Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas - Entwicklung einer Systematik anhand von Parametern zur digitalen bundesweiten Erfassung von ...
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Sören Wallrodt · Lutz Thieme Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas Entwicklung einer Systematik anhand von Parametern zur digitalen bundesweiten Erfassung von Sportstätten
Sören Wallrodt ∙ Lutz Thieme Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas Entwicklung einer Systematik anhand von Parametern zur digitalen bundesweiten Erfassung von Sportstätten
Sonderpublikation des Bundesinstituts für Sportwissenschaft Impressum Herausgeber Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) Graurheindorfer Straße 198 · 53117 Bonn info@bisp.de www.bisp.de Ansprechpartner Michael Palmen Jutta Katthage Tel.: 0228 99 640 9033 Tel.: 0228 99 640 9026 E-Mail: michael.palmen@bisp.de E-Mail: jutta.katthage@bisp.de Erscheinungsjahr 2021 Wallrodt, Sören ∙ Thieme, Lutz Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas ISBN 978-3-96523-047-7 Layout Elke Hillenbach Bildnachweis Coverfoto Jutta Katthage / BISp Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über „http://dnb.d-nb.de“ abrufbar. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.
3 Vorwort Die flächendeckende Bereitstellung von geeig- Das Projektteam lotete die Bedingungen zur neten, nachhaltigen, zukunfts- und bedarfsge- Erstellung der o. a. Datenbank aus und definiert rechten Sportstätten ist eine Grundvorausset- Faktoren für die Erfassung der Daten. Dabei zung für das Sporttreiben in Deutschland. Ohne wurde zu Beginn die Frage, ob die Erstellung funktionale „Räume für den Sport“ als Kernres- einer bundesweiten validen Datensammlung sourcen und Grundlagen der Sportinfrastruktur einen Mehrwert für den Sport und seine Inf- kann weder der Schul-, Vereins- und Breiten- rastruktur erbringen könnte, ergebnisoffen sport, noch der Spitzensport die ihm zugeschrie- diskutiert. Ein Projekt zur Generierung von bene weitreichende gesellschaftliche Wirkung umfassenden, möglichst vollständigen Daten entfalten. Im Sinne einer positiven Sportent- über Art, Anzahl und Zustand von Sportstätten wicklung haben Bund, Länder und Kommunen in Deutschland sollte im Vorfeld mit möglichst daher ein großes Interesse am Erhalt sowie am allen beteiligten Gruppen aus Sport, Politik, Aus- und Aufbau von modernen, in ausreichen- Wirtschaft, Verwaltung und der Wissenschaft der Zahl vorhandenen Sportstätten und Bewe- beraten werden. In zwei Workshops diskutierten gungsräumen. deshalb folgerichtig die entsprechenden Vertre- Sollen in Zukunft notwendige Finanzmittel für terinnen und Vertreter gemeinsam die erziel- die Sportinfrastruktur effektiv eingesetzt wer- ten Ergebnisse der jeweiligen Teilabschnitte der den, ist das Vorhandensein aussagekräftiger, Expertise. belastbarer und möglichst vollständiger Daten Dieser Bericht zeigt nach Meinung aller an sei- über die Art, die Anzahl und den Zustand der ner Fertigstellung beteiligten Personen, dass über das gesamte Bundesgebiet verteilten Sport- ein bundesweiter digitaler Sportstättenatlas stätten eine unabdingbare Voraussetzung. realisierbar ist. Er wird einerseits einen großen Diese Expertise wurde vom Bundesinstitut Mehrwert für eine bedarfsgerechte, nachhaltige für Sportwissenschaft (BISp) zur Entwicklung Sportinfrastruktur erzeugen und andererseits einer Systematik und zur Vorbereitung einer helfen, insbesondere öffentliche Finanzmittel Ausschreibung für einen bundesweiten digita- im Sportstättenbau zielgerichtet einzusetzen. len Sportstättenatlas initiiert. Das Ziel des For- Ich danke dem Projektteam, dem Projektbeirat schungsvorhabens ist der Aufbau einer umfang- und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der reichen Datensammlung zur Darstellung des beiden Workshops für ihr Engagement und bin bautechnischen Sportstättenbestands unter mir sicher, dass der digitale Sportstättenatlas zu- Berücksichtigung der Sportnachfrage und des künftig einen wichtigen Beitrag für eine positive Sportstättenbetriebs. Sportentwicklungsplanung in Deutschland leis- Die hier vorliegende Darstellung einer Systema- ten wird. tik anhand von Parametern wurde an der Hoch- Ralph Tiesler schule Koblenz, unter der Projektleitung von Direktor BISp Prof. Dr. Lutz Thieme, in einem Zeitraum von einem Jahr als notwendige Voraussetzung zur digitalen bundesweiten Erfassung von Sport- stätten entwickelt. Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
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5 Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.1 Ausgangslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2 Problembeschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.3 Ziel des Projekts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.4 Umsetzung durch den Auftragnehmer (Methodologie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2 Methodik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1 Dokumentenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2 Stakeholderanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.3 Analyse von Sportstättendatenbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3 Ergebnisse der Stakeholderanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.1 Stakeholderidentifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Ziele und Informationsbedarfe der Stakeholder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.3 Von den Informationsbedarfen zur Gestaltung des Sportstättenatlas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4 Ergebnisse der Analyse der Sportstättendatenbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 5 Empfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5.1 Funktionalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.1.1 Grundlegende Funktionen von Sportstättenatlanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.1.2 Funktionalität verschiedener Sportstättenatlanten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5.1.3 Empfehlung zur Funktionalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5.2 Erfassungsschema. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 5.2.1 Parameterauswahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5.2.2 Datenbankstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5.2.3 Sportstättentypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.2.4 Baulicher Zustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.2.5 Barrierefreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.2.6 Erläuterungen und Bibliographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.2.7 Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.2.8 Empfehlung zum Erfassungsschema. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.3 Erhebungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42 5.3.1 Webcrawler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5.3.2 Statistische Landesämter / gesetzliche Verpflichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.3.3 Liegenschaftskataster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.3.4 Stichprobenziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5.3.5 Satellitenaufnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5.3.6 Vorhandene Datenbestände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.3.7 Umfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.3.8 Vor-Ort-Erfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.3.9 Citizen Science / Bürgerbeteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.3.10 Desk-Research. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.3.11 Bewertung der Erhebungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
6 5.3.12 Erfassbarkeit der Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5.3.13 Empfehlung zur Erhebungsmethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48 5.4 Empfehlungen zum Aufbau des digitalen Sportstättenatlas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5.5 Empfehlungen zum Betrieb des digitalen Sportstättenatlas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.5.1 Dauerhafter Betrieb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.5.2 Anbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.5.3 Prozessmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.5.4 Open Data und Open Source . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.5.5 Datenkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.5.6 Verknüpfung mit Sportstättenförderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.5.7 Konzept zur Einbindung von DOSB, Spitzen-, Landes- und Landesfachverbänden. . . . . . . . . . . 53 5.6 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6 Weiteres Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 7 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 8 Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Anlage 1 – Liste der geführten Interviews. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Anlage 2 – Workshops, Treffen,Konferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Anlage 3 – Liste aller analysierten Sportstättendatenbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Anlage 4 – Liste relevanter Stakeholder von Sportstätten (alphabetisch geordnet). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Anlage 5 – Vergleichende Übersicht verschiedener Sportstättendatenbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Anlage 6 – Übersicht Parameter verschiedener Sportstättendatenbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Anlage 7 – Vergleich verschiedener Systeme von Sportstättentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Beirat des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
7 1 Einleitung 1
8 Einleitung Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
Einleitung 9 1.1 Ausgangslage Die Informationserhebung zu Sportstätten hat in Deutschland eine lange Tradition. Wohl Sportstätten sind die Grundlage des Sporttrei- erstmalig wurde eine Sportstättenstatistik in bens und der damit verbundenen positiven Deutschland im Jahr 1935 für das damalige externen Effekte wie z. B. Gesundheit oder sozi- Deutsche Reich erhoben (Statistisches Reichs- ale Integration (Rittner & Breuer, 2004). Insofern amt, 1938) und auch schon kartografisch dar- besitzen funktionale Sportstätten eine beson- gestellt (Abb. 1). Es folgten Erhebungen in den dere Bedeutung für die Sportentwicklung in Jahren 1955 und 1965 unter Federführung des Deutschland. Informationen zu Sportstätten Statistischen Bundesamtes. Von 1960 bis 1975 sind auf kommunaler, regionaler, Landes- und wurde mit Hilfe des sogenannten „Goldenen Bundesebene notwendig, um angemessene Ent- Plans“ und seinen Fortschreibungen sowie un- scheidungen, z. B. zur Verteilung von Mitteln für mittelbar nach der Wiedervereinigung mit dem Sportstättenbau und -sanierung oder im Falle „Goldenen Plan Ost“ eine weitgehend flächen- von Neubewertungen von Baustoffen wie z. B. deckende Sportinfrastruktur geschaffen. aktuell in Bezug auf Kunststoffrasen zu tref- Um diese dynamische Entwicklung im Sport- fen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, stättenbau abzubilden, wurde zum 1. Januar dass der bauliche Zustand der Sportstätten in 1976 eine Erhebung der Sportstätten durch die Deutschland häufig als unzureichend darge- Deutsche Olympische Gesellschaft, die Bundes- stellt wird, wären verlässliche Informationen vereinigung der Kommunalen Spitzenverbände auf verschiedenen Aggregationsstufen für dies- und das Bundesinstitut für Sportwissenschaft bezügliche Diskussionen und Entscheidungen durchgeführt. 1980 hielt die Sportministerkon- notwendig. Ansonsten besteht die Gefahr von ferenz eine vergleichbare Sportstättenstatistik Fehlallokationen oder Unter- und Überversor- der Länder für erforderlich, um eine bedarfs- gungen mit bestimmten Sportstätten. Bundes- gerechte Planung auf Grundlage vergleichba- weit existieren allerdings derzeit keine einheit- rer statistischer Daten zu ermöglichen (Sport- lichen und aktuellen Informationen weder zur ministerkonferenz, 2018). Dementsprechend Anzahl noch zur Art von Sportstätten. Somit sollte eine länderübergreifende Erhebung zum sind auch keine bundesweiten Datenbestände 01.01.1981 stattfinden. Allerdings stellte die zur Ausstattung oder zum baulichen Zustand Sportministerkonferenz im Jahr 1986 fest, dass von Sportstätten verfügbar. es schwierig sei, „Kriterien für eine vergleichbare Der Nutzen solcher Informationen hängt ent- Sportstättenstatistik der Länder festzulegen und scheidend von der Vollständigkeit und der Vali- ihre Realisierbarkeit mit den anderen Partnern dität der Daten ab. Der Nutzen kann dabei auf eingehend zu prüfen“, weshalb eine Umsetzung verschiedenen Ebenen sowie für unterschied- der Datenerhebung zunächst nicht erfolgte. liche Personengruppen und Organisationen Tatsächlich wurden dann allerdings in den Jah- anfallen. So können die Informationen z. B. auf ren 1988 und 2000 bundesweite Länderstatisti- Bundes- und Landesebene zur Fördermittelal- ken erstellt. Die „Sportstättenstatistik der Län- lokation, aber auch auf kommunaler Ebene zur der“ aus dem Jahr 2000 wie auch die vorherigen Sportentwicklungsplanung oder für interkom- Erhebungen enthalten jedoch keine Daten zu munale Kooperationen genutzt werden. Orga- einzelnen Sportstätten, sondern sind Aggrega- nisationen wie Bundes- und Landesbehörden tionen auf Länderebene, teils aus Vollerhebun- können die Informationen zur Steuerung und gen, teils aus Stichproben. Es existierte also zu Kontrolle von Investitionen einsetzen, kommu- keiner Zeit ein Verzeichnis einzelner Sportstät- nale Sportämter für Planungsprozesse. Sport- ten in Deutschland. Zwischen diesen Sportstät- vereine können mit solchen Informationen tenstatistiken beschloss die Sportministerkon- ihre Angebotsentwicklungen und Sportstätten- ferenz mehrfach neue Erhebungen, nahm diese nutzung optimieren, indem z. B. bisher nicht Beschlüsse jedoch aufgrund verschiedener Pro- genutzte Sportstätten identifiziert werden kön- bleme immer wieder zurück. nen. Für die Bevölkerung können die Informati- onen aufbereitet und so der Zugang zum Sport- treiben verbessert werden. Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
10 Einleitung Abb. 1: Übersicht zur Sportstättenstatistik im Jahr 1935 (Quelle: Statistisches Reichs- amt. Die sportlichen Übungsstätten im Deutschen Reich, S. 13) Im Anschluss an die letzte bundesweite Erhe- Erkenntnisse“ zu erwarten wären und eine bun- bung im Jahr 2000 (Sportministerkonferenz, desweite Erhebung mit nicht unerheblichen 2002) beschloss die Sportministerkonferenz im Kosten verbunden sei. Weiter wurde ausgeführt: Jahr 2002, zum Stichtag 01.07.2010 eine erneu- te Sportstättenstatistik zu erheben. Auch wurde „Die Erfahrung der letzten Jahre hat die Sportstättenstatistik 2002 von der Sportmi- gezeigt, dass eine länderübergreifen- nisterkonferenz „als wichtiges Basismaterial für de einheitliche Sportstättenstatistik sportpolitische Entscheidungen“ und als valide für konkrete Investitionsentschei- Datenbasis, auf deren Grundlage Kommunen, dungen keine praktische Bedeutung Regionen und Länder Entscheidungen zur bes- hat. Für Kommunen und Sportver- seren Steuerung von öffentlichen Mitteln für eine als Betreiber der meisten Sport- die benötigte Sportinfrastruktur treffen können, stätten sind die auf Länderebene bezeichnet. Mehrere Analysen wurden auf der zusammengefassten Daten für ihre Grundlage der Daten dieser Sportstättenstatis- Planungsentscheidung ohne Bedeu- tik erstellt. tung, da sie für den kommunalen Bedarf an Sportstätten und deren Zwischen 1980 und 2008 tauchte eine „Sportstät- Zustand keine Rückschlüsse zulassen. tenstatistik der Länder“ insgesamt 10 Mal in den Der kommunale Bedarf unterschei- Beschlüssen der Sportministerkonferenz auf. det sich von Ort zu Ort aufgrund un- Somit wurden durchschnittlich in jeder zweiten terschiedlicher Sportstättennachfra- bis dritten Sportministerkonferenz Beschlüsse ge, verstärkt durch ungleichmäßige zur Sportstättenstatistik gefasst. Der Beschluss demografische Entwicklungen. Nur einer erneuten Erhebung im Jahr 2010 wur- die auf kommunaler und regionaler de auf der 32. Sportministerkonferenz im No- Ebene verfügbaren Daten ergeben vember 2008 zurückgenommen, da „von einer daher eine sinnvolle Planungsgrund- Fortschreibung der Sportstättenstatistik zum lage.“ Stichtag 01.07.2010 keine wesentlichen neuen (Sportministerkonferenz, 2018, S. 412) Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
Einleitung 11 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die › die wiederholt auftretenden Kosten für letzte Erhebung zur Sportstättenstatistik zum Erhebungen Stichtag 01.07.2000 durchgeführt wurde und so- einer erneuten Sportstättenstatistik im Wege mit über 20 Jahre alt ist. Unabhängig von den Be- standen. Beteiligte Akteure berichteten zudem schlüssen der Sportministerkonferenz haben je- im Rahmen der geführten Interviews, dass eine doch die Länder Hamburg und Sachsen-Anhalt Vergleichbarkeit zwischen den Ländern und auf Länderebene Sportstättenatlanten erstellt. einzelnen Kommunen hinsichtlich wesentlicher Diese Atlanten umfassen Verzeichnisse der im Parameter nicht durchgängig positiv beurteilt jeweiligen Bundesland vorhandenen Sportstät- wurde. Die Entscheidung der Sportministerkon- ten und ermöglichen Sportstättenstatistiken auf ferenz, keine weitere Erhebung durchzuführen, beliebigem Abstraktionsniveau (z. B. Abstrakti- kumulierte in der Begründung, dass „auf Län- on auf kommunaler Ebene oder auf Ebene von derebene zusammengefasste Daten“ keine Pla- Landkreisen zum Vergleich von Ausstattungs- nungsgrundlage liefern würden. graden). Weiterhin wurden mit der Erstellung eines Sportsatellitenkontos im Jahr 2012 die Daten der Sportstättenstatistik der Länder zur 1.3 Ziel des Projekts Erfassung der wirtschaftlichen Bedeutung des Die vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft Sports im Rahmen der Volkswirtschaftlichen (BISp) ausgeschriebene Expertise geht davon Gesamtrechnung und damit für einen weiteren aus, dass für die zukünftige Bereitstellung einer Verwendungszweck genutzt. optimalen Sportinfrastruktur das Vorhanden- sein aussagekräftiger, belastbarer und möglichst 1.2 Problembeschreibung vollständiger Daten über die Anzahl und den Zustand der Sportstätten in Deutschland eine Aus Sicht der Sportministerkonferenz bestand Grundlage bildet. Dabei dürfen die Daten aller- hinsichtlich der Sportstättenstatistik der Län- dings nicht nur auf Länderebene zusammenge- der ein negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis, das fasst werden, da der Nutzen einer reinen Sport- maßgeblich durch die verschiedenen Probleme stättenstatistik bislang zu gering war, um eine bei der Erhebung und die Aggregation auf Län- Erhebung zu rechtfertigen. Die Expertise wurde derebene zustande kam. Eine digitale bundes- vom BISp mit dem Ziel ausgeschrieben, Grund- weite Erhebung von Sportstätten müsste diese lagen für einen digitalen Sportstättenatlas zu Probleme möglichst umfänglich vermeiden schaffen. sowie ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis auf kommunaler Ebene sowie auf Länder- und Konkret sollen im Rahmen des Projekts Bundesebene offerieren. Aus den Dokumenten (1) Parameter von Sportstätten bestimmt wer- der Sportministerkonferenz geht hervor, das den, nach denen sich ein digitaler bundes- insbesondere weiter Sportstättenatlas erarbeiten lässt so- › das Fehlen eines einheitlichen Erhebungs- wie schemas, (2) die Anforderungen und Umsetzungsmög- lichkeiten eines derartigen Erfassungssche- › inhaltliche Probleme und hoher Aufwand mas dargestellt werden. bei der Erhebung bestimmter Parameter (z. B. Sanierungs-/Modernisierungsbedarf), Es soll also ein praxistaugliches Erfassungs- schema zur Darstellung des Sportstättenbe- › die fehlende Validität der vorliegenden stands einschließlich der Berücksichtigung der Daten (Fehler, Hochrechnungen), Sportnachfrage und des Sportstättenbetriebs als › die aufwändige Datenbereitstellung bzw. Grundlage für ein zukünftiges Forschungspro- der für die Kommunen anfallende große jekt zur Ermittlung valider Daten zum Sportstät- Arbeitsaufwand (der nicht immer geleistet tenbestand in Deutschland entwickelt werden. werden kann), › die Nichterfassung von speziellen Sport- stätten und Sportgelegenheiten sowie Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
12 Einleitung 1.4 Umsetzung durch den So ist z. B. die Information, ob Umkleideräume in der Sportstätte vorhanden sind, für potenziel- Auftragnehmer le Nutzerinnen und Nutzer der Sportstätte sehr Der vorliegenden Expertise liegt ein ökonomi- relevant. Für gesellschaftspolitische Diskussio- scher Ansatz zugrunde. Konkret heißt das, dass nen auf Bundesebene besitzt diese Information der zu erstellende Sportstättenatlas als Teil ei- hingegen wenig Nutzen. Um das erste Ziel der ner sportbezogenen Berichterstattung angese- Expertise, die Bestimmung eines Erfassungs- hen wird, als Steuerungsmedium dient und vor schemas (Parameter), zu erreichen, ist folglich dem Hintergrund von Kosten-Nutzen-Aspekten zunächst eine Bestimmung der gewünschten konzipiert wird. Die im Sportstättenatlas bereit- Funktionalität eines digitalen Sportstättenat- gestellten Informationen helfen u. a. bei Steue- las1 notwendig, um vor diesem Hintergrund den rungsentscheidungen der Sportentwicklung. Die Nutzen einzelner Parameter zu bestimmen. Bereitstellung der Informationen ist ein Trade- Die möglichen Methoden, mit denen die Para- Off zwischen der Qualität und Vollständigkeit meter erhoben werden können, werden danach der Informationen auf der einen Seite und den bewertet, ob sie geeignet sind, die Parameter Kosten für die Erhebung auf der anderen Seite. überhaupt zu erfassen. Da die Parametererhe- Bei der Durchführung des vorliegenden Projekts bung über die einzelnen Methoden mit spezifi- ist eine bestimmte Abfolge sinnvoll (vgl. Abb. 2), schen Kosten verbunden ist, kann bestimmt wer- da der Nutzen der einzelnen Elemente des Er- den, welche Methode am kostengünstigsten für fassungsschemas (Parameter) nur vor dem Hin- die relevanten Parameter ist. tergrund der angestrebten Funktionalität des Anzumerken ist noch, dass für die grundsätz- Sportstättenatlas beurteilbar ist. liche Umsetzung, den Aufbau und den Ausbau eines bundesweiten Sportstättenatlas das zur Verfügung stehende Budget entscheidend ist. Ob das minimal notwendige Budget zur Verfü- gung gestellt werden sollte, ist nicht Gegenstand dieser Expertise. Auch hierzu wäre eine Kosten- Nutzen-Analyse möglich, die aber die Frage zum Gegenstand hätte, ob die für einen Sportstätten- atlas eingesetzten Mittel wohlfahrtsökonomisch optimal eingesetzt werden oder an anderer Stel- le einen höheren Nutzen generieren. 1 Die Ausschreibung des BISp rekurriert auf einen „digi- talen Sportstättenatlas“ und betont damit die Funktion als elektronisches Verzeichnis sowie die Fähigkeit zu kartographischen Darstellungen. Da beides nur bei der Verwendung eines Datenbanksystems technisch um- zusetzen ist, verwenden wir im folgendem den Begriff „Sportstättendatenbank“ weitgehend synonym zum Begriff „digitaler Sportstättenatlas“. Tatsächlich gibt es allerdings im internationalen Vergleich durchaus Abb. 2: Abfolge von Funktionalität, Erfassungs- Sportstättendatenbanken, die keine Sportstättenatlan- schema und Erhebungsmethoden im Rah- ten, aber Sportstättendatenbanken sind, weil sie zwar men der Untersuchung (Quelle: eigene eine Datenbankfunktion offerieren, aber keine karto- Darstellung) graphische Abbildung vornehmen. Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
13 2 Methodik 2
14 Methodik Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
Methodik 15 Für die konkrete Umsetzung des Projekts wur- sollten damit die relevanten Stakeholder erfasst den primär drei Methoden angewandt: worden sein. (1) die Dokumentenanalyse, Konkret wurde so vorgegangen, dass mit den (2) eine Stakeholderanalyse sowie die zuerst identifizierten Stakeholdern Interviews durchgeführt worden sind. Weitere Stakehol- (3) Analyse von existierenden Sportstättenda- der wurden dann durch Workshops und Treffen tenbanken. sukzessive einbezogen. Insgesamt wurden 14 teilstrukturierte Interviews mit Vertretern der 2.1 Dokumentenanalyse identifizierten Stakeholdergruppen geführt. Zur Aufbereitung der historischen Entwicklung, Das Ziel der Interviews war es, die gewünsch- der aktuellen Beschlusslage auf Bundesebene, ten Funktionalitäten des Sportstättenatlas sei- der Vorbereitung der Stakeholderanalyse sowie tens der verschiedenen Stakeholder zu erfas- der bisherigen Kenntnisse und Erfahrungen bei sen sowie die relevanten Parameter innerhalb der Konzeption, der Entwicklung und dem Be- der einzelnen Funktionalitäten zu erfahren. Im trieb von Sportstättendatenbanken erfolgte eine Laufe des Erarbeitungsprozesses kam es zudem umfassende Recherche nach relevanten Doku- zu einer ganzen Reihe bilateraler Diskussionen menten sowie deren systematische Auswertung. mit Vertreterinnen und Vertretern unterschied- Die aus den Dokumenten ersichtlichen Infor- licher Stakeholdergruppen. Die darin enthalte- mationen bildeten die Grundlage für die Erstel- nen Informationen wurden notiert, ggf. nachre- lung von Interviewleitfäden und thematischen cherchiert und dokumentiert. Aufbereitungen innerhalb der Stakeholderana- Ergänzt wurde der Einbezug der Stakeholder lyse sowie der Analyse der Sportstättendaten- durch zwei Workshops. Am ersten Workshop im banken. Darüber hinaus finden sich die Ergeb- Januar 2020 nahmen 41 Personen verschiedener nisse zu historischen Entwicklungen sowie zu Organisationen teil. Der zweite Workshop im einschlägigen Beschlusslagen in Abschnitt 1.1. Oktober 2020 wurde mit 49 Personen auf Grund der Corona-Pandemie online durchgeführt. 2.2 Stakeholderanalyse Das Ziel der Stakeholderanalyse war es, die Sta- 2.3 Analyse von Sportstätten- keholder von Sportstätten im Allgemeinen und datenbanken die relevanten Stakeholder für die Erstellung Neben der Stakeholderanalyse wurden insge- eines Sportstättenatlas zu identifizieren, um mit samt 12 Sportstättendatenbanken hinsichtlich Vertreterinnen bzw. Vertretern der Stakeholder- ihrer Funktionalität und Gestaltung analysiert. gruppen Interviews zu den aus der jeweiligen Zur Identifikation der zu analysierenden Sport- Stakeholdersicht bedeutsamen Aspekten zur stättendatenbanken wurden verschiedene Do- Erstellung eines Sportstättenatlas zu führen und kumente recherchiert, die Verweise auf Sport- in Workshops zu diskutieren. stättendatenbanken der verschiedenen Länder Für die Identifikation der Stakeholder von enthalten und ein Treffen der „expert group Sportstätten wurde ein „Snowball-Sampling“2 on sport facility databases” im Februar 2020 in (Johnson, 2014) angesetzt, um eine annährend Malmö besucht. Nachdem die in Anlage 3 aufge- vollständige Erfassung sicherzustellen. führten Sportstättendatenbanken identifiziert Zuerst wurden bereits bekannte Stakeholder worden waren, wurden Interviews mit einigen von Sportstätten interviewt und gebeten, ande- der Betreiberinnen und Betreiber geführt oder, re Stakeholder zu benennen. Unter der Annah- wenn kein Ansprechpartner für ein Interview me, dass die Stakeholder von Sportstätten zu- verfügbar war, die Sportstättendatenbanken mindest teilweise untereinander bekannt sind, hinsichtlich ihr Funktionalität und Inhalte ge- 2 Unter „Snowball-Sampling“ ist grundsätzlich eine Me- testet. Dabei wurde vereinzelt auf die Hilfe von thode zu verstehen, bei der Teilnehmende einer Studie Übersetzungsdiensten zurückgegriffen, wenn Hinweise auf weitere potenzielle Teilnehmende geben z. B. wie im Fall des israelischen Sportstättenat- Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
16 Methodik las die Internetseite nur auf Neuhebräisch ver- fügbar war. Es wurden u. a. die erfassten Para- meter, die Funktionalität und, wenn ermittelbar, die Kosten sowie das Vorgehen bei der Datener- hebung erfasst. Die acht interviewten Betreiber bzw. Betreiberinnen von Sportstättendatenban- ken erläuterten zusätzlich die Historie und die Struktur der von ihnen betreuten Datenbanken. Zudem nahmen Mitarbeiterinnen bzw. Mitar- beiter der Sportstättenatlanten Sachsen-Anhalt, Hamburg sowie Flandern an mindestens einem Workshop teil. Die in den nachfolgenden Abschnitten zusam- mengestellten Ergebnisse und Empfehlungen basieren auf der durchgeführten Dokumenten- analyse, der Stakeholderanalyse und der Analy- se der vergleichbaren Sportstättendatenbanken. Die erlangten Daten wurden im Sinne einer Tri- angulation abgeglichen und zu dieser Expertise verdichtet. Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
17 3 Ergebnisse der Stakeholderanalyse 3
18 Ergebnisse der Stakeholderanalyse Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
Ergebnisse der Stakeholderanalyse 19 3.1 Stakeholderidentifikation Die erste Gruppe besteht aus den unmittelbaren Nutzerinnen und Nutzern der Sportstätte sowie Im Ergebnis der Stakeholderanalyse wurden Personen und Organisationen, die unmittelbar über 50 relevante Stakeholder(gruppen) iden- für den Betrieb der Sportstätte relevant sind (in- tifiziert (vgl. Anlage 4), die sich allerdings noch nerer Kreis). Die zweite Gruppe (mittlerer Kreis) weiter differenzieren lassen. So besteht die besteht aus Stakeholdern, die mit mehreren Stakeholdergruppe „Landessportbund“ selbst- Sportstätten in einer Kommune in Berührung verständlich aus den 16 Landessportbünden kommen und somit Interessen haben, welche und ggf. weiteren regionalen Sportbünden. Mit über eine einzelne Sportstätte hinausgehen. Stakeholdern verschiedener Organisationen Die dritte Gruppe von Stakeholdern hat keine wurden 14 Interviews geführt. Zusätzlich wur- unmittelbare Berührung mit einer konkreten den Gespräche mit weiteren Stakeholdern von Sportstätte (äußerer Kreis), sondern bezieht ihr Sportstätten auf verschiedenen Veranstaltun- Organisationshandeln auf eine große Agglome- gen und den Workshops geführt. Dabei wurde ration von Sportstätten, z. B. auf Landes- oder darauf geachtet, dass die interviewten Personen Bundesebene. Dabei ist zu beachten, dass die drei von der jeweiligen Organisation benannt wor- Gruppen nicht vollkommen überschneidungs- den sind oder eine führende Rolle in der Orga- frei sind, so können z. B. Schul- oder Sportämter nisation einnehmen und somit für die ihre Or- durchaus auch Betreiber einer Sportstätte sein ganisation sprechen konnten. Die identifizierten und somit zur ersten Gruppe gehören. Stakeholder von Sportstätten lassen sich in drei Gruppen einteilen (vgl. Abb. 3). Abb. 3: Stakeholder von Sportstätten (Quelle: eigene Darstellung) Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
20 Ergebnisse der Stakeholderanalyse Diese Einteilung der Stakeholder ist für die So sind die Ziele von Stakeholdern der Gruppe 1 – Erstellung eines Sportstättenatlas insofern rele- also von Nutzerinnen und Nutzern sowie am vant, als zwar alle Stakeholder berücksichtigt Betrieb einer Sportstätte Beteiligter – primär werden müssen, aber für die Umsetzung bzw. auf die Funktionalität und Informationen einer Erstellung eines digitalen Sportstättenatlas konkreten Sportstätte bezogen. Hier finden sich zuerst Abstimmungen mit Stakeholdern der Ziele wie „Belegungsverfahren“ oder „aktu- Gruppe 2 und 3 geführt werden müssen, da in elle Schäden melden können“. Stakeholder der diesen beiden Gruppen die Organisationen ver- Gruppe 2 sind an der Ausstattung der Sportstät- treten sind, die zur Informationsbereitstellung ten, der Funktionalität (z. B. Linierung, Decken- und zur (politischen) Umsetzung des Sportstät- höhe) oder der Belegung konkreter Sportstätten tenatlas notwendig sind. Dabei sind z. B. Stake- interessiert, aber auch an Informationen zur holder der Gruppe 3 stärker für die grundsätzli- Planung von Sanierungen und Bauentscheidun- che Erstellung eines digitalen Sportstättenatlas gen sowie einem Vergleich mit anderen Gebiets- auf Bundesebene relevant und Stakeholder der körperschaften. Dabei ist zu beachten, dass sich Gruppe 2, insbesondere die Kommunen, stärker die Interessen, wie auch die Stakeholder, in die- für die Datenerhebung. sen beiden Gruppen überschneiden können. Stakeholder der Gruppe 3 wollen übergeordnete Ziele in Bezug auf Sportstätten erreichen, z. B. 3.2 Ziele und Informations- Lobbyarbeit für bestimmte Gruppen, Sportför- bedarfe der Stakeholder derung durch Sportstättensanierung, gesell- schaftspolitische Diskussionen beginnen, qua- Die Ziele und Informationsbedarfe der Stakehol- litative und nachhaltige Fördermittelverteilung der sind relevant, da sich aus ihnen die Ansprü- durchsetzen oder Informationen über Sport- che an die Gestaltung eines Sportstättenatlas stätten für Allokationsentscheidungen von För- und die gewünschte Funktionalität ableiten las- dermitteln nutzen. Tab. 1 gibt einen Überblick sen. Die Stakeholder haben zum Teil stark diffe- über typische Ziele und Informationsbedarfe, rierende Ziele. Berücksichtigt man allerdings die die von Stakeholdern von Sportstätten genannt vorgenommene Gruppeneinteilung der Stake- worden sind. holder, werden die Ziele homogener. Tab. 1: Auswahl typischer Ziele und Informationsbedarfe von Stakeholdern von Sportstätten Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Lokale Stakeholder Kommunale Stakeholder Überregionale Stakeholder Belegung erfahren Informationen für Sportentwicklung Länder und Regionen vergleichen erhalten Schadensmeldungen aufgeben Belegung verwalten und optimieren Informationen zur Steuerung bereitstellen Sporträume in der Nähe suchen Ausstattung überprüfen Politische Prozesse beeinflussen Informationen zur Sportstätte Nutzung verschiedener Sportstätten Unterstützung bei der Bereit- abrufen vergleichen stellung von Sportstätten Ausstattung erfahren Reparaturen priorisieren Lobbyarbeit für Vereine Sportliche Nutzung erfahren Sanierungsbedarfe ermitteln Fördermittelallokation Betreibung und Belegung Sanierung und Planung von Sport- Kosten des Gesamtsanierungs- optimieren stätten bedarfs ermitteln Leerzeiten und missbräuchliche Informationen für kommunal- Gesellschaftspolitische Diskussio- Nutzung verhindern politische Entscheidungen nen beginnen und lenken Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
Ergebnisse der Stakeholderanalyse 21 Die Stakeholderanalyse zeigte auch, dass es un- sen-Anhalt und Hamburg. In Hessen ist ein lan- abhängig von den unterschiedlichen Zielen der desweiter Sportstättenatlas unmittelbar vor der einzelnen Stakeholder ein grundsätzliches In- Fertigstellung. In Sachsen laufen erste Planun- teresse an der Erstellung eines digitalen Sport- gen zur Erstellung eines Sportstättenatlas. Im stättenatlas gibt. Auf Seiten der Bundesländer Rahmen dieser Expertise wurden Interviews mit (Stakeholdergruppe 3) und bei kommunalen Personen dieser vier Bundesländer geführt, die Vertreterinnen und Vertretern (Stakeholder- unmittelbaren Einblick in die Entstehung und gruppe 2) gab es aber auch kritische Anmerkun- Umsetzung der Sportstättenatlanten haben. Des gen, welche die Arbeitsbelastung bei der Daten- Weiteren wurden Hinweise auf mögliche Pro- erhebung und eine vereinzelt nicht gewünschte bleme bei der Umsetzung des Sportstättenatlas Vergleichbarkeit zwischen Bundesländern oder gegeben, die sich auch in den Empfehlungen im Kommunen betrafen. Abschnitt 5.5 finden. Die Stakeholder äußerten in den Interviews und Gesprächen sowie während der Veranstaltungen 3.3 Von den Informations- Interesse an diversen Parametern, die ein Sport- stättenatlas enthalten sollte. Von allen Stakehol- bedarfen zur Gestaltung dern wurden die Adresse der Sportstätte und die des Sportstättenatlas Art der Sportstätte (Sportstättentyp) als notwen- dige Parameter genannt (vgl. Abschnitt 5.2.8). Die unterschiedlichen Informationsbedarfe Tatsächlich erscheinen diese beiden Parame- von Stakeholdern bezogen auf einen Sport- ter als unbedingt notwendig für die Erstellung stättenatlas können als sogenannte „Use Ca- eines Sportstättenatlas und sind somit als Basis- ses“ formuliert und diese dann zu Funktionen daten anzusehen. Schon die Vollerhebung dieser zusammengefasst werden. Gleichzeitig spielen Daten würde einen deutlichen Vorteil bieten, Use Cases3 bei der Gestaltung von Datenbanken da aus der Adresse die räumlichen Koordinaten eine entscheidende Rolle, weil die Auswahl der abgeleitet werden können und diese Verortung in der Datenbank abgebildeten Parameter und eine Verknüpfung mit einer Vielzahl weiterer die Strukturierung der Datenbank von den An- Daten, wie z. B. Bevölkerungsdichte, Altersver- forderungen dieser Use Cases abhängt. Mit Blick teilung, Erreichbarkeit, Bebauungsdichte oder auf die in Abschnitt 5.1 zentrale Funktion „In- Einzugsgebiet ermöglicht. formationen mit gesellschaftspolitischem Nut- zen bereitstellen“, könnte „Vergleich von Regio- Die weiteren von den Stakeholdern genannten nen“ ein solcher Use Case sein (vgl. auch Tab. 1 Parameter sind für jeden Stakeholder unter- zu den Zielen der Stakeholder): schiedlich relevant und können somit nicht als Basisparameter gelten, weil ihre Erhebung Der Bundestag erhält eine Anfrage, einem Kosten-Nutzen-Kalkül unterworfen wer- wie viele Sporthallen es pro 100.000 den muss (vgl. Abschnitt 5.3.11). Einheitlich war Einwohner in den einzelnen Bun- aber die Meinung, dass es, um den unterschiedli- desländern gibt. Eine Mitarbeiterin chen Informationsbedürfnissen der Stakeholder des Bundesinstituts für Sportwissen- gerecht zu werden, eines einheitlichen Schemas schaft als nachgeordnete Behörde des bedarf, welches obligatorische und optionale Bundesinnenministeriums wird mit Parameter aufnehmen kann. der Lieferung von Informationen zu Die Interviews, Workshops und Diskussionen dieser Anfrage beauftragt. im Beirat des Projekts haben deutlich gezeigt, dass der Einbezug vorhandener Datenbestände 3 Ein „Use Case“ (Anwendungsfall) beschreibt das Ver- nicht nur aus Effizienzgründen, insbesondere halten eines Systems (hier der Internetseite und der zur Vermeidung von Doppelerhebungen, not- Datenbank des Sportstättenatlas) während es auf die wendig ist, sondern auch, um Akzeptanz für die Anfrage eines Stakeholders, den Primärakteur, reagiert. Umsetzung eines deutschlandweiten Sportstät- Der Primärakteur löst eine Interaktion mit dem System tenatlas zu schaffen. So existieren bereits fertige aus, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Summe Sportstättenatlanten auf Landesebene in Sach- aller Use Cases beschreibt die Gesamtfunktionalität eines Systems. Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
22 Ergebnisse der Stakeholderanalyse Die Mitarbeiterin ruft daraufhin die Internetseite des digitalen Sportstät- tenatlas auf, um die entsprechende Information zu erhalten und weiter- zuverarbeiten. Der vorliegende Use Case verdeutlicht z. B., dass die Internetseite ein User Interface benötigt, welches Vergleiche zwischen verschiedenen Regionen ermöglicht und die Informationen sowohl auf dem Bildschirm aufbereitet darstellt als auch zum Herunterladen in einem geeigne- ten Dateiformat bereithält. Aus der Datenbank müssen dafür alle Sporthallen ausgewählt und nach Bundesländern gruppiert abgerufen wer- den können. Eine Aufgabe bei der Erstellung des digitalen Sportstättenatlas wird es sein, gemeinsam mit den Stakeholdern eine Vielzahl relevanter Use Cases zu erstellen und somit Hinweise zur kon- kreten Gestaltung des Sportstättenatlas und die zugrundeliegende Datenbank zu erhalten. Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
23 4 Ergebnisse der Analyse der Sportstättendatenbanken 4
24 Ergebnisse der Analyse der Sportstättendatenbanken Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
Ergebnisse der Analyse der Sportstättendatenbanken 25 Seit 2017 gibt es unregelmäßige Treffen von an Einzelne Parameter mit zentraler Bedeutung Sportstättendatenbanken interessierten Perso- wie insbesondere der Sportstättentyp (siehe nen aus verschiedenen Ländern. Das letzte Tref- Abschnitt 5.2.3) können noch zusätzliche sehr fen der „expert group on sport facility databa- differenzierte Kategorien bzw. Wertebereiche ses” im Februar 2020 in Malmö zeigte, dass viele aufweisen. Es zeigt sich wie schon bei den In- europäische Länder hinsichtlich der Erstellung terviews mit den Stakeholdern, dass die Adresse von Sportstättenatlanten deutlich weiter fort- und der Sportstättentyp unerlässliche Parame- geschritten sind als Deutschland. Das Bestreben, ter sind. Auch Informationen zum Betreiber und das Wissen und die Erfahrungen anderer Sport- Kontaktinformationen sind i. d. R. verfügbar. stättendatenbanken für die Erstellung eines di- Die analysierten Sportstättendatenbanken nut- gitalen Sportstättenatlas in Deutschland nutz- zen unterschiedliche Erhebungsmethoden. bar zu machen, lag der vorliegenden Analyse der In den allermeisten Fällen handelt es sich um Sportstättendatenbanken zugrunde. Desk-Research7, so werden z. B. Internetseiten Die Ergebnisse der Analyse von existierenden und Zeitungsartikel nach Informationen über Sportstättendatenbanken umfasste letztend- den Neubau von Sportstätten durchsucht. Einige lich zwölf Sportstättendatenbanken. Tatsächlich Datenbanken, wie z. B. Norwegen oder Flandern, existieren Sportstättenstatistiken, die teilweise bauten auf vorhandenen Datenbeständen auf. Sportstättenatlanten genannt werden, in weite- Meist gibt es auch eine Kooperation mit Kom- ren Ländern. So hat z. B. Österreich einen Sport- munen, die aber in allen Fällen auf freiwilliger stättenatlas aus dem Jahr 2009 in gedruckter bzw. Basis erfolgt. In Norwegen ist die Vergabe von PDF-Form4, der für mehrere Sportarten interna- Fördermitteln des dortigen Lotterie-Fonds mit tionale und nationale Wettkampfstätten sowie einem Eintrag in der Datenbank verknüpft. Leistungszentren ausweist, ohne allerdings wei- Kommunale Sportentwicklungsplanungen sind tere Parameter aufzulisten oder die Daten digital für einige Datenbanken ein Datenlieferant. Mög- verfügbar zu machen. Dieser Sportstättenatlas lichkeiten der satellitengestützten Auswertung ist kein Beispiel für einen digitalen Sportstätten- werden aktuell in den Niederlanden erprobt. atlas, weil nur wenige Sportstätten betrachtet, Allein in Sachsen-Anhalt erfolgt eine Erhebung keine Parameter erhoben worden und die Daten über Vor-Ort-Begehungen, welche auf vorheri- nicht digital verfügbar sind. Dieser „Sportstät- gen Recherchen bei Kreissportverbänden und tenatlas“ wurde somit nicht in die Analyse ein- Kommunen aufbaut. Viele Datenbanken bieten bezogen. Ähnliches gilt für den französischen aber auch die Möglichkeit, Daten durch Kom- Sportstättenatlas5, der auch in PDF-Form vor- munen, Vereine oder sonstige Nutzerinnen bzw. liegt und ähnlich wie die Sportstättenstatistik Nutzer selbst eintragen zu lassen, die dann noch der Länder von 2000 verschiedene Aggregatio- vom Datenbankbetreiber geprüft und freige- nen auflistet. Ebenso wurde ein stärker kommu- schaltet werden. Ein ähnliches Konzept wird nal ausgerichteter Atlas aus Schweden6, der u. a. aktuell im BISp-Projekt „Bäderleben“ erprobt. Sportstättendaten enthält, nicht einbezogen. Mehrere Betreiber von Sportstättendatenban- Die Ergebnisse der Analyse sind in tabellarischer ken waren sehr an einem Austausch über die Form in Anlage 5 zusammengefasst. Die Anzahl Konzeption und den Betrieb interessiert. Von der in den Sportstättendatenbanken verzeich- der Erfahrung dieser Personen kann im Prozess neten Sportstätten reicht von ca. 1.400 in Kroa- der Erstellung eines digitalen Sportstättenatlas tien bis ca. 160.000 in England. Auch die Anzahl weiter profitiert werden. der erfassten Parameter variiert stark. 4 Abrufbar unter http://www2.oebsv.com/lvereine/ 7 Unter „Desk Research“ wird i. d. R. eine Erhebung von sportanlagen.pdf Sekundärdaten verstanden („Vom Schreibtisch aus Da- 5 Abrufbar unter https://www.sports.gouv.fr/Atlas_des_ ten sammeln, im Gegensatz zur Datensammlung im equipements_sportifs_francais/files/docs/all.pdf Feld oder Labor“). 6 Abrufbar unter https://www.kolada.se/ Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
26 Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
27 5 Empfehlungen 5
28 Empfehlungen Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
Empfehlungen 29 Die nachfolgenden Empfehlungen bauen auf fundiert zu treffen. Dabei geht es nicht unbe- den Ergebnissen der Stakeholderanalyse und dingt um eine konkrete Sportstättenplanung, der Analyse der bereits vorhandenen Sportstät- sondern um grundlegende politische Weichen- tendatenbanken auf und vertiefen diese. stellungen. So möchten Stakeholder gegenüber Entscheidern ihre Argumentationen mit ent- sprechenden Daten belegen können, z. B. hin- 5.1 Funktionalität sichtlich des notwendigen Sanierungsumfangs Da das zu erstellende Erfassungsschema und von Sportstätten. Auch die Entwicklung der die Kosten-Nutzen-Bewertung der einzelnen Anzahl der Sportstätten allgemein und in be- Parameter stark von der erwarteten Funktio- stimmten räumlichen Bereichen ist von Bedeu- nalität eines Sportstättenatlas abhängen, wird tung, um z. B. Förderschwerpunkte identifizie- empfohlen, fünf grundlegende Funktionen von ren zu können. In einzelnen Interviews wurden Sportstättenatlanten, die ein bundesweiter digi- z. B. Informationen zum Betreiber (Kommune, taler Sportstättenatlas erfüllen könnte, zu unter- Verein etc.) als wichtig angesehen, um Förder- scheiden. Konkret ist unter Funktionalität von programme für bestimmte Betreiber stärker pri- Sportstättendatenbanken zu verstehen, welche orisieren zu können. Grundsätzlich kann durch Aufgabe und welche Funktionen die Sportstät- die Daten auch eine transparentere Verteilung tendatenbank erfüllt. von Fördermitteln erreicht werden, die sich dann nicht mehr – wie in einzelnen Interviews vermutet – nach ineffizienten Kriterien oder po- 5.1.1 Grundlegende Funktionen von litischer Durchsetzungsmacht richtet oder auf Sportstättenatlanten Bundesebene pauschal nach dem Königsteiner Die fünf grundlegenden Funktionen ergeben Schlüssel. sich sowohl aus den Angaben der Stakeholder Politische Akteure benötigen Informationen, in den geführten Interviews als auch aus den um Entscheidungen fundiert treffen und nach- Zielen, die mit den existierenden Sportstätten- vollziehbar darstellen zu können. Dies können datenbanken verfolgt werden. Dabei sind die Entscheidungen auf Bundes-, Landes- und kom- identifizierten Funktionen nicht unabhängig munaler Ebene sein. Zum Teil werden die Infor- voneinander. Das Erfüllen einer Funktion trägt mationen auch benötigt, um gegenüber euro- auch zur Erfüllung anderer Funktionen bei. päischen Institutionen Nachweise zu erbringen. Eine Differenzierung ist allerdings notwen- Beispielsweise sollte die niederländische Sport- dig, um den initialen Fokus bei der Erstellung stättendatenbank Informationen zum Beitrag eines Sportstättenatlas bestimmen zu können. von Sportstätten zu Klimazielen („CO2-Foot- Die Erfüllung der Funktionen ist nur nachhal- print“) liefern. Ein weiteres häufig genanntes tig gesichert, wenn der Sportstättenatlas dau- Ziel von Sportstättendatenbanken ist das Treffen erhaft betrieben, d. h. fortgeschrieben wird von Entscheidungen zur Fördermittelallokation (vgl. Abschnitt 5.5.1). Es lassen sich folgende sowie die entsprechende Dokumentation. So ist fünf Funktionen von Sportstättendatenbanken z. B. in der norwegischen Sportstättendatenbank unterscheiden: zu jeder Sportstätte vermerkt, wie viele Förder- Informationen mit gesellschaftspolitischem mittel aus einem Lotterie-Fonds ihr zugewiesen Nutzen bereitstellen worden sind. Eine sowohl von den Stakeholdern häufig ge- Letztendlich können alle Stakeholder von Sport- nannte als auch bei bereits existierenden Sport- stätten durch eine bessere Informationslage stättendatenbanken nahezu immer vorhandene bezüglich Sportstätten profitieren. Kommunen Funktion bezieht sich darauf, Informationen mit können z. B. Standortentscheidungen für Sport- gesellschaftspolitischem Nutzen bereitzustellen stätten auch unter Einbezug interkommunaler und damit mittelbar auch politische Entschei- Daten treffen oder in den kommunalen Spitzen- dungen zu unterstützen. Ohne systematische verbänden die Daten als Benchmarking zur Iden- Informationen zu Sportstätten sind relevante tifikation von „Best-Practice“-Lösungen nutzen. gesellschaftspolitische Entscheidungen nicht Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
30 Empfehlungen Auch bezüglich der Schulplanung sowie hin- Entwicklung der Bevölkerung zu berechnen. sichtlich der Stadtplanung und Stadtentwick- Sport England, als Betreiber der Sportstätten- lung können die Informationen zu Sportstät- datenbank, betont aber selbst, dass dies nur die ten gesellschaftspolitischen Nutzen entfalten. Grundlage für weitere Planungsprozesse dar- Bei hoher Auslastung von Sporthallen können stellt. Kommunen z. B. Listen erstellen, wo welcher Die Sportministerkonferenz hatte in ihrer Ent- Sport, auch interkommunal, möglich ist. Auf scheidung 2008, die Sportstättenstatistik der Landesebene können Steuerungsentscheidun- Länder nicht weiterzuführen, das Argument gen z. B. zu regionalen Sanierungsschwerpunk- genannt, dass die vorhandenen Daten „ohne ten oder landesweite Sportentwicklungspla- Bedeutung für Planungsentscheidungen“ seien nungen unterstützt werden. Die Informationen – allerdings vor dem Hintergrund, dass die können aber auch bei Zweckentfremdung von damaligen Daten der Sportstättenstatistik der Sportstätten aus öffentlichem Interesse, wie z. B. Länder nur aggregiert vorlagen und Datensätze Notfallversorgung genutzt werden. Auf Bundes- zu einzelnen Sportstätten oder auf kommunaler ebene können z. B. grundsätzliche Entscheidun- Ebene nicht verfügbar waren. Die Berücksich- gen zu Förderprogrammen und zur Verwirk- tigung der Funktion „Sportstättenplanung auf lichung politischer Ziele, wie der Herstellung lokaler, regionaler und nationaler Ebene“ würde gleichwertiger Lebensverhältnisse, auf Grund- dieses Defizit beseitigen. lage der granularen Informationen zur Sport- In den letzten Jahrzehnten haben viele Kommu- stättenversorgung getroffen werden. In diesem nen in Deutschland Sportentwicklungsplanun- Zusammenhang könnten Versorgungs- und gen durchgeführt, welche in stärkerem Maße Entfernungsanalysen durchgeführt werden, wie eine verhaltensorientierte statt einer richtwert- sie z. B. schon beim „Krankenhausatlas“8 mög- orientierten Sportstättenentwicklung in den lich sind. Damit dieser Nutzen eintreten kann, Fokus genommen haben. Damit einhergehend sind neben den grundlegenden Informationen ist zwar die Relevanz von richtwertbezogenen des Sportstättenatlas softwareseitig integrierte Informationen9, die unmittelbar aus einem Analyse- und Reporttools hilfreich. Sportstättenatlas extrahierbar wären, geringer Sportstättenplanung auf lokaler, regionaler geworden. Es ist allerdings festzuhalten, dass die und nationaler Ebene Informationen eines Sportstättenatlas den Auf- wand einer Sportentwicklungsplanung reduzie- Die Funktion „Sportstättenplanung auf lokaler, ren können. Eine Sportinfrastrukturanalyse wie regionaler und nationaler Ebene“ bezieht sich sie z. B. für den Bezirk Hamburg-Harburg durch- darauf, bauliche Maßnahmen (insbesondere geführt worden ist, verdeutlicht den Vorteil von Bau und Sanierung) konkreter Sportstätten mit leicht verfügbaren Sportstättendaten für kom- Informationen aus dem Sportstättenatlas bes- munale Planungen (Bezirksamt Harburg, 2020). ser treffen zu können. Die englische Sportstät- Umgekehrt bieten viele kommunale Sportent- tendatenbank stellt z. B. verschiedene Analy- wicklungsplanungen relevante Datenbestände seinstrumente zur Verfügung, um die Planung für einen Sportstättenatlas. auf regionaler Ebene zu unterstützen bzw. zu ermöglichen. So ist es möglich, die Anzahl von Sportstättentypen in bestimmten Regionen miteinander zu vergleichen oder einen „Sport- 9 Richtwertbezogene Informationen sind z. B. Kennzah- stättenbedarfsrechner“ zu nutzen, um die Nach- len, wie die Anzahl von Quadratmetern Sportfläche frage nach Sportstätten in Abhängigkeit von der pro Kopf der Bevölkerung. Diese richtwertbezogenen 8 Der Krankenhausatlas ist ein Angebot der statistischen Kennzahlen dienten insbesondere in Rahmen des Gol- Ämter des Bundes und der Länder. Er ist unter https:// denen Plans und seiner Fortschreibungen als Orientie- krankenhausatlas.statistikportal.de/ abrufbar und bie- rungswert (erstmals Deutsche Olympische Gesellschaft tet z. B. die Möglichkeit, kartographisch die Erreichbar- (1956)) und sind auch teilweise heute noch gebräuch- keit von Krankenhäusern in Minuten und somit Ver- lich – werden aber in aktuellen Sportentwicklungspla- sorgungslücken darzustellen. nungen eher nicht mehr eingesetzt. Grundlagen für einen digitalen Sportstättenatlas
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