren“ an, ein weite- Auszubildenden im digitalen Wandel ist es nicht nur, an res knappes Viertel dem Typ „Abstimmen“ und 17,3 beiden Orten das notwendige Rüstzeug für die Digita- Prozent dem Typ „Zusammenwirken“. Auf den jeweils lisierung zu vermitteln, sondern auch, die unterschied- höheren Stufen der Zusammenarbeit wurden auch die lichen technischen und organisatorischen Rahmen- den darunterliegenden Stufen zugehörigen Antwort- bedingungen an den Lernorten bestmöglich zu nutzen. kategorien im Durchschnitt besser bewertet. Eine Darüber hinaus ist die Lernortkooperation qua Defini- intensive Lernortkooperation geht zudem mit einem tion sehr stark abhängig von persönlichem Engagement erhöhten Engagement bei der Digitalisierung der beruf- der Ausbilderinnen und Ausbilder sowie der Lehrkräfte. lichen Ausbildung einher. Sowohl der Lernmedienein- Nur wenn diese Akteure ein Engagement in der Lern- satz als auch die Anzahl digitaler Lernmedien steigt mit ortkooperation als nutzbringend erachten, wird sich wachsender Intensität der Lernortkooperation. dieses Engagement langfristig aufrechterhalten lassen. In der vorliegenden Studie wurde nicht nur die Zufrie- Sowohl die befragten Ausbilderinnen und Ausbilder denheit der Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder als auch die Berufsschullehrkräfte sehen angesichts mit der Lernortkooperation untersucht, sondern auch des fortschreitenden digitalen Wandels einen erhöhten eine Typisierung in unterschiedlich intensive Formen Bedarf an Abstimmung zwischen den Lernorten und der Lernortkooperation vorgenommen. Zudem wurde gemeinsamen Weiterbildungen zu digitalen Themen ein Zusammenhang zwischen weiteren Aussagen im und Lernmethoden. Zugleich sehen die Befragten in Kontext von Digitalisierung und Lernortkooperationen digitalen Tools eine Chance, dass diese die Lernortko- hergestellt. operation vereinfachen. Da sowohl Chancen als auch Möglichkeiten durch die Befragten erkannt werden, Insgesamt zeigt die Studie, dass viele der befragten erscheint die Tiefe der Lernortkooperation in einigen Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder mit der Ko- Fällen noch Potenzial zur intensiveren Zusammenarbeit operation zwischen Betrieb und Berufsschule recht zu bieten. Die Frage nach möglichen Gründen, die eine zufrieden sind. Etwa 48,4 Prozent der Berufsschullehr- engere Zusammenarbeit erschweren, wird in der dritten kräfte und 44,4 Prozent der betrieblichen Ausbilderin- Teilstudie dieser Studienreihe analysiert (Risius et al., nen und Ausbilder beurteilten das Funktionieren der 2021). Dies bietet auch die Möglichkeit, Unterstüt- Lernortkooperation als sehr gut oder eher gut. Weitere zungsbedarfe zur weiteren Intensivierung der Lernort- 23,6 Prozent (Lehrkräfte) bzw. 34,5 Prozent (Ausbilde- kooperation zu identifizieren. rinnen und Ausbilder) gaben an, dass die Kooperation mittelmäßig gut funktioniere. Als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ beurteilten die Situation lediglich 12,8 Prozent der Lehrkräfte an Berufsschulen und 17,2 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder. 15
STUDIE 2/2021 LITERATUR Berger, Klaus / Walden, Günter, 1995, Zur Praxis der Schwendimann, Beat A. / Cattaneo, Alberto / Dehler Kooperation zwischen Schule und Betrieb. Ansätze zur Zufferey, Jessica / Gurtner, Jean-Luc / Bétrancourt, Typisierung von Kooperationsaktivitäten und -ver- Mireille / Dillenbourg, Pierre, 2015, The „Erfahrraum“. A ständnissen, in: Pätzold, Günter / Walden, Günter (Hg.), pedagogical model for designing educational technolo- 1995, Lernorte im dualen System der Berufsbildung, S. gies in dual vocational systems, in: Journal of Vocational 409,-430, Bielefeld: Bertelsmann Education & Training, Vol. 67 (3), S. 367-396 Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), o. J., Die über- Seyda, Susanne / Risius, Paula, 2021, Unterstützungs- betriebliche Ausbildung modernisieren – das Sonder- bedarfe des Berufsbildungspersonals: Wie gelingt der programm zur Digitalisierung in überbetrieblichen digitale Wandel der Ausbildung?, Netzwerk Q 4.0-Stu- Berufsbildungsstätten, https://www.bibb.de/de/36913. die 4/2021, https://netzwerkq40.de/fileadmin/user_up- php (30.04.2021) load/Mediathek/publikationen/Studie-Q_4.0-4-2021. pdf (21.06.2021) Buschfeld, Detlef / Euler, Dieter, 1994, Antworten, die eigentlich Fragen sind. Überlegungen zur Kooperation Wenner, Timo, 2018, Entwicklung eines Instruments der Lernorte, in: BWP 23/1994/2, S. 9-13 zur Erfassung der Wechselwirkung von Lernortkoope- ration und Ausbildungsqualität, in: Journal of Technical Euler, Dieter, 2004, Lernortkooperation – Eine unend- Education, Band 6, Heft 1, S. 223-237 liche Geschichte?, in: Euler, Dieter (Hg.), Handbuch der Lernortkooperation – Theoretische Fundierung, Band 1, S. 12-24, Bielefeld: Bertelsmann Flake, Regina / Meinhard, David / Werner, Dirk, 2019, Digitalisierung in der dualen Berufsausbildung: Um- setzungsstand, Modernisierungs- und Unterstützungs- bedarf in Betrieben, in: IW Trends 2/2019, S. 3-21 Kaiser, Franz-Josef / Pätzold, Günter, 2006, Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 2. Auflage, Bad Heilbrunn: Klinkhardt Pätzold, Günter, 1991, Lernortkooperation. Pädagogi- sche Perspektive für Schule und Betrieb, in: Kölner Zeit- schrift für „Wirtschaft und Pädagogik“, 11, S. 37-49 Risius, Paula, 2021, Ausbilden im digitalen Wandel. Eine Bestandsaufnahme aus Sicht des Berufsbildungs- personals, Netzwerk Q 4.0-Studie 1/2021, https:// netzwerkq40.de/fileadmin/user_upload/Mediathek/pub- likationen/Studie-Q_4.0-1-2021.pdf (21.06.2021) Risius, Paula / Seyda, Susanne / Meinhard, David, 2021, Alles im (digitalen) Wandel: Chancen und Herausfor- derungen der Ausbildung 4.0, Netzwerk Q 4.0-Studie 3/2021, https://netzwerkq40.de/fileadmin/user_upload/ Mediathek/publikationen/Studie-Q_4.0-3-2021.pdf (21.06.2021) 16
17
STUDIE 2/2021 NETZWERK Q 4.0 Das Berufsbildungspersonal fit für die Herausforderungen der Digitalisierung zu machen, ist das erklärte Ziel des „NETZWERK Q 4.0 – Netzwerk zur Qualifizierung des Berufs- bildungspersonals im digitalen Wandel“. Dafür erarbeitet und erprobt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gemeinsam IMPRESSUM mit den Bildungswerken der Wirtschaft und weiteren Bildungs- HERAUSGEBER institutionen regional- und branchenspezifische Weiterbildungs- Institut der deutschen Wirtschaft e.V. Postfach: 10 19 42 / 50459 Köln formate für Ausbilderinnen und Ausbilder. So werden diese Besucheranschrift: Konrad-Adenauer-Ufer 21 / 50668 Köln darin gestärkt, die duale Berufsausbildung gezielt an die REDAKTION Anforderungen des digitalen Wandels anzupassen. NETZWERK Q 4.0 Postfach 10 19 42 / 50459 Köln Konrad-Adenauer-Ufer 21 / 50668 Köln q40@iwkoeln.de netzwerkq40.de AUTOREN Paula Risius, David Meinhard BILDNACHWEIS Titelbild: © industrieblick / stock.adobe.com GESTALTUNG 3PUNKTDESIGN. Studio für visuelle Kommunikation Stand: Juni 2021 netzwerkq40.de
Sie können auch lesen