Exklusiv-Interview mit Dr. Helge Braun, Staatsminister im Bundeskanzleramt

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Exklusiv-Interview mit Dr. Helge Braun, Staatsminister im Bundeskanzleramt
Exklusiv-Interview

Jürgen Klocke, Redaktion AWV-Informationen

Exklusiv-Interview mit Dr. Helge Braun,
Staatsminister im Bundeskanzleramt
Koordinator der Bundesregierung für Bürokratieabbau und bessere
Rechtsetzung sowie Koordinator für die Bund-Länder-Beziehungen
Herr Staatsminister, seit 2006 hat             man die Vertreter der Wirtschaft     man zwischen unterschiedlichen
die Bundesregierung – in unter-                fragt, ob sie der Bundesregierung    Regelungen Synergieeffekte er-
schiedlicher Koalitionszusammen-               dankbar sind, stellt man häufig      zeugen kann, wie man Doppelun-
setzung – Programme zum The-                   fest, dass die Wirtschaft oft gar    gen vermeiden kann. Damit wollen
menbereich „Bürokratieabbau und                nichts vom Bürokratieabbau ge-       wir eine Sichtweise vom „Endver-
bessere Rechtsetzung“ beschlos-                merkt hat. Das liegt daran, dass     braucher“ unserer Bürokratie er-
sen und verschiedene Schritte zur              wir uns aus dem Fokus der Bun-       zeugen.
Umsetzung eingeleitet.                         despolitik und einzelner Gesetze
                                                                                    Die Bilanz bei der Umsetzung der
                                                                                    Programme „Bürokratieabbau und
                                                                                    bessere Rechtsetzung“ wird von
                                                                                    der Bundesregierung, dem Natio-
                                                                                    nalen Normenkontrollrat und der
                                                                                    Wirtschaft mit ihren Verbänden
                                                                                    in einzelnen Punkten keineswegs
                                                                                    übereinstimmend beurteilt. Wie
                                                                                    würden Sie, Herr Dr. Braun, so-
                                                                                    zusagen frisch gestartet hier im
                                                                                    Bundeskanzleramt, die bisherige
                                                                                    Arbeit der Bürokratiekostenmes-
                                                                                    sung beurteilen?

                                                                                    Dr. Helge Braun: Die unterschied-
                                                                                    liche Beurteilung der Erfolge und
                                                                                    der Fortschritte ist normal. Dass
                                                                                    ein Normenkontrollrat, der möch-
V.l.n.r.: Staatsminister Dr. Helge Braun; Jürgen Klocke, Redaktion AWV-Redaktion.   te, dass möglichst viel in diesem
                                                                                    Bereich passiert, regelmäßig un-
Im Kabinettsbeschluss vom 4.                   dem Thema Bürokratie genähert        zufrieden sein und sich mehr wün-
Juni 2014 „Bessere Rechtsetzung                haben – und nicht aus dem Le-        schen muss: Das gehört zu seiner
2014“ wird betont, dass die Bun-               bensalltag und den Erfahrungen       Aufgabe. Aber ich glaube schon,
desregierung bei der Vorbereitung              der Bürger, der Wirtschaft und       dass das bisher Erreichte ein gro-
von Regelungsentwürfen künftig                 der Mitarbeiter in der Verwaltung.   ßer Erfolg ist. Auch dass sich die
noch stärker die Erfahrungen von                                                    Wirtschaft immer mehr Bürokra-
Bürgerinnen und Bürgern, Wirt-                 Daher ist das strukturell Neue un-   tieabbau wünscht, ist gar keine
schaft und Verwaltung berücksichti-            seres Vorhabens, den umgekehr-       Frage. Doch: Ein bürokratiefreies
gen wird. Was ist das wirklich Neue            ten Blickwinkel zu verwenden.        Land wäre ein anarchisches Land.
in diesem Arbeitsprogramm? Wel-                Wir arbeiten dabei mit dem Sta-      Wir haben eine hohe Rechtssi-
che Schwerpunkte sind festgelegt?              tistischen Bundesamt eng zusam-      cherheit, insbesondere in den Ver-
                                               men, um konkret Lebenslagen zu       fahren. Unsere hohen Standards
Dr. Helge Braun: Das Neue ist                  identifizieren, in denen Bürgerin-   sind auch ein Wert. Dies wird aber
aus der Erfahrung der Vergangen-               nen und Bürger mit Bürokratie zu     häufig als Bürokratie wahrgenom-
heit geboren, und diese Erfahrung              tun haben. Dann prüfen wir - qua-    men. Wir prüfen das sehr genau
zeigt: Wir haben seit 2006 über                si rechtsgebietsübergreifend und     und kommen aber doch zu dem
12 Mrd. Euro an Bürokratiekosten               behördenübergreifend - diese Le-     Schluss, dass die Regeln auch
für die Wirtschaft abgebaut. Wenn              benslagen. Wir überlegen, wie        sinnhaft sind.

4                                                                                     AWV-Informationen 4/2014
Exklusiv-Interview mit Dr. Helge Braun, Staatsminister im Bundeskanzleramt
Am Anfang gab es sicherlich          keit für den Bürger zu verbessern,             nehmen, damit im Zuge dieses
noch leicht auffindbare Ent-         dürfen wir nicht nur die Frage                 Arbeitsprogramms am Ende die
bürokratisierungsprojekte. Jetzt     stellen, wo können wir durch Ma-               Betroffenen, sei es in Wirtschaft,
schauen wir zwar immer noch          thematik und Berechnung unse-                  Verwaltung oder beim Bürger, sa-
auf den Bestand, mit unseren         rer Indikatoren besonders viel Bü-             gen: Hier ist wirklich etwas einfa-
eher neuen Methoden nehmen           rokratie abbauen. Wir fragen jetzt             cher geworden.
wir aber auch die neue Gesetzge-     auch, wo ist qualitativ Bürokratie
bung in den Blick.                   für unsere Bürger besonders un-                Welche Erfahrungen liegen mit ei-
                                     angenehm.                                      nem „Lebenslagen-Modell“ schon
Gibt es aus Ihrer Sicht Verbesse-                                                   vor? Das Lebenslagen-Modell wird
rungsmöglichkeiten bei der bis-      Für mich ist das eindrucksvolls-               bisher vor allem im kommunalen
herigen     Bürokratiekostenmes-     te Beispiel immer, wenn ein Kind               Bereich genutzt. Genannt werden
sung und der Umsetzung des Pro-      geboren wird. Die Eltern müs-                  dabei auch immer wieder Untersu-
gramms „Bessere Rechtsetzung“?       sen das melderechtlich, versiche-              chungen aus Frankreich.

Dr. Helge Braun: Das gehen wir
schrittweise an. Wir haben das In-
strumentarium immer weiter ent-
wickelt, und indem wir jetzt die
Lebenslagenanalyse       machen,
kommen wir nicht nur zu neuen
Themen, sondern erhalten auch
neue quantitative Informationen.

Wir erfassen jetzt schon den ge-
samten Erfüllungsaufwand für
die Wirtschaft, nicht nur die Bü-
rokratiekosten. So haben wir un-
ser Transparenzinstrumentarium
immer mehr verfeinert; das sieht
man auch, wenn man mit anderen
Partnern in Europa spricht. Wir
sind bei der Transparenz von Ge-     Staatsminister Dr. Helge Braun (Foto: Bundesregierung/Kugler).
setzgebung im Hinblick auf Büro-
kratiekosten, aber auch beim ge-
                                     rungsrechtlich organisieren und                Dr. Helge Braun: Wir haben Erfah-
samten Erfüllungsaufwand schon
                                     haben eine Menge Bürokratie zu                 rungen und Ideen aus Frankreich
weit gediehen.
                                     bewältigen. Vielleicht nimmt man               weiterentwickelt. Das Eins zu Eins
Als eine Aufgabe im Arbeitspro-      das in diesem Fall gar nicht so ne-            zu übertragen ist natürlich nicht
gramm „Bessere Rechtsetzung          gativ wahr, weil man ja auch stolz             möglich. Frankreich ist ein Staats-
2014“ sollen ergänzend zu den        ist, nun Eltern zu sein. Am an-                gebilde, das deutlich zentralis-
bisher eingeführten qualitativen     deren Ende des Lebens, wenn es                 tischer ist als Deutschland. Für
Verfahren regelmäßig Bürgerin-       um die Nachlassverwaltung geht,                uns ist wichtig, Verbesserungs-
nen und Bürger sowie Unterneh-       ist die Bürokratie deutlich unan-              potenzial in der Gesetzgebung
men befragt werden, wie sie in-      genehmer. Man muss da anset-                   des Bundes zu identifizieren und
nerhalb bestimmter Lebenslagen       zen, wo es um qualitative Aspek-               nicht beispielsweise den Verwal-
den Kontakt und die Zusammen-        te geht, und da, wo es als ganz                tungsvollzug in den Kommunen
arbeit mit der Verwaltung wahr-      besonders störend empfunden                    überprüfen, was dem Bund auch
nehmen. Dadurch soll sicherge-       wird, wo es einfach schwierig ist.             gar nicht zustünde. Das macht in
stellt werden, dass Entlastungen     Manche Informationen, die im                   unserem Gefüge die Sache sehr
spürbarer werden. Bei welchen        Rahmen von Bürokratie oder von                 schwierig, denn am spürbarsten
Lebenslagen sehen Sie Schwer-        Rechtsakten abgefragt werden,                  ist der praktische Verwaltungs-
punkte für die aktuelle Legisla-     sind leicht vorhanden, z.B. das                vollzug vor Ort. Ein Lebenslagen-
turperiode?                          Geburtsdatum. Aber es gibt auch                modell so zu adaptieren, dass wir
                                     Werte, die man erst errechnen                  die für die Gesetzgebung wesent-
Dr. Helge Braun: Zunächst ha-        muss, und dafür sind viele Unter-              lichen Informationen bekommen,
ben wir unser Arbeitsprogramm        lagen erforderlich. Solche Punk-               macht das Verfahren in Deutsch-
neu strukturiert: Um die Spürbar-    te wollen wir stärker in den Fokus             land erheblich komplexer.

AWV-Informationen 4/2014                                                                                             5
Exklusiv-Interview mit Dr. Helge Braun, Staatsminister im Bundeskanzleramt
Exklusiv-Interview

Herr Dr. Braun, trotzdem fallen       zugsaufwandes in den Kommunen         wir in diesem Jahr noch intensiv
in den Kommunen, unbenommen           ausgearbeitet. Das finanzielle Ver-   über die Finanzbeziehungen zwi-
dass der Bund seine Hoheitsrech-      hältnis Bund/Länder /Kommunen         schen Bund und Ländern disku-
te für den Bund wahrnimmt und         bekommt dadurch erneut Zünd-          tieren werden – zunächst auf der
nicht für die Kommunen, in den        stoff, der Bürokratieabbau mögli-     Ebene der Finanzminister, später
Regionen eine Menge Entbürokra-       cherweise neue Diskussionsebe-        auch der Ministerpräsidenten und
tisierungsvorhaben an. Was sind       nen. Können die unterschiedli-        der Bundeskanzlerin – sind solche
hier denkbare Projekte und An-        chen Verwaltungsebenen trotzdem       Informationen sehr wertvoll.
satzpunkte?                           an einem Strang ziehen? Müssen
                                      dazu Konsultationsverfahren for-      Die Bundesregierung beabsich-
Dr. Helge Braun: Wir haben ein                                              tigt im Arbeitsprogramm „Besse-
                                      ciert werden, um Potenziale zu er-
großes Interesse an der Entwick-                                            re Rechtsetzung 2014“ den Er-
                                      schließen, die im föderalen Sys-
lung der Kommunen, und ich bin                                              füllungsaufwand von Bürgerinnen
                                      tem vorhanden sind?
mit den Bundesländern in regel-                                             und Bürgern zu reduzieren. Was
mäßigem Gespräch. Das ergänzt         Dr. Helge Braun: Damit unsere In-     heißt das inhaltlich?
sich mit meiner Aufgabe, mich         dikatoren besser werden, müssen
um die Bund-Länder-Beziehungen                                              Dr. Helge Braun: Da wir Qualitati-
                                      wir den Verwaltungsvollzug auf
zu kümmern. Aber das geht nur                                               ves und Quantitatives zusammen-
                                      Länder- und kommunaler Ebene
Projekt für Projekt. Beispielswei-                                          führen, haben wir uns schon im
                                      kennen, der durch Bundesgesetz-       Rahmen der Koalitionsverhand-
se spielt sich im Bereich der Un-
                                      gebung entstehen wird. Es würde       lungen dafür entschieden, den Er-
ternehmensgründung sehr viel auf
                                      ein falsches Bild entstehen, wenn     füllungsaufwand nicht mit einem
Länderebene ab. So ein Projekt
                                      man nur die Bundesverwaltung,         quantitativen Abbauziel zu verbin-
wäre gar nicht alleine auf Bundes-
                                      die erheblich kleiner ist als die     den, wie es in der Vergangenheit
ebene zu stemmen. Ein konkretes
                                      Summe aller Länderverwaltungen,       der Fall war. Die großen Brocken,
Projekt, das auf die kommunale
                                      betrachtet. Deshalb ist die Hilfe-    die man „leicht“ umsetzen kann,
Ebene hinunterreicht, haben wir
                                      stellung des Normenkontrollrats       haben wir in den letzten Jahren
noch nicht.
                                      für die Länder und für die Kommu-     abgearbeitet. Jetzt werden wir
Die ersten Jahre seit 2006 haben      nen bei der Ermittlung bedeutsam      mit z. T. unterschiedlichen Effek-
wir unseren Fokus auf die origi-      und wichtig; es bekommt auch po-      ten konfrontiert, die oft auch po-
nären Bundeszuständigkeiten ge-       litische Relevanz. Zunächst han-      litisch gewollt sind. Wenn wir z.B.
legt. Wenn man das Thema „ganz-       delt es sich nur um ein Transpa-      an den Anlegerschutz von Bürge-
heitlich“ betrachtet, muss man        renzinstrument, das keinerlei exe-    rinnen und Bürgern denken bzw.
schrittweise die Zusammenarbeit       kutive Konsequenzen hat.              die Beratungspflicht von Finanz-
mit den Ländern intensivieren,                                              instituten, ist jedem klar, dass in
und das immer auf Augenhöhe,          In vielen Bundesländern gilt das
                                                                            der Vergangenheit viele Leute An-
damit es nicht als Einmischung        Subsidiaritätsprinzip für die Kom-
                                                                            lagen getätigt haben, über dessen
wahrgenommen wird. Dieser Pro-        munen, was Aufwendungen, evtl.
                                                                            Risiko sie nicht ausreichend infor-
zess beginnt jetzt. Aber wir schau-   Gebühren oder Ausschüttungen
                                                                            miert waren. Also fordert der Ver-
en auch in die andere Richtung,       von Leistungen angeht, auch von
                                                                            braucherschutz zu Recht, dass wir
nach Europa. In den letzten Mona-     Bürokratieberechnung. Hier gilt
                                                                            zu klaren Regeln kommen. For-
ten – vor und nach der Europawahl     es, die wechselseitigen Kostenfor-
                                                                            mal sind dies in unseren Indikato-
– wurde viel über europäische         derungen zu überwinden. Umge-
                                                                            ren Mehrkosten, aber sie sind po-
Überregulierungen diskutiert. Wir     kehrt wird häufig auch im Bundes-
                                                                            litisch gewollt und gesellschaftlich
müssen angesichts all der Rück-       rat Klage geführt, dass der Bund
                                                                            absolut akzeptierte Kosten.
wirkungen auf nationale Gesetz-       im Rahmen der Bundesgesetzge-
gebung und Regelungen diesem          bung die Länder zusätzlich belas-     Dies ist im Übrigen auch gut an-
Eifer entgegenwirken. Wir erwei-      tet, auch mit administrativen Auf-    gelegtes Geld, denn dadurch kann
tern also die Kooperation und un-     gaben durch seine Gesetzgebung.       möglicherweise in Zukunft eine
seren Blickwinkel in beide Rich-      Gleichzeitig melden die Länder        erneute Finanzkrise der Banken
tungen, nach Europa einerseits,       aber im Rahmen seiner Transpa-        verhindert werden. Unsere Indi-
in gemeinsamer Verantwortung in       renzverfahren, dass nahezu keine      katoren können allerdings solche
einer Arbeitsgruppe mit den Län-      Kosten entstanden sind: Das passt     Effekte noch nicht erfassen und
dern andererseits.                    dann nicht zusammen. Wir müs-         antizipieren. Wir absolvieren ei-
                                      sen die Transparenzinstrumente        nen Dauerlauf, um jedes Gesetz-
Der Nationale Normenkontrollrat       so entwickeln, dass sie die Dinge     gebungsverfahren zu optimieren.
hat unlängst einen Handlungsleit-     auch wirklich transparent machen.     Eine bezifferbare quantitative Ent-
faden für die Erhebung des Voll-      Gerade vor dem Hintergrund, dass      lastung hängt aber beispielswei-

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se auch sehr stark davon ab, wie      ben bei uns Priorität, weil diese    Die beiden inhaltlichen Punkte
schnell wir es schaffen, digitale     Unternehmen selten über eine ei-     sind: erstens die Digitalisierung.
Prozesse zu optimieren.               gene Verwaltung, auch über kei-      Sie wird uns an vielen Stellen hel-
                                      ne eigene juristische Kompetenz      fen können, wenn sie gut gemacht
Die digitale Agenda bietet hier die   verfügen. Den kleinen und mitt-      ist, wenn die Schnittstellen stim-
größten Chancen für die Zukunft,      leren Unternehmen aber wollen        men, wenn gemeinsame Stan-
enthält aber durchaus auch Risi-      wir wirklich die Zeit fürs Wesent-   dards verwendet werden. Das ist
ken. Mit der Technologisierung        liche lassen. Gerade im Hinblick     auch noch eine große Herausfor-
der Abläufe kann auch mehr Bü-        auf Europa ist dies wirklich eine    derung.
rokratie produziert werden, wenn      Daueraufgabe.
man es ungeschickt macht und                                               Zweitens: Es gibt in unserem
wenn man die Systeme nicht kom-       Einige Wirtschaftsverbände haben     Land einen weit verbreiteten
patibel gestaltet.                    Kataloge geschrieben, was sie sich   Wunsch nach Einzelfallgerechtig-
                                      beim Bürokratieabbau wünschen.       keit. Wenn wir also irgendwo ei-
Die Digitalisierung schreitet         Wenn man diese Wünsche mit un-       nen Leistungsmissbrauch sehen,
schnell voran, da werden vie-         seren Aktivitäten vergleicht, sind   eine Begünstigung durch ein Ge-
le Prozesse angestoßen, auch          wir meines Erachtens den mitt-       setz für jemanden, dem wir es
im Bereich E-Government. Wir          leren und kleinen Unternehmen        aus Gerechtigkeitsgründen ei-
sind noch nicht in der Lage, das      sehr weit entgegenkommen, trotz      gentlich gar nicht zusprechen
praktisch so auszurechnen, dass       der allgemeinen Auffassung von       würden, dann kommt sofort die
ich Ihnen für die nächsten Jahre      Unternehmensvertretern „es ist       Forderung, das müsse verhindert
eine Jahrestranche nennen kann,       nicht genug“.                        werden. Durch Gesetz wird dann
wie viel Entlastung wir quanti-
                                      Durch welche Maßnahmen soll          versucht, diesen Missbrauch oder
tativ erreichen können. Solche
                                      eine „bürger- und unternehmens-      diese nicht ganz so gerechtfertig-
Zahlen, die von vielen gefordert
werden, sind aus meiner Sicht         freundliche Verwaltung“ (Kabi-       ten oder vom Gesetzgeber nicht
momentan nicht wirklich seriös        nettsbeschluss vom 4.6.2014)         zwingend gewollten Inanspruch-
zu ermitteln.                         erreicht werden? Und, Herr Dr.       nahme einer Vergünstigung oder
                                      Braun, wie ist in diesem Zusam-      Leistung zu verhindern. Die Fra-
In einer Presseinformation von        menhang Ihr persönlicher Schwer-     ge, ob es überhaupt ein Massen-
BDI, BDA, DIHK, ZDH und ande-         punkt? Wo sehen Sie persönlich       phänomen ist, ob es überhaupt
ren Verbänden heißt es, dass die      das größte Potenzial zur Entlas-     eine breite Gruppe betrifft oder
allgemeinen Ziele der Bundesre-       tung der Verwaltungen bei gleich-    nur ganz wenige, stellen wir uns
gierung, den bestehenden Erfül-       zeitig größerer Kundennähe?          zu selten. Auf der anderen Seite
lungsaufwand zu verringern, nicht                                          ist aber möglicherweise eine um
ausreichen    (Presse-Information     Dr. Helge Braun: Es gibt einen       das hunderttausendfache größe-
Nr. 039/2014). Gefordert wird         formalen und zwei inhaltliche        re Gruppe von Menschen mit Bü-
insbesondere mehr Einsatz für die     Punkte, die für mich Leitschnur      rokratie belastet, die nachweisen
Belange der kleinen und mittleren     sind. Das Erste ist, dass es für     müssen, dass sie nicht zu dieser
Unternehmen. Welche Entlastun-        den Bürger einfacher werden          Minderheit gehört. Mit einem Ein-
gen sieht die Bundesregierung in      soll. Wenn z.B. mehrere Behör-       zelfallskandal in irgendeinem Be-
ihrem Arbeitsprogramm speziell        den in einer Lebenslage betrof-      reich kann die politische Land-
für KMU dazu vor?                     fen sind, müssen wir erreichen,      schaft wahrlich auch durchein-
                                      dass der Bürger auf den zweiten      andergewirbelt werden. Wenn wir
Dr. Helge Braun: Sowohl mit dem       Behördengang verzichten kann         häufiger bereit wären zu pauscha-
Projekt der Unternehmensgrün-         und stattdessen der einen Behör-     lieren oder Einzelfälle mit größe-
dung als auch mit der Betrach-        de erlaubt, Daten an die andere      rer Langmut zu betrachten, ent-
tung des „Lebenslagen-Modells“        Behörde weiterzugeben. Damit         steht auch mehr Potenzial für Bü-
haben wir explizit auch kleine        würde das „Ein-Kontakt-Prinzip“      rokratieabbau. Denn viele Bürger
und mittlere Unternehmen im           im Sinne der Amtshilfe verwirk-      haben mich schon gefragt: „Sie
Blick. Gerade auch auf der euro-      licht. Aus datenschutzrechtli-       sind ja für Bürokratieabbau zu-
päischen Ebene arbeiten wir je-       chen Gründen darf dies nur auf       ständig, warum haben wir denn
den Tag daran, dass kleine und        den persönlichen Wunsch des          überhaupt so viel Bürokratie,
mittlere Unternehmen von großen       Betroffenen hin geschehen. Aber      muss das alles sein?“
Pflichten, die allein für große Un-   ich bin überzeugt, ein solches
ternehmen gelten, ausgenommen         Angebot würden auch viele in An-     Sie haben vom Datenschutz ge-
werden können. Die kleinen mit-       spruch nehmen, weil es eine ech-     sprochen, der insbesondere durch
telständischen Unternehmen ha-        te Erleichterung wäre.               die NSA-Affäre aktuell heftig dis-

AWV-Informationen 4/2014                                                                                    7
Exklusiv-Interview

kutiert wird. Wird beim Bürokra-     Dr. Helge Braun: Wir haben kla-       Meine Aufgabe erstreckt sich
tieabbau besonders darauf geach-     re Einzelprojekte im Arbeitspro-      nicht nur auf den Bürokratieab-
tet, dass der Datenschutz einge-     gramm vereinbart. Jedes Minis-        bau im engeren Sinne, sondern
halten wird?                         terium hat dazu beigetragen. Die      auch auf bessere Rechtsetzung.
                                     Ministerien stehen jetzt auch in      Dieser Punkt gilt im Übrigen auch
Dr. Helge Braun: Wir haben in        der Verantwortung, ihre eigenen       für die Länder und die Länderge-
Deutschland ein sehr hohes Da-       Projekte tatsächlich umzusetzen.      setzgebung: Transparenz und Be-
tenschutzniveau, auf das sind wir    Ich achte darauf, dass Fortschrit-    ratungsgremien sind auf dieser
stolz und das müssen wir auch er-    te erzielt werden und das Verspro-    Ebene ebenfalls zu befürworten.
halten. Die Vorstellung, dass wir    chene umgesetzt wird. Der Nor-        Die Bundesländer agieren in eige-
in eine Widerstreit-Situation kä-    menkontrollrat tut das als unab-      ner Verantwortung. Andererseits
men, in der wir ein positives Ziel   hängige Instanz zusätzlich. Des-      gibt es überall Überlegungen oder
nur dann erreichten, wenn wir Da-    halb haben wir vereinbart, nicht      schon wirkliche Aktivitäten, damit
tenschutz reduzierten, wäre eine     erst am Ende der Legislaturperi-      unsere Regulierungen nicht noch
völlig falsche Herangehensweise.     ode, sondern schon nach Ablauf        komplexer werden.
Diese Werte können und sollten       eines Jahres, zu prüfen, ob die
nicht gegeneinander aufgerech-       Projekte tatsächlich die Effek-       Bürokratieabbau ist eine euro-
net werden. Aber nach meinem         te erbringen oder nicht. Gegebe-      päische Aufgabe. Diese Erkennt-
Eindruck sind die Datenschützer      nenfalls müssen wir nachsteuern,      nis ist nicht neu. Die Bundes-
da sehr offen; der zentrale Gedan-   also die gleichen Projekte noch       regierung hat in ihrem Arbeits-
ke des Datenschutzes ist immer       schneller vorantreiben, oder viel-    programm dazu verschiedene
die informelle Selbstbestimmung.     leicht zusätzliche identifizieren,    Aufgaben formuliert, die Bürokra-
Beim Bürokratieabbau wollen und      um in jedem Fall mit positivem        tieabbau in Europa voranbringen
sollten wir nicht etwas gegen den    Ergebnis die gesamte Legislatur-      sollen. Wie würden Sie in diesem
Menschen tun, sondern etwas für      periode zu gestalten.                 Zusammenhang die bisherige Ar-
den Menschen. Wenn jemandem                                                beit und die Rolle der High Level
Datenweitergabe unangenehm ist       Auf einer Sitzung des AWV-Ar-         Group of Independent Stakeholder
und er lieber mehr Wege in Kauf      beitskreises   „Bürokratieentlas-     on Administrative Burdens („Stoi-
nimmt: dann sollten wir ihm die      tung in der öffentlichen Verwal-      ber Gruppe“) beurteilen? Wie ge-
Möglichkeit auch lassen. Solan-      tung“ wurde unlängst ausführlich      staltet sich das Vorankommen der
ge wir Freiwilligkeit postulieren,   die Gründung eines sächsischen        Gründung eines „europäischen
werden wir immer mit dem Da-         Normenkontrollrates erörtert und      Normenkontrollrates“? In welchen
tenschutz auch zu guten Lösun-       das dortige Konzept vorgestellt.      inhaltlichen Themenbereichen se-
gen kommen.                          Wie beurteilen Sie diesen Schritt     hen Sie Handlungsansätze der Eu-
                                     in Sachsen, und sind weitere          ropäischen Kommission?
Es gibt in Unternehmen viele ver-    Gründungen auf Länderebene zu
öffentlichungspflichtige Angaben.    erwarten?                             Dr. Helge Braun: Zunächst be-
Die Behörden fragen diese Daten                                            grüße ich, dass es gelungen ist,
jedoch teilweise bei den Betroffe-   Dr. Helge Braun: Ich nehme mo-        in den ersten Schlussfolgerungen
nen ab, statt sie sich aus den öf-   mentan viel Bewegung auf der          des Europäischen Rats nach der
fentlich zugänglichen Daten selbst   Länderebene wahr, in Bayern hat       Europawahl die Bedeutung des
zu holen.                            es eine Paragraphenbremse ge-         Bürokratieabbaus im Arbeitspro-
                                     geben. Das Thema Bürokratie be-       gramm einer zukünftigen Kom-
In der letzten Legislaturperio-      wegt uns in Deutschland seit Jah-     mission zu betonen, an prominen-
de haben alle Ressorts inten-        ren. Jetzt sind wir an einem Punkt    ter Stelle gleich zu Beginn dieser
siv Bürokratieabbau und besse-       angekommen, wo nahezu jeder           Schlussfolgerungen.
re Rechtsetzung vorangebracht.       Bürger sagt: „Ich lebe in einem
Besteht jetzt, nach Veröffentli-     Land, das so komplex reguliert ist,   Das ist schon deshalb wichtig, weil
chung des Kabinettbeschlusses        dass ich gelegentlich auch den        es in Europa zwei zentrale Probleme
vom 4. Juni 2014, die Gefahr,        Überblick verliere. Ich versuche      gibt. Das eine ist die Finanz- und
dass salopp gefragt, sich die ein-   mich regelkonform zu verhalten,       Wirtschaftskrise. Wenn sich bis zu
zelnen Ministerien sozusagen auf     aber ob ich das immer schaffe,        einer zukünftigen Europawahl die
den bisherigen Ergebnissen beim      da bin ich selber unsicher“. Das      Jugendarbeitslosigkeit sowie die
Bürokratieabbau und besserer         ist ein sehr weitgehender Befund.     wirtschaftliche Lage und die Inba-
Rechtsetzung ausruhen? Denn          Deshalb müssen wir neben dem          lancen nicht verändert haben, kann
neue konkrete Abbauziele sind in     Abbau von Bürokratie auch darauf      möglicherweise eine Identitätskrise
dem Arbeitsprogramm nicht er-        achten, dass Regeln einfach und       entstehen. Hinzu kommt: Die vehe-
kennbar?                             verständlich sind.                    mente Kritik an Regulierungen, an

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vermeintlich weltfremder, detail-       keitsprinzipien wie bei uns in         nieren von Verwaltung generell
reicher, nicht wirklich bürgernaher     Deutschland auch auf europäi-          statt, oft in Verbindung mit Kor-
Politik in Brüssel stellt letzten En-   scher Ebene sehen wollen.              ruptionsfragen. Staatliches Han-
des auch die gesamte europäische                                               deln und das Durchsetzen staat-
Idee in Frage.                          Bei der Frage des Abbaus von Bü-       lichen Handelns wird hier insge-
                                        rokratie und besserer Rechtset-        samt thematisiert. Fest steht aber
Regulierungen sind in Europa da-        zung in Europa hat man den Ein-
                                                                               auch, dass es nicht zur Aufgabe
her notwendig, auch zum Beispiel        druck, das wird mehr als westeu-
                                                                               eines Normenkontrollrats gehört,
im Zusammenhang mit der Fra-            ropäische Frage behandelt. Die EU
                                                                               gegen Korruption vorzugehen;
ge, wie wir Subsidiarität in Eu-        ist aber mittlerweile ein großer Zu-
                                                                               dies ist ein anderer Fokus. Den-
ropa leben. Das werden wir mit          sammenschluss ost- und westeuro-
                                                                               noch kann das deutsche Modell
dem neuen Kommissionspräsi-             päischer Staaten und grade die ost-
                                                                               auf der europäischen Ebene gut
denten, mit der neuen Kommis-           europäischen Staaten haben histo-
                                                                               adaptiert werden, zumal Deutsch-
sion im Hinblick auf die jährli-        risch gesehen eine umfangreiche
                                                                               land viel Vertrauen auf der euro-
chen Arbeitsprogramme auszu-            Erfahrung mit bürokratischer Ent-
                                                                               päischen Ebene genießt. Nun gibt
handeln haben. Wichtig ist da-          artungen. Trotzdem habe ich den
                                                                               es aber auch Regierungen, die
bei auch das REFIT-Programm,            Eindruck, dass bei der Behand-
                                                                               Unabhängigkeit und Transparenz
bei dem die bestehende Gesetz-          lung von Bürokratieabbau in Euro-
                                                                               nicht so begeistert sehen wie wir.
gebung geprüft wird. Gleichzei-         pa diese mehr als westeuropäische
                                        Fragestellung behandelt wird.          Doch werbe ich gerne für unser
tig ist die Grundsatzdiskussion                                                Erfolgsmodell. Es gibt ein großes
notwendig, wie detailreich gere-                                               Interesse, die Prinzipien eines
                                        Dr. Helge Braun: Eine abschlie-
gelt werden muss, damit der Bin-                                               schlanken Staates umzusetzen
                                        ßende Antwort kann ich ihnen
nenmarkt gut funktioniert, aber                                                und dafür Verfahren zu finden.
                                        darauf nicht geben, ich habe
wo man auch an Grenzen stößt.           auch noch nicht mit allen Mit-         Letztlich wirkt dies in doppelter
Brauchen wir in manchen Berei-          gliedsstaaten gesprochen. Nach         Weise: Ein zu regelungsintensiver
chen überhaupt Regeln oder lässt        meinem Eindruck haben die              Staat verschlingt nicht nur Geld
sich das durch die Mitgliedsstaa-       Begriffe Bürokratieabbau oder          für die Verwaltung selbst, sondern
ten subsidiär gegebenenfalls bes-       bessere Rechtsetzung in Euro-          dämpft damit auch wirtschaftli-
ser regeln? Grundsätzliche Dis-         pa starke nationale Färbungen          che und persönliche Kraft.
kussionen, mindestens im Rah-           und unterschiedliche Vorstellun-
men des jährlichen Arbeitspro-          gen. Frankreich als Zentralstaat       Im Regierungsprogramm „Besse-
gramms, sind notwendig.                 versteht darunter z.B. neben           re Rechtsetzung 2014“ wird fest-
                                        dem klassischen Bürokratieab-          gehalten, dass der Rechtsetzungs-
Die High Level Group hat in den                                                kreislauf durch Weiterentwicklung
                                        bau auch, wie man Recht besser
letzten Jahren sehr gute Arbeit                                                seiner Komponenten verbessert
                                        durchsetzen kann. Im Gegensatz
geleistet, ihr Mandat wurde mit                                                werden soll. Was heißt das, und
                                        zu unserem Rechtsstaatssystem
anderer Schwerpunktsetzung im-                                                 welche Maßnahmen sind dazu ge-
                                        haben die Franzosen das Prob-
mer wieder verlängert. Viel be-                                                plant? Das Gesetzesverfahren soll
                                        lem, dass ein Beschluss der Zen-
wegt worden ist auch bei der Bü-                                               elektronisch unterstützt werden.
                                        tralregierung in Paris auf dem
rokratieentlastung. Aber wenn                                                  Wie könnte das aussehen?
                                        Land vielleicht gar nicht eins zu
wir in Zukunft Detailregelun-
                                        eins umgesetzt werden kann und
gen im Dialog zwischen Parla-                                                  Dr. Helge Braun: Über den en-
                                        wird. Neben dem Thema Verein-
ment, den nationalen Regierun-                                                 gen Bereich der besseren Recht-
                                        fachung klarer und anreizkompa-
gen und der Kommission früh-                                                   setzung hinaus verfolgen wir das
                                        tibler Regelungen geht es um die
zeitiger vermeiden wollen, müs-                                                Konzept „wirksam Regieren“.
                                        Frage, wie setze ich Recht auch
sen wir die Zusammenarbeit der                                                 Es gibt manche Bereiche, in de-
                                        wirklich in der Fläche durch. Die
europäischen Institutionen neu                                                 nen man gar nicht durch gesetz-
                                        Engländer dagegen sprechen
justieren. Dazu könnte ein unab-        häufig von „deregulation“ und          liche Vorschrift die Menschen zu
hängiges Gremium einen wichti-          wollen damit den Gedanken der          irgendetwas zwingen kann oder
gen Beitrag leisten. Nun sehen          europäischen Subsidiarität mit         will. Man macht z.B. ein gutes An-
wir in einigen Mitgliedsstaaten         Deregulierung und Verschiebung         gebot für die private Altersvorsor-
Skepsis gegenüber neuen Gremi-          des Gewichts zwischen National-        ge oder für die energetische Sa-
en. Hier ist noch Überzeugungs-         staaten und europäischer Ebene         nierung, und die Bürger nehmen
arbeit notwendig. Die deutsche          verbinden.                             die Angebote gar nicht wahr. Un-
Position ist, dass wir gerne einen                                             sere Aufgabe ist, sich zu überle-
Normenkontrollrat mit ähnlichen         In Osteuropa findet eine intensi-      gen, wie die Erfolge des Regie-
Transparenz- und Unabhängig-            ve Diskussion über das Funktio-        rungshandelns verbessert werden

AWV-Informationen 4/2014                                                                                        9
Exklusiv-Interview

können, ohne nach gesetzlicher           Werner Thumbs, Profunda Verwaltungs-GmbH
Regulierung, verstärkten Kontrol-
len oder schlimmeren Sanktionen          3. AWV Verrechnungspreisfachtagung
zu rufen. Es gilt, die Begeisterung      Verrechnungspreise im Fokus von BEPS
der Bevölkerung zu fördern, sich
entsprechend dieser Notwendig-           Der sehr große Zuspruch zu den ers-      shops erfahren Sie von ausgewiesenen
keiten zu verhalten. Das geht in         ten beiden Verrechnungspreisfachta-      Experten aus Finanzverwaltung, Unter-
die Verhaltensökonomie, ist eine         gungen 2009 und 2012 zeigte bereits      nehmen und Beratungen mehr darüber,
Frage von Anreizkompatibilität           die immense Bedeutung, welche den        welche Auswirkungen die aktuellen und
                                         neuen steuerlichen Regelungen in in-     künftigen Regelungen für die Unterneh-
und Regelungen - ein völlig neu-
                                         ternational tätigen Unternehmen für      menspraxis haben und wie Sie am bes-
er Aspekt neben dem klassischen          die Verrechnung von Leistungen ge-       ten damit umgehen können. Die Kombi-
Bereich besserer Rechtsetzung.           genüber verbunde-
Wir wollen in Zukunft unsere Pro-        nen Unternehmen
gramme effektiver zu machen, um          oder Betriebsstät-
die Bereitschaft der Menschen zu         ten zukam. Ver-
                                         rechnungspreise
erhöhen, Steuern zu bezahlen und
                                         sind     inzwischen
anderes. Das Mahnwesen ist auch          zentrales     Thema
ein wichtiges Instrument.                bei     Betriebsprü-
                                         fungen und Unter-
Herr Staatsminister, ich möchte          nehmensrestruk-
mich ganz herzlich bei Ihnen be-         turierungen.      Zu
danken für dieses ausführliche In-       glauben, dass das
terview. Eine letzte Frage: Gibt es      ein Thema sei, das
                                         nur internationale
ein persönliches Fazit, was Sie in
                                         Großkonzerne be-
der kurzen Zeit in diesem Amt zu         trifft, wäre falsch.
der Frage Bürokratieabbau und            Das sehen offen- Zweite AWV-Verrechnungspreisfachtagung, Eschborn 4. 12. 2012.
bessere Rechtsetzung festhalten          sichtlich viele so, denn das erklärt den nation von Vorträgen, Diskussionen und
möchten?                                 Anstieg der Teilnehmerzahlen unserer     Workshops soll es Ihnen ermöglichen,
                                         Veranstaltungen um ca. 40 %.             einerseits die generellen aktuellen
Dr. Helge Braun: Für ein Fazit ist                                                 Entwicklungen kennen zu lernen und
                                         Schon im Dezember 2012 (bei der
es noch zu früh. Je mehr ich mich                                                  sich andererseits in den Workshops ver-
                                         zweiten Veranstaltung) zeichnete sich
einarbeite und die Verfahren und                                                   tieft über die Themen auszutauschen,
                                         ab, dass besonders auf internationalem
                                                                                   die Ihnen aktuell in Ihrer Berufspraxis
Erfolge kennenlerne, desto mehr          Parkett weitere Initiativen ins Leben
                                                                                   wichtig sind oder noch werden. Die un-
bestätigt sich der erste, für mich       gerufen werden. Diese ließen nicht lan-
                                                                                   terschiedlichen Workshops werden ver-
sehr wichtige Eindruck ist, dass         ge auf sich warten: Der im Juli 2013
                                                                                   schiedenste aktuelle Themen, wie neue
                                         von der OECD auf Basis einer Initiati-
wir in Deutschland viel besser                                                     Dokumentationspflichten durch Count-
                                         ve der Finanzminister der G-20-Länder
sind, als wir glauben – sowohl hin-                                                ry-by-Country Reporting oder Anforde-
                                         angestoßene „Action Plan on Base Ero-
sichtlich des Status an Bürokratie                                                 rungen der BRICS-Staaten abdecken,
                                         sion and Profit Shifting“, kurz BEPS,
                                                                                   aber dabei neben Grundsatzfragen der
als auch der Instrumente zum Bü-         hat sehr schnell Formen angenommen
                                                                                   Ermittlung von Verrechnungspreisen
rokratieabbau. Ich habe das auch         und sich rasch in ausformulierte Initi-
                                                                                   ggf. auch Spezialfragen einzelner Bran-
im Ausland gesehen. Andere Staa-         ativen entwickelt. Aufgrund des politi-
                                                                                   chen behandeln.
                                         schen Drucks wird er mit ungeheurer
ten haben viel komplexere Verfah-
                                         Geschwindigkeit weiter vorangetrieben     Die Veranstaltung richtet sich an Mitar-
ren. Sie waren tief beeindruckt,         – mit vielfältigen und tiefgreifenden     beiter von Unternehmen, die in Steuer-
was wir mittlerweile mit den Ins-        Implikationen für die Welt der Verrech-
                                                                                   abteilungen oder im Rechnungswesen
trumenten des Verwaltungshan-            nungspreise und darüber hinaus. Wir er-
                                                                                   eines Unternehmens mit Verrechnungen
delns wie Voranfrage, Vorabent-          warten eine Erhöhung des Dokumentati-
                                                                                   von gruppeninternen Leistungen befasst
scheid, Anzeigeverfahren, Geneh-         onsdrucks und der Steuerbelastung für
                                                                                   sind, sowie die Leiter der entsprechen-
                                         alle international tätigen Unternehmen,
migungsfiktion erreichen. Derarti-                                                 den Abteilungen.
                                         daher soll BEPS im Fokus der diesjähri-
ge Maßnahmen gibt es in anderen          gen Fachtagung stehen.                    Interessenten können sich bereits jetzt
Ländern überhaupt nicht. Trotz                                                     per Mail registrieren lassen bei info@
unserer Flexibilität haben wir noch      Diesen Rahmen werden wir – in der aus
                                                                                   awv-net.de, Sie erhalten dann zu gege-
viel zu tun. Aber alle, die daran ar-    der Vergangenheit bewährten Form – in
                                                                                   benem Zeitpunkt die Einladung und das
                                         verschiedenen zentralen Vorträgen und
beiten, sind sehr gut, sehr enga-                                                  Programm zur Veranstaltung.
                                         Diskussionen füllen. Daneben infor-
giert, und wir haben schon eine          miert die Veranstaltung jedoch auch       Sind Sie an bestimmten Themen beson-
Menge erreicht.                          über andere aktuelle Entwicklungen        ders interessiert? Bitte senden Sie uns
                                         und Erfahrungen zu verschiedensten        diese ebenfalls an info@awv-net.de!
                                         Praxisthemen. In zahlreichen Work-
 09. 07. 2014, Bundeskanzleramt Berlin

10                                                                                    AWV-Informationen 4/2014
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