Wege in die Energiezukunft - Biogas - BFE Publikationen
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Magazin des Bundesamts für Energie BFE Nummer 2 | März 2017 Wege in die Energiezukunft Biogas Wasserstoff Paradox Anlagen für virtuelles Modelle der Zukunft Norwegen setzt auf Kraftwerk poolen in der Praxis testen Wasserkraft und Öl
InhaltsVerzeichnis 02 Swissgrid-Chef Yves Zumwald im Interview 06 Virtuelles Kraftwerk und erneuerbare Regelenergie 07 Wasserstoff für LKW aus Wasserkraft 10 Mehr Flexibilität für den öffentlichen Busverkehr 12 Energiestrategie von Norwegen im Fokus 13 Post-Chefin Susanne Ruoff über Nachhaltigkeit 04 Cyberrisiken einschätzen 05 Power-to-Gas-Verfahren erklärt 08 Forschen für die Mobilität 14 Update zur Standortsuche für geologische Tiefenlager 15 Über den Ursprung und den Wandel des Wasserzinses 16 Aufgeschnappt im Energiebereich Impressum ENERGEIA, das Magazin des Bundesamts für Energie BFE, Rückmeldungen und Anregungen: energeia@bfe.admin.ch, erscheint 6-mal jährlich in deutscher und französischer Ausgabe. Tel. 058 462 56 11, Fax 058 463 25 00 Deutsch: 10’000 Exemplare | Französisch: 5950 Exemplare Gratis-Abonnement und Adressänderungen: Bundesamt für Energie, Copyright Bundesamt für Energie. Alle Rechte vorbehalten. Mühlestrasse 4, 3003 Bern oder abo@bfe.admin.ch Gesamtverantwortung: Marianne Zünd (zum) Nachdruck: Artikel können mit Quellenangabe verwendet werden. Bitte Belegexemplar senden. Chefredaktion: Angela Brunner (bra), Stellvertreterin Sabine Hirsbrunner (his) Redaktionelle Beiträge: Laura Antonini (anl), Angela Brunner (bra), PERFOR MANCE Sabine Hirsbrunner (his), Fabien Lüthi (luf), Selina Zehnder (zes) Layout: Melanie Stalder (ste) neutral Drucksache No. 01-17-275202 – www.myclimate.org Druck: Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, 3001 Bern, www.staempfli.com © myclimate – The Climate Protection Partnership
ÜBERZEUGUNG UMSETZEN Die heutigen Energieinfrastrukturen wurden im Laufe des 20. Jahr- hunderts errichtet. Dabei kamen verschiedene Entwicklungen zum Einsatz, die gemäss ihren spezifischen Potenzialen genutzt wurden. In den kommenden Jahrzehnten werden wir in der Lage sein, konventionelle Infrastrukturen und neue Anwendungen, Produktion und Verbrauch sowie zentralisierte und dezentrale Anlagen miteinander zu kombinieren. Die Potenziale der ver- schiedenen Neuentwicklungen werden uns dabei unterstützen, unseren Gesamtenergieverbrauch zu senken und herkömmliche Energiequellen durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen. Jedes Jahr bezahlen die Schweizer Konsumentinnen und Konsu- menten über 25 Milliarden Franken für Energie. Diese stammt zu knapp zwei Dritteln aus importierten fossilen Energieträgern (Treibstoff, Heizöl und Gas). Über die Senkung des Verbrauchs und den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz müssen wir dafür sorgen, dass unsere Energiekosten verringert werden und unsere Abhängigkeit von Einfuhren vermindert wird. Quelle: BFE Dieser Umbau ist indes für alle Beteiligten eine grosse Heraus- forderung. Die Energiebranche muss sich mit einem grundlegenden Wandel ihrer Geschäftsmodelle und Erträge auseinandersetzen. Konsumentinnen und Konsumenten müssen sich bewusst werden, «Die Technologien, die es für den Umbau des Energie dass sie als Akteure Einfluss auf ihren Verbrauch und die neue systems braucht, sind verfügbar und werden von Jahr Wertschöpfungskette im Energiesektor nehmen können. Der zu Jahr effizienter und kostengünstiger.» Gesetzgeber schliesslich wird Rahmenbedingungen schaffen Benoît Revaz, Direktor des BFE müssen, welche die Komplementarität zwischen bestehender In- frastruktur und neuen Anwendungen sicherstellt, die richtigen Impulse für Investitionen setzt und mittels Marktmechanismen eine angemessene Vergütung der Wertschöpfung gewährleistet. Die Technologien, die es für den Umbau des Energiesystems braucht, sind verfügbar und werden von Jahr zu Jahr effizienter und kostengünstiger. Damit bleibt die vielleicht grösste Hürde übrig: unsere Überzeugung in die Tat umzusetzen. So, wie unsere Vorfahren mit dem Bau von Wasserkraftwerken Weitblick und unternehmerischen Mut bewiesen haben, so ist unsere Generation gefordert, die Chancen zu nutzen, die sich mit dem Umbau unserer Energieversorgung eröffnen. Benoît Revaz, Direktor des BFE PS: Mehr erfahren Sie im Video auf www.energeiaplus.com/ category/energeia. ENERGEIA Nr. 2/2017 | 1
«Tempo ZUSAMMENBRINGEN» Ein sicheres Netz ist das oberste Ziel der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid. Wie sie sich dafür rund um die Uhr einsetzt, erklärt CEO Yves Zumwald im Interview. Welche Bilanz ziehen Sie nach Warum ist dies so wichtig? die Politik Richtwerte für den Schweizer Ihrem ersten Jahr als CEO? Die Anzahl Photovoltaikanlagen und Stromproduktionsmix definiert. Wie ab- Swissgrid befindet sich seit der schritt- Marktteilnehmer beispielsweise wächst hängig oder unabhängig wollen wir vom weisen Übernahme des Hochspannungs- derzeit schneller als die Netzinfrastruktur. Ausland sein? Unser Job besteht darin, netzes in einer Konsolidierungsphase. Dieses Tempo müssen wir zusammen- aufgrund des erwarteten Mix zu simulieren, Dieser Prozess braucht Zeit. Im vergange- bringen. Darum müssen wir die Bevölke- wie dieser zum Markt und zur Netzinfra- nen Jahr ist es uns gelungen, die Bezie- rung überzeugen, dass es eine moderne struktur passt. Wir haben mit dem «Strate- hungen mit der Branche zu intensivieren Netzinfrastruktur braucht. Wir sind des- gischen Netz 2025» das Netz der Zukunft und die Rollenteilung besser zu klären. halb in ständigem Austausch mit Kantonen, entwickelt, das selbst für den Atomaus- Gemeinsam mit den Stromversorgern und Gemeinden und der Politik und erklären stieg gerüstet sein soll. den Behörden haben wir alles unternom- unsere Aufgaben. men, um die Versorgungssicherheit auch In den kommenden zehn Jahren in der herausfordernden Wintersituation Wie managen Sie das Netz heute? wollen Sie 2,5 Milliarden Franken zu gewährleisten. Um jederzeit die Balance von Strompro- in das Netz investieren. duktion und -nachfrage im Netz herstellen Das sind die Kosten für das «Strategische Weitere wichtige Erfahrungen? Netz 2025», wobei 1,5 Milliarden Franken Wir stehen in engem Austausch mit den in rund 200 Kilometer neue Leitungen umliegenden Übertragungsnetzbetreibern, «Eine Netzentwicklung ohne die und eine Milliarde in den Unterhalt von damit wir technisch weiterhin mit Europa Schweiz könnte gefährlich werden.» bestehenden Leitungen investiert werden verbunden und abgestimmt sind, auch ohne Yves Zumwald, CEO von Swissgrid sollen. Die meisten Leitungen stammen Stromabkommen. Eine Entwicklung ohne aus den 60er- und 70er-Jahren. Mit dem die Schweiz könnte gefährlich werden für Umbau sind wir heute im Schneckentempo die Netzstabilität. Insgesamt bin ich mit zu können, tauschen wir laufend mit der unterwegs. Im Wallis beispielsweise, zwi- meinem ersten Jahr zufrieden. Ich führe Branche Daten aus. Besonders wichtig schen Chamoson und Chippis dauert das ein gutes Team und kann auf die Unter- für den sicheren Betrieb des Übertragungs Leitungsprojekt bereits über 30 Jahre. Es stützung von vielen Experten zählen. netzes sind verlässliche Prognosen. Diese gibt aber auch erfolgreiche Beispiele, z.B. professionalisieren wir laufend, um besser im Kanton Graubünden, wo derartige Welche Schwerpunkte setzen Sie vorausplanen zu können. Heute stützen Projekte eher akzeptiert sind. dieses Jahr? wir uns primär auf Realtime-Daten von Wir fokussieren unsere Aufgabe stark auf Stromversorgern und Wetterprognosen. Gehört die Zukunft Smart Grids? die notwendige Modernisierung des Über- Unser Netz ist jetzt schon smart, verglichen tragungsnetzes. Wir wollen und müssen Wie schätzen Sie die Entwicklungs- mit Verteilnetzen. Es ist stark automatisiert, diesen Aus- und Umbau so schnell wie chancen dafür ein? und für die Laststeuerung wurden kürzlich möglich umsetzen. Dafür braucht es auch Die Digitalisierung eröffnet uns eine neue eine bessere Akzeptanz in der Bevölke- Welt. Viele tüfteln bereits an nützlichen rung. Damit die Netzinfrastruktur recht- Energie-Apps. Bald wird es neue techno- «Die dezentrale Netzeinspeisung zeitig bereit ist, müssen die Verfahren logische Lösungen und Optionen geben, wächst derzeit schneller als die rund um den Netzausbau gegenüber heute um das Netz noch effizienter zu betreiben. Netzinfrastruktur. Dieses Tempo wesentlich beschleunigt werden. Deshalb Und dies wird schneller passieren, als wir müssen wir zusammenbringen.» befürworten und unterstützen wir die heute denken. Yves Zumwald, CEO von Swissgrid Strategie Stromnetze, die sich in der par- lamentarischen Diskussion befindet. Mit Wie wichtig ist für Sie die Energie- der Energiewende wird künftig mehr strategie 2050? neue Transformatoren gebaut. Wir tauschen erneuerbarer Strom dezentral ins Netz An der Energiestrategie orientieren wir zudem viele Daten mit unseren Nachbarn eingespeist. Dafür wollen wir bereit sein. uns für die Netzplanung. Es ist Zeit, dass aus, um grenzüberschreitende Netzsicher heitsberechnungen durchzuführen. 2 | ENERGEIA Nr. 2/2017
Yves Zumwald Seit März 2016 ist Yves Zumwald (geb. 1967) CEO von Swissgrid. Zuvor war der Elektroingenieur unter anderem Vertriebsdirektor bei Romande Energie (2009–2013) und arbeitete in verschiedenen Funktionen bei Alpiq (damals EOS) im Bereich Netze und Infrastruktur (2002–2009). Quelle: Swissgrid Warum braucht es diese länder- Ein flächendeckendes Blackout in der Wie gestalten Sie die Energie übergreifende Zusammenarbeit? Schweiz ist eher unwahrscheinlich. Doch zukunft mit? Wir befinden uns im Herzen von Europa es kann unter Umständen zu Teilausfällen Indem wir das Netz für die künftigen An- und müssen bei unserer Arbeit immer das kommen. Wir tun alles, um derartige forderungen fit machen. Zudem wollen Gesamtsystem betrachten: Das Hochspan- Situationen bei uns zu vermeiden, und wir in Europa sicherstellen, dass die nungsnetz erstreckt sich von Norwegen bis greifen im Notfall ein. Mit Redispatch- nach Süditalien und von Spanien bis in die Massnahmen können wir wenn nötig Türkei. Um das Netz stabil zu halten, müs- zusammen mit den Betreibern die Pro- «Die europäischen Übertragungs sen die europäischen Übertragungsnetzbe- duktionspläne ändern oder die Netzkup- netzbetreiber müssen jederzeit treiber jederzeit die gleiche Musik spielen. pelungen anpassen. Wenn sich Netzeng- die gleiche Musik spielen.» pässe abzeichnen, kaufen wir frühzeitig Yves Zumwald, CEO von Swissgrid Damit diese Zusammenarbeit jederzeit Regelenergie ein. einwandfrei funktioniert, müssen wir uns technisch über die Grenzen hinweg sauber Wie gut ist Swissgrid vor Cyber Schweiz weiterhin eine Pionierrolle spielen abstimmen. Mit der Marktkoppelung angriffen geschützt? kann. Sollte es künftig einen gesamteuro- nimmt die Anzahl Stromproduzenten auf Wir sind uns der Risiken bewusst und er- päischen Markt geben, braucht es allenfalls dem Markt zu, deshalb dürfte die exakte greifen entsprechende Massnahmen. Aber nur noch etwa 5 anstatt 42 Koordinations- Orchestrierung aller Teilnehmer im In- wir sind nicht allein im System. Mit den stellen wie heute. Wir verfügen über in- und Ausland künftig noch anspruchsvoller ausländischen Übertragungsnetzbetreibern novative Ideen und das nötige Know-how. werden. und anderen Betreibern von kritischen Beim Management unserer 120 Bilanz- Infrastrukturen gilt es, gemeinsame Sicher gruppen etwa sind wir in Europa top. Nun Wie schätzen Sie das Risiko für ein heitsnormen zu entwickeln. Irgendwo möchten wir das Leitsystem der nächsten Blackout ein? bleibt sonst ein Schlupfloch geöffnet. Generation entwickeln. (bra) ENERGEIA Nr. 2/2017 | 3
CYBERRISIKEN BEKÄMPFEN Wie arbeitet der Bund mit der Energiebranche zusammen, um Netze intelligenter und sicherer zu gestalten? Eine Schutzbedarfsanalyse des Bundesamts für Energie hilft bei der Risikoeinschätzung. Nun sollen einheitliche Branchenstandards definiert werden. Bis 2025 sind intelligente Messsysteme gewichtet mögliche Bedrohungen nach Missbrauch von Zugriffrechten oder falsche Teil der meisten Schweizer Haushalte. So deren Eintrittswahrscheinlichkeit, um fest Abrechnungen über mehrere Jahre. Als sieht es die Energiestrategie 2050 vor. zustellen, wie hoch das damit verbundene katastrophal gelten dabei jene Fälle, die Diese sogenannten Smart Meter könnten Sicherheitsrisiko ist. über eine Million Franken kosten würden. Energieversorgern und Endverbrauchern Für die Risikoeinstufung wurde auf eine dabei helfen, Kosten zu sparen, indem sie Was bedeutet es beispielsweise, wenn tau- Vorlage des Informatiksteuerungsorgans automatisch regelmässig detaillierte Ver- send Smart Meter durch einen technischen des Bundes zurückgegriffen. brauchsdaten erfassen. Fehler oder durch Sabotage plötzlich aus- fallen würden? Was wäre die Konsequenz Grosser Schutzbedarf erkannt Cyberrisiken einschätzen davon? Wie teuer wäre dies? Wie sind Im Grunde wurden 14 Risikoszenarien Das Netz wird durch den Einsatz dieser Smart Meter vor externen Störungen und und verschiedene Varianten davon entwor- intelligenten Messsysteme zwar smarter, Cyberangriffen zu schützen? fen und aus Sicht des Verteilnetzbetreibers aber auch angreifbarer. Die Herausforde- oder eines dritten Messdienstleisters (Da- rung besteht darin, mögliche Schwachstel- Risikoszenarien analysiert tenmanager) sowie des Endverbrauchers len und Sicherheitsrisiken vorgängig zu Mit derartigen Fragen befasst sich die analysiert. «Plausible Szenarien wurden identifizieren. In welchen Bereichen es wie Schutzbedarfsanalyse. Berücksichtigt wur- hierfür berücksichtigt», sagt Bruno Le Roy, viel Schutz braucht, hat kürzlich eine Studie den dabei Einzelfälle bis hin zu grossflächi- Fachspezialist für Netze beim Bundesamt im Auftrag des Bundesamts für Energie gen Ereignissen und vorsätzliche Hand- für Energie. «Die Analyse hat gezeigt, dass analysiert. Diese Schutzbedarfsanalyse lungen wie eine Datenmanipulation, der der Schutzbedarf für die Smart-Metering- Infrastruktur gross ist.» Für jedes Szenario wurde der jeweilige Schutzbedarf ermit- Aufgabenteilung telt, und darauf basierend wurden geeignete Sicherheitsmassnahmen empfohlen. Branchenstandards festlegen Jetzt liegt der Ball bei der Branche: Der Verband Schweizerischer Elektrizitäts unternehmen (VSE) muss einheitliche Vor gaben und Standards für die Cybersicher- heit von Messsystemen definieren und diese für sich dokumentieren. Eine unab- hängige Stelle soll prüfen, wie sie umge- Der Bund macht eine Die Branche Eine Prüfstelle wacht setzt werden. Schutzbedarfsanalyse. definiert Standards. über die Implementierung. «Damit haben wir für die Schweiz eine flexible, subsidiäre Lösung gefunden, die den Marktakteuren Spielraum lässt, um die Mindestanforderungen selbst festzu- Risiko einschätzen legen», sagt Le Roy. Andere Länder würden hingegen ein eher starres und kostenin- tensiveres System kennen. Das Schweizer gering mittel hoch Modell soll laut dem Experten einfacher Schadenausmass x Eintrittswahrscheinlichkeit = Risikoniveau umzusetzen sein. (bra) Daraus resultieren der Schutzbedarf und geeignete Massnahmen. Quelle: BFE 4 | ENERGEIA Nr. 2/2017
WIE STROM ZU GAS WIRD Eine verstärkt dezentrale Stromproduktion erfordert mehr Flexibilität in diesem Sektor. Neben einer intelligenten Netzsteuerung werden in Zukunft allenfalls neue Möglichkeiten der Stromspeicherung nötig sein. Eine davon könnte in Zukunft das Power-to-Gas-Verfahren sein. Die optimale Abstimmung zwischen Strom und so gelagert werden kann. Anwendungs den.» Ein weiterer grosser Nachteil von verbrauch und Stromproduktion wird in möglichkeiten für das Gas finden sich im Power-to-Gas sind die die hohen Um- Zukunft immer wichtiger werden. Beson- Moment in der Industrie oder im Mobilitäts wandlungsverluste. «Beim Einsatz von ders herausfordernd ist dies, weil die bereich, wo Wasserstoff und Methan direkt Power-to-Gas als Stromspeicher gehen Stromproduktion stärker dezentral ge- zur Betankung von Fahrzeugen genutzt rund zwei Drittel der Energie verloren», schieht und grossen Schwankungen unter werden können (siehe Seiten 7 und 8). erklärt er. Es mache heute also Sinn, an- liegt (beispielsweise Solar- und Wind- dere Speichermöglichkeiten mit höheren strom). Das Versorgungssystem muss darum Bedarf in der Schweiz offen Wirkungsgraden vorzuziehen, z.B. Batterie- flexibler werden. «Mithilfe von Smart «Das Power-to-Gas-Verfahren ist erst lang oder Pumpspeicher. Grids können Netze effizienter bewirt- fristig eine Option zur Stromspeicherung», schaftet und die Konsumenten und Pro- erklärt Stefan Oberholzer. «In Kombination Ob die Power-to-Gas-Technologie zur duzenten zweckmässig verknüpft werden», mit Kavernenspeichern könnte so bei einem Stromspeicherung je grossflächig in der sagt Stefan Oberholzer, BFE-Fachspezialist sehr hohen Anteil an erneuerbarem Strom Schweiz Einsatz finden wird, ist offen. Energieforschung. in Zukunft eine Speicherung über saisonale Heute wird insbesondere am Elektrolyse- Zeiträume möglich werden.» Im Moment verfahren und an der Einspeisung des Ein Lastmanagement (Demand Side Ma- seien die Überschüsse an erneuerbarer Gases geforscht, und im Rahmen von nagement), welches das Nachfrageverhalten Energie allerdings noch nicht so gross, Pilot- und Demonstrationsanlagen werden der Versorgungssituation anpasst, sowie dass sich ein rascher und teurer Ausbau zurzeit erste praktische Erfahrungen ge- flexible Kraftwerke, die im Falle einer von Power-to-Gas-Anlagen lohnen würde, sammelt, z.B. im Hybridwerk Aarmatt oder erhöhten Nachfrage zugeschaltet werden so Oberholzer weiter. «Die Anlagen können mit der Energy-System-Integration-Platt- können, erhöhen die Flexibilität ebenfalls im Moment mit Strom aus erneuerbaren form des Paul-Scherrer-Instituts. (his) (siehe Seite 6). «Eine weitere Option sind Quellen nicht wirtschaftlich betrieben wer- neue Speichertechnologien, um über- schüssigen Strom zu speichern und bei Bedarf wieder ins Netz einzuspeisen», O2 H2 O sagt Oberholzer weiter. Dazu gehört auch Sauerstoff Wasser das Power-to-Gas-Verfahren, das in der Industrie bereits sehr lange angewendet O wird. H O O Wasserstoff H2 H H H Strom zu Wasserstoff und Methan H O O Beim Power-to-Gas-Verfahren (siehe Gra- fik) wird in einem Elektrolyseur mithilfe Erneuerbarer Strom Elektrolyse von überschüssigem Strom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauer- Erdgasnetz stoff (O) gespalten. Wird der Wasserstoff Strom, Wärme, Mobilität nicht sofort gebraucht, kann er in Tanks zwischengespeichert oder in geringen CH4 Methan Mengen ins Erdgasnetz eingespeist werden. Längerfristig lässt sich der Strom als Methanisierung Methan speichern. Dazu wird der Wasser stoff unter Beifügung von CO2 zu synthe- CO2 tischem Methan umgewandelt, das an- Kohlendioxid schliessend ebenfalls ins Erdgasnetz geleitet Quelle: BFE ENERGEIA Nr. 2/2017 | 5
ERNEUERBARE iM MARKT Die Produzenten von erneuerbarem Strom werden sich in Zukunft besser in den Markt integrieren müssen. Die Firma Fleco Power zeigt mit ihrem virtuellen Kraftwerk, wie das funktionieren kann. Biogasanlagen haben gegenüber Wind- Stefan Mutzner, Geschäftsführer von bei unvorhersehbaren Wetterereignissen oder Solarstromanlagen einen gewichtigen Ökostrom Schweiz und Verwaltungs- nutzt Swissgrid unsere Regelenergie», Vorteil: Sie verfügen über Gasspeicher ratspräsident von Fleco Power. erklärt Zahnd. Fleco Power bietet soge- kapazitäten, was sie flexibler und für eine nannte negative Tertiärregelleistung an. bedarfsgerechte Produktion interessant Pilotprojekt gestartet Das heisst, dass sie bei Überkapazitäten macht. «Das heutige Vergütungsmodell Aus diesem Grund hat Ökostrom Schweiz im Netz die Einspeisung ihrer Biogasan- der kostendeckenden Einspeisevergütung im April 2015 die Tochtergesellschaft Fleco lagen drosselt, um das Netz zu entlasten. (KEV) bietet den Produzenten von erneu- Power gegründet und ein vom BFE geför- Die Biogasanlagen produzieren weiterhin erbarer Energie allerdings keine Zusatz dertes Pilotprojekt mit Biogasanlagen aus Gas, das dann im vorhandenen Speicher erlöse, wenn sie ihren Strom bedarfsgerecht der ganzen Schweiz gestartet. Gesteuert zwischengelagert wird. ins Netz einspeisen», erklärt Urs Zahnd, werden diese über das virtuelle Kraftwerk Geschäftsführer der Fleco Power AG. von Fleco Power mit Sitz in Winterthur. Un- Direktvermarktung als Zukunft terdessen sind bereits über 90 Anlagen (ne- Entschädigt werden die Anlagenbetreiber Flexibilität nutzen ben Biogas- auch PV-Anlagen und Klein- zum einen dafür, dass sie die Flexibilität Bei Ökostrom Schweiz, der Muttergesell- wasserkraftwerke) mit einer Nennleistung ihrer Anlage zur Verfügung stellen. Wenn schaft von Fleco Power, ist man jedoch von zirka 30 Megawatt im Netzwerk von die Anlagen bei Überkapazitäten im Netz schon seit Jahren der Ansicht, dass insbe- Fleco Power eingebunden. Zusätzlich ist die gedrosselt werden, kommt eine weitere sondere die Flexibilität der Biogasanlagen Integration von Windkraftanlagen geplant. Entschädigung dazu. Zahnd relativiert besser genutzt werden müsste. Für einzelne, jedoch: «Die Teilnahme am Regelenergie kleine Anlagen ist es unter den aktuellen «Wir haben uns im Regelenergiemarkt markt erschliesst zwar eine zusätzliche Rahmenbedingungen schwierig, selber im etabliert und bedienen Swissgrid mit Einnahmequelle, ist aber finanziell nicht Markt zu agieren. «Bündelt man jedoch unserer Dienstleistung», erklärt Urs Zahnd. als Ersatz für das heutige Vergütungs die Potenziale einer grösseren Anzahl von Das heisst, Fleco Power kommt dann zum modell der KEV zu verstehen». Biogasanlagen und bewirtschaftet diese Zug, wenn es zu Unregelmässigkeiten im über ein virtuelles Kraftwerk gemeinsam, Netz kommt. «Beispielsweise im Sommer, Die Zukunft sieht Urs Zahnd darum in wird es ökonomisch interessant», erklärt wenn das Netz stark ausgelastet ist, oder einem anderen Geschäftsmodell, das Fleco Power für seinen Kunden ebenfalls anbieten will. «In der Energiestrategie 2050 ist die Direktvermarktung für die Produzenten von erneuerbarer Energie vorgesehen. Die KEV wird dann durch eine Einspeise prämie abgelöst.» Während mit der KEV heute fixe Einspeisetarife bezahlt werden, steht bei der Direktvermarktung die Ab- geltung nach Produktionszeitpunkt im Zentrum. Zwar bleiben die Gesamtvergü- tungen im neuen Modell wohl etwa gleich hoch. Wer aber bedarfsgerecht produziert, kann einen Zusatzertrag erwirtschaften. «Die Betreiber erhalten so den Anreiz, einen Beitrag zur Systemstabilität zu leis- ten», erklärt Zahnd. Ob die Direktver- marktung eingeführt wird, hängt vom Ergebnis der Volksabstimmung über die Quelle: Fleco Power Energiestrategie 2050 ab. (his) 6 | ENERGEIA Nr. 2/2017
LKW tankt wasserstoff Coop feierte kürzlich gleich zwei Premieren: die Einweihung ihrer ersten Wasserstofftankstelle und die Jungfernfahrt ihres ersten Wasserstoff-Lkws. Warum unterstützt das Bundesamt für Energie diese Pionierleistung? «H2» prangt unübersehbar auf dem weissen, Erneuerbar produziert wie Emmi und Feldschlösschen auf Inter- 34 Tonnen schweren Lkw, der mit seinem Seine Firma liefert Coop den Wasserstoff. esse. Auch verschiedene Energieversorger Anhänger an der Coop-Tankstelle im Dieser wird mittels Elektrolyse in einem entdecken laut Huber die Vorteile von aargauischen Hunzenschwil steht. In seinen Laufwasserkraftwerk der IBAarau aus er- Wasserstoff als Speicherlösung. Tank strömt gasförmiger Wasserstoff (H2) neuerbarem Strom produziert. Dabei wird mit rund 350 bar, innert weniger Minuten Wasser in seine Bestandteile, Wasserstoff Ausbau geplant ist er gefüllt. Damit kommt der Lkw rund und Sauerstoff, zerlegt (2 H2O > 2 H2 + 1 O2). «Dieses Projekt soll die Huhn-Ei-Proble- 400 Kilometer weit. In der Brennstoffzelle kommt es zu einer matik von Wasserstoff für den Verkehr kalten Verbrennung. Der Wasserstoff durchbrechen, indem es gleichzeitig für Umgerüsteter Elektro-Lkw reagiert dabei mit Sauerstoff. So wird die Infrastruktur und die Nachfrage In seinem Innern stapeln sich Bananen wieder Strom erzeugt, um den Elektro- sorgt», sagt Men Wirz, Cleantech-Spezialist und weitere Waren. Aufgeladen hat er diese motor des Lkw anzutreiben. Zudem ent- beim BFE, das das Projekt unterstützt. im neuen Verteilzentrum von Coop, das steht Wasserdampf, der verpufft. Langfristig will Coop an weiteren Tank- rund einen Kilometer entfernt liegt. Um stellen Wasserstoff anbieten – auch für genug Ladefläche zu haben, ist dieser Trotz des geschlossenen Wasserkreislaufs Private. Um die neue Wasserstofftank- Elektro-Lkw nur mit einer kleinen Batterie ist der Einsatz von Wasserstoff nicht nur stelle in Hunzenschwil rentabel betreiben unterwegs. Darin wird seine Bremsenergie mit Vorteilen verbunden. «Unsere Heraus zu können, wäre eine stärkere Auslastung zwischengespeichert, wenn er einen Hang forderung besteht darin, mit Gas unter nötig. Dies passt zur Nachhaltigkeits hinunterfährt oder im Stadtverkehr häufig hohem Druck zu hantieren», sagt Huber. strategie von Coop: Bis 2023 will das bremsen muss. Ein Teil des eingesparten Zudem sei der Wirkungsgrad geringer als Unternehmen CO2-neutral werden. Pro Platzes nimmt das moderne Brennstoff- bei Batterien. Dennoch stosse die Lkw- Wasserstoff-Lkw könnte es 70 bis 80 Ton- zellensystem ein. Technologie bei verschiedenen Grossfirmen nen CO2 im Jahr einsparen. (bra) Potenzial entdeckt L au f fw mp ass Verantwortlich für die Umrüstung bzw. a er e rd kr den Einbau dieser Komponenten sowie ss a ft a für das Design war die Firma Esoro. Deren W w er Geschäftsführer Diego Jaggi sagt: «Unser k Wasserstoff-Lkw ist weltweit einzigartig, da er sich mit seinem Anhänger für Logistiktransporte eignet.» Das Modell gibt nstof fzellen- es noch nicht als Serienproduktion. Jaggi Elektrolyse g Wasser- Bren rzeu und sein Projektteam sind jedoch zuver- sichtlich, dass Wasserstoff-Fahrzeuge kurz kreislauf fah vor dem Durchbruch stehen. Verschiedene Autohersteller investieren derzeit in diesen Bereich. «Wir sind weit gereist, um neue, wasserstoffbetriebene Autos zu sehen, t die im Hinblick auf die Winterolympiade or sp W 2018 in Pyeongchang und die Sommer se an as rs tr olympiade 2020 in Tokio getestet werden», to o ff ergänzt sein Projektpartner Rolf Huber fft an rst k st ss e von H2 Energy. e ll e Wa Quelle: BFE ENERGEIA Nr. 2/2017 | 7
Nachhaltig Unterwegs Wie kann der Verbrauch von fossilem Treibstoff im Verkehr reduziert werden? Dieser Frage geht die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) mit ihrem Future Mobility Demonstrator in Dübendorf nach und erforscht die Nutzung von alternativen Antriebssystemen. «Der Verkehr muss seinen Beitrag leisten, Wasserstoff um CO2-Emissionen zu senken», meint Im Vordergrund des Projektes steht derzeit Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeug Wasserstoff, mit dem Brennstoffzellen- antriebssysteme der Empa. Denn in der fahrzeuge betankt werden sollen. Hierzu Schweiz ist der Verkehr für rund 30 Pro- wird Wasser mithilfe eines Elektrolyseurs zent der jährlichen CO2-Emissionen ver- in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespaltet. antwortlich. Der Wasserstoff kann dann in Druck speichern zwischengespeichert werden, Demonstrationsanlage seit 2015 bis er gebraucht wird. In der Demonstrations Eine Senkung dieser Abgase könnte der anlage sind dafür ein Elektrolyseur, ein Verkehr insbesondere mit nicht fossilen Wasserstoffdruckspeicher, ein Kompressor und CO2-armen Treibstoffen erreichen. Mit sowie eine Wasserstoffzapfsäule einge- dem Future Mobility Demonstrator (kurz richtet. Methan aus Wasserstoff erstoff «Um die CO2-Emissionen zu senken, Im Rahmen von «move» wird zudem er- Elektrolyse und Wasserstofffahrzeug muss auch der Verkehr seinen forscht, wie synthetisches Methan aus Wass Beitrag dazu leisten.» Wasserstoff gewonnen werden kann. Dabei Christian Bach, Abteilungsleiter soll künftig ebenfalls mittels Elektrolyse Fahrzeugantriebssyteme, Empa Wasserstoff erzeugt werden. Dieser soll in einem weiteren chemischen Prozess mit Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu «move») in Dübendorf ZH untersucht die Methan umgewandelt werden. Das Methan Empa seit 2015, wie alternative Antriebs- wird zur Speicherung ins Erdgasnetz ein- endioxid systeme effizient genutzt und Fahrzeuge gespeist. Methanisierung sicher getankt bzw. geladen werden können. Die Empa beabsichtigt, eine Methanisie- Kohl Antriebssysteme vergleichen rungsanlage in den Demonstrator einzu- «move» dient dabei als Demonstrations- bauen. Bis damit die Methanisierung vor anlage, um verschiedene Antriebssysteme Ort erfolgen kann, bezieht die Empa für miteinander zu vergleichen. Konkret heisst ihre Zapfsäule Biogas aus der Region dies, dass die Anlage einen Praxistest von anstelle von synthetischem Methan. Hardware und Modellen unter realen Biogas-Anlagen Bedingungen ermöglicht. Lithium-Ionen-Netzbatterien Installiert ist im Rahmen von «move» Die Forscher der Empa beschäftigen sich jedoch bereits eine Ladestation für Elektro im Rahmen des «move»-Projektes mit fahrzeuge. Die Forscher planen, in den drei verschiedenen alternativen Antriebs- nächsten Jahren eine Lithium-Ionen- systemen, die primär Wasserstoff, synthe- Netzbatterie in die Demonstrationsanlage tisches Methan und Strom nutzen: zu integrieren. Diese soll eine effiziente Zwischenspeicherung des Stroms für den Betrieb von Elektroautos ermöglichen – ohne grossen Speicherverlust. Elektro-Fahrzeuge und Netz-Batterie 8 | ENERGEIA Nr. 2/2017
30 Fahrzeuge im Einsatz insbesondere Standards im Bereich Sicher- Kombination für die Zukunft Mit der Methan- und Wasserstofftankstelle heit für weitere Tankstellen mit Wasser- «Wasserstofffahrzeuge alleine können sowie der Elektroladestation werden je stoff gesetzt werden. Diesel- und Benzinfahrzeuge aber nicht zehn Personenwagen sowie ein Kehrfahr- ersetzen», meint Bach. «Das Gleiche gilt zeug mit Brennstoffzellen betrieben. Erste Erkenntnisse für Gas- und Elektrofahrzeuge.» Welches Schätzungsweise 37’000 Liter Benzin und Wasserstoff ist leicht entflammbar. Deshalb Diesel könnten laut Bach so künftig pro gelten in der Schweiz hohe Auflagen im Jahr eingespart werden Umgang damit. Die Empa untersucht mit «Wasserstofffahrzeuge alleine der Suva und Industriepartnern, wie diese können Diesel- und Benzinfahrzeuge Know-how gewinnen an Tankstellen umgesetzt werden können. nicht ersetzen.» Der Future Mobility Demonstrator ermög- Erste Erkenntnisse dienten dabei als Grund- Christian Bach, Abteilungsleiter licht die Bildung von Know-how im Be- lage der Sicherheitsvorschriften für die Fahrzeugantriebssyteme, Empa reich der Wasserstofftankstelle und deren erste öffentliche Wasserstofftankstelle in Umsetzung. Deshalb unterstützt das BFE der Schweiz (siehe Seite 7). Bald soll ein Teile von «move» im Rahmen seines Pilot- allgemeiner Leitfaden zur Sicherheit an der alternativen Antriebssysteme das viel- und Demonstrationsprogramms. Mit der öffentlichen Wasserstofftankstellen folgen. versprechendste ist, kann Bach heute nicht Demonstrationsanlage können laut Empa sagen. Jedes davon habe seine Vor- und Nachteile. Eine Kombination aller Systeme sei deshalb die Zukunft des Verkehrs. (zes) Antriebsenergie als Speicher Die Empa will mit dem Future Mobility Demonstrator auch der Frage nach gehen, wie überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespei- chert und nutzbar gemacht werden könnte (für Power-to-Gas, siehe Seite 5). Falls etwa Photovoltaik- und Wind anlagen im Sommer künftig mehr Strom produzieren, als verwendet werden kann, entsteht ein Strom überschuss. Dieser liesse sich auch für alternative Antriebssysteme nutzen. Darin sehen die Forscher der Empa eine Chance, fossile Treibstoffe im Übersicht über die Prozesse im Future Verkehr schrittweise zu ersetzen – Mobility Demonstrator zu den drei Antriebssystemen mit Wasserstoff, Strom und damit auch die CO2-Emissionen und Methan. Quelle: Empa Stromüberschuss aus PV-Anlagen (> 2035) des Verkehrs zu reduzieren. ENERGEIA Nr. 2/2017 | 9
Effizient und flexibel In den Städten ist die Elektromobilität im Aufwind. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe achten immer stärker auf die Energieeffizienz ihrer Flotte, um die Umweltbelastung und die Kosten zu verringern. Genf und Zürich setzen dabei auf Elektrobusse. Dass Elektrobusse nicht durchgängig auf Mehr als 60 Jahre später dreht sich die sich für «SwissTrolley plus» entschieden: Fahrleitungen angewiesen sein müssen, Frage wieder um Elektrobusse, die ab- ein Fahrzeug, das mit Hilfe seiner leistungs ist an sich kein Novum. Schon 1953 waren schnittsweise auf das Fahrleitungsnetz fähigen Batterien längere Teilstrecken zwischen Yverdon und Grandson in Kanton verzichten können. Zwei der grössten ohne Fahrleitung befahren kann. Es handelt Waadt zwei sogenannte Gyrobusse im Städte der Schweiz haben sich entschlossen, sich hierbei um innovative Lösungen für Einsatz, die von der im Schwungrad ge- Tests mit innovativen Elektrobusmodellen eine weitere Elektrifizierung des öffentli- speicherten kinetischen Energie angetrieben durchzuführen. Die Genfer Verkehrsbe- chen Verkehrs und zur Ablösung der wurden. Die Busse wurden jeweils an den triebe (tpg) haben sich für den Elektrobus Dieselbusse. Haltestellen wieder aufgeladen. Nach ein TOSA (trolleybus à optimisation du système paar Jahren musste das nicht sehr rentable d’alimentation) entschieden, der ohne Ober Ladevorgang an der Haltestelle Projekt jedoch aufgegeben werden. Der leitungen fährt und an den Haltestellen an In Genf heisst das innovative System Einsatz von Dieselbussen war damals eine Ladeschiene andockt und Strom zapft. TOSA. Die Elektrobusse, die über eine wirtschaftlich interessanter. Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) haben Reichweite von ungefähr 30 Kilometern verfügen, laden ihre Batterien an ausge- wählten Haltestellen entlang der Fahr- strecke auf. «Wir haben eine Elektrobus- Lösung gesucht, die uns erlaubt, auf «Wir haben eine Elektrobus-Lösung gesucht, die uns erlaubt, auf Oberleitungen zu verzichten.» Denis Berdoz, Generaldirektor der tpg Oberleitungen zu verzichten, und gleich- zeitig eine grosse Transportkapazität bietet, indem die Batterien nicht zu viel Platz beanspruchen. Kann man auf Oberleitun- gen verzichten, bringt das Einsparungen bei den Unterhaltskosten sowie einen ästhetischen Gewinn», erklärt Denis Berdoz, Generaldirektor der tpg. Der TOSA-Bus wurde während dreier Jahre auf der Strecke zwischen dem Flug- hafen Genf und dem Messezentrum Pal expo getestet. In dieser Phase wurden die Haltestellen mit Schnell ladestationen ausgerüstet. Während der Bus anhält, um Der TOSA-Bus wird an die Fahrgäste aus- und einsteigen zu lassen, Haltestellen nachgeladen. dockt der Stromabnehmer des Busses an Quelle: P. Albouy eine Ladestation über seinem Dach an und zapft Strom. An den Endstationen sind 10 | ENERGEIA Nr. 2/2017
Der «SwissTrolley plus» bei einer Testfahrt. Quelle: Tom Kawara die Batterien nach einem mehrminütigen rücklegen. Die Verkehrsbetriebe Zürich Nach einer Testphase ohne Fahrgäste Halt wieder vollständig aufgeladen. haben ihre Trolleybusse mit sogenannten wird der «SwissTrolley plus» im zweiten Traktionsbatterien ausgestattet und befah- Halbjahr auf verschiedenen Linien einge- Das Projekt konnte im Rahmen einer ren seit 2015 kürzere Teilstrecken plan- setzt, um laufend Informationen unter öffentlich-privaten Partnerschaft erfolg- mässig im Batteriemodus. Der «Swiss realen Bedingungen zu gewinnen. reich durchgeführt werden. Die Tests des Trolley plus» geht einen Schritt weiter: Systems haben die Direktion der tpg und «Das neue Modell bietet mehr Flexibilität. Zwei Leuchtturmprojekte des BFE den Kanton Genf überzeugt. Im Juli 2016 Dank Hochleistungsbatterien kann es Der Bund hat die beiden Vorhaben im sind zwölf neue TOSA-Busse und die deutlich längere Strecken abseits der Rahmen des Leuchtturmprogramms des erforderlichen Ladestationen bestellt Fahrleitung zurücklegen», erklärt Oliver BFE im Cleantech-Bereich unterstützt, worden. Sie sollen die Dieselbusse der Linie denn der elektrische öffentliche Verkehr 23 ersetzen. Der Einsatz der TOSA-Busse in den Städten ist ein wichtiges Thema erfolgt sukzessive nach ihrer Lieferung: «Dank den Hochleistungsbatterien und mit einem grossen Energiesparpotenzial. «Wir werden Ende 2017 auf der Strecke einer Software, sollten wir gegenüber «Wir haben hier zwei sehr interessante etappenweise Elektrobusse einführen, einem herkömmlichen Trolleybus Technologien, die uns eine Vorstellung was im Normalfall fünf Monate dauern 15 Prozent Energie einsparen können». davon geben, wie der öffentliche Verkehr dürfte. Für einige Monate werden wir einen Oliver Obergfell, Projektleiter in einigen Jahren aussehen könnte», meint gemischten Verkehr mit Diesel- und Elektro Unternehmenskommunikation, VBZ Philippe Müller, Leiter der Sektion Clean bussen haben», kündigt der Generaldirektor tech des BFE. Angesichts der positiven an. «Die Arbeiten für das Ladesystem Ergebnisse mit den neuen Fahrzeugen werden jedoch schon Ende dieses Jahres Obergfell, Projektleiter Unternehmens- blickt Philippe Müller noch weiter vor- abgeschlossen sein, damit von der ersten kommunikation der Verkehrsbetriebe aus: «Meiner Meinung nach werden sich Lieferung an alles bereitsteht.» Inzwischen Zürich. Der Bus kann also längere fahrlei- viele Städte solchen Technologien zuwen- denken die tpg schon darüber nach, andere tungslose Strecken bedienen, die bis anhin den, wenn sie ihre Dieselfahrzeuge im Buslinien auf das TOSA-System umzu- den Einsatz von Dieselbussen erforderten. öffentlichen Verkehr ersetzen müssen.» stellen. Ein energiesparender Prototyp Die Projekte in Genf und Zürich zeigen, Fahrleitungsnetz verlassen Laut Oliver Obergfell bietet das neue wie innovativ die Schweizer Mobilitäts- Die Verkehrsbetriebe Zürich haben in Zu- Fahrzeug im Vergleich zu früheren akteure im öffentlichen Verkehr sind. sammenarbeit mit der Carrosserie HESS Modellen einen weiteren grossen Vorteil: Dass das TOSA-Projekt auch im Ausland AG, der ETH Zürich und der Berner «Dank seinen Hochleistungsbatterien und wahrgenommen wird, kann Denis Berdoz Fachhochschule eine Version «plus» des einer ausgeklügelten Software, die ein bestätigen: «Wir haben aus vielen Ländern SwissTrolley-Modells entwickelt, einen selbstlernendes Energiemanagement er- ein Echo auf den TOSA-Bus erhalten, Prototypen, der im Moment getestet wird. möglicht, sollten gegenüber herkömmli- darunter aus Russland und sogar aus Süd- Herkömmliche Trolleybusse verfügen über chen Trolleybussen Energieeinsparungen amerika.» (luf) Notfahraggregate und können nur kürzere in der Grössenordnung von 15 Prozent Teilstrecken abseits der Fahrleitung zu- erreicht werden können.» ENERGEIA Nr. 2/2017 | 11
NORWEGEN IN SCHWARZ-WEISS Seinen Wohlstand verdankt Norwegen dem schwarzen Gold und der weissen Kohle. Eine Expertenreise in den Norden. Ein Land voller Fjorde, Berge, Gletscher kraftproduzent (138 Terawattstunden im schaft und des Landes für die künftigen und Wasserfälle. Ein Land, wo die atem- Jahr 2015). Ausserdem verfügt es über Generationen zu bewahren – auch für beraubende Natur nicht nur die Lebens- eine grosse Produktionsflexibilität, da fast Zeiten, in denen die fossilen Rohstoffe bedingungen prägt, sondern auch eine zwei Drittel der Kapazität aus Speicher- versiegt sein sollten. wertvolle Ressource darstellt. Dieses Bild seen stammt. Somit kann das Land die hatte ich vor Augen, als ich kürzlich als Energie saisonal speichern. Das Schmelz Norwegen exportiert das geförderte Öl Expertin für eine Evaluation der norwegi- wasser aus den Frühlings- und Sommer- und Gas fast vollständig. Das Land selbst schen Energiepolitik durch die internatio- monaten kann bis zum Winter gelagert bezieht Strom sowie Wärme zum grössten nale Energie Agentur (IEA) nach Norwe- werden. Die Schweiz verfügt ebenfalls Teil aus erneuerbaren Energien. Und auch gen reiste. Auf dem Weg in den Norden über solche wertvolle Flexibilität, aber in im Bereich der Elektromobilität befindet beschäftigte mich eine wichtige Frage: geringerem Umfang. es sich im internationalen Vergleich an Wie kann ein Ölförderland sich als erneu- der Spitze: 20 Prozent der neuen norwegi- erbares Land positionieren? Den zweiten Durchbruch erlebte schen Autos fahren mit Strom. Ausserdem Norwegen in den 60er-Jahren mit der engagiert sich Norwegen international Vor der industriellen Revolution hatte Entdeckung der ersten Ölfelder auf dem stark für die Klimafrage. Norwegen hauptsächlich von der Fischerei Festland sockel. Die Förderung von Öl gelebt. Der Durchbruch kam gegen Ende und Gas nahm somit immer mehr zu und Meine Reise nach Norwegen hat mir auf- des 19. Jahrhunderts mit dem Beginn der wurde schnell zum wichtigsten Industrie- gezeigt, dass das vermeintliche Paradox – Ära der Wasserkraft. Während in vielen sektor des Landes. Norwegen ist heute die Koexistenz bei der Nutzung der Energie europäischen Ländern die industrielle der drittgrösste Öl-Exporteur der Welt träger Öl, Gas und Wasser – durchaus Revolution mit Kohle angetrieben wurde, und deckt jährlich rund 20 Prozent der Sinn macht. Norwegen ist ein grosses Land nutzte Norwegen energetisch primär die europäischen Gasnachfrage ab. Zudem ist mit wertvollen natürlichen Ressourcen. sogenannte weisse Kohle, die Wasserkraft. das Land international ein wichtiger Es verwaltet und nutzt diese achtsam, zu- Plötzlich konnte das Land auf saubere, Akteur bei der Entwicklung von Techno- kunftsgerichtet – und sichert sich damit billige und massenhaft verfügbare Energie logien für eine effizientere Förderung. den eigenen künftigen Wohlstand. zählen. Die Einnahmen aus dem Öl- und Gas geschäft werden in einen staatlichen Laura Antonini, Fachspezialistin Mit rund 1500 Wasserkraftwerken ist Pensionsfonds eingezahlt. Ziel dieses erneuerbare Energien beim BFE Norwegen der grösste europäische Wasser Fonds ist es, den Wohlstand der Gesell- Staudamm Grimsosen im norwegischen Høyanger. Quelle: 12 | ENERGEIA Nr. 2/2017 Norwegian Water Recources and Energy Directorate/Simon Oldani
ZWEITES LEBEN FÜR BATTERIEN Point de vue d’expert Der Klima wandel ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Eindrückliche Beispiele zeigen sich in unserem Alpenraum: Die Gletscher schwinden, die Schneefallgrenze steigt. Experten sagen vermehrt extreme Wetterereignisse wie starke Niederschläge, Hochwasser oder Hitzewellen voraus. Wir müssen jetzt Massnahmen für ein zukunftsfähiges Klima ergreifen. Als grösstes Transport- und Logistik unternehmen in der Schweiz betreibt die Post ein energieintensives Geschäft. Klima schutz steht deshalb im Fokus unserer Corporate-Responsibility-Strategie, und wir haben uns ein ambitioniertes Klimaschutz ziel gesetzt: Bis 2020 wollen wir unsere CO2-Effizienz um 25 Prozent steigern im Vergleich zu 2010. Wir setzen auf energie effiziente Technologien und verwenden erneuerbare Energie. Unser Klimaziel ist langfristig ausgerichtet und steht im Ein- klang mit der Stabilisierung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius bis im Jahr 2100 gegenüber vor Quelle: Schweizerische Post AG industriellen Werten. Die Kreislaufwirtschaft berücksichtigen erneuerbarer Energie aus der Schweiz. «Wir leisten einen wertvollen Beitrag wir dabei ebenfalls: Da die Batterien der Die zehn eigenen Photovoltaikanlagen für eine nachhaltige Schweiz.» Elektroroller nach einigen Jahren eine zu speisen pro Jahr knapp neun Gigawatt- Susanne Ruoff, Konzernleiterin geringe Speicherkapazität haben, um die stunden Solarstrom ins Netz – weitere der Schweizerischen Post AG betrieblichen Anforderungen der Zustel- zehn Anlagen sind in Planung. lung zu erfüllen, hat die Post zusammen mit weiteren Partnern das Projekt «Ein Ich bin überzeugt, dass das Bedürfnis Die Post testet laufend alternative Antriebe zweites Leben für Postrollerbatterien» ins nach fair hergestellten und ökologischen und Treibstoffe und setzt diese auch ein. Leben gerufen. Aussortierte Batterien Dienstleistungen und Produkten bei den Biodiesel, Ökostrom und Biogas sind werden zu stationären Stromspeichern für Konsumentinnen und Konsumenten weiter standardmässige Treibstoffe für unsere Solarstrom umgebaut. zunimmt – und das zu Recht. Die Post Fahrzeugflotte. Die gesamte Rollerflotte – entspricht diesem Bedürfnis, indem sie rund 6300 Stück – besteht aus elektrisch Auch bei den Gebäuden nimmt die Post die digitale und physische Welt verbindet betriebenen Zwei- und Dreiradfahrzeugen. ihre Verantwortung wahr und senkt den und dabei konsequent auf Energieeffizienz Die Roller werden mit «naturemade Energiebedarf kontinuierlich. Sie setzt und erneuerbare Energie setzt. Unsere star»-zertifiziertem Ökostrom betrieben, bei Neubauten und beim Ersatz von Dienstleistungen und Produkte leisten so brauchen sechsmal weniger Energie als Heizungsanlagen grundsätzlich auf Brenn- einen Beitrag zu einer nachhaltigen Schweiz Benzinroller, sind emissionsfrei und ge- stoffe aus erneuerbaren Energieträgern. und zu einem zukunftsfähigen Klima. räuschlos unterwegs und bieten den Mit- Ihren gesamten Strombedarf deckt die arbeitenden mehr Sicherheit. Post mit «naturemade basic»-zertifizierter Susanne Ruoff, Konzernleiterin der Schweizerischen Post AG ENERGEIA Nr. 2/2017 | 13
Keine Zeit verlieren Zur sicheren Lagerung radioaktiver Abfälle braucht es in der Schweiz ein geologisches Tiefenlager. Um geeignete Standorte zu finden, muss die Nagra die Bodenbeschaffenheit genau kennen. Dafür hat sie 16 Bohrgesuche eingereicht. Der Bund sucht ein Standortgebiet, das Wichtige Vorarbeiten dürfen am Verfahren teilnehmen. Die Be- die Anforderungen für ein künftiges geo- Um rechtzeitig mit spezifischen erdwissen- willigungen werden voraussichtlich Mitte logisches Tiefenlager erfüllt. In solchen schaftlichen Untersuchungen in der dritten 2018 vom UVEK erteilt. Anlagen sollen die radioaktiven Abfälle Etappe des Sachplans starten zu können, aus den Kernkraftwerken, der Medizin, werden bereits jetzt Vorbereitungsarbeiten Verschiedene Standorte untersuchen der Industrie und der Forschung in der durchgeführt. So werden die Gesuche für Die Gesuche für Sondierbohrungen werden Tiefe langfristig gelagert werden. In einem Sondierbohrungen bereits in Etappe 2 für alle verbleibenden möglichen Stand- ersten Schritt wurden sechs potenzielle eingereicht. «Das ganze Verfahren zur ortgebiete eingereicht. Für die Gebiete geologische Standortgebiete festgelegt, Erlangung der Bohrbewilligungen wird Jura Ost und Zürich Nordost hat die Nagra die sich aus sicherheitstechnischer Sicht rund zwei Jahre dauern, da verschiedene acht Gesuche eingereicht, effektiv werden für Tiefenlager eignen. Aktuell befinden Akteurinnen und Akteure beteiligt sind. voraussichtlich drei bis fünf Bohrungen wir uns in Etappe 2. In dieser werden Deshalb wurden die Gesuche von der pro Region durchgeführt. Das Erstellen weitere Untersuchungen durchgeführt, um Nagra frühzeitig eingereicht», erklärt des Bohrplatzes und der Aufbau der die Auswahl der Standortgebiete einzu Peter Raible von der Sektion Kernenergie Bohranlage werden rund drei Monate engen. Voraussichtlich Ende 2018 wird recht des BFE. dauern, der eigentliche Bohrbetrieb bis zu der Bundesrat entscheiden, welche der einem Jahr. sechs Standortgebiete in der nächsten Während des Bewilligungsverfahrens kön- Etappe vertieft untersucht werden sollen. nen verschiedene Fachbehörden des Bun- Die durch die Kernbohrung gewonnenen In Etappe 3 werden erdwissenschaftliche des und die betroffenen Kantone zu den Gesteinsschichten werden anschliessend Untersuchungen in diesen Gebieten vorge- Gesuchen Stellung nehmen. Gemeinden von den Geologinnen und Geologen nommen werden. und Privatpersonen, die Einsprache erheben, anhand verschiedener Methoden unter- sucht. Nach Abschluss der Untersuchung wird das Gelände bei gewissen Bohrplätzen wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt und rekultiviert. An anderen bleibt der Bohrkeller bestehen, und es werden Messinstrumente im Bohrloch zur Langzeitbeobachtung installiert. Ein langes Verfahren Nachdem die Nagra die beiden Standort- gebiete Jura Ost und Zürich Nordost für Etappe 3 vorgeschlagen hatte, sprach sich das Eidgenössische Nuklearsicherheits inspektorat dafür aus, dass das Standort gebiet Nördlich Lägern ebenfalls im Ver- fahren bleiben soll. «Für dieses Gebiet werden die Sondierbohrgesuche in der ers- ten Jahreshälfte eingereicht, damit wir bei Bedarf bereit sind», sagt Nagra-Sprecherin Jutta Lang. Bis zur Eröffnung des Tiefen- lagers – nicht vor 2050 – sind noch um- fangreiche Arbeiten nötig. Noch ein weiter Weg für die künftigen Generationen. (luf) Die geplanten Bohrplätze werden dem Bohrplatz von 14 | ENERGEIA Nr. 2/2017 Schlattingen TG ähnlen (Geothermiebohrung). Quelle: Nagra
Zinsen auf die Wasserkraft Er ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Bergkantone und -gemeinden: der Wasserzins. Jeder Betreiber eines Wasserkraftwerkes muss diese Abgabe proportional zur Leistung des Kraftwerkes zahlen. Doch was ist der Wasserzins überhaupt, und woher stammt er? In der Schweiz sind öffentliche Gewässer Kantone über das Wasser und die Wasser enthalten war auch die Begrenzung der seit je Sache der Kantone. Sie besitzen kraft: Soll der Bund die Kontrolle über Abgabe für die Wasserkraftnutzung. Die also das Recht, frei über die Gewässer in alle öffentlichen Gewässer übernehmen Gewässerhoheit sowie die Kompetenz, ihrem Territorium zu verfügen. Dieses und somit auch über die Wasserkraft? Abgaben einzutreiben, waren jedoch immer Recht umfasst auch die Möglichkeit, Kon Oder soll die bisherige Wasserhoheit der noch Sache der Kantone. zessionen zur Nutzung der Gewässer an Kantone aufrechterhalten bleiben? Gemeinden und andere Institutionen zu Steigende Abgaben vergeben. Die Konzessionsnehmer ihrerseits Ein Grossteil der Wasserkraftwerke be Erst 1916 folgte das erste nationale Wasser haben die Pflicht, eine Abgabe für die fand sich schon damals in den Gebirgen gesetz, in dem der Bund eine maximale wirtschaftliche Nutzung der Gewässer an der Schweiz. Deshalb erhofften sich die Höhe für den Wasserzins festhielt (Art. 49). den Kanton – und in gewissen Gebieten Bergkantone von der bisherigen Regelung Die Maximalhöhe des Wasserzins mit auch an die Gemeinden – zu entrichten, ein höheres Einkommen. Das industriali 8.16 Franken pro Kilowatt trat per 1. Ja z.B. für die Stromgewinnung mit Lauf sierte Mittelland hingegen sprach sich für nuar 1918 in Kraft. Seither wurde der wasserkraftwerken. Diese Abgabe wird eine Kontrollübernahme durch den Bund Maximalsatz des Wasserzinses sechsmal Wasserzins genannt. aus. Es erwartete dadurch tiefere Wasser schrittweise durch das schweizerische zinsen und günstigere Strompreise für die Parlament erhöht. Seit 2015 beträgt er Unterschiedliche Ansichten Konsumenten. 110 Franken pro Kilowatt. Als Ende des 19. Jahrhunderts die Elekt rizität immer mehr verbreitet war, gewann 1908 zog die Diskussion eine Revision der «Diese wiederholten Erhöhungen des Was die Wasserkraft an Bedeutung. Mit der Bundesverfassung nach sich. Im damals serzinses wurden in der Vergangenheit zunehmenden Nutzung der Wasserkraft neu geschaffenen Artikel 24 bis wurde dem meist mit der Teuerung begründet», er wurden die Unterschiede bei den Rege Bund die Zuständigkeit für grenz- und klärt Christian Dupraz, Leiter der Sektion lungen der Kantone zum Wasserzins kantonsübergreifende Gewässer zugespro Wasserkraft des Bundesamt für Energie. deutlicher. Es entwickelte sich eine Dis chen und die Kompetenz, Grundregeln im Zudem hat der Wert der Wasserkraft als kussion rund um das Hoheitsrecht der Bereich Wasserkraft durchzusetzen. Darin flexible und erneuerbare Energiequelle zugenommen. Übrige Kantone: 288 Millionen Franken 91,6 Mio (16,5%) Für die Bergkantone und -gemeinden wur de der Wasserzins über die Jahre hinweg VS 164 Mio (29,5%) zu einer der wichtigsten Einnahmequellen – bis heute. Die Kantone Graubünden und UR 26,4 Mio (4,7%) Wallis sowie deren Gemeinden nahmen zum Beispiel im Jahr 2015 insgesamt Wasserzinseinnahmen rund 288 Millionen Franken mit dem pro Kanton Wasserzins ein. Dies entsprach mehr als BE 45,5 Mio (8,2%) (inkl. deren Gemeinden) der Hälfte aller gesamtschweizerischen Total 556,6 Mio. CHF Wasserzinseinnahmen. Ob der Wasserzins künftig wieder steigt, wird sich zeigen. Sicher ist jedoch, dass AG 49,6 Mio (8,9%) der Bundesrat dem Parlament einen Ent wurf für die Regelung des Wasserzinses GR 124,4 Mio (22,3%) ab 2020 vorlegen muss. Dies ist im Wasser TI 55,1 Mio (9,9%) Quelle: BFE, Stand Daten 2015 rechtsgesetz so festgehalten. (zes) ENERGEIA Nr. 2/2017 | 15
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