Hate Crime Vorurteilsmotivierte Straftaten Hassdelikte - VSTART

Die Seite wird erstellt Hellfried Peters
 
WEITER LESEN
Hate Crime Vorurteilsmotivierte Straftaten Hassdelikte - VSTART
V-ST RT

  Ein Handbuch für Praktiker*innen

→ Hate Crime
→ Vorurteilsmotivierte
  Straftaten
→ Hassdelikte
  erkennen und aktiv entgegentreten

  Vorurteilsmotive:
   •   Rassismus           • Homo- und
   •   Antisemitismus        Transphobie
   •   Antiziganismus      • Misogynie
   •   Anti-Muslimischer   • Ableismus
       Rassismus           • Altersdiskriminierung
Mit Unterstützung unserer Partner*innen:   Einleitung                                                                                         4

                                           Was ist hate crime?                                                                                7

                                           Warum ist es wichtig, hate crime zu erkennen und als solche zu benennen?                            8

                                           Warum gibt es so ein großes Problem mit ‚underreporting‘?                                           9

                                           Hate crime im internationalen Recht                                                               10

                                           Hate crime im nationalen Kontext                                                                  11

                                           Warum wiegen hate crimes mehr als andere Straftaten?                                             13

                                           Hate crime Betroffene haben häufig auch schon Diskriminierung erlebt                              14

                                           Handlungsoptionen: Betroffene bestmöglich unterstützen                                           17

                                           Vom Erstkontakt bis hin zu adäquater langfristiger Unterstützung                                  18

                                           Hate crime erkennen üben                                                                          21

                                           Weiterlesen & Expert*in werden                                                                    23

                                           An wen kann ich mich wenden?                                                                      24

                                           Impressum                                        Die Publikation wurde im Rahmen des Projekts
                                           Herausgeber*innen:                               V-START – Victim Support Through Awareness-Rais-
                                                                                            ing and neTworking erstellt und gefördert durch die
                                           ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit    Europäische Union aus dem Programm der GD Justiz
                                           © 2019 Wien                                      (2014-2020) sowie durch das Bundesministerium
                                                                                            für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Die
                                           Schönbrunner Straße 119/13
                                                                                            Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung
                                           A-1050 Vienna
                                                                                            tragen alleine die Verfasser*innen; die Europäische
                                           T + 43 1 929 13 99                               Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung
                                           office@zara.or.at                                der darin enthaltenen Angaben.
                                           www.zara.or.at

                                           Editor: Dieter Schindlauer, ZARA                                      Co-finanziert durch das
                                           Autor*innen: Anna-Laura Schreilechner,                                Justizprogramm der
                                           Lukas Gottschamel, ZARA                                               Europäischen Union

                                           Projektkoordination V-START: Udo Enwereuzor,
                                           COSPE

                                           Lektorat: Ferhat Özbay, ZARA
                                           Grafik: Fabian Lang, DERGESTALT
                                                                                            Co-finanziert durch das Bundesministerium für
                                                                                            Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Einleitung
                                                                                                          man sie als Zugehörige*r einer Gruppe er-
                                                                                                          kennt/abstempelt, die man als minderwertig
                                                                                                          oder gefährlich betrachtet, deren Mitgliedern
                                                                                                          man das Da-Sein oder gar das Mensch-sein
                                                                                                          aberkennt. Es handelt sich also um ausgeleb-
                                                                                                                                                             3      In den USA ist der Begriff weitver-
                                                                                                                                                                    breitet und für die Bevölkerung in
                                                                                                                                                                    seinem Sein durchaus verständlich.
                                                                                                                                                             In der USA ist der Begriff hate crime weiter-
                                                                                                                                                             verbreiteter als in der EU. Der Begriff wird
                                                                                                          te Verhetzung.                                     in den USA wohl eher damit in Verbindung
                                                                                                                                                             gebracht, dass eine Person oder Gruppe an-
Das Phänomen mit Warnfunktion!                                                                            Auch wenn das Wort „Hass“ nicht genau das          gegriffen wurde oder sein/ihr Eigentum zer-
                                                        Dieses Handbuch richtet sich an alle              richtige ist und der Begriff hate crime miss-      stört wurde aufgrund seiner tatsächlichen
Schon oft genug wurden in unterschiedlichen             Personen, die in der Praxis – z.B. im Opfer-      verständlich zu sein scheint, macht es aus         oder vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer
Regionen dieser Welt Gruppen herausgepickt              schutzbereich, in den Bereichen Antidis-          folgenden Gründen trotzdem Sinn, mit dem           Gruppe.
und zu Feindbildern stigmatisiert. Mit genü-            kriminierung & Menschenrechte, Soziale            Begriff hate crime zu arbeiten:

                                                                                                          1
gend Macht und Herrschaft und einem unge-               Arbeit, Flucht & Asyl, etc. – tätig sind.                                                            Der Begriff wurde in den EU Kontext aufge-
brochenen Diskurs, der Menschen aufgrund                                                                       Hate crime wird häufig mit (online) hate      nommen und als ein Phänomen verstanden,
einer tatsächlichen oder vermeintlichen Zu-                                                                    speech in Verbindung gebracht. Auch           das sich gegen unterschiedliche Gruppen
gehörigkeit zu diesen Gruppen dämonisiert             troffene adäquate Unterstützung erhalten,                 wenn die zwei Phänomene unterschied-         richten kann. So wurde vom OSZE Büro
und herabwürdigt, wurden Gesellschaften               wovon derzeit leider häufig zu wenig ge-            lich sind, hängen sie doch sehr nahe zusam-        für Demokratische Institutionen und Men-
so weit gespalten, dass man sie gegenein-             boten wird. Wir können andererseits Sig-            men. Die Begriffe sind zwar nicht synonym,         schenrechte (BDIMR/ODIHR) formuliert,
ander ausspielen konnte oder Personen so              nalwirkung solcher Taten erkennen und als           hate speech kann aber auch als hate crime zu       dass sich ein hate crime gegen Personen und/
weit brachte, die als „anders“ stigmatisierte         Warnung davor behandeln, dass Situationen           qualifizieren sein. Zum Beispiel, wenn es sich     oder Gruppen bzw. Mitglieder einer Grup-
Gruppe aus dem öffentlichen Raum zu ex-               aus dem Ruder zu geraten drohen.                    um Verhetzung oder einen Verstoß gegen das         pe aufgrund der ethnischen oder nationalen
kludieren und/oder anzugreifen und in letz-                                                               Verbotsgesetz handelt, dann, wenn eine Be-         Zugehörigkeit, der Hautfarbe, des Alters,
ter Konsequenz sogar zu töten. Der Genozid            Hate crime (auch Hassverbrechen, Hassdelikt,        leidigung „qualifiziert“ ist, wenn sie sich also   der sexuellen Orientierung, des Geschlechts,
an den Herero und Namaqua im Südafrika                vorurteilsmotivierte Gewalt) ist kein unum-         gegen eine Person aufgrund ihrer Zugehörig-        einer Behinderung, der Sprache, politischen
des frühen 20. Jahrhundert, der Genozid an            strittener Begriff. Es ist ein englischer Begriff   keit zu einer bestimmten Gruppe richtet.           Einstellung und des sozialen Status richten
den Armeniern (1915 – 1917), die Shoa des             aus internationalen Vereinbarungen, der im                                                             kann. Im Verständnis der Autor*innen reicht
NS-Regimes, der Völkermord an den Tutsi in            deutschsprachigen Kontext nicht einfach zu          Hate speech ist mittlerweile in den USA sowie      die ODIHR Definition diesbezüglich etwas
Rwanda im Jahre 1994 sind nur ein paar Bei-           verstehen ist, weil das Wort „Hass“ missver-        in Europa ein gängiger Begriff und eignet          zu weit und wird somit unklar. Im österrei-
spiele dafür.                                         ständlich sein kann.                                sich somit für transnationalen Austausch.          chischen Kontext bezeichnet § 283 Abs 1 Z 1

                                                                                                          2
                                                                                                                                                             StGB die Personen/Gruppen, gegen die hate
Die Verantwortung, die den Nachkommen-                Wenn wir Hass als Gegenteil von Liebe ver-                 Hass ist ein verständlicher Begriff,        crime begangen werden kann.
den zukommt, ist es, niemals zu vergessen             stehen, scheint der Begriff nicht der pas-                 auch für jene, die sich nicht ausgiebig
sowie immer hinzusehen und ein Auge auf               sendste zu sein. Es geht bei der Handlung,                 mit Diskriminierung, Hasssprache,           Es ist wichtig festzuhalten, dass einzelne
Trends und Tendenzen zu haben, um zu er-              eine Straftat aufgrund eines Vorurteils zu          Hassverbrechen, etc., auseinandersetzen. Die       Phänomene daraus – wie Rassismus, Anti-
kennen, ob Hass und Diskriminierung sich in           begehen, nämlich nicht darum, eine Person           meisten Menschen kennen das Gefühl und             semitismus, Anti-Muslimischer Rassismus,
Menschen einnistet.                                   z.B. anzugreifen, weil man sie auf persönli-        spüren, was Hass anrichten kann, wie ernst         Antiziganismus, Homophobie, Transpho-
                                                      cher Ebene hasst, sondern es geht darum, ein        man ihn nehmen muss und wie viel Gewalt            bie, Ableismus, Misogynie, Sexismus, etc.
Um dieser Verantwortung nachzukommen,                 Vorurteil gegen eine ganze Gruppe an einer          und zerstörerische Kraft er mit sich bringen       – einzeln Aufmerksamkeit benötigen und
müssen wir das Phänomen hate crime – Straf-           Person, einer Gruppe oder deren Eigentum            kann.                                              differenziert zu betrachten sind. Die gemein-
taten mit Vorurteilsmotiv1 – ernst nehmen.            auszuleben.                                                                                            same Betrachtung als Phänomen hate crime
Indem wir das Phänomen im Auge behalten,                                                                  Somit macht das Wort Hass die Phänomene            erscheint jedoch in Theorie und Praxis von
können wir einerseits sicherstellen, dass Be-         Ein hate crime kann u.U. auch gegen eine Per-       hate crime und hate speech für viele Menschen      Vorteil zu sein, da dadurch die Warnfunktion
                                                      son, die man persönlich kennt, gerichtet sein       ganz grundsätzlich greifbar.                       verstärkt wird und den unterschiedlichen
1 Nach der praxisorientierten Definition von ODIHR/   – zumeist aber richtet es sich gegen eine un-                                                          Phänomenen doch sehr ähnliche Mechanis-
OSZE.
                                                      bekannte Person, die man nur angreift, weil                                                            men zugrunde liegen und Synergien und So-

4 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                          5
Was ist hate crime?
lidarität in den Gegenmaßnahmen begüns-           Die Funktion von ODIHR/BDIMR (www.
tigt werden. In der Praxis vor allem erscheint   hatecrime.osce.org) als Überblicksplattform,
es ausschlaggebend, dass übergreifend, trans-    die Staaten und Organisationen dazu auf-
sektoral Verknüpfungen und Ähnlichkeiten         ruft, mehr Daten zu erheben, diese an sie wei-
erkannt und genutzt werden, um ein einigen-      terzuleiten, und Unterstützungsmaßnahmen
des Vorgehen anzuregen.                          auszubauen, bietet sich hierzu sinnvollerwei-

4
                                                 se an und sollte tatsächlich von den Regierun-    →→ „Hate crimes sind kriminelle Handlun-               Ein besonderer Erschwerungsgrund liegt vor,
        In ganz Europa, aber auch in ande-       gen und Institutionen der Mitgliedsstaaten        gen mit einem Vorurteilsmotiv gegen be-                wenn ein*e Täter*in …
        ren Regionen dieser Welt, besteht        sowie den relevanten zivilgesellschaftlichen      stimmte Personengruppen.“2
        ein großes Problem mit „underre-         Organisationen verwendet werden.                                                                             … „aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder
porting“ von hate crime, also eine Situation,                                                     Hate crimes (Hassverbrechen, Vorurteilsdelik-           anderen besonders verwerflichen Beweggründen,
in der nur sehr wenige Fälle davon bekannt       Um der Realität der mehr als lückenhaften        te, Hasskriminalität, Vorurteilsverbrechen,             insbesondere solchen, die sich gegen eine der in §
werden und auch als solche abgehandelt und       Datenlage, der mangelnden Unterstützungs-        vorurteilsmotivierte Straftaten) müssen also            283 Abs 1 Z 1 genannten Gruppen von Personen
dokumentiert werden. Es existieren erstens       maßnahmen und spärlichen Handlungs-              zwei Kriterien erfüllen:                                oder ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrück-
zu wenige weitbekannte Maßnahmen, die            optionen der Verbrechensopfer entgegen-                                                                  lich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe
sich der Problematik widmen, die Unter-          zutreten, ist es ausschlaggebend, innerhalb       • Das Motiv des*der Täter*in muss vor-                 richten, gehandelt hat.“
stützung anbieten sowie dokumentieren,           existierender Strukturen Expert*innen aus-          urteilsbehaftet sein
und zweitens gehen wir davon aus, dass nur       zubilden und zu beauftragen, flächende-           • Die Tat muss strafrechtlich verfolgbar               Im österreichischen Kontext gehen wir also
eine geringe Anzahl der tatsächlichen Ge-        ckend hate crime als Phänomen sichtbarer zu         sein                                                 davon aus, dass die Einzelpersonen oder
schehnisse gemeldet und/oder zur Anzeige         machen und Unterstützungsmaßnahmen für                                                                   Gruppen, die wegen ihrer tatsächlichen
gebracht werden. Diese hohen Dunkelziffern       Betroffene sinnvoll auszubauen und zu ver-        →→ Ein hate crime ist also eine Straftat mit           oder vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer
führen dazu, dass es nach wie vor schwierig      bessern.                                          einem vorurteilsbehafteten Handlungs-                  Gruppe, die in § 283 Abs 1 Z Strafgesetzbuch
bis unmöglich ist, das tatsächliche Ausmaß                                                         grund. D.h. die Straftat wäre ohne die Vor-            genannt sind, von hate crime | Vorurteilskri-
des Phänomens hate crime realistisch einzu-      Aus diesem Grunde richtet sich dieses Hand-       urteile aufseiten des*der Täter*in nicht               minalität | Hassverbrechen | Hassdelikten |
schätzen. Es ist daher dringend geboten, die     buch an alle bereits aktiven Personen, die in     passiert.                                              vorurteilsmotivierter Gewalt betroffen sein
Datenlage zu verbessern, um einen Überblick      der Praxis– im Bereich Opferschutz, Interes-                                                             können.
zu bekommen und Trends sowie Tendenzen           sensvertretung, Antidiskriminierung, Soziale
als Warnfunktion nutzen zu können.               Arbeit, im Bereich Flucht & Asyl, etc. – tätig   § 33 Strafgesetzbuch (StGB) – „die                      Hate crimes sind also im österreichischen
                                                 sind.                                            besonderen Erschwerungsgründe“                          Kontext Straftaten die sich …
Zu einer realistischen Einschätzung der Ge-
samtsituation können wir aber nur gemein-        Nur gemeinsam können wir das Phänomen            Im österreichischen Strafgesetzbuch findet sich             … „gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft
sam, unter Mitwirkung unterschiedlicher          wahrnehmen, verstehen, sichtbar machen           in § 33 Abs 1 Z 5 die Definition der „besonderen        oder eine andere nach den vorhandenen oder
Akteur*innen, kommen.                            und bekämpfen!                                   Erschwerungsgründe“. Diese Norm legt fest,              fehlenden Kriterien der Rasse3, der Hautfarbe, der
                                                                                                  unter welchen Umständen das Gericht bei der             Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der
                                                                                                  Entscheidung über die Strafzumessung (Aus-              Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder natio-
                                                                                                  maß der Strafe im Urteil) zu einem höheren              nalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts,
                                                                                                  Strafmaß greifen muss, also schwerer bestrafen          einer körperlichen oder geistigen Behinderung, des
                                                                                                  muss. Die besonderen Erschwerungsgründe                 Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte
                                                                                                  bilden das Gegenstück zu den, generell besser           Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied
                                                                                                  bekannten, „Milderungsgründen“.
                                                                                                                                                          3 Das Strafgesetzbuch geht nicht davon aus, dass es
                                                                                                                                                          menschliche Rassen tatsächlich gibt, sondern schützt
                                                                                                  2 Hier handelt es sich um die praxisorientierte hate
                                                                                                                                                          durch die Aufzählung dieses im deutschsprachigen
                                                                                                  crime Definition, die vom OSZE-Büro für Demokratische
                                                                                                                                                          Raum rassistischen Konzepts auch vor Täter*innen die
                                                                                                  Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) formuliert
                                                                                                                                                          sich dessen dennoch bedienen. Diese sollen nicht damit
                                                                                                  wurde.
                                                                                                                                                          davonkommen.

6 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                                     7
einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der         • Vorurteilsmotivierte motivierte Beleidi-        müssen Sie aber auch nicht. Eignen Sie sich        Der Erwerb von Wissen über hate crime und
Zugehörigkeit zu dieser Gruppe“ (§ 283 Abs 1 Z        gung (§ 115 StGB)                               das nötigste Überblickswissen an und legen         das Aneignen von Handlungsoptionen, um
1 StGB) …                                           • Vorurteilsmotivierte Verhetzung (§ 283          Sie sich eine Liste an Organisationen, Ein-        von hate crime Betroffene zu unterstützen,
                                                      StGB)                                           richtungen bereit, die Sie im Falle bei der Be-    ist nicht nur eine weitere Fähigkeit, die Sie
… richten.                                            vor vielen Leuten auf der Straße und/           treuung/Begleitung einer*eines Betroffenen         sich erarbeiten, sondern auch ein Einstehen
                                                      oder im Internet                                unterstützen oder wiederum beraten können          für Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit und
                                                    • Vorurteilsmotivierte Störung einer Reli-        bzw. an die Sie weitervermitteln können.           Gleichberechtigung.
Welche (Straf-)taten können in                        gionsübung (§ 189 StGB)                         Auch Weitervermittlung ist ein ausschlagge-
Österreich als hate crime bzw.                      • Verstöße gegen das Verbotsgesetz                bender Schritt und trägt zu Veränderung bei.
als Vorurteilskriminalität – z.B.                   • Vorurteilsmotivierter Landzwang (§ 275
als rassistisches, homophobes,                        StGB)
transphobes, ableistisches,
                                                                                                      Warum gibt es so ein großes Problem
                                                    • Vorurteilsmotivierte Störung der Toten-
antimuslimisches, antisemitisches,                    ruhe (§ 190 StGB)
antiziganistisches oder misogynes
„Hassverbrechen“ - gelten?                         Diese Liste beinhaltet lediglich Beispiele.        mit ‚underreporting‘?
                                                   Sollten Sie sich unsicher sein, ob die Erfah-
 • Vorurteilsmotivierter Mord                      rung, die Ihr*e Klient*in gemacht hat, eine        Es gibt ein ganzes Bündel an nachvollziehbaren        Scheu im Umgang mit Behörden („Ich
 • Vorurteilsmotivierte Körperverletzung (§        Straftat darstellt, können Sie sich jederzeit      Gründen für die allgegenwärtige Tendenz, er-          hab noch nie was mit der Polizei zu tun
   83 StGB, § 84 StGB, § 85 StGB, § 86, § 87)      von einer Einrichtung mit juristischer Exper-      lebte vorurteilsmotivierte Straftaten eher nicht      gehabt!“)
 • Vorurteilsmotivierte gefährliche Drohung        tise – auch kostenlos – beraten lassen. Ihre       zu melden bzw. zur Anzeige zu bringen. Sich als
   (§ 107 StGB)                                    Organisation hat zudem die Möglichkeit,            Verbrechensopfer mit der Tat tiefgehend aus-       →→ Aufgrund eines unsicheren Status Angst
 • Vorurteilsmotivierte Sachbeschädigung (§        Mitglied des Klagsverbandes zur Durchset-          einanderzusetzen ist immer schmerzhaft und            davor, sich an eine Einrichtung zu wen-
   125 StGB, § 126 StGB)                           zung der Rechte von Diskriminierungsopfern         braucht Kraft und Mut. Hürden gibt es viele           den, sei es an die Polizei, aber auch an
 • Vorurteilsmotivierte Brandstiftung (§ 169       zu werden. Als Mitglied werden Sie jederzeit       und Gerichtsverfahren können lange dauern.            Beratungseinrichtungen
   StGB)                                           kostenlos rechtlich beraten.
                                                                                                      Hier eine Liste an Gründen, die zu einem           →→ Sprachliche Barrieren können ein erheb-
                                                                                                      erheblichen underreporting bzw. zu einer              licher Grund dafür sein, dass Betroffene

Warum ist es wichtig, hate crime zu
                                                                                                      mangelnden Datenerfassung beitragen:                  sich nicht melden, keine Beratung in An-
                                                                                                                                                            spruch nehmen und/oder keine Anzeige

erkennen und als solche zu benennen?
                                                                                                      →→ Es gibt erhebliche Informationslücken:             erstatten.
                                                                                                         Wo kann ich melden, mich beraten las-
                                                                                                         sen, eine Anzeige tätigen? Warum und            →→ Vorhergehende schlechte Erfahrungen
Häufig ist es nicht einfach für Personen – Be-     ken über das Motiv der*des Täter*in machen            wie soll ich das überhaupt machen?                 (Eigenerfahrungen und/oder Erfahrun-
troffene und/oder Zeug*innen – sich an eine        zu sollen, kann oft etwas zu viel verlangt sein.                                                         gen anderer im sozialen Umfeld)
Beratungsstelle zu wenden und dann auch                                                               →→ Zudem gibt es weitverbreitete Informati-
noch klar und bestimmt auszudrücken, wel-          Deshalb ist es umso wichtiger, dass Sie als           onslücke bzgl. der gegebenen Mittel zum         →→ Mangelndes Vertrauen: Betroffene ha-
che Verletzung und Ungerechtigkeit ihnen ge-       Berater*in oder Ansprechperson erkennen               Schutz, Mittel zur Verfolgung von hate             ben häufig das Gefühl, dass es sinnlos
nau passiert ist. Es ist für Menschen, die keine   können, ob es sich um hate crime handelt.             crime und wenig verbreitetes Wissen über           sei, Taten zu melden oder zur Anzeige
psychosoziale oder juristische Ausbildung ha-      Nur dann können Sie herausfinden, welche              Gesetzeslage und Strafverfahren.                   zu bringen, weil sie kein Vertrauen in
ben, zudem schwer, bei manchen Erlebnissen         Schritte Sie einleiten bzw. an wen Sie weiter-                                                           Institutionen und/oder das praktizierte
oder bei Situationen, die man*frau miterlebt       vermitteln können.                                 →→ Angst aufgrund schon erlebter negativer            Rechtssystem haben.
hat, zu beurteilen, ob es sich um eine Straftat                                                          Erfahrungen mit Erstkontaktstellen, Be-
nach österreichischem Recht handelt.               Es ist nicht wenig Arbeit, sich mit allen ein-        hörden oder Einrichtungen                       →→ Viele Betroffene verspüren auch Scham
                                                   zelnen Diskriminierungsgründen detailliert                                                               und/oder Schuldgefühle wegen ihrer
Sich als Betroffene*r dann auch noch Gedan-        auseinanderzusetzen. Das können Sie tun,           →→ Grundsätzlich mangelnde Erfahrung und              Viktimisierung.

8 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                      9
→→ Viele Betroffene sind auch einfach zu-              Dingen allein fertig werden zu müssen         Die Ebene der Europäischen Union                           • Rechte auf Information und Unterstüt-
   rückhaltend, weil sie ihr traumatisieren-           oder gar darüber stehen zu sollen.                                                                         zung
   des Erlebnis einfach hinter sich lassen                                                           Innerhalb der EU ist die Charta der Grund-                 • Opfer haben das Recht auf Zugang zu
   wollen.                                         Hier ist also festzuhalten, dass man Personen,    rechte der Europäischen Union seit 2009                      und Unterstützung durch Opferhilfs-
                                                   die sich tatsächlich darauf einlassen, ihre Er-   rechtsverbindlich. Im Jahr 2008 fasste der EU                diensten
→→ Es gibt gewisse Dynamiken, die als              lebnisse zu melden und Anzeige zu erstatten,      Rat zudem den Rahmenbeschluss (2008/913                    • Recht auf Teilnahme am Strafverfahren
   „Whistleblower“-Effekt beschrieben wer-         den höchsten Respekt zollen sollte, da dies       / JI) über die strafrechtliche Bekämpfung be-              • Recht auf Schutz der Opfer und Anerken-
   den können. Wenn Betroffene mit ihren           keineswegs ein einfacher Weg ist.                 stimmter Formen und Ausdrucksweisen von                      nung als Opfer mit besonderen Schutz-
   Erfahrungen an die Öffentlichkeit gehen,                                                          Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zusam-                    bedürfnissen
   könnten sie befürchten, dass andere sich        Je mehr Personen sich aber für Betroffene         men.
   dazu gezwungen fühlen, ihre Geschichte          von hate crime einsetzen und das Phänomen                                                                Diese Richtlinie hält in ihrem Artikel 22 Abs
   auch zu erzählen. Alternativ kann dies als      sichtbar machen, desto mehr Hoffnung be-          In der EU-Richtlinie (2012/29/EU) zur Fest-            3 fest, dass auch Opfern von Hassverbrechen
   „Outing-Druck” beschrieben werden.              steht, dass sich Verbesserung breitmacht und      legung von Mindestnormen für die Rechte,               besonderer Schutz zu gewähren ist, da sie
                                                   Personen immer mehr Möglichkeiten haben,          die Unterstützung und den Schutz von Op-
→→ Viele Opfer von Gewalttaten fühlen sich         Gerechtigkeit zu erfahren. Es könnte also         fern von Straftaten wird das Mindestmaß an                 • ein höheres Risiko für sekundäre und
   schwach, wenn sie Hilfe in Anspruch neh-        leichter werden!                                  Rechten für alle Opfer von Straftaten festge-                wiederholte Viktimisierung, Einschüchte-
   men. Sie haben oft das Gefühl, mit diesen                                                         schrieben und zwar:                                          rung und Vergeltung haben und
                                                                                                                                                                • besondere Schutzmaßnahmen notwendig
                                                                                                                                                                  sind.

Hate crime im internationalen Recht
Art. 2 der Allgemeinen Erklärung der Men-          Die Ebene der Vereinten Nationen                  Hate crime im nationalen Kontext
schenrechte
                                                   Die heutige Gesetzgebung gegen Diskrimi-          In Österreich arbeiten die meisten zivilgesell-        nationality, sexual orientation, gender or any
    „Jeder Mensch hat Anspruch auf alle Rechte     nierung und für die Bekämpfung von vorurteils-    schaftlichen sowie staatlichen Akteur*innen            other fundamental characteristic. People with
und Freiheiten, die in dieser Erklärung fest-      motovierten Straftaten sind in wesentlichen       mit der schon erwähnten praxisorientierten             disabilities may also be victims of hate crimes.“5
gelegt sind, ohne Unterschied jeglicher Art, wie   internationalen (UN) Verträgen verankert:         hate crime Definition des OSZE Büros für
Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion,                                                     Demokratische Institutionen und Menschen-              Der zweite Satz dieser Formulierung er-
politische oder andere Meinung, nationale oder     →→ das internationale Übereinkommen über          rechte (BDIMR/ODIHR).                                  scheint im österreichischen Kontext höchst
soziale Herkunft, Eigentum, Geburt oder anderer       die Beseitigung aller Formen rassistischer                                                            eigenartig. Erstens, weil die Formulierung
Status (...)“                                         Diskriminierung       (UN-Rassismuskon-           „Hate crimes are criminal acts motivated            durch die Worte “and other fundamental
                                                      vention/ICERD), das 1965 angenommen            by bias or prejudice towards particular groups of      characteristics” jedenfalls zu hinterfragen ist
Hier finden Sie eine kurze Zusammenfassung            wurde und 1969 in Kraft getreten ist,          people.“4                                              und zweitens, weil die Formulierung - „Peo-
zu hate crime im internationalen Kontext, um                                                                                                                ple with disabilities may also be victims of hate
einen Überblick darüber zu bekommen, wo            →→ die Frauenrechtskonvention (CEDAW),            Zudem hat das BDIMR (ODIHR) folgenden                  crimes“ - nicht sonderlich sensibilisiert und
hate crime als Phänomenbeschreibung her-              die 1979 verabschiedet wurde und 1981          Beisatz formuliert:                                    Gleichberechtigung fördernd ist, sondern
kommt und wo die Debatte um Begriff und               in Kraft getreten ist und                                                                             eher unwillig und herablassend wirkt.
Aspekte rund um Hasskriminalität aktuell                                                                 „Bias motivations can be broadly defined as
international stehen.                              →→ das UN-Übereinkommen über die Rechte           preconceived negative opinions, stereotypical          Da ist hate crime im österreichischen Kontext
                                                      von Menschen mit Behinderung (CRPD),           assumptions, intolerance or hatred directed to a       leichter definierbar, da gemäß §§ 33 iVm 283
                                                      das 2006 beschlossen wurde und 2008 in         particular group that shares a common characte-        StGB alle vorurteilsmotivierten Straftaten
                                                      Kraft getreten ist                             ristic, such as race, ethnicity, language, religion,   umfasst, die …

                                                                                                     4   http://hatecrime.osce.org/what-hate-crime          5    http://hatecrime.osce.org/what-hate-crime

10 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                              11
Warum wiegen hate
    … „gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft      rungsgründen”. Hate crime ist also nicht, wie
oder eine andere nach den vorhandenen oder               z.B. in Kroatien, als Begriff selbst im Gesetz
fehlenden Kriterien der Rasse6, der Hautfarbe, der       verankert, aber es wird als ein „besonderer
Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der           Erschwerungsgrund“ gesehen, der dazu he-

                                                                                                          crimes mehr als
Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder natio-          rangezogen wird, das Strafmaß im Falle der
nalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts,         Verurteilung zu erhöhen.
einer körperlichen oder geistigen Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte         Der § 33 StGB selbst spielt somit zwar nur

                                                                                                          andere Straftaten?
Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied              eine Rolle in der Strafzumessung, ein Hass-
einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zu-          motiv sollte jedoch schon bei der Anzeigeauf-
gehörigkeit zu dieser Gruppe“ …                          nahme bei der Polizei sowie bei der Staatsan-
                                                         waltschaft festgehalten werden, weil sich an
… gerichtet sind.                                        die Anerkennung als Hassverbrechen auch
                                                         besondere Opferschutzrechte knüpfen und
Zudem sind in Österreich Verhetzung (§ 283               bedenkliche gesellschaftliche Tendenzen nur      Wenn eine Person Direktbetroffene*r eines          Signalwirkung / Botschaftscharakter
StGB), qualifizierte Beleidigung (§§ 115 IVm             dann sichtbar werden, wenn sie auch als sol-     hate crime wurde, ist sie damit konfrontiert,
117 StGB) und das Verbotsgesetz ausschlag-               che erkannt und dokumentiert werden.             dass ihr Gewalterlebnis – psychisch oder           Man spricht in Verbindung mit hate crimes
gebende gesetzliche Regelungen, die auch                                                                  physisch – nicht nur passiert ist, weil sie ein-   von einer sogenannten Signalwirkung oder
im Online-Bereich anwendbar sind. Somit                  In der Praxis kommt § 33 StGB in Österreich      fach zur falschen Zeit am falschen Ort war.        einem Botschaftscharakter der Tat. Der*die
bestehen Überlappungen zwischen dem Phä-                 kaum zur Anwendung. Es mangelt offenbar          Sie wurde aufgrund ihres So-Seins bzw.             Täter*in schickt eine Botschaft in die Welt
nomen hate crime und hate speech. Hate speech            am Bewusstsein für seine Relevanz. Hier          aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeint-        hinaus, die sich nicht nur an die*den Direkt-
(online) kann somit in Österreich sowohl il-             braucht es schleunigst eine Veränderung der      lichen Zugehörigkeit zu einer Gruppe be-           betroffenen richtet, sondern an eine ganze
legale Hasssprache als auch ein hate crime sein.         „justizkulturellen Traditionen“.                 schimpft, beleidigt, bedroht, gefährdet, ange-     Gemeinschaft, an eine Community, oder an
                                                                                                          griffen und/oder verletzt.                         Personen, die davon ausgehen, dass sie das-
So wie in einigen anderen Ländern findet                 Gemeinsam, als Unterstützer*innen und Be-                                                           selbe Merkmal tragen bzw. an Personen, die
sich auch in Österreich die wichtigste gesetz-           rater*innen von Betroffenen von hate crime       Das Vorurteil der*des Täters*in bezieht sich       davon ausgehen könnten, dass die Außenwelt
liche Anerkennung des Konzeptes hate crime               sollten wir in allen dafür vorgesehenen Situa-   auf etwas, das der*die Direktbetroffene nicht      ein solches Merkmal mit ihnen assoziieren
eigentlich nur bei der Regelung der Strafzu-             tionen auf Hassmotive hinweisen und auf der      einfach ablegen kann, weil es von Täter*in-        könnte.
messung – unter den “besonderen Erschwe-                 Anwendung des § 33 StGB bestehen!                nen unveränderbar mit ihrer Identität ver-
                                                                                                          bunden wird.                                       Das Signal, das der*die Täter*in bewirkt, ist:
6 Das Strafgesetzbuch geht nicht davon aus, dass es
menschliche Rassen tatsächlich gibt, sondern schützt
durch die Aufzählung dieses im deutschsprachigen
                                                                                                          Zusätzlich zu diesem Umstand ist die Person                   DU BIST UND IHR SEID
Raum rassistischen Konzepts auch vor Täter*innen die                                                      potenziell mit der Angst konfrontiert, dass es                NICHT WILLKOMMEN!
sich dessen dennoch bedienen. Diese sollen nicht damit                                                    auch andere aus ihrem Umfeld treffen könn-
davonkommen.
                                                                                                          te, die das Merkmal, aufgrund dessen die Per-              IHR UND DAMIT DU HABT
                                                                                                          son angegriffen wurde, ebenso – tatsächlich           KEIN RECHT AUF PARTIZIPATION AM
                                                                                                          oder vermeintlich – teilen. Entscheidend ist           LEBEN IN DIESER GESELLSCHAFT.
                                                                                                          für Täter*innen nämlich nicht, wer die ein-
                                                                                                          zelne Person ist oder nicht ist, sondern was       Wie von ODIHR (2009: 16) festgehal-
                                                                                                          die Person repräsentiert (vgl. Finke 2010,         ten, kann es sich bei einem hate crime um
                                                                                                          207).                                              „Einschüchterungshandlung,        Drohungen,
                                                                                                                                                             Beschädigung von Eigentum, tätliche Angrif-
                                                                                                                                                             fe, Mord oder um jede andere Straftat han-
                                                                                                                                                             deln“. An sich ist hate crime keine ausschließ-
                                                                                                                                                             lich juristische Definition, sondern eher eine

12 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                          13
Beschreibung für ein Phänomen, das eng mit      Zudem sollte uns als Berater*innen bzw. Un-         farbe beim Bäcker offensichtlich viel län-
Diskriminierung sowie dem in Europa im-         terstützer*innen „sekundäre Viktimisierung“         ger warten als andere Personen. Als sie
mer verbreiteteren Phänomen (online) hate       ein Begriff sein, die auftreten kann, wenn          nachfragt warum, wird sie nur abgewim-
speech verbunden ist.                           Erstanlaufstellen wie die Polizei oder Bera-        melt und respektlos behandelt.
                                                tungsstellen, das Vorurteil bzw. Motiv, mit
Es ist wichtig, sich bewusst zu werden, war-    dem Betroffene schon konfrontiert waren,        →→ Eine Person wird aufgrund einer Behinde-
um es nun wirklich so wichtig ist, hate crime   weitertragen und die Person erneut auf ein         rung nicht ernst genommen und bekommt
spezifisch Aufmerksamkeit zu widmen, um         Merkmal reduzieren und somit seine*ihre            keinen vorgesehenen Platz in einer Einrich-
dem Phänomen effektiv entgegentreten und        Viktimisierungserfahrung verstärken und            tung – einem Café, im Theater, im Kino o.Ä.
Betroffene besser unterstützen zu können.       verfestigen.
Aus unserer Sicht ist die spezifische Ausein-                                                   →→ Eine Person wird aufgrund ihrer religiö-
andersetzung mit hate crime ausschlaggebend,    Wir als Berater*innen haben die Möglichkeit,       sen Zugehörigkeit nicht in einen Sport-
weil spezifische Bedürfnisse von hate crime     andere Akteur*innen, wie die Polizei oder          club aufgenommen.
Betroffenen miteinbezogen werden müssen,        Staatsanwaltschaft, darauf hinzuweisen, wenn
um die bestmögliche Beratung und Unter-         es sich um ein hate crime handelt. Wir können   →→ Eine Person wird im Sportclub aufgrund
stützung zu gewährleisten. Zudem ist es         herausarbeiten, welches Motiv hinter der Tat       ihres Geschlechts so gemobbt, dass sie
wichtig, mehr und mehr Sichtbarkeit diesbe-     steckt; darauf bestehen, dass die besonderen       von selbst austritt.
züglich zu schaffen, das Meldeverhalten und     Erschwerungsgründe gem. § 33 (1) 5 StGB mit-
den Glauben an Unterstützung bei potentiell     bedacht und angewandt werden sollen.            →→ Einer Person, die offensichtlich in Not ist,
Betroffenen zu stärken, um die Datenlage                                                           bekommt aufgrund ihrer Sprache und ih-
erheblich zu verbessern und unser Wissen        Wir können darauf hinweisen, dass hate             res Aussehens keinen Platz in der U-Bahn
darüber der Realität anzunähern, damit wir      crimes nicht als „normale“ Straftaten, Baga-       angeboten.
sichergehen können, dass wir als Gesellschaf-   tellen (etwa „Lausbubenstreiche“ etc.) oder
ten, Trends und Tendenzen erkennen kön-         Übertreibungen dargestellt werden.              →→ Einer Person wird aufgrund des Ausse-
nen und somit früh gewarnt sind.                                                                   hens und des Alters der Einlass zu einer
                                                                                                   Veranstaltung verwehrt.

Hate crime Betroffene haben häufig
                                                                                                Personen werden manchmal zusätzlich zu ei-
                                                                                                ner Diskriminierung am Arbeitsplatz, Woh-

auch schon Diskriminierung erlebt
                                                                                                nungsmarkt oder im öffentlichen Raum wei-
                                                                                                terführend auch Direktbetroffene*r von hate
                                                                                                crimes. Es ist wichtig, mitzudenken, dass Ihre
Diskriminierung ist eine ungerechte (Be-)       Hier ein paar Beispiele, um Alltagdiskrimi-     Klient*innen, die Direktbetroffene*r von hate
Handlung, die auf Vorurteilen beruht.           nierung zu veranschaulichen:                    crime wurden, regelmäßig schon Erfahrungen
                                                                                                mit Diskriminierung mitbringen.
Personen werden in Österreich häufig auf-       →→ Eine Person ruft eine*n Vermieter*in we-
grund der Hautfarbe, ethnischen oder natio-        gen einem Wohnungsinserat an und wird
nalen Zugehörigkeit, Staatsbürgerschaft, ei-       sofort nach der Nennung seines*ihres
ner körperlichen oder geistigen Behinderung,       Namens abgelehnt.
Alter, sexuellen Orientierung, Geschlecht,
Religion, Sprache und/oder der Weltan-          →→ Eine Frau* wird, weil sie Kopftuch trägt,
schauung am Arbeitsmarkt, am Wohnungs-             von einem*einer Arbeitsgeber*in abge-
markt, im öffentlichen Raum, bei bürokra-          lehnt.
tischen Wegen, im Bereich Dienstleistungen
etc. diskriminiert.                             →→ Eine Person muss aufgrund ihrer Haut-

14 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                   15
Handlungsoptionen:
Hier soll auch auf der Begriff Intersektionalität7 kurz erörtert werden, der bei Überlegungen zu
hate crime eine Rolle spielen kann.

Die folgenden Kategorien, um Menschen einzuordnen – etwas, das wir alle tun, um uns das

                                                                                                            Betroffene bestmög-
Leben erklären zu können und auf der Welt klarzukommen –, stehen häufig nicht nur für sich
allein. Personen werden z.B. häufig aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit und gleichzeitig auf-
grund ihres Geschlechts diskriminiert oder auch Ziel von hate crime.

                                                                                                            lich unterstützen
Ein Beispiel hierfür ist die Diskriminierung einer Person, in dem Fall einer Frau*, aufgrund des
Frau-Seins sowie aufgrund des Tragens einer religiösen Kopfbedeckung, wie z.B. dem Hijab.
Eine solche Diskriminierung ist intersektionell, weil sie in dieser Form weder muslimische Män-
ner, noch nichtmuslimische Frauen trifft. Die Diskriminierung bezieht sich also auf die spezifi-
sche Konstellation mehrerer Diskriminierungsgründe in der betroffenen Person(engruppe).

                                                                                                            Die wichtigsten Schwerpunkte, die man in        Mitunter ist es hier wichtig, parteiisch zu sein
                                                                                                            der Bekämpfung von hate crime setzen sollte,    und der*dem Betroffenen kundzutun, dass
                                                                                                            sind …                                          man ihr*ihm solidarisch zur Seite steht. Auf-
                                 NATIONALE-                       SEXUELLE                                                                                  merksamkeit und ein Ausdruck von Anteil-
                                                                                                 BEHINDE-
    GESCHLECHT                   ZUGEHÖRIG-                       ORIENTIE-                                 ……die Steigerung der Sichtbarkeit des Phä-      nahme wirkt dem Gefühl der Exklusion, das
                                                                                                   RUNG
                                    KEIT                            RUNG                                      nomens,                                       gegen ein Grundbedürfnis des Dazugehörens
                                                                                                            ……Ausbau der Präventionsarbeit durch            ankämpft, entgegen und stärkt das eventuell
                                                                                                              Trainings, Schulungen und Workshops,          verlorengegangene Gemeinschaftsgefühl.
                                                                                                              um zu vermeiden, dass Hass und Hetze
                                                                                                              verfestigt und folglich ausgelebt werden      Wichtig ist demnach …
                                                                                                              sowie
                                 ETHNISCHE-                                                    STAATSBÜR-   …… Ausbau und Verbesserung der (Schutz-         ……dass Betroffene während des gesamten
    HAUTFARBE                    ZUGEHÖRIG-                       RELIGION                     GER*INNEN-     und Resilienz-)Arbeit mit Direktbetrof-         Gerichtsverfahrens – juristisch & psycho-
                                    KEIT                                                         SCHAFT       fenen.                                          sozial – begleitet werden,
                                                                                                                                                            ……dass Betroffene am Weg einer Besserung
                                                                                                            Neben Sanktion und Präventions- sowie             weiterführend begleitet werden,
                                                                                                            Aufklärungsarbeit ist die Gewährleistung ad-    ……dass Betroffene mit Wissen und Erfah-
                                                                                                            äquater konkreter Unterstützung für Direkt-       rung Beistand erleben und
                                                                                                            betroffene von vorurteilsmotivierten Strafta-   ……dass Betroffenen durch adäquate Wei-
        GE-                                                                                                 ten also unabdingbar.                             tervermittlung ein stabiles Netzwerk
                                                                  WELTAN-                      GENDERAUS-                                                     geboten wird.
    SCHLECHTS-                        ALTER
                                                                 SCHAUUNG                        DRUCK      Während eines Verbrechens und der häufig
     IDENTITÄT
                                                                                                            damit einhergehenden Viktimisierung wird        Um sequenzieller Traumatisierung vorzubeu-
                                                                                                            Betroffenen ihre Autonomie entrissen. Es        gen, sollten Betroffene in ihrem Erlebnis von
                                                                                                            wird über sie verfügt und ihre Erfahrung ist    ihrem sozialen Umfeld anerkannt werden.
                                                                                                            fremdgesteuert. Demnach ist es grundsätz-
Ein hate crime muss vorurteilsmotiviert sein, um eben ein hate crime darzustellen!                          lich wichtig, Personen dabei zu unterstützen,
Aber es muss nicht nur ein Motiv sein – es können auch zwei oder mehrere Motive sein.                       ihre Handlungsautonomie wiederzuerlangen
                                                                                                            und ihren Selbstwert wiederaufzubauen.

7   Nach Kimberlé Crenshaw, zu verstehen als Überschneidung unterschiedlicher Diskriminierungsgründe.

16 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                          17
V. Die Opferrechte zu kennen und
Vom Erstkontakt bis hin zu adäquater
                                                                                                   es ein notwendiges Angebot, vorab mit und
                                                                                                   für Betroffene abzuklären, ob alle relevanten    weiterzuvermitteln ist von Vorteil!

langfristiger Unterstützung
                                                                                                   Leistungen in dem spezifischen Fall abge-
                                                                                                   deckt werden.                                       ‚Opfern‘ nach dem Gesetz stehen gewisse
                                                                                                                                                    Rechte zu.
Hier eine fünfteilige Checklist, um die best-   Beratungseinrichtungen. Es ist wichtig, dass       Auch das Angebot und die Koordination des
mögliche Unterstützung für Direktbetroffene     die*der Berater*in selbst Anzeichen für hate       Ersttermins bei einer anderen Einrichtung zu
zur Verfügung zu stellen:                       crime erkennen können.                             übernehmen kann eine potenzielle Hemm-             § 66a StPO
                                                                                                   schwelle, das Angebot auch in Anspruch zu          Besondere Schutzbedürftigkeit bei Opfern
                                                Das Vorurteilsmotiv einer Tat herauszuar-          nehmen, wesentlich senken.
I. Der Erstkontakt ist                          beiten ist nicht immer einfach, weil es sich oft                                                      „Opfer haben das Recht auf ehestmögliche
ausschlaggebend!                                nur implizit erschließen lässt. Diesem Aspekt                                                         Beurteilung und Feststellung ihrer beson-
                                                kommt in der Beratung große Bedeutung              IV. Die besondere Auswirkung                       deren Schutzbedürftigkeit nach Maßgabe
Im Idealfall wendet sich der*die Betroffene     zu. Um die vorurteilsgesteuerte Motivation         von hate crime erkennen.                           ihres Alters, ihres seelischen und gesund-
an eine Erstkontaktstelle und wird in ihrer     strukturiert schildern zu können (sei es in                                                           heitlichen Zustands sowie der Art und
Erfahrung ernstgenommen. Erstkontaktper-        einer schriftlichen Eingabe oder im Rahmen         Oft haben Betroffene – nach dem Gesetz ‘Op-        konkreten Umstände der Straftat.
sonen (bei der Polizei, Opferschutzeinrich-     einer mündlichen Anzeige), ist es hilfreich,       fer’ – noch nie mit einem Gerichtsverfahren
tung, Beratungsorganisation) nehmen sich        bereits in der Beratung näher darauf einzu-        zu tun gehabt. Die von staatlicher Seite über-     Als besonders schutzbedürftig gelten
Zeit, gehen den Vorfall mit der*dem Direkt-     gehen. Dabei kann - Schritt für Schritt - in       mittelten Informationen sind oft schwer ver-       jedenfalls Opfer, die
betroffenen Schritt für Schritt durch und le-   sensibler Weise und mit genügend Raum und          ständlich und kompliziert.
gen Augenmerk auf ein eventuelles Motiv.        Zeit herausgearbeitet werden, welche Um-                                                              1. in ihrer sexuellen Integrität und Selbst-
                                                stände für das Vorliegen eines Vorurteilsmo-       Hier bietet eine ausführliche Erklärung der           bestimmung verletzt worden sein
Sollte ein Hassmotiv vorhanden sein, sollte     tivs sprechen.                                     Abläufe Orientierung.                                 können.
dies notiert und weitergetragen und diesfalls                                                                                                         2. Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) aus-
die direktbetroffene Person darüber aufge-      Diesen Schritt gut herauszuarbeiten erspart        Hierzu kann ein*e Berater*in oder Unter-              gesetzt gewesen sein könnten,
klärt werden.                                   der betroffenen Person, dies z.B. vor einer        stützer*in Betroffenen erläutern, dass in der      3. minderjährig (§ 74 Abs 1 Z 3 StGB)
                                                Behörde das erste Mal tun zu müssen.               Regel eine Einvernahme bei der Polizei statt-         sind.“
      Gefahr: Der*die Betroffene*r wendet                                                          findet und daraufhin noch eine weitere vor
      sich an die Erstkontaktstelle (Polizei,                                                      Gericht. Eine Erzählung darüber, wie das ab-
Opferschutzeinrichtung, Beratungseinrich-       III. Gute Vernetzung ist das A und O.              laufen wird, kann sehr beruhigend wirken.        Als Opfer hat man die Möglichkeit die Fest-
tung, etc.) und stößt auf Respektlosigkeit,                                                                                                         stellung der besonderen Schutzbedürftigkeit
schlechtes Verständnis von fundamentalen        Verfahren, in denen Betroffene, als anerkann-      Hierzu ist es wichtig, den*die Betroffene*n      zu verlangen, weil damit weitere Rechte ver-
Merkmalen der*des Betroffenen, - die Person     te ‘Opfer’ nach dem Gesetz, anwaltlich ver-        auch darauf vorzubereiten, dass sie*er vor       bunden sind.
wird erneut auf ein Merkmal reduziert oder      treten sind, werden häufiger weiterverfolgt.       Gericht voraussichtlich auf den*die Täter*in
im schlimmsten Fall erneut aufgrund des         Auch für einen allfälligen Schadenersatz ist es    treffen wird. Es gibt Möglichkeiten, zu be-      Hierzu kann man als Berater*in und/oder
Merkmals verletzt.                              für Betroffene meist vorteilhaft, wenn sie vor     antragen, dass ein Aufeinandertreffen ver-       Unterstützer*in auf Art 22 Abs 3 der EU-Op-
                                                Gericht vertreten sind.                            mieden werden muss, dem wird jedoch eher         ferschutzrichtlinie (2012/29/EU) verweisen,
 →→ Hier handelt es sich um eine schon er-                                                         selten stattgegeben.                             die explizit vorsieht, dass bei Personen, die
 wähnte sekundäre Viktimisierung, die un-       Gute psychosoziale Begleitung ist ausschlag-                                                        vorurteilsmotivierte Verbrechen, also hate
 bedingt vermieden werden sollte!               gebend, damit die Strapazen des Verfahrens         Zudem sollte Betroffenen klar kommuniziert       crime, erlebt haben, bei der Begutachtung, ob
                                                besser verkraftet werden können. Die Ver-          werden, dass das Verfahren mitunter länger       besondere Schutzbedürftigkeit gegeben ist,
                                                weisung von Betroffenen an einschlägige            (ziemlich lange) dauern können.                  besondere Aufmerksamkeit zu walten hat.
II. Eigene Sensibilität schärfen!               Einrichtungen ist daher wichtig. Manchmal
                                                ist nicht eindeutig, ob eine Person adäquate                                                        Vorweg ist klarzustellen, dass Polizeibe-
Erstkontaktstellen sind oft nicht-staatliche    Unterstützungsleistungen bekommt. Hier ist                                                          amt*innen dazu verpflichtet sind, eine An-

18 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                  19
Hate crime erkennen üben
zeige aufzunehmen. Zudem haben Betroffe-          nicht nur den besonders schutzbedürftigen,
ne das Recht auf Anzeigebestätigung (§66 Abs      zu.
1 Z 1a iVm 80 Abs 1 StPO), d.h. jene, die die
Anzeige entgegennehmen, müssen ihnen eine         Sollte in einem Fall besondere Schutzbedürf-
Bestätigung darüber ausstellen. Betroffene        tigkeit festgestellt worden sein, haben Betrof-   ÜBUNG 1
haben zudem das Recht, Aktenstücke über-          fene – dem Gesetz nach ‚Opfer‘ – das Recht
setzt zu bekommen, wenn sie das wünschen.         auf eine kontradiktorische Vernehmung, d.h.       Beantworten Sie nur für sich folgende Fragen, um zu erschließen,
                                                  die*der Betroffene hat das Recht, während         wo Sie noch Informations- bzw. Auskunftsbedarf haben:
Betroffene haben zusätzlich das Recht, wäh-       der Anhörung nicht mit der*dem Täter*in in
rend der Hauptverhandlung vor Gericht an-         einem Raum sein zu müssen.                        Mit welchen Diskriminierungsgründen waren Klient*innen/Betroffene, mit denen ich im
wesend sein zu dürfen und Zeug*innen, An-                                                           Kontakt waren, konfrontiert?
geklagte und Sachverständige zu befragen.         Hierzu ist auch wichtig zu wissen, dass Be-
Sie haben auch den rechtlichen Anspruch,          troffene, die als besonders schutzwürdige
gehört zu werden (gem. §66 Abs 1 Z 7 StPO).       Opfer gelten, das Recht haben, zu verlangen,
Es ist außerdem ausschlaggebend, zu wissen,       dass die Öffentlichkeit bei der Hauptver-
dass alle Betroffenen, ‚Opfer‘ nach dem Ge-       handlung ausgeschlossen wird.
setz, das Recht haben, sich vertreten zu las-                                                       Welche Kontaktpersonen oder -stellen kenne ich, bei denen ich mir Unterstützung holen kann?
sen. Diese Rechte haben alle Opfer, nicht nur                                                       Habe ich dort eine Kontaktperson? Wie kann ich eine Kontaktperson finden?
besonders schutzbedürftige.                       Hier soll noch einmal erwähnt sein, dass eine
                                                  sogenannte ‘Diversityorientierte Opferhilfe-
Sollte ein Verfahren eingestellt werden, und      arbeit’ mit spezieller Rücksichtnahme auf
das passiert tatsächlich eher häufig, haben Be-   unterschiedliche Diskriminierungsgründe und
troffene das Recht einen Fortführungsantrag      differenzierter Beratung für von hate crime
gem. § 195 StPO zu stellen. Das kann man          Betroffene sehr zu empfehlen sind.                Bei welchen Vorfällen war ich mir unsicher, ob ein Vorurteilsmotiv der Auslöser für die Tat war?
gleich nach der Einstellung machen – sowie                                                          Und warum?
einem die Option offensteht, zuvor eine Be-       Achten Sie darauf, Betroffene nicht in den
gründung der Einstellung zu verlangen.            ‘Wir’ und ‘die Anderen’-Diskurs einzubetten.
                                                  Und sehen Sie genau hin, ob Betroffene auf-
Hierzu sollte aber klar sein, dass € 90 anfal-    grund mehrerer vermeintlicher oder tatsäch-
len, wenn der Fortführung nicht zugestimmt        licher Zugehörigkeiten durch ein hate crime
wird. Auch dieses Recht steht allen ‚Opfern‘,     viktimisiert wurden.                              Gibt es Vorfälle, bei denen ich mir auch im Nachhinein nicht sicher bin, ob es sich um
                                                                                                    vorurteilsmotivierte Straftaten gehandelt hat? Wenn ja, warum?

20 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                  21
ÜBUNG 2
                                                                                                Weiterlesen & Expert*in werden
Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihr neugewonnenes
Wissen über das Phänomen hate crime, um in der Arbeit                                           Efus (2017)                                         Jurčić, Marko/Antjoule, Nick (2015)
mit Klient*innen bzw. bei der Argumentation vor staatlichen                                     Prävention von diskriminierender                    Working with Victims of
Akteur*innen Antworten und Erklärungen griffbereit zu haben.                                    Gewalt auf lokaler Ebene:                           Anti-LGBT Hate Crimes.
                                                                                                Praxisbeispiele und Empfehlungen.                   Online: https://www.galop.org.uk/wp-con-
Fassen Sie kurz zusammen, was hate crimes / vorurteilsmotivierte Gewalt/Hassverbrechen          Online: https://issuu.com/efus/docs/publica-        tent/uploads/Working-with-Victims-of-
                                                                                                tion_just_de-web [15.1.2019]                        Anti%E2%80%93LGBT-Hate-Crimes.pdf
sind, um dies auch Ihren Klient*innen im Falle gut näherbringen zu können:
                                                                                                                                                    [15.1.2019]

                                                                                                ETC Graz / Antidiskriminierungsstelle Steiermark
                                                                                                (2017)                                              Lang, Kati (2014)
                                                                                                Hate Crime in der Steiermark.                       Vorurteilskriminalität. Eine
                                                                                                Erhebung von rassistisch und                        Untersuchung vorurteilsmotivierter
Was macht hate crimes u.U. für Betroffene, aber auch für die Gesellschaft, schwerwiegender      fremdenfeindlich motivierten                        Taten im Strafrecht und deren
als andere Straftaten?                                                                          Straftaten in der Steiermark und                    Verfolgung durch Polizei,
                                                                                                Handlungsempfehlungen.                              Staatsanwaltschaft und Gerichte.
                                                                                                Online: http://www.antidiskriminierungsstelle.      Mannheim: NOMOS.
                                                                                                steiermark.at/cms/dokumente/12583161_13726
                                                                                                7669/0717841f/2bericht.pdf [15.1.2019]
                                                                                                                                                    OSCE/ ODIHR (2015)
                                                                                                                                                    Understanding Hate Crimes
Warum wäre eine Verbesserung der Datenlage erstrebenswert?                                      Coester, Marc (2016)                                – A Handbook for Ukraine.
                                                                                                Entwicklung der Gewaltprävention                    Online: https://www.osce.org/odihr/understand-
                                                                                                im Bereich der vorurteilsmotivierten                ing-hate-crimes-a-handbook-for-ukraine?down-
                                                                                                                                                    load=true [15.1.2019]
                                                                                                Gewalt in den letzten 25
                                                                                                Jahren in Deutschland.
                                                                                                Online: http://www.gewalt-praevention.info/         OSCE / ODIHR (2010)
Was glauben Sie, sind die wichtigsten Aspekte, die man beachten soll, wenn man mit von hate     html/download.cms?id=75&datei=Coester+I.pdf         Understanding Hate Crimes
                                                                                                [15.1.2019]
crime Betroffenen in Kontakt tritt?                                                                                                                 – A Handbook for Bosnia
                                                                                                                                                    and Herzegovina.
                                                                                                Finke, Bastian (2010)                               Online: https://www.osce.org/
                                                                                                Vorurteilsmotivierte Hassgewalt                     odihr/104165?download=true [15.1.2019]
                                                                                                und diversityorientierte Beratung.
                                                                                                In: Hartmann, Jutta et al.                          OSZE / BDIMR (2011)
                                                                                                (Hrsg.): Perspektiven professioneller Opferhilfe.   Gesetze gegen “Hate Crime”.
                                                                                                Theorie und Praxis eines interdisziplinären Han-    Ein praktischer Leitfaden.
                                                                                                dlungsfelds. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwis-
                                                                                                                                                    Online: https://www.osce.org/de/
                                                                                                senschaften / Springer Fachmedien GmbH.
                                                                                                                                                    odihr/36431?download=true [15.1.2019]

                                                                                                Hart, Patrick / Painsi, Patrick (2015):             Perry, Barbara (2009)
Sollten Sie hier auf erhebliche Fragestellungen stoßen, die Sie für sich und über die Inhalte   LGBTI Gewalterfahrungen.                            Hasskriminalität: Erfassung
dieser Broschüre nicht lösen können, wenden Sie sich jederzeit an eine Einrichtung, die Sie     Umfrage. Eine Studie zu                             und Kontexte aus
diesbezüglich beraten kann. Z.B. ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, die Antidis-    Hassverbrechen in Österreich.                       internationaler Perspektive.
kriminierungsstelle Steiermark & WEISSER RING – Verbrechensopferhilfe.                          Online: https://www.vielfalt.or.at/no-hate/         Online: https://www.idz-jena.de/fileadmin/user_
                                                                                                files/LGBTI-Gewalterfahrungen-Bericht-IG-           upload/PDFS_WsD4/Text_Perry.pdf [15.1.2019]
                                                                                                SF-2015-digital.pdf [15.1.2019]

22 Handbuch für Praktiker*innen                                                                                                                                                                  23
An wen kann ich mich wenden?
Antidiskriminierungsstelle           Forum gegen Antisemitismus
Steiermark                           T: +43 1 398 72 72
Andritzer Reichsstraße 38/1.Stock    info@fga-wien.at
A-8045 Graz
T: +43 316 / 714 137                 Klagsverband zur Durchsetzung der
buero@antidiskriminierungsstelle.    Rechte von Diskriminierungsopfern
steiermark.at                        Lasallestraße 7a, Unit 4, Top 6a
www.antidiskriminierungsstelle.      1020 Wien
steiermark.at                        Tel.: +43 1 961 05 85 13
                                     info@klagsverband.at
AÖF –Verein Autonome
Frauenhäuser Österreich              ROMANO CENTRO
Bacherplatz 10/4                     Hofmannsthalgasse 2/Lokal 2
1050 Wien                            A-1030 Wien
T: +43 1 544 08 20                   T: +43 1 749 63 36
Frauenhelpline gegen Gewalt (24h):   office@romano-centro.org
0800 222 555
                                     WEISSER RING –
BIZEPS – Zentrum für                 Verbrechensopferhilfe
Selbsbestimmtes Leben                www.weisser-ring.at
Schönngasse 15-17/4                  office@weisser-ring.at
A-1020 Wien                          Opfernotruf (24h / 365 Tage):
T: +43 (0) 1 523 89 21               0800 112 112
office@bizeps.or.at
                                     ZARA – Zivilcourage & Anti-
Dokustelle – Dokumentations- und     Rassismus-Arbeit
Beratungsstelle Islamfeindlichkeit   Schönbrunner Straße 119/13
und Antimuslimischer Rassismus       Eingang: Am Hundsturm 7
E-Mail: office@dokustelle.at         A-1050 Wien
Tel: +43 676 40 40 005               T: +43 (1) 929 13 99
FB/Dokustelle Österreich             office@zara.or.at

Co-finanziert durch das              Co-finanziert durch das
Justizprogramm der                   Bundesministerium für Arbeit,
Europäischen Union                   Soziales und Konsumentenschutz
Sie können auch lesen