GEMEINSAM ANS ZIEL? LERNORTKOOPERATION IM DIGITALEN WANDEL

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GEMEINSAM ANS ZIEL? LERNORTKOOPERATION IM DIGITALEN WANDEL
STUDIE 2/2021
PAULA RISIUS, DAVID MEINHARD

GEMEINSAM ANS ZIEL?
LERNORTKOOPERATION IM
DIGITALEN WANDEL
STUDIE 2/2021

         INHALTSVERZEICHNIS

                1.   EINLEITUNG                                                    3

                2.   DATENGRUNDLAGE UND METHODIK                                   4

                3.   STAND DER LERNORTKOOPERATION IM ALLGEMEINEN                   6
                     3.1 ABSTIMMUNGSPROZESSE IM RAHMEN DER LERNORTKOOPERATION      6
                     3.2 TYPISIERUNG DER LERNORTKOOPERATIONEN                      9
                     3.3 ZUSAMMENHANG VON LERNORTKOOPERATION UND DIGITALISIERUNG
                     DER BERUFLICHEN AUSBILDUNG                                    11
                     11
                4.   POTENZIALE DER DIGITALISIERUNG FÜR DIE LERNORTKOOPERATION     13

                5.   FAZIT UND AUSBLICK                                            15

                LITERATUR                                                          16

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1. EINLEITUNG

Bei der Gestaltung der digitalen Ausbildung nimmt die       mann et al., 2015). In dieser Studie wird anhand einer
Kooperation zwischen den Berufsschulen und Ausbil-          nichtrepräsentativen Stichprobe von Berufsschullehr-
dungsbetrieben eine wichtige Rolle ein. Obwohl die          kräften, Ausbilderinnen und Ausbildern analysiert, wie
duale Struktur innerhalb der Berufsausbildung in            zufrieden die Befragten mit der Lernortkooperation sind
Deutschland bereits einen gewissen Grad der Koope-          und wie genau sie diese ausgestalten. Anhand ihrer
ration der beiden Lernorte Betrieb und Berufsschule         Antworten wird die Zusammenarbeit der Befragten
impliziert, wurde diese Zusammenarbeit erst mit der         jeweils einem von drei Kooperationstypen nach Busch-
Novellierung des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 2005        feld und Euler (1994) zugeordnet. Zudem wird unter
gesetzlich verankert. Dies ist insbesondere vor dem         dem Vorzeichen der Digitalisierung betrachtet, inwie-
Hintergrund erstaunlich, dass die Lernortkooperation        fern das Berufsbildungspersonal eine Notwendigkeit
in einschlägigen Studien als einer der Faktoren genannt     zur Intensivierung der Zusammenarbeit sieht und wel-
wird, welcher die Ausbildungsqualität maßgeblich be-        che Möglichkeiten sie hierzu in digitalen Tools sehen.
einflusst (Wenner, 2018). Im Zuge der Digitalisierung
der Ausbildung werden mancherorts weitere Lernorte          Die vorliegende Studie ist der zweite Teil einer vier-
relevant, wie etwa die überbetrieblichen Berufsbil-         gliedrigen Studienreihe, in welcher die Perspektive des
dungsstätten, die in ihrer Rolle für die Digitalisierung    Berufsbildungspersonals auf unterschiedliche Facetten
der beruflichen Bildung ebenfalls öffentlich gefördert      der Digitalisierung beruflicher Ausbildungsprozesse
werden (BIBB 2021). Durch die Lernortkooperation            analysiert wird. Gegenstand der ersten Teilstudie war
soll sichergestellt werden, dass das in den betrieblichen   die Betrachtung des aktuellen Stands der Digitalisie-
Ausbildungsabschnitten vermittelte Praxiswissen an-         rung in der beruflichen Ausbildung (Risius, 2021). Die
gemessen mit den theoretischen, fachlichen wie              folgenden Teilstudien werden sich den veränderten
allgemeinbildenden Inhalten der Berufsschule ver-           Anforderungen und damit verbundenen Herausfor-
schränkt wird. Dies soll die Flexibilität der Auszu-        derungen des Berufsbildungspersonals (Risius et al.,
bildenden erhöhen, sodass sie im Arbeitsleben auch          2021) sowie den sich daraus ergebenden Handlungs-
unbekannte Situationen meistern können (Schwendi-           bedarfen (Seyda / Risius, 2021) widmen.

                                                                                                                      3
STUDIE 2/2021

         2. DATENGRUNDLAGE UND METHODIK

         Im Rahmen des Projekts NETZWERK Q 4.0 wurde von November 2020 bis Januar 2021 eine Befra-
         gung des Berufsbildungspersonals durchgeführt. Das NETZWERK Q 4.0 ist ein Verbundprojekt des
         Instituts der deutschen Wirtschaft mit den Bildungswerken der Wirtschaft und weiteren Akteuren im
         Bereich der Aus- und Weiterbildung, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
         (BMBF) gefördert wird. Die Befragung fällt in einen Zeitraum, in welchem die Corona-Pandemie starke
         Restriktionen hinsichtlich des Schul- und Ausbildungskontexts hervorrief und somit die Kompetenz-
         und Wissensvermittlung im Ausbildungskontext weit digitaler stattfand als vor Beginn der Pandemie.

         Die Befragung der Lehrkräfte an Berufsschulen fand         werden, erfolgt eine Typisierung der Kooperationsakti-
         getrennt von der Befragung der Ausbilderinnen und          vitäten anhand des Schemas von Buschfeld und Euler
         Ausbilder statt, da die Fragen im Wortlaut an die Situa-   (1994).
         tion der unterschiedlichen Lernorte angepasst wurden.
         Insgesamt nahmen 157 Lehrkräfte und 261 Ausbilde-          Zur Typisierung wurde ein mehrstufiges Verfahren
         rinnen und Ausbilder an der Befragung teil. Die Verbrei-   durchgeführt. Im ersten Schritt wurden dabei die An-
         tung der Befragungen übernahmen die Bildungswerke          gaben derjenigen Befragten von der weiteren Analyse
         der Wirtschaft. Eine systematische Stichprobenziehung      ausgeschlossen, denen ihren Antworten zufolge die
         war aufgrund fehlender Kenntnisse über die Zu-             Ansprechpartner am jeweils anderen Lernort gänzlich
         sammensetzung der Grundgesamtheit nicht möglich.           unbekannt waren. Nur Antworten von Personen, die
         Aufgrund der unsystematischen Stichprobenziehung           die Frage „Ich kenne meine Ansprechpartner an der Be-
         und der geringen Teilnehmendenzahl sind die Befra-         rufsschule bzw. in den Ausbildungsbetrieben“ mit „trifft
         gungsergebnisse nicht repräsentativ. Eine Stichproben-     zu“, „trifft eher zu“ oder „trifft eher nicht zu“ beantwor-
         beschreibung ist Risius (2021) zu entnehmen.               teten, wurden somit berücksichtigt. Im zweiten Schritt
         Die vorliegende Studie widmet sich ausführlich der         wurde ein Dummy-System entwickelt, das für alle
         Ausgestaltung von Lernortkooperationen. Die ver-           weiteren Items der Fragenbatterie den Wert 0 annahm,
         wendete Fragenbatterie ist angelehnt an eine Studie        wenn die Aussage als nicht oder eher nicht zutreffend
         von Wenner (2018), welcher die Lernortkooperation          gekennzeichnet wurde, und den Wert 1 zugewiesen
         aus Sicht von Auszubildenden betrachtet und dabei auf      bekam, wenn die Antwortmöglichkeit „trifft zu“ oder
         Eulers (2004) Gegenüberstellung verschiedener drei-,       „trifft eher zu“ gewählt wurde. Im dritten Schritt wurden
         vier- bzw. fünfstufigen Kooperationstypisierungen zu-      die Dummies zu den Typen der Lernortkooperation
         rückgreift, um die unterschiedlichen Gestaltungsformen     nach Buschfeld und Euler (1994) geclustert und Sum-
         von Lernortkooperationen zu beschreiben. Nachfolgende      menscores für jeden Typen errechnet. Dabei gingen die
         Tabelle stellt die zugrundeliegenden Typisierungen         Items wie folgt in die Scores ein:
         gegenüber:                                                 • Informieren: Nach Inhalten erkundigen, Probleme bei
                                                                       Auszubildenden besprechen, Lernstandsentwicklung
         Im Rahmen der Studie wird eine Analyse vorgenom-              einzelner Auszubildender miteinander besprechen
         men, welche Typen der Lernortkooperation in der            • Abstimmen: Absprachen zum Softwareeinsatz
         Stichprobe besonders verbreitet sind. Die für diese           treffen, Lerneinheiten zeitlich koordinieren,
         Studie entwickelte Fragenbatterie ist dabei eher für          Lernmaterial austauschen
         eine Analyse der Intensität von Lernortkooperationen       • Zusammenwirken: Gemeinsame Erarbeitung von
         als zur Erfassung der Motivation hinter der Zusammen-         Lerneinheiten, gemeinsame Durchführung von
         arbeit geeignet, weshalb eine Typisierung nach Pätzold        Ausbildungsprojekten
         (1991) ungeeignet erscheint. Da auch sporadische,          Im vierten und letzten Schritt schließlich wurden alle
         durch externale Einflüsse induzierte Kooperationsaktivi-   analysierten Fälle einem Typen der Lernortkooperation
         täten nicht mit der genutzten Fragenbatterie erfasst       zugeordnet. Hierbei wurden die Typen als Hierarchie

4
verstanden: Während „Informieren” die geringstmög-               wirken“ erreichten nur diejenigen Befragten, die zuvor
liche Abstimmung erfordert und „Abstimmen” eine                  Typ 2 zugezählt wurden und zusätzlich mindestens
mittlere Intensität der Lernortkooperation voraussetzt,          eines der entsprechenden Items im Bereich „Zusam-
geht das „Zusammenwirken” mit einem erheblichen                  menwirken“ bejaht hatten.
Aufwand einher. Eine Befragungsperson wurde dem
Typ 1 „Informieren“ zugeordnet, wenn mindestens ein
Item aus diesem Cluster als zutreffend gekennzeichnet
wurde, der Summenscore also nicht den Wert Null
annahm. Befragungspersonen, die darüber hinaus
mindestens ein Item aus dem Bereich „Abstimmen“
als zutreffend markiert hatten, wurden dem Typ 2
„Abstimmen“ zugeordnet. Den Typ 3 „Zusammen-

                                       BUSCHFELD / EULER,        PÄTZOLD, 1991                 BERGER / WALDEN, 1995
                                       1994

        Unterscheidungs-               Intensität                Intention                     Intensität
        dimension

        Anzahl Typen                   3                         4                             5

        Bezeichnung der Typen          1. Informieren            1. Pragmatisch -formal        1. Keine Kontakte
                                       2. Abstimmen              2. Pragmatisch -utilitaris-   2. Sporadische
                                       3. Zusammenwirken            tisch                         Aktivitäten
                                                                 3. Didaktisch -methodisch     3. Kontinuierlich-
                                                                 4. Bildungstheoretisch-          probleminduziert
                                                                    begründet                  4. Kontinuierlich-
                                                                                                  fortgeschritten
                                                                                               5. Kontinuierlich-
                                                                                                  konstruktiv

        Differenzierungs-               • Kooperationsinhalt      • Kernmotivation:             • Kontakthäufigkeit
        merkmale                       • Kooperationsrahmen        external vs. internal       • Kooperationsrahmen
                                       • Nebeneinander vs.       • Problemzentrierung          • Kooperationsinhalt
                                         Miteinander             • Didaktische Über-
                                                                   legungen
                                                                 • Gesellschaftliche
                                                                   Perspektive

QUELLE: Eigene Darstellung nach Wenner (2018) und Euler (2004)

                                                                                                                          5
STUDIE 2/2021

         3. STAND DER LERNORTKOOPERATION IM ALLGEMEINEN

         3.1 ABSTIMMUNGSPROZESSE IM RAHMEN DER                                 tert werden, indem die in den Betrieben erworbenen
         LERNORTKOOPERATION                                                    praktischen Kompetenzen durch in den Berufsschulen
         Der Begriff Lernortkooperation bezeichnet im Bereich                  vermitteltes theoretisches Wissen ergänzt werden.
         der beruflichen Bildung das „technisch-organisato-                    Vor dem Hintergrund der Digitalisierung äußerten
         rische und das pädagogische Zusammenwirken des                        Unternehmensvertreterinnen und -vertreter in einer
         Lehr- und Ausbildungspersonals der an der beruflichen                 qualitativen Befragung den Wunsch nach einer ver-
         Bildung beteiligten Lernorte“ (Kaiser / Pätzold 2006, S.              stärkten Verzahnung der Ausbildungsabschnitte
         355). Diese kurze Definition unterstreicht die Bedeu-                 (Südwestmetall, 2020). Eine weitere Erkenntnis aus
         tung des Berufsbildungspersonals für die praktische                   der vorgenannten Studie ist, dass eine erfolgreiche
         Umsetzung der Zusammenarbeit der dualen Ausbil-                       Lernortkooperation ein längerfristiges Engagement
         dungspartner. Zudem ermöglicht diese Fokussierung                     aller beteiligten Personen der unterschiedlichen Lern-
         weg von den institutionellen Aspekten der Kooperation                 orte erfordert und somit kein „Selbstläufer“ ist. Dieses
         eine Abfrage relevanter Punkte des Zusammenwirkens                    Engagement kann aus einer individuellen Nutzenab-
         durch die vorliegende Befragung der Berufsschul-                      wägung heraus allerdings nur realisiert werden, wenn
         lehrkräfte sowie der Ausbilderinnen und Ausbilder.                    der erwartete zukünftige Nutzen eines Engagements
         Mithilfe von Lernortkooperationen soll der Erwerb einer               innerhalb der Lernortkooperation höher als der eigene
         umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit erleich-                   individuelle Aufwand ist. Aus dieser Abwägung heraus

                ABBILDUNG 3.1: FUNKTIONSTÜCHTIGKEIT DER LERNORTKOOPERATION ZWISCHEN BERUFSSCHULEN
                UND AUSBILDUNGSBETRIEBEN

                40

                35

                30

                25

                20
                                             37,6

                                                                        34,5
                                                    31,4

                15
                                                                 23,6

                10
                                                                                                                                 15,3
                                13,0

                                                                                          11,1
                         10,8

                 5
                                                                                    8,3

                                                                                                                  6,1
                                                                                                            4,5

                                                                                                                                        3,8

                 0
                        SEHR GUT            EHER GUT                 MITTEL          EHER                    SEHR              KANN ICH
                                                                                   SCHLECHT                SCHLECHT             NICHT
                                                                                                                              BEURTEILEN

         QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021,                               Berufsschullehrkräfte   Ausbilderinnen und Ausbilder
         N(Berufsschullehrkräfte) = 157, N(Ausbilder) = 261

6
ergibt sich die Notwendigkeit, die Vorteile und Perspek-   Antworten aus, was den Ergebnissen der vorliegenden
tiven einer intensiveren Lernortkooperation sichtbar zu    Studie weitaus näherkommt.
machen und zu kommunizieren.
                                                           Neben der Gesamtbetrachtung der Qualität der Ler-
In der Gesamtbetrachtung gibt der größte Teil des          nortkooperation fokussiert die vorliegende Befragung
Berufsbildungspersonals an, die Kooperation zwischen       mehrere Teilaspekte, welche die Zusammenarbeit des
den Beteiligten an den beiden Lernorten Berufsschule       Berufsbildungspersonals an Schulen und Betrieben
und Betrieb funktioniere zumindest mittelmäßig,            kennzeichnen (siehe Abbildung 3.2). Für eine bessere
wobei sich die Rückmeldungen seitens der befragten         Lesbarkeit stellt die Abbildung die Antwortkategorien
Ausbilderinnen und Ausbilder sowie den Lehrkräften         „Trifft zu“ und „Trifft eher zu“ kumuliert da und verzichtet
teilweise unterscheiden (siehe Abbildung 3.1). Knapp       auf eine Darstellung der Antworten „Trifft eher nicht
die Hälfte aller befragten Lehrkräfte (48,4 Prozent)       zu“ und „Trifft nicht zu“ sowie der Ausweichkategorie
beurteilt die Lernortkooperation alles in allem als eher   „Kann ich nicht beurteilen“.
gut oder sehr gut. Bei den Ausbilderinnen und Aus-
bildern urteilen 44,5 Prozent ebenso. 12,7 Prozent         Der deutlichste Unterschied zwischen den Rückmel-
der Lehrkräfte sowie 17,2 Prozent der Ausbilderinnen       dungen aus Schule und Betrieb findet sich hinsicht-
und Ausbilder hingegen beurteilen die Kooperation mit      lich der Frage, ob den Befragten die Ansprechpartner
dem dualen Partner als eher schlecht oder gar als sehr     am jeweils anderen Lernort bekannt seien. Während
schlecht. Auffällig ist zudem, dass mehr als 15 Prozent    85,7 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder dies
der Lehrkräfte keine Beurteilung abgeben können. Ein       bejahen, stimmen nur rund 69 Prozent der befrag-
möglicher Grund dafür ist, dass nicht alle Lehrkräfte im   ten Lehrkräfte dieser Aussage zu. Dies mag aus der
direkten Kontakt zum Ausbildungspersonal im Betrieb        Tatsache resultieren, dass betriebliche Akteure in der
stehen, sodass die Zusammenarbeit entsprechend nicht       Regel mit der Klassenlehrerin bzw. dem Klassenlehrer
beurteilt werden kann. Auch in Abbildung 3.2 zeigt         der Berufsschulklasse einen einzelnen, zentralen An-
sich, dass Lehrkräfte deutlich seltener angeben, dass      sprechpartner haben, während Berufsschullehrkräfte
die jeweiligen Ansprechpartner beim dualen Partner         oftmals innerhalb von Klassen unterrichten, die sich
bekannt seien. Die insgesamt überwiegend positive          aus Auszubildenden sehr vieler kleineren wie größeren
Beurteilung der Lernortkooperation durch Lehrkräfte,       Ausbildungsbetriebe zusammensetzen. Hier fällt es
Ausbilderinnen und Ausbilder bildet dennoch ein gutes      wesentlich schwerer, alle relevanten Ansprechpartner
Fundament für weitere Überlegungen zum Ausbau und          gleichermaßen kennenzulernen.
zur Intensivierung.
                                                           Ebenfalls häufig als zutreffend gekennzeichnet wurden
Dieses Ergebnis widerspricht auf den ersten Blick          die beiden Aussagen, die sich auf die individuelle Situ-
den Ergebnissen von Flake et al. (2019), deren Unter-      ation einzelner Auszubildender beziehen. 82,8 Prozent
suchung auf einer repräsentativen Befragung von            der befragten Lehrkräfte an Berufsschulen gaben an,
830 Unternehmen aus dem Jahr 2017 zufolge die              die Problemlagen einzelner Schülerinnern und Schüler
Zufriedenheit von Unternehmen mit der Berufsschule         mit dem dualen Partner zu besprechen. Bei den Aus-
mit Werten zwischen 19,5 Prozent und 30,4 Prozent          bilderinnen und Ausbildern antworteten 74,9 Prozent
deutlich geringer ausfällt. Die Unterschiede lassen sich   der Befragten entsprechend. Bei der Besprechung der
jedoch mit Blick auf die hohen Anteile fehlender Anga-     Lernstandsentwicklung einzelner Azubis ist die Aus-
ben erklären: Je nach Fragestellung konnten zwischen       prägung dieser Nennung bei den Lehrkräften und dem
32,4 und 43,5 Prozent der Unternehmen in besagter          betrieblichen Ausbildungspersonal vergleichbar hoch
Studie die jeweiligen Eigenschaften der Berufsschulen      (54,7 bzw. 57,3 Prozent). Eine mögliche Erklärung für
nicht bewerten. Entfernt man die fehlenden Angaben         die marginal höheren Werte bei den Lehrkräften könnte
aus der Analyse, machen die zufriedenen Angaben            die stärker pädagogisch ausgerichtete Lehrerbildung
zwischen 32,8 und 46,6 Prozent der verbleibenden           sein, woraus sich gegebenenfalls eine stärkere Orien-

                                                                                                                          7
STUDIE 2/2021

                ABBILDUNG 3.2: ABSTIMMUNGSPROZESSE ZWISCHEN AUSBILDUNGSBETRIEB UND BERUFSSCHULE
                ANTEIL DER „TRIFFT ZU“ BZW. „TRIFFT EHER ZU“-ANTWORTEN, IN PROZENT

                                                                                                                85,7
                                 Ansprechpartner kennen
                                                                                                        69,4

                                                                                                         74,9
                                 Probleme bei Azubis besprechen
                                                                                                               82,8
                Informieren

                                 Lernstandsentwicklung einzelner                                 54,7
                                 Azubis besprechen                                               57,3

                                                                                          38,6
                                 Sich nach Inhalten erkundigen
                                                                                          40,4

                                 Ausgewählte Inhalte zeitlich
                                                                                         35,5
                                 koordinieren                                     23,1
                Abstimmen

                                                                            13,9
                                 Lehr-/Lernmaterial austauschen
                                                                                19,6

                                 Sich zum Einsatz von Software und
                                                                          10,0
                                 Tools absprechen                          13,2
                Zusammenwirken

                                 Gemeinsame Ausbildungsprojekte
                                                                                17,0
                                 durchführen                                     21,0

                                                                          6,6
                                 Gemeinsam Lerneinheiten erarbeiten
                                                                          7,1

                                                                      0          10        20      30          40      50    60      70      80       90

         Nicht dargestellte Antworten: „trifft eher nicht zu“, „trifft nicht zu“,                          Ausbilderinnen und Ausbilder   Berufsschullehrkräfte
         „kann ich nicht beurteilen“.
         QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021,
         N(Berufsschullehrkräfte) = 156-157, N(Ausbilderinnen und Ausbilder)
         = 258-259

         tierung am Lernenden ergibt, die in dieser Form in den                            Struktur finden die Akteure der Berufsausbildung in den
         Betrieben und aufgrund der operativen Erfordernisse                               Ausbildungsordnungen (bezüglich der betrieblichen
         in diesen nicht immer durch das Ausbildungspersonal                               Ausbildung) beziehungsweise der Rahmenlehrpläne
         gewährleistet werden kann.                                                        (bezüglich der Inhalte des Berufsschulunterrichts).
                                                                                           Während eine stärkere Verzahnung und ein engeres
         Nur rund jeder vierte Befragte gab als zutreffend an,                             Zusammenspiel der theoretischen und praktischen
         dass ausgewählte Ausbildungs- bzw. Unterrichts-                                   Ausbildungsphasen sicher wünschenswert wären,
         inhalte aufeinander abgestimmt werden. Eine zumin-                                zeigt diese Rückmeldung, dass die Absprache im Detail
         dest grobe Orientierung der inhaltlichen und zeitlichen                           noch nicht flächendeckend stattfindet. Die obenstehen-

8
de Abbildung zeigt zudem vier weitere Aspekte einer                  rationstypen zugewiesen werden. Hinzu kommen 37
möglichen gemeinsamen Planung und Gestaltung von                     Befragte, deren Angaben zwar in die Scoreberechnung
Lehr-Lernprozessen. Beispielhaft gab nur rund jeder                  aufgenommen wurden, die jedoch keinem der Typen
fünfte Befragte an, dass die Aussage „Wir führen ge-                 zugeordnet werden konnten. Dies betrifft 13,6 Prozent
meinsam Ausbildungsprojekte durch“ zumindest eher                    der befragten Ausbilderinnen und Ausbilder und 3,8
zuträfe. Das Schlusslicht dieser Rückmeldungen bildet                Prozent der befragten Berufsschullehrkräfte, die ge-
die Erarbeitung gemeinsamer Lerneinheiten (Lehrkräfte                nügend Angaben gemacht haben. Sie kennen zwar ihre
mit 7,1 Prozent und Ausbildungspersonal mit 6,6 Pro-                 Ansprechpartner am jeweils anderen Lernort, es findet
zent). Es wird hierdurch deutlich, dass das Potenzial                jedoch kein weiterer Austausch statt.
einer Lernortkooperation zur Schaffung eines qualita-
tiven Mehrwerts der Ausbildungsprozesse aufgrund                     Etwas mehr als die Hälfte der Befragten mit aus-
engerer inhaltlicher, methodischer und zeitlicher Ab-                reichenden Angaben können dem Kooperationstyp
stimmungen zwischen den Lernorten bisher noch nicht                  „Informieren“ zugeordnet werden. Bei diesem Koope-
realisiert werden konnte.                                            rationstyp suchen 93,2 Prozent das Gespräch, wenn
                                                                     Probleme bei Auszubildenden auftreten. 58,9 Prozent
3.2   TYPISIERUNG DER LERNORTKOOPERATIONEN                           besprechen darüber hinaus auch die Lernstandsent-
Auf Basis der Überlegungen von Wenner (2018) und                     wicklung der Auszubildenden mit den Kolleginnen und
darüber hinausgehender Überlegungen wurden die                       Kollegen am jeweils anderen Lernort. Nur ein gutes
Aussagen zur Lernortkooperation den drei Typen von                   Drittel (37,0 Prozent) der Befragten, die dem Typ „In-
Lernortkooperationen nach Buschfeld und Euler (1994)                 formieren“ zugeordnet werden, erkundigen sich regel-
zugeordnet. Dabei wurden Befragungspersonen nicht                    mäßig nach den Inhalten am jeweils anderen Lernort.
weiter berücksichtigt, die ihre Ansprechpartner am                   Somit liegt der Fokus der Zusammenarbeit eindeutig
jeweils anderen Lernort nicht kannten. Das exakte Vor-               auf der probleminduzierten Absprache zwischen den
gehen der Clusterung wird in Kapitel 2 beschrieben.                  Lernorten, während die Auseinandersetzung auf inhalt-
Aufgrund fehlender Angaben bei den betreffenden                      licher Ebene ausbleibt und so kein tieferes zeitliches
Unterfragen konnte 50 Befragten keiner der Koope-                    oder organisatorisches Ineinandergreifen der Lerninhalte
                                                                     zwischen den Lernorten erfolgt.

      ABBILDUNG 3.3: ENTFALLEN DER BEFRAGTEN AUF DIE VERSCHIEDENEN TYPEN DER
      LERNORTKOOPERATION

      80

      60

      40
                         60,3
                                54,8

      20
                                                                     25,4
                                                              24,0

                                                                                                           19,8
                                                                                                    15,7

        0
                         TYP                                    TYP                                TYP
                    „INFORMIEREN“                           „ABSTIMMEN“                      „ZUSAMMENWIRKEN“

QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021,                         Ausbilderinnen und Ausbilder    Berufsschullehrkräfte
N(Berufsschullehrkräfte)=126, N(Ausbilder)=204

                                                                                                                                          9
STUDIE 2/2021

                 ABBILDUNG 3.4: ANGEGEBENE ABSTIMMUNGSFORMEN NACH ABSTIMMUNGSTYPEN
                 SUMME „TRIFFT ZU“ UND „TRIFFT EHER ZU“, IN PROZENT DES AUF DEN JEWEILIGEN TYP ENTFALLENDEN
                 BERUFSBILDUNGSPERSONALS

                                                                                                                    93,0
                              Probleme bei Azubis besprechen                                                         97,5
                                                                                                                     98,2
                Informieren

                              Lernstandsentwicklung einzelner
                                                                                                    58,9
                                                                                                            76,5
                              Azubis besprechen                                                                    89,5
                                                                                           37,0
                              Sich nach Inhalten erkundigen                                       53,1
                                                                                                              84,2

                              Ausgewählte Inhalte zeitlich                                           63,0
                              koordinieren                                                                  77,2
                Abstimmen

                                                                                             45,7
                              Lehr-/Lernmaterial austauschen                                        61,4
                              Sich zum Einsatz von Software und                     23,5
                              Tools absprechen                                             38,6
                              Gemeinsame Ausbildungsprojekte
                Zusammen-

                                                                                                                   91,2
                              durchführen
                  wirken

                              Gemeinsam Lerneinheiten erarbeiten                             45,6
                                                                         0                  20               40             60        80           100

         Nicht dargestellte Antworten: „trifft eher nicht zu“, „trifft nicht zu“,                                                Typ „Informieren“
         „kann ich nicht beurteilen“                                                                                             Typ „Abstimmen“
                                                                                                                                 Typ „Zusammenwirken“
         QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, N=330

         Weitere 24,0 Prozent der befragten Ausbilderinnen                                    zent tauschen Lehr- und Lernmaterialien miteinander
         und Ausbilder und 25,4 Prozent der Lehrkräfte an                                     aus und 23,5 Prozent treffen Absprachen zum Ein-
         Berufsschulen mit ausreichenden Angaben lassen                                       satz digitaler Tools und Methoden. Insgesamt ist die
         sich dem Kooperationstyp „Abstimmen“ zuordnen. Mit                                   Lernortkooperation auf dieser Ebene somit deutlich
         Blick auf die zuvor beschriebenen Handlungen, die für                                intensiver als auf der Stufe des Informierens.
         das Erreichen der Stufe „Informieren“ notwendig sind,
         erreichen die Befragten in der Kategorie jeweils höhere                              Der erwartungsgemäß geringste Anteil des befragten
         Werte als Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder,                                  Berufsbildungspersonals fällt unter den Kooperations-
         deren Zusammenarbeit nicht über diese Handlungen                                     typ „Zusammenwirken“. Lediglich 15,7 Prozent der
         hinausgeht. 97,5 Prozent treffen problembasierte                                     Ausbilderinnen und Ausbilder und 19,8 Prozent der
         Absprachen, 76,5 Prozent besprechen regelmäßig                                       analysierten Berufsschullehrkräfte mit ausreichenden
         die Lernstandsentwicklung einzelner Auszubildender                                   Angaben gestalten die Lernortkooperation derart eng,
         und 53,1 Prozent erkundigen sich regelmäßig nach                                     dass von einem Zusammenwirken gesprochen wer-
         den Lerninhalten am anderen Lernort. Darüber hinaus                                  den kann. In allen Kategorien der zuvor erläuterten
         stimmen 63,0 Prozent der Befragten in diesem Typus                                   Lernortkooperationstypen erzielen Befragte des Typus
         ausgewählte Inhalte zeitlich aufeinander ab. 45,7 Pro-                               „Zusammenwirken“ höhere Prozentzahlen.

10
Darüber hinaus findet eine intensive Zusammenarbeit                   3.3 ZUSAMMENHANG VON LERNORTKOOPERATION
auf zwei unterschiedliche Arten statt. 91,2 Prozent                   UND DIGITALISIERUNG DER BERUFLICHEN
führen ihrer eigenen Aussage zufolge gemeinsame                       AUSBILDUNG
Ausbildungsprojekte mit den Kolleginnen und Kollegen                  Von Interesse ist nicht nur, wie sich die Lernortkoope-
am jeweils anderen Lernort durch. Zudem geben 45,6                    ration aus Sicht des Berufsbildungspersonals gestaltet,
Prozent der Befragten an, gemeinsame Lerneinheiten                    sondern auch, womit eine intensive Lernortkooperation
zu konzipieren.                                                       einhergeht. Unter Rückbezug auf Abbildung 3.1 zeigt
                                                                      sich, dass Befragte zufriedener mit der Lernortkoope-
Der unterschiedlich hohe Grad des Zusammenwirkens                     ration sind, wenn sie diese als intensiver beschreiben.
wird auch an der Gesamtzahl der als zutreffend mar-                   Während Befragte des Kooperationstyps „Informie-
kierten Aussagen deutlich. Von den insgesamt acht                     ren“ der Funktionalität der Lernortkooperation durch-
Aussagen zur Lernortkooperation kennzeichneten                        schnittlich lediglich einen Wert von 2,8 zuweisen, was
Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder des Ko-                      der Antwortkategorie 3 „mittel“ am nächsten kommt,
operationstyps „Informieren“ durchschnittlich 2,3 als                 beschreiben Befragte des Typs „Zusammenwirken“
zutreffend, während Befragte des Typs „Abstimmen“                     die Funktionalität mit einer 1,9, was am ehesten der
auf 3,5 Aussagen und Befragte des Typs „Zusammen-                     Bewertungsstufe 2 „eher gut“ entspricht. Dieser Zu-
wirken“ auf 5,6 Aussagen positiv antworteten. In der                  sammenhang liegt auf der Hand, da nur Personen, die
Gesamtschau ergibt sich somit ein durchmischtes Bild                  grundsätzlich mit der Lernortkooperation zufrieden
von Lernortkooperationen, das von lediglich problemin-                sind, diese auch weiter intensivieren und somit einen
duzierten Absprachen bis zu tiefgreifender inhaltlicher               höherwertigen Kooperationstypen erreichen werden.
Zusammenarbeit reicht.

      ABBILDUNG 3.5: ANZAHL DURCHSCHNITTLICH EINGESETZTER DIGITALER LERNMEDIEN BZW.
      VERMITTELTER DIGITALER KOMPETENZEN NACH KOOPERATIONSTYPEN UND PERSONENKREIS

      DURCHSCHNITTLICHE ANZAHL EINGESETZTER                           DURCHSCHNITTLICHE ANZAHL VERMITTELTER
      DIGITALER LERNMEDIEN                                            DIGITALER KOMPETENZEN

                                              4,4                                                             5,7
      Typ „Zusammenwirken“                       5,6                  Typ „Zusammenwirken“                       7,4
                                                5,1                                                             6,7
                                           3,0                                                          4,1
      Typ „Abstimmen“                       3,4                       Typ „Abstimmen“                       6,0
                                           3,2                                                             5,3
                                           3,2                                                          3,8
      Typ „Informieren“                    3,3                        Typ „Informieren“                    5,7
                                           3,2                                                            5,0
                                  0    1      2   3    4   5      6                               0 1 2 3 4 5 6 7 8

QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021, N=330           Berufsschullehrkräfte   Ausbilderinnen und Ausbilder   gesamt

                                                                                                                                          11
STUDIE 2/2021

         Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen         Mitarbeitenden des Unternehmens zusammen, der
         der Intensität der Lernortkooperation und der Anzahl     Zusammenhang lässt sich jedoch nicht über die Unter-
         digitaler Kompetenzen, welche die Befragten in der be-   nehmensgröße erklären. Wahrscheinlicher ist, dass die
         ruflichen Ausbildung vermitteln (siehe Abbildung 3.4).   Lernortkooperation dazu beiträgt, neue Lernmedien
         Je stärker die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten,    kennenzulernen und der Austausch mit dem jeweils
         desto höher ist die Anzahl vermittelter Kompetenzen.     anderen Lernort dazu führt, dass auch die dort ver-
         Während Befragte des Kooperationstyps „Informieren“      mittelten digitalen Kompetenzen soweit möglich in die
         durchschnittlich 5,0 digitale Kompetenzen vermitteln,    eigenen Lehrprozesse aufgenommen werden. Zudem
         sind es bei Befragten des Typs „Abstimmen“ 5,3 und       zeichnen sich vermutlich die besonders engagierten
         bei denjenigen des Typs „Zusammenwirken“ 6,7. Ein        Befragten auch durch einen hohen zeitlichen Invest
         ähnliches Bild besteht beim Einsatz digitaler Lernme-    in die Lernortkooperation aus, was gleichzeitig die
         dien. Auch hier nimmt die Anzahl der digitalen Lernme-   ausgiebige Vermittlung digitaler Kompetenzen und
         dien sukzessive zu, von 3,2 Lernmedien auf den Stufen    Nutzung digitaler Lernmedien erklären könnte. Beide
         des Informierens und Abstimmens auf durchschnittlich     Überlegungen können auf Grundlage der vorliegenden
         5,1 digitale Lernmedien auf der Stufe des Zusammen-      Daten nicht abschließend bewertet werden, weshalb
         wirkens. Dies hängt im Fall der Ausbilderinnen und       an dieser Stelle weiterer Forschungsbedarf besteht.
         Ausbilder in den Betrieben auch mit der Anzahl der

12
4. POTENZIALE DER DIGITALISIERUNG FÜR DIE
LERNORTKOOPERATION

Zu den weiteren Potenzialen der Digitalisierung für die                               Zunächst kann festgehalten werden, dass über alle drei
Lernortkooperation wurde erneut die Zustimmung zu                                     Aussagen hinweg diejenigen Befragten öfter zustimmen,
mehreren Aussagen innerhalb der Befragung des Be-                                     die dem Lernortkooperations-Typus „Zusammenwirken“
rufsbildungspersonals abgefragt. Anders als in Kapitel                                zugeordnet sind. Auch stimmt die Mehrheit der Be-
3 steht dabei nicht der tatsächliche Stand der Lernort-                               fragten der Aussage zu, dass die Einführung neuer
kooperation, sondern vielmehr die Einstellung bzw.                                    Lerninhalte in der Ausbildung eine enge Abstimmung
Meinung zu unterschiedlichen Maßnahmen im Kontext                                     erfordert. Diese grundsätzlich positive Haltung zu einer
von Lernortkooperation und Digitalisierung im Fokus.                                  engeren Abstimmung zeigt, dass das Berufsbildungs-
Somit geben die erfragten Informationen einen Einblick                                personal im Zuge der Digitalisierung eine hohe Not-
in die Ansichten des Berufsbildungspersonals bezüg-                                   wendigkeit für eine Intensivierung der Lernortkoope-
lich einiger Zukunftsaspekte der Lernortkooperation.                                  ration sieht. Gleichzeitig unterstreicht die Zustimmung

        ABBILDUNG 4.1: POTENZIALE DER DIGITALISIERUNG FÜR DIE LERNORTKOOPERATION
        SUMME „TRIFFT ZU“ UND „TRIFFT EHER ZU“, IN PROZENT DES AUF DEN JEWEILIGEN KOOPERATIONSTYP
        ENTFALLENDEN BERUFSBILDUNGSPERSONALS

      100

        80

        60
                               93,8

                                                                               93,8

                                                                                                                            90,6
                 89,4

                                                       88,0

                                                                                                       88,0

                                                                                                                                                       88,0
                                                87,5
                        83,7

                                                                 82,9
                                         82,8

        40
                                                                                                                     73,5
                                                                        71,4

                                                                                                              67,5
                                                                                                65,6
                                                                                         58,0

                                                                                                                                         56,5
                                                                                                                                                53,1

        20

         0
                 AUSBILDER-               BERUFS-                AUSBILDER-                BERUFS-            AUSBILDER-                   BERUFS-
                 INNEN UND              SCHULLEHR-               INNEN UND               SCHULLEHR-           INNEN UND                  SCHULLEHR-
                 AUSBILDER                KRÄFTE                 AUSBILDER                 KRÄFTE             AUSBILDER                    KRÄFTE
                 Gemeinsame fachliche Weiter-                       Einführung neuer digitaler                       Nutzung digitaler Tools
              bildungsmaßnahmen für Lehrkräfte                  Lerninhalte in der Ausbildung er-                       vereinfacht LOK
                  und Ausbilder wären sinnvoll                  fordert eine engere Abstimmung

Nicht dargestellte Antworten: „trifft eher nicht zu“, „trifft nicht zu“,                                                           Typ „Informieren“
„kann ich nicht beurteilen“                                                                                                        Typ „Abstimmen“
                                                                                                                                   Typ „Zusammenwirken“
QUELLE: Q 4.0-Befragung des Berufsbildungspersonals 2021,
N(Berufsschullehrkräfte)=157, N(Ausbilder)=259-260

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         allerdings nochmals den Rückschluss aus dem vorigen         an beiden Lernorten ermöglichen, aber auch – bezogen
         Abschnitt, dass die Abstimmungsprozesse zwischen            auf die angewandten Lernmethoden – das gemein-
         Ausbilderinnen und Ausbildern und Lehrkräften noch          schaftliche Kennenlernen neuartiger Lehr- und Lernmit-
         verbesserungswürdig sind. Aus der Abbildung 4.1 wird        tel. Ein enger Austausch zwischen den Ausbildungs-
         zudem deutlich, dass Ausbilderinnen und Ausbilder mit       beteiligten innerhalb der Weitebildungsmaßnahmen
         78,1 Prozent der Befragten der Aussage noch häufiger        könnte sich als „Katalysator“ der Lernortkooperation
         zustimmen als die Lehrkräfte mit 63,1 Prozent. Der          erweisen, der die Vernetzung insgesamt, aber auch
         Wunsch nach einer inhaltlichen Rückkoppelung scheint        die inhaltlichen, methodischen und zeitlichen Abstim-
         hier auf der betrieblichen Seite somit noch einmal größer   mungen zwischen den dualen Partnern befördert.
         zu sein. Ebenfalls mehr als die Hälfte der Befragten in
         Schulen und Betrieben stimmten der Aussage zu, dass         Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die befrag-
         die Nutzung digitaler Tools die Lernortkooperation ver-     ten Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder im Zuge
         einfacht. Die Digitalisierung stellt also nicht nur neue    des digitalen Wandels der Arbeitswelt eine stärkere
         inhaltliche und methodische Anforderungen an die            Zusammenarbeit der Lernorte einerseits als notwen-
         Ausbildung, sondern bietet zudem auch neue Möglich-         dig erachten, diese andererseits aber auch durch die
         keiten für den Austausch zwischen den Beteiligten.          technischen Möglichkeiten als vereinfacht ansehen. Die
         Digitale Kommunikationswege oder der Austausch              Sinnhaftigkeit, welche die Befragten in gemeinsamen
         bzw. die gemeinsame Bearbeitung digitaler Dokumente         fachlichen Weiterbildungen sehen, unterstreicht erneut,
         zwischen dem betrieblichen und schulischen Ausbil-          wie wichtig gerade die lernortübergreifende Wissens-
         dungspersonal wären hier nur beispielhaft zu nennen.        vermittlung auch für die Befragten selbst ist. Bemer-
                                                                     kenswert ist dabei, dass nicht nur die bereits stark in
         Die größte Zustimmung erfuhr die Aussage, dass              der Lernortkooperation Aktiven, sondern auch weniger
         gemeinsame fachliche Weiterbildungsmaßnahmen                aktive Befragte die gemeinsame Weiterbildung als
         sinnvoll seien (78,4 Prozent der Lehrkräfte und 86,9        sinnvoll erachten. Dies unterstreicht, dass den Befrag-
         Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder).                  ten die Bedeutsamkeit der Lernortkooperation für die
                                                                     erfolgreiche Digitalisierung der beruflichen Ausbildung
         Diese würden – bezogen auf berufsfachliche Inhalte –        bewusst ist.
         ein gemeinsames Verständnis digitaler Arbeitsprozesse

14
5. FAZIT UND AUSBLICK

Die Lernortkooperation nimmt im Dualen System eine         Auf der Grundlage eines Schemas von Buschfeld und
zentrale Rolle ein und wird in Forschungsarbeiten als      Euler (1994) wurden insgesamt acht Aussagen zur
wichtiger Erfolgsfaktor für die Ausbildungsqualität        Lernortkooperation in drei Kooperationstypen eingeteilt.
benannt (z. B. Wenner, 2018). Dies gilt auch für Zeiten    Voraussetzung für eine Zuteilung zu einem der Typen
einer fortschreitenden Digitalisierung der beruflichen     war es, zumindest den Ansprechpartner am jeweils an-
Ausbildung. Eine zentrale Herausforderung für das          deren Lernort zu kennen. Über die Hälfte der Befragten
Zusammenwirken der Lernorte auf den Lernerfolg der         gehören dabei dem Typ „Informieren“ an, ein weite-
Auszubildenden im digitalen Wandel ist es nicht nur, an    res knappes Viertel dem Typ „Abstimmen“ und 17,3
beiden Orten das notwendige Rüstzeug für die Digita-       Prozent dem Typ „Zusammenwirken“. Auf den jeweils
lisierung zu vermitteln, sondern auch, die unterschied-    höheren Stufen der Zusammenarbeit wurden auch die
lichen technischen und organisatorischen Rahmen-           den darunterliegenden Stufen zugehörigen Antwort-
bedingungen an den Lernorten bestmöglich zu nutzen.        kategorien im Durchschnitt besser bewertet. Eine
Darüber hinaus ist die Lernortkooperation qua Defini-      intensive Lernortkooperation geht zudem mit einem
tion sehr stark abhängig von persönlichem Engagement       erhöhten Engagement bei der Digitalisierung der beruf-
der Ausbilderinnen und Ausbilder sowie der Lehrkräfte.     lichen Ausbildung einher. Sowohl der Lernmedienein-
Nur wenn diese Akteure ein Engagement in der Lern-         satz als auch die Anzahl digitaler Lernmedien steigt mit
ortkooperation als nutzbringend erachten, wird sich        wachsender Intensität der Lernortkooperation.
dieses Engagement langfristig aufrechterhalten lassen.
In der vorliegenden Studie wurde nicht nur die Zufrie-     Sowohl die befragten Ausbilderinnen und Ausbilder
denheit der Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder       als auch die Berufsschullehrkräfte sehen angesichts
mit der Lernortkooperation untersucht, sondern auch        des fortschreitenden digitalen Wandels einen erhöhten
eine Typisierung in unterschiedlich intensive Formen       Bedarf an Abstimmung zwischen den Lernorten und
der Lernortkooperation vorgenommen. Zudem wurde            gemeinsamen Weiterbildungen zu digitalen Themen
ein Zusammenhang zwischen weiteren Aussagen im             und Lernmethoden. Zugleich sehen die Befragten in
Kontext von Digitalisierung und Lernortkooperationen       digitalen Tools eine Chance, dass diese die Lernortko-
hergestellt.                                               operation vereinfachen. Da sowohl Chancen als auch
                                                           Möglichkeiten durch die Befragten erkannt werden,
Insgesamt zeigt die Studie, dass viele der befragten       erscheint die Tiefe der Lernortkooperation in einigen
Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder mit der Ko-       Fällen noch Potenzial zur intensiveren Zusammenarbeit
operation zwischen Betrieb und Berufsschule recht          zu bieten. Die Frage nach möglichen Gründen, die eine
zufrieden sind. Etwa 48,4 Prozent der Berufsschullehr-     engere Zusammenarbeit erschweren, wird in der dritten
kräfte und 44,4 Prozent der betrieblichen Ausbilderin-     Teilstudie dieser Studienreihe analysiert (Risius et al.,
nen und Ausbilder beurteilten das Funktionieren der        2021). Dies bietet auch die Möglichkeit, Unterstüt-
Lernortkooperation als sehr gut oder eher gut. Weitere     zungsbedarfe zur weiteren Intensivierung der Lernort-
23,6 Prozent (Lehrkräfte) bzw. 34,5 Prozent (Ausbilde-     kooperation zu identifizieren.
rinnen und Ausbilder) gaben an, dass die Kooperation
mittelmäßig gut funktioniere. Als „eher schlecht“ oder
„sehr schlecht“ beurteilten die Situation lediglich 12,8
Prozent der Lehrkräfte an Berufsschulen und 17,2
Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder.

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         LITERATUR

         Berger, Klaus / Walden, Günter, 1995, Zur Praxis der        Schwendimann, Beat A. / Cattaneo, Alberto / Dehler
         Kooperation zwischen Schule und Betrieb. Ansätze zur        Zufferey, Jessica / Gurtner, Jean-Luc / Bétrancourt,
         Typisierung von Kooperationsaktivitäten und -ver-           Mireille / Dillenbourg, Pierre, 2015, The „Erfahrraum“. A
         ständnissen, in: Pätzold, Günter / Walden, Günter (Hg.),    pedagogical model for designing educational technolo-
         1995, Lernorte im dualen System der Berufsbildung, S.       gies in dual vocational systems, in: Journal of Vocational
         409,-430, Bielefeld: Bertelsmann                            Education & Training, Vol. 67 (3), S. 367-396

         Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), o. J., Die über-   Seyda, Susanne / Risius, Paula, 2021, Unterstützungs-
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         programm zur Digitalisierung in überbetrieblichen           digitale Wandel der Ausbildung?, Netzwerk Q 4.0-Stu-
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         php (30.04.2021)                                            load/Mediathek/publikationen/Studie-Q_4.0-4-2021.
                                                                     pdf (21.06.2021)
         Buschfeld, Detlef / Euler, Dieter, 1994, Antworten, die
         eigentlich Fragen sind. Überlegungen zur Kooperation        Wenner, Timo, 2018, Entwicklung eines Instruments
         der Lernorte, in: BWP 23/1994/2, S. 9-13                    zur Erfassung der Wechselwirkung von Lernortkoope-
                                                                     ration und Ausbildungsqualität, in: Journal of Technical
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         Lernortkooperation – Theoretische Fundierung, Band 1,
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         Flake, Regina / Meinhard, David / Werner, Dirk, 2019,
         Digitalisierung in der dualen Berufsausbildung: Um-
         setzungsstand, Modernisierungs- und Unterstützungs-
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         Kaiser, Franz-Josef / Pätzold, Günter, 2006, Wörterbuch
         Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 2. Auflage, Bad
         Heilbrunn: Klinkhardt

         Pätzold, Günter, 1991, Lernortkooperation. Pädagogi-
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         Risius, Paula / Seyda, Susanne / Meinhard, David, 2021,
         Alles im (digitalen) Wandel: Chancen und Herausfor-
         derungen der Ausbildung 4.0, Netzwerk Q 4.0-Studie
         3/2021, https://netzwerkq40.de/fileadmin/user_upload/
         Mediathek/publikationen/Studie-Q_4.0-3-2021.pdf
         (21.06.2021)

16
17
STUDIE 2/2021

         NETZWERK Q 4.0
         Das Berufsbildungspersonal fit für die Herausforderungen
         der Digitalisierung zu machen, ist das erklärte Ziel des
         „NETZWERK Q 4.0 – Netzwerk zur Qualifizierung des Berufs-
         bildungspersonals im digitalen Wandel“. Dafür erarbeitet und
         erprobt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gemeinsam      IMPRESSUM
         mit den Bildungswerken der Wirtschaft und weiteren Bildungs-      HERAUSGEBER
         institutionen regional- und branchenspezifische Weiterbildungs-   Institut der deutschen Wirtschaft e.V.
                                                                           Postfach: 10 19 42 / 50459 Köln
         formate für Ausbilderinnen und Ausbilder. So werden diese         Besucheranschrift: Konrad-Adenauer-Ufer 21 / 50668 Köln
         darin gestärkt, die duale Berufsausbildung gezielt an die
                                                                           REDAKTION
         Anforderungen des digitalen Wandels anzupassen.                   NETZWERK Q 4.0
                                                                           Postfach 10 19 42 / 50459 Köln
                                                                           Konrad-Adenauer-Ufer 21 / 50668 Köln
                                                                           q40@iwkoeln.de
                                                                           netzwerkq40.de

                                                                           AUTOREN
                                                                           Paula Risius, David Meinhard

                                                                           BILDNACHWEIS
                                                                           Titelbild: © industrieblick / stock.adobe.com

                                                                           GESTALTUNG
                                                                           3PUNKTDESIGN. Studio für visuelle Kommunikation

                                                                           Stand: Juni 2021

                                                                                                                   netzwerkq40.de
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