Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen

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Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Hessisches Landesamt
für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Fachzentrum Klimawandel und Anpassung

Gewerbegebiete − klimaangepasst
und fit für die Zukunft!
Praxisbeispiele
aus Kommunen und Unternehmen

Klimawandel in Hessen − Schwerpunktthema
Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Impressum
Klimawandel in Hessen − Schwerpunktthema

Projektbearbeitung                INFRASTRUKTUR & UMWELT
und Redaktion:                    Professor Böhm und Partner
                                  Darmstadt/Potsdam
                                  Dr. Birgit Haupter, Laura Kieser
                                  Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
                                  Dr. Anna-Christine Sander

Satz und Layout:                  apel-medien, Darmstadt

Herausgeber, © und Vertrieb: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
                             Fachzentrum Klimawandel und Anpassung
                             Rheingaustraße 186
                             65203 Wiesbaden

                                  Telefon:        0611 6939–111
                                  Telefax:        0611 6939–113
                                  E-Mail:         vertrieb@hlnug.hessen.de

www.hlnug.de

Das HLNUG auf Twitter:
https://twitter.com/hlnug_hessen

Stand: Oktober 2021

Nachdruck − auch auszugsweise − nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.

Diese Broschüre wurde auf Recyclingpapier gedruckt.

Bildnachweis
Umschlagvorderseite: © Stadt Mörfelden-Walldorf
Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Vorwort
                        Der Klimawandel und die                                   Wenn Gewerbegebiete
                        dadurch verursachten                                      überflutet, Logistikketten
                        Folgen betreffen uns alle.                                unterbrochen und Mitar-
                        Während es weiterhin                                      beiter in ihrer Leistungs-
                        unabdingbar ist, ehrgei-                                  fähigkeit beeinträchtigt
                        zige Klimaschutzziele zu                                  werden, dann hat das
                        verfolgen, müssen wir                                     Auswirkungen auf Unter-
                        uns in Hessen auch mit                                    nehmen. Auch wenn
                        Anpassungsmöglich-                                        Deutschland die im
Prof. Dr. Thomas Schmid keiten in allen Bereichen    Ulrich Caspar, Präsident der Pariser Klimaabkommen
Präsident des                                        IHK Frankfurt am Main und
Hessischen Landesamtes  des täglichen Lebens         Vorsitzender der Initiative  vereinbarten Ziele ein-
für Naturschutz, Umwelt befassen. Auch Gewerbe-      PERFORM                      hält, wird sich der Klima-
und Geologie            betriebe und Gewerbe-                                     wandel wegen der Ent-
                        gebiete zählen dazu.         wicklung in vielen anderen − vor allem großen
Hitze und Starkregen sind nur zwei Auswirkun-        Volkswirtschaften − kaum vermeiden lassen.
gen des Klimawandels, die mit zunehmender            Gemeinsam können aber Unternehmen und
Wucht zu spüren sind. Beide haben sehr               Städte daran arbeiten, sich dem veränderten
unterschiedliche − teils verheerende − Konse-        Klima anzupassen. Auch wenn viele Unter-
quenzen für Unternehmer, Produktionsketten           nehmen schon Konsequenzen gezogen
und Arbeitsbedingungen. In dieser Broschüre          haben, kann dies durch mehr Informationen
zeigen wir anhand umgesetzter Beispiele auf,         unterstützt werden. Die Broschüre „Gewerbe-
mit welchen Ideen und Maßnahmen in Zukunft           gebiete − klimaangepasst und fit für die
gut mit Hitze und Wasser umgegangen wer-             Zukunft!“ kommt also zur rechten Zeit.
den kann und gleichzeitig ein Mehrwert für           Gewerbegebiete dürfen nicht zu vergessenen
den Standort, den Betrieb, die Kommune,              Stadträumen werden, weder bezogen auf
die Natur und nicht zuletzt für die Menschen,        die stadträumliche Qualität noch beim
die dort täglich arbeiten, geschaffen wird.          Klimaschutz.
Grau, asphaltiert und baumlos muss kein
Gebiet mehr sein − am Ende profitieren alle
davon. Lassen Sie sich inspirieren und
machen Sie mit!

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Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Klimawandel − Die große Herausforderung
      für Gewerbe und Industrie

      Wetterextreme beeinträchtigen
      Betriebsbedingungen
      Deutschlandweit und somit auch in Hessen haben                  Auch andere Extremwetterlagen werden voraus-
      Hitzeextreme in der jüngeren Vergangenheit deut-                sichtlich häufiger oder dauern in Zukunft länger an.
      lich zugenommen. Regionale Klimaprognosen                       Dabei kann es nicht nur zu einer Unterbrechung
      zeigen für das 21. Jahrhundert eine Fortsetzung                 von logistischen Abläufen und Produktionsketten
      des Temperaturanstieges. In Industrie- und                      kommen, auch Leib und Leben können gefährdet
      Gewerbegebieten mit ihrem hohen Versiege-                       sein. Im Hochwasser- und Überflutungsfall können
      lungsgrad sind die Hitzebelastungen besonders                   gelagerte Schadstoffe in die Umwelt gelangen.
      hoch. Eine übermäßige Aufheizung in den                         Langsamer ziehende Gewitterzellen und heftige
      Gebäuden und auf dem Betriebsgelände ver-                       Stürme können zu großen Sachschäden führen.
      schlechtert die Arbeitsbedingungen der
      Beschäftigten, verursacht höhere Kosten für die
      Klimatisierung und führt zu Schäden an den
      Gebäuden und zu Produktionseinschränkungen.

      Warming Stripes Hessen − 1881−2020                               Der Klimawandel in Zahlen
                                                                       • In Hessen ist die mittlere Jahrestemperatur von 1881
                                                                         bis 2020 um 1,6 °C gestiegen.
                                                                       • Hitzeextreme nehmen deutlich zu: 2018 wurde die
                                                                         längste und zusammen mit 2003 intensivste Hitze-
                                                                         welle seit dem Jahr 1870 registriert. An 24 Tagen in
                                                                         Hessen lag die Temperatur 2018 über 30 °C.
                                                                       • Ohne Klimaschutzmaßnahmen wird die Jahresmittel-
    1881    1900      1920      1940      1960   1980   2000   2020      temperatur in Hessen bis Ende des Jahrhunderts bis
                                                                         zu 3,9 °C zunehmen.
     © Ed Hawkins, www.showyourstripes.info
     Datenquelle: Deutscher Wetterdienst                               • Niederschläge werden dadurch stärker und intensiver:
                                                                         Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen
      Die Warming Stripes für Hessen zeigen für den Zeitraum
                                                                         als kältere Luft, im Mittel 7 % pro 1 °C Temperatur-
      1881−2020 die zunehmende Temperaturerhöhung.
                                                                         erhöhung. Eine Regenwolke in wärmerer Luft enthält
      Darstellung der Abweichungen der mittleren Temperatur
                                                                         mehr Wasser als in kälterer Luft und kann somit auch
      eines Kalenderjahres vom langjährigen Mittel nach oben in
                                                                         mehr Regen bringen.
      Rottönen, nach unten in Blautönen.

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Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Gewerbegebiete:
                                                                             Das Potenzial nutzen!

Klimaanpassung − ein Gewinn für
Kommunen und Unternehmen!                           Beispiele aus der Praxis
Für Unternehmen bieten der Gebäudebestand,          Wie das funktionieren kann, können Sie auf den
Außenflächen und Infrastrukturen gute Gelegen-      folgenden Seiten entdecken. Das Potenzial ist
heiten zur klimaangepassten Gestaltung, z. B. mit   jedoch bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Begrünungsmaßnahmen. Dadurch verbessert             Lassen Sie sich inspirieren und erkennen Sie die
sich für Mitarbeitende die Arbeits- und Aufent-     Stellschrauben, die Sie auch in Ihrer Kommune,
haltsqualität. So sichern sich Unternehmen ihr      Ihrem Gewerbegebiet und Ihrem Unternehmen
wirtschaftliches Wohlergehen und unterstreichen     drehen können!
ihr positives Image. Geplante Modernisierungen
                                                    Gewerbegebiete weisen häufig einen Versiegelungsgrad
eröffnen gute Chancen für einen klimaange-
                                                    von 80−90 % auf und sind von Hitzebelastungen besonders
passten Umbau!                                      betroffen

Gewerbegebiete verstärken die Überwärmung
angrenzender Stadtgebiete und es entstehen
Hitzeinseln. Gemeinsam mit den kommunalen
Flächen und der öffentlichen Infrastruktur ergibt
sich ein großes Flächenpotenzial für die inte-
grierte Umsetzung von Maßnahmen zur Klima-
anpassung. Klimaangepasste Gewerbegebiete
geben einen zusätzlichen Anreiz für Unterneh-
men sich anzusiedeln. Für Kommunen bietet die
klimaresiliente Gestaltung von Gewerbegebieten
daher die Chance, auch die Lebensqualität in
Nachbarquartieren aufzuwerten und attraktive
zukunftsfähige Stadtquartiere anzubieten.

                                                    Geobasisdaten:
                                                    © Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main, Stand 08.2021,
                                                    © Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation

                                                                                                                    5
Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Gewerbegebäude
    Wie kann den Klimafolgen begegnet werden?

    Temperaturanstieg und Extremwetter-                       Bewährte Lösungen für gesunde Arbeits-,
    ereignisse haben Folgen für Gebäude:                      Produktions- und Aufenthaltsbedingungen:
    • Aufheizung mit Folgen für Klimatisierungs-              • Wahl heller Außenflächen verringert die
      bedarf, Arbeits- und Produktionsbedingungen               Aufheizung von Gebäuden.
    • Schnelleres Altern von Materialien infolge              • Verschattungselemente, wie außenliegender
      von Hitze                                                 Sonnenschutz, Schutzdächer oder sonnen-
    • Schäden an der Bausubstanz und an Dach und                standsregulierte Photovoltaikanlagen halten
      Fassade durch Überflutung, Hagelschlag oder               Hitze aus den Gebäuden.
      Windböen                                                • Dämmung der Gebäudehülle hilft gegen Hitze
    • Beeinträchtigung der Standsicherheit bis hin              und Kälte. Klimaschutz und -anpassung gehen
      zum Einsturz von Gebäuden durch Unter-                    hier Hand in Hand!
      spülung oder Windeinwirkung                             • Eine optimierte Gebäudeausrichtung ermög-
    • Erschwerte Lagerung von hitzeanfälligen Pro-              licht Luftaustausch durch natürliche Frischluft-
      dukten und erhöhter Klimatisierungsaufwand                zufuhr zur nächtlichen Abkühlung.
    • Schäden an Produktionsmitteln und Maschinen             • Dach- und Fassadenbegrünungen tragen zur
      durch Hitze oder Starkregen und Hochwasser                Wärmedämmung, zum Schutz der Gebäude-
                                                                hülle sowie zum Wasserrückhalt bei und min-
    • Mehrkosten für Unternehmen durch erhöhte
                                                                dern die Aufheizung durch Verdunstungskühle.
      Gebäudekühlung, Kühlwasser, Grünflächen-
      pflege oder Trinkwasserbedarf                           • Eine erhöhte Gebäudeanordnung schützt vor
                                                                Überflutung.

                                                               Klimafolgen in betriebliche Konzepte
                                                               einbinden
                                                               • Risikomanagementkonzepte anpassen bzw. Klimarisiken
                                                                 einbeziehen
                                                               • Organisatorische Schutzmaßnahmen, wie z. B. die sach-
                                                                 gerechte Lagerung von wassergefährdenden Stoffen
                                                               • Sensibilisierung der Belegschaft, z. B. durch Verhaltens-
                                                                 maßnahmen, wie richtiges Lüften
                            © PublicDomainPictures, pixabay
                                                               • Elementarschadensversicherungen

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Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Aus der Praxis
                                                                 Gewerbegebäude − Hitzeangepasst

Klimatisierungsbedarf minimieren:
Kühle Zuluft, geeignete Materialwahl                             Gute Wärmedämmung
und Wandneigung                                                  ersetzt Klimatisierung

                                    Gute Wärmedämmung mit        Eine gute Dämmung, eine Versenkung des Gebäudes um
                                    rund 70 Zentimeter dicken    2,5 m in das Erdreich und die damit verbundene Grund-
                                    Wänden aus Stampflehm        wasserkühlung ermöglichen den Verzicht auf eine
                                    und Lavaschotter aus der     energieintensive Klimatisierung und Beheizung des
                                    Eifel ermöglichen ein        Logistikzentrums.
                                    stabiles und ausgegliche-    Alnatura Verteilzentrum, Lorsch, Neubau, Inbetriebnahme
                                    nes Temperaturniveau im      2010
                                    Gebäude bei Hitze und
                                    Kälte. Frischluft wird vom
            © Alnatura, Lars Gruber
                                    Waldrand durch einen Erd-
kanal geleitet und dem Gebäude zugeführt. Das Erdreich
speichert die stabile Durchschnittstemperatur eines Ortes.
Im Winter wird die Außenluft somit erwärmt und im Hoch-
sommer gekühlt.
Alnatura, Bürogebäude, Darmstadt, Neubau, Fertigstellung
2019

                                Durch die trichterförmige
                                Dachkonstruktion auf
                                dem Wissenschafts- und
                                Kongresszentrum in
                                Darmstadt fließt Nieder-
                                schlagswasser in den
                                Erdkanal unter der
                                Tiefgarage, wird dann in
                                einer Regenwasserzisterne
      © INFRASTRUKTUR & UMWELT
                                gespeichert, aufbereitet
und für sanitäre Einrichtungen und Grünanlagen verwen-
det. Weiterhin sorgt die Neigung der großen Glasflächen
am Haus (Doppelverglasung) dafür, dass sich die Räume
im Sommer weniger aufheizen.
Kongresszentrum, Darmstadt, Neubau, Fertigstellung 2007

                                                                 © Alnatura, Alexander Heimann

                                                                                                                           7
Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Begrünung von Gewerbe- und Industriebauten

    Dächer und Fassaden von Gewerbe- und Indus-                Gut geeignet: Begrünung von Flachdächern auf
    triebauten bieten ein großes Flächenpotenzial              Verwaltungs- und Bürogebäuden
    für Begrünungsmaßnahmen und somit für einen
    vielseitigen Schutz gegenüber Klimawirkungen.                                                 Im Beispiel wurde die
                                                                                                  Dachbegrünung beim
    Auch für gewerbetypische Baukonstruktionen                                                    Neubau des Verwaltungs-
    wie Leichtbauten existieren Lösungen.                                                         gebäudes vorgesehen.
                                                                                                  Sie erfordert einen
                                                                                                  geringen Wartungsauf-
                                                                                                  wand, lediglich zweimal
     So wirken Dach- und Fassadenbegrünungen                                                      im Jahr müssen größere
     • Die Verdunstungsaktivität der Pflanzen sorgt für Küh-                                      Wurzeln entfernt werden,
                                                                      © Walter Lerch, Hattersheim
       lung. Das Blattwerk der Pflanzen wirft Schatten und                                        um die Dachabdichtung
       reflektiert Sonnenstrahlen. Begrünungsmaßnahmen         bzw. Tragfähigkeit des Dachs nicht zu gefährden.
       senken somit die Gebäudetemperaturen und erfüllen       Walter Lerch Bau- und Industriebedarf GmbH & Co. KG,
       eine mikroklimatische Funktion. Energiekosten für       Hattersheim, Neubau 2010
       Heizung und Kühlung können eingespart werden.
     • Jede Dachbegrünung bewirkt eine Abflussverzöge-         Fassadenbegrünung als Beitrag
       rung. Niederschlagswasser wird zurückgehalten und
       somit die Kanalisation entlastet.
                                                               zur Artenvielfalt
     • Die Vegetation an und auf den Gebäuden mindert                                               Eine bestehende Produk-
       starke Temperaturschwankungen, schützt die Bau-                                              tionshalle wurde nachträg-
       substanz vor Sturmschäden (z. B. Hagel) sowie                                                lich an der Westfassade
       Witterung und verlängert somit die Renovierungs-                                             zum Sonnen- und Wärme-
       zyklen von Dächern und Fassaden.                                                             schutz begrünt. Gewählt
     • Zusätzlich leisten Gebäudebegrünungen einen positi-                                          wurden verschiedene
       ven Beitrag zur Artenvielfalt und erhöhen die Aufent-                                        Weinarten, die einen
       haltsqualität. Die Realisierung ist ohne zusätzlichen                                        grünen Blickfang bieten.
       Flächenverbrauch möglich.                                                                    Carl Friederichs GmbH,
                                                                                                    Frankfurt, Bestand, Umbau
                                                                      © Fa. Carl Friederichs GmbH   2019

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Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Dach- und Fassadenbegrünungen                       Doppelte Wirkung − Sonderformen der Dach-
an Leichtbauten                                     begrünung mit verfahrenstechnischem Nutzen

                      Kletterhilfen an einer 30 m                                   Dachbegrünung kann
                      langen und 5,50 m hohen                                       auch zu verfahrenstechni-
                      Leichtbaufassade ermög-                                       schen Zwecken genutzt
                      lichen den Bewuchs mit                                        werden. Bei dieser Dach-
                      Pflanzen. Die Kletterhilfen                                   begrünung handelt es sich
                      wurden beim Herstellen                                        um kein gewöhnliches
                      der Wände angebracht.                                         Gründach, sondern um
                      Eine Dachbegrünung, z. B.      © Kelterei Possmann            ein Retentionsdach, das in
                      mit Sedumarten, ist auch      den Kühlkreislauf zur Kühlung der Apfelweinkeller integriert
© Achilles Gruppe
                      bei Leichtbauweise kein       ist. Durch diese klimaangepasste Lösung können pro Jahr
                      Problem.                      6 000  € Kühlkosten eingespart werden.
                      Achilles Gruppe, Produkti-    Kelterei Possmann GmbH & Co. KG, Frankfurt, Lagerhalle
                      onshalle, Düsseldorf,         mit vielseitiger Nutzung im Bestand, nachträglicher Bau der
                      Neubau 2011                   Dachwiese 1991

                                                    Dachbegrünung kann auch mit der Reinigung produktions-
                                                    bedingter Abwässer kombiniert werden. Diese Dachpflan-
                                                    zenkläranlage besteht aus Schilf- und Seggenpflanzen, die
                                                    auf ihren Wurzeln im Wasser stehen. Der Verzicht auf den
© Achilles Gruppe
                                                    üblichen Bodenkörper gewährleistet das Einhalten der
                                                    zulässigen Dachlasten.
                                                    John Deere GmbH & Co. KG, Mannheim, Lagergebäude im
                                                    Bestand, Inbetriebnahme der Anlage 2005

© John Deere                                                                                                       9
Gewerbegebiete klimaangepasst und fit für die Zukunft! - Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen
Klimaanpassung auf Verkehrsflächen und Außenanlagen

                                                         Mögliche Maßnahmen zum Wasserrückhalt
     Die Folgen sind vielfältig:                         und mit Kühlungswirkung:
     • Reißen, Absacken oder Aufweichen von Straßen-     • Entsiegelungen / Rückbau von versiegelten
       belag und asphaltierten Betriebsflächen infolge     Flächen
       von Hitze, dadurch auch Folgeschäden für          • Schaffung von Notwasserwegen / Anpassung
       technische Infrastrukturen                          von Geländeneigungen und Fließwegen
     • Starkregen führt in Kombination mit einer hohen   • Technische Hochwasserschutzmaßnahmen
       Versiegelung zur Überlastung der Kanalisation
                                                         • Einrichtung von Versickerungsanlagen / Mög-
       und zu Überflutungen
                                                           lichkeit zur Retention auf Freiflächen
     • Beeinträchtigung und Unterbrechung von
                                                         • Anlage von Grünflächen, Blühwiesen, und
       Transportwegen und Lieferketten infolge von
                                                           Wasserflächen
       Straßensperrungen bei Überflutung und Hoch-
       wasser, Unterbrechungen von Zufahrtswegen         • Baumpflanzungen (angepasste Artenwahl)
       durch entwurzelte Bäume bei Sturm oder nicht      • Freihalten von Kaltluftflächen
       schiffbare Wasserstraßen im Niedrigwasserfall
     • Beeinflussung des Wasserhaushaltes und erhöh-     Natürlicher Wasserrückhalt −
       ter Bewässerungsbedarf der Grünanlagen bei
       Trockenheit und Wassermangel                      Lösungen aus der Praxis
                                                         Die Gefahr einer Überflutung kann durch Ent-
                                                         siegelung verringert werden. Weitere Möglich-
                                                         keiten, unbelastetes Niederschlagswasser
                                                         zurückzuhalten und durch Versickerung oder
                                                         Verdunstung dem natürlichen Wasserkreislauf
                                                         wieder zuzuführen, sind der Rückhalt auf Dächern,
                                                         Freiflächen oder Muldenversickerungen, wie die
                                                         folgenden Beispiele zeigen.

10                                                                                         © Mitsubishi Electric
Außengelände als Aufenthalts- und                               Für das Pflanzen von Bäumen
Regenwasserrückhalteraum                                        fehlt der Platz?

                                Ein das Gelände queren-                                                             Die Baumrigole mit Speicher-
                                der Bach wurde zu einem                                                             element für vitale Baumstandor-

                                                                                    © BlueGreenStreets, Hafencity
                                                                                      Universität Hamburg (HCU)
                                naturnahen mäandrieren-                                                             te liefert eine Lösung.
                                den Wasserlauf umgestal-                                    Regenwasser der Dachentwässe-
                                tet. Dieser bietet vielfälti-                               rung wird in einen Schacht als
                                ge Möglichkeiten zum                                        Pufferspeicher mit Notüberlauf
                                Speichern und Versickern                                    geleitet. Durch diesen Puffer-
                                von Niederschlagswasser.                                    speicher entsteht ein Wasser-
                                Gleichzeitig entstand ein                                   reservoir, aus dem der Baum
© Mitsubishi Electric           Aufenthalts- und Erho-                                      bewässert wird. Wasser wird
lungsraum für Mitarbeitende.                                    somit nicht in die Kanalisation abgeleitet, sondern als
Mitsubishi Electric Europe B.V., Ratingen, Umbau des            Ressource genutzt. Durch Schattenwurf und Verduns-
Außengeländes 2018                                              tungsaktivität leistet der gepflanzte Baum einen Beitrag
                                                                zur Hitzevorsorge.
Entsiegelung auf dem Firmengelände                              Projekt BlueGreenStreets, Laufzeit von 2019−2022

                               Die Entsiegelung auf dem
                               Betriebsgelände von nicht
                               betriebsnotwendigen               Gut zu wissen:
                               Verkehrs-/ Lagerflächen           Warum ist es sinnvoll Bäume zu pflanzen?
                               ermöglichte die Anlage            Verdunstung bewirkt Kühlung: Die Kühlleistung eines
                               von Wiesen und Obstbäu-           großen Laubbaumes entspricht laut Forschenden der
                               men. Die Vegetations-             niederländischen Universität Wageningen 20 bis 30
                               schicht hat eine kühlende         Kilowatt. Ein einziger Baum ist also so leistungsstark
                               Wirkung, die Außenfläche          wie zehn Standardklimaanlagen. (Botanik Guide 2018)
 © Fa. Carl Friederichs GmbH
                               wird aufgewertet und es
werden Niederschlagsgebühren eingespart, weil die
Fläche von der Kanalisation abgekoppelt wird.
Carl Friederichs GmbH, Frankfurt, Bestand, Umbau 2019

                                                                                                                                                      11
Grüne Gewerbegebiete:
     Naturnähe als „blühende Visitenkarte“

     Biologische Vielfalt in Gewerbe- und
     Industriegebieten − (wie) geht das?                              Klimaangepasst − weniger Pflegeaufwand!
     Grünflächen innerhalb von Gewerbegebieten                        Blühwiesen sind trockenheitsverträglich und
     bieten ein großes Potenzial, durch eine klimaan-                 zeichnen sich durch einen geringen Pflege- und
     gepasste, naturnahe (Um-)Gestaltung die biolo-                   Bewässerungsbedarf aus: Damit ein schöner
     gische Vielfalt zu schützen sowie zu fördern. Oft                Blütenteppich entsteht, darf die Fläche nur zwei-
     zeigen sie bisher ein eintöniges und artenarmes                  mal im Jahr gemäht werden. Im Gegensatz dazu
     Erscheinungsbild.                                                sind Zierrasen, nichtheimische Bodendecker-
                                                                      und Sträucherpflanzungen auf Unternehmens-
     Initiative „Unternehmen blühen auf“                              flächen oder Straßenbegleitgrün nicht nur arten-
                                                                      arm, sondern bedürfen zudem intensiver Pflege.
     Der Main-Kinzig-Kreis unterstützt seit 2019 Unternehmen
     mit der Initiative „Unternehmen blühen auf“ als Teil des
     Programms „Main-Kinzig blüht“. Mit dieser Unterstützung          Öffentliche Grünflächen im Gewerbegebiet −
     wurden beispielsweise beim Neubau einer Produktions-             klimaangepasst und artenreich
     halle rund um das Gebäude auf den Freiflächen Blühflä-
     chen angelegt, die das Nützliche mit dem Schönen                 Im Gewerbegebiet West in Weiterstadt wurden ein ca.
     verbinden: Geringer Pflegeaufwand, eine „wildblumen-             1 800  m² großer öffentlicher Grünstreifen und ein Ver-
     bunte Visitenkarte“ für den Betrieb und ein attraktives          kehrskreisel umgestaltet. Die artenarmen Rasenflächen
     Außengelände für die Mitarbeitenden.                             wurden durch heimische Wildpflanzenarten in eine bunte,
     Main-Kinzig-Kreis, Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-         langlebige und artenreiche Blütensteppe verwandelt. Eine
     Kreis e.V. und Untere Naturschutzbehörde, Initiative seit 2019   gute Hitzetoleranz führt zu einem geringen Bewässe-
                                                                      rungs- und Pflegeaufwand.
                                                                      Stadt Weiterstadt, Gewerbegebiet West, Umgestaltung 2016

12                                                                                                        © Jung, Stadt Weiterstadt
Klimawandel ändert Arbeitsbedingungen

Zunehmende Hitze beeinflusst die Arbeitsbedin-                           Eine solche Umgestaltung bietet einen großen
gungen und schränkt die Konzentrations- und                              Mehrwert für Mitarbeitende: Grüne Pausenräume,
Leistungsfähigkeit ein. Ernstzunehmende gesund-                          Treffpunkte im Grünen, Möglichkeiten für Mee-
heitliche Risiken bis hin zu erhöhtem Kranken-                           tings im Freien bis hin zu Urban Gardening und
stand und Todesfällen können die Folge sein.                             Naschgärten erhöhen die Aufenthaltsqualität im
                                                                         Betrieb. Durch Aktionstage, gemeinsame Work-
Neben Verhaltensmaßnahmen ist die Hitzean-                               shops oder Azubi-Wettbewerbe können Mitar-
passung in Gebäuden und die klimaangepasste                              beitende selbst aktiv werden und den Arbeits-
(Um-)gestaltung von Außenflächen unabdingbar.                            platz klimaangepasst mitgestalten.

Im Industriegebiet Nord in Freiburg
wurden Auszubildende durch Exkursio-
nen und Workshops mit den wichtigsten
Kriterien einer nachhaltigen und naturna-
hen Umgebung vertraut gemacht. Sie
entwickelten konkrete Projekte, stellten
diese der Unternehmensleitung vor und
bei grünem Licht wurden diese unmittel-
bar umgesetzt. Eine „Greencity Wall“ wurde
angelegt mit blühenden Gehölzen, Kletter-
pflanzen und Küchenkräutern. Die gemein-
samen Aktionen stärkten das Team und
Gemeinschaftsgefühl und wirkten sich
positiv auf das Wohlbefinden der Beleg-
schaft aus.
Projekt Blühende Industriegebiete,
Laufzeit von 2018−2020

                                             © Innovation Academy e.V.                                                    13
Was können Kommunen tun?

     Für Kommunen bietet das Fordern und Fördern            Klimaanpassungsmaßnahmen
     einer klimaangepassten Gestaltung auf öffentli-
     chen und privaten Flächen eine gute Möglichkeit,       FORDERN
     die Aspekte Klimaanpassung, Biodiversität sowie
                                                            • Festsetzungen u. a. im Bebauungsplan, z. B. von
     Aufenthaltsqualität in Gewerbegebieten aufzu-
                                                              Dach- und Fassadenbegrünungen oder zu Ver-
     greifen und umzusetzen. Stadtklima- und Stark-
                                                              sickerungsanlagen, unversiegelten Freiflächen /
     regengefahrenanalysen bieten dafür eine gute
                                                              Abstandsflächen
     Grundlage − zur Information und Sensibilisierung
     von Eigentümerinnen und Eigentümern und zur            • Vertragliche Regelungen in städtebaulichen
     gezielten Planung von Anpassungsmaßnahmen.               Verträgen, z. B. Vereinbarungen zur Freiflächen-
                                                              gestaltung
                                                            • Flächen von Bebauung in der Bauleitplanung
                                                              durch Flächennutzungsplan und Bebauungs-
                                                              plan freihalten, um Kaltluftentstehungsgebiete
                                                              und Kaltluftbahnen langfristig zu sichern
                                                            • Auflagen und Kriterien bei der Grundstücks-
                                                              vergabe

                                                            Klimaanpassungsmaßnahmen
                                                            FÖRDERN
                                                            • Finanzielle Anreize bei der Grundstücksvergabe
                                                            • Fachberatung für Unternehmen und Umset-
                                                              zungsförderung
                                                            • Bereitstellung von Informationen
                                                            • Förderung des Erfahrungsaustauschs zwischen
                                                              den Betrieben und Netzwerkbildung
                                                            • Klimaangepasste Gestaltung öffentlicher Frei-
                                                              flächen, z. B. als Vorbildmaßnahmen

                                         © Bernd Leutnant

14
Finanzielle Anreize
bei der Grundstücksvergabe

Die Stadt Bocholt (NRW) hat Mindestanforderungen an den
Verkauf städtischer Gewerbegrundstücke festgelegt. Die
ökologischen Voraussetzungen von Bauvorhaben werden
mit Punkten in fünf Kategorien (Wasser und Boden, Stadt-
klima, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Bio-
diversität und Mobilität) bewertet.
Über die Mindestanforderungen hinausgehende Erfüllung
führt zu einem Preisnachlass bis zu 10 €/m2. Mögliche Maß-
nahmen: Offenhalten von wenig frequentierten Flächen
durch den Einsatz von wasserdurchlässigen Bodenbelägen
auf Randstreifen oder PKW-Stellplätzen − für die höchste
Punktzahl auf mindestens 10 % der Grundstücksfläche −
oder Dachbegrünungen bei leichter Bauweise (u.a. Produk-
tionshallen) unter Nutzung heimischer oder standortge-
rechter Arten − für die höchste Punktzahl auf mindestens
95 % der gesamten Dachflächen.

Stadt Bocholt, Fachbereich Stadtplanung und Bauordnung
in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderungs- und
Stadtmarketing Gesellschaft, 1. Fortschreibung der
Leitlinie 2021

                           330

                     Preisnachlass 2
                    mind. 198 Punkte

                    Preisnachlass 1
                    mind. 115 Punkte

                 Grundstücksvergabe
                möglich, mind. 66 Punkte

                                                             © Viesturs Kalvans, Adobe Stock

                                                                                               15
Beispiele für Festsetzungsmöglichkeiten

     Die Stadt Mörfelden-Walldorf nutzt mit der geplanten        5.   Anpflanzen und Erhaltung von Bäumen,
     Änderung von existierenden Bebauungsplänen die                   Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen
     Chance, Festsetzungen und Hinweise zur klimaangepass-            (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB)
     ten Gestaltung vorzusehen (Vorentwurf, 16. Februar 2021).   5.1 Vorgartenzone
     „Bauplanungsrechtliche Festsetzungen gemäß § 9                  Zu den jeweils angrenzenden Erschließungsstraßen
     Abs. 1 BauGB i.V.m. der BauNVO                                  ist ein mindestens 5 Meter breiter Streifen als Vor-
     4.   Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur                   gartenzone gärtnerisch anzulegen und zu mindes-
          Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft                tens 50 % intensiv zu bepflanzen und zu unterhal-
          (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 i. V. m. Nr. 14, 25a und b BauGB)       ten. Das flächenhafte Auslegen von Kies, Schotter
                                                                     und Splitt zur Gartengestaltung ist nicht zulässig.
     4.2 Versickerung und Sammlung von Niederschlags-
                                                                     Stellplätze, Zufahrten, Zuwege und Nebenanlagen
         wasser
                                                                     sind innerhalb der festgesetzten Vorgartenzone auf
         Anfallendes Niederschlagswasser ist, soweit wasser-
                                                                     maximal 50 % der Fläche zulässig. [...]“
         wirtschaftliche und gesundheitliche Belange nicht
         entgegenstehen, auf den Baugrundstücken zu              Explizit vorgesehen ist die Kombination von Dachbe-
         sammeln und zu versickern.                              grünung und Photovoltaikanlagen:
     4.3 Fassadenbegrünung                                            „3. Technische Anlagen zur Nutzung erneuerbarer
         Außenwandflächen von Gebäuden sind ab einer                  Energien (§ 9 Abs. 1 Nr. 23bBauGB)
         Größe von 50 m² mit selbstklimmenden, rankenden              Im Gewerbegebiet (GE) sowie im Industriegebiet
         oder schlingenden Pflanzen gemäß den Arten-                  (GI 1 bis 3) sind Photovoltaikanlagen jeweils auf
         empfehlungen [...] zu begrünen und zu pflegen                mindestens 70 % der Dachflächen von Gebäuden
         bzw. zu warten. [...]                                        mit Dachbegrünung anzubringen. [...] Die Anlagen
     4.4 Dachbegrünung                                                sind auf den Flachdächern nur aufgeständert, d.h.
         Flachdächer und flachgeneigte Dächer mit einer               in Verbindung mit der festgesetzten Dachbegrü-
         Dachneigung bis zu 15 Grad und einer zusammen-               nung zulässig (siehe Nr. 4.4). [...]“
         hängenden Fläche von mindestens 25 m² sind              Stadt Mörfelden-Walldorf, Bebauungsplan Nr. 46.1 Teil A,
         extensiv gemäß den Artenempfehlungen [...] zu           „Gewerbe- und Industriegebiet Mörfelden-Ost“, 1.
         begrünen und zu pflegen bzw. zu warten. Die             Änderung, Teil A, Textliche Festsetzungen zum Vorent-
         Vegetationstragschicht muss eine Mächtigkeit von        wurf, Stand 16. Februar 2021. Die Änderungen befinden
         mindestens 10 cm aufweisen. Aussparungen der            sich zur Zeit (September 2021) in der frühzeitigen Beteili-
         Dachbegrünung für notwendige Dachaufbauten              gung und haben noch keine Rechtskraft. Sie gehen aus
         und technische Anlagen wie Heizung-, Reinigungs-        dem Grundsatzbeschluss der Politik hervor, den Bebau-
         und Lüftungsanlagen oder für Photovoltaikständer        ungsplan unter der Maßgabe von Umweltschutzaspekten
         sind zulässig.                                          neu zu überarbeiten.

16
© Kelterei Possmann

Jede Dachbegrünung trägt zum Wasserrückhalt bei

                                                  17
Der Blick auf das Ganze

                                                          Gewerbeflächen sind Teil der Gemeinden
                                                          Mit rund 20 % der Siedlungsflächen beeinflussen
                                                          Gewerbeflächen die Siedlungsstruktur und stadt-
                                                          klimatischen Bedingungen in hohem Maß.
                                                          Es gibt gute Argumente für eine klimaangepasste
                                                          und grüne Entwicklung in Gewerbegebieten mit
                                                          Blick auf das gesamte Gemeindegebiet:
                                                          • Verbesserung des Stadtklimas in angrenzen-
                                                            den Wohnquartieren
                                                          • Gewerbegebiete liegen oft an den Siedlungs-
                                                            rändern. Hier können grüne Verbindungen
                                                            zwischen den Außenbereichen und den Wohn-
                                                            quartieren geschaffen werden.

                                                          Flächenknappheit und Flächenkonkurrenz stellt
                                                          kommunale und private Gewerbegebietsent-
                                                          wickler vor Herausforderungen und macht alter-
                                                          native flächensparende Lösungen erforderlich.
                                                          Innovative Konzepte verfolgen Ideen zur vertikalen
                                                          Anordnung von Gewerbeflächen, wie die Ver-
                                                          mietung von Flächenebenen an verschiedene
                                                          Betriebe oder die Organisation von Betriebs-
                                                          prozessen über mehrere Etagen. Eine flächen-
                                                          sparende Anordnung geht insgesamt mit einer
                                                          Verringerung der Versiegelung einher.

                         © Wirtschaftsförderung Bocholt

18
© INFRASTRUKTUR & UMWELT

Begrünte Parkhäuser in Gewerbegebieten können Flächensparen, Verbesserung des Mikroklimas und Biodiversität verbinden

                                                                                                                        19
Vertiefung − Analyse und Bewertung
     von Klimarisiken in Gewerbegebieten

     Bei welchen Standortbedingungen sind Gewerbe-                  Einen detaillierten Klimacheck für mittelständische
     betriebe von Klimarisiken besonders betroffen?                 Unternehmen des produzierenden Gewerbes
     Informationen zu Hitze- oder Starkregenbelastun-               stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und
     gen liefern kommunale Klimaanalysen oder auch                  Energie bereit: https://www.bmwi.de/Redaktion/
     regionale und landesweite Gefahrenkarten. Sehr                 DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-klimacheck-
     nützlich ist ein Blick auf vergangene Extremwetter-            klimarisiken.html
     ereignisse und ihre Folgen für das betrachtete
     Gebiet, beispielsweise Einsatzdaten der Feuerwehr.

      Einschätzung von Klimarisiken für Gewerbeflächen − Leitfaden der StädteRegion Aachen (2012)
      Lage / Standort          • Lage im Gelände (Hanglage, Senke, Hochebene, etc.)
                               • Lage im Gewässersystem (Flusslage, Küste, etc.)
                               • Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur (Bahn, Straße, etc.)
                               • Erreichbarkeit (alternative Zufahrtswege)
                               • Lage im Stadtraum (Innenstadt, Stadtrand)
                               • Umgebungseigenschaften (Grünflächen, dichte Bebauung, etc.)

      Bauliche und räumliche   • Bebauungsdichte
      Eigenschaften            • Versiegelungsgrad
                               • Art der Nutzung (bebaute Fläche, Freifläche, Nutzflächen, etc.)
                               • Ausrichtung der Gebäude
                               • Bauweisen (Gebäudetypen, -höhen, Dachformen, etc.)

      Betriebliche             • Art der gewerblichen Tätigkeit (Produktion, Logistik, Handel, etc.)
      Eigenschaften            • Art der Arbeitsplätze (Büros, Produktionsstätten, Lager, etc.)
                               • Produktbezogene Eigenschaften (Lagerung, Empfindlichkeiten, etc.)
                               • Flexibilität und Pufferkapazitäten (Wasser- und Energieversorgung, Lieferengpässe, etc.)
                               • Personendichte auf der Fläche (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten)

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© Stadt Offenbach am Main

Die Klimafunktionskarte der Stadt Offenbach a.M. zeigt anschaulich, dass Gewerbe-
gebiete als Wärmeinseln wirken

                                                                                    21
Förderprogramme und Beratung

     Förderprogramme für Kommunen                                   Beispiele kommunaler Förderprogramme
     • Die hessische Klima-Richtlinie bietet Fördermöglichkeiten    • Das Programm „Frankfurt frischt auf!“ unterstützt
       zur Erstellung von Stadtklimaanalysen und Starkregen-          Unternehmen mit einer kostenlosen Vor-Ort-Beratung
       gefahrenkarten.                                                und einer finanziellen Förderung der Umsetzung bis
     • Das Bundesumweltministerium fördert mit dem Programm           zu 50 % (max. 50 000 €) bei den Themen Dach- und
       „Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klima-              Fassadenbegrünung, Entsiegelung und Begrü-
       wandels“ kommunale Anpassungskonzepte, Personal für            nung von Höfen oder Verschattungsmaßnahmen
       die Umsetzung und fördert ausgewählte Maßnahmen.               mit Wirkung in den öffentlichen Raum. Außerdem
     • Das KfW Programm 432 fördert die Klimafolgenanpas-             unterstützt die Stadt Frankfurt mit der Aktion „Der
       sung im Rahmen von Integrierten Energetischen Quartiers-       geschenkte Baum“ Unternehmen nach einer Beratung
       konzepten für Bestandsgebiete.                                 zu Standort und Baumart vor Ort durch das Umwelt-
                                                                      amt / Naturschutzbehörde bei der Finanzierung eines
                                                                      Laubbaumes von bis zu 500 €.
     Fördermöglichkeiten für Unternehmen
                                                                    • Das Gründachkataster der Stadt Marburg zeigt die
     • In Hessen bieten einige Städte Unterstützung für               Eignung von Dächern zur Umsetzung einer Begrünung
       Begrünungsmaßnahmen für Unternehmen.                           in einem digitalen Modell an. Zusätzlich wird die po-
     • Im KfW Umweltprogramm werden Maßnahmen zur                     tentielle CO2-Speicherung, die Feinstaubbindung und
       Anpassung an den Klimawandel, zum Beispiel zum Schutz          die Wasserretention berechnet. Eigentümerinnen
       vor Starkregen oder Hitzebelastungen sowie eine                und Eigentümer können einen Antrag auf Zu-
       naturnahe Gestaltung von Firmengeländen gefördert.             schuss einer Dachbegrünung bei Neubauten sowie
                                                                      Nachrüstungen von Dächern auf Wohn- und Gewer-
                                                                      begebäuden sowie Garagen und Carports stellen. Es
     Weitere Informationen und Beratung                               werden 50 % der Kosten bezuschusst (max. 5 000 €).
     erhalten Sie hier:                                             • Die Stadt Hanau bietet ein kombiniertes Gründach-
                                                                      und Entsiegelungskataster an. Anhand eines digita-
     • Auf der Homepage des Hessischen Landesamts für                 len Modells wird sowohl die Gründacheignung als
       Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) finden Sie            auch die potentiellen Flächen zur Entsiegelung mit
       weiterführende Informationen, z. B. Checklisten zur Klima-     ihrer thermischen Auswirkung berechnet. Zusätzlich
       anpassung oder eine Starkregen-Hinweiskarte für Hessen,        wird eine kostenlose Vor-Ort-Beratung angeboten.
       die besonders gefährdete Kommunen identifiziert.
     • Das Fachzentrum Klimawandel und Anpassung im HLNUG           • Die Energie- und Klimaschutzförderrichtlinie der Stadt
       berät Kommunen zu den Folgen des Klimawandels und              Alsfeld bezuschusst die Umsetzung von Dach- und
       möglichen Maßnahmen.                                           Fassadenbegrünung sowie die Entsiegelung und
     • Eine Checkliste und Factsheets mit praktischen Hinwei-         Begrünung von PKW-Stellplätzen.
       sen zur Umsetzung von Maßnahmen in Gewerbegebie-
       ten erscheinen Anfang des Jahres 2022.

22
Literatur und Quellen

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     natürliche Klimaanlagen. https://botanik-           „Blühende Industriegebiete“, Freiburg.
     guide.de/baeume-kuehlen-staedte-wie-          StädteRegion Aachen (2012): Gewerbeflächen im
     natuerliche-klimaanlagen/. Abgerufen am             Klimawandel, Leitfaden zum Umgang mit
     14.9.21.                                            Klimatrends und Extremwettern, Aachen.
BMU (2021) − Bundesministerium für Umwelt,         Stadt Mörfelden-Walldorf (2021): Bebauungs-
     Naturschutz und nukleare Sicherheit:                plan Nr. 46.1 Teil A, „Gewerbe- und Indus-
     Förderrichtlinie Maßnahmen zur Anpassung            triegebiet Mörfelden-Ost“, 1. Änderung,
     an die Folgen des Klimawandels, Stand:              Teil A, Textliche Festsetzungen zum Vor-
     19.7.21, Berlin.                                    entwurf, Stand: 16. Februar 2021.
HafenCity Universität Hamburg: BlueGreenStreets.   Stadt Offenbach a.M. (2021): Stadtklimaanalyse
     Gefördert vom Bundesministerium für                 mit integrierter Planungshinweiskarte, Kli-
     Bildung und Forschung.                              mafunktionskarte − IST, August 2021.
     https://www.hcu-hamburg.de/research/
                                                   Stadtverwaltung Bocholt (2021): Teil B Leitlinie
     forschungsgruppen/reap/reap-projekte/
                                                         für eine nachhaltige Gewerbeflächenent-
     bluegreenstreets/. Abgerufen am 21.9.21.
                                                         wicklung, 1. Fortschreibung.
Hawkins, Ed (2021): ShowYourStripes, University
                                                   WILA (2019) − Wissenschaftsladen Bonn e.V.:
     of Reading, Datenquelle: Deutscher Wetter-
                                                         Gewerbegebiete im Klimawandel, Leitfaden
     dienst.
                                                         für Kommunen zur Klimavorsorge, Bonn.
     https://showyourstripes.info/.
     Abgerufen am 17.9.21.
                                                   Wir bedanken uns bei allen Unternehmen, Kom-
HLNUG (2020) − Hessisches Landesamt für Na-
                                                   munen und Forschungseinrichtungen für die Bereit-
     turschutz, Umwelt und Geologie: Check-
                                                   stellung von Informationen und Bildmaterial.
     liste Klimawandelangepasste Quartiere in
     Hessen, Wiesbaden.
HMUKLV (2018) − Hessisches Ministerium für
     Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und
     Verbraucherschutz: Hessische Städte −
     Natürlich Vielfältig, Wiesbaden.

                                                                                                       23
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