Multiresistente gramnegative Erreger in der Pädiatrie - Thieme Connect

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Pädiatrie up2date
                                                            2 · 2017

                                                                             Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
                                          Infektionskrankheiten          4

               Multiresistente gramnegative
               Erreger in der Pädiatrie
                                                       Janine Zweigner
                                                            Arne Simon

VNR: 2760512017152370237
DOI: 10.1055/s-0043-101269
Pädiatrie up2date 2017; 12 (2): 123–137
ISSN 1611-6445
© 2017 Georg Thieme Verlag KG
CME-Fortbildung

  Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen:
  Rationale Antiobiotika-Therapie in der Pädiatrie F. Lander,          Differenzialdiagnose und Management der Lymphadenopathie
  R. Berner 3/2016                                                     im Kindes- und Jugendalter C. Tertilt, B. Nenning, G. Staatz,
                                                                       J. Faber 4/2010
  Tuberkulose beim Kind R. Schlags 1/2015
                                                                       Importierte parasitäre Infektionen T. Jelinek 1/2010
  Zeckenübertragene Erkrankungen bei Kindern und Jugend-
  lichen H.-I. Huppertz 4/2013                                         A-Streptokokken-Folgeerkrankungen R. Keitzer 3/2009

                                                                                                                                       Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
  Impfempfehlungen für Kinder und Jugendliche F. Kowalzik,             Erkrankungen durch A-Streptokokken H. Scholz 1/2009
  F. Zepp 2/2013
                                                                       Rationale Antibiotikatherapie M. Weiß 1/2007
  Fieber ohne Fokus P. Agyeman, A. Duppenthaler 3/2012
                                                                       Die akute Otitis media H. Scholz 2/2006
  Rezidivprophylaxe bei Harnwegsinfektionen – noch
  zeitgemäß? R. Beetz 2/2011                                           Rationale Impfkonzepte H.-J. Schmitt, O. Nitsche, M. Knuf,
                                                                       R. v. Kries 1/2006

     A L L ES O NL INE L E SEN                                           J E T ZT F RE I S C HA LT E N
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CME-Fortbildung

        Multiresistente gramnegative Erreger
        in der Pädiatrie
        Janine Zweigner, Arne Simon

                                                                                                                                                                  Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
        Infektionen durch multiresistente gramnegative Erreger werden kritischer bewertet
        als Infektionen durch methicillinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme, da es
        für diese Erreger weniger Therapieoptionen gibt. Insbesondere die Zunahme der
        Carbapenemresistenz ist für die Behandlung von Infektionen im Kindesalter bedroh-
        lich. Der Artikel geht auf die Definition, Epidemiologie der Kolonisation und Infektion
        im Kindesalter sowie auf Maßnahmen der Infektionsprävention ein.

Einleitung

Die Entwicklung und der restriktive und gezielte Einsatz                                   FAL L B E I S P I E L
von Antibiotika stellen eine wirksame Waffe gegen bakte-                                   Multiresistentes Enterobacter-cloacae-Isolat
rielle Infektionen dar, die lebensrettend sein kann. Seit                                 Ein 14-jähriger Junge wird während der Induktionstherapie der
der Beschreibung des Penicillins und seiner industriellen                                 akuten lymphatischen Leukämie (ALL) an Tag 34 nach der Bestäti-
Einführung Mitte der 1940er-Jahre des letzten Jahrhun-                                    gung des Ansprechens der Leukämie im Knochenmark in gutem
derts sind viele neue Substanzklassen entwickelt worden,                                  Allgemeinzustand entlassen. Im Verlauf der 2. Induktionsphase
die es ermöglichen, Infektionen durch unterschiedliche                                    (Cyclophosphamid, Cytarabin) kommt es erneut zu einer aus-
Bakterien erfolgreich zu therapieren [1].                                                 geprägten Granulozytopenie mit weniger als 0,5 × 109/l. Nachdem
                                                                                          der Junge nachts Fieber entwickelt und selbst nicht wieder ins Kran-
Antibiotikaresistenzen aufseiten der Erreger führen dazu,                                 kenhaus will, wird er in sehr schlechtem Allgemeinzustand in die
dass es trotz ausreichender Wirkstoffkonzentration nicht                                  Klinik eingeliefert (Taxi, Rollstuhl). Bei Aufnahme ist er wach, an-
zu einer Wachstumshemmung oder Abtötung der Bakte-                                        sprechbar, etwas tachykard und nur diskret tachypnoeisch, der
rien kommt und die Antibiotikatherapie klinisch wir-                                      systolische Blutdruck ist bei über 100 mmHg, der diastolische mit
kungslos bleibt. Zum Teil vergingen nur wenige Jahre                                      30 mmHg jedoch niedrig. Die Schleimhäute sind blass, der Junge gibt
nach dem ersten klinischen Einsatz neuer Antibiotika, bis                                 an, er sei zuletzt im Laufe der Nacht auf der Toilette gewesen. Nach
durch Resistenzentwicklung die Wirksamkeit nachließ                                       Abnahme von Blutkulturen wird eine empirische Kombinationsthe-
(▶ Abb. 1). Die Besiedelung der Haut oder der Schleim-                                    rapie mit Piperacillin-Tazobactam und Gentamicin begonnen. Die
häute mit antibiotikaresistenten Bakterien wird u. a.                                     bei Aufnahme bestehende Anämie (Hb 6,9 g/dl) wird durch eine
durch den Überlebensvorteil begünstigt, den diese Erre-                                   Bluttransfusion angehoben. Der Zustand des Kindes verschlechtert
ger im Falle einer Antibiotikatherapie gegenüber den                                      sich in den nächsten Stunden trotz erheblicher Volumengaben dra-
antibiotikasensiblen Bakterien haben. Eine solche Selek-                                  matisch, er muss mit Anzeichen eines septischen Schocks auf die
tion antibiotikaresistenter Erreger wird begünstigt durch:                                pädiatrische Intensivstation verlegt und mit Noradrenalin behandelt
▪ eine nicht indizierte Therapie mit Antibiotika                                          werden. Dort kommt es auch zum akuten intubationspflichtigen
   (beispielsweise bei viralen Infektionen)                                               Lungenversagen. Trotz Umstellung auf Meropenem verstirbt der
▪ Auswahl des falschen Antibiotikums bei gegebener                                        Junge 14 Stunden nach Aufnahme. Laut Ergebnis der Blutkultur, das
   Indikation                                                                             endgültig erst 5 Tage nach Aufnahme vorliegt, findet sich ein
▪ zu ungezielten Einsatz breit wirksamer Antibiotika                                      Enterobacter-cloacae-Isolat mit Resistenz gegen Piperacillin-
▪ inadäquate Dosierung                                                                    Tazobactam, Cefotaxim und Gentamicin (sensibel für Meropenem
▪ inadäquate Therapiedauer                                                                und Fluorchinolone).

          Merke
Häufige Ursache der Antibiotikaresistenz ist der
Selektionsdruck, der durch die Ausschaltung der
körpereigenen Standortflora unter einer Antibiotika-
therapie entsteht.

Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137                                                           123
CME-Fortbildung

               Sulfonamide
               β-Lactame (Penicillin)
               Cephalosporine
               Tetracycline
               Chloramphenicol
               Aminoglykoside
               Makrolide
               Glykopeptide

                                                                                                                                                                      Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
               Rifamycin
               Streptogramine
               Fluorchinolone
               Carbapeneme
               Oxazolidinone (Linezolid)
               Lipopeptide (Daptomycin)
               Glycylcycline (Tigecyclin)
               Pleuromutiline (Retapamulin)      volle Wirksamkeit
                                                 Resistenzentwicklung
               Lipiarmycine (Fidaxomicin)

                                                    1940      1950        1960         1970         1980         1990           2000        2010         2020

               ▶ Abb. 1 Einführung unterschiedlicher Antibiotikaklassen und Zeitpunkte, wann erstmals bakterielle Resistenzen gegen die
               Substanzen auftraten.

                                                                                     microbial Resistence Surveillance-Netzwerk (EARS‑Net)
            Aktuelle Studienlage                                                     überwacht und jährlich veröffentlicht [3]. In den letzten
                                                                                     Jahren ist die Prävalenz von methicillin- bzw. oxacillinre-
            Antibiotikaresistente Infektionserreger führen inzwi-                    sistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA) so-
            schen immer häufiger zu klinischen Problemen mit ho-                     wohl in der stationären als auch der ambulanten medizi-
            her Belastung für die Patienten sowie zu steigenden Kos-                 nischen Versorgung in Deutschland leicht rückläufig. Die
            ten im Gesundheitssystem.                                                Prävalenz vancomycinresistenter (bzw. glykopeptidresis-
                                                                                     tenter) Enterococcus-faecium-Isolate (VRE) nimmt in ei-
                        Merke                                                        nigen Regionen Deutschlands in den letzten Jahren im
            Multiresistente Erreger (MRE) sind Bakterien, die in                     Krankenhaus deutlich zu. Bei Enterobakterien wie Esche-
            vitro mindestens gegen 2 oder mehr Antibiotikaklas-                      richia (E.) coli, Klebsiella spp. oder Enterobacter spp. und
            sen der leitliniengerechten Therapie resistent sind.                     bei den Nonfermentern (z. B. Acinetobacter spp., Pseu-
                                                                                     domonas aeruginosa) kam es in den letzten 10 Jahren zu
            Infektionen durch multiresistente Erreger (MRE) können                   einem massiven Anstieg des Anteils resistenter Isolate
            nicht nur die Behandlungsdauer deutlich verlängern, son-                 gegenüber Breitspektrum-Betalaktam-Antibiotika, Car-
            dern auch zur höheren Morbidität und Letalität beitra-                   bapenemen und Fluorchinolonen [3, 4].
            gen. Dies gilt vor allem dann, wenn keine wirksamen
            Antibiotika mehr verfügbar sind oder der Einsatz einer                              Merke
            adäquaten antimikrobiellen Therapie zu spät erfolgt.                     Die in den letzten Jahren weltweit beobachtete
                                                                                     Zunahme von multiresistenten gramnegativen
            In Europa sind nach einem gemeinsamen Bericht des Eu-                    Bakterien ist besorgniserregend, da bei diesen
            ropean Center for Disease Prevention and Infection Con-                  Erregern – anders als bei MRSA und VRE –
            trol (ECDC) und der European Medicines Agency (EMA)                      nur begrenzte Therapieoptionen bestehen.
            im Jahr 2007 ca. 400 000 Infektionen durch multiresisten-
            te Erreger aufgetreten, was zu mindestens 25 000 Todes-                  Während bei den erwachsenen Patienten zahlreiche Stu-
            fällen infolge der Infektionen führte [2]. Die Trendent-                 dien zur Prävalenz und Inzidenz von MRSA- und VRE-Ko-
            wicklung der Nachweise multiresistenter Bakterien aus                    lonisation bzw. ‑Infektionen und nun auch einige zu
            klinischen Materialien wird in der EU vom European Anti-                 multiresistenten Enterobakterien vorliegen, gibt es in

124                                                               Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137
der Pädiatrie deutlich weniger Untersuchungen. Häufig
handelt es sich dabei um Studien zur Epidemiologie von                                     FAL L B E I S P I E L
Infektionen bzw. Kolonisationen mit MRE bei Kindern im                                     3MRGN-Klebsiella-pneumoniae-Isolat
Verlauf eines Ausbruchgeschehens [5–8]. Es gibt um-                                       Ein 2-jähriger Patient aus Armenien wird mit einer akuten lympho-
schriebene Daten zu nosokomialen Infektionen auf pädia-                                   blastischen Leukämie zur weiteren Diagnostik und Therapie in der
trischen Intensivstationen (ITS), die mittels des Kranken-                                Kinderonkologie aufgenommen. Im Aufnahmescreening (Rektal-
haus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) des Nationa-                                  abstrich) wird ein 3MRGN-Klebsiella-pneumoniae-Isolat nachgewie-
len Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen                                    sen. Während der stationären Aufenthalte wird das Kind gemeinsam
Infektionen erhoben werden [9]. Studien zur Prävalenz                                     mit seiner Mutter im Einzelzimmer kontaktisoliert. Die Mutter muss
und Inzidenz von Infektionen durch multiresistente                                        keine Schutzkleidung tragen, nur Einmalhandschuhe beim Windel-

                                                                                                                                                                  Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
gramnegative Bakterien auf pädiatrischen Normalstatio-                                    wechsel zusätzlich zur Händedesinfektion. Der Patient darf das Zim-
nen (vergleichbar zu der Antibiotika-Therapie-Optimie-                                    mer (z. B. zum Spazierengehen im Buggy) verlassen, jedoch keinen
rungsstudie ATHOS bei Erwachsenen) fehlen jedoch bis-                                     direkten Kontakt zu anderen Kindern auf der Station haben. Bei fe-
lang in Deutschland [10]. Noch viel seltener sind Unter-                                  briler Granulozytopenie ohne Fokus erfolgt die empirische Behand-
suchungen zur Prävalenz von MRE in der pädiatrischen                                      lung mit Piperacillin-Tazobactam und Gentamicin (in vitro sensibel).
ambulanten medizinischen Versorgung, z. B. bei Kindern,                                   Nur wenn zusätzliche Symptome einer schwerwiegenden Infektion
die einer ambulanten Behandlungspflege bedürfen [11].                                     auftreten, wird die empirische Therapie mit Meropenem begonnen.
                                                                                          Eine Übertragung auf andere Patienten kann so vermieden werden,
Allerdings wurden kürzlich 2 Studien zum Screening auf                                    die Einzelzimmerisolierung ist jedoch für Mutter und Kind eine er-
eine Kolonisation mit MRE bei Flüchtlingskindern vor-                                     hebliche Belastung. Das Klebsiella-pneumoniae-Isolat bleibt über die
gestellt [12, 13]. In der 1. Studie wurden in Hessen pro-                                 gesamte Dauer der Intensivtherapie (6 Monate) nachweisbar.
spektiv Stuhlproben von 119 unbegleiteten minderjähri-
gen Flüchtlingen auf multiresistente Enterobakterien un-
tersucht [12]. Bei 42 Kindern (35 %) wurden ESBL-bilden-
de Enterobakterien (37 E.-coli-Stämme und 5 Klebsiella-
pneumoniae-Stämme) isoliert, wobei 9 E.-coli-Isolate                                     – Proteus spp.
(8 %) zusätzlich eine Resistenz gegen Fluorchinolone auf-                              ▪ Nonfermenter:
wiesen. Von den mit ESBL-Bildnern besiedelten Kindern                                    – Pseudomonas aeruginosa
hatten 2 Kinder in den vorausgegangenen 6 Monaten                                        – Acinetobacter baumannii
eine antimikrobielle Therapie erhalten und nur bei 1 Kind
gab es anamnestische Hinweise auf eine stationäre Be-                                  In den letzten Jahren haben diese Erreger zunehmend Re-
handlung.                                                                              sistenzen gegen β-Laktam-Antibiotika entwickelt. Ein
                                                                                       wesentlicher Mechanismus hierfür ist die Bildung von β-
In der 2. retrospektiven Studie wurden alle Flüchtlingskin-                            Laktamasen, einer potenten Familie von Enzymen, die
der, die in einer Universitätskinderklinik in Baden-Würt-                              den β-Laktam-Ring hydrolysieren können. 1983 wurden
temberg aufgenommen wurden, auf MRE gescreent                                          erstmals – interessanterweise in Deutschland – sog. Ex-
[13]. 33,8 % der 325 untersuchten Kinder waren mit MRE                                 tended-Spectrum-β-Laktamasen (ESBL) isoliert und be-
besiedelt, überwiegend mit multiresistenten Enterobak-                                 schrieben, die gegen breit wirkende Penicilline, Cephalo-
terien (83,1 %) und MRSA (16,2 %), nur bei 1 Kind (0,7 %)                              sporine und Monobactame resistent waren, nicht aber
konnten vancomycinresistente Enterokokken (VRE) nach-                                  gegenüber Carbapenemen oder Cephamycinen [14].
gewiesen werden [13]. Diese Ergebnisse sind jedoch
nicht auf in Deutschland geborene bzw. hier aufgewach-                                 ESBL lassen sich allerdings in vitro durch β-Laktamase-In-
sene Kinder übertragbar.                                                               hibitoren hemmen, wie Clavulansäure, Sulbactam oder
                                                                                       Tazobactam – ein Umstand, der auch für die Diagnostik
                                                                                       von ESBL-Bildnern genutzt wird. ESBL-kodierende Gene
Mechanismen der Antibiotikaresistenz                                                   werden fast ausschließlich über Plasmide übertragen,
bei gramnegativen Bakterien                                                            was ihre Ausbreitung innerhalb einer Bakterienspezies,
                                                                                       aber auch die Übertragbarkeit auf andere Bakterienarten
Zu den gramnegativen Bakterien, die bei pädiatrischen                                  erklärt [14, 15].
Patienten am häufigsten nosokomiale Infektionen ver-
ursachen, zählen:                                                                      Eine weitere bekannte β-Laktamase ist die AmpC-Cepha-
▪ Enterobakterien:                                                                     losporinase, die überwiegend chromosomal kodiert wird
   – Escherichia coli                                                                  und vor allem von Enterobacter spp. und Citrobacter spp.
   – Klebsiella pneumoniae                                                             gebildet wird. Diese AmpC-Enzyme sind durch die Expo-
   – Klebsiella oxytoca                                                                sition gegenüber bestimmten Antibiotika induzierbar,
   – Enterobacter spp.                                                                 sodass die Erreger (z. B. unter einer Monotherapie mit
   – Serratia marcescens                                                               einem Cephalosporin) eine Resistenz ausbilden. Inzwi-

Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137                                                           125
CME-Fortbildung

               schen sind mehr als 1600 unterschiedliche β-Laktamasen                          gegen Imipenem und/oder Meropenem resistent
               bekannt [16].                                                                   sind, werden als 4MRGN klassifiziert.

                                                                                               Da in der Pädiatrie Fluorchinolone zur Behandlung von
               Definition der Multiresistenz                                                   Infektionen nur eine sehr eingeschränkte Zulassung ha-
                                                                                               ben und nicht zur empirischen Therapie geeignet sind,
               Während die Europäische Gesellschaft für klinische Mi-                          wurde 2013 von der KRINKO eine Erweiterung der Klassi-
               krobiologie und Infektiologie (ESCMID) eine hochkom-                            fizierung von MRGN speziell für neonatologische und pä-
               plexe Zuordnung für die Definition multiresistenter Erre-                       diatrische Patienten veröffentlicht [18]. Hierbei wurde
               ger entwickelt hatte, die alle wirksamen Antibiotikaklas-                       berücksichtigt, dass im Kindesalter eine Resistenz gegen-

                                                                                                                                                                              Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
               sen berücksichtigte, verfolgte die Kommission für Kran-                         über Piperacillin und den 3.- bzw. 4.-Generations-Cepha-
               kenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert                             losporinen bereits mit eingeschränkten Therapieoptio-
               Koch-Institut (KRINKO) in Deutschland eine andere Stra-                         nen verbunden ist, da Fluorchinolone anders als bei Er-
               tegie für gramnegative Bakterien. Deren Einteilung kon-                         wachsenen nur zur gezielten Therapie eingesetzt werden
               zentriert sich auf die wichtigsten bakterizid wirksamen                         können. Als zusätzliche Kategorie wurde daher 2MRGN
               Antibiotikaklassen, die bei erwachsenen Patienten bevor-                        NeoPäd sowohl für Enterobakterien und Acinetobacter
               zugt zur Therapie schwerer systemischer Infektionen ein-                        (A.) baumannii (▶ Tab. 1) als auch für Pseudomonas aeru-
               gesetzt werden. 2012 veröffentlichte sie die Klassifika-                        ginosa eingeführt (▶ Tab. 2). Mittlerweile sind mehrere
               tion multiresistenter gramnegativer Stäbchenbakte-                              Ausbrüche mit 2MRGN Klebsiella pneumoniae, A. bau-
               rien (MRGN) [17]. Demzufolge werden Bakterien, die ge-                          mannii, Pseudomonas aeruginosa und Serratia marces-
               gen Piperacillin, Cephalosporine der 3. oder 4. Genera-                         cens in der Neonatologie beschrieben worden [19].
               tion (Leitsubstanzen Cefotaxim und/oder Ceftazidim)
               und Fluorchinolone (Leitsubstanz Ciprofloxacin) resistent                                 Merke
               sind, 3MRGN genannt. Wenn darüber hinaus auch noch                              2MRGN NeoPäd ist das in der stationären Pädiatrie
               eine Resistenz gegen Carbapeneme vorliegt (Leitsubstan-                         und Neonatologie am häufigsten nachgewiesene
               zen Imipenem und/oder Meropenem), spricht man von                               Resistenzprofil gramnegativer Erreger.
               4MRGN.

               Diese Definitionen wurden entwickelt, um auf dieser
                                                                                               Epidemiologie und Risikofaktoren
               Grundlage spezielle Hygienemaßnahmen ableiten zu
               können, damit Transmissionen auf andere Patienten ver-                          Kolonisation und Infektionen
               hindert werden können. Die in der Pädiatrie häufig in                           mit 3GCREB inklusive 3MRGN
               Kombination eingesetzten Aminoglykoside wurden hier-                            In Deutschland ist 2014 die größte Prävalenzstudie zur
               bei nicht berücksichtigt. Ebenfalls spielen Reserveantibio-                     Epidemiologie von Kolonisationen mit 3.-Generations-
               tika wie z. B. Colistin oder Tigecyclin bei der Definition                      Cephalosporin-resistenten Enterobakterien (3GRCEB)
               von MRGN keine Rolle.                                                           und Erfassung von Risikofaktoren bei 4376 erwachsenen
                                                                                               Patienten durchgeführt worden, die auf den Normalsta-
                           Merke                                                               tionen einer Universitätsklinik aufgenommen wurden
               Gramnegative Bakterien, die gegen Piperacillin,                                 [10]. Die Prävalenz der 3GRCEB-Besiedelung (überwie-
               Cefotaxim und/oder Ceftazidim und Ciprofloxacin                                 gend mit E. coli, gefolgt von Klebsiella spp. und Entero-
               resistent sind, bezeichnet man als 3MRGN. Gram-                                 bacter spp.) lag hier bei 9,5 %, wobei es regional deutliche
               negative Bakterien, die darüber hinaus auch noch                                Unterschiede gab (▶ Abb. 2).

  ▶ Tab. 1 Klassifizierung der Enterobakterien und Acinetobacter baumannii auf Basis ihrer phänotypischen Resistenzeigenschaften für neonatolo-
  gische und pädiatrische Patienten [18].

  Antibiotikagruppe                                 Leitsubstanz                           2MRGN NeoPäd                  3MRGN                      4MRGN
  Acylureidopenicilline                             Piperacillin                           R(C)                          R                          R
  3.-/4.-Generations-Cephalosporine                 Cefotaxim oder Ceftazidim              R                             R                          R
  Carbapeneme                                       Imipenem oder Meropenem                S                             S                          R
  Fluorchinolone                                    Ciprofloxacin                          S                             R                          R

  R = resistent; R(C) = intermediär; S = sensibel
  Als „intermediär“ empfindlich beschriebene Isolate sind wie resistente Isolate zu bewerten.

126                                                                       Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137
▶ Tab. 2 Klassifizierung für Pseudomonas aeruginosa auf Basis der phänotypischen Resistenzeigenschaften für neonatologische und pädiatrische
     Patienten [18].

     Antibiotikaklasse                                                       Leitsubstanz                                 2MRGN NeoPäd              3MRGN                4MRGN
                                                                                                                              (C)
     Acylureidopenicilline                                                   Piperacillin                                 R                         nur eine der         R
     3.-/4.-Generations-Cephalosporine                                       Cefotaxim und/oder Ceftazidim                R                         4 Antibiotika-       R
                                                                                                                                                    gruppen sensibel
     Carbapeneme                                                             Imipenem und/oder Meropenem                  S                                              R
     Fluorchinolone                                                          Ciprofloxacin                                S                                              R
                                      (C)
     R = resistent; R                       = intermediär; S = sensibel

                                                                                                                                                                                       Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
     Als „intermediär“ empfindlich beschriebene Isolate sind wie resistente Isolate zu bewerten.

                               14

                               12
    Prävalenz von 3GCREB (%)

                               10

                                8

                                6

                                4

                                2

                                0
                                    Universitäts-           Universitäts-          Universitäts-         Universitäts-             Universitäts-     Universitäts-     gesamt
                                    klinikum Köln            medizin –         klinikum Tübingen      klinikum Freiburg        klinikum München    klinikum Lübeck
                                                           Charité, Berlin                                                        rechts d. Isar

     ▶ Abb. 2 Prävalenz der Kolonisation mit 3.-Generations-Cephalosporin-resistenten Enterobakterien (einschließlich ESBL-Bildner, 3MRGN und
     4MRGN) bei Aufnahme auf einer Normalstation in einer deutschen Universitätsklinik (Abb. basiert auf Daten aus: Hamprecht A, Rohde AM,
     Behnke M et al.; DZIF-ATHOS Study Group. Colonization with third-generation cephalosporin-resistant Enterobacteriaceae on hospital admission:
     prevalence and risk factors. J Antimicrob Chemother 2016; 71: 2957–2963).

Als signifikante Risikofaktoren wurden erfasst:                                                        die der ESBL-Bildner bei 0,47 %. Allerdings konnte 2011
▪ vorangegangene Antibiotikatherapien in den letzten                                                   im Vergleich zum Beginn der Erfassung 1999 eine Ver-
   6 Monaten                                                                                           dopplung der 3GCREB- bzw. ESBL-Prävalenz auf 3 bzw.
▪ Reisen außerhalb Europas                                                                             0,92 % beobachtet werden [20].
▪ vorangegangene MRE-Kolonisation
▪ Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung                                                                Die meisten Untersuchungen zur Epidemiologie von In-
▪ Therapie mit magensäurehemmenden Medikamenten                                                        fektionen mit 3.-Generations-Cephalosporin-resistenten
                                                                                                       Enterobakterien im Kindesalter liegen überwiegend bei
Für die pädiatrischen Patienten fehlen vergleichbare Un-                                               kritisch kranken Kindern mit Risikofaktoren vor, für die
tersuchungen in Deutschland.                                                                           wegen begrenzter Therapieoptionen ein erhöhtes Leta-
                                                                                                       litätsrisiko besteht [21]. Hierzu zählen insbesondere Kin-
In den USA sind dagegen im Zeitraum von 1999 bis 2011                                                  der [22, 23]:
über 300 000 mikrobiologische Isolate von ambulant und                                                 ▪ mit hämatologisch-onkologischen Grunderkrankun-
stationär versorgten Kindern auf die Prävalenz von 3.-Ge-                                                  gen
nerations-Cephalosporin-resistenten      Enterobakterien                                               ▪ mit Mukoviszidose
und ESBL-Bildnern untersucht worden [20]. Sie zeigten,                                                 ▪ auf neonatologischen oder pädiatrischen Intensivsta-
dass die Gesamtprävalenz der 3GCREB bei 1,97 % lag und                                                     tionen

Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …                   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137                                                                127
CME-Fortbildung

            In Deutschland wurden anhand der KISS-Daten die noso-                 xacin resistent waren, obwohl eine Therapie mit Flu-
            komialen Infektionsraten bei pädiatrischen Intensivpfle-              orchinolonen nur sehr selten durchgeführt wurde [27].
            gepatienten über einen 10-jährigen Zeitraum retrospek-
            tiv ausgewertet. Hierbei zeigte sich, dass bei Harnwegs-              In einer anderen, ebenfalls retrospektiven Studie lag bei
            infektionen E. coli und Pseudomonas aeruginosa und                    intensivpflichtigen Kindern, die an einer Infektion durch
            bei Atemwegsinfektionen Klebsiella pneumoniae und                     E. coli bzw. Klebsiella spp. erkrankt waren, die Prävalenz
            Pseudomonas aeruginosa vorhanden waren, wobei ca.                     von ESBL-Bildnern bei 7 % [28]. Als Risikofaktor wurde
            5 % der Isolate multiresistent waren [9].                             eine Therapie mit Cefotaxim oder Ceftazidim in den vo-
                                                                                  rangegangenen 30 Tagen beschrieben. Die Kinder, die
            In einem US-amerikanischen Kinderkrankenhaus der Ma-                  eine Infektion mit ESBL-bildenden Klebsiella spp. oder

                                                                                                                                                                   Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
            ximalversorgung wurde in einer prospektiven 1-jährigen                E. coli erlitten, hatten einen längeren Aufenthalt auf der
            Prävalenzstudie bei 1430 Enterobakterienstämmen aus                   pädiatrischen Intensivstation als Kinder mit Infektionen
            klinischen Isolaten untersucht, wie viele 3.-Generations-             durch sensible Erreger.
            Cephalosporin-Resistenzen vorlagen [24]. 13,9 % der Iso-
            late (überwiegend E. coli) zeigten eine Resistenz gegen-              Auch Kinder, die keine Infektionen mit einem ESBL-Bild-
            über Ceftazidim und/oder Cefotaxim, wobei die Hälfte                  ner hatten, sondern nur asymptomatisch mit antibiotika-
            der Stämme der ESBL-Bildner überwiegend vom Genotyp                   resistenten E. coli besiedelt waren, wurden in einem sys-
            CTX‑M waren und vor allem bei E. coli gefunden wurden.                tematischen Review untersucht. Es wurde geprüft, ob es
                                                                                  einen Zusammenhang mit vorangegangenen Antibio-
                       Merke                                                      tikaverordnungen in der ambulanten medizinischen Ver-
            Der ESBL-Genotyp CTX‑M hat sich inzwischen bei                        sorgung gab [29]. Die Autoren konnten zeigen, dass bei
            Erwachsenen und Kindern in Asien, Europa, Kanada                      E. coli moderate bis hohe Resistenzraten gegenüber
            und USA erfolgreich in E. coli und Klebsiella spp. ver-               den in der pädiatrischen Praxis üblicherweise verord-
            breitet und wird inzwischen auch häufiger in Isolaten                 neten Antibiotika vorlagen, wobei diese Raten in Entwick-
            aus der Bevölkerung und bei ambulant behandelten                      lungs- und Schwellenländern deutlich höher waren als in
            Patienten nachgewiesen [10, 24, 25].                                  den entwickelten Ländern. Hohe Resistenzraten waren
                                                                                  mit vorangegangenen ambulant verordneten Antibio-
            In einer großen prospektiven Multicenterstudie in deut-               tikatherapien assoziiert. Erstaunlich waren hohe Resis-
            schen und schweizerischen pädiatrischen Zentren für                   tenzraten gegenüber Tetracyclin und Ciprofloxacin, ob-
            Hämatologie und Onkologie wurden 770 Kinder auf Risi-                 wohl diese Antibiotika im Kindesalter in der Regel nicht
            kofaktoren für das Auftreten von Bakteriämien unter-                  eingesetzt werden (Tetracycline erst bei Kindern über
            sucht [26]. Als häufigste gramnegative Erreger wurden                 8 Jahre). Für Tetracyclin lag die gepoolte Resistenz in
            E. coli, Pseudomonas aeruginosa und Enterobacter cloa-                den Entwicklungs- und Schwellenländern bei 80 versus
            cae isoliert, wobei ESBL-Bildner nur bei 2 Patienten auf-             37,7 % (95 %-Konfidenzintervall: 59,7–95,3 % bzw. 25,9–
            traten, von denen 1 an einer Sepsis mit Multiorganver-                49,7 %) in den entwickelten Ländern. Bei Ciprofloxacin
            sagen verstarb (s. Fallbeispiel 1). Als unabhängige Risiko-           lag die gepoolte Resistenz bei 9,3 versus 5,1 % (95 %-Kon-
            faktoren für Bakteriämien durch gramnegative Erreger                  fidenzintervall: 3,4–17,2 % bzw. 0,2–17,8 %) [29].
            wurde Leukämie (OR 2,27; 95 %-Konfidenzintervall
            1,31–4,0; p = 0,003) und das Vorliegen eines Broviac-Ka-                          Merke
            theters (OR 4,65; 95 %-Konfidenzintervall: 1,69–14,3;                 Die Besiedelung von Kindern mit tetracyclin- und
            p = 0,002) identifiziert [26].                                        ciprofloxacinresistenten E. coli kann ein Hinweis da-
                                                                                  für sein, dass die Aufnahme von Antibiotikaresisten-
            In einer retrospektiven Fallkontrollstudie mit dem Ziel,              zen für Enterobakterien aus der Umwelt erfolgt sein
            die Risikofaktoren für Bakteriämien durch ESBL-bildende               kann (z. B. durch Kontakt mit kolonisierten Familien-
            E. coli und Klebsiella spp. bei Kindern zu bestimmen,                 mitgliedern oder Tieren, Aufnahme durch Lebens-
            konnten bei 7 % der E.-coli-Isolate und 18 % der Klebsiel-            mittel oder Trinkwasser).
            la-spp.-Isolate ESBL nachgewiesen werden [27]. Die mul-
            tivariate Regressionsanalyse zeigte hierbei, dass eine                Eine vor einigen Jahren veröffentlichte prospektive Studie
            Antibiotikatherapie mit einem 3.-Generations-Cephalo-                 über die Prävalenz von unterschiedlichen Antibiotikare-
            sporin sowie die Einnahme von Steroiden während der                   sistenzen für E. coli bei Kindern in Deutschland, die am-
            vorausgegangenen 30 Tage ein unabhängiges Risiko für                  bulant medizinisch versorgt wurden, beschrieb als Risi-
            den Nachweis von ESBL-Bildnern darstellte. Die Ergebnis-              kofaktor für die Kolonisation mit resistenten E. coli die
            se der molekularen Typisierung sprachen eher gegen eine               Übertragung durch besiedelte Eltern und Geschwister
            nosokomiale Übertragung der ESBL-bildenden Isolate                    (Odds Ratio 2,2 bzw. 2,7). Die Autoren untersuchten al-
            und für einen antibiotikainduzierten Selektionsdruck.                 lerdings nur die Resistenz gegenüber Ampicillin, Cefuro-
            Überraschend war in dieser Studie, dass bei den Kindern               xim, Doxycyclin und Cotrimoxazol, nicht die Resistenz ge-
            20 % der nachgewiesenen ESBL-Bildner gegen Ciproflo-                  gen 3.-Generations-Cephalosporine [30].

128                                                            Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137
In einer norwegischen Studie wurde beobachtet, dass                                    sen) bei Erwachsenen Ausbrüche mit carbapenemasebil-
Kleinkinder auch 1–2 Jahre nach postnataler Kolonisie-                                 denden Enterobakterien beschrieben worden [5]. Dies
rung des Darms mit ESBL-bildenden Klebsiella pneumo-                                   hat seit 2012 in Hessen zu einer Meldepflicht bei Auftre-
niae besiedelt sein konnten und daher ein signifikantes                                ten von carbapenemresistenten Erregern geführt.
Reservoir für die Übertragung auf Familienmitglieder
darstellten [31]. In dieser Studie wurden nach einem Aus-                              Ebenfalls weltweit schnell ausgebreitet hat sich in den
bruch mit ESBL-positiver Klebsiella pneumoniae vom                                     letzten Jahren die erst 2008 identifizierte Neu-Delhi-Me-
Genotyp CTX‑M 52 kolonisierte Neonate über 24 Monate                                   tallo-β-Laktamase (NDM) in Klebsiella spp. und anderen
monatlich während der ersten 12 Monate, danach alle                                    Enterobakterien. Sie wurde bei einem Patienten, der nach
3 Monate auf Klebsiella pneumoniae im Rektalabstrich                                   einer medizinischen Behandlung in Indien eine Harn-

                                                                                                                                                          Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
untersucht. Darüber hinaus wurden auch die Eltern und                                  wegsinfektion in Schweden erlitten hatte, erstmals iso-
Geschwister in die Untersuchung mit einbezogen. Die                                    liert und inzwischen weltweit auch bei Kindern nach-
Dauer der Kolonisation betrug bei den Kindern im Medi-                                 gewiesen [35–37]. Nicht immer ist die Carbapenemresis-
an 12,5 Monate nach Entlassung aus dem Krankenhaus.                                    tenz bei Enterobakterien und Nonfermentern durch die
Risikofaktoren für eine prolongierte Dauer der intestina-                              Bildung einer Carbapenemase bedingt:
len Kolonisation waren Entbindung durch Kaiserschnitt
(Hazard Ratio [HR] 2,4; 95 %-Konfidenzintervall: 1,1–5,5;                                        Merke
p = 0,029) und Antibiotikatherapie während des statio-                                 Einige gramnegative Bakterien haben zusätzlich die
nären Aufenthalts (HR 4,5; 95 %-Konfidenzintervall: 1,6–                               Möglichkeit, über strukturelle Veränderung der zell-
12,6; p = 0,004). Bei 32 % der haushaltsnahen Personen,                                wandständigen Porine (Kanalproteine) und über die
insbesondere der Eltern, konnten im Beobachtungszeit-                                  Heraufregulierung von Effluxpumpen Carbapeneme
raum ebenfalls die ESBL-bildenden Klebsiella-pneumo-                                   unwirksam zu machen.
niae-Stämme der Kinder isoliert werden. Allerdings be-
trug bei den Eltern die mittlere Kolonisationszeit im Me-                              In Deutschland wurden Daten aus der Antibiotika-Resis-
dian nur 2,5 Monate, bis die Rektalabstriche negativ ge-                               tenz-Surveillance (ARS) für kontinuierlich teilnehmende
testet wurden [31].                                                                    Krankenhäuser ausgewertet, die einen signifikanten An-
                                                                                       stieg des Anteils von 4MRGN A. baumannii von 6,4 %
            Merke                                                                      (2008) auf 13,6 % (2011) zeigen [38]. Noch deutlicher
Die Studiendaten belegen exemplarisch die Möglich-                                     fällt der Anstieg auf Intensivstationen aus: Neben der Zu-
keit einer Übertragung von MRGN innerhalb der                                          nahme des Anteils von 4MRGN A. baumannii von 11,1 %
Familie besiedelter Kinder.                                                            (2008) auf 19,6 % (2012) wurde 2012 beobachtet, dass
                                                                                       der Anteil der 4MRGN Klebsiella pneumoniae 1,0 % der
Kolonisation und Infektionen mit 4MRGN                                                 Isolate betrug [39]. Im Vergleich zu 2011 hat sich die ab-
Carbapeneme (Imipenem, Meropenem, Ertapenem und                                        solute Anzahl der Nachweise einer Carbapenemase aus
Doripenem) sind Reserveantibiotika, die der Behandlung                                 Isolaten, die an das Nationale Referenzzentrum (NRZ) für
schwerster Infektionen durch gramnegative Erreger vor-                                 gramnegative Krankenhauserreger eingeschickt wurden,
behalten sind. In den letzten Jahren treten zunehmend                                  im Jahr 2012 von 1473 auf 2873 verdoppelt [39].
Enterobakterien auf, die Carbapenemasen bilden und da-
mit neben anderen β-Laktam-Antibiotika auch Carbape-                                   Bislang liegen in Deutschland keine Untersuchungen
neme hydrolysieren können, wodurch sie auch gegen-                                     vor, welche die Epidemiologie von 4MRGN ausschließlich
über dieser Antibiotikaklasse resistent sind. Die erste Car-                           bei Kindern untersucht hätten. Diese Daten wurden aber
bapenemase wurde bereits 1993 in Enterobakterien ent-                                  in den USA erhoben, wo im Zeitraum von 1999 bis 2011
deckt [32], seitdem sind eine Vielzahl von Carbapenema-                                über 300 000 mikrobiologische Enterobakterienisolate
sen identifiziert worden, die zu 3 Klassen von β-Laktama-                              von Kindern nicht nur auf ESBL-Bildner, sondern auch auf
sen zählen [33, 34]:                                                                   Carbapenemresistenz untersucht wurden [40]. Hierbei
▪ Ambler-Klasse A                                                                      betrug die Gesamtprävalenz 0,08 %, wobei diese Resis-
▪ Ambler-Klasse B (Metallo-β-Laktamasen)                                               tenzen am häufigsten in Enterobacter spp., Klebsiella
▪ Ambler-Klasse D                                                                      spp. und E. coli vorkamen. Allerdings zeigt sich in dieser
                                                                                       Studie auch bei pädiatrischen Patienten eine besorgnis-
1996 sind im Osten der USA erstmals Carbapenemasen in                                  erregende Tendenz: Während 1999 noch kein Entero-
Klebsiella-pneumoniae-Isolaten (KPC-2 in Klebsiella                                    bakteriumisolat carbapenemresistent war, waren es 2011
pneumoniae, Ambler-Klasse A) identifiziert worden. Die-                                bereits 5 % der Enterobacter-spp.-Isolate [40]. Insbeson-
se haben sich seitdem weltweit ausgebreitet und in eini-                               dere in Blutkulturen und auf den pädiatrischen Intensiv-
gen Regionen bereits zu nosokomialen Ausbrüchen ge-                                    stationen stieg die Nachweisrate carbapenemresistenter
führt, sowohl bei Erwachsenen als auch in der Neonatolo-                               Isolate. Die Erfahrungen mit den Ausbrüchen (v. a. durch
gie und Pädiatrie [5, 34, 35]. Auch in Deutschland sind in                             4MRGN Klebsiella spp., aber auch durch 4MRGN
einigen Städten bzw. Regionen (Berlin, Leipzig und Hes-                                A. baumannii) zeigten, dass die Prävention von Erreger-

Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137                                                   129
CME-Fortbildung

  FAL L B E I S P I E L
                                                                                                Infektionspräventive Maßnahmen
  4MRGN Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter
                                                                                                In der stationären Versorgung
  baumannii
  Ein 5-jähriger Junge aus Libyen wird zur weiteren Therapie eingeflo-                          Die KRINKO hat für die neonatologischen und pädiatri-
  gen, nachdem er zu Hause in einen Topf mit heißem Speiseöl gefallen                           schen Intensivstationen infektionspräventive Maßnah-
  ist. Er hat drittgradige Verbrühungen an beiden Beinen. Bei Auf-                              men vorgeschlagen, die bei Nachweis von 2MRGN,
  nahme hat der Junge einen Harnwegskatheter, im Wundabstrich und                               3MRGN oder 4MRGN einzuhalten sind (▶ Tab. 3). Für
  im Urin finden sich 4MRGN Pseudomonas aeruginosa und Acineto-                                 nicht intensivpflichtige Kinder in der stationären wie auch
  bacter baumannii. Die Verbrühungswunden werden in Narkose chi-                                ambulanten Versorgung hat die Arbeitsgruppe MRGN der

                                                                                                                                                                                 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
  rurgisch debridiert und mit polyhexanidgetränkten Wundauflagen                                Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie und
  verbunden. Der Harnwegskatheter wird entfernt. In der Patienten-                              des Paed IC Projekts eine umfangreiche Empfehlung zum
  akte wird ein empirisches antibiotisches Behandlungsschema mit                                infektionspräventivem Vorgehen bei Nachweis von
  Colistin und Meropenem (beides intravenös) hinterlegt. Während                                MRGN im Kindesalter erarbeitet [42].
  des stationären Aufenthalts bis zur Verlegung in ein Schwerpunkt-
  zentrum für Brandverletzte ist jedoch keine systemische Antibio-                              Da eine Dekolonisierung bei Besiedelung mit multiresis-
  tikatherapie erforderlich.                                                                    tenten gramnegativen Bakterien, die in der Regel den
                                                                                                Darm kolonisieren und Bestandteil der Darmflora sind,
                                                                                                nicht möglich ist, ist die strikte Einhaltung von Maßnah-
                                                                                                men der Basishygiene essenziell. Hierzu gehört u. a. die
                 übertragungen und ein gezieltes Screening bei Hochrisi-                        korrekt durchgeführte Händedesinfektion mit einem ge-
                 kopatienten wesentliche Maßnahmen zur Verhinderung                             eigneten alkoholbasierten Händedesinfektionsmittel
                 der Ausbreitung von 4MRGN darstellen.                                          [43]. Auf gepflegte, kurze und unbehandelte Fingernägel
                                                                                                sollte geachtet werden [43, 44].
                 Der Gesetzgeber hat nun in Deutschland reagiert und seit
                 Mai 2016 das Infektionsschutzgesetz (IFSG) um eine na-                                    Merke
                 mentliche Meldepflicht bei Nachweis von Kolonisation                           Bei Tätigkeiten, die eine hygienische Händedesinfek-
                 und/oder Infektion durch carbapenemresistente 4MRGN                            tion erfordern, dürfen weder Schmuck (wie Eheringe,
                 wie z. B. E. coli, Klebsiella spp. und A. baumannii erwei-                     Armreifen, Freundschaftsbändchen), Uhren, künst-
                 tert. Ausnahmen bilden hierbei isolierte Nichtempfind-                         liche Fingernägel, Gelnägel oder Nagellack getragen
                 lichkeiten gegenüber Imipenem bei Proteus spp., Morga-                         werden.
                 nella spp., Providencia spp. und Serratia marcescens [41].
                                                                                                Die Händedesinfektion erfolgt:
                            Merke                                                               ▪ vor jedem Patientenkontakt
                 In Deutschland müssen seit 2016 laut Infektions-                               ▪ vor aseptischen Tätigkeiten (z. B. subkutane, intra-
                 schutzgesetz alle Nachweise von Kolonisation und/                                 venöse oder intramuskuläre Applikationen von Medi-
                 oder Infektion durch carbapenemresistente 4MRGN                                   kamenten, Verbandswechsel oder Katheteranlage)
                 wie Escherichia coli, Klebsiella spp. und Acineto-                             ▪ nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material
                 bacter baumannii dem Gesundheitsamt gemeldet                                   ▪ nach jedem Patientenkontakt
                 werden.

  ▶ Tab. 3 Krankenhaushygienische Konsequenzen für intensivmedizinisch behandelte Früh- und Neugeborene bei Nachweis von MRE (KRINKO-
  Empfehlung 2013).

  Erreger                                                   Einzelzimmer            Kohortierung                Schutzkittel und                      Mund-Nasen-
                                                                                                                Einmalhandschuhe                      Schutz
  MRSA                                                      ja                      ja                          ja                                    ja
  2MRGN NeoPäd                                              nein                    ja                          ja                                    nein2
  3MRGN und 4MRGN1                                          ja                      ja                          ja                                    ja
  VRE                                                       ja                      ja                          ja                                    nein
  P. aeruginosa                                             nein                    ja                          ja                                    nein2
  S. marcescens (ohne MRGN-Eigenschaften)
  1
      Bei Patienten, die mit 4 MRGN besiedelt oder infiziert sind, soll das Pflegepersonal in angemessener Zahl so zugeordnet werden, dass es nicht gleichzeitig
      andere Patienten betreut, die nicht mit solchen Erregern besiedelt oder infiziert sind.
  2
      Nur bei Tätigkeiten mit erhöhtem Risiko (z. B. beim Absaugen des Nasopharynx bei beatmeten Kindern, die offen abgesaugt werden).

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▪ nach Kontakt mit der patientennahen Umgebung                                         In der ambulanten Versorgung
  (Bett, Nachttisch, Toilettenstuhl etc.)                                              Auch in der kinderärztlichen Praxis ist die Einhaltung der
                                                                                       Basishygiene durch strikte Anwendung der hygienischen
Darüber hinaus sollten weitere Maßnahmen durch-                                        Händedesinfektion essenziell für die Infektionspräven-
geführt werden, wie die Identifikation von mit MRGN be-                                tion. Allerdings liegen bislang keine Studien vor (mit Aus-
siedelten Kindern bei Aufnahme (Screening). Von der Ex-                                nahme von Teilaspekten bei Kindern mit Mukoviszidose),
pertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Pädiatri-                                  welche die Übertragung von MRGN in der ambulanten
sche Infektiologie wurden folgende Zielgruppen für ein                                 medizinischen Versorgung bei Kindern mit oder ohne
Aufnahmescreening auf MRGN vorgeschlagen [42]:                                         chronische Grunderkrankungen untersucht hätten. Die
▪ Patienten mit positivem MRGN-Nachweis in der                                         Arbeitsgruppe MRGN der Deutschen Gesellschaft für Pä-

                                                                                                                                                            Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
   Anamnese                                                                            diatrische Infektiologie und des Paed IC Projekts emp-
▪ Patienten mit direktem oder indirektem Kontakt zu                                    fiehlt daher einen angemessenen und praktikablen Um-
   einem 3MRGN- oder 4MRGN-Träger (z. B. durch Be-                                     gang mit 3MRGN- oder 4MRGN-besiedelten Kindern:
   handlung im gleichen Zimmer > 24 h)                                                 Dies beinhaltet keine Einschränkungen zur Teilhabe am
▪ Patienten aus Einrichtungen mit bekannt hoher MRE-                                   öffentlichen Leben, aber bei bekanntem Besiedelungssta-
   Prävalenz, z. B. Pflegeheime für Kinder mit Langzeit-                               tus organisatorische bzw. räumliche Trennung dieser Kin-
   behandlungspflege oder neurologische Rehabilita-                                    der im kinderärztlichen Wartebereich, um besonders in-
   tionskliniken                                                                       fektanfällige Risikokinder zu schützen [42]. Für das Per-
▪ Patienten, die in den letzten 3 Monaten wiederholt                                   sonal gilt wie in der stationären Versorgung: bei engem
   mit In-vitro-Breitspektrumantibiotika therapiert wur-                               Kontakt (z. B. durch Untersuchung der Kinder) die Einhal-
   den und wiederholt stationär behandelt werden muss-                                 tung der Barrierepflege mit Tragen von Handschuhen,
   ten                                                                                 Schutzkittel und ggf. (bei Besiedelung der Atemwege)
▪ Patienten mit Devices (Harnwegskatheter, Tracheos-                                   Mund-Nasen-Schutz, um sich selbst vor einer Übertra-
   toma, Ernährungssonde, PEG und zentralvenöse Dau-                                   gung zu schützen und eine Übertragung auf andere Pa-
   erkatheter)                                                                         tienten zu vermeiden.
▪ Patienten mit urogenitalen Fehlbildungen und rezidi-
   vierenden Harnwegsinfektionen                                                                  Merke
▪ Patienten, die aus Kliniken aus dem Ausland mit be-                                  Neben hygienerelevanten Maßnahmen ist in der
   kannt hoher MRGN-Prävalenz verlegt wurden (Ost-                                     ambulanten medizinischen Versorgung besonders
   und Südeuropa, Naher und Mittlerer Osten, etc.)                                     eine rationale Antibiotikatherapie ein wesentlicher
▪ Kinder und Jugendliche mit Flüchtlingsanamnese                                       Aspekt zur Prävention der Selektion multiresistenter
                                                                                       Bakterien.
Weitere Maßnahme bei Besiedelung oder Infektion mit
3MRGN (zwingend aber bei 4MRGN!) ist die Isolierung
der Patienten auch außerhalb der Intensivstation in                                    Auswirkungen der Breitspektrum-
einem Einzelzimmer, gemeinsam mit ihrer erwachsenen                                    antibiotika auf die Resistenzentwicklung
Begleitperson. Darüber hinaus ist eine Barrierepflege
einzuhalten, d. h. bei Kontakt mit dem Patienten bzw.                                  Studien des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
dessen Sekret, Blut oder Ausscheidungen sollen nach der                                und der Universität Freiburg analysierten den Antibio-
Händedesinfektion keimarme Handschuhe, ein patien-                                     tikaverbrauch 2001, 2005 und 2010 in Deutschland und
tenbezogener Schutzkittel und ggf. ein Mund-Nasen-                                     stellten fest, dass bereits 2001 jede 3. Antibiotikaverord-
Schutz getragen werden (z. B. beim Absaugen).                                          nung in diesem Land auf ein Antibiotikum der Reserve
                                                                                       entfallen ist und sich der Trend im Vergleich der letzten
Alle zur Pflege bzw. zur medizinischen Versorgung benö-                                10 Jahre dramatisch weiterentwickelt hat [45]. Diese
tigten Pflege- und Medizinprodukte sollen patienten-                                   Daten wurden durch den aktuell veröffentlichten GER-
bezogen eingesetzt werden und bei Wiederverwendung                                     MAP-Bericht 2015 über den Antibiotikaverbrauch und
sachgerecht aufbereitet werden, damit es nachfolgend                                   die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Hu-
nicht zur Erregerübertragungen auf andere Patienten                                    man- und Veterinärmedizin in Deutschland bestätigt, in
kommen kann.                                                                           dem gezeigt wurde, dass inzwischen über die Hälfte der
                                                                                       Verordnungen, auch in der ambulanten medizinischen
          Merke                                                                        Versorgung, sog. Breitspektrumantibiotika sind [4]. Auch
Ohne eine konsequente Umsetzung der hygienischen                                       wenn in der Pädiatrie die Antibiotikaverordnungen der
Händedesinfektion können über die Basishygiene                                         letzten Jahre rückläufig sind, zeigt sich auch hier eine Zu-
hinausgehende Maßnahmenbündel nicht wirksam                                            nahme von breit wirkenden Antibiotika wie 3.-Generati-
sein.                                                                                  ons-Cephalosporinen zulasten der Basispenicilline [46].

Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137                                                     131
CME-Fortbildung

                        Merke                                                      1. Antibiotika sollten nur dann eingesetzt werden,
            Übermäßiger Einsatz von Breitspektrumantibiotika                          wenn sie benötigt werden.
            wie Ciprofloxacin oder 3.-Generations-Cephalospo-                      2. Es sollten adäquate Antibiotika ausgewählt werden,
            rine trägt entscheidend zur Selektion von multiresis-                     wobei eine gezielte Therapie besser als eine Breit-
            tenten Erregern wie MRSA, VRE und MRGN bei.                               spektrumtherapie ist, die häufig unangebracht ist.
                                                                                   3. Die Pharmakokinetik und ‑dynamik der ausgewähl-
            Eine vorangegangene Ciprofloxacintherapie kann nicht                      ten Antibiotikatherapie sollte beachtet werden,
            nur zur Selektion von MRSA, sondern auch zur Entste-                      ebenso, die kürzeste Therapiedauer zu wählen, die
            hung chinolonresistenter Enterobakterien wie E. coli                      einen maximalen Therapieerfolg verspricht.
            führen [47]. Interessanterweise konnte gezeigt werden,                 4. Die Compliance des Patienten (Erwachsene) bzw.

                                                                                                                                                                   Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
            dass eine Reduktion dieses Verbrauchs auch die Inzidenz-                  der Eltern (bei Kindern) sollte unterstützt werden,
            rate von nosokomial auftretenden ESBL-bildenden Ente-                     die Antibiotika regelmäßig in der vorgeschriebenen
            robakterien signifikant senken konnte und außerdem zu                     Dauer täglich einzunehmen, um zu verhindern, dass
            einer erneuten Empfindlichkeit von E. coli gegenüber Chi-                 subinhibitorische Konzentrationen erreicht werden,
            nolonen beitrug [47, 48].                                                 die wiederum einer Resistenzentwicklung Vorschub
                                                                                      leisten können.
                       Merke                                                       5. Kombinationen von Antibiotika sollten nur in aus-
            Da multiresistente Bakterien von Eltern und Haus-                         gewählten Situationen eingesetzt werden, da in der
            haltskontakten auch auf Kinder übertragen werden                          Regel das zu erwartende Keimspektrum bei ambu-
            können, ist ein gezielter und restriktiver Einsatz von                    lant erworbenen Infektionen ihren Einsatz nicht er-
            Antibiotika in allen Altersgruppen von erheblicher                        forderlich macht.
            Bedeutung zur Reduktion des Selektionsdrucks.                          6. Es sollte verhindert werden, dass die verschriebenen
                                                                                      Antibiotika durch Generika ersetzt werden, die nicht
                                                                                      den Anforderungen der Bioäquivalenz entsprechen,
            Empfehlungen für eine rationale                                           sodass es nicht zur Therapie mit subinhibitorischen
                                                                                      Konzentrationen gegenüber den Bakterien kommt.
            Antibiotikatherapie in der                                             7. Patienten bzw. Eltern von pädiatrischen Patienten
            ambulanten Versorgung                                                     sollten von Selbstmedikationen mit Antibiotika ab-
                                                                                      gehalten werden.
            Da seit 2000 nur 3 neue Substanzgruppen (Oxazolidino-                  8. Es sollte evidenzbasiert nach den Leitlinien medizini-
            ne mit Linezolid, Lipopeptide mit Daptomycin und Glycyl-                  scher Fachgesellschaften behandelt und nicht phar-
            cycline mit Tigecyclin als Vertreter) überwiegend für den                 maindustriegesteuerten Empfehlungen gefolgt wer-
            Einsatz gegen multiresistente grampositive Erreger wie                    den.
            MRSA oder vancomycinresistente Enterokokken (VRE)                      9. Mikrobiologische Befunde können wertvolle Infor-
            entwickelt und zugelassen worden sind, fehlen beson-                      mationen auch in der ambulanten Versorgung lie-
            ders Wirkstoffe, die bei den multi- bzw. vollständig resis-               fern. Allerdings sollten sie rational eingesetzt wer-
            tenten gramnegativen Bakterien wirken.                                    den, was bedingt, dass die korrekte Probenentnah-
                                                                                      me durchgeführt wird und auch die Beschränkungen
                      Merke                                                           eingesetzter Tests bekannt sind.
            Das Ziel muss also sein, die Wirksamkeit der ver-                     10. Antibiotika sollten empirisch, aber intelligent einge-
            fügbaren Antibiotika möglichst lange zu erhalten.                         setzt werden, d. h. unter Berücksichtigung der loka-
                                                                                      len Resistenzepidemiologie, wobei die Limitationen
            Dies erfordert eine möglichst rationale Anwendung von                     von Surveillance-Untersuchungen bedacht werden
            Antibiotika, um den Selektionsdruck für multiresistente                   sollten.
            Erreger zu vermeiden [47]. Daher hat die Internationale
            Gesellschaft für Chemotherapie mit einer Gruppe inter-
            nationaler Experten 10 Empfehlungen für die rationale
            Antibiotikatherapie in der ambulanten medizinischen
            Versorgung erarbeitet [49]:

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Korrespondenzadresse
    KER N AU SSAG EN
    ▪ Multiresistente Erreger sind Bakterien, die in vitro                                   Dr. med. Janine Zweigner
      mindestens gegen 2 oder mehr Antibiotikaklassen                                        Zentrale Krankenhaushygiene
      resistent sind.                                                                        Universitätsklinikum Köln
                                                                                             Kerpener Str. 62
    ▪ Infektionen durch multiresistente Erreger können
                                                                                             50924 Köln
      nicht nur die Behandlungsdauer deutlich verlän-                                        janine.zweigner@uk-koeln.de
      gern, sondern auch die Morbiditäts- und Letalitäts-
      gefahr erhöhen.                                                                  Wissenschaftlich verantwortlich
    ▪ Die Zunahme von Infektionen mit multiresistenten                                 gemäß Zertifizierungsbestimmungen

                                                                                                                                                                      Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
      Enterobakterien ist auch in der Pädiatrie besorg-
      niserregend, da hier die Therapieoptionen beson-                                       Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs-
      ders eingeschränkt sind.                                                               bestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Janine
    ▪ Durch strikte Einhaltung der Hygienemaßnahmen                                          Zweigner, Köln.
      durch die Patienten, Eltern und medizinisches Per-
      sonal kann eine Weiterverbreitung der multiresis-                                Literatur
      tenten Erreger verhindert werden.
    ▪ Um einer weiteren Resistenzentwicklung ent-                                      [1]   Silver LL. Challenges of antibacterial discovery. Clin Microbiol
                                                                                             Rev 2011; 24: 71–109
      gegenzuwirken ist es daher wichtig, auch in der
                                                                                       [2]   ECDC/EMA Joint Technical Report 2009. The bacterial chal-
      ambulanten Versorgung durch rationalen Antibio-
                                                                                             lenge – time to react. Stockholm, Sweden. Im Internet:
      tikaeinsatz den Selektionsdruck auf die Bakterien                                      http://ecdc.europa.eu/en/publications/_layouts/forms/Publi-
      zu senken.                                                                             cation_DispForm.aspx?ID=199&List=4f55ad51%2D4aed%
                                                                                             2D4d32%2Db960%2Daf70113dbb90; Stand: 08.03.2017
                                                                                       [3]   European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC).
                                                                                             Summary of the latest data on antibiotic resistance in the
                                                                                             European Union 2015. Stockholm: ECDC; 2016. Im Internet:
                                                                                             http://ecdc.europa.eu/en/eaad/antibiotics-get-informed/
Interessenkonflikt
                                                                                             antibiotics-resistance-consumption/Pages/data-reports.aspx;
                                                                                             Stand: 08.03.2017
      Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
                                                                                       [4]   Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-
                                                                                             heit, Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. GER-
Über die Autoren                                                                             MAP 2015 – Bericht über den Antibiotikaverbrauch und die
                                                                                             Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Human- und Ve-
                       Janine Zweigner                                                       terinärmedizin in Deutschland. Rheinbach: Antiinfectives In-
                                                                                             telligence; 2016
                      Dr. med., Jahrgang 1965. 1989–1995 Studium
                      der Humanmedizin an der FU Berlin. 1995–                         [5]   French CE, Coope C, Conway L et al. Control of carbapene-
                      1997 Assistenzärztin, Abt. für Medizinische                            mase-producing Enterobacteriaceae outbreaks in acute set-
                      Onkologie und Tumorimmunologie, Charité –                              tings: an evidence review. J Hosp Infect 2017; 95: 3–45
                      Universitätsmedizin Berlin. 1998–2001 und                        [6]   Stillwell T, Green M, Barbadora K et al. Outbreak of KPC‑3 Pro-
                      2003–2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin,                             ducing Carbapenem-Resistant Klebsiella pneumoniae in a US
      Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité, 2006                               Pediatric Hospital. J Pediatric Infect Dis Soc 2015; 4: 330–338
      Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepi-                       [7]   Lukac PJ, Bonomo RA, Logan LK. Extended-spectrum beta-lac-
      demiologie. 2001–2003 Postdoctoral Research Associate,                                 tamase-producing Enterobacteriaceae in children: Old Foe,
      Department of Infectious Diseases, St. Jude Childrenʼs                                 Emerging Threat. Clin Infect Dis 2015; 60 : 1389–1396
      Research Hospital, Memphis, USA. 2010–2014 Wissenschaft-
                                                                                       [8]   Giuffrè M, Bonura C, Geraci DM et al. Successful control of an
      liche Mitarbeiterin, Institut für Hygiene und Umweltmedizin
                                                                                             outbreak of colonization by Klebsiella pneumoniae carbapene-
      der Charité. 2013 Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin.
                                                                                             mase-producing K. pneumoniae sequence type 258 in a neo-
      Seit 2015 Leiterin der Zentralen Krankenhaushygiene des
                                                                                             natal intensive care unit, Italy. J Hosp Infect 2013; 85: 233–
      Universitätsklinikums Köln.
                                                                                             236
                                                                                       [9]   Geffers C, Schwab F, Gastmeier P. Nosokomiale Infektionen bei
                       Arne Simon                                                            pädiatrischen Intensivpflegepatienten – Daten aus ITS-KISS.
                      Prof. Dr. med. Pädiatrischer Onkologe und                              Hyg Med 2009; 34: 336–342
                      Infektiologe am Universitätsklinikum in Hom-                     [10] Hamprecht A, Rohde AM, Behnke M et al. DZIF-ATHOS Study
                      burg, Leiter des Infectio Saar Netzwerks und                          Group. Colonization with third-generation cephalosporin-re-
                      des Pädine Saar Netzwerks. Er koordiniert                             sistant Enterobacteriaceae on hospital admission: prevalence
                      (gemeinsam mit Prof. Johannes Hübner aus                              and risk factors. J Antimicrob Chemother 2016; 71: 2957–
                      München) die Arbeitsgruppe Antibiotic Ste-                            2963
      wardship der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infek-
                                                                                       [11] Murray TS, Peaper DR. The contribution of extended-spectrum
      tiologie und ist seit 2004 berufenes Mitglied der Kommission
                                                                                            beta-lactamases to multidrug-resistant infections in children.
      für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim
                                                                                            Curr Opin Pediatr 2015; 27: 124–131
      Robert Koch-Institut in Berlin.

Zweigner J, Simon A. Multiresistente gramnegative Erreger …   Pädiatrie up2date 2017; 12: 123–137                                                               133
CME-Fortbildung

            [12] Heudorf U, Büttner B, Hauri AM et al. Carbapenem-resistant                       trum beta-lactamase-producing Escherichia coli and Klebsiella
                 Gram-negative bacteria – analysis of the data obtained                           species in children. Pediatrics 2005; 115: 942–949
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                 Infect Control Hosp Epidemiol 2016;37: 1310–1314                               erichia coli and association with routine use of antibiotics in
            [14] Bush K, Jacoby GA, Medeiros AA. A functional classification                    primary care: systematic review and meta-analysis. BMJ 2016;
                 scheme for beta-lactamases, and its correlation with molecu-                   352: i939
                 lar structure. Antimicrob Agents Chemother 1995; 39: 1211–                [30] Lietzau S, Raum E, von Baum H et al. Household contacts were

                                                                                                                                                                            Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
                 1233                                                                           key factor for childrenʼs colonization with resistant Escherichia
            [15] Bush K, Fisher J. Epidemiological expansion, structural studies,               coli in community setting. J Clin Epidemiol 2007; 60: 1149–
                 and clinical challenges of new β-lactamases from gram-nega-                    1155
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                 and Chemotherapy; 2014                                                         break. J Antimicrob Chemother 2013; 68: 1043–1048
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                 und Infektionsprävention. Hygienemaßnahmen bei Infektio-                       class A beta-lactamase from Enterobacter cloacae and of its
                 nen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen                         LysR-type regulatory protein. Proc Natl Acad Sci U S A 1994;
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                 ne und Infektionsprävention. Praktische Umsetzung sowie                        tamases. Clin Microbiol Rev 2007; 20: 440–458
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                 Epidemiol Bull 2013; 42: 421–432
                                                                                           [35] Nordmann P, Naas T, Poirel L. Global spread of carbapene-
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                 chen auf neonatologischen Intensivpflegestationen – Serratia                   17: 1791–1798
                 marcescens, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii
                                                                                           [36] Yong D, Toleman MA, Giske CG et al. Characterization of a new
                 und Pseudomonas aeruginosa. Bundesgesundheitsbl 2015;
                                                                                                metallo-beta-lactamase gene, bla(NDM‑1), and a novel eryth-
                 58: 308–322
                                                                                                romycin esterase gene carried on a unique genetic structure in
            [20] Logan L, Braykov N, Weinstein R et al. Extended-Spectrum β-                    Klebsiella pneumoniae sequence type 14 from India. Antimi-
                 Lactamase-Producing and Third-Generation Cephalosporin-                        crob Agents Chemother 2009; 53: 5046–5054
                 Resistant Enterobacteriaceae in Children: Trends in the United
                                                                                           [37] Logan LK, Bonomo RA. Metallo-β-lactamase (MBL)-producing
                 States, 1999–2011. J Pediatric Infect Dis Soc 2014; 3: 320–328
                                                                                                Enterobacteriaceae in United States Children. Open Forum In-
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                                                                                           [38] Robert Koch-Institut. Acinetobacter baumannii – ein Kranken-
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                                                                                                hauskeim mit beunruhigendem Entwicklungspotential. Epi-
                 Hosp Epidemiol 2007; 28: 299–306
                                                                                                demiol Bull 2013; 32: 295–299
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                 monas aeruginosa infection in children undergoing chemo-
                                                                                                und Infektionsprävention: Ergänzung zu den „Hygienemaß-
                 therapy and hematopoietic stem cell transplantation. Haema-
                                                                                                nahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten
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