Gibt es Constructed Action in Deutscher Gebärdensprache und in Deutsch (in der Textsorte Bedeutungserklärung)?1

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                 Gibt es Constructed Action in Deutscher
                 Gebärdensprache und in Deutsch (in der
                 Textsorte Bedeutungserklärung)?
                                                                                                                                1

                 Von renate fischer und simon kollien                                                      kommunikativem Handeln auf allge-
                                                                                                           meines Handeln und nannte dieses
                                                                                                           gebärdensprachliche Diskursphäno-
                 Constructed Action (CA) ist eine          Einleitung                                      men folgerichtig (und in Anlehnung an
                 für Gebärdensprachen typische                                                             Winstons Vorschlag von 1992) „const-
                 Konstruktion in „blended mental          Verschiedentlich wird die Frage auf-             ructed action“ (Metzger 1995).
                 spaces“2. Sie ist bisher vor allem in     geworfen, ob gebärdensprachliche CA                 CA war im Gegensatz zu CD im-
                 Narrationen nachgewiesen worden,          mit Enactment, das in gesprochenem              mer eines (rein) gestischen Charak-
                 obwohl sich die Ansicht zunehmend         Diskurs Verwendung findet, gleichge-            ters verdächtig. Relativ früh wurden
                 durchsetzt, dass CA kein narrations-      setzt werden könne. Schließlich han-            Vergleiche mit Gesten Hörender ein-
                 spezifisches, sondern ein allgemei-       delt es sich in beiden Fällen um ges-           bezogen; Emmorey (1999) z. B. ord-
                 nes Prädikationsmittel sein dürfte.       tische Diskursanteile mit einem Kör-            nete CA dem Typ der „concurrent
                 Auf der Basis eines elizitierten Kor-     pereinsatz, der über manuelle Gesten            gestures“ (den sprachbegleitenden
                 pus von Bedeutungserklärungen in          hinausgeht. Außerdem scheint nicht              statt -ersetzenden Gesten) zu. Mit ei-
                 Deutscher Gebärdensprache (DGS)           nur in CA, sondern auch im Enactment            ner diachronisch-entwicklungsbezo-
502   DZ 86 10   möchten wir belegen, dass die Ver-       ‚Rollenübernahme‘ vorzuliegen, also              genen Perspektive setzen Pyers und
                 sprachlichungsleistung mittels CA         die gestische Verkörperung einer Refe-          Senghas (2007) auch CD in Beziehung
                 in der Tat nicht narrationsspezifisch     renzentität, die nicht identisch ist mit        zu Gesten Hörender, aus denen CD-
                 ist. Darüber hinaus können wir an         der Person, die gerade gebärdet/spricht.        Merkmale hervorgehen könnten.4
                 den variierenden Bedeutungserklä-              Fraglich und unseres Wissens bis-              CA hat jedoch innerhalb der Ge-
                 rungen zu ein und demselben Be-           her nicht systematisch überprüft ist            bärdensprachlinguistik beigetragen
                 griff zeigen, dass das Vorkommen          speziell die Vergleichbarkeit von ge-           zu genuinen Ansätzen, die das Ges-
                 von CA mit unterschiedlichen Kon-         bärdensprachlicher CA und lautsprach-           tische und Ikonische einbeziehen
                 zeptualisierungen ‚desselben‘ Vor-        verbundenem Enactment; für den Un-              (vgl. Liddell 2003; Cuxac & Sallandre
                 gangs variiert, den der erfragte Be-      tertyp des Constructed Dialogue (CD)            2007). Ihnen ist gemein, dass sie mit
                 griff beinhaltet.                         scheint dagegen klar, dass gebärden-            ihrer gebärdensprachlinguistischen
                 In einem zweiten Schritt werden die       sprachlicher CD demjenigen in Laut-             Konzeption eine Kritik an ‚der‘ Laut-
                 DGS-Bedeutungserklärungen mit             sprachen gleichkommt. Sogar termino-            sprachlinguistik verbinden dahinge-
                 deutschen Bedeutungserklärungen           logisch rührt die Bezeichnung, wie sie          hend, dass diese ihren Gegenstand
                 zweierlei Typs kontrastiert: mit lexi-    nunmehr in gebärdensprachlicher For-            unrechtmäßig beschneide, indem sie
                 kografischen und spontanen münd-          schung verbreitet ist, ursprünglich aus         Gradienz und Ikonizität ausklamme-
                 lichen, welche nach derselben Me-         der lautsprachbezogenen Soziolingu-             re. Umso mehr die detaillierte Ausei-
                 thode elizitiert wurden wie die DGS-      istik. Denn Metzger übertrug 1995 ex-           nandersetzung mit CA fortschreitet,
                 Daten und in denen sich Enactment3        plizit Tannens (1989) Kategorien und            um so unverzichtbarer erscheint sie
                 finden lässt. So kommt eine sozio-        Terminologie auf American Sign Lan-             für den gebärdensprachlichen Dis-
                 linguistische Dimension in die Be-        guage (ASL), erweiterte den Fokus von           kurs, zumindest in Narrationen5, und
                 trachtung hinein, mit deren Hil-
                 fe die Bedeutungserklärungen in           1
                                                            Dieser Beitrag ist die ausführlichere Fassung unseres Vortrags, gehalten auf der 4th Con-
                 DGS und in geschriebenem sowie            ference of the International Society for Gesture Studies in Frankfurt/Oder, Juli 2010.
                                                           2
                 gesprochenem Deutsch charakte-             Miteinander zu einem neuen Mental Space ‚verschmolzene‘ Input-Spaces mit verschie-
                 risiert werden. Vor diesem Hinter-        denen Referenzentitäten.
                                                           3
                 grund wird die Frage erörtert, ob es        Lautsprachersetzende oder -begleitende Gesten, die Handlungen und Zustände körper-
                                                           lich maßstabentsprechend zeigen.
                 sich bei CA in DGS und Enactment in       4
                                                            Ohne explizit auf CA einzugehen, geben Meir et al. (2007) zum Thema „body as subject“
                 gesprochenem Deutsch um ‚dassel-
                                                           Einblicke in lexikalisierte gebärdensprachliche Strukturen, die in Körpergesten oder CA ih-
                 be‘ Phänomen handelt bzw. welche          ren strukturellen Ursprung haben.
                 Merkmale geeignet erscheinen, um          5
                                                             Quinto-Pozos (2007; Titel) stellt z. B. die Frage „Can constructed action be considered ob-
                 eine Unterscheidung vorzunehmen.          ligatory?“.

       Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
L inguistik

umso komplexer und durch systema-                  Obwohl Bedeutungserklärungen               de für die Dauer der Erhebung kein
tische Beschränkungen charakteri-             auch im Alltagsdiskurs ihren Ort ha-            weitergehendes Gespräch anstrebe;
siert stellt sie sich dar. Dudis (2004)       ben (z. B. im Mutter-Kind-Dialog),              die Standardfrage pro Item lautete:
spricht in diesem Zusammenhang                sind sie für Hörende in Deutschland            „Was ist/bedeutet ...?“ resp. in DGS:
regelrecht von „partitionable zones“          darüber hinaus fester Bestandteil              „... WAS BEDEUTET“. Dargeboten wur-
am Körper der gebärdenden Person,             spezifischer Sprachverwendungen –               den Frage und Item in gesprochenem
mit denen in komplexen Konstruk-              zum einen im schulischen Fremd-                 Deutsch bzw. in DGS begleitet durch
tionen mehrere Entitäten gleichzei-           sprachenunterricht, zum anderen bei             beschriftete Karteikarten mit dem
tig sichtbar gemacht werden.                  der Wörterbuchkonsultation. Bedeu-              jeweiligen Item. An einem Beispiel
    Vor diesem Hintergrund er-                tungserklärungen bieten damit die               („Frieden“) wurde der Ablauf einmal
hebt sich in neuer Form die Fra-              Möglichkeit, soziolinguistische Varia-          zur Probe durchgeführt.
ge, ob gebärdensprachliche CA dem             tion zu beobachten.                                  Aus dem Gesamtkorpus berück-
Enactment Hörender vergleichbar sei.               Wir elizitierten gebärdete und ge-         sichtigen wir hier vor allem ausge-
Im vorliegenden Beitrag charakteri-           sprochene Bedeutungserklärungen                 wählte Beispiele, an denen wir gut
sieren wir das Vorkommen von CA in            zu 24 Stimuli. Die InformantInnen               zeigen können, was die Charakte-
nicht-narrativen DGS-Texten und ge-           waren                                           ristika von CA in DGS sind und wie        DZ 86 10   503
hen dann der Frage nach, wie CA kon-          l 12 hörende Studierende zumeist                demgegenüber die Produktionen in
trastiv zu vergleichbaren lautsprach-            (aber nicht ausschließlich) unserer          Deutsch zu sehen sind. Da wir CA und
lichen Produktionen Hörender gese-               Studiengänge, befragt durch hö-              Enactment einander gegenüberstel-
hen werden kann.                                 rende Kommilitoninnen,                       len, beziehen wir Teiläußerungen mit
                                              l 9 gehörlose MitarbeiterInnen des              CD in die vorliegende Untersuchung
Material                                         IDGS, gehörlose Studierende unse-            nicht mit ein.
                                                 res Magisterstudiengangs sowie
Als nicht-narrative Textsorte haben              gehörlose TeilnehmerInnen einer             Ergebnisse (DGS)
wir Bedeutungserklärungen ausge-                 Berufsausbildung, befragt durch
wählt (vgl. dazu Fischer 2003). Bedeu-           den gehörlosen Co-Verfasser die-            Vorkommenshäufigkeit von CA
tungserklärungen haben mit narrati-              ses Beitrags.6
ven Texten gemein, dass sie die Mög-                                                         In unserem Korpus mit Bedeutungs-
lichkeit zu ausgedehnter Textproduk-          Die Darbietung der Stimuli variier-            erklärungen fand sich lediglich eine
tion bieten, bspw. im Unterschied zum         te in der Reihenfolge, um einem Ef-            einzige Produktion zum Item „Mikro-
raschen Gesprächsrollenwechsel in ei-         fekt auf die Produktion entgegenzu-            welle“, in der keinerlei CA verwendet
nem Small Talk. Ein solcher vergleichs-       wirken.                                        wurde. Der Gebärdende beschränkte
weise langer ‚monologischer‘ Turn ist              Die Stimuli waren Bezeichnun-             sich voll auf die Angaben zu Form und
fast schon ein Garant für das Vorkom-         gen für Konkretes („Mikrowelle“) und           Funktionieren des Gerätes selbst. In je-
men von CA. Anders als in Narratio-           Abstraktes („Zeit“), für direkt Vorzeig-       der (!) Bedeutungserklärung kommt
nen geht es bei Bedeutungserklärun-           bares („Uhr“) oder erst sprachlich zu          also CA vor, sofern die/der Gebärden-
gen jedoch nicht um die Herstellung           Erschaffendes („Verbraucherzentra-             de eine belebte Entität einbezieht oder
von Spannung oder emotionaler Ein-            le“), es gab darin metaphorische und           ein unbelebtes Objekt ‚personifiziert‘.
bindung; hier überwiegt neben der             idiomatische Ausdrücke („Sünden-                   Um einen Eindruck von der durch-
Orientierung auf die RezipientInnen           bock“, AHNUNGSLOS).                            schnittlichen Häufigkeit von CA in
eine sachlich-informative Redehal-                 Zu Setting und Aufgabenstellung           verschiedenen Textsorten (DGS) zu
tung und in der Erhebungssituation            wurde den InformantInnen mitge-                erhalten, wurden in einer von uns
zusätzlich die Motivation, eine gute          teilt, dass es sich um eine Befragung          betreuten Abschlussarbeit Prozent-
Erläuterungsleistung zu liefern.              handle und der/die Fragenstellen-              zahlen ermittelt (vom Hofe 2010). Es
                                                                                             handelt sich um DGS-Produktionen,
6
  Allen unseren InformantInnen danken wir dafür, dass sie sich bereitwillig für die Befra-   die wir in unseren verschiedenen Pro-
gung zur Verfügung gestellt haben.                                                           jekten erhoben haben:

     Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
l i ngu i s t i k

                 l   eine selbst erlebte Geschichte
                     („Straferfahrung“, einsehbar un-
                     ter http://www.sign-lang.uni-
                     hamburg.de/daziel/filme/film_5/
                     film_5.htm (26. 10. 2010)),
                 l   die Nacherzählung eines Anima-
                     tionsfilms („Balance“) und
                 l   zwei Bedeutungserklärungen.

                 Berechnet wurden die Prozente nach
                 der Anzahl der Frames, auf denen in
                                                               Abb. 1: „MIKROWELLE“ (pantom.)            Abb. 2: „MIKROWELLE“ (reine CA)
                 den jeweiligen Filmen CA zu sehen
                 ist. Danach entfallen auf CA in diesen
                 ausgewählten Beispielen (vgl. vom         re Entitäten in einer (parallelisier-    von Aktivität (vgl. auch der alte Ter-
                 Hofe 2010, 22):                           ten) simultanen Konstruktion durch       minus „Aktionssprache“).
504   DZ 86 10   l selbst erlebte Geschichte: 40,9 %;     „body partitioning“ zusammenkom-              Beispiel 1 (Item „ANFÄNGER“):
                 l Filmnacherzählung: 22,2 %;              men. Bei keinem dieser Vorkommen         Dieses Beispiel (vgl. Abb. 3) zeigt eine
                 l Bedeutungserklärung MEISTER:            handelt es sich um freie Pantomime.      reine CA, die allein eine vollständi-
                    31,6% und MIKROWELLE: 21,1 %.          Der Subtyp der reinen CA kann der        ge Bedeutungserklärung darstellen
                                                           Pantomime noch am nächsten kom-          könnte (die Gebärdende setzt ihre Be-
                 Es darf also festgehalten werden,         men (vgl. Abb. 1 und 2), auch hier je-   deutungserklärung dann durch wei-
                 dass die CA-Anteile einen ganz er-        doch bestehen mindestens zwei Un-        tere Ausführungen fort). Es gibt in
                 heblichen Umfang in DGS-Texten ha-        terschiede: CA ist im Allgemeinen        dieser initialen (Teil-)Äußerung mit-
                 ben, auch in nicht-narrativen Texten      (blitzlichtartig) kurz und wird nicht    hin keine Referentenbezeichnung (er-
                 wie diesen Bedeutungserklärungen.        ‚ausgespielt‘; und die Mundaktivität      wartbar wäre z. B.: PERSON), mit der
                                                           ist auch bei scheinbar pantomimi-        CA liegt somit eine direkte Prädika-
                 Typen von CA                              scher CA im Allgemeinen konventio-       tion vor (inkl. der Referentenspur im
                                                           nell typisierend. Diese synchronische    Körper/Surrogat der Gebärdenden).
                 Die nachfolgende Beschreibung der         Nähe von (reiner) CA zur Pantomime       Die Informantin zeigt gewisserma-
                 CA in den elizitierten Bedeutungser-      oder ausdrucksstarken Körper-/Ak-        ßen ein abstraktes Anfängerverhal-
                 klärungs-Texten nehmen wir auf der        tionsgeste verweist auf den vermu-       ten, erst in den nachfolgenden Bedeu-
                 Grundlage unserer bisherigen Dar-         teten diachronischen/evolutionären       tungserklärungs-Teilen wird sie spezi-
                 stellungen zu CA vor (vgl. Fischer &      Ursprung von Gebärdensprachen in         fischer („Anfänger in puncto X sein“).
                 Kollien 2006a und b; 2009) und er-        der kommunikativen Nachahmung            Obwohl es so wirkt, zeigt die initiale
                 weitern diese ggf. durch neue Beob-                                                Bedeutungserklärung doch noch kein
                 achtungen. Ziel dieser Ausführun-                                                  konkretes Verhalten, und die Mund-
                 gen ist es, die Charakteristik von CA                                              aktivität ist ein konventionalisierter
                 zu vergegenwärtigen, um auf dieser                                                 Indikator dafür, dass die gesamte Ges-
                 Basis die Gegenüberstellung mit Ges-                                               te einen Anfängertypus zeigt, kein
                 ten im gesprochenen Diskurs vorzu-                                                 spezifisches Exemplar.7
                 nehmen.
                     Die im Bedeutungserklärungs-                                                   7
                                                                                                      Dies ist nur ein Fall möglicher Typisierung;
                 Korpus verwendeten CA-Typen rei-                                                    bei einer Bedeutungserklärung zum Item
                 chen von reiner CA, in der der Körper                                              „MEISTER” liegt in einem CD eine soziale
                                                                                                    +metaphorische Typisierung vor, indem die
                 des/der Gebärdenden eine alleinige
                                                                                                     verkörperte Referenzentität, der sozial ‚nie-
                 Entität in Aktion zeigt, bis zu kom-                                                dergestellte‘ Lehrling, zum ‚höhergestellten‘
                 plexen CA-Typen, in denen mehre-               Abb. 3: „ANFÄNGER“ (reine CA)        Meister eine Frage nach ‚oben‘ richtet.

       Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
L inguistik

                                                                                             für dasselbe Item „Mikrowelle“ vor
                                                                                             durch einen anderen Informanten
                                                                                             (vgl. Abb. 2). Dieser Gebärdende greift
                                                                                             nicht auf eine Beschreibung des Ge-
                                                                                             genstands zurück, sondern demonst-
                                                                                             riert dessen Gebrauch durch eine nicht
                                                                                             näher bezeichnete belebte Referenzen-
                                                                                             tität, die das Essen aus der Mikrowelle
                                                                                             nimmt, was mit einer CA gezeigt wird.
                                                                                                 Dies sind Belege für die bekannte
         Abb. 4: „ELEKTROSMOG“                          Abb. 5: „MIKROWELLE“
           (parallelisierte CA)                       (Klassifikatorkonstruktion)            Unterscheidung, dass CA zum Einsatz
                                                                                             kommt ‚für‘ das Verhalten belebter
                                                                                             Entitäten. Das heißt: Ob in einer Be-
     Beispiel 2 (Item „ELEKTROSMOG“):         als systematische „partitionable zo-           deutungserklärung eine CA verwen-
Dieses Beispiel zeigt eine paralleli-         nes“ am Körper des/der Gebärden-               det wird oder nicht, hängt nicht vom
sierte CA. Um „Elektrosmog“ zu er-            den identifiziert hat: Hände (beide!),         Stimulus ab, sondern rührt daher,         DZ 86 10   505
klären, gebärdet der Informant zuerst         Körper und Mundgestik versprach-               dass die Informanten unterschiedli-
HANDY, aus diesem Lexem wird in               lichen unterschiedliche Bestandtei-            che Erklärungskonzepte haben – der
fließendem Übergang ohne Abbruch              le der Gesamtaussage. Es liegt im ge-          eine beschreibt das Gerät, der andere
eine CA inkl. Manipulator (Person             zeigten Beispiel also „body partitio-          seine Bedienung durch eine belebte
hält sich Handy ans Ohr, vgl. Abb. 4).        ning“ in sehr komplexer Form vor, da           Entität, und nur Letzteres kann über
                                                                                                                           8
Damit ändert sich auch die Bedeu-             alle „partitionable zones“ für andere          CA versprachlicht werden.
tung gegenüber dem zuvor gebärde-             Referenten bzw. andere Ereignisan-                 Beispiel 3 (Item „ELEKTROSMOG“):
ten Lexem. Zu der CA gehört auch die          teile eingesetzt werden.                       Eine Informantin erklärt „(Elektro-)
Kopfhaltung, die zeigt, dass die Per-                                                        Smog“ und zeigt das Aufsteigen ei-
son Opfer eines Angriffs oder von Un-         Funktionen von CA                              ner Abgaswolke (vgl. Abb. 6). Damit
angenehmem ist. Parallel dazu pro-                                                           liegt ebenfalls ein unbelebter Refe-
duziert der Informant mit einer un-           Beispiel 1 (Item „MIKROWELLE“): Es             rent vor, es ist also eine Klassifika-
gewohnt aktiven nicht-dominanten              kommen Bedeutungserklärungen (als              torkonstruktion und folglich keine
Hand eine Klassifikatorkonstruktion,          Ganzes oder abschnittweise) ohne               CA für diesen Referenten zu erwar-
die lokalisiert ist an der Manipula-          CA vor. Der Gebärdende im Beispiel             ten. Die Informantin produziert je-
torhand und für ein Strahlengewim-            erklärt „Mikrowelle“ mithilfe von              doch eine parallelisierte CA, in der
mel steht (metaphorisch). Als weite-          Klassifikatorkonstruktionen für sich
ren Bestandteil gibt es eine Mundak-          bewegende Wellen (vgl. Abb. 5). Die
tivität, die etwas schwer zu deuten           verwendete Mundgestik markiert die-
ist: Ist sie eine CA-Mimik für das Op-        sen Vorgang als „normal“. Dieses Bei-
fer oder eine Mundgestik für die ‚an-         spiel ist typisch dafür, wie ein nicht-
greifenden‘ Strahlen der Klassifika-          belebter (und nicht-personifizierter)
torkonstruktion? Auf jeden Fall wird          Referent über die Hände artikuliert
die Bedeutung „unangenehm durch               wird, auch wenn die Bewegungen des
Aggressivität“ vermittelt.                    Referenten außergewöhnlich sind.
     Diese komplexe parallelisierte CA            Beispiel 2 (Item „MIKROWELLE“):
verdeutlicht das, was Dudis (2004)            Hier liegt eine Bedeutungserklärung

8
  Die Möglichkeit, dass eine unbelebte Entität ‚personifiziert‘ wird und ihre Aktionen da-
mit CA-tauglich werden, wurde oben bereits erwähnt; vgl. das Wassertropfen-Beispiel in              Abb. 6: „(ELEKTRO-)SMOG“
Fischer & Kollien 2006b, 452.                                                                          (parallelisierte CA)

     Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
l i ngu i s t i k

                 eine belebte Entität der Wolke nach-      Ergebnisse (Deutsch)9                       Eine Informantin produzierte zum
                 schaut. Diese Entität ist nicht einge-                                                Beispiel nur bei „Elektrosmog“ und
                 führt und nicht bezeichnet, sie spielt    Welche Gesten wurden berücksich-            bei „Uhr“ je 1 Geste, sonst keine. Kei-
                 in der Erklärung als solche keine Rol-    tigt?                                       ne der InformantInnen stattete mehr
                 le. Jedoch ist sie als Hintergrund prä-                                               als 50 % der eigenen Bedeutungser-
                 sent und wichtig: Es ist die beleb-       Für unseren Vergleich mit gebärden-         klärungen mit Zeige- und repräsen-
                 te Entität, für die der Smog schäd-       sprachlicher CA haben wir nicht alle        tierenden Gesten aus.
                 lich ist – die Schädlichkeit ist ja ein   Gesten berücksichtigt, die die hören-           Von den Stimuli sind 4 mit Be-
                 zentraler Punkt bei Smog. Die Infor-      den InformantInnen in ihren Bedeu-          deutungserklärungen beantwortet
                 mantin hätte das Lexem GEFÄHR-            tungserklärungen produziert haben,          worden, in denen keine einzige die-
                 LICH gebärden können, unterlässt          sondern diejenigen, die in einem se-        ser Gesten produziert wurde („Anfän-
                 das jedoch. Stattdessen inszeniert        mantischen Verhältnis zur Aussa-            ger“, „arbeitslos“, „Steuererklärung“,
                 sie die Gefährlichkeit der Abgaswol-      ge stehen. Unberücksichtigt blieben        „Verbraucherzentrale“). Besonders
                 ke für Lebewesen. Die produzierte CA      also Taktstockgesten („beats“); einbe-      häufig mit Gesten beantwortet wur-
                 ist schwach ausgeprägt, sie würde         zogen wurden Zeigegesten und ver-           den demgegenüber die beiden Stimu-
506   DZ 86 10   von einigen ForscherInnen womög-          schiedene Arten repräsentierender           li „Mikrowelle“ und „Uhr“ (je 11 Ges-
                 lich gar nicht als solche kategorisiert   Gesten (Geste für Form+Größe, ma-           ten). Insgesamt sind die folgenden
                 werden (s. aber schon Metzger 1995).      nueller Substitutor, manuelle oder          Stimuli die interindividuellen Ges-
                 Doch kommt in der vorliegenden Be-        körperliche Aktion/Enactment).              ten-Spitzenreiter:
                 deutungserklärung das unbezeich-                                                      l „Elektrosmog“ wurde durch 8 von

                 nete Lebewesen in einer Reihe von         Vorkommenshäufigkeit von Zeige­                12 InformantInnen mit jeweils 1
                 schwachen CA vor, die es als Opfer        gesten und repräsentierenden                   Geste bestückt (insgesamt 8 To-
                 zeigen, was eine kohärenz- und ko-        Gesten                                         kens);
                 häsionsstiftende Wirkung für den                                                      l „Uhr“ wurde durch ebenfalls 8 von

                 gebärdeten Text hat.                      Auf 3:29:50 (3,5 Std.) gefilmte Bedeu-         12 InformantInnen mit 1–2 Gesten
                      Typisch für gebärdensprach-          tungserklärungen entfielen 87 gesti-           bestückt (insgesamt 11 Tokens);
                 lichen Diskurs ist die (mehrfache)        sche Produktionen. Das ist grob ge-         l „Mikrowelle“ wurde durch 6 von

                 Wiederholung von Prädikat(steil)en.       sagt 1 gestisches Vorkommen alle               12 InformantInnen mit 1–3 Gesten
                 Die soeben besprochene CA ist Teil        2 Min., also insgesamt eher wenig.             bestückt (insgesamt 11 Tokens);
                 einer solchen Sequenz, in der die         Dieses quantitative Ergebnis zeigt be-      l „Besteck“ wurde durch 7 von 12

                 Gebärdende mehrfach das Smog-             reits einen Unterschied zum CA-Vor-            InformantInnen mit 1–2 Gesten
                 wolkenverhalten thematisiert. Es          kommen in DGS.                                 bestückt (insgesamt 8 Tokens).
                 handelt sich nicht um redundan-               Diese gestischen Produktionen
                 te Wiederholung, vielmehr wer-            sind auffallend ungleich auf die ver-       Vorkommenshäufigkeit der Ges-
                 den aus verschiedenen Perspekti-          schiedenen InformantInnen und auf           tentypen bei diesen 4 Stimuli
                 ven und mit verschiedenen gebär-          die Stimuli verteilt. Dieses Ergebnis
                 densprachlichen Mitteln je andere         ist keine direkte Folge davon, ob die       l    Der Stimulus „Uhr“ elizitierte 10
                 Teilaspekte des Geschehens verba-         InformantInnen Gebärdensprach-                   Zeigegesten und 2 Enactments, um
                 lisiert. In dieser Sequenz überneh-       kompetenz haben oder nicht.                      eine Person zu zeigen, die auf ihre
                 men die parallelisierten CA ‚arbeits-         Die InformantInnen benutzten                 Uhr schaut (vgl. Abb. 7).
                 teilig‘ bestimmte Teilaufgaben, die       interindividuell und über alle Sti-         l    Der Stimulus „Mikrowelle“ elizi-
                 Klassifikatorkonstruktionen ande-         muli insgesamt eine stark variieren-             tierte 10 manuelle Gesten der Sub-
                 re. Während die Referenten über Le-       de Anzahl Gesten, von mindestens                 typen „manuelle Substitution“ und
                 xeme eingeführt, also bezeichnet          2 bis maximal 12 Gesten insgesamt.              „Geste für Form+Größe“ (vgl. Abb. 8)
                 werden, prädizieren die CA und die
                 Klassifikatorkonstruktionen spezifi-      9
                                                             Wir danken Melanie Rossow und Caren Dietrich für die vorbereitende Sichtung des Ma-
                 sche Anteile des Gesamtereignisses.       terials.

       Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
L inguistik

                Abb. 7: „Uhr“                            Abb. 8: „Mikrowelle“                      Abb. 9: „Besteck“              DZ 86 10   507
                (Enactment)                     (repräsentierende Geste: Form+Größe)                (Enactment)

     sowie 1 (vermutliches) Enactment,        eine manuelle Tätigkeit implizierte,      ge anzustellen“. Ein Informant gab
     mit dem der Körper ein „Molekül in       wie: Besteck halten, geben und neh-       folgende gesprochene Bedeutungser-
     Bewegung“ zu zeigen scheint.             men, wegwerfen.                           klärung zu diesem Stimulus: „Meister
l    Der Stimulus „Elektrosmog“ elizi-            Ausgeprägte Rollenübernahme           im Handwerk heißt jemand, der eine
     tierte 7 manuelle Gesten der Sub-        mit expressiver Mimik oder Körper-        bestimmte Ausbildung durchlaufen
     typen „manuelle Substitution“ und        bewegung fehlte fast durchgehend,         hat, dann entsprechende Prüfungen
    „Geste für Form+Größe“ sowie 1            der Stimulus „Feind“ z. B. provozierte    abgelegt hat und dann nach den gel-
     Enactment, das eine Entität zeigt,       keine entsprechende Mimik. In den         tenden Bestimmungen sich als Meis-
     die ein Gerät ausschaltet.               von uns beobachteten Zeige- und re-       ter mit seinem Gewerbe, also mit sei-
l    Und schließlich elizitierte der Stimu-   präsentierenden Gesten spielte somit      nem Handwerk selbstständig ma-
     lus „Besteck“ 7 Enactments, die zei-     durchweg die Hand die Hauptrolle;         chen kann und berechtigt ist, auch
     gen, wie jemand Besteck hält (vgl.       vorherrschend waren Gesten der ma-        Lehrlinge auszubilden.“ Er produzier-
    Abb. 9), und 1 manuelle Substitution      nuellen Substitution und Form+Größe       te dabei keine einzige Zeige- oder re-
     für ein schneidendes Messer.             oder ein Enactment, bei dem die Rol-      präsentierende Geste.
                                              lenübernahme minimal blieb.                    Die gesprochenen Bedeutungs-
Interessanterweise wurde Enactment,                                                     erklärungen unseres Korpus ähneln
als manuelles oder körperliches Zei-          Soziolinguistische Variation              den geschriebenen aus Wörterbü-
gen einer Aktion, nur selten einge-                                                     chern sehr stark in folgenden Hin-
setzt. Es kam nur bei 11 von 24 Stimu-        In einem zweiten Schritt verglichen       sichten:
li, also nicht einmal bei der Hälfte,         wir die gesprochenen Bedeutungs-          l Sie bestehen bevorzugt aus verba-

vor. Die meisten Tokens wurden mit            erklärungen mit geschriebenen, wie           ler Semantisierung;
dem Stimulus „Besteck“ produziert,            sie ein Wörterbuch oder Lexikon           l sie beinhalten formelhafte Antei-

gefolgt von „(ein-)kaufen“, für das die       aufweist. Hier ein Beispiel zum Ver-         le, wie sie den lexikografischen Be-
InformantInnen eine kurze Hand-               gleich:                                      deutungserklärungen („Definitio-
lung des Gebens und Nehmens vor-                  In Wahrig – Deutsches Wörter-            nen“) zugrunde liegen; dazu gehö-
führten.                                      buch (1997) wird „Meister“ definiert         ren vor allem:
     Allgemein gesagt, wurde Enact­           als „Handwerker, der nach der Gesel-        – Kategorisierungen vornehmen
ment dann benutzt, wenn die frag-             lenzeit eine (staatl.) Prüfung abgelegt        (Ober- und Unterbegriff/Spezifi-
liche Aktion als Hauptkomponente              hat und damit berechtigt ist, Lehrlin-         zierung etc.);

       Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
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                   – auf die Mitteilung persönlicher        von „body as subject“, d. h. von der        tionaler Einbindung. Sie als eine der
                     Erfahrung verzichten, möglichst       Verkörperung von Konzepten (vgl.            „involvement strategies“ zu begrei-
                     kein Bezug auf das zeitliche, sach-    Meir et al. 2007), wie sie in Gebär-        fen mit der Begründung, sie bringe
                     lich-räumliche oder personale          densprachen in entwickelter Form           „details and visual imagery to inte-
                     Hier und Jetzt der gemeinsamen         vorzufinden sind.                           rest the watcher in the signer’s mes-
                     Präsenz;                                   Wir fanden umfangreichen Ge-            sage“ ein (Winston 1992, 98), greift
                   – Ausdrucksweise weitgehend              brauch von CA in den Bedeutungs-            zu kurz. CA hat direkten Anteil an der
                     neutral halten, sachorientierte        erklärungen in DGS. Damit ist belegt,       durch die Äußerung vermittelten In-
                     Formulierung, lexikalische Dich-       dass CA kein Spezifikum von narra-          formation und muss als „necessary“
                     te und „vollständige Sätze“ an-        tiven Texten ist. Ob man daraus auf         (Quinto-Pozos 2007) eingestuft wer-
                     streben, Deiktika und die direk-       eine starke gestische Semantisie-           den, auch wenn Umfang und Detail-
                     te Anrede der Interviewerin ver-       rung der gebärdeten Bedeutungser-           liertheit des CA-Gebrauchs variieren.
                     meiden.                                klärungen schließen will, hängt von         Quinto-Pozos und Mehta (2010) zu-
                                                            dem Stellenwert ab, den man gebär-          folge kann der Gebrauch von CA in
                 Zur Planung derartiger Äußerungen          densprachlicher CA zuweist (ist sie         mehreren Hinsichten durch Anpas-
508   DZ 86 10   wurde eine deutlich erkennbare Be-         sprachlich oder gestisch?). Auf je-         sung an die Kommunikationspartner
                 denkzeit in Anspruch genommen, die         den Fall ist zu berücksichtigen, dass       (formellere vs. informellere Kommu-
                 Spontaneität der Reaktion reduziert.       die meisten CA als parallelisierte CA       nikatonssituation) variieren, aber auf
                     Diese Merkmale verdeutlichen,          auftreten, d. h. als komplexe Kons-         jeden Fall werde sie verwendet.
                 dass die hörenden InformantInnen           truktionen, in denen die „partitio-             CA kommt in gebärdetem Dis-
                 eine soziolinguistische Variante           nable zones“ des Körpers simultane          kurs in verschiedenen Formen/Ty-
                 des Deutschen wählten, die typisch        Anteile einer Gesamtäußerung rea-            pen vor, von denen einige die kom-
                 für sozial und räumlich distanzier-        lisieren, sodass diese parallelisier-       plexesten simultanen Konstruktio-
                 te Kommunikation ist. Offensicht-          ten CA wenig Ähnlichkeit mit Pan-           nen darstellen, die in Gebärdenspra-
                 lich interpretierten sie die Situation     tomime haben. Das resultiert vor al-        chen bekannt sind.
                 als eine Interviewaufgabe, in der sie      lem daraus, dass hier die Struktur
                 nicht zu einer sozial nahen Kommu-        „body as subject“ (s. o.) nicht mehr        Diskussion
                 nikation eingeladen waren. Folglich        die alleinige ist, sondern durch die
                 benutzten sie das sprachliche Regis-       Klassifikatorkonstruktionen andere         Wir möchten die Frage zur Diskus-
                 ter, das für formelle Bedeutungser-        Szenen sozusagen dazugestellt wer-         sion stellen, ob gebärdensprachliche
                 klärungen angemessen ist.                  den – anders gesagt: dass die men-         CA und Enactment aus lautsprachli-
                                                            talen Räume „surrogate space“ (mit-        chen Äußerungen gleichgesetzt wer-
                 Zusammenfassung                            tels CA) und „depicting space“ (mit-       den können. Im frühen 19. Jahrhun-
                                                            tels Klassifikatorkonstruktion(en))        dert hatte der berühmte Gebärden-
                 Wir fanden auffallend wenig gesti-         gebärdensprachlich simultan reali-         sprachforscher Auguste Bébian die
                 sche Semantisierung in den Bedeu-          siert werden (vgl. Liddell 2003).          Auffassung vertreten, dass die Ges-
                 tungserklärungen unserer hören-                Ob CA verwendet wird, hängt            ten hörender Menschen die gleiche
                 den InformantInnen und insbeson-           nicht von der Textsorte ab, sondern        Quelle hätten wie die Gebärdenspra-
                 dere wenig und kaum ausgespieltes          von der Äußerungsstrategie in dem          chen gehörloser Menschen und dass
                 Enactment. Wir interpretieren die-         Sinne, ob der/die Gebärdende eine          das Trennende nur im Perfektions-
                 ses Ergebnis als eine Folge der Wahl       belebte oder eine unbelebte (und           grad liege, der bei den Gebärdenspra-
                 der InformantInnen für ein formel-         nicht-personifizierte) Referenzen-         chen aus dem täglichen umfassen-
                 les Register des Erklärens von Bedeu-      tität in den Fokus stellt.10 CA ist so-    den Gebrauch resultiere (vgl. Fischer
                 tungen.                                    mit mehr als nur eine Strategie emo-       1993, 444 f.).
                     Alle repräsentierenden Gesten in-
                 terpretieren wir als eine rudimentäre     10
                                                             Zur Belebtheit von Referenzentitäten in CA und ihrer Auswirkung auf bestimmte gebär-
                 (oder auch originäre) gestische Form      densprachliche Lexeme vgl. Meir et al. 2007, 547 ff.

       Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
L inguistik

     Dieser Linie folgend, könnte man     in DGS verwenden würde, um eine             Campbell (Hg.): Gesture, speech,
der Meinung sein, dass CA ‚nur‘ die       Handlung zu verneinen, die durch            and sign. New York, 133–159.
perfektionierte Form von Enactment        eine CA ausgedrückt wird.                Fischer, Renate (1993): „Language of
darstelle, CA und Enactment daher             So scheint es vor allem um die          Action“. In: Renate Fischer & Har-
terminologisch nicht unterschieden        Frage zu gehen, welches Ziel mit ei-        lan Lane (Hg.): Looking Back. Ham-
werden sollten.                           nem Vergleich beider Sprachen ver-          burg, 429–455.
     Dennoch scheint es angeraten,        folgt wird.                              Fischer, Renate (2003): „Ei­ne Ro­se ist
beide gestische Produktionen ge-              Wenn es um die kontrasti-               ei­ne Ro­se ist ei­ne Ro­se ... Was sa­gen
trennt zu halten und mit unterschied-     ve Analyse zweier Einzelsprachen            mir Be­deu­tungs­er­klä­run­gen?“. In:
licher Terminologie zu belegen. Den       geht, so wird man durch die Charak-         Das Zei­chen 65, 396–420.
Grund dafür sehen wir in der Komple-      terisierung von CA in DGS und von        Fi­s cher, Re­n a­t e & Simon Kol­l ien
xität und dem Grad, mit dem die gesti-    Enactment in gesprochenem Deutsch           (2006a): „Con­struc­ted ac­tion in
sche und die sprachliche Komponente       die didaktisch wichtigen Unterschie-        DGS: Ro­ses Ak­tions=Frag­men­te
innerhalb einer gebärdensprachlichen      de deutlich machen. Diese rühren da-        (Teil I)“. In: Das Zei­chen 72, 96–106.
Äußerung integriert sind.                 her, dass nur eine der beiden Spra-      Fi­s cher, Re­n a­t e & Simon Kol­l ien
     So mag der Typ reiner CA einem       chen, die DGS, eine integrierte visuo-      (2006b): „Con­struc­ted ac­tion in           DZ 86 10   509
Enactment, das mit gesprochenem           gestische Komponente derselben Mo-          DGS: Ro­ses Ak­tions=Frag­men­te
Deutsch verbunden ist, stark ähneln       dalität hat.                                (Teil II)“. In: Das Zei­chen 74, 448–
– z. B., wie man etwas aus der Mikro-         Wenn das Ziel aber darin besteht,       463.
welle nimmt. Doch sogar hier ist die      Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten,        Fi­s cher, Re­n a­t e & Simon Kol­l ien
Mundaktivität in DGS eine typisieren-     so ist ein abstrakteres Tertium Com-        (2009): „Con­struc­ted Ac­tion und
de und konventionelle, die der Ges-       parationis vonnöten. Es könnte ge-          Mund­ge­stik in DGS: Laut­ma­le­rei
te jedoch nicht. Des Weiteren sind        funden werden in dem Beitrag, den           und syn­äs­the­ti­sche Sym­bo­li­sie­
in unserem Korpus die repräsentie-        alle Gesten zur Bedeutungskonstitu-         rungs­ver­fah­ren“. In: Das Zei­chen
renden Gesten, die mit gesproche-         tion leisten (vgl. Liddell 2003), oder      83, 464–478.
nem Deutsch verbunden sind, ten-          allgemeiner gesagt in der Komple-        Liddell, Scott K. (2003): Grammar, ge-
denziell Sequenzen aus Gesten für         mentarität von gestischen und ver-          sture and meaning in American
Form+Größe und Enactment, wohin-          balen Komponenten jedes Diskurses           Sign Language. Cambridge u. a.
gegen eine komplexe parallelisierte CA    (vgl. Sandler 2003).                     Meir, Irit; Carol Padden; Mark Aronoff
in DGS Form+Größe, Aktion und Wei-                                                    & Wendy Sandler (2007): „Body as
teres miteinander simultan und syste-     Literatur                                   subject“. In: Journal of Linguistics
matisch verbindet und spezielle Blen-                                                 43, 531–563.
ding-Effekte entstehen lässt. Denn nur    Cuxac, Christian & Marie-Anne Sal-       Metzger, Melanie (1995): „Construc-
in den gebärdeten, nicht den gesten-        landre (2007): „Iconicity and arbi-       ted dialogue and constructed ac-
begleiteten gesprochenen Äußerun-           trariness in French Sign Language:        tion in American Sign Language“.
gen unseres Korpus wird der/die Pro-        Highly iconic structures, degene-         In: Ceil Lucas (Hg.): Sociolinguistics
duzierende zum Surrogat der Referenz-       rated iconicity and diagrammatic          in Deaf Communities. Washington,
entität, und repräsentieren die „parti-     iconicity“. In: Elena Pizzuto; Pao-       DC, 255–271.
tionable zones“ gleichzeitig Entitäten      la Pietrandrea & Raffaele Simone       Pyers, Jennie & Ann Senghas (2007):
aus anderen „mental spaces“.                (Hg.): Verbal and signed languages:      „Reported action in Nicaraguan and
     Doch lassen sich Gemeinsamkei-         comparing structures, constructs          American Sign Languages: Emer-
ten von Enactment und CA nicht leug-        and methodologies. Berlin, 13–33.         ging versus established systems“.
nen. Zum Beispiel begleitete eine hö-     Dudis, Paul (2004): „Body partitioning      In: Pamela Perniss; Roland Pfau
rende Informantin ihre Bedeutungs-          and real-space blends“. In: Cogniti-      & Markus Steinbach (Hg.): Visible
erklärung mit einem Enactment, das          ve Linguistics 15/2, 223–238.             variation. Comparative studies on
sie direkt im Anschluss verneinte.        Emmorey, Karen (1999): „Do signers          sign language structure. Berlin &
Dies zeigt dieselbe Struktur, die man       gesture?“. In: Lynn Messing & Ruth        New York, 279–302.

     Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
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                                                                                                         i
                 Quinto-Pozos, David (2007): „Can con-    Tannen, Deborah (1989): Talking
                   structed action be considered obli-      voices: Repetition, dialogue, and
                   gatory?“. In: Lingua 117/7, 1285–        imagery in conversational dis-
                   1314.                                    course. Cambridge
                 Quinto-Pozos, David & Sarika Mehta       vom Hofe, Friederike (2010):                    Prof. Dr. Renate Fischer
                   (2010): „Register variation in mi-       Constructed Action und die                    & Simon Kollien,
                   metic gestural complements to si-        Versprachlichung des Verhaltens               Institut für Deutsche Gebär-
                   gned language“. In: Journal of Prag-     der Referenzentitäten. Universi-              densprache, Universität Ham-
                   matics 42, 557–584.                      tät Hamburg [Wissenschaftliche                burg
                 Sandler, Wendy (2003): „On the com-        Hausarbeit (B. A.), unveröff.].
                   plementarity of signed and spo-        Wahrig – Deutsches Wörterbuch                   E-Mail: Renate.Fischer@sign-
                   ken languages“. In: Yonata Levy &        (1997). Gütersloh.                            lang.uni-hamburg.de;
                   Jeannette Schaeffer (Hg.): Langua-     Winston, Elizabeth (1992): „Space               Simon.Kollien@sign-lang.uni-
                   ge competence across populations:        and involvement in an Ameri-                  hamburg.de
                   towards a definiton of SLI. Mahwah,      can Sign Language lecture“. In: Ex-
510   DZ 86 10     NJ, 383–409.                             panding Horizons: Proceedings of
                                                            the Twelfth National Convention
                                                            of the Registry of Interpreters for
                                                            the Deaf. Silver Spring, MD, 93–105.

       Beitrag aus: DAS ZEICHEN 86/2010 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)
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