Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE

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Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
03|2021

                                                          VITAKO-ROUND-TABLE

                                                     Digitalpolitik
                                                     nach der Wahl
                                                                 DIGITAL UND SOUVERÄN
                                                                Neue Vitako-Strategie

                                                                     KOMMUNALPORTALE
                                                           Portallösungen für die Länder

                                                                SERIE: FRAUEN IN DER IT
                                                           Führungspositionen besetzen

Zeitschrift der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V.        www.vitako.de
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
ich sehe die Zukunft!«
            »Also,

13./14./18./19. Oktober 2021
Infos und kostenloses Ticket unter
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               Und was sehen Sie? Kommunalvertreter, die mit
               der AKDB auf Discovery Tour gehen, haben ein
               klares Bild von der Zukunft. Die innovativsten
               Lösungen für die digitale Transformation der
               Verwaltung. Ein Austausch mit Experten über
               vier spannende Tage. Online und sicher.
               Gehen Sie mit uns auf Entdeckungsreise!
               Steigen Sie ein! Auf der virtuellen AKDB Discovery Tour erleben
               Sie die Zukunft der Verwaltungsdigitalisierung. Ob aus dem Büro
               oder von zuhause aus: Fast so, als seien Sie persönlich dabei.
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Editorial

                                                                                                          ▲ Dr. Ralf Resch ist
                                                                                                          Vitako-Geschäftsführer

                 Liebe Leserinnen
                 und Leser,
alle vier Jahre jährt sich das wohl wichtigste       noch nicht genug. Vor allem die medienbruch-
Ereignis in unserer Demokratie: die Bundes-          freie ­Verknüpfung der neuen Online-Dienste mit
tagswahl. Dieses Mal wird sie auch eine Abstim-      dem Backend und den Fachverfahren lässt wei-
mung über den Stand der Digitalisierung bein-        terhin zu wünschen übrig. Hört man sich unter
halten. Durch die Corona-Pandemie sind die Not-      Fachleuten um, fallen die Beurteilungen skep-
wendigkeiten und Rückstände einer umfassen-          tisch bis nicht sehr zufrieden aus. Bei unserem
den Digitalisierung augenfällig geworden: Nicht      Round-Table-Gespräch mit Politikern aus dem
nur im Gesundheitswesen und – sicherlich sehr        Bundestagsausschuss „Digitale Agenda“ vermittelt
dringend – in Schulen, sondern auf allen Ebenen      sich das Bild einer parteiübergreifenden Unzu-
des Staates und seiner Verwaltungen. Will unser      friedenheit mit den bisherigen Ergebnissen der
Land und ganz Europa mit den Modernisierungs-        Digitalpolitik. Als Grund wird oft eine nicht ganz
anstrengungen weltweit Schritt halten, sind          klare Zuständigkeit im Bund und bei der Umset-
eigene und souveräne digitale Konzepte notwen-       zung von Digitalvorhaben zwischen Bund, Län-
dig – und dies möglichst schnell. Vitako engagiert   dern und Kommunen angeführt. Auch ein Stim-
sich hier vor allem hinsichtlich des Einsatzes von   mungsbild unter den Geschäftsführern von
Open-Source-Software und bei der Entwicklung         Vitako-Mitgliedsunternehmen kommt zu keinem
einer deutschen Verwaltungscloudstrategie.           positiven Ergebnis: An institutionellen Reformen
                                                     führt wohl kein Weg vorbei.
Was die bisherige Digitalpolitik anbelangt, sind
in den letzten Jahren wichtige Entscheidun-          Es bleibt also spannend, und eine ebensolche
gen gefallen und Umsetzungsschritte eingelei-        Lektüre wünscht
tet worden, vor allem durch das Onlinezugangs-
gesetz. Es ist viel geschehen, aber bei Weitem       Ihr

                                                                                                 03|2021 Vitako aktuell            3
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Impressum                                            Inhalt

Herausgeber:
Bundes-Arbeitsgemeinschaft der
Kommunalen IT-Dienstleister e. V.
Charlottenstr. 65
10117 Berlin
Tel. 030/20 63 15 60
E-Mail: aktuell@vitako.de
www.vitako.de

V. i. S. d. P.: Dr. Ralf Resch

Redaktion und Gestaltung: drei | Medien
www.drei-medien.de
Redaktion: Dr. Helmut Merschmann,
Sibylle Mühlke
Grafik: Axel Meintker

Die Redaktion behält sich vor, ­eingesandte
­Berichte auch ohne vorherige Absprache zu
 ­kürzen. Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in
  ­jedem Fall die Meinung des Herausgebers
   ­wieder. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck
    oder elektronische Verbreitung nur mit Zu­
    stimmung des Herausgebers.

Korrektorat: Henrike Doerr, Textwelten

Druck: triggermedien, Berlin

Erscheinungsweise: 4 Ausgaben im Jahr
Auflage: 5.000; Papier: 115g/m² Profibulk

Autoren und Mitwirkende dieser Ausgabe:
Dr. Ralf Resch, Vitako; Dr. Rolf Beyer, KDO;
Manuel Höferlin, MdB; Dieter Janecek, MdB;
Elvan Korkmaz-Emre, MdB; Petra Sitte,
MdB; Tankred Schipanski, MdB; Andreas
Poppenborg, vote iT GmbH; Dr. Johann Bizer,
Dataport; William Schmitt, Komm.ONE; Sarah
Dobrowolski, KDN; Michael Diepold, AKDB;
Falk Richter und Manuela Kaspar, Lecos               Schwerpunkt: Digitalpolitik nach der Wahl
GmbH; Julian Schlender, Dataport; Bernadette
Thielen, Baldeney IT-Consulting; Dr. Christoph
Lindner, Universität Hamburg; René Bernard,
eco-Verband; Dr. Helmut Merschmann, drei |
Medien; Esther van Santen, Fraunhofer Fokus;         6    Leitartikel: Das Backend nicht vergessen
Lutz Hiestermann, Hiestermann & Frömchen
GmbH; Julian Einhaus, Vitako;                        Öffentliche IT zwischen Kooperation und Wettbewerb, Standardisierung
Bildnachweise:                                       und Freiraum: Moderne Online-Services sind für die Nutzerfreundlichkeit
Titel: Frank Peters - stock.adobe.com                wichtig. Allerdings müssen die OZG-Lösungen mit den funktionalen Hinter-
S. 3 Porträt Resch: Robert Schlesinger;
S. 4/8/9/10 Sera Z. Kurc Photography                 grundverfahren medienbruchfrei verbunden werden.
S. 5 LianeM - stock.adobe.com
Med Photo Studio - stock.adobe.com
S. 7 Funtap - stock.adobe.com
Porträt Dr. Rolf Beyer: Dirk Hasskarl                8    Vitako-Round-Table:                      16 Gut und sicher
S. 12 Porträt Dr. Petra Sitte: Nancy Glor
S. 13 Porträt Manuel Höferlin: C. Kuhlmann                ­Geteilte Meinungen                         zur Wahl
S. 17 ©bizoo_n - stock.adobe.com
S. 19 Porträt Dr. Johann Bizer: Tristan Vankann      Fünf Bundestagsabgeordnete und Mitglie-       Die Wahlsoftware votemanager ist bei den
Porträt William Schmitt: www.studio-visuell.de
viperagp - stock.adobe.com                           der des Ausschusses „Digitale Agenda“ im      anstehenden Kommunal-, Landes- und
S. 21 Porträt Michael Diepold: Antje Meinen          virtuellen Round-Table-Gespräch über die      bei der Bundestagswahl im Einsatz: Sie
S. 22 Porträt Falk Richter: Lecos 2019
Porträt Manuela Kaspar: Kristin Lurtz                Erfolge und Versäumnisse der Digitalpoli-     bietet Unterstützung bei Organisation,
S. 23 Porträt Julian Schlender: Sebastian
Weimar
                                                     tik und was sich in der nächsten Legislatur   Vor- und Nachbereitung sowie Durchfüh-
S. 25 metamorworks iStockphoto                       alles ändern muss. Von einer zuverlässigen    rung der Wahlen bis hin zur Präsentation
S. 27 BalanceFormCreative - stock.adobe.com
S. 28-30 Ikons: istock.com/Esra Sen Kula;            digitalen Infrastruktur im ganzen Land        der Hochrechnungen und Ergebnisse am
S. 30 Porträt Dorothea Störr-Ritter:                 über eine gesamteuropäische Cloud-Struk-      Wahlabend.
Bundesregierung/ Steffen Kugler
Porträt Fedor Ruhose: MASTD Rheinland-Pfalz          tur auf Basis von GAIA-X bis hin zu einem
S. 32 Porträt E. van Santen: FOTOstudio IMAGE
S. 34 Porträt Julian Einhaus: Dirk Hasskarl          Transparenzgesetz und mehr digitaler
                                                     Souveränität reichen die Vorstellungen
Hinweis: Vitako aktuell erscheint zusätzlich mit
drei Regional­ausgaben: krz, Lecos,                  der Expertinnen und Experten für die Zeit
regio iT. Der Vertrieb erfolgt durch das jeweilige   nach der Bundestagswahl.
Vitako-­Mitglied.

ISSN 2194-1165

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4    Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Inhalt

Digitale Kommune                                                                          Netztalk

18 Digital und souverän                     24 Sichere Clouds für Schulen                 28 Durchhören
Aufgabe der öffentlichen IT-Dienstleister   Für den Einsatz von IT-Lösungen an
ist der Schutz der digitalen Souveränität   Schulen ist wegen vielen anfallenden
und der Funktionsfähigkeit der Verwal-      personenbezogenen Daten IT-Sicherheit         29 Durchstarten
tungs-IT – auch im Krisenfall. Eine neue    besonders wichtig. Die digitale Souverä-
Vitako-Strategie setzt auf Open Source,     nität über hiesige Bildungsdaten darf
Wahlmöglichkeiten und den Aufbau mo-        nicht an Unternehmen abgegeben                30 Durchrufen
derner Verwaltungsclouds, die am besten     werden, die nicht der Datenschutz-­
in Deutschland betrieben werden.            Grundverordnung der EU unterliegen.
                                                                                          32 OZG-Check

20 Portallösungen der Länder                26 Serie Teil 3: Führungs­
Vitako-Mitglieder engagieren sich seit         positionen besetzen                        33 Umfrage
vielen Jahren bei den Portallösungen        Frauen in (technischen) Führungsposi­
der Länder. Beim KDN in Nordrhein-          tionen haben Vorbildcharakter und bilden
West­falen, bei der AKDB in Bayern, bei     Netzwerke, die auch für das Besetzen von      34 Spotlight
KOMM24 in Sachsen und bei Dataport          weiteren Stellen in Zeiten des Fachkräfte-
sind mo­derne funktionale und OZG-          mangels sehr hilfreich sind. Die Rahmen­
taugliche Kommunalportale entwickelt        bedingungen, was Arbeitszeiten und Kar-
worden. Ein Überblick.                      riereentwicklung anbelangt, müssen je-
                                            doch stimmen, damit Unternehmen vom
                                            Erfolg diverser Teams und weiblicher Ex-
                                            pertise profitieren können.

                                                                                         03|2021 Vitako aktuell   5
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Leitartikel

Das Backend nicht vergessen
Öffentliche IT zwischen Kooperation und
Wettbewerb, Standardisierung und Freiraum

90 Prozent eines Eisbergs liegen bekanntlich unterhalb der Oberfläche.
Auch die für die Öffentlichkeit weithin sichtbaren Strukturen und Prozesse
öffentlicher IT machen nur einen Bruchteil des „digitalen Backends“ einer
Verwaltung aus. Moderne Online-Services sind für die Nutzerfreundlichkeit
äußerst wichtig. Der Schlüssel für eine gleichsam bürgerfreundliche und
effektive Verwaltungsmodernisierung liegt aber darin, neue Lösungen zur
Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und funktionale Hintergrundverfahren
medienbruchfrei zu verbinden. Ein Ziel, das nur gemeinsam zu schaffen ist,
das Know-how vieler Beteiligter erfordert und gleichsam Raum lassen muss
für Kreativität bei Kooperation und Wettbewerb.

Es hat sich etwas getan im digitalen      Durch das neu eingeführte Prinzip           tauschformen und -mechanismen, auf
Staate Deutschland – Elan und Heran-      Einer für Alle (EfA) ist aber auch viel     die die kommunale Ebene dringend
gehensweise sind in der zweiten Hälfte    Wirbel entstanden, der das bewährte         angewiesen ist. Damit Leistungen nach
der laufenden Legislatur sichtbar         System aus Wettbewerb und Koope-            dem EfA-Prinzip im föderalen Kontext
gestiegen. Während der Umgang mit         ration der öffentlichen und privaten        überhaupt in die Fläche gelangen kön-
dem Onlinezugangsgesetz (OZG) nach        IT-Dienstleister infrage gestellt und       nen, ist ein effizientes Instrument zum
seiner Verabschiedung 2017 in den ers-    gleichzeitig viele Fragen offenlässt.       Leistungsaustausch notwendig. Bis-
ten 24 Monaten eher zögerlich voran-      Zum Ende der aktuellen Legislaturpe-        lang steht ausschließlich fest, dass die
schritt, hat sich die Branche heute in    riode ergibt sich aus Sicht der kommu-      Bundesländer jeweils dafür zuständig
einen dynamischen Prozess begeben.        nalen IT-Dienstleister ein gemischtes       sind.
                                          Bild. Laut eines aktuellen Stimmungs-
Diese Entwicklung gewann vergange-        bildes (Seite 33) ist nur eine Minder-
nes Jahr zusätzlich durch die Corona-     heit unter den Vitako-Mitgliedern mit       Kommunen stehen vor einer
Bundeshilfen zur Umsetzung von OZG        der Digitalpolitik der Bundesregierung      langfristigen Aufgabe
und Registermodernisierung an Fahrt –     zufrieden. Auch die OZG-Umsetzung           Als Teil der Länder und gleichsam in
mit insgesamt 3,3 Milliarden Euro wur-    beurteilen vier Fünftel kritisch bis sehr   Selbstverwaltung ist das OZG für die
den Fördergelder in einer Höhe zuge-      kritisch.                                   11.000 deutschen Kommunen eine
sagt, die es in diesem Ausmaß für die                                                 weitaus größere Herausforderung als
Verwaltungsmodernisierung noch nicht      Während die technische Machbar-             für den Bund. Etwa 80 Prozent der Ver-
gab. Gleichzeitig hat der Druck merk-     keit unbestritten ist, wird vor allem       waltungsleistung schultern Städte,
lich zugenommen, das OZG fristgerecht     die übergreifende Zusammenarbeit in         Gemeinden und Landkreise. Rund 500
umzusetzen. Auf Bundesseite ist eine      der IT von vielen Vitako-Mitgliedern        von 575 Verwaltungsleistungen, die
neue Entschlossenheit zu spüren, die      als essenzielle Komponente wahrge-          online angeboten werden müssen, lie-
nicht zuletzt vom engagierten Auftreten   nommen, um für eine zukunftssichere         gen in kommunaler Hand – und sind
des Bundes-CIO Markus Richter ausgeht,    Gestaltung der IT zu sorgen. Zwar ent-      dort gut aufgehoben und würden ohne
der seit Mai 2020 aus dem Bundesinnen-    stehen immer mehr Lösungen, es feh-         Fachverfahren schlicht ins Leere lau-
ministerium für neue Impulse sorgt.       len aber weiterhin grundsätzliche Aus-      fen. Hier liegt die größte Herausforde-

6   Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Digitalpolitik nach der Wahl

rung: die Verknüpfung über standardisierte For-
mate und offene Schnittstellen mit dem Backend
in den Behörden beziehungsweise bei den kom-
munalen IT-Dienstleistern. Diese Aufgaben
enden nicht etwa 2022, sondern erfordern lang-
fristig Service-, Pflege- und Entwicklungsleistun-
gen. Sie müssen also finanziert werden.

Software wie aus den Bereichen Einwohner-,
Bau- oder Sozialwesen bilden seit Jahrzehnten
das Rückgrat der Binnendigitalisierung. Der
wirklich aufwendige Part dieser Prozesse liegt
hier zumeist im Einbezug zahlreicher Schnittstel-
len sowie dem Austausch mit anderen Behörden
und externen Beteiligten. Insbesondere, wenn
aus dem künftigen Online-Zugang weitere Funk-
tionalitäten hervorgehen sollen, können die Kos-
ten für notwendige Anpassungen enorm anstei-
gen. Es ist deshalb unbedingt notwendig und
kostensparend, die privaten wie öffentlichen
Software-Hersteller an den Umsetzungsprojek-
ten fachlich zu beteiligen und für ihre Mitarbeit    zuweisen ist, um bestehen bleiben zu dürfen –
auch zu vergüten. Nur so können viele Kommu-         eine Umkehr der Beweislast bei der Abschaffung
nen davor bewahrt werden, mittel- und langfris-      der Schriftformerfordernis. Anders bei bewähr-
tig höhere Kosten aufgrund nachträglich und          ten Ausnahmeregelungen zur Vereinfachung von
aufwendig anzupassender Fachverfahren tragen         Verwaltungsabläufen, die etwa wegen der Pan-
zu müssen                                            demie erlassen wurden – beibehalten! Darüber
                                                     hinaus sollten neue und novellierte Gesetze und
                                                     Verordnungen darauf zu prüfen sein, welche
Den OZG-Rahmen ausschöpfen                           Auswirkungen ihr Inkrafttreten für die jewei-
Während das Augenmerk aktuell vielfach auf das       ligen IT-Verfahren nach sich zieht. Grundlage
OZG gerichtet ist, sollte sich der Blick nach der    dafür ist eine digitaltaugliche Ausformulierung
Bundestagswahl stärker nach vorne richten – und      von Gesetzen.
dabei die Erfahrungen aus den vergangenen Jah-
ren einbeziehen. So wäre es sinnvoll, Fördergel-     Schließlich müssen wir weiter nach vorne
der dort zu gewähren, wo so kooperiert oder auch     schauen als nur bis zum „OZG-Ziel“ Ende 2022.
konkurriert wird, dass neue Lösungen architek-       Denn die Bürgerinnen und Bürger sind durch
tonisch in bestehende Strukturen integriert wer-     zahlreiche Apps und kommerzielle Portale weit-
den können. Auch Zwischenergebnisse müssen           reichende digitale Leistungen gewohnt. Service-
für andere nutzbar sein. Vorgaben machen vor         orientierte Angebote erwarten sie zunehmend
allem dann Sinn, wenn sie auf eine gemeinsame        auch von der Verwaltung. Damit Staat und Kom-
Sprache hinwirken, die möglichst viele verste-       munen ihre Dienste proaktiver anbieten kön-
hen und die auch von vielen genutzt wird, damit      nen, ist ein Data-Driven-Government notwen-
sich die verschiedenen Systeme in der deutschen      dig – vorhandene Informationen müssen daten-
­Verwaltungsrealität austauschen können.             schutzkonform zusammengeführt und automa-
                                                     tisiert eingesetzt werden können. Hier spielt die
Zudem sind mehr Experimente notwendig.               Registermodernisierung eine wichtige Rolle, an
Kommunale Praktiker brauchen Erprobungs-             der sich auch die kommunalen IT-Dienstleister
räume für neue Ideen. Um vor Ort aus dem Vol-        beteiligen. Schließlich müssen Prozesse nicht
len schöpfen zu können, müssen überkommene           nur medienbruchfrei vom Bürger zur Verwal-
schriftliche Nachweise, Anwesenheitspflichten        tung funktionieren, sondern auch anders herum:
und analoge Prozesse auf breiter Linie infrage       Nötig ist ein Rückkanal von der Verwaltung zu
                                                                                                         ▲ Dr. Rolf Beyer ist Vor-
gestellt werden. Der Gesetzgeber sollte beschlie-    den Bürgerinnen und Bürgern, um es auf digita-      standsvorsitzender von
ßen, dass die Notwendigkeit für eine Schriftform     lem Wege zu ermöglichen, sich gegenseitig effizi-   Vitako und Verbandsge-
im einzelnen Verwaltungsprozess explizit nach-       ent und auf Augenhöhe auszutauschen.                schäftsführer der KDO.

                                                                                                 03|2021 Vitako aktuell              7
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Schwerpunkt

Vitako-Round-Table

Geteilte Meinungen
Digitalpolitik vor und nach
der Bundestagswahl

Vitako lud am 5. Juli 2021 Mitglieder des Bundes-
tagsausschusses „Digitale Agenda“ zum Round-­
Table-Gespräch über die Erfolge und Versäumnisse
der bisherigen Digitalpolitik und was künftig auf
der digitalpolitischen Agenda stehen soll.
Elvan Korkmaz-Emre (SPD), Petra Sitte (Die
­Linke), Manuel Höferlin (FDP) und Dieter Janecek
 ­(Bündnis 90/ Die Grünen) nahmen an dem Ge-
  spräch teil, das pandemiebedingt virtuell statt-
  fand. Tankred Schipanski ­(CDU) konnte nicht
  persönlich erscheinen und reichte einige ­State­-
  ments nach.

Nur noch wenige Wochen bis zur Bundestagswahl. Lassen              und die Kommunen. Für uns ist es sehr wichtig, diese Gemein-
Sie uns mit einem Resümee beginnen. Wie zufrieden sind             wohlorientierung zu betonen und deutlich zu machen, wer
Sie mit dem Stand der Digitalisierung in der öffentlichen          wem gegenüber der Dienstleister ist. Betonen will ich auch,
Verwaltung in Deutschland?                                         dass wir die Abhängigkeiten, die sich in vielen Staaten und
                                                                   auch in Deutschland ergeben haben, auf kommunale Ebene
Elvan Korkmaz-Emre: Wir haben in dieser Legislatur viele Strate-   reduzieren wollen. Wir wollten Offenheit, Transparenz und
giedokumente produziert, beispielsweise zu KI, Daten, High-        streben insbesondere auch offene technische Lösungen an.
tech oder zur Digitalisierungsstrategie. Was aber fehlt, ist der
rote Faden, das verbindende Element, und auch leider viel zu       Manuel Höferlin: Mir geht das alles viel zu langsam. Beim
oft auch ein vorzeigbares Ergebnis. Das liegt zum einen an der     Onlinezugangsgesetz (OZG) ist die Idee einer durchgängi-
schwachen Stellung der Digitalpolitik und zum anderen an den       gen Digitalisierung bis zu den Kommunen sicher richtig.
teils sehr unterschiedlichen Präferenzen in den Koalitions-        Aber letztlich geht es dabei viel zu sehr um Außenschnittstel-
fraktionen. KI, Daten, Datenschutz oder auch Open Data und         len und viel zu wenig um eine wirkliche Transformation im
die Fragen der digitalen Identität waren große Streitthemen.       Inneren der Verwaltung. Ich vergleiche das mit dem Zwiebel-
Als Resümee würde ich sagen, die Digitalpolitik dieser Legisla-    modell: Es geht um die äußere Schale, aber der Kern bleibt
tur hat nicht das erbracht, was wir uns erhofft hatten, aber sie   unangetastet. Man sollte nicht nur alte analoge Prozesse in
hat sich in der Diskussionstiefe weiterentwickelt, wozu auch       alte digitale Prozesse verwandeln, sondern muss die Prozesse
Corona beigetragen hat. Insofern bin ich optimistisch.             selbst transformieren. Das ist im Bund überhaupt nicht gelun-
                                                                   gen. Was wir jetzt brauchen, ist eine andere Projektorganisa-
Petra Sitte: Dem kann ich mich durchaus anschließen. Wichtig       tion, wir brauchen ein Digitalministerium. Erkenntnis ist bei
ist aber eine grundsätzlich andere Aufstellung der Digitalpoli-    allen vorhanden, aber es mangelt an Umsetzungsdruck und
tik – weniger als Wirtschaftspolitik betrieben, sondern viel-      -tempo. Natürlich gibt es auch schon einige gute Lösungen in
mehr auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Für wen ist die Digi-        den Verwaltungen vor Ort, aber leider nicht flächendeckend.
talpolitik denn da? Doch wohl für die Bürgerinnen und Bürger       Das zu behaupten, wäre eine Wahrheitsverdrehung.

8   Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Digitalpolitik nach der Wahl

                                                                                             Genau dieser strategische Blick fehlt.
                                                                                             Was die Organisationsstruktur angeht,
                                                                                             bin ich offen. Entscheidend wird sein,
                                                                                             dass führende Kräfte in der künftigen
                                                                                             Regierung durchsetzungsstark genug
                                                                                             sind, um sich Ziele zu setzen, die übri-
                                                                                             gens innerhalb von vier Jahren und
                                                                                             nicht erst nach acht oder zehn Jahren
                                                                                             nachprüfbar umgesetzt sein müssen.

                                                                                             Was wollen Sie in der kommenden
                                                                                             ­Legislatur konkret verändern?
                                                                                              Wo l­ iegen Ihre Schwerpunkte?

                                                                                             Janecek: Der Ausbau der digitalen In­fr-
                                                                                             astruktur insbesondere in ländlichen
                                                                                             Räumen hat für mich oberste Priorität.
                                                                                             Es muss einfach schneller gehen. An
                                                                                             zweiter Stelle stehen Wettbewerbsfra-
                                                                                             gen: Die Coronakrise hat das Ungleich-
                                                                                             gewicht zwischen stationärem und
                                                                                             Online-Handel noch verstärkt. Inter-
                                                                                             netgiganten gewannen an Marktmacht,
                                                                                             während kleinere Mitbewerber und
                                                                                             der Einzelhandel erhebliche Umsatz-
                                                                                             einbußen und Geschäftsschließungen
                                                                                             verzeichneten. Das kann so nicht wei-
▲ In der heißen Wahlkampfphase: Die Digitalpolitikerinnen und -politiker nahmen              tergehen. Bei allem Respekt für die gro-
aus ihrem Homeoffice im jeweiligen Wahlbezirk am Vitako-Round-Table teil.                    ßen amerikanischen Player, aber wir
                                                                                             müssen faire Wettbewerbsbedingungen
                                                                                             wiederherstellen und dafür sorgen, dass
Dieter Janecek: Auch bei der digitalen             agil zu denken. Digitale Verwaltung       der stationäre Handel schneller einen
Verwaltung gibt es Vorreiter in den                heißt dann nicht mehr Umlaufmappe         Zugang zu digitalen Vertriebswegen fin-
Kommunen, die durchaus kraftvoll vor-              und Faxgerät sondern digitale Signatur    det und langfristig auf einem zweiten
angehen. Das OZG regelt aber quasi                 und arbeiten in der Cloud.                digitalen Standbein stehen kann. Auch
nichts, sondern gibt nur Ziel und Zeit-            Außerdem spielen für mich auch Fragen     das Thema Besteuerung spielt hierbei
rahmen vor. Die internen Prozesse in               des Wettbewerbs eine Rolle: Wer macht     eine wichtige Rolle, da muss das Stand-
den Verwaltungen selbst werden damit               eigentlich das Geschäft? Egal ob beim     ortprinzip gelten. Es kann nicht sein,
nicht angegangen. Einmal abgesehen                 Ticketing oder bei Mobilitätsdienst-      dass wir das ganze Kapital aus dem
davon, dass innerhalb von vier Jahren              leistungen, die Rendite sollte auch den   deutschen Markt rausziehen und es
tatsächlich nur 45 Verwaltungsleistun-             Kommunen zugutekommen und nicht           irgendwo hingelangt, wo gar keine Leis-
gen wirklich vollständig digital verfüg-           nur nach draußen gehen. Die entspre-      tung erbracht wird. Weitere wichtige
bar sind. Im besten Fall werden digital            chende Gestaltung der Projekte, sei es    Strategiethemen für die Digitalisierung
eingereichte Anträge im Rathaus weiter-            im Bereich Carsharing, Navigationssys-    sind die Verkehrswende, Energiewende,
hin ausgedruckt und in die bestehenden             teme oder auch Energiemanagement,         Agrarwende.
analogen Prozesse überführt. Die Digi-             sollten demokratisiert stattfinden.
talisierung der Verwaltung                                                                            Höferlin: Das vielleicht größte
ist daher nur ein Aspekt.                                                                             anstehende Projekt ist eine
Was wir brauchen, ist ein               Es fehlt der rote Faden, das                                  Cloud-Struktur für Europa.
Kulturwandel. Wir müssen                                                                              GAIA-X könnte dafür die Blau-
dafür sorgen, dass in Ver-              verbindende Element und lei­                                  pause sein, ein Cloud-Ökosys-
waltungen eine Befähigung                                                                             tem, in dem alle Akteure Platz
stattfindet, um bisherige               der viel zu oft auch ein vor­                                 finden, vom Bürger bis zum
analoge und hierarchische                                                                             großen Konzern, vom Gesund-
Prozesse neu digital und                zeigbares Ergebnis. Elvan Korkmaz-Emre                        heitssektor über die Verwal-

                                                                                                      03|2021 Vitako aktuell       9
Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
Schwerpunkt

                                                                                               Korkmaz-Emre: Die Digitalisierung
                                                                                               sollte genauso angegangen werden,
                                                                                               wie wir das in den Bereichen Soziales,
                                                                                               Verkehr oder Mobilität schon immer
                                                                                               machen. Schließlich wächst ja auch
                                                                                               die Anspruchshaltung der Bürgerin-
                                                                                               nen und Bürger. Mir ist wichtig, dass
                                                                                               wir alle Zukunftsfragen im digita-
                                                                                               len Kontext beantworten – Mobilität,
                                                                                               Klima, Gesundheit, aber auch Inklu-
                                                                                               sion. Niemand soll durch die Digitali-
                                                                                               sierung abgehängt werden, jede Gene-
                                                                                               ration muss mitgenommen werden. Ich
                                                                                               möchte zwei weitere Punkte anspre-
                                                                                               chen. Zum einen die Datendemokra-
                                                                                               tie. Daten werden immer wichtiger,
                                                                                               wir müssen etwa im Bereich Smart City
                                                                                               mit Daten arbeiten und dort eine Art
                                                                                               Datendemokratie entwickeln. Deutsch-
▲ Vitako-Geschäftsführer Dr. Ralf Resch moderierte das engagierte
                                                                                               land und Europa müssen eine richtige
Gespräch über die Perspektiven der deutschen Digitalpolitik.
                                                                                               Antwort auf die Frage finden, wie wir
                                                                                               mit den Daten gemeinwohlorientiert
                                                                                               umgehen können. Wie schaffen wir es,
tung bis zum Bildungssystem. Leider                 Bürger zu Hause am Computer, son-          dass wir öffentliche Daten nicht nur an
spricht das Wirtschaftsministerium                  dern auch für die Beschäftigten in den     alle freigeben, sondern von privaten
bei GAIA-X nur von einer Datenaus-                  Verwaltungen, die diese anbieten. Bei      Unternehmen, die sie im öffentlichen
tauschplattform. Das halte ich für viel             der Bereitstellung von Daten muss der      Raum erzeugen, zurückerhalten? Ganz
zu unambitioniert. GAIA-X sollte ein                Grundsatz gelten: Was mit öffentlichem     besonders wichtig erscheint mir hier-
Anwendungsnetz auf dem                                                                                 bei das Thema Digitale Souve-
Internet sein, sozusagen                                                                               ränität. Auch hierfür brauchen
ein Layer darüber, wo Bür-                  Wir brauchen jetzt eine                                    wir europäische Lösungen,
ger sich sicher mit einer eID                                                                          und GAIA-X ist ein gutes Bei-
identifizieren und Dienst-                  ­andere Projektorganisation,                               spiel dafür. Auch die KI-Strate-
leistungen abrufen können,                                                                             gie muss noch ambitionierter
und wo für die öffentliche                   wir brauchen ein Digital­                                 werden. Wir können als Europa
Hand Verwaltungssoftware                                                                               nicht erst in drei oder fünf Jah-
zu Verfügung steht – bereit-                 ministerium. Manuel Höferlin                              ren eine Strategie vorlegen. Das
gestellt von sowohl öffentli-                                                                          muss deutlich schneller passie-
chen Dienstleistern als auch privaten               Geld an Daten erzeugt wird, muss als       ren. Europa muss in diesen Fragen zum
Unternehmen. Für mich wäre das dann                 öffentliches Gut auch öffentlich zugäng-   Vorreiter werden.
eine Alternative zur Datennutzung                   lich sein. Dies bedeutet auch, dass das
nach US-amerikanischen oder asiati-                 Informationsfreiheitsgesetz zu einem       Das Stichwort Digitale Souveränität ist
schen Vorstellungen. Wir haben eine                 Transparenzgesetz weiterentwickelt         schon mehrfach gefallen. Was halten
andere Kultur, was die Persönlichkeits-             werden muss, weil wir gerade in Kom-       Sie vom derzeit diskutierten hybriden
rechte angeht, und dies könnte man in               munen viele Prozesse und Entscheidun-      Multi-Cloud-Ansatz?
einer europäischen Cloud auch als Code              gen haben, bei denen es um das Leben
niederschreiben.                                    und den Alltag der Bürger geht. Hier       Korkmaz-Emre: Ich halte die Hybridstra-
                                                    muss die Möglichkeit einer frühzeitigen    tegie für richtig, weil man sich nicht von
Sitte: Uns als Linke ist gerade mit Blick           Einbindung gegeben sein, die Möglich-      einem Tag auf den anderen von Micro-
auf Corona wichtig, dass Digitalisie-               keit zur Selbstbestimmung. Wichtig ist     soft trennen kann. Gleichzeitig müssen
rung selbstbestimmtes Arbeiten, selbst-             hierbei, dass alles, was auf staatlicher   wir weiter an alternativen Lösungen
bestimmtes Leben und neue Formen                    Ebene genutzt wird, mit Programmcode       arbeiten und hierbei mit Kleinanbie-
von Demokratie ermöglichen soll. Das                aus Open Source oder als freie Lizenz      tern, aber auch mit Playern wie Micro-
gilt nicht nur für die Bürgerinnen und              angeboten wird.                            soft zusammenarbeiten. Wir werden in

10    Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl

  Elvan Korkmaz-Emre ist seit 2017 für die
  SPD im Deutschen Bundestag. Die Diplom-
  verwaltungswirtin wurde am 27. Juli 1985
  in Gütersloh geboren und war nach ihrem
  Hochschulabschluss zunächst für die ARGE
  (heute: Jobcenter) und anschließend sieben
  Jahre als Projektmanagerin in der Stadtent-
  wicklung tätig. Als stellvertretende Spreche-
  rin der SPD-Arbeitsgruppe „Digitale Agenda“
  und Berichterstatterin für Smart Cities enga-
  giert sich Korkmaz-Emre für Konzepte für die
  Kommunen von Morgen und wie Souveräni-
  tät über Daten und Technologien zurücker-
  langt werden kann.

den nächsten zehn Jahren nicht von Microsoft loskommen.           Höferlin: Wichtig ist der Wettbewerb, sonst bleibt am Ende nur
Aber das heißt ja nicht, dass man nicht währenddessen Alter-      noch ein Monopolist übrig, der das Geschäft bestimmt. Das
nativen entwickelt, um sich auch lösen zu können.                 ist ja der Trend im Internet. Deswegen muss sich die Politik
                                                                  durch Rahmensetzung auf genau diese Steuerung konzentrie-
Sitte: Jahrelang wurde in München Linux eingesetzt. Wobei         ren. Es wäre der falsche Weg, wenn die öffentliche Hand eine
die Vorstellung, dass Open-Source-Software nicht genauso          gesamteuropäische Cloud-Lösung selbst bauen wollte oder
wartungsintensiv ist, natürlich falsch ist. Aber in puncto Sou-   auch nur eine nationale Lösung. Bund, Länder und Kom-
veränität ist man dann in einer anderen Position. Wenn wir        munen können keinen Hyperscaler bauen! Deutschland und
                                                                  Europa können aber die Regeln festlegen, wie verschiedenste
                                                                  Unternehmen an einem europäischen Cloud-System teilha-
       Mit Open-Source-Software                                   ben können. Das können dann auch Microsoft, Amazon und
                                                                  andere große Cloud-Anbieter sein, solange sie sich den Regeln
    ist man in puncto Digitaler                                   öffnen. Zu solchen Regeln gehören Interoperabilität, offene
                                                                  Schnittstellen und die Verhinderung von Lock-in-Effekten.
    Souveränität in einer                                         Zusätzlich wird es auch Platz für regionale IT-Dienstleister,
                                                                  die Landesrechenzentren und für kleinere private Rechen-
    ­­­anderen Position. Petra Sitte                              zentren geben, die dort besondere Anforderungen erfüllen
                                                                  können. Nicht alle Rechenzentren genügen den Sicherheits-
uns nun weiter nur an Microsoft binden, werden wir erstens        bedürfnissen für den öffentlichen Bereich, insofern können
die Abhängigkeiten vergrößern und zweitens aus der Pers-          besonders zertifizierte Rechenzentren in bestimmten Teilbe-
pektive von Microsoft lediglich zu einem Bestandteil ihres        reichen der Cloud eingesetzt werden und dort dann vielleicht
Geschäftsmodells werden. Wir wollen aber die Souveräni-           auch einen anderen Preis aufrufen. Wir dürfen uns hier nicht
tät der Menschen und der öffentlichen Hand wahren. Wer            auseinanderdividieren lassen und müssen uns in der Rah-
die Debatten um die Beteiligung von Huawei an öffentlichen        mensetzung vom US-amerikanischen und asiatischen Markt
Infra­strukturen verfolgt hat, muss sich fragen, warum dies       unterscheiden.
nicht bei US-amerikanischen Konzernen genauso veranstaltet
wird. Es geht dabei nicht so sehr um Geheimdienste, sondern       Janecek: Digitale Souveränität ist vielschichtig. Zum einen
um die Monopole am Markt. Für uns resultiert daraus eine          müssen wir auf der Hardware-Ebene in Europa in Mikroelek-
technologische Offenheit auch bei der öffentlichen Hand,          tronik investieren, um kritische Abhängigkeiten zu verrin-
wir wollen Wahlmöglichkeiten anbieten und eine Integra-           gern. Sonst kommen wir mit dem Bedarf an Halbleitern nicht
tion in eine europäische Gesamtlösung. Am Ende geht es um         hinterher und haben Probleme in der Wertschöpfungskette.
Vertrauen, um DSGVO, personenbezogene Daten und Bewe-             Die gute Nachricht ist: Der künftige Markt ist noch nicht auf-
gungsprofile. Die Bürger müssen den Digitallösungen einer         geteilt, denn durch die Digitalisierung kommt es zu immer
Kommune vertrauen, wenn sie sich ihnen anvertrauen.               größerem Bedarf. Zum anderen besteht auf der Projektebene

                                                                                                03|2021 Vitako aktuell       11
Schwerpunkt

                                                                              Führungsebene notwendig. Ob das bis Ende 2022 gelingt, ist
                                                                              nicht sicher. Bisher stand offensichtlich eher die Ankündi-
                                                                              gung im Vordergrund und nicht die Umsetzung. Mehr Bench-
                                                                              marking und der Blick auf schon vorhandene L      ­ ösungen
                                                                              wären wichtige Schritte.

                                                                              Höferlin: Für die versprochenen 575 Leistungen ist die Frist
                                                                              Ende 2022 ja schon eine Verlängerung der Ursprungsfrist,
                                                                              also eine Verschiebung in die nächste Legislatur – ein blöder
                                                                              Trick. Das ist auf keinen Fall mehr zu halten und lässt sich
                                                                              sicher nicht der nächsten Regierung ankreiden. Woran liegt
                                                                              das? Erstens, es gibt nur eine bedingte Lust zwischen Bund,
                                                                              Ländern und Kommunen, die Digitalisierung voranzutreiben.
                                                                              Solche föderalen Projekte funktionieren am Ende immer nur
                                                                              durch Geld. Kommunen sagen: Wenn ihr uns neue Aufgaben
                                                                              übertragt, müsst ihr uns auch Geld dafür geben. Dabei ist die
                                                                              Digitalisierung von analogen Verwaltungsprozessen eigent-
                                                                              lich keine neue Aufgabe und mittelfristig ja auch kosteneffi-
                                                                              zienter. Zudem fehlt ein klares Leit- oder Zielbild. Kommunen
                                                                              sehen in der Digitalisierung nicht viele Vorteile für sich und
 Dr. Petra Sitte ist seit 2005 im Deutschen Bundestag als Abgeordnete
 der Partei Die Linke. Sie wurde am 1. Dezember 1960 in Dresden gebo-
                                                                              digitalisieren nur dort, wo sie es müssen. Zum Zielbild gehört
 ren, hat Volkswirtschaft in Halle (Saale) studiert und 1987 promoviert.      aber, den Nutzen, der etwa durch das Once-Only-Prinzip ent-
 Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende ihrer Partei leitet sie auch den   steht, aufzuzeigen. Der Anreiz für einzelne Verwaltungsmit-
 Arbeitskreis „Kultur, Wissen und Lebensweise“, daneben ist sie Mitglied      arbeiter entsteht erst dann, wenn sie sehen, dass ein digitaler
 im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­
                                                                              Prozess ihnen mehr Zeit lässt, sich um die Bürger und Bürge-
 abschätzung und im Ausschuss „Digitale Agenda“. Ebenso war Sitte
 ­Mitglied der Enquetekommissionen „Internet und digitale Gesellschaft“
                                                                              rinnen oder ein Unternehmen zu kümmern. Dafür sind sie ja
  sowie „Künstliche Intelligenz“.                                             in den öffentlichen Dienst gegangen: um die Gesellschaft am
                                                                              Laufen zu halten. Diese Aspekte werden viel zu wenig an die
                                                                              Beschäftigten in Kommunen herangetragen.
vor allem für Kommunen die Herausforderung, in Personal
zu investieren. Es ist ja nicht einfach, Fachkräfte am Markt                  Sitte: Beim OZG wäre ein Perspektivenwechsel wichtig gewe-
zu bekommen, die bei der Modernisierung der Verwaltung                        sen. Man hätte schauen sollen, was im Alltag einer Behörde
helfen. Also müssen dringend Weiterbildung und Qualifizie-                    in Kommunen tatsächlich geschieht und was die Bürger dort
rung vorangestellt werden. Zu guter Letzt stellt sich bei der                 erwarten: nämlich Beratung, schnelle Bearbeitung und ein
Kritischen Infrastruktur die                                                                                  möglichst geringer Bearbei-
Frage, mit wem dort zusam-                                                                                    tungsprozess. Das hätte man
mengearbeitet werden soll.                   Wer macht eigentlich das                                         alles schrittweise aufbauen
Wenn ein chinesischer                                                                                         und daraus dann Kompeten-
Anbieter wie Huawei nicht                 ­Geschäft? Die Rendite ­sollte                                      zen für die Verwaltung ablei-
staatlich unabhängig arbei-                                                                                   ten können. Nun müssen
tet, muss er ausgeschlossen             auch den Kommunen zugute­                                             wir vor allem Geld und ent-
werden können. Es gibt viel                                                                                   sprechende Ressourcen für
Potenzial, aber es bedarf                kommen und nicht nur nach                                            eine Qualifizierung des Per-
großer Investitionen und                                                                                      sonals bereitstellen, und
eines k
      ­ laren Mindsets, dann                          draußen gehen.
                                             Dieter Janecek                                                   zwar sowohl in den Kom-
können wir Europa souverä-                                                                                    munen, die die Dienstleis-
ner gestalten.                                                                tung zur Verfügung stellen, als auch in den Einrichtungen,
                                                                              die helfen, diese Dienstleistungen zu realisieren. Man sollte
Zu den dringendsten digitalen An­liegen für Bund, Länder                      Verwaltungsmitarbeitern allerdings nicht nur eine Qualifizie-
und Kommunen gehört das Onlinezugangsgesetz, ­dessen                          rung anbieten, sondern eine Perspektive bieten: Was soll mit
Frist Ende nächsten Jahres ausläuft. Was muss jetzt passie-                   den Mitarbeitern in den nächsten Jahren in der Verwaltung
ren, ­damit die Umsetzung noch gelingt?                                       passieren und wie wird sich ihr Beruf verändern?

Janecek: Damit die Umsetzung noch jenseits aller Dash­boards                  Korkmaz-Emre: Für mich lautet beim OZG die gute Nachricht,
gelingt, ist eine noch intensivere Zusammenarbeit auf der                     dass wir vorankommen, allerdings wohl nicht bis Ende 2022

12   Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl

fertig werden. Aber selbst, wenn wir        wird sich daran nichts grundsätzlich                Anbieter und Startups geben, die ihre
eine Zwischenetappe schaffen, heißt         ändern. Dann sollten die Kommunen                   Kompetenz auf diesem Markt umsetzen.
das längst nicht, dass die Verwaltungs-     denen aber den Stuhl vor die Tür stel-
digitalisierung damit beendet ist. Das      len. Man ist ja auf Kommunen durchaus               Janecek: Ich würde den IT-Planungsrat
wird ein ständiger Prozess sein, der uns    angewiesen.                                         nicht abschaffen wollen. Wie soll denn
weiter begleitet. Ich halte übrigens das                                                        eine neue Struktur aussehen? Zudem
Einer-für-Alle-Prinzip (EfA) für einen      Höferlin: Ich halte das Einer-für-Alle-Prin-        ist der Föderalismus mit seinen drei
Durchbruch. Es wäre falsch, wenn alle       zip für keine gute Lösung. Jeweils nur              Ebenen vorgegeben. Dass in dem Gre-
11.000 Kommunen eigene Lösungen             eine Lösung zu haben, ist der falsche               mium die Kommunen keine entspre-
entwickeln, und es ist besser, wenn das     Ansatz. Ich hätte lieber die beste Lösung           chende Stimme haben, obwohl sie die
einer für alle macht. Was ich vom IT-Pla-   oder besser noch: die besten Lösungen.              meisten Verwaltungsleistungen liefern
nungsrat und von vielen Kommunen in         Die Politik muss eine Schnittstellendefi-           müssen, ist natürlich nachteilig. Viel-
dieser Hinsicht höre, ist erst mal durch-   nition betreiben, das ist auch die Kern-            leicht haben die Kommunen ihre Posi-
aus positiv. Ich bin auch überzeugt, dass   aufgabe des IT-Planungsrates. Dort                  tion aber auch nicht immer laut genug
das EfA-Prinzip zukünftig Kosten sparen
wird und dass es durch die ebenenüber-
greifende Einheitlichkeit zu einer Nut-             GAIA-X könnte die Blaupause für
zerfreundlichkeit kommt.
                                                    ein Cloud-Ökosystem sein, in dem
Nun noch eine Frage nach dem Zu-
sammenspiel von Bund, Ländern und                   alle Akteure Platz finden. Manuel Höferlin
Kommunen. Sollte sich hier etwas ver-
ändern und könnte man auf der ope-          muss festgelegt werden, an welchen                  artikuliert. Was muss man nun tun?
rativen Ebene besser ebenenübergrei-        Stellen die IT-Systeme der Bundesländer             Natürlich brauchen wir Schnittstellen
fend zusammenarbeiten?                      und auch die Fachanwendungen mitein-                und Standards. Gemeinsame Standards
                                            ander kommunizieren können. Ebenso                  schaffen Vorteile für alle. Ich bin für
Korkmaz-Emre: Ich bin überzeugt davon,      gehört die Definition eines Kerndaten-              Wettbewerb, aber wenn eine Kommune
dass es bis Ende 2022 keine neue Struk-     satzes zu den Aufgaben des IT-Planungs-             eine tolle Lösung gefunden hat, sollten
tur geben wird. Wenn dann allerdings        rates. Wenn man dann ein Ökosystem                  die anderen sich daran schon orientie-
feststeht, dass es nicht funktioniert,      wie die GAIA-X-Cloud hat, in der jeder              ren. Wir leiden ja auf der anderen Seite
muss man sich wirklich der bisherigen       seine App oder Fachanwendung anbie-                 auch darunter, dass einige Bundeslän-
Struktur zuwenden und sie anders orga-      ten kann, führt das nicht automatisch               der ihre Super-E-Government-Pakete
nisieren. Ich befürworte immer Kom-         zu Hunderten von Einzellösungen. Es                 schon vor Jahren geschnürt haben und
petenz auch bei Ländern und in Kom-         wird mittelständische Unternehmen,                  nun sagen, dass sie es besser als der
munen. Doch wenn es am Ende nicht           kommunale Dienstleister, öffentliche                Bund und die anderen Länder können.
funktioniert und sich herausstellt, dass
wir schneller wären, wenn der Bund
es in die Hand nimmt, dann würde
ich mich davor nicht verschließen. Bis
Ende 2022 sehe ich allerdings keinen
Änderungsbedarf.

Sitte: Dass die Ebene der konkreten           Manuel Höferlin trat 2005 der FDP bei und
                                              ist seit 2017 als Direktkandidat der FDP
Umsetzung, die kommunale Ebene, in
                                              im Wahlkreis Worms im Deutschen Bun-
Gremien wie dem IT-Planungsrat nicht          destag. Geboren am 6. Februar 1973 in
gleichberechtig eingebunden ist, kann         Paris, studierte Höferlin Rechtswissen-
ich nicht nachvollziehen. Zuerst dachte       schaften in Mainz. Er ist seit 2008 Vorsit-
ich, es macht vielleicht Sinn, wenn der       zender des FDP-Ortsverbandes Harxheim,
                                              Mitglied im ­Liberalen Mittelstand Rhein-
Bund einige Entscheidungen an sich
                                              land-Pfalz und in der Vereinigung Liberaler
zieht, zumal er ja auch das meiste Geld       Kommunal­politiker Rheinland-Pfalz. Außer-
zur Verfügung stellt. Aber das hat nicht      dem ist Höferlin Vorsitzender des Ausschus-
geholfen. Solange es jedoch keine neue        ses ­„Digitale Agenda“ und digitalpolitischer
Bundesregierung gibt und womöglich            Sprecher der Fraktion der Freien Demokra-
                                              ten. Seit 2009 ist er Geschäftsführer einer IT-
die gleichen Entscheider auch in der
                                              Firma und Unternehmensberater.
nächsten Legislatur weiter mitspielen,

                                                                                                        03|2021 Vitako aktuell      13
Schwerpunkt

                                                 Zum Beispiel bedeutet der „bayerische     Papier, Stempel und Unterschrift sind
                                                 Weg“ faktisch, dass man sein eigenes      nicht mehr die Zukunft und abgelöst
                                                 Ding macht und sich eben nicht ordent-    worden von digitalen Zertifikaten und
                                                 lich am Prozess beteiligt. Man will von   rechtssicherer Software.
                                                 seinen eigenen Systemen nicht runter,
                                                 und am Ende kommen wir mit den            Sitte: Auch wenn wir digitaltaugliche
                                                 Schnittstellen nicht zusammen. Das        Gesetze im Bundestag verabschieden
                                                 wäre problematisch.                       und sie für alle gleich gelten, lösen sie

                                                              Deutschland und Europa
                                                              müssen eine Antwort auf die
                                                              Frage finden, wie wir mit
                                                              Daten gemeinwohlorientiert
                                                              umgehen können. Elvan Korkmaz-Emre
                                                 Letzte Frage: Verwaltungskultur und       noch längst nicht bei allen das Gleiche
                                                 digitale Rechtsetzung kommen oft          aus. Wir diskutieren beispielsweise in
                                                 nicht überein. Wie kommen wir zu ei-      der Fraktion, dass es Bereiche in der
                                                 ner Digital-ready-Legislation? Was        öffentlichen Verwaltung gibt, in denen
                                                 muss konkret unternommen werden,          der Königsteiner Schlüssel nicht mehr
                                                 damit Gesetze digitaltauglich und         hinreichend ist, um angemessene und
                                                 -lesbar ausgestaltet werden?              gerechte Lösungen anzubieten. Kom-
                                                                                           munen im Ruhrgebiet unter Zwangs-
                                                 Janecek: Digitale Gesetze sind die Vor-   verwaltung empfinden unsere Digital-
                                                 aussetzung für Zukunftsfähigkeit. Wir     diskussion bisweilen als Luxusdebatte.
                                                 können nicht mit der Zettelwirtschaft     Das sollten wir sicher auch in Rech-
                                                 in die Zukunft gehen.                     nung stellen.

                                                 Höferlin: Viele Verwaltungsmitarbeiter    Korkmaz-Emre: Die Zukunft ist digital
                                                 fragen sich, was sie mit dem Original     und wir müssen uns sicher vom Papier
                                                 eines Dokuments machen, nachdem           und der Schriftform lösen. Als ich mit
                                                 sie es rechtssicher eingescannt haben,    meinem Bundestagsbüro in eine andere
                                                 und wollen es nicht vernichten. Das ist   Liegenschaft umgezogen bin, hatte
                                                 eines der Hauptprobleme: Die digitale     jeder Mitarbeiter nur einen Umzugs-
                                                 Transformation führt dazu, dass sich      karton und das Unternehmen fragte
                                                 die Arbeitsweise von Menschen ändert.     uns erstaunt, wo sind denn ihre Akten?
 Dieter Janecek wurde 2013 in den Deut-
 schen Bundestag gewählt und vertritt seit-
 dem den Wahlkreis München-West/Mitte.
 Zuvor war er seit 2008 Landesvorsitzen-
 der der bayerischen Grünen. Er ist Sprecher
 für Industriepolitik und digitale Wirtschaft
 der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die
 ­Grünen. Geboren am 25. Mai 1976 in Pirma-
  sens, gehört der diplomierte Politikwissen-
  schaftler als Vollmitglied dem Ausschuss für
  Wirtschaft und Energie sowie dem Ausschuss
  „Digitale Agenda“ als Obmann an. Zudem
  war Janecek in der aktuellen Wahlperiode
  Mitglied der Enquetekommission „Künstliche
  Intelligenz“ des Deutschen Bundestages.

14   Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl

„Die Union ist der Treiber
der digitalen Verwaltung“
Statements zur Digitalpolitik von
Tankred Schipanski (CDU)

Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand        Praxiserfahrung und Erfahrung im digi-     sation auch neuer Strukturen und Ver-
der Digitalisierung in der öffentlichen     talen Projektmanagement die Arbeit der     einbarungen, etwa neue Kooperations-
Verwaltung in Deutschland und was           öffentlichen Verwaltung bereichern.        formen zwischen Bund, Ländern und
hat Ihre Partei dazu beigetragen?           Um Quereinsteigern den Einstieg zu         Kommunen. Dies betrifft neben der
                                            erleichtern wollen wir die Einstellungs-   Digitalisierung der Verwaltung auch
Die Digitalisierung der öffentlichen Ver-   voraussetzungen flexibilisieren, die       eine Entflechtung der Zuständigkei-
waltung entwickelt sich zurzeit dank des    Notwendigkeit formaler Abschlüsse          ten mit klareren Verantwortlichkeiten
Onlinezugangsgesetzes (OZG) in schnel-      reduzieren und durch IT-Zulagen die        zwischen Bund und Ländern. Die Pan-
lem Tempo. Wir wollen bis 2022 alle 575     Vergütung erhöhen.                         demie hat hier Optimierungspotenzial
Verwaltungsdienstleistungen digita-                                                    offengelegt. Nun müssen wir die ent-
lisiert haben. Das ist auch ein großer      Kann die Umsetzung des OZG bis 2022        sprechenden Lehren ziehen.
Erfolg für die föderale Zusammenarbeit.     noch gelingen? Wie soll der Betrieb
Die Union ist der Treiber in der Umset-     der Lösungen organisiert sein und fi-
zung bei der digitalen Verwaltung.          nanziert werden?
                                                                                        Tankred Schipanski ist seit 2009 als Abgeord-
                                                                                        neter der CDU im Deutschen Bundestag und
Was wollen Sie in der kommenden             Die Umsetzung geht mit großen Schrit-       seit April 2018 Sprecher der Arbeitsgruppe
­Legislatur konkret verbessern?             ten voran. Ich bin zuversichtlich, dass     „Digitale Agenda“ der CDU/CSU-Bundestags-
                                            wir bis Ende 2022 sehr weit sind. Auch      fraktion. Er ist am 30. Dezember 1976 ge-
Wir wollen ein Modernisierungsjahr-         wenn möglicherweise bei einzelnen           boren, in Ilmenau aufgewachsen und hat
                                                                                        Rechtswissenschaft in Bayreuth und Wien so-
zehnt auch für die öffentliche Hand. Wir    Vorhaben noch nicht der finale Rei-
                                                                                        wie an der Hochschule für Verwaltungswis-
wollen die FITKO ausbauen und für die       fegrad erreicht werden könnte, hat          senschaften in Speyer studiert.
notwendigen Anwendungen einen App-          das OZG oftmals gezeigt, wie digital-
Store für die Verwaltung mit digitalen      politische Zusammenarbeit im deut-
Lösungen schaffen. Außerdem wollen          schen Föderalismus gelingen kann. Wir
wir die Verpflichtung für Open Data in      müssen hier unsere Lehren ziehen und
der Regierung ausweiten. Offene Stan-       nach der Digitalisierung der Verwal-
dards und Schnittstellen wollen wir als     tungsdienstleistungen die Digitalisie-
Vergabekriterium bei öffentlichen Aus-      rung der internen Abläufe innerhalb
schreibungen mitberücksichtigen. Es         der Verwaltung in Deutschland noch
sollen auch intern alle Verwaltungsvor-     stärker in den Blick nehmen. Ich bin
gänge digitalisiert werden.                 zuversichtlich, dass wir hier noch viel
                                            Potenzial haben, Prozesse effizienter
Welche konkreten Instrumente                zu gestalten.
­schlagen Sie zur Verwirklichung von
 mehr Digitaler Souveränität in der         Wie sollte das Zusammenspiel von
 ­öffentlichen Verwaltung vor?              Bund, Ländern und Kommunen künf-
                                            tig organisiert sein?
Digitale Souveränität bedeutet für die
öffentliche Hand mehr Digitalkompe-         Der IT-Planungsrat und die FITKO
tenz. Das erreichen wir mit der Förde-      haben eine gute Einheit gebildet. Es
rung von mehr Quereinsteigern, die mit      bedarf neben der Stärkung der Organi-

                                                                                                03|2021 Vitako aktuell              15
Schwerpunkt

Gut vorbereitet
Im Superwahlmonat September finden neben
der Bundestagswahl auch zwei Landtags- und
weitere Kommunalwahlen statt. Die Wahlsoftware
votemanager wird dabei zur Organisation, Vor- und
Nachbereitung und Durchführung der Wahl bis hin
zur Präsentation der Wahlergebnisse eingesetzt.

Bevor die Parteien ihre Kanzlerkandidatinnen oder -kandi- tern der Städte und Gemeinden. So kann direkt die rechtli-
daten küren, die Parteizentralen erste Ideen für ihre Kampa- che Eignung der potenziellen Wahlhelferinnen und -helfer
gnen entwickeln und die 5.000 Bewerberinnen und Bewer- geprüft und abgeglichen werden. Eine weitere Schnittstelle
ber für ein Bundestagsmandat sich in den 299 Wahlkreisen zum Wahlunterstützungssystem ermöglicht die Datenüber-
auf Werbetour begeben, läuft die Wahlvorbereitung bereits nahme und -übergabe vom und zum Bundeswahlleiter.
auf Hochtouren. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Zeit-
plans hat die vote iT mit den Vorbereitungen für die Bundes- Fehler sind hier, wie an vielen anderen Stellen des Vorberei-
tagswahl im September begonnen. Am 26. September finden tungsprozesses, kein Kavaliersdelikt. Sie können die Anfech-
zeitgleich in Mecklenburg-Vorpommern die Landtagswah- tung des Wahlergebnisses und – im schlimmsten Fall – eine
len statt und in Berlin die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Zwei Wahlwiederholung zur Folge haben. Das gilt auch für die Aus-
Wochen vorher wählen die Niedersachsen ihre Gemeinde- stellung und den Versand der Wahlbenachrichtigung. Wenn
und Stadträte, die Kreistage, Stadtober-                                           am 26. September 2021 rund 60,4 Mil-
häupter sowie Landräte neu. Überall im                                             lionen Bürgerinnen und Bürger aufge-
                                                „Wir verstehen uns als integraler
Einsatz: die Wahlsoftware votemanager.                                             rufen sind, den Bundestag zu wählen,
                                              Bestandteil des demokratischen Sys-
                                                                                   haben sie Wochen vorher einen Brief
                                               tems. Mit unseren Produkten und
Die Anforderungen, die der Gesetzge-                                               oder eine Postkarte im Briefkasten vor-
                                                Leistungen unterstützen wir die
ber an Rechtskonformität, Effizienz und                                            gefunden, der sie den Wahlbezirk, den
                                              Abläufe von Wahlen in Kommunen
Sicherheit von Wahlsoftware-Anwen-                                                 Wahlraum inklusive Adresse und dem
                                                     und Bundesländern.“
dungen für öffentliche Verwaltungen,                                               Hinweis barrierefrei oder nicht barrie-
Wahlbehörden, Parteien und Wähler                           Andreas Poppenborg     refrei entnehmen konnten. Die Daten-
stellt, sind sehr hoch. Das schlägt sich                                           basis liefert hier das jeweilige Einwoh-
aktuell in einem 83-seitigen „Anforderungskatalog zur Infor- nermeldeverfahren, wo die Wahlgebiete, -lokale und weitere
mationssicherheit bei der Ermittlung des vorläufigen Wahler- Einzelheiten zur Wahl gepflegt werden.
gebnisses bundesweiter parlamentarischer Wahlen“ nieder –
Updates nicht ausgeschlossen.
                                                                Die Partner pflegen die Daten
                                                                Diese Aufgabe teilen sich die Kommunen oft mit ihren
Auf die inneren Werte kommt es an                               IT-Dienstleistern wie etwa der regio iT. Der kommunale
Zu den Wahlvorbereitungen gehörte ein Penetrationstest,         IT-Dienstleister mit Sitz in Aachen, Gütersloh und Siegburg
dem der votemanager unterzogen wurde. Formulare wurden          übernimmt die Datenpflege für rund 85 Kommunen mit etwa
erneuert und für den Wahlabend der Präsentation ein klei-       zwei Millionen Einwohnern in Nordrhein-Westfalen. Koordi-
nes Facelift verpasst. Entscheidend sind aber die „inneren      nation und Dokumentation sind hierbei wichtig, um recht-
Werte“ der Wahlsoftware. Bereits bei der Suche und Einberu-     lich auf der sicheren Seite zu sein. Derzeit entwickelt regio
fung von Wahlhelferinnen und -helfern zeigen sich die techni-   iT zusammen mit der Cogniport GmbH – ehemalige regio iT
schen Vorzüge, zu denen die diversen Schnittstellen der Wahl-   Akademie – eine Software, die durch Schulungen die Hand-
lösung gehören. In diesem Fall zu den Einwohnermeldeäm-         habung des votemanagers sowie die rechtssichere Verarbei-

16   Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl

tung der Daten online vermitteln soll. Werden        Die Schnellmeldungen werden am Wahlabend
jetzt noch Informationen per E-Mail und Papier       abgesichert durch eine Plausibilitätsprüfung.
ausgetauscht, soll dies zukünftig in einer Anwen-    Präsentiert werden die Ergebnisse – sofern es
dung online und medienbruchfrei erfolgen.            die Pandemie in diesem Jahr zulässt – in der
Aktuell wird ein entsprechendes Portal zur weite-    Wahllobby: Wahlbeteiligung, Gewinne und Ver-
ren Digitalisierung der Kommunikation mit den        luste, Parteientwicklung über mehrere Wah-
Wahlhelfenden entwickelt. Grundlage ist hier die     len hinweg, Hochrechnungen, Sitzverteilung in
jahrzehntelange Erfahrung der Mitarbeitenden         den Parlamenten und einiges mehr. Wenn am
der regio iT bei den Wahlvorbereitungen.             Wahlabend gegen 19.30 Uhr die Zugriffe auf den
                                                     Server langsam weniger werden, beginnt (fast)
                                                     schon die Nachbereitung. Dank des votemana-
Mehr Brief- als Urnenwähler                          gers erfolgt vieles automatisiert, wie der Export
Schon bei der Kommunalwahl in Nordrhein-             der gewählten Kandidatinnen und Kandidaten
Westfalen 2020 – der ersten unter Coronabedin-       in das Ratsinformationssystem oder die Nieder-           ▲ Andreas Poppenborg
gungen – gab es ein deutliches Plus bei den Brief-   schrift des Wahlausschusses. Denn: Nach der              ist Geschäftsführer der
wählern. Mittlerweile sind mehr Brief- als Urnen-    Wahl ist schließlich vor der Wahl.                       vote iT GmbH.
wähler zu verzeichnen – mit Auswirkungen auf
die Auszählung. Wahlbezirke, in denen weniger          Technik
als 50 Personen ihre Stimme persönlich abge-           Der votemanager wurde als Web-Applikation in Java
geben haben, werden nicht vor Ort ausgezählt,          entwickelt. Die kostenfreie Open-Source-Lösung Apa-
                                                       che Tomcat wird als Applikationsserver eingesetzt.
sondern im Nachbarbezirk, damit das Wahlge-
                                                       Dies ermöglicht eine Hardware- und Betriebssystem-
heimnis gewahrt bleibt. Ein entsprechender Ver-        unabhängigkeit auf Server- sowie Client-Seite. Auf
merk im votemanager verhindert eine doppelte           dem Client werden ein aktueller Web-Browser, der Ja-
Zählung. Die Auszählung erfolgt im Nachbarbe-          va-Script unterstützt, und ein Programm zur Anzeige
zirk zwar für beide, die Ergebnisse werden aller-      und zum Druck von PDF-Dateien eingesetzt. Als Daten-
                                                       bank kommen MySQL, MariaDB, Oracle oder MS-SQL-
dings getrennt erfasst, sodass auch wirklich jeder
                                                       Server zum Einsatz.
Bezirk einen Wahlsieger küren kann.

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