Digitalpolitik nach der Wahl - VITAKO-ROUND-TABLE
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03|2021 VITAKO-ROUND-TABLE Digitalpolitik nach der Wahl DIGITAL UND SOUVERÄN Neue Vitako-Strategie KOMMUNALPORTALE Portallösungen für die Länder SERIE: FRAUEN IN DER IT Führungspositionen besetzen Zeitschrift der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. www.vitako.de
ich sehe die Zukunft!« »Also, 13./14./18./19. Oktober 2021 Infos und kostenloses Ticket unter www.akdb.de/discoverytour Und was sehen Sie? Kommunalvertreter, die mit der AKDB auf Discovery Tour gehen, haben ein klares Bild von der Zukunft. Die innovativsten Lösungen für die digitale Transformation der Verwaltung. Ein Austausch mit Experten über vier spannende Tage. Online und sicher. Gehen Sie mit uns auf Entdeckungsreise! Steigen Sie ein! Auf der virtuellen AKDB Discovery Tour erleben Sie die Zukunft der Verwaltungsdigitalisierung. Ob aus dem Büro oder von zuhause aus: Fast so, als seien Sie persönlich dabei.
Editorial ▲ Dr. Ralf Resch ist Vitako-Geschäftsführer Liebe Leserinnen und Leser, alle vier Jahre jährt sich das wohl wichtigste noch nicht genug. Vor allem die medienbruch- Ereignis in unserer Demokratie: die Bundes- freie Verknüpfung der neuen Online-Dienste mit tagswahl. Dieses Mal wird sie auch eine Abstim- dem Backend und den Fachverfahren lässt wei- mung über den Stand der Digitalisierung bein- terhin zu wünschen übrig. Hört man sich unter halten. Durch die Corona-Pandemie sind die Not- Fachleuten um, fallen die Beurteilungen skep- wendigkeiten und Rückstände einer umfassen- tisch bis nicht sehr zufrieden aus. Bei unserem den Digitalisierung augenfällig geworden: Nicht Round-Table-Gespräch mit Politikern aus dem nur im Gesundheitswesen und – sicherlich sehr Bundestagsausschuss „Digitale Agenda“ vermittelt dringend – in Schulen, sondern auf allen Ebenen sich das Bild einer parteiübergreifenden Unzu- des Staates und seiner Verwaltungen. Will unser friedenheit mit den bisherigen Ergebnissen der Land und ganz Europa mit den Modernisierungs- Digitalpolitik. Als Grund wird oft eine nicht ganz anstrengungen weltweit Schritt halten, sind klare Zuständigkeit im Bund und bei der Umset- eigene und souveräne digitale Konzepte notwen- zung von Digitalvorhaben zwischen Bund, Län- dig – und dies möglichst schnell. Vitako engagiert dern und Kommunen angeführt. Auch ein Stim- sich hier vor allem hinsichtlich des Einsatzes von mungsbild unter den Geschäftsführern von Open-Source-Software und bei der Entwicklung Vitako-Mitgliedsunternehmen kommt zu keinem einer deutschen Verwaltungscloudstrategie. positiven Ergebnis: An institutionellen Reformen führt wohl kein Weg vorbei. Was die bisherige Digitalpolitik anbelangt, sind in den letzten Jahren wichtige Entscheidun- Es bleibt also spannend, und eine ebensolche gen gefallen und Umsetzungsschritte eingelei- Lektüre wünscht tet worden, vor allem durch das Onlinezugangs- gesetz. Es ist viel geschehen, aber bei Weitem Ihr 03|2021 Vitako aktuell 3
Impressum Inhalt Herausgeber: Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. Charlottenstr. 65 10117 Berlin Tel. 030/20 63 15 60 E-Mail: aktuell@vitako.de www.vitako.de V. i. S. d. P.: Dr. Ralf Resch Redaktion und Gestaltung: drei | Medien www.drei-medien.de Redaktion: Dr. Helmut Merschmann, Sibylle Mühlke Grafik: Axel Meintker Die Redaktion behält sich vor, eingesandte Berichte auch ohne vorherige Absprache zu kürzen. Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder elektronische Verbreitung nur mit Zu stimmung des Herausgebers. Korrektorat: Henrike Doerr, Textwelten Druck: triggermedien, Berlin Erscheinungsweise: 4 Ausgaben im Jahr Auflage: 5.000; Papier: 115g/m² Profibulk Autoren und Mitwirkende dieser Ausgabe: Dr. Ralf Resch, Vitako; Dr. Rolf Beyer, KDO; Manuel Höferlin, MdB; Dieter Janecek, MdB; Elvan Korkmaz-Emre, MdB; Petra Sitte, MdB; Tankred Schipanski, MdB; Andreas Poppenborg, vote iT GmbH; Dr. Johann Bizer, Dataport; William Schmitt, Komm.ONE; Sarah Dobrowolski, KDN; Michael Diepold, AKDB; Falk Richter und Manuela Kaspar, Lecos Schwerpunkt: Digitalpolitik nach der Wahl GmbH; Julian Schlender, Dataport; Bernadette Thielen, Baldeney IT-Consulting; Dr. Christoph Lindner, Universität Hamburg; René Bernard, eco-Verband; Dr. Helmut Merschmann, drei | Medien; Esther van Santen, Fraunhofer Fokus; 6 Leitartikel: Das Backend nicht vergessen Lutz Hiestermann, Hiestermann & Frömchen GmbH; Julian Einhaus, Vitako; Öffentliche IT zwischen Kooperation und Wettbewerb, Standardisierung Bildnachweise: und Freiraum: Moderne Online-Services sind für die Nutzerfreundlichkeit Titel: Frank Peters - stock.adobe.com wichtig. Allerdings müssen die OZG-Lösungen mit den funktionalen Hinter- S. 3 Porträt Resch: Robert Schlesinger; S. 4/8/9/10 Sera Z. Kurc Photography grundverfahren medienbruchfrei verbunden werden. S. 5 LianeM - stock.adobe.com Med Photo Studio - stock.adobe.com S. 7 Funtap - stock.adobe.com Porträt Dr. Rolf Beyer: Dirk Hasskarl 8 Vitako-Round-Table: 16 Gut und sicher S. 12 Porträt Dr. Petra Sitte: Nancy Glor S. 13 Porträt Manuel Höferlin: C. Kuhlmann Geteilte Meinungen zur Wahl S. 17 ©bizoo_n - stock.adobe.com S. 19 Porträt Dr. Johann Bizer: Tristan Vankann Fünf Bundestagsabgeordnete und Mitglie- Die Wahlsoftware votemanager ist bei den Porträt William Schmitt: www.studio-visuell.de viperagp - stock.adobe.com der des Ausschusses „Digitale Agenda“ im anstehenden Kommunal-, Landes- und S. 21 Porträt Michael Diepold: Antje Meinen virtuellen Round-Table-Gespräch über die bei der Bundestagswahl im Einsatz: Sie S. 22 Porträt Falk Richter: Lecos 2019 Porträt Manuela Kaspar: Kristin Lurtz Erfolge und Versäumnisse der Digitalpoli- bietet Unterstützung bei Organisation, S. 23 Porträt Julian Schlender: Sebastian Weimar tik und was sich in der nächsten Legislatur Vor- und Nachbereitung sowie Durchfüh- S. 25 metamorworks iStockphoto alles ändern muss. Von einer zuverlässigen rung der Wahlen bis hin zur Präsentation S. 27 BalanceFormCreative - stock.adobe.com S. 28-30 Ikons: istock.com/Esra Sen Kula; digitalen Infrastruktur im ganzen Land der Hochrechnungen und Ergebnisse am S. 30 Porträt Dorothea Störr-Ritter: über eine gesamteuropäische Cloud-Struk- Wahlabend. Bundesregierung/ Steffen Kugler Porträt Fedor Ruhose: MASTD Rheinland-Pfalz tur auf Basis von GAIA-X bis hin zu einem S. 32 Porträt E. van Santen: FOTOstudio IMAGE S. 34 Porträt Julian Einhaus: Dirk Hasskarl Transparenzgesetz und mehr digitaler Souveränität reichen die Vorstellungen Hinweis: Vitako aktuell erscheint zusätzlich mit drei Regionalausgaben: krz, Lecos, der Expertinnen und Experten für die Zeit regio iT. Der Vertrieb erfolgt durch das jeweilige nach der Bundestagswahl. Vitako-Mitglied. ISSN 2194-1165 Wird innerhalb der Zeitschrift auf fremde Links oder externe Informationsangebote hingewiesen, so macht sich Vitako diese Inhalte nicht zu eigen und kann für sie keine Haftung übernehmen. 4 Vitako aktuell 03|2021
Inhalt Digitale Kommune Netztalk 18 Digital und souverän 24 Sichere Clouds für Schulen 28 Durchhören Aufgabe der öffentlichen IT-Dienstleister Für den Einsatz von IT-Lösungen an ist der Schutz der digitalen Souveränität Schulen ist wegen vielen anfallenden und der Funktionsfähigkeit der Verwal- personenbezogenen Daten IT-Sicherheit 29 Durchstarten tungs-IT – auch im Krisenfall. Eine neue besonders wichtig. Die digitale Souverä- Vitako-Strategie setzt auf Open Source, nität über hiesige Bildungsdaten darf Wahlmöglichkeiten und den Aufbau mo- nicht an Unternehmen abgegeben 30 Durchrufen derner Verwaltungsclouds, die am besten werden, die nicht der Datenschutz- in Deutschland betrieben werden. Grundverordnung der EU unterliegen. 32 OZG-Check 20 Portallösungen der Länder 26 Serie Teil 3: Führungs Vitako-Mitglieder engagieren sich seit positionen besetzen 33 Umfrage vielen Jahren bei den Portallösungen Frauen in (technischen) Führungsposi der Länder. Beim KDN in Nordrhein- tionen haben Vorbildcharakter und bilden Westfalen, bei der AKDB in Bayern, bei Netzwerke, die auch für das Besetzen von 34 Spotlight KOMM24 in Sachsen und bei Dataport weiteren Stellen in Zeiten des Fachkräfte- sind moderne funktionale und OZG- mangels sehr hilfreich sind. Die Rahmen taugliche Kommunalportale entwickelt bedingungen, was Arbeitszeiten und Kar- worden. Ein Überblick. riereentwicklung anbelangt, müssen je- doch stimmen, damit Unternehmen vom Erfolg diverser Teams und weiblicher Ex- pertise profitieren können. 03|2021 Vitako aktuell 5
Leitartikel Das Backend nicht vergessen Öffentliche IT zwischen Kooperation und Wettbewerb, Standardisierung und Freiraum 90 Prozent eines Eisbergs liegen bekanntlich unterhalb der Oberfläche. Auch die für die Öffentlichkeit weithin sichtbaren Strukturen und Prozesse öffentlicher IT machen nur einen Bruchteil des „digitalen Backends“ einer Verwaltung aus. Moderne Online-Services sind für die Nutzerfreundlichkeit äußerst wichtig. Der Schlüssel für eine gleichsam bürgerfreundliche und effektive Verwaltungsmodernisierung liegt aber darin, neue Lösungen zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und funktionale Hintergrundverfahren medienbruchfrei zu verbinden. Ein Ziel, das nur gemeinsam zu schaffen ist, das Know-how vieler Beteiligter erfordert und gleichsam Raum lassen muss für Kreativität bei Kooperation und Wettbewerb. Es hat sich etwas getan im digitalen Durch das neu eingeführte Prinzip tauschformen und -mechanismen, auf Staate Deutschland – Elan und Heran- Einer für Alle (EfA) ist aber auch viel die die kommunale Ebene dringend gehensweise sind in der zweiten Hälfte Wirbel entstanden, der das bewährte angewiesen ist. Damit Leistungen nach der laufenden Legislatur sichtbar System aus Wettbewerb und Koope- dem EfA-Prinzip im föderalen Kontext gestiegen. Während der Umgang mit ration der öffentlichen und privaten überhaupt in die Fläche gelangen kön- dem Onlinezugangsgesetz (OZG) nach IT-Dienstleister infrage gestellt und nen, ist ein effizientes Instrument zum seiner Verabschiedung 2017 in den ers- gleichzeitig viele Fragen offenlässt. Leistungsaustausch notwendig. Bis- ten 24 Monaten eher zögerlich voran- Zum Ende der aktuellen Legislaturpe- lang steht ausschließlich fest, dass die schritt, hat sich die Branche heute in riode ergibt sich aus Sicht der kommu- Bundesländer jeweils dafür zuständig einen dynamischen Prozess begeben. nalen IT-Dienstleister ein gemischtes sind. Bild. Laut eines aktuellen Stimmungs- Diese Entwicklung gewann vergange- bildes (Seite 33) ist nur eine Minder- nes Jahr zusätzlich durch die Corona- heit unter den Vitako-Mitgliedern mit Kommunen stehen vor einer Bundeshilfen zur Umsetzung von OZG der Digitalpolitik der Bundesregierung langfristigen Aufgabe und Registermodernisierung an Fahrt – zufrieden. Auch die OZG-Umsetzung Als Teil der Länder und gleichsam in mit insgesamt 3,3 Milliarden Euro wur- beurteilen vier Fünftel kritisch bis sehr Selbstverwaltung ist das OZG für die den Fördergelder in einer Höhe zuge- kritisch. 11.000 deutschen Kommunen eine sagt, die es in diesem Ausmaß für die weitaus größere Herausforderung als Verwaltungsmodernisierung noch nicht Während die technische Machbar- für den Bund. Etwa 80 Prozent der Ver- gab. Gleichzeitig hat der Druck merk- keit unbestritten ist, wird vor allem waltungsleistung schultern Städte, lich zugenommen, das OZG fristgerecht die übergreifende Zusammenarbeit in Gemeinden und Landkreise. Rund 500 umzusetzen. Auf Bundesseite ist eine der IT von vielen Vitako-Mitgliedern von 575 Verwaltungsleistungen, die neue Entschlossenheit zu spüren, die als essenzielle Komponente wahrge- online angeboten werden müssen, lie- nicht zuletzt vom engagierten Auftreten nommen, um für eine zukunftssichere gen in kommunaler Hand – und sind des Bundes-CIO Markus Richter ausgeht, Gestaltung der IT zu sorgen. Zwar ent- dort gut aufgehoben und würden ohne der seit Mai 2020 aus dem Bundesinnen- stehen immer mehr Lösungen, es feh- Fachverfahren schlicht ins Leere lau- ministerium für neue Impulse sorgt. len aber weiterhin grundsätzliche Aus- fen. Hier liegt die größte Herausforde- 6 Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl rung: die Verknüpfung über standardisierte For- mate und offene Schnittstellen mit dem Backend in den Behörden beziehungsweise bei den kom- munalen IT-Dienstleistern. Diese Aufgaben enden nicht etwa 2022, sondern erfordern lang- fristig Service-, Pflege- und Entwicklungsleistun- gen. Sie müssen also finanziert werden. Software wie aus den Bereichen Einwohner-, Bau- oder Sozialwesen bilden seit Jahrzehnten das Rückgrat der Binnendigitalisierung. Der wirklich aufwendige Part dieser Prozesse liegt hier zumeist im Einbezug zahlreicher Schnittstel- len sowie dem Austausch mit anderen Behörden und externen Beteiligten. Insbesondere, wenn aus dem künftigen Online-Zugang weitere Funk- tionalitäten hervorgehen sollen, können die Kos- ten für notwendige Anpassungen enorm anstei- gen. Es ist deshalb unbedingt notwendig und kostensparend, die privaten wie öffentlichen Software-Hersteller an den Umsetzungsprojek- ten fachlich zu beteiligen und für ihre Mitarbeit zuweisen ist, um bestehen bleiben zu dürfen – auch zu vergüten. Nur so können viele Kommu- eine Umkehr der Beweislast bei der Abschaffung nen davor bewahrt werden, mittel- und langfris- der Schriftformerfordernis. Anders bei bewähr- tig höhere Kosten aufgrund nachträglich und ten Ausnahmeregelungen zur Vereinfachung von aufwendig anzupassender Fachverfahren tragen Verwaltungsabläufen, die etwa wegen der Pan- zu müssen demie erlassen wurden – beibehalten! Darüber hinaus sollten neue und novellierte Gesetze und Verordnungen darauf zu prüfen sein, welche Den OZG-Rahmen ausschöpfen Auswirkungen ihr Inkrafttreten für die jewei- Während das Augenmerk aktuell vielfach auf das ligen IT-Verfahren nach sich zieht. Grundlage OZG gerichtet ist, sollte sich der Blick nach der dafür ist eine digitaltaugliche Ausformulierung Bundestagswahl stärker nach vorne richten – und von Gesetzen. dabei die Erfahrungen aus den vergangenen Jah- ren einbeziehen. So wäre es sinnvoll, Fördergel- Schließlich müssen wir weiter nach vorne der dort zu gewähren, wo so kooperiert oder auch schauen als nur bis zum „OZG-Ziel“ Ende 2022. konkurriert wird, dass neue Lösungen architek- Denn die Bürgerinnen und Bürger sind durch tonisch in bestehende Strukturen integriert wer- zahlreiche Apps und kommerzielle Portale weit- den können. Auch Zwischenergebnisse müssen reichende digitale Leistungen gewohnt. Service- für andere nutzbar sein. Vorgaben machen vor orientierte Angebote erwarten sie zunehmend allem dann Sinn, wenn sie auf eine gemeinsame auch von der Verwaltung. Damit Staat und Kom- Sprache hinwirken, die möglichst viele verste- munen ihre Dienste proaktiver anbieten kön- hen und die auch von vielen genutzt wird, damit nen, ist ein Data-Driven-Government notwen- sich die verschiedenen Systeme in der deutschen dig – vorhandene Informationen müssen daten- Verwaltungsrealität austauschen können. schutzkonform zusammengeführt und automa- tisiert eingesetzt werden können. Hier spielt die Zudem sind mehr Experimente notwendig. Registermodernisierung eine wichtige Rolle, an Kommunale Praktiker brauchen Erprobungs- der sich auch die kommunalen IT-Dienstleister räume für neue Ideen. Um vor Ort aus dem Vol- beteiligen. Schließlich müssen Prozesse nicht len schöpfen zu können, müssen überkommene nur medienbruchfrei vom Bürger zur Verwal- schriftliche Nachweise, Anwesenheitspflichten tung funktionieren, sondern auch anders herum: und analoge Prozesse auf breiter Linie infrage Nötig ist ein Rückkanal von der Verwaltung zu ▲ Dr. Rolf Beyer ist Vor- gestellt werden. Der Gesetzgeber sollte beschlie- den Bürgerinnen und Bürgern, um es auf digita- standsvorsitzender von ßen, dass die Notwendigkeit für eine Schriftform lem Wege zu ermöglichen, sich gegenseitig effizi- Vitako und Verbandsge- im einzelnen Verwaltungsprozess explizit nach- ent und auf Augenhöhe auszutauschen. schäftsführer der KDO. 03|2021 Vitako aktuell 7
Schwerpunkt Vitako-Round-Table Geteilte Meinungen Digitalpolitik vor und nach der Bundestagswahl Vitako lud am 5. Juli 2021 Mitglieder des Bundes- tagsausschusses „Digitale Agenda“ zum Round- Table-Gespräch über die Erfolge und Versäumnisse der bisherigen Digitalpolitik und was künftig auf der digitalpolitischen Agenda stehen soll. Elvan Korkmaz-Emre (SPD), Petra Sitte (Die Linke), Manuel Höferlin (FDP) und Dieter Janecek (Bündnis 90/ Die Grünen) nahmen an dem Ge- spräch teil, das pandemiebedingt virtuell statt- fand. Tankred Schipanski (CDU) konnte nicht persönlich erscheinen und reichte einige State- ments nach. Nur noch wenige Wochen bis zur Bundestagswahl. Lassen und die Kommunen. Für uns ist es sehr wichtig, diese Gemein- Sie uns mit einem Resümee beginnen. Wie zufrieden sind wohlorientierung zu betonen und deutlich zu machen, wer Sie mit dem Stand der Digitalisierung in der öffentlichen wem gegenüber der Dienstleister ist. Betonen will ich auch, Verwaltung in Deutschland? dass wir die Abhängigkeiten, die sich in vielen Staaten und auch in Deutschland ergeben haben, auf kommunale Ebene Elvan Korkmaz-Emre: Wir haben in dieser Legislatur viele Strate- reduzieren wollen. Wir wollten Offenheit, Transparenz und giedokumente produziert, beispielsweise zu KI, Daten, High- streben insbesondere auch offene technische Lösungen an. tech oder zur Digitalisierungsstrategie. Was aber fehlt, ist der rote Faden, das verbindende Element, und auch leider viel zu Manuel Höferlin: Mir geht das alles viel zu langsam. Beim oft auch ein vorzeigbares Ergebnis. Das liegt zum einen an der Onlinezugangsgesetz (OZG) ist die Idee einer durchgängi- schwachen Stellung der Digitalpolitik und zum anderen an den gen Digitalisierung bis zu den Kommunen sicher richtig. teils sehr unterschiedlichen Präferenzen in den Koalitions- Aber letztlich geht es dabei viel zu sehr um Außenschnittstel- fraktionen. KI, Daten, Datenschutz oder auch Open Data und len und viel zu wenig um eine wirkliche Transformation im die Fragen der digitalen Identität waren große Streitthemen. Inneren der Verwaltung. Ich vergleiche das mit dem Zwiebel- Als Resümee würde ich sagen, die Digitalpolitik dieser Legisla- modell: Es geht um die äußere Schale, aber der Kern bleibt tur hat nicht das erbracht, was wir uns erhofft hatten, aber sie unangetastet. Man sollte nicht nur alte analoge Prozesse in hat sich in der Diskussionstiefe weiterentwickelt, wozu auch alte digitale Prozesse verwandeln, sondern muss die Prozesse Corona beigetragen hat. Insofern bin ich optimistisch. selbst transformieren. Das ist im Bund überhaupt nicht gelun- gen. Was wir jetzt brauchen, ist eine andere Projektorganisa- Petra Sitte: Dem kann ich mich durchaus anschließen. Wichtig tion, wir brauchen ein Digitalministerium. Erkenntnis ist bei ist aber eine grundsätzlich andere Aufstellung der Digitalpoli- allen vorhanden, aber es mangelt an Umsetzungsdruck und tik – weniger als Wirtschaftspolitik betrieben, sondern viel- -tempo. Natürlich gibt es auch schon einige gute Lösungen in mehr auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Für wen ist die Digi- den Verwaltungen vor Ort, aber leider nicht flächendeckend. talpolitik denn da? Doch wohl für die Bürgerinnen und Bürger Das zu behaupten, wäre eine Wahrheitsverdrehung. 8 Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl Genau dieser strategische Blick fehlt. Was die Organisationsstruktur angeht, bin ich offen. Entscheidend wird sein, dass führende Kräfte in der künftigen Regierung durchsetzungsstark genug sind, um sich Ziele zu setzen, die übri- gens innerhalb von vier Jahren und nicht erst nach acht oder zehn Jahren nachprüfbar umgesetzt sein müssen. Was wollen Sie in der kommenden Legislatur konkret verändern? Wo l iegen Ihre Schwerpunkte? Janecek: Der Ausbau der digitalen Infr- astruktur insbesondere in ländlichen Räumen hat für mich oberste Priorität. Es muss einfach schneller gehen. An zweiter Stelle stehen Wettbewerbsfra- gen: Die Coronakrise hat das Ungleich- gewicht zwischen stationärem und Online-Handel noch verstärkt. Inter- netgiganten gewannen an Marktmacht, während kleinere Mitbewerber und der Einzelhandel erhebliche Umsatz- einbußen und Geschäftsschließungen verzeichneten. Das kann so nicht wei- ▲ In der heißen Wahlkampfphase: Die Digitalpolitikerinnen und -politiker nahmen tergehen. Bei allem Respekt für die gro- aus ihrem Homeoffice im jeweiligen Wahlbezirk am Vitako-Round-Table teil. ßen amerikanischen Player, aber wir müssen faire Wettbewerbsbedingungen wiederherstellen und dafür sorgen, dass Dieter Janecek: Auch bei der digitalen agil zu denken. Digitale Verwaltung der stationäre Handel schneller einen Verwaltung gibt es Vorreiter in den heißt dann nicht mehr Umlaufmappe Zugang zu digitalen Vertriebswegen fin- Kommunen, die durchaus kraftvoll vor- und Faxgerät sondern digitale Signatur det und langfristig auf einem zweiten angehen. Das OZG regelt aber quasi und arbeiten in der Cloud. digitalen Standbein stehen kann. Auch nichts, sondern gibt nur Ziel und Zeit- Außerdem spielen für mich auch Fragen das Thema Besteuerung spielt hierbei rahmen vor. Die internen Prozesse in des Wettbewerbs eine Rolle: Wer macht eine wichtige Rolle, da muss das Stand- den Verwaltungen selbst werden damit eigentlich das Geschäft? Egal ob beim ortprinzip gelten. Es kann nicht sein, nicht angegangen. Einmal abgesehen Ticketing oder bei Mobilitätsdienst- dass wir das ganze Kapital aus dem davon, dass innerhalb von vier Jahren leistungen, die Rendite sollte auch den deutschen Markt rausziehen und es tatsächlich nur 45 Verwaltungsleistun- Kommunen zugutekommen und nicht irgendwo hingelangt, wo gar keine Leis- gen wirklich vollständig digital verfüg- nur nach draußen gehen. Die entspre- tung erbracht wird. Weitere wichtige bar sind. Im besten Fall werden digital chende Gestaltung der Projekte, sei es Strategiethemen für die Digitalisierung eingereichte Anträge im Rathaus weiter- im Bereich Carsharing, Navigationssys- sind die Verkehrswende, Energiewende, hin ausgedruckt und in die bestehenden teme oder auch Energiemanagement, Agrarwende. analogen Prozesse überführt. Die Digi- sollten demokratisiert stattfinden. talisierung der Verwaltung Höferlin: Das vielleicht größte ist daher nur ein Aspekt. anstehende Projekt ist eine Was wir brauchen, ist ein Es fehlt der rote Faden, das Cloud-Struktur für Europa. Kulturwandel. Wir müssen GAIA-X könnte dafür die Blau- dafür sorgen, dass in Ver- verbindende Element und lei pause sein, ein Cloud-Ökosys- waltungen eine Befähigung tem, in dem alle Akteure Platz stattfindet, um bisherige der viel zu oft auch ein vor finden, vom Bürger bis zum analoge und hierarchische großen Konzern, vom Gesund- Prozesse neu digital und zeigbares Ergebnis. Elvan Korkmaz-Emre heitssektor über die Verwal- 03|2021 Vitako aktuell 9
Schwerpunkt Korkmaz-Emre: Die Digitalisierung sollte genauso angegangen werden, wie wir das in den Bereichen Soziales, Verkehr oder Mobilität schon immer machen. Schließlich wächst ja auch die Anspruchshaltung der Bürgerin- nen und Bürger. Mir ist wichtig, dass wir alle Zukunftsfragen im digita- len Kontext beantworten – Mobilität, Klima, Gesundheit, aber auch Inklu- sion. Niemand soll durch die Digitali- sierung abgehängt werden, jede Gene- ration muss mitgenommen werden. Ich möchte zwei weitere Punkte anspre- chen. Zum einen die Datendemokra- tie. Daten werden immer wichtiger, wir müssen etwa im Bereich Smart City mit Daten arbeiten und dort eine Art Datendemokratie entwickeln. Deutsch- ▲ Vitako-Geschäftsführer Dr. Ralf Resch moderierte das engagierte land und Europa müssen eine richtige Gespräch über die Perspektiven der deutschen Digitalpolitik. Antwort auf die Frage finden, wie wir mit den Daten gemeinwohlorientiert umgehen können. Wie schaffen wir es, tung bis zum Bildungssystem. Leider Bürger zu Hause am Computer, son- dass wir öffentliche Daten nicht nur an spricht das Wirtschaftsministerium dern auch für die Beschäftigten in den alle freigeben, sondern von privaten bei GAIA-X nur von einer Datenaus- Verwaltungen, die diese anbieten. Bei Unternehmen, die sie im öffentlichen tauschplattform. Das halte ich für viel der Bereitstellung von Daten muss der Raum erzeugen, zurückerhalten? Ganz zu unambitioniert. GAIA-X sollte ein Grundsatz gelten: Was mit öffentlichem besonders wichtig erscheint mir hier- Anwendungsnetz auf dem bei das Thema Digitale Souve- Internet sein, sozusagen ränität. Auch hierfür brauchen ein Layer darüber, wo Bür- Wir brauchen jetzt eine wir europäische Lösungen, ger sich sicher mit einer eID und GAIA-X ist ein gutes Bei- identifizieren und Dienst- andere Projektorganisation, spiel dafür. Auch die KI-Strate- leistungen abrufen können, gie muss noch ambitionierter und wo für die öffentliche wir brauchen ein Digital werden. Wir können als Europa Hand Verwaltungssoftware nicht erst in drei oder fünf Jah- zu Verfügung steht – bereit- ministerium. Manuel Höferlin ren eine Strategie vorlegen. Das gestellt von sowohl öffentli- muss deutlich schneller passie- chen Dienstleistern als auch privaten Geld an Daten erzeugt wird, muss als ren. Europa muss in diesen Fragen zum Unternehmen. Für mich wäre das dann öffentliches Gut auch öffentlich zugäng- Vorreiter werden. eine Alternative zur Datennutzung lich sein. Dies bedeutet auch, dass das nach US-amerikanischen oder asiati- Informationsfreiheitsgesetz zu einem Das Stichwort Digitale Souveränität ist schen Vorstellungen. Wir haben eine Transparenzgesetz weiterentwickelt schon mehrfach gefallen. Was halten andere Kultur, was die Persönlichkeits- werden muss, weil wir gerade in Kom- Sie vom derzeit diskutierten hybriden rechte angeht, und dies könnte man in munen viele Prozesse und Entscheidun- Multi-Cloud-Ansatz? einer europäischen Cloud auch als Code gen haben, bei denen es um das Leben niederschreiben. und den Alltag der Bürger geht. Hier Korkmaz-Emre: Ich halte die Hybridstra- muss die Möglichkeit einer frühzeitigen tegie für richtig, weil man sich nicht von Sitte: Uns als Linke ist gerade mit Blick Einbindung gegeben sein, die Möglich- einem Tag auf den anderen von Micro- auf Corona wichtig, dass Digitalisie- keit zur Selbstbestimmung. Wichtig ist soft trennen kann. Gleichzeitig müssen rung selbstbestimmtes Arbeiten, selbst- hierbei, dass alles, was auf staatlicher wir weiter an alternativen Lösungen bestimmtes Leben und neue Formen Ebene genutzt wird, mit Programmcode arbeiten und hierbei mit Kleinanbie- von Demokratie ermöglichen soll. Das aus Open Source oder als freie Lizenz tern, aber auch mit Playern wie Micro- gilt nicht nur für die Bürgerinnen und angeboten wird. soft zusammenarbeiten. Wir werden in 10 Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl Elvan Korkmaz-Emre ist seit 2017 für die SPD im Deutschen Bundestag. Die Diplom- verwaltungswirtin wurde am 27. Juli 1985 in Gütersloh geboren und war nach ihrem Hochschulabschluss zunächst für die ARGE (heute: Jobcenter) und anschließend sieben Jahre als Projektmanagerin in der Stadtent- wicklung tätig. Als stellvertretende Spreche- rin der SPD-Arbeitsgruppe „Digitale Agenda“ und Berichterstatterin für Smart Cities enga- giert sich Korkmaz-Emre für Konzepte für die Kommunen von Morgen und wie Souveräni- tät über Daten und Technologien zurücker- langt werden kann. den nächsten zehn Jahren nicht von Microsoft loskommen. Höferlin: Wichtig ist der Wettbewerb, sonst bleibt am Ende nur Aber das heißt ja nicht, dass man nicht währenddessen Alter- noch ein Monopolist übrig, der das Geschäft bestimmt. Das nativen entwickelt, um sich auch lösen zu können. ist ja der Trend im Internet. Deswegen muss sich die Politik durch Rahmensetzung auf genau diese Steuerung konzentrie- Sitte: Jahrelang wurde in München Linux eingesetzt. Wobei ren. Es wäre der falsche Weg, wenn die öffentliche Hand eine die Vorstellung, dass Open-Source-Software nicht genauso gesamteuropäische Cloud-Lösung selbst bauen wollte oder wartungsintensiv ist, natürlich falsch ist. Aber in puncto Sou- auch nur eine nationale Lösung. Bund, Länder und Kom- veränität ist man dann in einer anderen Position. Wenn wir munen können keinen Hyperscaler bauen! Deutschland und Europa können aber die Regeln festlegen, wie verschiedenste Unternehmen an einem europäischen Cloud-System teilha- Mit Open-Source-Software ben können. Das können dann auch Microsoft, Amazon und andere große Cloud-Anbieter sein, solange sie sich den Regeln ist man in puncto Digitaler öffnen. Zu solchen Regeln gehören Interoperabilität, offene Schnittstellen und die Verhinderung von Lock-in-Effekten. Souveränität in einer Zusätzlich wird es auch Platz für regionale IT-Dienstleister, die Landesrechenzentren und für kleinere private Rechen- anderen Position. Petra Sitte zentren geben, die dort besondere Anforderungen erfüllen können. Nicht alle Rechenzentren genügen den Sicherheits- uns nun weiter nur an Microsoft binden, werden wir erstens bedürfnissen für den öffentlichen Bereich, insofern können die Abhängigkeiten vergrößern und zweitens aus der Pers- besonders zertifizierte Rechenzentren in bestimmten Teilbe- pektive von Microsoft lediglich zu einem Bestandteil ihres reichen der Cloud eingesetzt werden und dort dann vielleicht Geschäftsmodells werden. Wir wollen aber die Souveräni- auch einen anderen Preis aufrufen. Wir dürfen uns hier nicht tät der Menschen und der öffentlichen Hand wahren. Wer auseinanderdividieren lassen und müssen uns in der Rah- die Debatten um die Beteiligung von Huawei an öffentlichen mensetzung vom US-amerikanischen und asiatischen Markt Infrastrukturen verfolgt hat, muss sich fragen, warum dies unterscheiden. nicht bei US-amerikanischen Konzernen genauso veranstaltet wird. Es geht dabei nicht so sehr um Geheimdienste, sondern Janecek: Digitale Souveränität ist vielschichtig. Zum einen um die Monopole am Markt. Für uns resultiert daraus eine müssen wir auf der Hardware-Ebene in Europa in Mikroelek- technologische Offenheit auch bei der öffentlichen Hand, tronik investieren, um kritische Abhängigkeiten zu verrin- wir wollen Wahlmöglichkeiten anbieten und eine Integra- gern. Sonst kommen wir mit dem Bedarf an Halbleitern nicht tion in eine europäische Gesamtlösung. Am Ende geht es um hinterher und haben Probleme in der Wertschöpfungskette. Vertrauen, um DSGVO, personenbezogene Daten und Bewe- Die gute Nachricht ist: Der künftige Markt ist noch nicht auf- gungsprofile. Die Bürger müssen den Digitallösungen einer geteilt, denn durch die Digitalisierung kommt es zu immer Kommune vertrauen, wenn sie sich ihnen anvertrauen. größerem Bedarf. Zum anderen besteht auf der Projektebene 03|2021 Vitako aktuell 11
Schwerpunkt Führungsebene notwendig. Ob das bis Ende 2022 gelingt, ist nicht sicher. Bisher stand offensichtlich eher die Ankündi- gung im Vordergrund und nicht die Umsetzung. Mehr Bench- marking und der Blick auf schon vorhandene L ösungen wären wichtige Schritte. Höferlin: Für die versprochenen 575 Leistungen ist die Frist Ende 2022 ja schon eine Verlängerung der Ursprungsfrist, also eine Verschiebung in die nächste Legislatur – ein blöder Trick. Das ist auf keinen Fall mehr zu halten und lässt sich sicher nicht der nächsten Regierung ankreiden. Woran liegt das? Erstens, es gibt nur eine bedingte Lust zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die Digitalisierung voranzutreiben. Solche föderalen Projekte funktionieren am Ende immer nur durch Geld. Kommunen sagen: Wenn ihr uns neue Aufgaben übertragt, müsst ihr uns auch Geld dafür geben. Dabei ist die Digitalisierung von analogen Verwaltungsprozessen eigent- lich keine neue Aufgabe und mittelfristig ja auch kosteneffi- zienter. Zudem fehlt ein klares Leit- oder Zielbild. Kommunen sehen in der Digitalisierung nicht viele Vorteile für sich und Dr. Petra Sitte ist seit 2005 im Deutschen Bundestag als Abgeordnete der Partei Die Linke. Sie wurde am 1. Dezember 1960 in Dresden gebo- digitalisieren nur dort, wo sie es müssen. Zum Zielbild gehört ren, hat Volkswirtschaft in Halle (Saale) studiert und 1987 promoviert. aber, den Nutzen, der etwa durch das Once-Only-Prinzip ent- Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende ihrer Partei leitet sie auch den steht, aufzuzeigen. Der Anreiz für einzelne Verwaltungsmit- Arbeitskreis „Kultur, Wissen und Lebensweise“, daneben ist sie Mitglied arbeiter entsteht erst dann, wenn sie sehen, dass ein digitaler im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen Prozess ihnen mehr Zeit lässt, sich um die Bürger und Bürge- abschätzung und im Ausschuss „Digitale Agenda“. Ebenso war Sitte Mitglied der Enquetekommissionen „Internet und digitale Gesellschaft“ rinnen oder ein Unternehmen zu kümmern. Dafür sind sie ja sowie „Künstliche Intelligenz“. in den öffentlichen Dienst gegangen: um die Gesellschaft am Laufen zu halten. Diese Aspekte werden viel zu wenig an die Beschäftigten in Kommunen herangetragen. vor allem für Kommunen die Herausforderung, in Personal zu investieren. Es ist ja nicht einfach, Fachkräfte am Markt Sitte: Beim OZG wäre ein Perspektivenwechsel wichtig gewe- zu bekommen, die bei der Modernisierung der Verwaltung sen. Man hätte schauen sollen, was im Alltag einer Behörde helfen. Also müssen dringend Weiterbildung und Qualifizie- in Kommunen tatsächlich geschieht und was die Bürger dort rung vorangestellt werden. Zu guter Letzt stellt sich bei der erwarten: nämlich Beratung, schnelle Bearbeitung und ein Kritischen Infrastruktur die möglichst geringer Bearbei- Frage, mit wem dort zusam- tungsprozess. Das hätte man mengearbeitet werden soll. Wer macht eigentlich das alles schrittweise aufbauen Wenn ein chinesischer und daraus dann Kompeten- Anbieter wie Huawei nicht Geschäft? Die Rendite sollte zen für die Verwaltung ablei- staatlich unabhängig arbei- ten können. Nun müssen tet, muss er ausgeschlossen auch den Kommunen zugute wir vor allem Geld und ent- werden können. Es gibt viel sprechende Ressourcen für Potenzial, aber es bedarf kommen und nicht nur nach eine Qualifizierung des Per- großer Investitionen und sonals bereitstellen, und eines k laren Mindsets, dann draußen gehen. Dieter Janecek zwar sowohl in den Kom- können wir Europa souverä- munen, die die Dienstleis- ner gestalten. tung zur Verfügung stellen, als auch in den Einrichtungen, die helfen, diese Dienstleistungen zu realisieren. Man sollte Zu den dringendsten digitalen Anliegen für Bund, Länder Verwaltungsmitarbeitern allerdings nicht nur eine Qualifizie- und Kommunen gehört das Onlinezugangsgesetz, dessen rung anbieten, sondern eine Perspektive bieten: Was soll mit Frist Ende nächsten Jahres ausläuft. Was muss jetzt passie- den Mitarbeitern in den nächsten Jahren in der Verwaltung ren, damit die Umsetzung noch gelingt? passieren und wie wird sich ihr Beruf verändern? Janecek: Damit die Umsetzung noch jenseits aller Dashboards Korkmaz-Emre: Für mich lautet beim OZG die gute Nachricht, gelingt, ist eine noch intensivere Zusammenarbeit auf der dass wir vorankommen, allerdings wohl nicht bis Ende 2022 12 Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl fertig werden. Aber selbst, wenn wir wird sich daran nichts grundsätzlich Anbieter und Startups geben, die ihre eine Zwischenetappe schaffen, heißt ändern. Dann sollten die Kommunen Kompetenz auf diesem Markt umsetzen. das längst nicht, dass die Verwaltungs- denen aber den Stuhl vor die Tür stel- digitalisierung damit beendet ist. Das len. Man ist ja auf Kommunen durchaus Janecek: Ich würde den IT-Planungsrat wird ein ständiger Prozess sein, der uns angewiesen. nicht abschaffen wollen. Wie soll denn weiter begleitet. Ich halte übrigens das eine neue Struktur aussehen? Zudem Einer-für-Alle-Prinzip (EfA) für einen Höferlin: Ich halte das Einer-für-Alle-Prin- ist der Föderalismus mit seinen drei Durchbruch. Es wäre falsch, wenn alle zip für keine gute Lösung. Jeweils nur Ebenen vorgegeben. Dass in dem Gre- 11.000 Kommunen eigene Lösungen eine Lösung zu haben, ist der falsche mium die Kommunen keine entspre- entwickeln, und es ist besser, wenn das Ansatz. Ich hätte lieber die beste Lösung chende Stimme haben, obwohl sie die einer für alle macht. Was ich vom IT-Pla- oder besser noch: die besten Lösungen. meisten Verwaltungsleistungen liefern nungsrat und von vielen Kommunen in Die Politik muss eine Schnittstellendefi- müssen, ist natürlich nachteilig. Viel- dieser Hinsicht höre, ist erst mal durch- nition betreiben, das ist auch die Kern- leicht haben die Kommunen ihre Posi- aus positiv. Ich bin auch überzeugt, dass aufgabe des IT-Planungsrates. Dort tion aber auch nicht immer laut genug das EfA-Prinzip zukünftig Kosten sparen wird und dass es durch die ebenenüber- greifende Einheitlichkeit zu einer Nut- GAIA-X könnte die Blaupause für zerfreundlichkeit kommt. ein Cloud-Ökosystem sein, in dem Nun noch eine Frage nach dem Zu- sammenspiel von Bund, Ländern und alle Akteure Platz finden. Manuel Höferlin Kommunen. Sollte sich hier etwas ver- ändern und könnte man auf der ope- muss festgelegt werden, an welchen artikuliert. Was muss man nun tun? rativen Ebene besser ebenenübergrei- Stellen die IT-Systeme der Bundesländer Natürlich brauchen wir Schnittstellen fend zusammenarbeiten? und auch die Fachanwendungen mitein- und Standards. Gemeinsame Standards ander kommunizieren können. Ebenso schaffen Vorteile für alle. Ich bin für Korkmaz-Emre: Ich bin überzeugt davon, gehört die Definition eines Kerndaten- Wettbewerb, aber wenn eine Kommune dass es bis Ende 2022 keine neue Struk- satzes zu den Aufgaben des IT-Planungs- eine tolle Lösung gefunden hat, sollten tur geben wird. Wenn dann allerdings rates. Wenn man dann ein Ökosystem die anderen sich daran schon orientie- feststeht, dass es nicht funktioniert, wie die GAIA-X-Cloud hat, in der jeder ren. Wir leiden ja auf der anderen Seite muss man sich wirklich der bisherigen seine App oder Fachanwendung anbie- auch darunter, dass einige Bundeslän- Struktur zuwenden und sie anders orga- ten kann, führt das nicht automatisch der ihre Super-E-Government-Pakete nisieren. Ich befürworte immer Kom- zu Hunderten von Einzellösungen. Es schon vor Jahren geschnürt haben und petenz auch bei Ländern und in Kom- wird mittelständische Unternehmen, nun sagen, dass sie es besser als der munen. Doch wenn es am Ende nicht kommunale Dienstleister, öffentliche Bund und die anderen Länder können. funktioniert und sich herausstellt, dass wir schneller wären, wenn der Bund es in die Hand nimmt, dann würde ich mich davor nicht verschließen. Bis Ende 2022 sehe ich allerdings keinen Änderungsbedarf. Sitte: Dass die Ebene der konkreten Manuel Höferlin trat 2005 der FDP bei und ist seit 2017 als Direktkandidat der FDP Umsetzung, die kommunale Ebene, in im Wahlkreis Worms im Deutschen Bun- Gremien wie dem IT-Planungsrat nicht destag. Geboren am 6. Februar 1973 in gleichberechtig eingebunden ist, kann Paris, studierte Höferlin Rechtswissen- ich nicht nachvollziehen. Zuerst dachte schaften in Mainz. Er ist seit 2008 Vorsit- ich, es macht vielleicht Sinn, wenn der zender des FDP-Ortsverbandes Harxheim, Mitglied im Liberalen Mittelstand Rhein- Bund einige Entscheidungen an sich land-Pfalz und in der Vereinigung Liberaler zieht, zumal er ja auch das meiste Geld Kommunalpolitiker Rheinland-Pfalz. Außer- zur Verfügung stellt. Aber das hat nicht dem ist Höferlin Vorsitzender des Ausschus- geholfen. Solange es jedoch keine neue ses „Digitale Agenda“ und digitalpolitischer Bundesregierung gibt und womöglich Sprecher der Fraktion der Freien Demokra- ten. Seit 2009 ist er Geschäftsführer einer IT- die gleichen Entscheider auch in der Firma und Unternehmensberater. nächsten Legislatur weiter mitspielen, 03|2021 Vitako aktuell 13
Schwerpunkt Zum Beispiel bedeutet der „bayerische Papier, Stempel und Unterschrift sind Weg“ faktisch, dass man sein eigenes nicht mehr die Zukunft und abgelöst Ding macht und sich eben nicht ordent- worden von digitalen Zertifikaten und lich am Prozess beteiligt. Man will von rechtssicherer Software. seinen eigenen Systemen nicht runter, und am Ende kommen wir mit den Sitte: Auch wenn wir digitaltaugliche Schnittstellen nicht zusammen. Das Gesetze im Bundestag verabschieden wäre problematisch. und sie für alle gleich gelten, lösen sie Deutschland und Europa müssen eine Antwort auf die Frage finden, wie wir mit Daten gemeinwohlorientiert umgehen können. Elvan Korkmaz-Emre Letzte Frage: Verwaltungskultur und noch längst nicht bei allen das Gleiche digitale Rechtsetzung kommen oft aus. Wir diskutieren beispielsweise in nicht überein. Wie kommen wir zu ei- der Fraktion, dass es Bereiche in der ner Digital-ready-Legislation? Was öffentlichen Verwaltung gibt, in denen muss konkret unternommen werden, der Königsteiner Schlüssel nicht mehr damit Gesetze digitaltauglich und hinreichend ist, um angemessene und -lesbar ausgestaltet werden? gerechte Lösungen anzubieten. Kom- munen im Ruhrgebiet unter Zwangs- Janecek: Digitale Gesetze sind die Vor- verwaltung empfinden unsere Digital- aussetzung für Zukunftsfähigkeit. Wir diskussion bisweilen als Luxusdebatte. können nicht mit der Zettelwirtschaft Das sollten wir sicher auch in Rech- in die Zukunft gehen. nung stellen. Höferlin: Viele Verwaltungsmitarbeiter Korkmaz-Emre: Die Zukunft ist digital fragen sich, was sie mit dem Original und wir müssen uns sicher vom Papier eines Dokuments machen, nachdem und der Schriftform lösen. Als ich mit sie es rechtssicher eingescannt haben, meinem Bundestagsbüro in eine andere und wollen es nicht vernichten. Das ist Liegenschaft umgezogen bin, hatte eines der Hauptprobleme: Die digitale jeder Mitarbeiter nur einen Umzugs- Transformation führt dazu, dass sich karton und das Unternehmen fragte die Arbeitsweise von Menschen ändert. uns erstaunt, wo sind denn ihre Akten? Dieter Janecek wurde 2013 in den Deut- schen Bundestag gewählt und vertritt seit- dem den Wahlkreis München-West/Mitte. Zuvor war er seit 2008 Landesvorsitzen- der der bayerischen Grünen. Er ist Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Geboren am 25. Mai 1976 in Pirma- sens, gehört der diplomierte Politikwissen- schaftler als Vollmitglied dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie dem Ausschuss „Digitale Agenda“ als Obmann an. Zudem war Janecek in der aktuellen Wahlperiode Mitglied der Enquetekommission „Künstliche Intelligenz“ des Deutschen Bundestages. 14 Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl „Die Union ist der Treiber der digitalen Verwaltung“ Statements zur Digitalpolitik von Tankred Schipanski (CDU) Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand Praxiserfahrung und Erfahrung im digi- sation auch neuer Strukturen und Ver- der Digitalisierung in der öffentlichen talen Projektmanagement die Arbeit der einbarungen, etwa neue Kooperations- Verwaltung in Deutschland und was öffentlichen Verwaltung bereichern. formen zwischen Bund, Ländern und hat Ihre Partei dazu beigetragen? Um Quereinsteigern den Einstieg zu Kommunen. Dies betrifft neben der erleichtern wollen wir die Einstellungs- Digitalisierung der Verwaltung auch Die Digitalisierung der öffentlichen Ver- voraussetzungen flexibilisieren, die eine Entflechtung der Zuständigkei- waltung entwickelt sich zurzeit dank des Notwendigkeit formaler Abschlüsse ten mit klareren Verantwortlichkeiten Onlinezugangsgesetzes (OZG) in schnel- reduzieren und durch IT-Zulagen die zwischen Bund und Ländern. Die Pan- lem Tempo. Wir wollen bis 2022 alle 575 Vergütung erhöhen. demie hat hier Optimierungspotenzial Verwaltungsdienstleistungen digita- offengelegt. Nun müssen wir die ent- lisiert haben. Das ist auch ein großer Kann die Umsetzung des OZG bis 2022 sprechenden Lehren ziehen. Erfolg für die föderale Zusammenarbeit. noch gelingen? Wie soll der Betrieb Die Union ist der Treiber in der Umset- der Lösungen organisiert sein und fi- zung bei der digitalen Verwaltung. nanziert werden? Tankred Schipanski ist seit 2009 als Abgeord- neter der CDU im Deutschen Bundestag und Was wollen Sie in der kommenden Die Umsetzung geht mit großen Schrit- seit April 2018 Sprecher der Arbeitsgruppe Legislatur konkret verbessern? ten voran. Ich bin zuversichtlich, dass „Digitale Agenda“ der CDU/CSU-Bundestags- wir bis Ende 2022 sehr weit sind. Auch fraktion. Er ist am 30. Dezember 1976 ge- Wir wollen ein Modernisierungsjahr- wenn möglicherweise bei einzelnen boren, in Ilmenau aufgewachsen und hat Rechtswissenschaft in Bayreuth und Wien so- zehnt auch für die öffentliche Hand. Wir Vorhaben noch nicht der finale Rei- wie an der Hochschule für Verwaltungswis- wollen die FITKO ausbauen und für die fegrad erreicht werden könnte, hat senschaften in Speyer studiert. notwendigen Anwendungen einen App- das OZG oftmals gezeigt, wie digital- Store für die Verwaltung mit digitalen politische Zusammenarbeit im deut- Lösungen schaffen. Außerdem wollen schen Föderalismus gelingen kann. Wir wir die Verpflichtung für Open Data in müssen hier unsere Lehren ziehen und der Regierung ausweiten. Offene Stan- nach der Digitalisierung der Verwal- dards und Schnittstellen wollen wir als tungsdienstleistungen die Digitalisie- Vergabekriterium bei öffentlichen Aus- rung der internen Abläufe innerhalb schreibungen mitberücksichtigen. Es der Verwaltung in Deutschland noch sollen auch intern alle Verwaltungsvor- stärker in den Blick nehmen. Ich bin gänge digitalisiert werden. zuversichtlich, dass wir hier noch viel Potenzial haben, Prozesse effizienter Welche konkreten Instrumente zu gestalten. schlagen Sie zur Verwirklichung von mehr Digitaler Souveränität in der Wie sollte das Zusammenspiel von öffentlichen Verwaltung vor? Bund, Ländern und Kommunen künf- tig organisiert sein? Digitale Souveränität bedeutet für die öffentliche Hand mehr Digitalkompe- Der IT-Planungsrat und die FITKO tenz. Das erreichen wir mit der Förde- haben eine gute Einheit gebildet. Es rung von mehr Quereinsteigern, die mit bedarf neben der Stärkung der Organi- 03|2021 Vitako aktuell 15
Schwerpunkt Gut vorbereitet Im Superwahlmonat September finden neben der Bundestagswahl auch zwei Landtags- und weitere Kommunalwahlen statt. Die Wahlsoftware votemanager wird dabei zur Organisation, Vor- und Nachbereitung und Durchführung der Wahl bis hin zur Präsentation der Wahlergebnisse eingesetzt. Bevor die Parteien ihre Kanzlerkandidatinnen oder -kandi- tern der Städte und Gemeinden. So kann direkt die rechtli- daten küren, die Parteizentralen erste Ideen für ihre Kampa- che Eignung der potenziellen Wahlhelferinnen und -helfer gnen entwickeln und die 5.000 Bewerberinnen und Bewer- geprüft und abgeglichen werden. Eine weitere Schnittstelle ber für ein Bundestagsmandat sich in den 299 Wahlkreisen zum Wahlunterstützungssystem ermöglicht die Datenüber- auf Werbetour begeben, läuft die Wahlvorbereitung bereits nahme und -übergabe vom und zum Bundeswahlleiter. auf Hochtouren. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Zeit- plans hat die vote iT mit den Vorbereitungen für die Bundes- Fehler sind hier, wie an vielen anderen Stellen des Vorberei- tagswahl im September begonnen. Am 26. September finden tungsprozesses, kein Kavaliersdelikt. Sie können die Anfech- zeitgleich in Mecklenburg-Vorpommern die Landtagswah- tung des Wahlergebnisses und – im schlimmsten Fall – eine len statt und in Berlin die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Zwei Wahlwiederholung zur Folge haben. Das gilt auch für die Aus- Wochen vorher wählen die Niedersachsen ihre Gemeinde- stellung und den Versand der Wahlbenachrichtigung. Wenn und Stadträte, die Kreistage, Stadtober- am 26. September 2021 rund 60,4 Mil- häupter sowie Landräte neu. Überall im lionen Bürgerinnen und Bürger aufge- „Wir verstehen uns als integraler Einsatz: die Wahlsoftware votemanager. rufen sind, den Bundestag zu wählen, Bestandteil des demokratischen Sys- haben sie Wochen vorher einen Brief tems. Mit unseren Produkten und Die Anforderungen, die der Gesetzge- oder eine Postkarte im Briefkasten vor- Leistungen unterstützen wir die ber an Rechtskonformität, Effizienz und gefunden, der sie den Wahlbezirk, den Abläufe von Wahlen in Kommunen Sicherheit von Wahlsoftware-Anwen- Wahlraum inklusive Adresse und dem und Bundesländern.“ dungen für öffentliche Verwaltungen, Hinweis barrierefrei oder nicht barrie- Wahlbehörden, Parteien und Wähler Andreas Poppenborg refrei entnehmen konnten. Die Daten- stellt, sind sehr hoch. Das schlägt sich basis liefert hier das jeweilige Einwoh- aktuell in einem 83-seitigen „Anforderungskatalog zur Infor- nermeldeverfahren, wo die Wahlgebiete, -lokale und weitere mationssicherheit bei der Ermittlung des vorläufigen Wahler- Einzelheiten zur Wahl gepflegt werden. gebnisses bundesweiter parlamentarischer Wahlen“ nieder – Updates nicht ausgeschlossen. Die Partner pflegen die Daten Diese Aufgabe teilen sich die Kommunen oft mit ihren Auf die inneren Werte kommt es an IT-Dienstleistern wie etwa der regio iT. Der kommunale Zu den Wahlvorbereitungen gehörte ein Penetrationstest, IT-Dienstleister mit Sitz in Aachen, Gütersloh und Siegburg dem der votemanager unterzogen wurde. Formulare wurden übernimmt die Datenpflege für rund 85 Kommunen mit etwa erneuert und für den Wahlabend der Präsentation ein klei- zwei Millionen Einwohnern in Nordrhein-Westfalen. Koordi- nes Facelift verpasst. Entscheidend sind aber die „inneren nation und Dokumentation sind hierbei wichtig, um recht- Werte“ der Wahlsoftware. Bereits bei der Suche und Einberu- lich auf der sicheren Seite zu sein. Derzeit entwickelt regio fung von Wahlhelferinnen und -helfern zeigen sich die techni- iT zusammen mit der Cogniport GmbH – ehemalige regio iT schen Vorzüge, zu denen die diversen Schnittstellen der Wahl- Akademie – eine Software, die durch Schulungen die Hand- lösung gehören. In diesem Fall zu den Einwohnermeldeäm- habung des votemanagers sowie die rechtssichere Verarbei- 16 Vitako aktuell 03|2021
Digitalpolitik nach der Wahl tung der Daten online vermitteln soll. Werden Die Schnellmeldungen werden am Wahlabend jetzt noch Informationen per E-Mail und Papier abgesichert durch eine Plausibilitätsprüfung. ausgetauscht, soll dies zukünftig in einer Anwen- Präsentiert werden die Ergebnisse – sofern es dung online und medienbruchfrei erfolgen. die Pandemie in diesem Jahr zulässt – in der Aktuell wird ein entsprechendes Portal zur weite- Wahllobby: Wahlbeteiligung, Gewinne und Ver- ren Digitalisierung der Kommunikation mit den luste, Parteientwicklung über mehrere Wah- Wahlhelfenden entwickelt. Grundlage ist hier die len hinweg, Hochrechnungen, Sitzverteilung in jahrzehntelange Erfahrung der Mitarbeitenden den Parlamenten und einiges mehr. Wenn am der regio iT bei den Wahlvorbereitungen. Wahlabend gegen 19.30 Uhr die Zugriffe auf den Server langsam weniger werden, beginnt (fast) schon die Nachbereitung. Dank des votemana- Mehr Brief- als Urnenwähler gers erfolgt vieles automatisiert, wie der Export Schon bei der Kommunalwahl in Nordrhein- der gewählten Kandidatinnen und Kandidaten Westfalen 2020 – der ersten unter Coronabedin- in das Ratsinformationssystem oder die Nieder- ▲ Andreas Poppenborg gungen – gab es ein deutliches Plus bei den Brief- schrift des Wahlausschusses. Denn: Nach der ist Geschäftsführer der wählern. Mittlerweile sind mehr Brief- als Urnen- Wahl ist schließlich vor der Wahl. vote iT GmbH. wähler zu verzeichnen – mit Auswirkungen auf die Auszählung. Wahlbezirke, in denen weniger Technik als 50 Personen ihre Stimme persönlich abge- Der votemanager wurde als Web-Applikation in Java geben haben, werden nicht vor Ort ausgezählt, entwickelt. Die kostenfreie Open-Source-Lösung Apa- che Tomcat wird als Applikationsserver eingesetzt. sondern im Nachbarbezirk, damit das Wahlge- Dies ermöglicht eine Hardware- und Betriebssystem- heimnis gewahrt bleibt. Ein entsprechender Ver- unabhängigkeit auf Server- sowie Client-Seite. Auf merk im votemanager verhindert eine doppelte dem Client werden ein aktueller Web-Browser, der Ja- Zählung. Die Auszählung erfolgt im Nachbarbe- va-Script unterstützt, und ein Programm zur Anzeige zirk zwar für beide, die Ergebnisse werden aller- und zum Druck von PDF-Dateien eingesetzt. Als Daten- bank kommen MySQL, MariaDB, Oracle oder MS-SQL- dings getrennt erfasst, sodass auch wirklich jeder Server zum Einsatz. Bezirk einen Wahlsieger küren kann. 03|2021 Vitako aktuell 17
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