GLIOBLASTOM Diagnose Informationen für Patienten und Angehörige - www.diagnose-glioblastom.de
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DIE AUTOREN Univ.-Prof. Prof. Dr. med. Walter Stummer Direktor der Klinik für Neurochirurgie Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1 Gebäude A1 48149 Münster Priv.-Doz. Dr. med. Michael Schwake Oberarzt Universitätsklinikum Münster Klinik für Neurochirurgie Albert-Schweitzer-Campus 1 Gebäude A1 48149 Münster Priv.-Doz. Dr. med. Stephanie Schipmann-Miletić Fachärztin für Neurochirurgie Universitätsklinikum Münster Klinik für Neurochirurgie Albert-Schweitzer-Campus 1 Gebäude A1 48149 Münster Dr. med. Michael Müther, MSc Wissenschaftlicher Mitarbeiter Universitätsklinikum Münster Klinik für Neurochirurgie Albert-Schweitzer-Campus 1 Gebäude A1 48149 Münster Prof. Dr. med. habil. Jan-Peter Warnke Chefarzt Neurochirurgie Paracelsus Klinik Zwickau Werdauer Straße 68 08060 Zwickau Christian Schürer Assistenzarzt Neurochirurgie Paracelsus Klinik Zwickau Werdauer Straße 68 08060 Zwickau Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Wölfer Chefarzt der Abteilung für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie Hufeland Klinikum – Standort Mühlhausen Langensalzaer Landstraße 1 99974 Mühlhausen/Thüringen 2 www.diagnose-glioblastom.de
VORWORT Liebe Patientinnen und Patienten, liebe Angehörige, die Diagnose eines womöglich bösartigen Hirntumors raubt Betroffenen und Angehörigen den Boden unter den Füßen. Was tun, wen fragen, welchem Rat folgen? Trotz umfangreichen Angebots in den modernen Medien ist es nicht immer einfach, umfassende, verständliche und objektive Information zu bekommen. Die Autoren haben versucht, eine Broschüre und eine Internetseite zu erstellen, die Ihnen die wichtigsten Fakten und Begriffe erklärt und bei der Einordnung hilft. Die Broschüre kann und soll das individuelle Gespräch mit Ihren Behandlern nicht ersetzen. Wenn sie aber bei einer ersten Orientierung hilft, hat sie ihren Zweck erreicht. September 2020 Die Autoren kontakt@diagnose-glioblastom.de 3
INHALTSVERZEICHNIS FAKTEN 5 WAS IST EIN GLIOBLASTOM 6 SYMPTOME 8 THERAPIEÜBERBLICK 10 DIAGNOSTIK 12 OPERATION 16 NEUROPATHOLOGIE 20 STRAHLENTHERAPIE 28 CHEMOTHERAPIE 40 INDIVIDUELLE THERAPIEN 48 PRIMÄRTHERAPIE 50 REZIDIVTHERAPIE 53 REZIDIVTHERAPIE IM RAHMEN VON STUDIEN 58 STUDIEN 62 PSYCHOONKOLOGISCHE BETREUUNG 64 4 www.diagnose-glioblastom.de
FAKTEN In Europa gibt es pro Jahr etwa 24.000 neu erkrankte Glioblastompatienten. Im Vergleich zu anderen Tumoren z.B. der weiblichen Brust (400.000/Jahr), der Prostata (375.000/Jahr) oder der Lunge (ca. 360.000/Jahr) sind Gliome, damit auch das Glioblastom, eher selten (Daten für 2018, European Cancer Information System ECIS). Trotz umfangreicher Forschung konnte bisher nicht geklärt werden, was die Ursachen für die Entwicklung von primären Hirntumoren wie dem Glioblastom sind. Außer radioaktiver (ionisierender) Strahlung sind keine Risikofaktoren für die Entwicklung von Glioblastomen bekannt, Vererbung ist ungewöhnlich. Die Behandlung ist schwierig, eine Heilung derzeit – anders als bei vielen anderen Tumoren – nicht zu erreichen. 48 Tausend 24Tausend 4 Tausend In Europa erkranken pro Jahr. Davon erkranken pro Jahr in In Deutschland erkranken pro ca. 48.000 Menschen Europa ca. 24.000 Jahr ca. 4000 Menschen an einem Hirntumor. an einem Gliom. an einem Gliom. kontakt@diagnose-glioblastom.de 5
WAS IST EIN GLIOBLASTOM Glioblastome zählen zu den sogenannten diffus infiltrierenden Hirntumoren, d.h. sie wachsen in gesundes Hirngewebe hinein. Der Begriff „Gliom“ deutet auf die Vermutung hin, dass Glioblastome dem Stützgewebe des Nervensystems, den sogenannten Gliazellen, entstammen. Aufgrund seiner Eigenschaften stuft die Weltgesund- heitsorganisation (WHO) die Glioblastome als Grad IV und damit als aggressiven Tumor ein. WHO Grad I histologisch gutartige Tumoren, die durch eine operative Entfernung üblicherweise geheilt werden können WHO Grad II histologisch gutartige, jedoch häufig infiltrativ wachsende Tumoren, die zu Rezidiven neigen, ohne jedoch die Überlebenszeit wesentlich einzuschräken WHO Grad III histologisch bösartige Tumoren, die mit einer Reduktion der Überlebenszeit einhergehen WHO Grad IV äußerst bösartige Tumoren, die mit einer deutlichen Reduktion der Überlebenszeit einhergehen, sofern keine effektive Behandlung zur Verfügung steht Hirnsubstanz hat zwei wesentliche Bestandteile: Die eigentlichen Nervenzellen, Neurone mit der Aufgabe der Informationsverarbeitung, und die Stütz- oder Klebesubstanz, genannt Glia. Neurone teilen sich im Erwachsenenalter praktisch nicht mehr, wes- halb echte Nervenzelltumoren selten sind. Gliazellen können allerdings eine Vielzahl von Hirntumoren bilden, die man alle zusammen nach ihrer Ursprungszelle „Gliome“ nennt. Gliome werden aber nicht nur nach ihren mutmaßlichen Ursprungs- zellen, sondern auch nach Wachstumsgeschwindigkeit bzw. Bösartig- keit eingeteilt. Man unterscheidet die WHO-Grade I (gutartig) bis IV (sehr schnell wachsend, bösartig). Das häufigste Gliom ist das Glioblastom. Es ist bösartig und kann bis heute nicht dauerhaft geheilt werden. 6 www.diagnose-glioblastom.de
Alle verfügbaren Behandlungsformen – Operation, Bestrahlung, Chemo- therapie, elektrische Wechselfelder, Hitze und andere – versuchen den Tumor zu verkleinern und sein Wachstum aufzuhalten, ohne dem Patienten dabei zu schaden. Die Verwendung von WHO-Graden erlaubt auch, das häufige Phänomen der Entartung (maligne Progression) zu beschreiben. Viele Astrozytome und Oligodendrogliome WHO Grad II und III können sich im Verlauf in bösartigere Grad III- bzw. Grad IV-Tumore (Glioblastome) umwandeln. Häufiger sind allerdings primäre (direkt entstandene) Glioblastome. Heute werden bei der Einteilung von Gliomen auch molekulare Veränderungen berücksichtigt. Besondere Bedeutung hat dabei der Nachweis von Mutationen (genetischen Veränderungen) des IDH1-Gens, der z.T. ganz einfach mit einer Immunfärbung an einem Gewebeschnitt gelingt. Für die Diagnose eines Oligodendroglioms muss die Neuropathologie den Verlust von Erbsubstanz der Chromosomen 1 und 19 nachweisen (LOH 1p/19q oder Kodeletion 1p/19q). Weitere für die Diagnose wichtige molekulare Veränderungen betreffen u.a. die Gene BRAF, TERT, ATRX und H3F3A. Die sogenannte Promotormethylierung des MGMT-Gens spielt bei der Entscheidung für oder gegen eine Chemo- therapie beim Glioblastom eine Rolle. Abb. 1 Einordnung Glioblastom Hirntumore allgemein Primäre Hirntumore Gliome Astrozytome Glioblastome kontakt@diagnose-glioblastom.de 7
SYMPTOME Menschen, die an einem Glioblastom erkrankt sind, leiden zwar unter Symptomen, doch ist deren Ausmaß und Ausprägung davon abhängig, wo genau sich der Gehirntumor befindet. Je nach betroffener Hirnregion kann es zu völlig unterschiedlichen Symptomen kommen, was die Diagnose oft erschwert. Allgemein treten die Symptome innerhalb weniger Wochen auf. Das Gehirn hat innerhalb des Schädels keine Möglichkeit, dem raum- fordernden Tumor auszuweichen oder sich den geänderten Druckverhält- nissen anzupassen. So leiden die Betroffenen oft an Kopfschmerzen – vor allem nachts oder am frühen Morgen. Des Weiteren berichten Patienten, dass sich der Schmerz anfangs im Laufe des Tages von selbst bessert. Anders als bei anderen Kopfschmerzen kehrt er bei Verdacht auf hirneigenen Tumoren jedoch in regelmäßigen Abständen wieder. Daneben finden sich bei Patienten mit Glioblastom häufiger folgende Symptome, die aber auch bei allen anderen Hirntumoren zu beobachten sind: • Schwindel • Koordinationsprobleme • Sehstörungen • Krampfanfälle • Wesensveränderungen • Übelkeit • Müdigkeit • Abgeschlagenheit 8 www.diagnose-glioblastom.de
Die häufigsten Symptome im Überblick • Neu auftretende epileptische Krampfanfälle • Persönlichkeitsveränderungen • Neurologische Herdzeichen • Lähmung • Sprachstörung • Sehstörung • Ungeschicklichkeit • Zeichen erhöhten Hirndrucks • Kopfschmerzen • Übelkeit • Erbrechen • Bewusstseinstrübung kontakt@diagnose-glioblastom.de 9
THERAPIEÜBERBLICK DIAGNOSTIK OPERATION NEUROPATHOLOGIE ANSCHLUSS-THERAPIEN STRAHLENTHERAPIE CHEMOTHERAPIE 10 www.diagnose-glioblastom.de
INDIVIDUELLE THERAPIEN PRIMÄR THERAPIE REZIDIV THERAPIE kontakt@diagnose-glioblastom.de 11
DIAGNOSTIK 12 www.diagnose-glioblastom.de
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DIAGNOSTIK Am besten lassen sich Gliome in der Kernspintomographie (auch MR, MRT, NMR ) dar- stellen. Es werden meist Bilder vor und nach Kontrastmittel gemacht, die man zur Be- handlungsplanung undzurVerlaufskontrolle inregelmäßigen Abständen wiederholt. Allergien auf das MR-Kontrastmittel sind selten. Allerdings können Menschen mit Platzangst oder Lärmempfindlichkeit Probleme mit den Aufnahmen haben, auch wenn die Röhren mittlerweile größer gewor- den sind. Häufig hilft ein leichtes Beruhigungsmittel. Wenn ein MRT bei Platzangst oder z.B. wegen eines Herzschrittmachers gar nicht mög- lich ist, weicht man aufs Computertomogramm (CT) aus – kurze Röhre, Röntgenstrahlen, jodhaltiges Kontrastmittel. Kontrastmittelallergien sind hier häufiger, außerdem kann eine vorbestehende Schilddrüsen- erkrankung weitere Medikamente erforderlich machen. Die Aufnahmen bringen eine gewisse Strahlenbelastung mit sich, ihre Aussagekraft ist etwas geringer als die eines MRT. Bei unklaren Befunden werden Methoden genutzt, die etwas über den Stoffwechsel in verdächtigen Bereichen aussagen: Bei der Positronenemissionstomographie (PET) wird eine kleine Menge eines Stoffes in eine Vene gespritzt, der von schnell wachsenden (Tumor-) Zellen verbraucht oder eingebaut wird. Oft sind es Zucker oder Aminosäuren, die man radioaktiv markiert und anhand ihrer Strahlung wiederfindet. 14 www.diagnose-glioblastom.de
Die histologische Bestätigung mithilfe von Biopsiematerial ist obligat. Zur differenzialdiagnostischen Abklärung von entzündlichen Erkrankungen, einschließlich Hirnabszess, Keimzelltumoren, primären zerebralen Lymphomen oder Hirnmetastasen kann eine Liquordiagnostik vorgenommen werden. Eine Elektroenzephalographie (EEG) ist für die Beurteilung einer Epilepsie indiziert. Eine neuropsychologische Untersuchung wird mitunter früh in die Diagnostik integriert und kann folgende Aspekte umfassen: • kognitive Funktionsbereiche (unter anderem höhere visuelle Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache, Zahlenverarbeitung, Exekutivfunktionen) • qualitative Verhaltensbeschreibung • Affekt und Ermüdung/Fatigue • potentielle „Störvariablen“ wie Kopfschmerzen, Medikamentennebenwirkungen oder eine reduzierte Anstrengungsbereitschaft kontakt@diagnose-glioblastom.de 15
OPERATION 16 www.diagnose-glioblastom.de
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OPERATION Bei Glioblastomen ist die Operation der erste Schritt der Therapie. Unterscheiden kann man Biopsien von den offenen Tumorresektionen: Die offene Operation hat das Ziel, möglichst viel Tumormasse zu entfernen, ohne dem Patienten einen Schaden zuzufügen. Allerdings haben Gliome im Hirngewebe keine feste Grenze, sodass immer wieder neu abgewogen werden muss, wie weit man bei der Operation geht. Dazu haben sich in den letzten Jahren eine Reihe von Techniken entwickelt: 5-ALA-Fluoreszenz Der Patient trinkt einige Stunden vor dem Eingriff ein Medikament, das nur in Tumorzellen zu einem Farbstoff umgewandelt wird. Eine Schwarz- lichteinrichtung im OP-Mikroskop erzeugt in den Tumorzellen eine rötlich- orange Fluoreszenz, an der sich der Operateur ausrichten kann. Die ersten Stunden nach einer Operation mit 5-ALA sollten in relativer Dunkelheit verbracht werden, weil das Medikament auch unter Kunstlicht eine Art Sonnenbrand auslösen kann. Neuronavigation Vor der Operation werden Bilder (z.B. MRTs) des Tumors zu einem drei- dimensionalen Datensatz verrechnet. Der lässt sich auf einem Bildschirm oder direkt im Mikroskop auf das OP-Gebiet projizieren und zeigt Tumor- grenzen oder auch wichtige, unbedingt zu schonende Strukturen an. 18 www.diagnose-glioblastom.de
Neuromonitoring Während des Eingriffs werden Strukturen inunmittelbarer Nachbar- schaft des Tumors – meist durch elektrische Rezung im Gewebe – auf Funktion getestet. Findet man eine Reaktion (z.B. Aktivierung eines Muskels), wird die Tumorentfernung an dieser Stelle beendet. Extremfall des Neuromonitorings ist die Wachoperation: Dabei bekommt der geweckte – üblicherweise schmerz- und stressfreie – Patient während der Tumorentfernung z.B. sprachliche Aufgaben. Wenn die elektrische Rei- zung zu einem kurzen Ausfall der getesteten Funktion führt, ist die Grenze der Tumorentfernung erreicht. Biopsien Biopsien, andere Bezeichnung auch „Probeexzisionen“ (PE), dienen zur Sicherung der Diagnose – entweder, weil der Tumor für eine weitergehende Entfernung zu ungünstig liegt oder weil man den Verdacht eines Neuwachstums nach Therapie durch eine Probe klären möchte, ohne einen offenen Eingriff durchzuführen. Biopsien gewin- nen kleine (reiskorngroße) Gewebeproben und sind minimal invasiv. Sie können in Narkose, aber auch unter Lokalanästhesie durchgeführt werden. Biopsien werden oft von einem stereotaktischen Zielsystem gelenkt. Dabei wird entweder ein Stereotaxierahmen am Kopf angebracht oder die Neuronavigation benutzt. kontakt@diagnose-glioblastom.de 19
NEUROPATHOLOGIE 20 www.diagnose-glioblastom.de
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NEUROPATHOLOGIE In das Aufgabenfeld der Neuropathologie gehört die histologische und molekulare Diagnosesicherung des während der Operation entnommenen Tumorgewebes. Hirntumore werden entsprechend der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems in vier Grade (I-IV) einge- teilt, dabei entspricht Grad I einem gutartigen und Grad IV einem bösartigen Tumor (s. S. 6). Das Glioblastom gilt als der häufigste bösartige hirneigene Tumor bei Erwachsenen und ist definitionsgemäß ein WHO Grad IV-Tumor. Glioblastome gehören zu den astrozytären Tumoren, d.h. sie entstehen aus Astrozyten (Gliazellen) oder deren Vorläuferzellen (neurale Stammzellen). Der Schnellschnitt Während der Operation wird häufig Tumorgewebe entnommen und di- rekt als sog. „Schnellschnitt“ verschickt. Im Gegensatz zu dem Material, welches für die ausführliche neuropathologische Diagnostik verwendet wird, wird das Schnellschnittgewebe schockgefroren. Die mikroskopische Betrachtung der Schnitte mit einfachen Färbungen erlaubt eine rasche (binnen ca. 20 Minuten) und wegweisende Diagnosestellung und kann möglicherweise das operative Vorgehen beeinflussen. Da zusätzliche Untersuchungen (z.B. Molekularpathologie) mit dieser Technik – besonders aus Zeitgründen – nicht möglich sind, wird aus dem Ergebnis der Schnellschnittdiagnostik keine definitive Diagnose gestellt. 22 www.diagnose-glioblastom.de
Die neuropathologische Diagnostik Das entnommene Tumorgewebe wird fixiert und in Paraffin (Wachs) eingebettet, es werden zahlreiche dünne Schnitte angefertigt. Das Gewebe wird mit verschiedenen Spezialfärbungen gefärbt. Hier werden neben der mikroskopischen Diagnostik sowohl immunhistochemische Färbungen als auch molekularpathologische Untersuchungen durchge- führt, was eine detaillierte Diagnostik ermöglicht und auch zur Diagnose- stellung gefordert wird. Mikroskopie Bereits unter dem Mikroskop lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit das Glioblastom diagnostizieren. Typische mikroskopische Charakteristika des Glioblastoms sind Tumorzellen mit langen Zellfortsätzen (typisch für astrozytäre Zellen), eine ausgeprägte Vielfalt des Aussehens der Zellkerne (Kernpleomorphie), Zeichen einer erhöhten Zellteilung (erhöhte Mitose- und Proliferations- rate), kollektiver Tumorzelluntergang (Nekrose) aufgrund von schnellem Wachstum und dadurch entstehendem Mangel an Sauerstoff und Nähr- stoffen, palisadenförmige Anordnung der lebenden Tumorzellen im Randbereich der Nekrose, Bildung neuer Gefäße (mikrovaskuläre Pro- liferation) zur Kompensation des schnellen Wachstums und eventuell Verstopfung von Tumorgefäßen (Thrombosierung) aufgrund von Veränderungen im Blutfluss. kontakt@diagnose-glioblastom.de 23
NEUROPATHOLOGIE IDH1/2 Mutation Die Immunhistochemie, eine Methode, bei der mit Hilfe von markier- ten Antikörpern tumor-spezifische Proteine sichtbar gemacht werden können, kommt zum Nachweis von Mutationen in dem Stoffwechsel- enzym Isocitrat-Dehydrogenase (IDH) zur Anwendung. Glioblastome mit einer Mutation in einem der beiden IDH-Gene (am häufigsten IDH 1 und sehr selten IDH 2) haben eine deutlich bessere Prognose im Vergleich zu Tumoren mit intaktem IDH (IDH-Wildtyp). IDH-mutierte Glioblastome werden als sekundäre Glioblastome bezeichnet, da sie i.d.R. aus niedriggradigeren Gliomen entstehen (WHO Grad II oder WHO Grad III). Diese finden sich überwiegend bei jüngeren Patienten. Mit der immunhistochemischen Färbung können ca. 85-90% der IDH-Mu- tationen nachgewiesen werden. Bei immunhistochemisch negativem Befund wird bei klinischem Verdacht auf ein sekundäres Glioblastom (z.B. junges Alter, vorbekanntes low-grade Gliom) eine IDH1 und 2- Sequenzie- rung durchgeführt. GFAP und olig2 Diese beiden Marker werden mithilfe von Immunhistochemie nach- gewiesen. Beide sind sowohl in primären als auch in sekundären Glioblastomen vorhanden, haben aber keine prognostische Relevanz. Sie dienen lediglich der Diagnosesicherung eines Glioblastoms, da sie zeigen, dass der Tumor von Astrozyten (GFAP) bzw. Gliazellen generell (olig2) ab- stammt. 24 www.diagnose-glioblastom.de
MGMT-Promotormethylierung Die Methyl-Guanin-Methyl-Transferase (MGMT) ist ein DNA-Reparatur Enzym, d.h. es kann, wenn z.B. das Erbgut von Tumorzellen (DNA) durch Strahlen- oder bestimmte Chemotherapeutika geschädigt wird, dieses wieder reparieren und die applizierte Chemotherapie weniger wirksam machen. Wird hingegen eine Methylierung des MGMT-Promotors nach- gewiesen, wird das Enzym in seiner Funktion ausgeschaltet, und der Tumor kann entsprechend die durch Chemotherapie verursachten Schäden am Erbgut nicht mehr reparieren. Dies erklärt, dass MGMT- methylierte Tumoren besser auf bestimmte Chemotherapeutika (z.B. Temozolomid und Lomustin) ansprechen und damit die Überlebenszeit dieser Patienten durch die Gabe von Chemotherapeutika im Vergleich zu Patienten mit nicht-methylierten Glioblastomen nachweislich verlängert werden kann. Damit gilt der MGMT-Methylierungsstatus als ein wichti- ger Marker für das Ansprechen auf eine adjuvante Strahlen- und Chemo- therapie und ist oft hilfreich bei Therapieentscheidungen. Die Bestimmung des MGMT-Methylierungsstatus ist eine molekularpathologische Diagnostik, sie erfolgt im Rahmen einer PCR (Polymerasekettenreaktion) oder DNA-Sequenzierung. Ki67 (MIB-1) Proliferationsindex Dieser Marker wird auch mittels Immunhistochemie sichtbar gemacht und zeigt die Teilungsrate der Tumorzellen an. Er hat keinen unmittelbaren diagnostischen Wert, kann aber dem Neuropathologen helfen zwischen einem gutartigen und bösartigen Tumor zu unterscheiden. Bösartige Tumoren, wie z.B. das Glioblastom, haben eine hohe Teilungsrate entspre- chend einem hohen Anteil Ki67 positiver Tumorzellen >10%). kontakt@diagnose-glioblastom.de 25
NEUROPATHOLOGIE TERT-Promoter TERT (Telomerase reverse Transkriptase) ist ein Enzym, welches Verluste an den Enden (sog. Telomere) der Chromosomen (Trä- ger der Erbinformation) nach der Zellteilung wiederherstellt. Bei Glioblastomen können Mutationen im Bereich des TERT-Promoters auftreten, die dazu führen, dass das Enzym eine verstärkte Aktivität aufweist und damit durch Stabilisierung der Chromosomenenden das Tumorzellwachstum gefördert wird. Glioblastome mit einer TERT Mutation gehen mit einer schlechteren Prognose einher. TERT Mutationen finden sich insbesondere bei IDH-Wildtyp Glioblastomen. Die Mutations- analyse erfolgt über eine DNA-Sequenzierung der entsprechenden Genabschnitte. ATRX Ähnlich wie TERT kontrolliert ATRX (α-thalassemia/mental retardation syndrome Xlinked-) Gen das Telomerwachstum. Mutationen in dem ATRX Gen können zu einem ATRX Verlust führen und sind im Gegensatz zu TERT- Promotor Mutationen häufig bei sekundären Glioblastomen zu finden. Der Nachweis eines ATRX-Verlustes erfolgt über immunhistochemische Färbungen. P53 Mutationen im Bereich des Tumorsuppressors P53 finden sich am häufigsten bei sekundären Glioblastomen. Eine prognostische Relevanz ist bisher nicht bekannt. Der Nachweis erfolgt über immunhistochemische Färbungen. 26 www.diagnose-glioblastom.de
Biomarker Differenzierung von primären und sekundären Glioblastomen Generell tragen sämtliche ergänzenden molekularbiologischen und immunhistochemischen Untersuchungen dazu bei, zwischen einem primären und einem sekundären Glioblastom zu unterscheiden. Die Prognose bei sekundären Glioblastomen, welche i.d.R. aus niedrig- gradigeren Gliomen entstehen, ist vergleichsweise besser, es sind häu- figer jüngere Patienten betroffen. In der unten stehenden Tabelle findet sich eine Übersicht über die Ausprägung der genannten Biomarker bei primären und sekundären Glioblastomen. Primäres Glioblastom Sekundäres Glioblastom IDH Wildtyp mutiert TERT-Promotor häufig mutiert selten mutiert ATRX erhaltene Expression ATRX Verlust häufig P53 selten mutiert häufig mutiert kontakt@diagnose-glioblastom.de 27
STRAHLENTHERAPIE 28 www.diagnose-glioblastom.de
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STRAHLENTHERAPIE Die Strahlentherapie (Radiotherapie) stellt – neben Operation und Chemotherapie – die dritte Säule der modernen Hirntumortherapie dar. Durch die Behandlung mit ionisierender Strahlung werden Tumoren unter Kontrolle gehalten oder zerstört. Häufig kommen sogenannte multimodale Therapiekonzepte zum Einsatz. Dabei wer- den verschiedene Behandlungsmöglichkeiten miteinander kombiniert. So kann einer operativen Tumorentfernung etwa eine kombinierte Radiochemotherapie (Strahlentherapie kombiniert mit Chemotherapie) folgen. In den meisten Fällen bildet die Operation den ersten therapeutischen Schritt mit Entfernung des sichtbaren Tumors oder auch zur Entlastung, um vorliegende Beschwerden zu verringern. Oft ist die Operation jedoch nicht dazu in der Lage, den Tumor verlässlich zu entfernen, ohne mikrosko- pisches Resttumorgewebe zu hinterlassen. Häufig zeigen Hirntumoren die Eigenschaft, in das umgebende Hirngewebe zu infiltrieren, ohne dass die- se Zellverbände mit bloßem Auge während der Operation oder aber vor der Operation mit Hilfe bildgebender Verfahren entdeckt werden können. 30 www.diagnose-glioblastom.de
Ausgedehntere Operationen mit dem Ziel, diese möglichen Zellverbän- de zu entfernen, sind in der Regel unmöglich, da sonst unvertretbare neurologische Ausfälle verursacht würden. Daher ist das wesentli- che Ziel der Bestrahlung in diesen Situationen, etwaige verbliebene Zellverbände an weiterem Wachstum zu hindern oder aber auch sichtbares Tumorgewebe, das aufgrund der Lokalisation chirurgisch nicht vollständig entfernbar ist, zu beseitigen oder so zu behandeln, dass es nicht weiter- wächst. Hieraus resultiert in den meisten Fällen die Notwendigkeit für eine Strahlenbehandlung der sogenannten „erweiterten Tumorregion“. Das heißt, dass ausschließlich das Gebiet des ursprünglichen Tumorsitzes und Gebiete möglicher Tumorinfiltration strahlentherapeutisch behandelt werden. kontakt@diagnose-glioblastom.de 31
STRAHLENTHERAPIE Was ist Strahlentherapie? Die Strahlentherapie ist nach der Operation die wichtigste Behandlungsmaßnahme bei Tumoren des Zentralnervensystems. Durch intensive Forschung von Medizinern, Biologen und Physikern hat sich in den letzten Jahren eine eigenständige Disziplin entwickelt, die in enger Kooperation mit den anderen beteiligten Fachgebieten, vor allem der Neurochirurgie und Neurologie, eine optimierte Gesamtbehandlung bei Hirntumoren erreichte. Durch die Entwicklung moderner Bestrahlungsgeräte (Linear- beschleuniger) wurde die Voraussetzung geschaffen, auch in der Tiefe des Körpers gelegene Tumoren zu bestrahlen. Hierdurch werden Nachbarorgane und auch die Hautoberfläche weitgehend geschont. Unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung einer optimierten Strahlentherapie ist die Einführung computergestützter Bestrahlungs- planungssysteme, die eine individuell ausgerichtete Bestrahlung errei- chen, mit dem Ziel, die Heilungsraten zu optimieren und etwaige Neben- wirkungen zu reduzieren. Dabei wird der Patient in ein virtuelles dreidi- mensionales Koordinatensystem gebracht, die Strahlen fokussieren den Tumorbereich aus verschiedenen Raumrichtungen. Hierzu ist es jedoch wichtig, den Tumor exakt zu identifizieren. Die modernen bildgebenden Verfahren sind hierzu in der Lage: Der Tumor kann von Normalgewebe exakt abgegrenzt werden, sodass sich in den letzten Jahren hochpräzise Bestrahlungstechniken entwickeln konnten. 32 www.diagnose-glioblastom.de
Die medizinisch einsetzbare Strahlung wird heute durch hochmoderne „Linearbeschleuniger“ erzeugt. Es entsteht hierbei eine „hochenerge- tische Röntgenstrahlung“, die dazu in der Lage ist, in größere Körpertiefen vorzudringen. Moderne Bestrahlungsplanungssysteme können unter Zuhilfenahme der modernen bildgebenden Verfahren diese Strahlung im gewünsch- ten Zielgebiet fokussieren. Hierbei werden unterschiedliche Strahlen- therapiefelder eingesetzt, die aus unterschiedlichsten, individuell ausgerichteten Richtungen eingestrahlt werden. Wie ist das Wirkprinzip der Bestrahlung? Ionisierende Strahlung erzeugt Schäden am Erbgut der bestrahlten Zellen und kann dadurch Zellteilungen verhindern und Zellen zum Absterben bringen. Gesundes Gewebe besitzt Reparaturmechanismen, durch die entstandene Schäden in der Erbinformation beseitigt werden können. In Krebszellen funktionieren diese Mechanismen oft nur eingeschränkt. Dadurch erklärt sich, dass viele bösartige Tumoren besonders empfindlich auf ionisierende Bestrahlung reagieren. Bei der Strahlentherapie wird eine hohe Strahlendosis in einen lokal eng begrenzten Bereich, das sogenannte Zielvolumen (bestehend aus dem Tumor und seinem Ausbreitungsgebiet) eingestrahlt. Ziel ist es, den Tumor zu vernichten. Gleichzeitig sollen benachbarte strahlen- empfindliche Organe und Gewebe (sogenannte Risikoorgane) geschont werden. kontakt@diagnose-glioblastom.de 33
STRAHLENTHERAPIE Welche Unterschiede der Verfahren gibt es? Bestrahlung der Tumorregion Die Behandlung konzentriert sich auf das Tumorbett einschließlich eines Sicherheitssaums mit möglichem (mit üblichen bildgebenden Verfah- ren nicht nachweisbarem = subklinischem) Befall (in der Regel 2,0 cm). Zur Optimierung der Bestrahlung werden individuell computergestützte Bestrahlungspläne angefertigt, um möglichst viel umgebendes Gewebe zu schonen (z. B. bei niedrig- und hochmalignen Gliomen). Die Anwendung individualisierter Gesichtsmasken oder Aufbiss- techniken ist Grundvoraussetzung, um eine exakte Lagerung des Kop- fes zu erreichen. Das zu bestrahlende Gebiet umfasst den im CT oder MRT sichtbaren Tumor unter Einschluss von Arealen mit möglicher Tumorinfiltration. Die Vorteile der computergestützten Bestrahlungsplanung sind die exakte Lokalisierung des Bestrahlungs- gebiets sowie eine präzise Abgren- zung kritischer Organe wie des Hirnstamms und der Sehbahnkreuzung (Chiasma). Die Computer- tomographie gewinnt für die physikalische Bestrahlungsplanung zusätzlich Dichtewerte, die für die Bestrahlungs- planung notwendig sind, sodass eine individualisierte, optimale Feldanpassung und Dosisverteilung berechnet werden kann. 34 www.diagnose-glioblastom.de
Stereotaktische Einzeitbestrahlung / Linearbeschleuniger-gestützte Systeme oder Gamma Knife Das Ziel der stereotaktischen Einzeitbehandlung besteht darin, eine klinisch ausreichende Dosis innerhalb des Tumors zu applizieren und eine Mitbestrahlung normalen, umgebenden Hirngewebes auszuschließen. Es können mit einer Einzeitbestrahlung gut abgegrenzte Tumoren geringer Ausdehnung exakt und hochdosiert bestrahlt werden. Die stereotaktische Einzeitbestrahlung kommt typischerweise bei einzelnen Hirnmetastasen (nicht mehr als drei Herde), Gefäßmiss- bildungen und gutartigen Tumoren, die vom Hörnerven ausgehen (Akustikusneurinome), zum Einsatz. Linearbeschleuniger-gestützte Systeme und das Gamma Knife unterscheiden sich lediglich in technischen Einzelheiten, nicht aber im medizinischen Einsatzgebiet. Der wesentliche technische Unterschied zwischen beiden Systemen liegt in folgendem: Gamma Knife: Über 200 einzelne Telecobaltquellen produzieren ein Strahlungs- bündel mit kleinstem Durchmesser. Die Bündel kreuzen sich in einem Punkt. Die Bündelung wird durch einen speziellen Helm erreicht. Linearbeschleunigergestützte Systeme: Der erzeugte Strahl wird mit einem speziellen röhrenförmigen Aufsatz kleinsträumig eingegrenzt. Dieser Strahl wird über mehrere Kreis- bögen geführt und konzentriert sich in einem definierten Schnittpunkt (Isozentrum). Hierdurch wird eine maximale Fokussierung erreicht (wie in einem Brennglas). kontakt@diagnose-glioblastom.de 35
STRAHLENTHERAPIE Ganzhirnbestrahlung (unter Einschluss der Meningen, sog. „Helmfeld“) Die Bestrahlung erfolgt über zwei seitliche Felder, die um 180 Grad aufeinander stehen. Das Zielgebiet umfasst bei Metastasen die Hirnstruk- turen, bei Leukämien aber auch die äußeren Hirnwasserräume, die sich entlang der äußeren Hirnhäute (Meningen) erstrecken. Letztere Gebiete müssen häufig in das Therapiefeld integriert werden, da hier Tumorzellen (vorwiegend beim Medulloblastom, Keimzelltumoren und bei Leukämien) über den Hirnwasserfluss verschleppt werden können. Eine unzureichende Erfassung ist daher mit einem erhöhten Risiko für einen Rückfall der Tumorerkrankung verbunden, sodass sich eine besonders sorgfältig durchgeführte Bestrahlungstechnik entscheidend auf die Behandlungsergebnisse auswirkt. Durch spezielle Blenden wird das übrige Gewebe des Kopfes (Augen/Gesichtsbereich, Mundhöhle und Ra- chen) aus dem Bestrahlungsfeld herausgelassen. Strahlenbehandlung der Neuroachse Das Gehirn und der Spinalkanal werden bei Tumoren mit spinaler Aus- saat bestrahlt (Medulloblastom, Keimzelltumoren, Lymphome). Sie besteht im Wesentlichen aus der „Helmtechnik“ (siehe oben) und daran anschließenden spinalen Bestrahlungsfeldern. Eine reproduzierbare Lage- rung mit entsprechenden Fixationshilfen bildet die Voraussetzung für eine exakte Feldeinstellung. Anschließend erfolgt in der Regel eine lokale Strahlentherapie des ursprünglichen Tumorsitzes. Diese Bestrahlungs- technik entspricht üblicherweise der o.g. Vorgehensweise. 36 www.diagnose-glioblastom.de
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STRAHLENTHERAPIE Welche Dosis wird verabreicht? Die für eine Tumorvernichtung notwendige Dosis richtet sich nach der Strahlenempfindlichkeit des entsprechenden Tumors. Hochmaligne Gliome benötigen eine Dosis bis 60 Gy, niedrig maligne Gliome zwischen 45 und 54 Gy. Bei Hirnmetastasen wird üblicherweise das gesamte Gehirn bis 30 Gy bestrahlt. Je nach klinischen Umständen und ursprünglicher Tumorart können die Dosisverschreibungen aber individuell angepasst variieren. Vor Beginn der Radiotherapie wird die Höhe der Einzeldosis, die Enddosis und die Anzahl der einzelnen Gaben (=Fraktionen) vom Radio- onkologen festgelegt. In der überwiegenden Mehrheit orientiert sich das vorgesehene Bestrahlungskonzept an bestimmten Standards oder an den entsprechenden Therapieprotokollen für die Behandlung von Hirn- tumoren, vor allem im Kindesalter. Die Dosiskonzepte unterliegen daher auch einer weiteren Erforschung mit dem Ziel, höhere Heilungschancen zu erreichen, aber auch gleichzeitig etwaige Nebenwirkungsrisiken zu reduzieren. 38 www.diagnose-glioblastom.de
Lebensweise während der Strahlentherapie und Nebenwirkungen Üblicherweise ist das akute Nebenwirkungsrisiko unter der Strahlen- therapie so gering, dass eine Einschränkung des täglichen Lebens nur selten notwendig ist. Vor allem während der Frühlings- und Sommer- monate sollte jedoch darauf geachtet werden, direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Einer Kopfbedeckung sollte der Vorzug gegeben werden. Ebenso sollten auch Schwimmen oder Saunagänge während der Behand- lungszeit und ca. 4-6 Wochen danach nicht durchgeführt werden. Weitere Einzelheiten bespricht der betreuende Radioonkologe mit dem Patienten. Nachsorge und Spätfolgen Bei Abschluss der Bestrahlung erfolgt üblicherweise eine Kontrollun- ter-suchung. Hierbei wird das therapeutische Ergebnis, die etwaigen Nebenwirkungen unter Therapie und das weitere Vorgehen bespro- chen. Hierzu gehören auch die weiteren möglicherweise notwendigen Medikamente, die Hautpflege und die Lebensweise. In Einzelfällen kommen zusätzliche Chemotherapien in Frage. Häufig wird ein kurzfristiger Kontrolltermin anberaumt, vor allem dann, wenn bei Abschluss der Radio- therapie Nebenwirkungen festzustellen sind. Die weitere Nachsorge erfolgt interdisziplinär, d.h. in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Neurochirurgie und der Neurologie. Es erfolgen regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen, die auch teilweise innerhalb spezieller Behandlungsprotokolle nach bestimm- ten Rhythmen vorgeschrieben sind. Innerhalb des Nachsorgeprogrammes ist es notwendig, dass der betreuende Radioonkologe den betroffenen Patienten mindestens einmal pro Jahr sieht. kontakt@diagnose-glioblastom.de 39
CHEMOTHERAPIE 40 www.diagnose-glioblastom.de
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CHEMOTHERAPIE Was versteht man unter Chemotherapie? Unter Chemotherapie versteht man die Behandlung mit sogenannten Zytostatika. Zytostatika sind Zellgifte, die besonders sich schnell teilende Zellen wie z.B. Tumorzellen angreifen. Diese Medikamente können das krankhafte Zellwachstum der Tumoren hemmen und damit den Tumor verkleinern oder sogar ganz zerstören. Es gibt verschiedene Zytostatikaklassen, die an unterschiedlichen Stellen des Zellstoffwechsels angreifen. Manchmal werden auch mehrere Zytostatika miteinander kombiniert, um die wachstumshemmende Wirkung zu verstärken. Die Chemotherapie ist eine sogenannte „systemische“ Therapie, die im ganzen Körper wirkt und Absiedelung in andere Organe oder Gewebe verhindern soll. 42 www.diagnose-glioblastom.de
Wann wird bei Hirntumoren eine Chemotherapie durchgeführt? Der Einsatz einer Chemotherapie hängt von der Lokalisation und dem Grad der Bösartigkeit des Tumors ab. Ist eine Chemotherapie indiziert, wird bei Patienten mit Hirntumoren die Chemotherapie nach der Operation und histologischen Sicherung des krankhaften Prozesses angewendet. Die Chemotherapie erfolgt dann entweder vor der Strahlentherapie („neo- adjuvante Therapie“), gleichzeitig mit der Strahlentherapie („begleitende Therapie“) oder nach der Strahlentherapie („adjuvante Therapie“). In einigen Fällen ist die Chemotherapie auch ohne begleitende oder vorangegangene Operation bzw. Strahlentherapie möglich und sinnvoll. Kommt es trotz Einsatz der Chemotherapie zu einem erneuten Tumor- wachstum, so wird die Chemotherapie intensiviert oder auf ein anderes Therapieregime umgestellt („Rezidivtherapie“). kontakt@diagnose-glioblastom.de 43
CHEMOTHERAPIE Wie ist der Ablauf einer Chemotherapie? Die Blut-Hirn-Schranke ist eine natürliche Barriere, die das Gehirn vor eindringenden Giftstoffen schützen soll. Zur Chemotherapie von Hirntumoren werden deshalb Medikamente eingesetzt, die diese Blut-Hirn-Schranke passieren können. Man spricht auch davon, dass ein Medikament „liquorgängig“ sein muss, d.h. in die Ge- hirn- und Rückenmarksflüssigkeit aufgenommen werden kann. Dies trifft nur für eine geringe Anzahl von Zytostatika zu. Zu den Zytostatika, die heute bei Hirntumoren eingesetzt werden, gehören insbesondere alkylierende Substanzen wie Temozolomid oder Nitrosoharnstoffe (z.B. CCNU), Mitosehemmstoffe wie VP16 (Etoposid) oder Platinverbindungen (Cisplatin, Carboplatin). 44 www.diagnose-glioblastom.de
Welche Medikamente gibt es? Je nach Medikament und Therapiekonzept kann die Chemotherapie entweder als Kapsel (orale Gabe) eingenommen oder über die Vene als Infusion (intravenöse Gabe) verabreicht werden. In Ausnahmefällen wird das Zytostatikum auch direkt in das Liqoursystem über ein spezielles Reservoir verabreicht. In den meisten Fällen kann die Behandlung ambulant erfolgen, das heißt, eine stationäre Aufnahme ist nicht erforderlich. Bei schlechten Venenverhältnissen ist u.U. die Anlage eines sogenannten Ports (spezielle Kammer, die unter der Haut liegt und mit einer Vene in Verbindung steht) notwendig, um die Medikamente sicher infundieren zu können. Ansonsten könnten – in Abhängigkeit von der Art des Medikamentes – Hautreizungen bis hin zu Gewebenekrosen auftreten, wenn die Chemotherapie neben die Vene läuft („Paravasat“). Die Chemotherapie läuft üblicherweise in Zyklen ab, d.h. nach Einnahme der Medikamente werden Therapiepausen von 1-4 Wochen eingelegt. kontakt@diagnose-glioblastom.de 45
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Welche Nebenwirkungen können auftreten? Die Nebenwirkungen sind abhängig von der Art der Chemotherapie. Grundsätzlich besteht das Problem, dass durch die Chemotherapie auch gesunde, sich schnell teilende Zellen angriffen werden. Die Nebenwirkungen der Zytostatika betreffen deshalb – je nach Subs- tanz in unterschiedlichem Ausmaß – die Haarwurzeln, die Schleimhäute in Magen und Darm und das blutbildende System im Knochenmark. Es kann daher zu Haarausfall, Entzündungen der Mundschleim- häute, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall und Blutbildver- änderungen kommen. Eine Foge der Blutbildveränderungen, die oft erst einige Zeit nach der Behandlung einsetzt, ist die Verringerung der weißen Blutkörperchen („Leukozyten“) und damit eine Schwächung der Krank- heitsabwehr. Seltener sind Gerinnungsstörungen durch zu wenige Thrombozyten oder eine Blutarmut („Anämie“) durch Mangel an roten Blutkörperchen („Erythrozyten“). Das Blutbild muss daher während einer Chemotherapie regelmäßig kontrolliert werden. kontakt@diagnose-glioblastom.de 47
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INDIVIDUELLE THERAPIEN PRIMÄRTHERAPIE Die sogenannte Primärtherapie erfolgt in den meisten Fällen bei der Erstdiagnose eines Glioblastoms. Hierbei wird in der Regel das sogenannte Stupp-Schema (s.u.) angewendet. Die Entscheidung, welche Therapie für die Behandlung des Glioblastoms bei Erstdiagnose am ehestens in Frage kommt, trifft die behandelnde Ärztin oder der Arzt in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation, der Größe des Tumors, dessen Ausdehnung und dem Zustand des Patienten. 50 www.diagnose-glioblastom.de
Im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder wissenschaftlich korrekte Wichtung – ein Überblick verbreitete Therapieformen: Stupp-Schema Das Stupp-Schema ist nach seinem Erstbeschreiber benannt und sieht vor, dass Patienten mit histologisch gesichertem Glioblastom einer Radio- und Chemotherapie zugeführt werden. Sie besteht aus einer fraktionierten Bestrahlung mit je 2 Gy an 5 Tagen der Woche über einen Zeitraum von 6 Wochen. Zusätzlich erhält der Patient über die Dauer der Radiothera- pie täglich 75 mg Temozolomid pro Quadratmeter Körperoberfläche. Nach der Radiotherapie erfolgen sechs Behandlungszyklen á 28 Tage mit 150-200 mg Temozolomid pro Quadratmeter Körperoberfläche an jeweils 5 Behandlungstagen (5/28-Zyklus). Tumortherapiefelder „elektrische Wechselfelder“ - OPTUNE® Bei der Therapie mit den sogenannten elektrischen Wechselfeldern ist das Ziel, die Zellteilung in Hirntumoren durch elektro- magnetische Wellen zu verlangsamen. Nach Operation und Abschluss einer Bestrahlung erhält der Patient eine Gerätschaft, die im Wesentlichen aus wechselbarem Akku und Wellengenerator besteht und in einem kleinen Rucksack mitgeführt werden kann. Auf die rasierte Kopfhaut werden (in der Regel vier) großflächige Elektrodenpflaster geklebt, die über Kabel mit dem Generator verbunden sind und ein elektromagnetisches Wechselfeld im Gehirn erzeugen. Das Gerät sollte möglichst rund um die Uhr genutzt und nur zur Hautpflege abgenommen werden. Die wachstumshemmen- de Wirkung der Technik wurde in einer großen Studie geprüft und gilt als erwiesen. kontakt@diagnose-glioblastom.de 51
INDIVIDUELLE THERAPIEN CeTeG/NOA-09 Studie Diese abgeschlossene Phase III Studie hat die Wirksamkeit einer Kombinations- therapie aus CCNU (Lomustin) mit TMZ (Temozolomid) gegenüber der Standard- therapie mit Temozolomid alleine in der Primärtherapie bei Patienten mit neudiagnostiziertem MGMT-methyliertem Glioblastom untersucht. Auswertung der CeTeG/NOA-09 Studie Insgesamt wurden 141 Patienten in einen der folgenden Studienarme randomisiert und in die Studie eingeschlossen: Experimenteller Arm Bis zu 6 Zyklen Lomustin 100mg/m2 KOF an Tag 1 plus Temozolomid 100-200mg/m2 KOF an Tagen 2-6 im Rahmen eines 6-Wochen Zyklus in Kombination mit einer Radiotherapie (59-60Gy). Kontrollarm Temozolomid 75mg/m2 KOF pro Tag mit konkomitanter Radiotherapie (59-60Gy), gefolgt von 6 Zyklen Temozolomid 150-200mg/ m2 KOF pro Tag an 5 von 28 Tagen („Stupp-Schema“). Im Vorfeld zu dieser Studie konnte im Rahmen einer Phase II Studie die Wirksamkeit der Kombinationstherapie aus Temozolomid und Lomustin nur für Patienten mit MGMT-methyliertem Glioblastom nachgewiesen werden. Diese Studie ergibt Anhalte dafür, dass die Kombinationstherapie aus Temozolomid und Lomustin in dieser selektierten Patientengruppe mit einem Überlebensvorteil einhergeht und der Standardtherapie überlegen ist. Die geringe Anzahl an eingeschlossenen Patienten muss jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden. 52 www.diagnose-glioblastom.de
INDIVIDUELLE THERAPIEN - REZIDIVTHERAPIE REZIDIVTHERAPIE Kommt es zu einem erneuten Tumorwachstum, spricht man von einem Rezidiv. Zur Rezidivtherapie gibt es bis heute keine Behandlung nach Leitlinien. Es gibt in der Rezidivtherapie verschiedene Behandlungsansätze; diese sind abhängig von: • Tumorlokalisation • Größe des Tumors • Tumorausdehnung • Zustand des Patienten Weitere Optionen werden abhängig gemacht von der Verträglichkeit der bisherig erfolgten Therapien und natürlich dem Patientenwunsch. In den letzten Jahren hat es eine Unmenge an Studien und neuen Therapieansätzen bei der Glioblastomtherapie gegeben. Das Wissen zu weiteren Therapien ist im Fluss, und mitunter wird auch nach Kräften gestritten, sodass die Orientierung hier nicht einfach ist. Informationen über neue Entwicklungen in der Glioblastomtherapie erhalten Sie zum Beispiel beim Hirntumor-Informationsdienst (Tel. 03437.702 702) der Deutschen Hirntumorhilfe. kontakt@diagnose-glioblastom.de 53
INDIVIDUELLE THERAPIEN - REZIDIVTHERAPIE Hyperthermie mit Nanopartikeln (NanoTherm®) Prinzip ist die Behandlung des Hirntumors durch Hitze, falls möglich zusammen mit einer Bestrahlung (s.o.). Dazu werden metallische Nanopartikel in den Hirntumor eingebracht und dann in einem NanoAktivator zur Erzeugung magnetischer Wechselfelder erhitzt. Die Technologie ist seit 2010 europaweit für die Behandlung von Glioblastomen zugelassen. Thermoablation Thermoablation ist ein Überbegriff für alle Verfahren, bei denen das Wirkprinzip auf der direkten Gewebezerstörung durch Hitze beruht. Bei Verwendung von Nanopartikeln werden im Bereich des Glioblastoms durch das magnetische Wechselfeld Temperaturen über 46 Grad erzeugt, die über ca. 1 Stunde einwirken. Dabei treten irreversible Zellschäden auf. Das Einbringen der Nanopartikel in das Glioblastom erfolgt durch den Neurochirurgen mittels eines operativen Eingriffs. Im Anschluss erfolgt eine einstündige Behandlung in dem NanoAktivator (siehe Bild) um die Krebszellen durch die lokal auf den Tumor begrenzte Erwärmung zu zerstören. 54 www.diagnose-glioblastom.de
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INDIVIDUELLE THERAPIEN - REZIDIVTHERAPIE Hyperthermie (ggf. in Kombinationstherapie) Der Tumorbereich wird für eine Stunde kontrolliert auf eine Tempera- tur von mindestens 41-43 Grad Celsius gebracht. Im Unterschied zur Thermoablation wird erkranktes Gewebe dabei nicht direkt abgetötet. Allerdings reagieren Krebszellen empfindlicher auf Wärme als gesunde Körperzellen: Durch Hyperthemie werden Tumorzellen für Begleittherapien (z.B. Strahlen- oder Chemotherapie) sensibilisiert und deren Wirksamkeit erhöht. Zur thermischen Abdeckung des gesamten Tumorareals werden in der Regel im Innern des Tumors höhere, auch thermoablative Temperaturen erzeugt, die mit Hilfe der Magnetfeldstärke kontaktlos von außen einstellbar sind. Die Temperatur im Innern des Tumors wird dabei mittels eines sehr dünnen Glasfaser-Temperatursensors während der gesamten Behandlungszeit gemessen und aufgezeichnet. 56 www.diagnose-glioblastom.de
Diese Behandlung wird üblicherweise zweimal pro Woche, insgesamt sechsmal wiederholt. Über die Zulässigkeit von Implantaten und metallischen Gegen- ständen mit Abstand von mehr als 40cm zur Behandlungsregion muss vom behandelnden Arzt entschieden werden. Metallische Gegenstände und Implantate (z. B. Gelenke, Fixierschrauben, Zahnersatz) innerhalb dieses Abstandes müssen entfernt oder ersetzt werden, da sich diese Materialien während der Behandlung stark aufhei- zen können. Patienten mit nicht entfernbaren Implantaten wie Herzschrittmachern, Defibrillatoren, Neurostimulatoren, Schultergelenkersatz oder ähnlichem müssen derzeit von der Behandlung ausgeschlossen werden. Weitere Informationen finden Sie hier: kontakt@diagnose-glioblastom.de 57
REZIDIVTHERAPIE IM RAHMEN VON STUDIEN Immuntherapie Beim Glioblastom werden Faktoren ausgeschüttet, die das Immunsystem hemmen. Im Rahmen der Immuntherapie wird versucht das Immun- system des Körpers wieder zu aktivieren, z.B. durch Antikörper, die dieses Hemmsystem deaktivieren. Beispiele sind hier die sogenannten Check- point-Inhibitoren (Antikörper gegen den programmierten Zelltod-Rezep- tor oder seine Liganden, PD1 und PDL1, sowie Antikörper gegen CTLA-4). Hier seien u.a. Nivolumab und Pembrolizumab genannt. Eine weitere Form der Immuntherapie ist die Verwendung von Impf- stoffen, die sich gegen bestimmte und spezifische Merkmale des Tu- mors richten. Ebenso können dem Patienten körpereigene Immunzellen (i.d.R. dendritische Zellen) nach vorheriger Entnahme und Modifizierung im Labor mit dem Ziel, dass sich die Zellen gegen den Tumor richten, injiziert werden. Es gibt ferner die Möglichkeit, körpereigene Zellen (z.B. T-Zellen) zu isolieren und sie im Labor außerhalb des Körpers so genetisch zu modifizieren (z.B. an einen chimären T-Zellrezeptor zu koppeln), dass sie sich gegen bestimmte Oberflächenmerkmale des Tumors richten. Im Anschluss werden dem Patienten die Zellen zurückinfundiert, und man erhofft sich eine tumorspezifische langanhaltende Immunantwort (sog. CAR T-Zellen Therapie). 58 www.diagnose-glioblastom.de
Eine weitere Therapieform sind onkolytische Viren. Viren können genetisch so modifiziert werden, dass sie sich spezifisch in Tumorzellen vermehren und diese abtöten. Neben dem direkten Abtöten von Tumorzellen durch das Virus hat man zeigen können, dass Tumorzellen auch indirekt durch Aktivierung des Immunsystems eliminiert werden. Daher werden onkolytische Viren häufig in der Kategorie der Immuntherapie genannt. kontakt@diagnose-glioblastom.de 59
REZIDIVTHERAPIE IM RAHMEN VON STUDIEN PHOTO-DYNAMISCHE THERAPIE (PDT) Dabei handelt es sich um ein physikalisches Verfahren, bei dem ein lichtempfindlicher Farbstoff in den Tumorzellen angereichert wird. Nach Einstrahlung von Licht einer bestimmten Wellenlänge werden die Tumorzellen zerstört. Ein Vorteil der PDT ist, dass diese Methode nicht mit anderen Verfahren interagiert, d.h., es kann zusätzlich eine Strahlen- und oder Chemotherapie durchgeführt werden. TARGETED THERAPY (GEZIELTE TUMORTHERAPIE) Diese Form von Krebstherapie umfasst neuartige Medikamente, die sich direkt gegen bestimmte biologische, genetische und zytologische Eigenschaften von Tumoren richten. Hierzu gehören beispiels- weise gegen bestimmte Rezeptoren gerichtete Antikörper. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Bevacizumab (Antikörper gegen VEGF). Zudem gibt es Medikamente, die bestimmte Stoffwechselabfolgen im Tumor stören und damit den Tumor gezielt angreifen (z.B. Proteasom-Inhibitoren). 60 www.diagnose-glioblastom.de
GENTHERAPIE Gentherapie allgemein bezeichnet das Einfügen von Erbinformationen (DNA, RNA) in Körperzellen, um bestimmte Krankheiten zu behandeln. Im Bereich der Tumortherapie werden Viren oder Stammzellen (neurale oder mesenchymale) als Genfähren verwendet, um Gene in die Tumorzellen oder das Tumorumfeld einzuschleusen. Zur Anwendung kommen Suizidgene, deren Proteinprodukte als Enzyme fungieren und sogenannte „prodrugs“ in toxische Moleküle umwandeln und somit die Tumorzellen abtöten (Suizidgentherapie). Alternativ oder als Kombination mit der Suizidgentherapie können Gene eingeschleust werden, die eine Immunantwort gegen den Tumor aktivieren (Cytokine/Chemokine). kontakt@diagnose-glioblastom.de 61
STUDIEN Auf der Internetseite www.diagnose-glioblastom.de finden Sie einen Überblick über Studien, die derzeit im Rahmen der Erst- und Rezidiv- diagnose bei Glioblastom in Deutschland durchgeführt werden. 62 www.diagnose-glioblastom.de
Allgemeine Information zu Studien: In vielen Behandlungszentren in Deutschland sowie in Europa werden im Rahmen der Glioblastomtherapie klinische Studien angeboten. • Monozentrisch „Die Studie findet in einer Klinik statt“ • Multizentrisch „Die Studie findet in mehreren Kliniken statt“ • Randomisierung „Die Patienten werden unter Verwendung des Zufallsmechanismus einem Therapie- oder dem Kontrollarm zugewiesen“ Patienten mit der Diagnose Glioblastom haben so die Möglichkeit, von neuen experimentellen Therapieansätzen zu profitieren, die sonst in der regulären Behandlung noch nicht verfügbar sind. Zu beachten ist dabei, dass er Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität oder auf Heilung das Risiko möglicher Nebenwirkungen entgegen stehen, für experimentelle Therapieansätze in der Regel noch keine weitreichenden Erfahrungen bestehen - die sollen mit den Studien ja erst gemacht werden. Experimentelle-Therapieansätze in Form von klinischen Studien sind keine Experimente am Menschen. Die Sicherheit der Patienten ist und muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein. An die präklinischen Tests (Labor- sowie Tierversuche), welche die Ausgangspunkte des Studienpro- tokolls bilden, schließen sich drei Phasen der klinischen Prüfung an: • In der Phase I (Toxizitätstest) werden die Toxizität und die • Verträglichkeit einer neuen Substanz an sehr wenigen Patienten untersucht. • In der Phase II (Wirksamkeitstest) werden die Wirkungsweise, die Art der Anwendung und die Dosis an einer größeren Patienten- gruppe getestet. • In der Phase III (Vergleich mit bewährten Methoden) wird bei einer großen Zahl von Patienten getestet, ob die neue Therapie überlegen ist. • Sollten die Ergebnisse aller drei Phasen Sicherheit und Wirk- samkeit einer Therapie belegen, wird ein Antrag auf Zulassung gestellt. Die Autoren dieser Broschüre und der Internetseite möchten alle Patienten ermutigen, sich über die Möglichkeit zur Teilnahme an klini- schen Studien zu informieren. Mit der Teilnahme an Studien schaffen Sie Wissen für optimale Aufklärung und Therapie künftiger Patienten mit derselben Diagnose. kontakt@diagnose-glioblastom.de 63
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