Sichere Energieversorgung als Ziel - Bundesamt für Energie
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Newsletter des Bundesamtes für Energie BFE Nummer 3 | Mai 2015 Sicherheit Sichere Energieversorgung als Ziel Interview Werner Meier über die wirtschaftliche Landesversorgung bei Energiekrisen Marktkoppelung Europäischer Strommarkt der Zukunft Risiko Sicherheit
Editorial Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sind vereinbar Editorial1 Es sind wirtschaftlich schwierige Zeiten für viele Energieversorger, Interview wie BKW-CEO Suzanne Thoma erklärt (S. 11). Im Spannungsfeld von Werner Meier von der landwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeit versus Sicherheit wird entschieden, welches Mass Landesversorgung über Energiemangel 2 an Sicherheitsmassnahmen erforderlich ist. Dabei besteht die Gefahr, Selbstlernende Systeme kurzfristige Minimallösungen zu favorisieren und andere sicherheits- Vertraglich gesichert Energie sparen 4 relevante Faktoren angesichts der hohen Investitionskosten weniger stark zu berücksichtigen. St illlegung Kernkraftwerk Mühleberg vor dem Aus 6 Die zentrale Frage bleibt: Wie viel Sicherheit brauchen wir? Und wel- Gesetzeslage chen Preis sind wir bereit dafür zu zahlen? Gerade in wirtschaftlich Wer haftet für Kernkraftwerke? 7 schwierigen Zeiten wie diesen dürfen wir die Bedeutung von Begriffen Eidgenössisches Nuklearinspektorat wie «Sicherheitszuschlag» (S. 7) nicht lockern. Behörden sind aller- Über 350 Inspektionen im Jahr 8 dings gesetzlich angehalten, die Verhältnismässigkeit von Massnah- Kilometerlanges Netz men zu prüfen. Als Aufsichtsorgan haben wir daher auch die Pflicht, Aufsicht über Rohrleitungen 9 innerhalb dieses Ermessensspielraums einen vernünftigen Weg einzu- Verkehrssicherheit schlagen und Risiken gegen Sicherheitsgewinne abzuwägen. Unterwegs mit dem E-Bike 10 Poi nt d e v u e d ’e x p e r t Wirtschaftlichkeit ist meiner Ansicht nach durchaus vereinbar mit Suzanne Thoma über die Herausforderungen einem hohen Mass an Sicherheit: Beispielsweise ist nur eine siche- der Energiebranche 11 re Anlage bzw. ein sicherer Betrieb einer Anlage letztlich auch eine Forschung und Innovation wirtschaftliche Anlage. Die Investitionskosten für die Sicherheit mö- Market Coupling 12 gen für viele Unternehmen kurzfristig hoch sein. Aber auf lange Sicht Wissen sind sie weitaus geringer als jene Kosten, die für das Unternehmen bei Adaptives Lenkungssystem von Zügen 14 einem vermeidbaren Unfall aufgrund mangelnder Sicherheitsinvesti Kurz gemeldet 15 tionen anfallen würden. Bei Kernkraftwerken beispielsweise haften in Aus der Redaktion 17 erster Linie die Betreiber. Wird die Situation für diese wirtschaftlich untragbar, kann der Bund jedoch über eine Kostenbeteiligung ent- Impressum scheiden (S. 7). energeia – Newsletter des Bundesamts für Energie BFE Erscheint 6-mal jährlich in deutscher und französischer Ausgabe. Versorgungssicherheit bleibt ein wichtiges Thema – auch für das Copyright by Swiss Federal Office of Energy SFOE, Berne. Alle Rechte vorbehalten. Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL). Wie sich Postanschrift: Bundesamt für Energie BFE, 3003 Bern Tel. 058 462 56 11 Fax 058 463 25 00 energeia@bfe.admin.ch die Schweiz gegen anhaltende Energieengpässe wappnet, erklärt Chefredaktion: Angela Brunner (bra), Marianne Zünd (zum) Werner Meier, Bereichschef Energie beim BWL, im Interview (S. 2). Redaktion: Fabien Lüthi (luf), Cédric Thuner (thc), Basil Weingartner (bwg) Wirtschaftlichkeit und Sicherheit stehen auch für ihn nicht miteinan- Layout und Druck: Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, 3001 Bern, www.staempfli.com der im Widerspruch. Blog: www.energeiaplus.com Twitter: www.twitter.com/@energeia_plus Online-Archiv: www.bfe.admin.ch/energeia Marc Kenzelmann, Agenda: www.bfe.admin.ch/kalender Vizedirektor und Leiter Aufsicht und Sicherheit Informations- und Beratungsplattform: www.energieschweiz.ch Quellen des Bildmaterials Titelseite: Fotalia PERFOR MANCE S. 2–3: BFE; S. 4–5: Shutterstock; S. 6: BKW AG; S. 8: Axpo; S. 9: Transitgas; S. 10: NewRide.ch; S. 11: BKW AG; neutral S. 12–13: Stämpfli AG; S. 14: Infel; Drucksache S. 15: Regio Energie Solothurn, Jean Revillard/Rezo.ch; No. 01-15-485876 – www.myclimate.org © myclimate – The Climate Protection Partnership S. 16: BFE, Shutterstock; S. 17: BFE. 1
Interview mit Werner Meier «Der Bund befähigt die Wirtschaft, möglichst lange zu funktionieren» Werner Meier, Bereichschef Energie der wirtschaftlichen Landesversorgung, engagiert sich dafür, dass die Schweiz für anhaltende Energieengpässe gut gerüstet ist. Herr Meier, warum arbeiten Sie als Leiter Problem schon da ist. Die Freiwilligkeit funk ebenfalls periodische Stromabschaltungen Energie beim Bundesamt für wirtschaftliche tioniert zwar gut, aber künftig möchten wir vorgesehen. Landesversorgung (BWL)? rascher eingreifen können. Das Leben ist Als Vertreter der Energiewirtschaft ist es für vernetzter geworden. Ohne Energie läuft Wie funktioniert das? mich eine interessante Aufgabe in Zusam- fast nichts mehr. Wir beobachten daher die Die Ostral setzt mit den rund 780 Energieun- menarbeit mit dem Staat, die Widerstands- Energiemärkte bzw. Entwicklungen betref- ternehmen die Massnahmen um. Dabei ist fähigkeit der kritischen Infrastruktur zu fend Strom, Gas, Erdöl, Holz und Wasser, die Schweiz in vier Regionen aufgeteilt. Ziel stärken, damit die Wirtschaft anhaltende um mögliche Mangellagen frühzeitig zu ist es, dass es in der Schweiz nie ganz dunkel Mangellagen möglichst unbeschadet über- erkennen. wird, aber die Regionen abwechselnd für eine stehen kann. Hierfür bereiten wir mögliche bestimmte Anzahl Stunden ohne Strom aus- Massnahmen vor, um eine ausreichende Ener- Angenommen, es kommt zu einem anhalten- kommen können. Dann gibt das Departement gieversorgung zu gewährleisten, auch wenn den Stromengpass. Wie gehen Sie vor? die Pflichtlager frei. Während dreier Monate die Ressourcen knapp werden. Bei Alpiq bin Die Wirtschaft ist für Sondermassnahmen können wir mit den vorhandenen Reserven ich Leiter der Konzernsicherheit, das passt gut zu legitimieren. Hierfür haben wir eine ent- eine Vollversorgung sicherstellen, danach zusammen. sprechende Verordnung vorbereitet, z. B. für eine eingeschränkte Versorgung. Im Gasbe- Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen im Energiebereich bei einem solchen Engpass? «Bei Mangellagen wird der Markt praktisch ausser Kraft gesetzt. Damit dies Die grösste Herausforderung besteht bei möglich ist, muss der Bundesrat dies zuerst mit einer Verordnung beschliessen.» leitungsgebundenen Energien. Strom etwa kann man nicht lagern. In diesem Geschäft kommt es auf Millisekunden an: Angebot den Fall, dass in Europa 30 oder 50 Prozent reich sind wir dabei, eine Ostral-ähnliche Or- und Nachfrage müssen stets stimmen, selbst weniger Strom verfügbar ist. Ostral, die ganisation aufzubauen. Für Holzenergie sind wenn die verfügbare Energiemenge plötzlich Umsetzungsorganisation vom Branchenver- Forstverbände zuständig, um das Holz im abnimmt. Nur dann wird das Netz nicht zu- band VSE, würde aktiv werden. Angebotssei- Notfall für die Energiegewinnung möglichst sammenbrechen. Bei Gas hingegen hat das tig etwa wird man die Bewirtschaftung der schnell aus dem Wald zu bringen. Netz gewisse Puffermöglichkeiten. Für Die- Speicherseen im Krisenfall zentralisieren. sel, Benzin und Heizöl gibt es Pflichtlager. Verbrauchsseitig wird man zum Stromspa- Gibt es Beispiele für ein gelungenes Krisen- D. h., die Wirtschaft muss stets bestimmte ren aufrufen und den Verbrauch allenfalls management in dem Energiebereich? Mengen einlagern, um sie in Mangellagen beschränken, z. B. betreffend Saunabetrieb Ja, während eines Streiks in Frankreich im nutzen zu können. Das BWL setzt hier auf oder Schaufensterbeleuchtung. Als weitere Jahr 2010 beispielsweise mussten wir Pflicht- Public-private-Partnership. Die gesetzliche Massnahme ist eine Kontingentierung mög- lager freigeben, da die Versorgung des Flug- Grundlage dafür bilden die Verfassung, Ar- lich. Mit grossen Stromkonsumenten wird hafens Genf über eine Pipeline nicht wie tikel 102, und das Landesversorgungsgesetz. abgestimmt, wie sie ihren Stromverbrauch gewohnt funktionierte. 2005 mussten wir auf 70 Prozent beschränken können. Gross- den Umgang mit Mineralöl einschränken Was bedeutet das? bäckereien beispielsweise könnten nicht wie aufgrund des Hurrikans Katharina. Auch im Der Bund soll die Wirtschaft befähigen, mög- gewohnt 25 Sorten Brot backen. Als letzte Ausland gab es kürzlich Beispiele: Südafrika lichst lange zu funktionieren, auch bei Wid- Massnahme denkbar wäre ein Ausfuhrver- beispielsweise musste wegen Trockenheit die rigkeiten. Derzeit befasst sich das Parlament bot, d. h., Branchenunternehmungen würde Wasserkraftproduktion drosseln. Die Schweiz mit der Revision des Landesversorgungsge- man den Export blockieren. Der Markt wird ist allerdings in der Mitte von Europa in einer setzes, um die Präventionsmöglichkeiten ausser Kraft gesetzt. Damit dies möglich relativ guten Situation als Drehscheibe des in dem Bereich auszubauen. Heute können ist, muss der Bundesrat zuerst die Verord- Stromnetzes. Wir sind jedoch gut beraten, wir im Grunde erst aktiv werden, wenn das nung in Kraft setzen. Darin sind bei Bedarf für den Fall des Falles vorzusorgen. 2
Zur Person Werner Meier leitet seit 2013 den Bereich Ener- gie der wirtschaftlichen Landesversorgung. Bei der Alpiq AG ist er seit 2012 für die Konzern sicherheit und das Betriebskontinuitätsma- nagement verantwortlich. Meier hat an der ETH Zürich Elektroingenieurwissenschaften studiert. Wie schätzen Sie die Auswirkungen einer Wie ist die wirtschaftliche Landesversorgung Gibt es in Mangellagen eine Priorisierung der Mangellage ein? organisiert? Energie für bestimmte Verbraucher? Die Auswirkungen können gigantisch sein. Sie ist eine Milizorganisation bestehend aus Dies ist ein heikler Punkt. Sicherheitsrelevan- Denken Sie nur an den Verkehr oder die Te- etwa 300 Vertretern der Wirtschaft. Unterstützt te Verbraucher müssen daher technische Vor- lekommunikation. Daher werden viele Kri- werden wir vom Bundesamt für wirtschaftli- kehrungen treffen, um ihren Betrieb sicherzu- senorganisationen aktiv werden. In einer che Landesversorgung mit rund 35 Personen. stellen. Spitäler beispielsweise setzen auf eine strategischen Sicherheitsübung des Bundes In meiner Expertengruppe arbeite ich mit ver- eigene Notstromgruppe. Auch bei der Alpiq wurden wir kürzlich mit dem Szenario einer schiedenen Bundesämtern, Konsumentenver- verfügen wir über zwei Dieselnotstromgene- ratoren, um unsere technischen Einrichtungen bei Stromausfall weiterbetreiben zu können. «Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung setzt auf Public-private-Partnership.» Wie schätzen Sie neue technische Entwicklun- gen wie Smart Grids ein? Mangelsituation konfrontiert, überlagert mit tretern und Verbänden zusammen, damit die Wir beobachten derartige Entwicklungen auf- einer Pandemie. Ziel war es, die zuständigen erforderlichen Massnahmen im Ernstfall von merksam. Smart Grids erlauben eine feinere Stellen zu befähigen, zusammenzuarbeiten den Betroffenen mitgetragen werden. Bewirtschaftung, schaffen aber auch neue und die Folgen zu bewältigen. Verletzlichkeiten, etwa durch die Abhängig- Wie planbar sind diese Notfallmassnahmen? keit von Kommunikationssystemen. Alle vier Was bringen derartige gemeinsame Sicher- Vieles ist planbar, alles lässt sich jedoch Jahre überprüfen wir unsere Strategie und heitsübungen für den Ernstfall? nicht vorbereiten. In der Krise müssen wir passen die Massnahmen bei Bedarf an Markt- Grundsätzlich funktionieren sie gut. Uns geht auch improvisieren können. Wie die Feuer- veränderungen an. Momentan sind Smart es darum, den operativen Dialog zu üben. Wer wehr trainieren wir regelmässig verschiede- Grids für uns operativ noch kein Thema. Das redet mit wem über welche Möglichkeiten? Wie ne Szenarien für den Ernstfall. Die Wirklich- könnte sich jedoch bald ändern. geht man mit den Ressourcen des Kantons und keit wird sich dann irgendwo dazwischen des Bundes in derartigen Situationen um? bewegen. Interview: Angela Brunner 3
Investitionssicherheit Energiesparen als Geschäftsmodell Sie übernehmen für ihre Kunden die energetische Gebäudesanierung und finanzieren die Investitions kosten vor. Dabei sichern die Energiedienstleister ihren Kunden über ein sogenanntes Einsparcontracting eine vertraglich festgeschriebene Reduktion des Energieverbrauchs zu, von der die Kunden spätestens nach Vertragsablauf finanziell profitieren. Das Bundesamt für Energie befürwortet dieses noch wenig bekannte Finanzierungsinstrument. Rund 125 000 Franken spart ein Genfer Hotel gelangen. Als solche sieht Sidler in erster Li- rund 140 000 kWh thermische Energie und im Jahr seit einer aufwendigen energetischen nie Gemeinden und öffentliche Institutionen. 5300 kWh Strom einsparen. Nach zwei Jah- Gebäudesanierung. Durch eine solche lässt Durch die Finanzierung über EPC müssten ren des auf zwölf Jahre ausgelegten EPC-Ver- sich langfristig Energie und Geld sparen; zu- diese ihre Bilanzen nicht belasten. Dies sei ein trags zieht Stephan Buser, Abteilungsleiter vor muss aber erst einmal kräftig investiert wichtiges Verkaufsargument. Private Firmen Liegenschaft/Bau der Gemeinde Kriens, ein werden. Dies bindet beim Bauherrn lang- könnten dagegen oft nicht garantieren, dass «grundsätzlich positives Zwischenfazit»: fristig Geldmittel. Ist die Kapitaldecke dünn, sie einen Standort auch in fünf Jahren weiter- Er erachte diese Finanzierungslösung als kann eine eigentlich sinnvolle Sanierung betreiben würden, so der Siemens-Manager. «nachhaltig und sicherer». So profitiere man durch die hohen nicht finanzierbaren Inves- «Eine Vertragsdauer zwischen fünf und zwölf etwa von den Datenanalysen zum Energiever- titionen gar gänzlich verunmöglicht werden. Jahren ist aber notwendig.» Ansonsten rentie- brauch und der Fernüberwachung der Anlage ren laut Sidler jene baulichen Massnahmen von und durch Siemens. Man sei an weite- Um beides zu verhindern, kann ein Ener- nicht, welche die grösste Energieeinsparung ren EPC-Verträgen interessiert. Das Projekt gieeinsparcontracting (siehe Kasten) zum ermöglichen würden. in Emmen scheiterte dagegen an einem zu Einsatz kommen, so auch bei der erwähnten geringen Sanierungsvolumen. «Dieses sollte Sanierung des Starling Hotels in Genf. Die- Die langen Laufzeiten bergen für die EPC- mindestens 200 000 Franken betragen», sagt ses zählt mit rund 500 Zimmern zu einem Anbieter aber ein erhöhtes Risiko: In Zeiten Hansjörg Sidler. Deshalb ist das EPC für das der grössten Hotels der Schweiz. Ansonsten volatiler Energiepreise drohen kostspieli- Kleingewerbe oder private Bauherren meist werden Einsparcontractings (EPC) hierzulan- ge Fehlkalkulationen. Diese Gefahr ist laut keine Option. de aber noch kaum angewendet. Als eine der BKW-Mediensprecherin Murielle Clerc einer Ursachen für den marginalen Anteil der EPC der Gründe, weshalb ihre Firma kein EPC Pioniere aus der Romandie unter den Finanzierungsmodellen für ener- anbiete. Dieses Risiko werde auch durch den Der EPC-Vertrag zwischen den Services In- getische Sanierungen wird die im internatio- aus EPC-Geschäften resultierenden Vorteil dustriels de Genève (SIG), EPC-Pioniere der nalen Vergleich bereits überdurchschnittlich der Kundenbindung nicht aufgewogen. Auch Schweiz, und dem Starling Hotel zeigt aber, hohe Energieeffizienz von Schweizer Gebäu- andere grosse Energiekonzerne zeigen sich dass das Instrument durchaus in der Wirt- den vermutet. Denn je geringer die potenzielle in Sachen EPC zurückhaltend. Axpo-Medien- schaft zum Einsatz kommen kann. Für seine Energieersparnis bei einer Sanierung ist, des- sprecherin Daniela Zivadinovic sagt auf An- Bemühungen, gemeinsam mit den Kunden to unrentabler ist ein EPC. Hansjörg Sidler ist frage, man habe den Geschäftsbereich Con- aktiv Energie einzusparen, wurde der staat- gleichwohl überzeugt, dass das EPC auch in tracting im vergangenen Jahr verkauft; er habe liche Energiekonzern 2013 mit dem Watt d’Or der Schweiz eine Zukunft hat. Der Verkaufsdi- nicht zum Kerngeschäft gehört. Gesamthaft des Bundesamtes für Energie (BFE) ausge- rektor für Energie- und Umweltdienstleistun- ist derzeit nur rund eine gute Handvoll Ener- zeichnet. Gemäss Mediensprecherin Véro- gen der Siemens Schweiz AG hat in Deutsch- gieanbieter auf dem Schweizer EPC-Markt nique Tanerg Henneberg hat das Energieun- land und Österreich bereits mehrere EPC tätig. ternehmen bereits 13 weitere EPC-Vorverträge umgesetzt. Nun bietet Siemens das aus dem mit anderen Firmen abgeschlossen – neben angelsächsischen Raum stammende Finan- Um Kunden zu gewinnen, schrieb Siemens vor weiteren Hotels sind auch Industrie- und Pro- zierungsinstrument auch in der Schweiz an. einigen Jahren mehrere Luzerner Gemeinden duktionsbetriebe darunter. an. Doch nur in Emmen und in Kriens konn- Lange Laufzeiten erhöhen Erfolg te das Unternehmen Verträge abschliessen. Gemäss Armin Eberle, Geschäftsführer der «Von einem rentablen Geschäftszweig kann In Kriens wurde in einem Schulhaus die Hei- Energieagentur der Wirtschaft (EnaW), ist man zurzeit sicher noch nicht sprechen», sagt zung inklusive der Steuerung ersetzt und in das Einsatzgebiet von EPC aber im Bereich Sidler. So sei bereits ein «enormer Aufwand» der dazugehörenden Turnhalle die Lüftung der Wirtschaft beschränkt. «Für schlecht ka- nötig, um überhaupt an potenzielle Kunden zu saniert. Die Gemeinde soll dadurch jährlich pitalisierte Firmen kommt ein EPC meist nicht 4
infrage, da die Risikoanalyse der Contracting- aktuell durch das unbekannte und komplexe So funktioniert firmen negativ ausfällt.» Bei Firmen mit guter Thema oft überfordert. Weiss Di Spirito sagt Energieeinsparcontracting Eigenkapitaldecke stehe dagegen meist eine dazu, dass das BFE aktuell keine derartigen Im Rahmen eines Energieeinsparcontractings Eigenfinanzierung im Vordergrund. Gleich- Richtlinien plane. «Doch falls die Branche (EPC) übernimmt eine externe Firma die Planung wohl sieht er im EPC ein probates Mittel, um nach solchen verlangt, würden wir sicher un- und Ausführung einer energetischen Gebäude Energiesparmassnahmen zu finanzieren. EPC terstützend wirken.» sanierung. Dabei sichert sie ihrem Kunden, dem sei in der Schweiz allerdings noch zu wenig eigentlichen Bauherrn, während einer bestimm- bekannt. «Ein häufigerer Einsatz von EPC würde mit- ten Laufzeit vertraglich eine definierte jährliche helfen, Investitionen in Energieeffizienz zu Energieersparnis zu. Wird diese nicht erreicht, «Dies wollen wir ändern», sagt Gabriela Weiss finanzieren, um dadurch den Energiever- verpflichtet sich die Contractingfirma, die Diffe- Di Spirito vom BFE. Noch seien bezüglich brauch zu senken», sagt Weiss Di Spirito. Ge- renz finanziell zu begleichen. Wird das Energie- EPC einige Sachverhalte zu klären, so Weiss mäss der Energiestrategie des Bundes soll der sparziel dagegen übertroffen, teilen sich Kunde Di Spirito. Aufgrund mangelnder Referenz- Energieverbrauch pro Kopf bis ins Jahr 2050 und Contracter den resultierenden Gewinn meist projekte fehlen bisher etwa Richtlinien, wie halbiert werden. In Bezug auf den Effekt des auf. Teil eines EPC kann auch ein fest definierter man EPC mit einem grösseren Auftragsvolu- EPC dämpft Weiss Di Spirito aber zu hohe Er- Strompreis sein. men WTO-konform ausschreibt. Siemens-Ma- wartungen: «Auch wenn EPC künftig häufiger Während der Laufzeit des Contractings zahlt der nager Sidler würde deshalb das Erstellen von zum Einsatz kommt, wird es eine von vielen Kunde die Kosten für Umbau und Unterhalt der EPC-Leitfäden begrüssen. Die meisten Ge- Massnahmen bleiben, die zum Erreichen der Anlage ab. Dieser wird in der Regel von einem meinden ohne eigene Fachspezialisten seien Energieziele 2050 nötig sind.» (bwg) Finanzdienstleister vorfinanziert. Üblicherweise sind die beim Kunden anfallenden Kosten tiefer als die monetäre Einsparung, die er durch den reduzierten Energieverbrauch bereits während der Laufzeit des EPC-Vertrags erzielt. Im ange- strebten Idealfall profitieren also sowohl der Kunde als auch der Anbieter vom EPC. 5
Stilllegung 2019 Abbruch von Kernkraftwerk Endgültige Ausserbetriebnahme Mühleberg geplant 2019 geht das Kernkraftwerk Mühleberg freiwillig vom Netz – für immer. Die Stilllegung wird voraussichtlich 15 Jahre dauern. Was die nächsten Schritte sind, erklärten die Betreiberin BKW, das BFE und das ENSI der lokalen Bevölkerung an drei gut besuchten Informationsanlässen. 2020 – 2024 Entladung Reaktor Das Kernkraftwerk Mühleberg ist das erste ins zentrale Zwischenlager in Würenlingen kommerzielle Kernkraftwerk der Schweiz, erfolgen bereits heute regelmässig. Sicherge- das 2019 stillgelegt wird – nach 47 Betriebs stellt sei auch die Finanzierung der geschätz- jahren. Die BKW entschied sich gegen eine ten Stilllegungskosten von 800 Millionen «Einmottung» des Kernkraftwerks während Franken, und zwar durch Rückstellungen der mindestens 50 Jahren und für einen direkten BKW und durch Einzahlungen in den Still- Rückbau. So soll die Fläche ab 2034 neu ver- legungsfonds (siehe S. 7). Bis Ende Jahr will wendbar sein. Über 1000 Personen nutzten die Betreiberin ihr Stilllegungsprojekt beim im März die drei Infoanlässe in der Region BFE einreichen. Das ENSI wird diese Unterla- ~ 2024 Mühleberg, um sich aus erster Hand über gen danach sicherheitstechnisch prüfen, wie die Stilllegung zu informieren. In der Aula ENSI-Direktor Hans Wanner ausführt. Abtransport Allenlüften war der Andrang so gross, dass Brennelemente ein Teil der Gäste die Veranstaltung via Live- Hohe Sicherheitsstandards abgeschlossen schaltung in einem Zelt vor dem Schulhaus Viele der Anwesenden nutzten anschliessend verfolgen musste. die Chance, ihre Sorgen zu äussern und Fra- gen zu stellen. Warum das Kernkraftwerk 200 000 Tonnen Baumaterial Mühleberg erst 2019 abgestellt werde, wollte BFE-Direktor Walter Steinmann erläuterte jemand wissen. Um eine geordnete Stilllegung zu Beginn das rechtliche Verfahren – von der nach hohem Sicherheitsstandard zu ermögli- Ausserbetriebnahme bis zur grünen Wiese. chen, kam sogleich die Antwort. Eine weite- bis 2030 Anschliessend erklärte BKW-CEO Suzan- re Frage, die viele Gäste beschäftigte, wurde ne Thoma, wie man sich dies in der Praxis ebenfalls intensiv diskutiert: Wird die BKW Rückbau nuklearer vorstellen muss (siehe Video auf http://www. weiter in die Sicherheit des Kernkraftwerks Anlageteile bkw.ch/stilllegung): Rund 200 Mitarbeitende Mühleberg investieren, wenn das Betriebsen- werden in den nächsten 15 Jahren im Schnitt de schon absehbar ist? «Ich baue ja auch kei- die Anlage zurückbauen. «Für die Anwohner ne neue Kuppelung mehr ein, wenn ich mein hat die Stilllegung kaum Auswirkungen auf Auto verschrotten will», veranschaulichte den Alltag», sagt Suzanne Thoma. Zwischen ein Fragesteller. Suzanne Thoma versicherte 2021 und 2024 rechnet sie beispielsweise mit jedoch, dass die Sicherheitsstandards unver- rund 30 Transporten von radioaktiven Ab- ändert hoch bleiben würden – im Interesse fällen pro Jahr. 2031 soll der konventionelle aller Beteiligten. ab 2034 Rückbau der Anlage starten. Dabei werden rund 200 000 Tonnen Baumaterial anfallen. Das Kernkraftwerk Mühleberg liefert heute Neue Nutzung des Areals Strom für rund 400 000 Haushalte. Viel zu re- «Abgesehen vom Rückbau des Kernkraft- den gab an dem Abend daher auch, wie man werks haben wir in allen erforderlichen Tä- diesen Strombedarf nach der Ausserbetrieb- tigkeiten schon Erfahrung», beruhigt sie. So nahme decken soll. Für Suzanne Thoma und werden Brennelemente jedes Jahr zu Beginn die übrigen Referenten ist der Weg klar: durch der Revision in ein Kühlbecken transferiert. Importe und die schrittweise Umsetzung der Auch Transporte ausgedienter Brennelemente Energiestrategie 2050. (bra) 6
Hintergrund Wer haftet für Kernkraftwerke? Die Betreiber von Kernkraftwerken sind für deren Sicherheit verantwortlich. Gesetzlich sind die Verantwort- lichkeiten im Schadensfall klar geregelt. Zudem müssen die Betreiber laufend in spezielle Fonds einzahlen, um Stilllegungs- und Entsorgungsarbeiten zu finanzieren. Der Inhaber eines Kernkraftwerks haftet un- Derartige Lösungen würden in der Schweiz So sind allfällige Mehrkosten gegenüber der beschränkt für nukleare Schäden, so schreibt im Vergleich zur geltenden Versicherungs- Kostenstudie durch die Betreiber zu decken. es das Kernenergiehaftpflichtgesetz (KHG) lösung, wenn überhaupt, nur einen geringen Falls die Nachschüsse für die Beitragspflich- seit über 30 Jahren vor. Die Versicherungs- Mehrwert bringen, führt Plaschy aus. tigen wirtschaftlich untragbar sind, kann der deckung beträgt zurzeit eine Milliarde Fran- Bund entscheiden, ob er sich an den Kosten ken. «Der Betreiber haftet mit seinem ganzen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds beteiligen will. (bra) Vermögen für nukleare Schäden. Erst wenn In der Schweiz dürfen die Kernkraftwerke so kein sogenanntes Haftungssubstrat mehr lange laufen, wie das Eidgenössische Nukle- da ist, also die Versicherungssumme und arsicherheitsinspektorat (ENSI) deren Betrieb das Betreibervermögen aufgebraucht sind, als sicher einstuft (siehe Seite 8). Das Kern- entscheidet das Parlament, ob es zusätzli- kraftwerk Mühleberg geht 2019 freiwillig vom che Mittel sprechen will», erklärt Christian Netz. Die Betreiberin BKW hat der lokalen Plaschy, Fachspezialist für Kernenergierecht Bevölkerung kürzlich ihr Stilllegungsprojekt beim BFE. vorgestellt (siehe S. 6). Finanziert wird das Vorhaben u. a. durch eigene Rückstellungen Hoher Standard in der Schweiz und den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds, Mit dem 2008 totalrevidierten, aber noch welcher 1984 bzw. 2000 gegründet wurde. Die nicht in Kraft gesetzten KHG soll die Versi- Betreiber der fünf Schweizer Kernkraftwerke cherungsdeckung künftig auf 1,2 Milliarden zahlen laufend in diese beiden Fonds ein. Die Euro steigen. Es ist zudem vorgesehen, dass Fonds sollen zusammen rund 11,4 Milliarden die Vertragsparteien des Brüsseler Zusatz- Franken sicherstellen. übereinkommens im Schadensfall weitere 300 Millionen Euro bereitstellen. Diese Neu- Der Stilllegungsfonds dient dazu, die Still- erungen werden laut Plaschy jedoch frühstens legungs- und Abbruchkosten der Schweizer 2016 in Kraft treten, wenn genügend Vertrags- Kernkraftwerke und des Zwischenlagers Zwi- staaten die internationalen Abkommen von lag in Würenlingen von schätzungsweise rund Paris und Brüssel ratifiziert haben. drei Milliarden Franken zu decken (Fondska- pital Ende 2014: CHF 1,951 Mrd.). Mit der höheren Versicherungsdeckung lassen sich laut Plaschy die zu erwartenden Schäden Der Entsorgungsfonds kommt für die Kos- Höhere Beiträge und von geringfügigen nuklearen Störfällen ab- ten der Entsorgung von Betriebsabfällen und bessere Aufsicht decken. Klar ist für ihn aber auch, dass die Brennelementen auf, nachdem die Kernkraft- Seit Anfang 2015 sollen die Betreiber von Kern- Kostenfolgen eines Ereignisses wie Tscherno anlage nicht mehr in Betrieb ist (Fondskapi- kraftwerken höhere jährliche Beiträge leisten, byl oder Fukushima die Höhe der Versiche- tal Ende 2014: CHF 4,114 Mrd.). Dies umfasst weil neu ein Sicherheitszuschlag von 30 Pro- rungsdeckung für nukleare Schäden und die den Umgang mit radioaktiven Abfällen – vom zent auf die berechneten Stilllegungs- und Ent- finanziellen Möglichkeiten der Betreiber bei Kernkraftwerk via Zwischenlager bis ins geo- sorgungskosten angewendet wird. Der Sicher- Weitem überschreiten würden. logische Tiefenlager. heitszuschlag trägt der heutigen Unsicherheit Rechnung betreffend die tatsächlich anfallenden In wenigen Ländern geht die Gesetzgebung Alle fünf Jahre werden die Stilllegungs- und zukünftigen Kosten. Mit der laufenden Revision in einzelnen Punkten über die Regelungen in Entsorgungskosten im Rahmen einer Kos- der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverord- der Schweiz hinaus. In Deutschland und den tenstudie neu berechnet, das nächste Mal im nung (SEFV) soll zudem die Governance der USA haften die Betreiber von Kernkraftwer- Jahr 2016. Die Betreiber haben sämtliche Kos- Fonds bzw. deren Aufsicht gestärkt werden. Die ken beschränkt solidarisch untereinander. ten der Stilllegung und Entsorgung zu tragen. entsprechende Anhörung endet am 8. Mai. 7
Sicherheit durch Aufsicht Im Dienst der nuklearen Sicherheit Das Eidgenössische Nuklear sicherheitsinspektorat (ENSI) ist die Aufsichtsbehörde des Bundes im Bereich der nuklearen Sicher- heit der Schweiz. Es begutachtet und überwacht u. a. den Betrieb der Schweizer Kernanlagen. Um Brennstäbe auszutauschen und andere Un- Teil ohne Vorankündigung statt. Laut David ENSI als Aufsichtsbehörde terhaltsarbeiten sowie Reparaturen durchzu- Suchet, Mediensprecher des ENSI, werden führen, werden die Schweizer Kernkraftwerke es dieses Jahr voraussichtlich über 350 Ins- Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspekto- (KKW) jedes Jahr für eine bestimmte Zeit vom pektionen sein. Dabei geht es vor allem um rat (ENSI) wurde im Jahre 2009 gegründet – als Netz genommen. Normalerweise dauert eine sicherheitstechnische Aspekte. Aber die Be- Nachfolgeorganisation der Hauptabteilung für solche Jahresrevision rund einen Monat. Das triebsorganisation und Arbeitsabläufe inner- die Sicherheit der Kernanlagen (HSK). Es hat die KKW Beznau produziert in diesem Jahr aber halb eines Kraftwerks sind ebenfalls wichtig. Arbeiten und Pflichten als Aufsichtsbehörde für während rund vier Monaten keinen Strom, da nukleare Sicherheit und Sicherung der schwei- auch der Deckel des Reaktordruckbehälters Begutachtung der Kernanlagen zerischen Kernkraftwerke übernommen. Das präventiv ersetzt wird. Im Vergleich zum Aus- Eine weitere Kernaufgabe des ENSI ist das ENSI ist eine unabhängige öffentlich-rechtliche tausch einer Heizung in einem Einfamilienhaus Erstellen von Gutachten und sicherheitstech- Anstalt mit Sitz in Brugg (AG) und beschäftigt sind Revisionen an einem Kernkraftwerk sehr nischen Stellungnahmen. Die Beurteilun- rund 140 Mitarbeitende. Im jährlich erscheinen- anspruchsvolle und delikate Angelegenheiten. gen beruhen auf Gesetzen, Richtlinien und den Aufsichtsbericht informiert das ENSI über Insbesondere wenn es um kontaminiertes Ma- w issenschaftlichen Grundlagen. Falls es ei- das Betriebsgeschehen, die Anlagetechnik, den terial geht. Daher begleitet, beurteilt und über- nen Mangel entdeckt, fordert es den Anlagen- Strahlenschutz und die Betriebsführung der wacht das ENSI (siehe Kasten) das Projekt von betreiber dazu auf, geeignete Massnahmen Kernanlagen (siehe www.ensi.ch). der Planung bis zum Wechsel vor Ort. innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu treffen und unter Beobachtung des ENSI umzu- Auch auf internationaler Ebene setzt sich die Über 350 Inspektionen pro Jahr setzen. Werden die Forderungen nicht zufrie- Institution für die Stärkung der Sicherheit im Auch während des Jahres kontrolliert das denstellend realisiert, hat es die Möglichkeit, Nuklearbereich ein. So hat das ENSI im Nach- ENSI den Betrieb der Kernanlagen, z. B. entsprechende Massnahmen zu ergreifen – bis gang zu Fukushima bei der Internationalen durch wöchentliche Werkinspektionen. Da- hin zur vorläufigen Ausserbetriebnahme. Zu Atomenergieagentur (IAEA) einen Änderungs- bei prüfen die Fachkräfte nicht nur die fünf Letzterem ist es jedoch laut dem ENSI noch vorschlag für die «Convention on Nuclear Safety» Kernkraftwerke, sondern auch das zentrale nie gekommen. Auch in Zukunft hat die Si- eingereicht. Die internationale Gemeinschaft ist Zwischenlager für radioaktive Abfälle sowie cherheit der Kernanlagen für die Aufsichtsbe- der Schweizer Idee gefolgt und hat dies in einer die Forschungsreaktoren des Paul Scherrer hörde höchste Priorität, wie Suchet sagt. «Die entsprechenden Erklärung festgehalten. Künftig Instituts (PSI), die nuklearen Forschungsein- ENSI-Fachkräfte sorgen täglich dafür, dass die soll unter anderem die Sicherheit von bestehen- richtungen der Universität Basel und der ETH Anforderungen an den Schutz von Mensch und den kerntechnischen Anlagen systematisch und Lausanne. Diese Inspektionen finden zum Umwelt eingehalten werden.» (thc) regelmässig neu bewertet werden. 8
Erdgas- und Erdölleitungen Sicherer Transport unter unseren Füssen In der Schweiz erstreckt sich ein kilometerlanges Netz von Erdgas- und Erdölleitungen. Ein leckendes Rohr könnte schwerwiegende Folgen für Mensch und Umwelt haben. Um derartige gefährliche Situationen zu verhin- dern, überwachen BFE-Spezialisten und das Eidgenössische Rohrleitungsinspektorat, ob die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt werden. Millionen Kubikmeter Erdgas und Erdöl wer- beiträgt. «Nur selten gibt es Probleme mit den die Trassees der Rohrleitungen langfristig zu den täglich durch die Pipelines der Schweiz technischen Anforderungen.» sichern. Streitfälle können laut Binder v. a. geleitet. Diese stehen unter ständiger Beob- dann weitgehend vermieden werden, wenn achtung – in erster Linie durch die Betreiber. Stellen ERI-Inspektoren bei einer techni- die Kantone Sicherheitsaspekte betreffend Doch auch der Dienst «Aufsicht Rohrleitun- schen Kontrolle vor Ort dennoch Mängel Rohrleitungen bei kantonalen Baubewilli- gen» des BFE engagiert sich dafür, dass die fest, kann das BFE den Betreiber auffordern, gungsverfahren frühzeitig berücksichtigen. gesetzlichen Bestimmungen eingehalten diese zu beheben. Kompliziert wird dies laut Vielen ist häufig gar nicht bewusst, wie viel werden, um die Betriebssicherheit zu ge- Wendelspiess eher bei den Baubewilligun- Erdgas und Erdöl täglich unter ihren Füssen währleisten (siehe Kasten). Ein dreiköpfiges gen und Markierungen. Das Eidgenössische hindurchfliesst. (luf ) Juristenteam übernimmt daher die adminis Rohrleistungsinspektorat erstellt pro Jahr trative Aufsicht in erster Instanz und stellt rund 70 Kontrollberichte und erteilt über 700 u. a. Betriebsbewilligungen aus. Baubewilligungen. Über 2500 Kilometer Rohrleitungen beaufsichtigen Kontrollen vor Ort Raumplanerische Herausforderungen Laut der Rohrleitungsverordnung (RLV) stehen Ergänzt wird die Arbeit der BFE-Spezialisten In diesem Zusammenhang kommt den BFE- Rohrleitungen mit einem Druck von mindestens durch die technische Aufsicht des Eidgenös- Spezialisten eine weitere wichtige Aufgabe fünf Bar (Transportleitungen) grundsätzlich un- sischen Rohrleitungsinspektorats (ERI). Die- zu: die Lösung von Konflikten zwischen den ter direkter Aufsicht des BFE. Insgesamt verfügt se Zusammenarbeit besteht bereits seit über Betreibern der Rohrleitungsanlagen und den die Schweiz über 196 Kilometer Erdölleitungen, 50 Jahren. Inzwischen kontrollieren acht ERI- Kantonen, in deren Kompetenz die Raum- hauptsächlich in der Romandie, und 2300 Kilo- Inspektoren die Leitungen vor Ort anhand von planung fällt. «Die verdichtete Bauweise in meter Erdgasleitungen. Die Transitgasleitung ist Checklisten, in Anwesenheit der Betreiber. den Agglomerationen ist für die Sicherheit die grösste Erdgasleitung der Schweiz. Sie führt «Dank präzisen Techniken können sie heute der Rohrleitungen eine grosse Herausfor- von der Region Basel bis zum Griespass (VS/Ita- bei Kontrollen strikter sein», sagt Ruedi Wen- derung», sagt Hans-Peter Binder, Leiter der lien) und erreicht einen Durchmesser von rund delspiess, Leiter des ERI. Er meint, dass die Zu- Sektion R isikomanagement und Aufsicht 1,2 Metern. Das Verteilnetz von rund 16 825 Ki- verlässigkeit der Betreiber zur Netzsicherheit Rohrleitungen des BFE. Hier gehe es darum, lometern beaufsichtigen die Kantone. Bauarbeiten an der Transitgasleitung 9
Verkehrssicherheit Sicher mit dem E-Bike unterwegs Wie lassen sich Unfälle mit Elektrovelos verhindern? Klare Sicherheitsbestimmungen sind bereits in Kraft. Laut Experten könnten möglicherweise weitere Massnahmen helfen, um die Sicherheit der Nutzer noch mehr zu erhöhen. Rund 270 000 Elektrovelos fahren heute auf Unfallverhütung (bfu) gab es 2013 rund 115 Sichtbarkeit beispielsweise könnten die Fah- Schweizer Strassen (Stand 2014), gemäss Unfälle mit E-Bikes. Dabei sind mehr als die rer freiwillig eine Sicherheitsweste tragen. Schätzungen rund 17 Prozent mehr als im Hälfte der schweren E-Bike-Unfälle selbstver- Vorjahr. Jedes sechste Schweizer Velo ist dem- schuldet, weil der Fahrer die Kontrolle verlor, Auswirkungen auf Pendlerverkehr nach mit einem unterstützenden Motor aus- wie aus den Statistiken ebenfalls hervorgeht. Wenn die Verkehrssicherheit für E-Bike-Fah- gerüstet. Ein E-Bike-Besitzer legt im Durch- «Die Gesamtzahl liegt noch höher, denn sehr rer stiege, würde sich dies gemäss dem BFE- schnitt 2600 Kilometer pro Jahr zurück. Im viele Velounfälle werden der Polizei gar nicht Bericht auch positiv auf den Pendlerverkehr Jahr 2013 konnten Emissionen in der Höhe gemeldet», meint Gianantonio Scaramuzza, auswirken: Die Befragten nannten eine höhere von rund 42 000 Tonnen CO2-Äquivalente wissenschaftlicher Mitarbeiter der bfu und Strassenverkehrssicherheit als wichtigste Vor- eingespart werden – primär dank der Ver- Fachmann für E-Bikes. aussetzung, damit sie ihr E-Bike noch häufiger lagerung von Autokilometern zum E-Bike. nutzen würden. «Bei geeigneten Massnahmen Dies zeigt der vom BFE publizierte Bericht Seit dem Auf kommen dieses neuen Trans- zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Zwei- «Verbreitung und Auswirkungen von E-Bikes portmittels hat sich aber dessen Verkehrssi- räder, wie z. B. mehr separaten Velowegen, in der Schweiz». cherheit erhöht, u. a. dank klareren Regeln würden wohl mehr Personen vom Auto auf das (siehe Kasten). «Die Sicherheitsnormen für E-Bike umsatteln», sagt Stephan Walter, Fach- Selbstunfälle an der Spitze Elektrovelos gehen bereits sehr weit, zusätz- spezialist Mobilität beim BFE. Er hofft, dass Allerdings sind die E-Bike-Fahrer z. T. sehr liche Massnahmen werden schwierig durch- künftig mehr Pendler auf das E-Bike umstei- schnell und nahezu geräuschlos unterwegs, zusetzen sein. Vielleicht müsste man in Zu- gen, sicher ans Ziel kommen und dabei CO2 was im Verkehr gefährlich werden kann. kunft an eine Schulung der E-Bike-Fahrer einsparen helfen. (luf ) Laut den Statistiken der Beratungsstelle für denken», meint Scaramuzza. Für eine bessere Klare Regeln Zur Erhöhung der Sicherheit von E-Bike- Fahrern wurden per 1. Mai 2012 verschiede- ne Vorschriften angepasst: E-Bikes mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 25 km/h gelten seither als Leicht-Motorfahrräder (Art. 18 Bst. b Ziff. 1 VTS) und dürfen ab 14 Jahren gefahren werden (Helm empfohlen). Erreicht das E-Bike jedoch eine Höchstgeschwindig- keit von bis zu 45 km/h, fällt es unter die Kate- gorie der Motorfahrräder (Art. 18 Bst. a Ziff. 2 VTS). Für Fahrer der letzteren Kategorie be- trägt das Mindestalter 16 Jahre. Sie müssen zudem mindestens über einen Führerausweis für Mopeds (Kategorie M) verfügen und einen Helm tragen. Ausserdem benötigen sie für diese Modelle einen Fahrzeugausweis, ein Kontrollschild und einen Rückspiegel. 10
Point de vue d’expert Unternehmerisches Handeln in einem Markt im Umbruch verpflichtet, erforderliche Massnahmen zu treffen, damit sie in ihrem Netzgebiet ihren Endverbrauchern jederzeit die gewünschte Menge an Elektrizität liefern können, und zwar mit der erforderlichen Qualität und zu angemessenen Tarifen. Sie können dies tun, indem sie selbst Strom produzieren oder Strom auf dem Markt beschaffen. Aufgrund der tiefen Marktpreise profitieren die Kunden sogar davon, wenn Strom anders- wo eingekauft wird. Langfristig kann dies nicht der einzige Weg sein. Was ist, wenn alle Marktteilnehmer so handeln? «Der Nachbar wirds richten» – ist das die Philosophie einer nachhaltigen Energieversorgung? Es stellt sich die Frage, ob die Politik nicht einen Leis- tungsauftrag anstelle eines Versorgungsauf- trags schaffen müsste. Irgendwann werden auf dem Markt wieder zu- Die Energiebranche steht vor grossen Heraus- Kostensenkungsprogramme durch und bauen nehmend flexible Kapazitäten gefragt sein. Es forderungen: Viele bedeutende Energieversor- Stellen ab. Dies kann nur kurzfristig Erholung wird wieder attraktiver werden, über Gross- gungsunternehmen (EVU) mussten Verluste verschaffen. Die Rahmenbedingungen der wasserkraftwerke zu verfügen. Bis dahin müs- ausweisen. Dies rührt daher, dass einige, vor Energieversorgung sehen nicht rosig aus, wes- sen viele EVU ihre Strategien anpassen: Wenn allem neue Stromproduktionsanlagen in letz- halb die EVU langfristig umdenken müssen. die Stromproduktion nicht mehr rentiert, ter Zeit rapide an Wert verloren haben. Neben Es gilt, Risiken zu minimieren und Chancen müssen sie sich neue Standbeine aufbauen. Bei dem Netzbetrieb liegt insbesondere in der zu identifizieren bzw. zu nutzen. den meisten heisst das Zauberwort in diesem Stromproduktion das Stammgeschäft vieler Zusammenhang: Energiedienstleistungen. grosser Energieversorger. Ein sicheres Busi- Was heisst das für die Strategie der EVU ness, dachten viele. Die Nachfrage nach Strom konkret? Neue Investitionen in Grossanla- Im Zentrum der Geschäftsstrategie muss die ist schliesslich immer gegeben. gen sind nicht attraktiv. Neue erneuerbare Innovation von technologischen Gesamtlö- Energien sind zwar erwünscht, aber in der sungen stehen, welche auf die individuellen Der erhebliche Zuwachs an erneuerbaren Praxis mit Stolpersteinen versehen, z.B. lan- Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind. Energien im Strommix führt jedoch zu Verzer- gen Bewilligungsverfahren und der «Not In Hierin liegt das Geschäft der Zukunft. Viele rungen am Markt. Da sie stark subventioniert My Backyard»-Problematik. Wenn die Eigen- EVU haben diese Richtung bereits eingeschla- werden und Einspeisevorrang ins Stromnetz produktion von Strom nicht mehr attraktiv gen und ihr Portfolio sowie ihre Organisat ion geniessen, verdrängen sie immer mehr kon- ist, wird der Versorgungsauftrag zum wirt- verändert. In Zukunft möchten wir weniger ventionelle Kraftwerke. Zudem haben sie dazu schaftlichen Risiko. In der Schweiz gibt es für unsere Strommasten und Kraftwerke be- geführt, dass die Strompreise sinken und es grundsätzlich keinen rechtlich verbindlichen kannt sein, sondern für unsere innovativen nicht mehr zu Preisspitzen kommt, wenn viel Versorgungsauftrag für die Energieversorger. Mitarbeitenden! Strom gefragt ist. Tatsache ist aber, dass die Bevölkerung Ver- Suzanne Thoma Das Zusammenspiel von Markt, Regulie- sorgungssicherheit erwartet und sich dies vie- CEO, BKW AG rung und Politik ist momentan alles an- le EVU in den vergangenen Jahren selbst auf dere als günstig für die Energiebranche. die Fahne geschrieben haben. Verteilnetzbe- Auszug aus dem Buch «Energie im Wandel» (2014), Viele Unternehmen führen daher rigorose treiber sind gemäss Stromversorgungsgesetz erschienen im etv Energieverlag 11
Forschung und Innovation Der europäische Strommarkt der Zukunft Eine Marktkopplung mit 19 europäischen Ländern soll in der Schweiz für tiefere Strompreise und eine grössere Versorgungssicherheit sorgen. Wann die Schweiz beim sogenannten Market Coupling einsteigen kann, entscheiden Verhandlungen mit der Europäischen Union. «Nach zweijährigen Vorbereitungsarbeiten jährlich ein «zweistelliger Millionenbetrag» sind wir technisch bereit, den Schweizer eingespart werden, sagt Adam. Strommarkt im Rahmen einer Strommarkt- kopplung mit Europa verbinden zu können», Limitierende Netzkapazitäten sagt Kai Adam, Leiter Europäische Angelegen- Wie gross der Effekt einer solchen Kopp- heiten bei der Übertragungsnetzbetreiberin lung sein kann, zeigt sich auch am Beispiel Swissgrid AG. Die Schweiz wäre das 20. Land, des Stromhandels zwischen Frankreich und welches beim sogenannten Market Coupling Deutschland. Im Jahr 2010 waren die Strom- in Europa mitmacht. Zwar ist der Schweizer marktpreise in den beiden Ländern zu kei- Strommarkt auch jetzt, vor der Einführung der nem Zeitpunkt identisch. Vier Jahre später Marktkopplung, keineswegs autark. Doch zwi- und nach der Einführung der Marktkopplung schen der aktuellen Situation und derjenigen herrscht nun auf beiden Märkten über das Jahr nach erfolgtem Market Coupling findet sich ein gesehen während 53 Prozent aller Stunden entscheidender Unterschied in der Ausgestal- Preisparität. Dass Letztere auch weiterhin tung des Stromhandels (siehe Kasten). nicht ständig erreicht wird, ist der limitierten physischen Netzkapazität geschuldet. Diese Wer heute kurzfristig Strom ins Ausland ver- könnte durch einen Netzausbau erweitert kaufen oder diesen in die Schweiz importieren werden. Der marktlimitierende Effekt der will, muss erst das Recht für die benötigten begrenzten Kapazität lässt sich am Beispiel Transportkapazitäten ersteigern. Durch dieses Grossbritanniens aufzeigen: Der Strompreis komplizierte zweistufige Verfahren kann die auf den Britischen Inseln ist aufgrund der rela- vorhandene Netzkapazität nicht effizient ge- tiv geringen Leitungskapazitäten signifikant nutzt werden. Als Folge davon entwickelt sich höher als in den anderen am Market Coupling trotz eines Handelsvolumens von 20,5 Tera- teilnehmenden Ländern. wattstunden (2014) und rund 70 Handelsteil- nehmenden am Spotmarkt (Grosshandels- «Nutzen überwiegt» markt), auf welchem Stromgeschäfte für den Obwohl der durch die Marktkopplung poten- aktuellen und kommenden Tag abgewickelt ziell entstehende Preisdruck auch Schweizer werden, in der Schweiz kein optimal funktio- Stromerzeuger betrifft, befürwortet der «Ver- nierender grenzüberschreitender Markt. band Schweizerischer Energieunternehmen» (VSE) die Marktkopplung. In der Gesamtheit Im Zuge des Market Coupling werden des- überwiege der Nutzen, sagt VSE-Medien- halb Strom und Übertragungsrechte im so- sprecher Guido Lichtensteiger auf Anfrage. genannten Day-Ahead-Markt, bei dem Strom «Neben der Reduktion der Komplexität des für den darauffolgenden Tag gehandelt wird, Stromhandels bietet ein Market Coupling zu einem integrierten Markt zusammengelegt für die Schweizer Stromunternehmen auch (siehe Kasten). Dies sorgt neben einer erhöh- einen besseren Marktzugang und folglich ten Versorgungssicherheit auch für eine effi- bessere Marktchancen.» Bei Stromengpässen zientere Nutzung der grenzüberschreitenden können Länder mit hoher Nachfrage von aus- Stromnetze. Die Ausnutzung der Netzka- ländischen Anbietern einfacher mit Energie pazität steigt. Marktmechanismen folgend versorgt werden. Davon können nicht zuletzt führt die Marktkopplung deshalb zu tenden- die schweizerischen Wasserkraftwerke mit ziell tieferen Kosten. In der Schweiz könnte ihren Speichern profitieren. Der Bundesrat 12
verspricht sich vom Market Coupling denn (Stand März 2015). Kai Adam von Swissgrid auch einen «optimierten Kraftwerkeinsatz». betont, dass die europäischen Übertragungs- netzbetreiber eine Teilnahme der Schweiz Einführungszeitpunkt noch ungewiss begrüssen würden. «Technisch bringt diese «Nach einer Vorlaufzeit von maximal drei für alle Vorteile.» Monaten wären wir für das Market Coupling bereit», sagt Davide Orifici, Leiter der Schwei- Würde sich die Einführung des Market Coup- zer Niederlassung der Strombörse Epex Spot ling stark verzögern, könnte die Schweiz den in Bern. Diese bereitet die Marktkopplung technischen Anschluss verlieren, befürch- der Schweiz gemeinsam mit Swissgrid vor. tet Adam. Dann kämen hohe Kosten auf die Doch noch ist unklar, wann die Ankopplung Schweiz zu. Der Bundesrat teilte diese Sorge der Schweiz erfolgen kann. Eine am 1. Juli in in einer im Februar verfassten Antwort auf ei- Kraft tretende EU-Verordnung hält fest, dass nen parlamentarischen Vorstoss. Langfristig die Schweiz nur dann am europäischen Mar- drohe zudem das Ausscheiden von Swissgrid ket Coupling teilnehmen kann, wenn ein über aus dem Verbund europäischer Übertragungs- die Marktkoppelung hinausgehendes Strom- netzbetreiber oder der Ausschluss der Schweiz abkommen abgeschlossen wird. In Bezug auf von grenzüberschreitenden Regelenergie- das Market Coupling geht es dabei etwa um märkten. «Längerfristig könnten Stromlei- Fragen der Gerichtsbarkeit. Die Ausarbeitung tungen rund um die Schweiz herum gebaut des Abkommens ist vor dem Hintergrund werden», so die Regierung. Dies etwa bei ei- der Differenz zwischen der Schweiz und der ner fehlenden Einbindung in die strategische, Europäischen Union bezüglich Personen- länderübergreifende Planung von Strom freizügigkeit ins Stocken geraten. Es besteht netzen, erklärt Aurelio Fetz vom Bundesamt allenfalls die Möglichkeit, dass die Schweiz für Energie. Eine nicht angekoppelte Schweiz ein interimistisches Stromabkommen mit der drohe von neuen Vergütungsmodellen ausge- EU unterzeichnen kann. In diesem Fall könn- schlossen zu bleiben, bei denen neben dem Er- te eine vorläufige Marktkopplung möglicher- zeugen von Strom auch das Bereitstellen von weise bereits in diesem Jahr Tatsache werden Kraftwerkkapazitäten abgegolten wird. (bwg) Stromhandel und Market Coupling Wird der Marktpreis für den kommenden Tag im Day-Ahead-Handel zurzeit im Rahmen einer täglichen Auktion ermittelt, geschähe dies im Rahmen des Market Coupling durch einen komplexen, standardi- sierten Algorithmus. Dabei werden das zu erwartende Angebot und die voraussichtliche Nachfrage in den gekoppelten Ländern so lange miteinander abgeglichen, bis Preisgleichheit herrscht oder die Netzkapazitäten ausgelastet sind (siehe Haupttext). Unter Miteinbezug der Netzkapazitäten wird dann der durchschnittliche Handelspreis für den kommenden Tag berechnet. Um die Netzkapazitäten für den kommenden Tag vorauszusagen, werden nicht nur Erfahrungswerte herbeigezogen und Handelsentwicklungen beobachtet, sondern auch Wetterprognosen konsultiert. Durch den steigenden Anteil neuer erneuerbarer Energien wie Sonne und Wind fällt dies immer stärker ins Gewicht. Auch deshalb nimmt die Bedeutung des Intraday-Handels laut Aurelio Fetz vom Bundesamt für Energie ständig zu. In diesem Markt wird Strom zeitnah und für den laufenden Tag gekauft bzw. verkauft. Energiehändler können dadurch kurzfristig ihre Bilanzen ausgleichen und auf Einspeisungs- schwankungen reagieren, wie sie etwa durch wechselhafte Windverhältnisse entstehen. Im Jahr 2014 wurden an der Strombörse Epex Spot rund 1,1 Terawattstunden (TWh) im Intraday-Handel gehandelt. Zusammen mit den am Day-Ahead-Markt gehandelten 20,4 TWh entspricht dies rund 33 Pro- Market Coupling der Schweiz mit 19 Ländern möglich. zent des nationalen Gesamtverbrauchs. 13
Wissen Grüne Welle auf dem Schweizer Schienennetz Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) wollen ihren Stromverbrauch bis 2025 um 20 Prozent senken. Dazu haben sie ein neues System – die «Adaptive Lenkung der Züge» (ADL) – eingeführt. Mit diesem System erhalten die Lokführer Geschwindigkeitsempfehlungen, sodass sie energieaufwendige Stopps möglichst vermeiden und so von einer grünen Welle profitieren können. Wenn der Lokführer seinen 1000 Tonnen Programms. «Die auf dem Tablet angezeigte ? Wussten Sie, dass … schweren Güterzug in Bewegung setzt, ver- optimale Geschwindigkeit ist aber nur eine … die SBB bis 2025 pro Jahr 600 GWh Strom einsparen braucht dieser rund 77 kWh. Dies entspricht Empfehlung und keine Pflicht», sagt er. «Aus will? Dies entspricht ungefähr dem Energieverbrauch dem durchschnittlichen wöchentlichen Ener- Sicherheitsgründen haben die Signale entlang des Kantons Tessin. giekonsum eines Schweizer Haushalts. Wäh- der Schienen immer noch Vorrang.» rend der Fahrt erhält der Lokführer auf seinem Tablet laufend Informationen, um die Ge- Ermutigende erste Reaktionen schwindigkeit den Verhältnissen entsprechend Mit der definitiven Einführung des neuen zu drosseln bzw. anzupassen. Durch dieses ADL-Systems per 1. Januar 2015 hat die Anzahl vorausschauende Fahren lassen sich unnötige unnötiger Stopps stark abgenommen. «Wir Stopps vermeiden, die den Energieverbrauch haben festgestellt, dass diese Züge pünktli- des Güterzugs erheblich erhöhen würden. Die cher sind», sagt der Projektleiter. SBB hat dafür eigens innerhalb von fünf Jahren ein System namens ADL zur adaptiven Rege- Zudem verbraucht die SBB heute rund lung der Fahrgeschwindigkeit entwickelt. 120 000 kWh weniger pro Tag als vorher. Dank ADL dürfte die SBB von insgesamt 1775 GWh/ Informationen auf dem Tablet Jahr Bahnstrom jährlich 71,7 GWh einsparen Dank diesem ist der Lokführer ständig mit können, dies betrifft vor allem Güter- und Energie-Vorbild Bund dem Betriebszentrum und dem Rail Control Intercityzüge. In der Schweiz sind täglich Im Rahmen der Energiestrategie 2050 ist ein System (RCS) verbunden. Während der Fahrt 10 000 Züge mit ADL-System unterwegs. Massnahmenpaket vorgesehen, das die Ener- berechnet es mithilfe eines Algorithmus die Davon erhalten im Schnitt 1200 Züge Ge- gieeffizienz in der Bundesverwaltung und in empfohlene Geschwindigkeit, damit der Zug schwindigkeitsempfehlungen. Rolf Schmitz, den bundesnahen Betrieben (SBB, Post, Swiss- nicht vor einem roten Signal stoppen muss. Leiter der Sektion Energieforschung beim com und Skyguide) sowie im ETH-Bereich weiter Dieses System scheint die Lokführer zu über- BFE, begrüsst diese Effizienzmassnahmen verbessern soll. Die SBB plant, ab 2025 nur noch zeugen: Fast 100 Prozent von ihnen halten der SBB: «Derartige Systeme könnten uns mit erneuerbarem Strom zu fahren (unter ande- sich laut dem SBB-Projektverantwortlichen helfen, die Ziele der Energiestrategie 2050 zu rem dank Strom aus dem Pumpspeicherkraftwerk Médard Fischer an die Einschätzungen des erreichen.» (luf ) Nant de Drance). 14
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