Headquarter-Standort Schweiz im globalen Wettbewerb
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Headquarter-Standort Schweiz im globalen Wettbewerb Die Konkurrenz schläft nicht – gezielte Verbesserungen drängen sich auf 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG
9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH SwissHoldings ist der Verband der Industrie- und Dienstleistungs )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG konzerne in der Schweiz. Der branchenübergreifende Fachverband engagiert sich für optimale Rahmenbedingungen in der Schweiz als Sitzstaat von Holdinggesellschaften mit Auslandbeteiligungen. Die hauptsächlichen Tätigkeitsgebiete sind Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht, Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht, Finanzbericht erstattung sowie nationales und internationales Steuerrecht. Adresse Nägeligasse 13, 3011 Bern, Schweiz Postadresse Postfach 402, 3000 Bern 7, Schweiz Telefon +41 (0)31 356 68 68 Fax +41 (0)31 352 32 55 E-Mail sh@swissholdings.ch Website www.swissholdings.ch Copyright © SwissHoldings
1 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Einleitung Die Schweiz ist wirtschaftlich aufs Engste mit dem Ausland vernetzt. Sie lebt zu einem guten Teil vom Erfolg ihrer international tätigen Unternehmen. Diese sind auf attraktive Rahmenbedingungen am Stand- ort Schweiz angewiesen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte zu Umgestaltungen bei den weltwirtschaftlichen Rahmenbedin- gungen führen. Einflussreiche Staaten und internationale Organisationen werden versuchen, ihren Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zu verstärken und die Freiräume der Unternehmen einzuschränken. Dies dürfte auch die Ausgangslage für die Schweiz im internationalen Wettbewerb verändern. Mit der vorliegenden Studie möchte SwissHoldings einen Beitrag zum besseren Verständnis der aktuellen Entwicklungen leisten. Gestützt auf Umfragen bei den Headquarters von internationalen Unternehmen in der Schweiz werden die Bedeutung und die spezifischen Bedürfnisse der für unser Land wichtigen Kon- zernzentralen analysiert. Der Fokus wird dabei auf die Stellung der Schweiz im globalen Standortwettbe- werb gerichtet. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden zuhanden der Politik konkrete Massnahmen vorgeschlagen, um die Attraktivität des Headquarter-Standortes Schweiz nachhaltig zu verbessern. SwissHoldings, Oktober 2009 Dr. Gottlieb Keller Dr. Peter Baumgartner Mitglied der Konzernleitung Vorsitzender der Geschäftsleitung Präsidialfirma Roche Holding AG SwissHoldings
2 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Inhalt Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Management Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Künftige Rolle der Schweiz in einer sich verändernden Weltwirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . 10 1.1. Die Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte zu Veränderungen bei den weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2. Veränderte Ausgangslage für die Schweiz im internationalen Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.3. Folgerungen für die künftige Position der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb . . . . . 14 2. International tätige Konzerne und Konzernzentralen in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.1. Aufgabe der Konzernzentralen im Rahmen des Gesamtunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.2. Angaben zu den Konzernzentralen in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.3. Konzernzentralen in der Schweiz: Ein Blick auf ausgewählte Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.4. Wirtschaftliche Bedeutung der Konzernzentralen für die Schweiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Spezifische Standortbedürfnisse der Konzernzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.1. Veränderungen bei den Konzernstrukturen als Folge des globalisierten Wettbewerbs. . . . . . . . . . 29 3.2. Standortwahl und Standortfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.3. Bedeutung der Standortfaktoren für einzelne Konzernfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.4. Schweizerische Standortfaktoren aus Sicht der befragten Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Weltweiter Standortwettbewerb um Konzernzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.1. Die Schweiz im Wettbewerb mit anderen Staaten um Konzernzentralen und Konzernfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4.2. Die Niederlande als Standort für Konzernzentralen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.3. Grossbritannien als Standort für Konzernzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.4. Frankreich als Standort für Konzernzentralen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.5. Belgien als Standort für Konzernzentralen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.6. Beschreibung weiterer attraktiver Standorte für Konzernzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG 5. Internationaler Vergleich der Stärken und Schwächen des Headquarter- Standortes Schweiz anhand von ausgewählten Standortfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.1. Politische Stellung der Schweiz als Standortfaktor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5.2. Standortfaktoren «Rechtssicherheit und Vertrauensschutz» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 5.3. Standortfaktor «Steuern» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5.4. Standortfaktor «Innovation» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 5.5. Standortfaktor «Investitionsförderung». . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 6. Notwendige Reformschritte der Schweiz zur Stärkung der internationalen Standortattraktivität für Konzernzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 6.1. Zusammenfassende Beurteilung der Ausgangslage in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.2. Wahrung der Standortattraktivität der Schweiz in einem veränderten globalen Umfeld. . . . . . . . . 84 6.3. Die Schweiz im globalen Standortwettbewerb um Konzernzentralen und wichtige Konzernfunktionen: Zehn Botschaften an die Politik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6.4. Konsequenzen für die Standortattraktivität der Schweiz für internationale Headquarters: Zehn Forderungen für konkrete Massnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
4 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Management Summary Die Schweiz im globalen Standortwettbewerb um Konzernzentralen und wichtige Konzernfunktionen: Zehn Botschaften an die Politik 1. Die international tätigen Unternehmen und Konzernzentralen sorgen für Wachstum und Wohlstand in unserem Land Die Schweiz hat ein grosses volkswirtschaftliches Interesse daran, auch künftig als Standort für international tätige Unternehmen und namentlich für Konzernzentralen mit wichtigen Konzern- funktionen attraktiv zu sein. 2. Die Schweiz steht in einem ausgeprägten internationalen Standortwettbewerb um Konzernzentralen und wichtige Konzernfunktionen Unser Land war bisher im internationalen Wettbewerb um Konzernzentralen gut positioniert. Andere Staaten holen aber rasch auf und versuchen, mit attraktiven Rahmenbedingungen wichtige Konzernaktivitäten in ihrem Land anzusiedeln. 3. Die derzeitige Krise dürfte die Ausgangslage für die Schweiz im internationalen Standortwettbewerb verändern Der Standortwettbewerb wird sich als Folge der Krise verschärfen. Unser wirtschaftlich eng mit dem Ausland verflochtenes Land muss sich rechtzeitig auf die veränderte Ausgangslage und die neuen Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft einstellen. 4. Die Schweiz braucht eine Strategie, um sich auch künftig im internationalen Standortwettbewerb in den Spitzenrängen behaupten zu können Die schweizerische Politik muss klare Vorstellungen haben, wie sich unser Land künftig im ver- schärften internationalen Standortwettbewerb positionieren will. Es gilt, eine gesamtwirt- schaftliche Standortstrategie zu entwickeln und diese konsequent umzusetzen. 5. Konzernzentralen haben spezifische Ansprüche an einen Standort Konzernzentralen und wichtige Konzernfunktionen werden dort angesiedelt, wo die Unterneh- men die besten Rahmenbedingungen vorfinden. Da es sich um langfristige Entscheide handelt, sind Rechtssicherheit und Verlässlichkeit besonders wichtig. 6. Ein liberales rechtliches Umfeld ist ein gewichtiger Standorttrumpf im inter- nationalen Wettbewerb Die Schweiz muss auch künftig über ein liberales und praxistaugliches rechtliches Umfeld ver- fügen. Für Headquarters sind namentlich das Gesellschafts-, Immaterialgüter-, Kapitalmarkt-, Wettbewerbs-, Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht von Bedeutung.
5 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG 7. Die steuerlichen Rahmenbedingungen sind für Konzernzentralen und wichtige Konzernfunktionen von herausragender Bedeutung Die Schweiz hat bei diesem zentralen Standortfaktor im Vergleich zu anderen Standorten an Boden verloren. Zudem stehen die im internationalen Vergleich besonders attraktiven kanto- nalen Steuerregimes seitens der EU unter Druck, was zu Rechtsunsicherheit führt. 8. Gezielte Steuerreformen sind unabdingbar zur Erhaltung der Standortattraktivität für Konzernzentralen und Expatriates Die vom Bundesrat angekündigte Unternehmenssteuerreform III ist zur Stärkung der internatio- nalen Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes unumgänglich und muss umgehend in die Wege geleitet werden. 9. Attraktive Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung sind für die Zukunft unseres Landes von grosser Wichtigkeit Zahlreiche Länder verbessern gezielt ihre steuerlichen Bedingungen für die vor Ort ausgeübten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Die Schweiz muss dafür sorgen, dass sie diesbezüg- lich nicht ins Hintertreffen gerät. 10. Die Standortförderung ist ein strategischer Erfolgsfaktor für die Ansiedlung von Kon- zernzentralen und wichtigen Konzernfunktionen Den Anstrengungen der Schweiz, Konzernzentralen anzuziehen und zu betreuen, ist grössere Bedeutung zuzumessen, die Verfahren sind zu straffen und zu vereinfachen. Ziel und Methode der Studie: ten. Zudem wurden die für die Fragestel- lungen relevanten Publikationen ausgewertet. • Nach den Studien von SwissHoldings über die Die Studie verzichtet ausdrücklich auf eine Bedeutung der Direktinvestitionen schweize- vertiefte ökonomische und finanzwissen- rischer Unternehmen im Ausland (2007) schaftliche Analyse. Sie setzt auf die Erkennt- sowie über die Bedeutung der hier ansässigen nisse, die gestützt auf die Angaben der Konzerne für unser Land (2008) richten wir betroffenen Unternehmen und der mit der den Fokus in unserer neuen Studie auf die Ansiedlung von international tätigen Unter- internationalen Konzernzentralen oder die nehmen betrauten Stellen gewonnen werden sogenannten Headquarters. konnten. • Die wesentlichen Erkenntnisse stützen sich auf eine Umfrage in Form eines ausführlichen Erfasste Unternehmen: Fragebogens1 bei rund 400 Konzernen und Konzerngesellschaften in der Schweiz. Direkt • Neben den Headquarters von ausländischen befragt wurden zudem Unternehmen, Behör- Unternehmen in der Schweiz sind in der Stu- den und Standortförderungsagenturen in der die ausdrücklich auch die Konzernzentralen Schweiz und an wichtigen anderen Standor- von grossen schweizerischen Unternehmen
6 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG eingeschlossen. Es handelt sich dabei um den zu erwartenden weltwirtschaftlichen Konzerne, die ihren Hauptsitz in der Schweiz Aufschwung aufstellen soll, um auch künftig haben und überwiegend international tätig im globalen Standortwettbewerb an vor- sind. Die Begriffe «Headquarter» und «Kon- derster Front mithalten zu können. zernzentrale» decken für die Zwecke dieser Studie beide Kategorien ab. Die entspre- • Um diese für die Zukunft unseres Landes zen- chenden Aktivitäten müssen nicht am for- tralen Fragen beantworten zu können, muss mellen Sitz der Konzernholding angesiedelt die Schweiz ihre Stärken und Schwächen ken- werden. Auch die Leitungsorgane der inter- nen. Sie muss aber vor allem auch wissen, auf nationalen Unternehmen werden immer welche Bereiche sie im globalen Standort- internationaler. Die Frage, von wo aus die ein- wettbewerb setzen will. Dies bedingt klare zelnen Funktionen einschliesslich der Leitung Vorstellungen über die wirtschaftspolitischen ausgeübt werden sollen, ist deshalb durchaus Prioritäten, die Erarbeitung entsprechender ein Thema in schweizerischen Konzernen. Massnahmen und den politischen Willen zur Umsetzung der gewählten Strategie. Die Krise der Weltwirtschaft dürfte die Aus- • Zu den Stärken des Standortes Schweiz gehö- gangslage für die Schweiz verändern: ren die breit diversifizierte industrielle Basis, der Banken-, Versicherungs- und Dienstleis- • Die Schweiz hat in den vergangenen Jahr- tungssektor sowie der Tourismus. Die Exporte zehnten von der weltweiten Öffnung der von Gütern und Dienstleistungen, aber auch Märkte und der Intensivierung des globalen Direktinvestitionen in Form von Kapitalinvesti- Austausches von Gütern und Dienstleis- tionen und Know-how sowie die starke Stel- tungen sowie von Know-how, Kapital und lung im Bereich der Innovation sind zentrale Arbeitskräften enorm profitiert. In der ak- Pfeiler unseres Wohlstandes. tuellen Krise ist aber deutlich geworden, wie eng die Wirtschaft unseres Landes mit dem Ausland verknüpft ist und wie verletzlich ein- Grosse volkswirtschaftliche Bedeutung der zelne Bereiche unserer Volkswirtschaft als Konzerne und der Konzernzentralen für die Folge der internationalen Entwicklungen sind. Schweiz: • Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise • Die Erkenntnisse aus unserer Konzernstudie dürfte sich im Rückblick als Zäsur in der welt- von 2008 und die Auswertung der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung erweisen. Die Umfrage machen deutlich, dass den interna- sich seit einigen Jahren rasch entwickelnde tional tätigen Unternehmensgruppen insge- Öffnung der Märkte und die Intensivierung samt sowie den Konzernzentralen und den des weltweiten Austausches sind als Folge zentral ausgeübten unternehmerischen Funk- der Krise im Laufe des Jahres 2008 abrupt tionen volkswirtschaftlich eine äusserst wich- gestoppt worden. Die Globalisierung wird tige Rolle zukommt. künftig vermutlich einen neuen Charakter annehmen. Staatsinterventionen, globale und • Die Konzernzentralen oder Headquarters sind regionale Regulierungen sowie Nachhaltig- die eigentlichen Nervenzentren für die welt- keitsüberlegungen dürften zum einen die weiten Konzerntätigkeiten. Sie steuern die Freiräume der Unternehmen, zum anderen internationalen Finanz- und Informations- aber auch die Handlungsmöglichkeiten der flüsse, sind verantwortlich für die Leitung und Nationalstaaten wesentlich stärker einschrän- Kontrolle der Unternehmensgruppe sowie für ken als in den vergangenen Jahren. zentrale Tätigkeiten wie Forschung, Entwick- lung, Produktion, Vertrieb und Logistik. Kon- • Aus wirtschaftspolitischer Sicht stellt sich für zernzentralen beschäftigen hoch qualifiziertes unser Land die Frage, wie die derzeitige Personal und sind bedeutende Nachfrager Rezession überwunden werden kann. Noch nach wertschöpfungsintensiven Dienstlei- wichtiger ist aber, wie sich die Schweiz für stungen.
7 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Weltweiter Wettbewerb um Unternehmens- und ein flexibles Arbeitsrecht sowie die zentralen und Konzernfunktionen: steuerlichen Bedingungen. Hinzu kommen «soft factors» wie das moderate Klima, • International herrscht ein reger Wettbewerb die abwechslungsreiche Landschaft, die kul- im Hinblick auf die Ansiedlung von Unterneh- turelle Vielfalt oder die persönliche Sicher- menszentralen und wertschöpfungsintensiven heit. mobilen Konzernfunktionen. Die Umfrage zeigt auf, dass die Schweiz derzeit in vielen • Nicht zu unterschätzen ist auch, dass sich Bereichen noch gut positioniert ist, dass aber bereits heute zahlreiche Konzerne und eine andere Staaten (näher untersucht werden u.a. grosse Zahl von Headquarters und Produk- die Niederlande, Grossbritannien, Frankreich tions-, Forschungs- und Dienstleistungsgesell- und Belgien) stark aufgeholt haben. Beunru- schaften von ausländischen Konzernen in higend ist auch, dass gegen 30% der Unter- unserem Land befinden. Das Bestehen von nehmen in der Befragung die Auffassung ver- Clusters erleichtert es, weitere Unternehmen treten, der Headquarter-Standort Schweiz mit entsprechenden Aktivitäten in der habe sich in den letzten 5 Jahren verschlech- Schweiz anzusiedeln. Dies birgt aber auch die tert. Gefahr, dass ganze Gruppen von Unterneh- men wegziehen könnten, wenn sich wichtige Standortfaktoren verschlechtern sollten. • Beim Standortwettbewerb zwischen Staaten und Regionen geht es darum, den Unterneh- men möglichst vorteilhafte Rahmenbedin- Konkurrenzstandorte im Ausland arbeiten gungen (Standortfaktoren) anzubieten. Um gezielt an Verbesserungen, um die Schweiz erfolgreich zu sein, müssen die Staaten ihre auszustechen: Attraktivität für Unternehmen und Mitarbei- ter optimieren und angesichts der Dynamik • Beim Vergleich der Bestrebungen zur Verbes- des Standortwettbewerbs ständig verbessern. serung der Standortattraktivität in einigen Dies gilt insbesondere auch für die Schweiz, wichtigen Ländern zeigt sich, dass die unter- die sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen suchten Staaten ihre Rahmenbedingungen darf. gezielt verbessern, um für Unternehmenszen- tralen und wichtige Konzernfunktionen attraktiv zu sein. Dabei geht es ganz klar auch Bedeutung der Standortbedingungen für darum, für einzelne Konzernfunktionen Konzernzentralen: attraktivere Bedingungen anzubieten als die Schweiz. • Konzernzentralen stellen spezifische Ansprü- che an die Standortbedingungen. Diese betreffen das politische, wirtschaftliche, Politische Stellung der Schweiz als Stärke rechtliche und steuerliche Umfeld, und zwar und Schwäche: für das Unternehmen selbst und für dessen Mitarbeiter. • Da die Schweiz zu keinem Wirtschaftsblock und insbesondere nicht zur EU gehört, konnte • Die Schweiz verfügt über eine ganze Reihe sie in der Vergangenheit ihre Standortbedin- von wichtigen Standortfaktoren, die sie gungen über weite Strecken autonom den heute und auch in Zukunft zu einem attrak- Bedürfnissen der international tätigen Unter- tiven Standort machen. Dazu zählen die zen- nehmen anpassen. Nun drängt die EU im trale Lage in Europa, die politische Stabilität, Steuerbereich darauf, dass sich die Schweiz die Rechtssicherheit, die ausgebaute und an die für die Mitgliedstaaten geltenden funktionierende Infrastruktur, gute Verkehrs- Regeln hält. Es ist zudem absehbar, dass verbindungen, hochwertige Ausbildungsstät- unser Land auch in anderen Bereichen mehr ten, die Verfügbarkeit von qualifizierten und mehr zum «autonomen Nachvollzug» Arbeitnehmern, ein liberales Gesellschafts- gezwungen werden wird. Die Herausforde-
8 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG rung für die Politik wird darin bestehen, auf Anreizen verschiedenster Art. Die Schweiz hat derartige Druckversuche situationsgerecht zu bisher vor allem auf günstige steuerliche Rah- reagieren und vitale Standortvorteile zu ver- menbedingungen für die Erträge aus For- teidigen. schung und Entwicklung gesetzt. Um interna- tional wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten (wie in zahlreichen anderen Ländern) Mass- Rechtssicherheit sowie ein liberales nahmen zur steuerlichen Entlastung von in Gesellschafts- und ein flexibles Arbeitsrecht der Schweiz anfallenden Aufwendungen für als gewichtige Standortvorteile: Forschung und Entwicklung geprüft werden. • Für Standortentscheide sind Rechtssicherheit und stabile rechtliche Rahmenbedingungen Verbesserung der Koordination bei der zentral. Im Gesellschafts- und im Arbeitsrecht Standortförderung und bei der Betreuung verfügt die Schweiz immer noch über Spiel- zuzugswilliger Unternehmen: raum für autonome Lösungen. Der schweize- rische Gesetzgeber muss die Rahmenbedin- • Bezüglich der Bemühungen zur Ansiedlung gungen, unabhängig von vorübergehenden von ausländischen Unternehmen und insbe- populistischen Strömungen in diesen Berei- sondere Konzernzentralen und wichtigen chen, gezielt mit Blick auf die Stärkung der Konzernfunktionen in der Schweiz zeichnet Standortattraktivität ausgestalten. sich Handlungsbedarf ab. Die Schweiz muss, wie vergleichbare andere Länder, ihre Stand- ortförderung durch organisatorische Mass- Herausragende Rolle der steuerlichen nahmen noch stärker bündeln, damit es für Standortbedingungen: interessierte Unternehmen einfacher wird, den Standort Schweiz in ihren Evaluationspro- • Aus der Umfrage geht deutlich hervor, dass zess einzubeziehen. Das bedeutet konkret, den steuerlichen Rahmenbedingungen bei dass die zwischen Bund und Kantonen ver- der Wahl eines Standortes eine sehr wichtige teilten Funktionen noch vermehrt koordiniert Rolle zukommt. Zum einen ist die Rechts- und die Verfahren gestrafft und vereinfacht sicherheit bezüglich der bestehenden und werden müssen. künftigen steuerlichen Bedingungen von hoher Bedeutung (gesetzliche Grundlagen, Praxis, Rulings). Zum anderen sollten die steuerlichen Bedingungen insgesamt besser als an anderen potenziellen Standorten sein. Dies sowohl bezüglich der Besteuerung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter als auch hinsichtlich anderer wichtiger Steuern (Substanz-, Transaktions- und Umsatzsteu- ern). Wichtig ist auch das «Steuerklima», d.h. ein von gegenseitigem Verständnis und Respekt geprägtes Verhältnis zwischen den Steuerbehörden und den Steuerpflichtigen. Förderung von Forschung und Entwicklung durch gezielte steuerliche Verbesserungen: • Zahlreiche Staaten setzen auf die Förderung von Forschung und Innovation, sei dies durch eine staatliche Forschungspolitik oder durch die Gewährung von Unterstützung und
9 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG
10 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG 1. Künftige Rolle der Schweiz in einer sich verändernden Weltwirtschaft 1.1. Die Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte zu Veränderungen bei den weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen 1.2. Veränderte Ausgangslage für die Schweiz im internationalen Wettbewerb 1.3. Folgerungen für die künftige Position der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb
11 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG In diesem ersten Kapitel soll aufgezeigt werden, ten. Nachdem sich die Finanzkrise zu einer welt- wie die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise die weiten Wirtschaftskrise ausgeweitet hatte, internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit folgten staatliche Programme zur Ankurbelung und den Prozess der Globalisierung beeinflussen der Wirtschaft in bisher nicht gekannten Grös- werden und welche Auswirkungen diese Verän- senordnungen. derungen auf die Stellung der Schweiz in der Weltwirtschaft haben. Daraus leiten wir Schluss- Mit dem Ziel, das Vertrauen in die Funktionsfä- folgerungen für die künftige Position der Schweiz higkeit der Märkte wieder herzustellen, setzten im internationalen Standortwettbewerb ab. die internationale Staatengemeinschaft und vor allem auch wirtschaftlich bedeutende Staaten und Staatengruppen vermehrt auf 1.1. Die Finanz- und Wirtschaftskrise staatliche Regulierung. Regulierung bedeutet dürfte zu Veränderungen bei den eine Einschränkung der Handlungsfreiheit der weltwirtschaftlichen Rahmenbedin- Marktteilnehmer, im vorliegenden Fall vor gungen führen allem derjenigen im Finanzbereich. Eine der Folgen dieser Regulierungswelle war die Forde- Bedingt durch die globale Öffnung und Deregu- rung nach mehr Transparenz und zum Teil lierung der Märkte sowie gezielte Privatisierungs- nach stärkerer Einsicht des Staates in die wirt- bestrebungen hat sich die wirtschaftliche Globa- schaftlichen Transaktionen seiner Bürger und lisierung seit den 1990er Jahren enorm beschleu- Unternehmen. nigt. Der internationale Handel und die auslän- dischen Direktinvestitionen nahmen stark zu. Neben der verstärkten Regulierung dürfte sich Diese Entwicklungen sorgten weltweit für einen die massiv angestiegene Verschuldung zahl- Wachstumsschub und eine verbreitete Zunahme reicher Staaten längerfristig als schwere Hypo- des Wohlstandes. Galten zu Beginn die alten thek für das Wirtschaftswachstum und damit Industrieländer mehrheitlich als die eigentlichen auch für die grenzüberschreitenden Wirt- Treiber dieser Entwicklungen, so relativierte sich schaftsbeziehungen auswirken. Die stark ange- deren Position mit dem wirtschaftlichen Erwa- stiegene Staatsverschuldung wird zu höheren chen der grossen Schwellenländer zusehends. Zinslasten für die öffentlichen Haushalte führen. Sie dürfte in zahlreichen Staaten auch Steuer- Die Finanzkrise hat den Prozess der Globalisie- erhöhungen für natürliche Personen und Unter- rung im Jahr 2008 abrupt gestoppt. Sie führte nehmen zur Folge haben. zu einer in allen Wirtschaftsräumen nahezu syn- chron verlaufenden globalen Wirtschaftskrise Es ist anzunehmen, dass der weltweite Standort- und stürzte zahlreiche Länder in eine tiefe Rezes- wettbewerb als Folge der schwierigen wirt- sion. Das Ausmass der Finanzkrise und die damit schaftlichen Situation insgesamt eher zu- als ausgelöste globale Bedrohung des internationa- abnehmen wird. Die Unternehmen werden der len Wirtschaftsgeschehens führten zu einem höheren Steuerlast ausweichen, soweit dies Umdenken bei vielen Staaten. Dies gab den möglich ist (mobile Faktoren). Staaten, die bisher Anstoss für vielfältige Bestrebungen internationa- auf den steuerlichen Standortwettbewerb ler Gremien, um derartige Entwicklungen in gesetzt haben, dürften versuchen, ihre Attraktivi- Zukunft wenn möglich zu verhindern. tät zu halten oder im Vergleich zu anderen Staaten zu verbessern. Die aktuelle Krise hatte zum Teil tief greifende Auswirkungen auf die internationale Wirt- Auf der anderen Seite werden viele Staaten ver- schaftszusammenarbeit. Die Staaten sahen sich stärkt auf die Durchsetzung ihrer Steuerforde- zur Überwindung der Krise veranlasst, massiv rungen setzen. Die Schaffung von mehr Transpa- ins Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Dies renz im Steuerbereich und die Forderung nach betraf zu Beginn der Krise vor allem den Finanz- einem «level playing field» für die Unternehmen sektor, wo es darum ging, wichtige Marktteil- werden die bisherigen steuerlichen Rahmen- nehmer vor dem Konkurs zu retten, um das bedingungen für international tätige Konzerne Finanzsystem als Ganzes funktionsfähig zu hal- massgeblich beeinflussen.
12 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG In jüngster Zeit ist auch deutlich geworden, dass ten werden, es droht aber eine Abschottung viele Staaten in Krisenzeiten versucht sind, ver- gegen aussen, die namentlich kleineren Staaten stärkt zu nationalstaatlichem Denken und pro- wie der Schweiz gefährlich werden kann. tektionistischen Massnahmen Zuflucht zu neh- men. Die Globalisierung wird sich dadurch nicht Die derzeitige schwere Finanz- und Wirtschafts- aufhalten lassen, der offen oder versteckt prakti- krise könnte sich im Rückblick als eine Zäsur im zierte Protektionismus könnte aber die Bewälti- bisherigen Globalisierungsprozess erweisen. gung der Krise verzögern und den globalen Auf- Staatsinterventionen, einzelstaatliche und regio- schwung verlangsamen. Auch in regionalen nale Regulierungen sowie Nachhaltigkeitsüberle- Wirtschaftsräumen wie der EU bestehen derar- gungen könnten die Freiheiten der Unternehmen tige Tendenzen. Angesichts der Freiheiten des wesentlich stärker einschränken als in den ver- EU-Binnenmarkts und der Wettbewerbsregeln gangenen Jahren. müssen die Märkte im Innern zwar offen gehal- Markante Bremsspuren als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise Statistische Daten belegen eindrücklich, dass der Prozess der Öffnung der Märkte sowie der sich beschleu- nigende weltweite Austausch von Gütern und Dienstleistungen im Jahre 2008 abrupt gestoppt worden sind. Weltweiter Einbruch beim Welthandel (Veränderungen im letzten Quartal 2008): Quelle: The Centre for Economic Policy Research (CEPR), 2009 –19% Schweiz –22% Australien –33% Brasilien –32% China –18% Deutschland –25% Frankreich –20% Grossbritannien –26% Italien –18% Japan –17% Mexiko –21% Südafrika –41% Türkei –23% USA
13 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Weltweiter Einbruch bei den grenzüberschreitenden Direktinvestitionen im Jahr 2008: Quelle: UNCTAD, 2008 (geschätzt) –68% Schweiz –58% Belgien –49% Deutschland –28% Frankreich –51% Grossbritannien –120% Irland –22% Japan –6% USA –34% Europa –33% Industrieländer 4% Entwicklungsländer –21% Welt 1.2. Veränderte Ausgangslage für die Schweiz gilt immer noch als einer der attrak- Schweiz im internationalen Wett- tivsten Standorte für international tätige Unter- bewerb nehmen. Die Schweiz hat bisher dank der Wettbewerbs- Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat indessen fähigkeit ihrer Unternehmen, guter Rahmenbe- aufgezeigt, dass sich unser Land den Auswir- dingungen und der internationalen Vernetzung kungen der Krise nicht entziehen kann. Als kleine stark von der Globalisierung profitiert. Schwei- offene Volkswirtschaft scheint die Schweiz sogar zerische Unternehmen sind auf den interna- überproportional von diesen Entwicklungen tionalen Märkten gut positioniert, und die betroffen zu sein. Kollektiver ausländischer Druck – eine für die Schweiz ernüchternde Erfahrung Die Verletzlichkeit der Schweiz zeigte sich u.a. in den jüngsten Entwicklungen in Bezug auf den Austausch von Bankinformationen. Unserem Land wurde im Frühling 2009 im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Schaffung eines weltweit einheitlichen Standards für den Austausch von steuerlichen Informationen durch die G-20-Staaten klar signalisiert, dass ein Land, das auf die Glo- balisierung setzt, nach international akzeptierten Regeln spielen muss. Die Tatsache, dass wichtige Partner der Schweiz wie Deutschland und die USA zur Erreichung ihrer Ziele auch auf massive Dro- hungen setzten, war für die Schweiz eine ernüchternde Erfahrung.
14 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Als Folge der Finanzkrise ist auch deutlich Gefragt sind seitens der Politik neben Stand- geworden, dass die globale Ausrichtung der festigkeit auch Weitsicht und Kreativität. Finanz- und Realwirtschaft unseres Landes Risiken birgt, die bisher zum Teil unterschätzt Angesichts der aktuellen Krise gilt es aus wirt- worden sind. Die Krise hat die Verletzlichkeit schaftspolitischer Sicht für unser Land vorerst, der internationalen Finanzstrukturen offen- Massnahmen zur Überwindung der derzeiti- gelegt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die gen Rezession in die Wege zu leiten. Noch einzelnen Wirtschaftsräume über die globali- wichtiger ist es aber, dass die Schweiz sich sierten Finanzmärkte sehr stark miteinander ver- wirtschaftspolitisch gut positioniert, um für bunden sind. den zu erwartenden weltwirtschaftlichen Auf- schwung gerüstet zu sein. 1.3. Folgerungen für die künftige Position Ziel muss sein, innerhalb der Schweiz und im der Schweiz im internationalen Verhältnis zum Ausland Bedingungen zu schaf- Standortwettbewerb fen, die es dem Standort Schweiz sowie den Unternehmen in unserem Land ermöglichen, Die genannten Veränderungen machen deutlich, im globalen Wettbewerb an vorderster Front dass unser Land seine bisherige Stellung über- mithalten zu können. denken und sich den neuen Realitäten anpassen muss. Sonst besteht die Gefahr, dass die Schweiz Gestützt auf die Analyse der aktuellen Entwick- von der Dynamik der internationalen Entwick- lungen und der absehbaren Trends können in lungen abgekoppelt werden könnte. Bezug auf die künftigen weltwirtschaftlichen Entwicklungen folgende Schlüsse gezogen wer- Aus Standortsicht ist wichtig, dass unser Land den: seine eigenen Vorteile wahrt und sich einem äus- seren oder allenfalls auch einem innerstaatlichen • Die Globalisierung wird nach Überwindung politischen Druck nur so weit beugt, als dies zur der aktuellen Krise weitergehen. Neue Vermeidung von grösseren Nachteilen nötig ist. Staaten und Wirtschaftsräume werden Die Schweiz und der Zwang zum «autonomen» Nachvollzug des EU-Rechts Die Schweiz gehört nicht der EU an, ist jedoch über ein vielfältiges Netz von mehr als 100 bilate- ralen Vereinbarungen eng mit der EU verbunden. Der bilaterale Weg hat sich bisher, wenn auch mit Hindernissen, als gangbar erwiesen, und die Schweiz hat die Absicht, ihn auch für die absehbare Zukunft zu beschreiten. Nach jüngsten Verlautbarungen muss unser Land sich aber darauf einstellen, dass die EU immer weniger bereit ist, der Schweiz eine Sonderrolle zuzugestehen. Dies bedeutet für die Zukunft gemäss den Vorstellungen der Kommission und der EU-Mitgliedstaaten2, dass die Schweiz die Rechtsentwicklung in der EU beim Abschluss neuer Vereinbarungen übernehmen muss («Acquis communautaire») und dass dies auch für die künftige Entwicklung des EU-Rechts gelten soll. Dieses Verständnis der EU ist auch von Bedeutung im Zusammenhang mit dem Disput zwischen der Schweiz und der EU über die kantonalen Steuerregimes für Holding-, Verwaltungs- und Gemischte Gesellschaften (vgl. S. 66). Der sogenannte «autonome» Nachvollzug wird damit faktisch zur Übernahme des geltenden und künftigen EU-Rechts, ohne dass die Schweiz Gelegenheit hat, dieses aktiv mitzugestalten.
15 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG dabei eine wichtigere Rolle spielen als bis- beits-, Immaterialgüter- und Steuerrecht, her. Dies dürfte sich auch in den internatio- wobei dem Steuerrecht aus Standortsicht eine nalen Handels- und Investitionsströmen nie- herausragende Bedeutung zukommt. derschlagen. • Innenpolitisch ist sicherzustellen, dass die • Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat ge- Staatsverschuldung sich im Rahmen der wisse Schwächen der bisherigen weltwirt- Schuldenbremse bewegt und die Schweiz schaftlichen Entwicklungen aufgezeigt. Sie damit über die nötigen fiskalpolitischen wird dazu führen, dass sich die Staaten Spielräume verfügt. So wird sie sich im international und regional stärker in die künftigen steuerlichen Standortwettbewerb Regulierung grenzüberschreitender Trans- vorteilhaft positionieren können. aktionen, vor allem im Finanzbereich, ein- mischen werden. • Wirtschaftspolitisch gilt es, die Schwerpunkte auf die für den künftigen Wohlstand unseres • Es besteht die Gefahr, dass protektionistische Landes wichtigen Sektoren zu setzen. Zu den Tendenzen stärker zum Ausdruck kommen als Standorttrümpfen der Schweiz gehören ihre noch vor wenigen Jahren. Auch im Steuerbe- breit diversifizierte industrielle Basis, der Ban- reich sind derartige Entwicklungen erkennbar. ken-, Versicherungs- und Dienstleistungssek- International tätige Unternehmen und deren tor sowie der Tourismus. Die Exporte von Strukturen und Finanzflüsse sind dabei beson- Gütern und Dienstleistungen, aber auch ders verletzlich. Direktinvestitionen in Form von Kapitalinvesti- tionen und Know-how sowie die starke Stel- • Aufgrund der stark international ausgerichte- lung im Bereich der Innovation sind zentrale ten Wirtschaft muss unser Land alles daran Pfeiler unseres Wohlstandes. setzen, dass die ausländischen Märkte für schweizerische Exporte sowie für Direktinves- • Den international ausgerichteten Sektoren titionen offen bleiben. Dies setzt voraus, kommt volkswirtschaftlich eine sehr grosse dass die Schweiz auch ihren Binnenmarkt öff- Bedeutung zu. Ein Blick auf die Triebkräfte für net. Wachstum und Wohlstand in unserem Land zeigt, dass insbesondere die international täti- • Der Standortwettbewerb wird sich tendenziell gen Konzerne für die Schweiz von grosser weiter verschärfen. Der internationale Druck volkswirtschaftlicher Bedeutung sind. Wir ver- zur Schaffung von Transparenz und Einhal- weisen in diesem Zusammenhang auf die von tung international gesetzter Regeln ist eine SwissHoldings im März 2008 publizierte Stu- Reaktion der Staaten auf die zunehmende die «Konzernstandort Schweiz im globalen Mobilität und globale Vernetzung der Unter- Wettbewerb». nehmen. Auf der folgenden Seite sind wichtige Zahlen • Als Kleinstaat hat die Schweiz alles Interesse und Fakten zur Bedeutung der international daran, in ihren Beziehungen mit dem Ausland tätigen Konzerne für die Schweizer Wirtschaft auf solide rechtliche Rahmenbedingungen zu wiedergegeben. setzen. Diese müssen auch die Möglichkeit einer gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Streitbeilegung beinhalten. • Die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz müssen so ausgestaltet sein, dass sie für international tätige Unternehmen attraktiv sind, wobei vorteilhafte ausländische Rege- lungen als Vergleich («Benchmark») dienen sollen. Dies gilt insbesondere für das Gesell- schafts-, Wettbewerbs-, Kapitalmarkt-, Ar-
16 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Bedeutende Rolle der international tätigen Konzerne für die Schweiz • Ein Drittel des schweizerischen BIP stammt von international tätigen Konzernen: Die Schweizer Konzerne mit Direktinvestitionen im Ausland (Tochtergesellschaften und Betriebsstätten)3 tragen zusammen mit den in der Schweiz angesiedelten Betrieben von aus- ländischen Konzernen massgeblich zum wirtschaftlichen Wohlergehen unseres Landes bei. Diese Firmen erwirtschaften schätzungsweise einen Drittel des schweizerischen BIP, wovon rund ein Viertel auf schweizerische Konzerne und rund ein Zehntel auf ausländische Firmen entfällt4. • Fast jeder dritte Erwerbstätige in der Schweiz arbeitet bei international tätigen Konzernen: Gemäss einer Erhebung der Schweizerischen Nationalbank5 arbeiteten Ende 2007 in der Schweiz 375 000 Personen in Betrieben von ausländischen Firmen und rund 811000 Per- sonen bei international tätigen schweizerischen Unternehmen. Nach Abzug der Dop- pelzählungen sind dies über eine Million der insgesamt 3,9 Mio. Erwerbstätigen in der Schweiz. • Die Direktinvestitionen im Ausland sind ein wichtiger Wachstumstreiber für die Schweiz: Der Kapitalbestand der schweizerischen Unternehmen im Ausland ist in den letzten Jahren stetig angestiegen und betrug Ende 2007 740 Mia. Fr. Davon entfielen 54% auf den Dienst- leistungs- und 46% auf den Industriesektor. Die international tätigen Konzerne beschäftigten Ende 2007 rund 3,16 Mio. Personen (2,85 Mio. im Ausland und 811000 Personen in der Schweiz) 6. • Zwei Drittel der schweizerischen Exporte stammen von international tätigen Konzernen: Schätzungen zufolge entfallen rund zwei Drittel der gesamten Exportleistung unseres Landes (2008: 200 Mia. Fr., Exportquote 40% des BIP) auf die international tätigen Konzerne, wobei es sich bei einem Drittel der Exporte um konzerninterne Lieferungen und Leistungen handeln dürfte7. • International tätige Konzerne sind für einen Grossteil der Forschungsaufwendungen in der Schweiz verantwortlich: Die in der Schweiz angesiedelten international tätigen Unternehmen entfalten ihre For- schungstätigkeit sowohl im Inland als auch im Ausland. Für das Jahr 2004 8 entfielen die eine Hälfte der vom Privatsektor getätigten Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen auf die Schweiz und die andere Hälfte auf das Ausland (je rund 9,6 Mia. Fr.; für 2008 wird der Anteil des Privatsektors in der Schweiz auf 13 Mia. Fr. geschätzt). • Aus den Direktinvestitionen der schweizerischen Unternehmen im Ausland fliessen der Schweiz namhafte Erträge zu: Im Jahr 2006 flossen rund 70 Mia. Fr. an Erträgen (Dividenden und Zinsen) aus Direktinvesti- tionen im Ausland in die Schweiz zurück. Zum Vergleich: Rund 30 Mia. Fr. stammten im glei- chen Jahr aus Portfolioanlagen im Ausland. Als Folge der Krise nahm der Ertrag im Jahr 2008 drastisch ab 9.
17 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG • Ein bedeutender Teil des weltweiten Rohstoffhandels wird durch in der Schweiz angesiedelte Unternehmen abgewickelt: Ein erheblicher Teil des weltweiten Handels mit Rohstoffen (u.a. Bergbauprodukte, Energie, Nahrungsmittel, Textilfasern) wird über die Schweiz abgewickelt. Finanzinstitute in der Schweiz gehören zu den Weltmarktführern bei der Finanzierung derartiger Transaktionen. Mit Genf (50% geschätzter Marktanteil) und Zug (40% geschätzter Marktanteil) haben sich dabei zwei eigentliche Clusters herausgebildet10. • Sehr substanzielle Steuererträge in der Schweiz stammen von den international tätigen Konzernen: Schätzungen zufolge stammt rund ein Drittel der Gewinnsteuereinnahmen von Bund, Kanto- nen und Gemeinden von den international tätigen Konzernen (für 2007 rund 5 Mia. Fr.). Hinzu kommen beträchtliche weitere Steuereinnahmen, namentlich in Form von Kapitalsteuern, Stempelabgaben, Verrechnungssteuer, Mehrwertsteuer sowie den Einkommens- und Vermö- genssteuern der Arbeitnehmer.
18 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG 2. International tätige Konzerne und Konzernzentralen in der Schweiz 2.1. Aufgabe der Konzernzentralen im Rahmen des Gesamtunternehmens 2.2. Angaben zu den Konzernzentralen in der Schweiz 2.3. Konzernzentralen in der Schweiz: Ein Blick auf ausgewählte Regionen 2.4. Wirtschaftliche Bedeutung der Konzernzentralen für die Schweiz
19 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG In diesem zweiten Kapitel werden die Konzern- Fällen auch Ausdruck einer gewissen Identifika- zentralen und die zentral ausgeübten unterneh- tion einer Unternehmensgruppe mit dem betref- merischen Funktionen näher untersucht. Sodann fenden Standort. Angesichts der Bedeutung der wird die Bedeutung der Konzernzentralen für die zentralen Funktionen für den Konzern erfolgt die Schweiz dargestellt. Standortwahl für die Leitungsaufgaben und die übrigen wichtigen Funktionen mit grösster Sorg- falt. Die Wahl eines internationalen Standortes 2.1. Aufgabe der Konzernzentralen im stützt sich auf die Analyse der Vor- und Nachteile Rahmen des Gesamtunternehmens verschiedener möglicher Standorte. Die Begriffe «Konzernzentrale» oder «Head- Standortentscheide sind langfristig angelegt, quarter» werden für den Zweck dieser Studie wobei der Zeithorizont in der Regel zehn bis als gleichwertig verwendet und weit ausge- zwanzig Jahre umfasst. Die Wahl eines Stand- legt11. Neben den eigentlichen Leitungsfunk- ortes wird seitens der Unternehmen immer wie- tionen (Group Management: Leitung und Kon- der überprüft, um sicherzustellen, dass ein trolle) fallen auch die sogenannten Konzern- Standort den jeweiligen Bedürfnissen noch ent- funktionen (Group Functions: zentrale Dienste) spricht. Derartige routinemässige Überprüfungen darunter. Zu diesen zählen Dienstleistungen für erfolgen zum Teil jährlich, in der Regel aber etwa den Konzern und die Gruppenmitglieder: Finan- alle fünf Jahre. Bei markanten Veränderungen zierung, Beteiligungsverwaltung, Forschung und am Standort oder im Ausland werden die Bedin- Entwicklung, Immaterialgüterverwaltung, Mar- gungen sofort neu evaluiert. keting, Vertrieb, Informatik, Logistik, Human Resources, Steuer- und Rechtsberatung sowie Neben dem Hauptsitz eines Konzerns ist es weitere zentral ausgeübte Funktionen. Derartige durchaus möglich, dass eine Unternehmens- Funktionen können von der Holding- oder der gruppe im Rahmen ihrer internationalen Tätig- Stammhaus-Gesellschaft selbst ausgeübt wer- keiten verschiedene regionale Headquarters den. Sie werden aber häufig im Rahmen von errichtet. Diese sind für die jeweils bearbei- Shared Service Centers oder Managementge- teten Märkte zuständig (in der Schweiz häufig sellschaften rechtlich verselbständigt, wobei die für die EMEA-Region, d.h. Europe–Middle Leistungen den Konzerngesellschaften zu East–Africa). Marktpreisen zur Verfügung gestellt werden. 2.2. Angaben zu den Konzernzentralen in 2.1.1. Charakteristiken von Konzernzentra- der Schweiz len Die Schweiz ist seit Jahrzehnten ein attraktiver Von wenigen Ausnahmen abgesehen brauchen Standort für international tätige Unternehmen. global tätige Konzerne eine Heimbasis. Diese In den verschiedenen Bewertungen und Ran- liegt nicht zwingend am Ort des formellen Sitzes kings der internationalen Konzernstandorte oder im Herkunftsland der wirtschaftlichen nimmt unser Land regelmässig einen Spitzen- Eigentümer, am Ort der Börsenkotierung oder platz ein. Es überrascht deshalb nicht, dass sich der wichtigsten Produktionsstätten. Die Konzern- zahlreiche ausländische Unternehmen in den zentrale befindet sich vielmehr dort, wo die zen- letzten Jahren in der Schweiz niedergelassen tralen Entscheide für den Konzern gefällt und wo haben. die wichtigsten Leitungsfunktionen wahrgenom- men werden. Konzernzentralen sind grundsätzlich mobil. Sie können dort angesiedelt werden, wo die Rah- menbedingungen am günstigsten sind. Dies allein wird ihnen aber nicht gerecht. Die Errich- tung einer Konzernzentrale ist in den meisten
20 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Aufbau, Struktur und Funktion des Headquarters eines Grossunternehmens Der Begriff des Headquarters ist ein allgemeiner Gattungsbegriff für Unternehmen mit Konzernfunk tionen. Darunter fallen alle Einheiten, in denen zentrale Funktionen für eine Unternehmensgruppe aus- geübt werden, sei dies in Form einer Holding-, eines Stammhauses, einer Managementgesellschaft oder im Rahmen eines Coordination Centers oder Shared Service Centers. Headquarters sind die Schaltzentralen der Konzerne Das Headquarter ist die zentrale Einheit und das eigentliche Nervenzentrum eines grossen Unterneh- mens. Eine wichtige Aufgabe des Headquarters besteht in der Festlegung und Durchsetzung der Unternehmensstrategie. Die Zentrale steuert und koordiniert die wesentlichen Prozesse im Konzern. Sie trägt die Verantwortung für Controlling und Compliance und erbringt zentrale Dienstleistungen für die Gruppe als Ganzes und für die übrigen Konzernmitglieder. Typische Organisationsformen Struktur, Ausprägung und Funktionsbereiche der Konzernzentralen können in der Praxis von Unterneh- men zu Unternehmen stark variieren. Das «klassische» Headquarter übt einen direkten Einfluss (z.B. über Budget- und Planungsabläufe) auf die jeweiligen Prozesse in den Subeinheiten aus. Die wich- tigsten Konzernfunktionen sind beim Headquarter konzentriert (als Teil der Holding- oder als separate Managementgesellschaft). Bei der operationellen Holding sind die einzelnen Geschäftsbereiche bei der Gestaltung ihrer operativen Ausrichtung und Prozesse relativ frei. Die Aktivitäten der Subeinheiten werden in erster Linie über finanzielle Anreize und Leistungsvorgaben gesteuert. Bei der strategischen Holding ist der Einfluss des Headquarters auf die operative Tätigkeit geringer. Die Unternehmenszen- trale ist nur noch für die strategischen Kernaufgaben zuständig. Dienstleistungs- und Kontrollfunk tionen sind in separaten Einheiten untergebracht. Im Unterschied zu einem globalen Headquarter, das die zentralen Funktionen für die weltweite Gruppe ausübt, erbringt ein regionales Headquarter Leitungs- und Koordinationsaufgaben sowie zen- trale Dienstleistungen für eine Reihe von Tochtergesellschaften in einer bestimmten Region. Globale Holding Globales Headquarter Managementgesellschaft oder Shared Service Center Regionalholding Tochtergesellschaft Regionales Headquarter Regionale Managementgesellschaft Tochtergesellschaft Tochtergesellschaft
21 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Diverse Länderratings: Die Schweiz gehört zu den Topstandorten Quelle: Avenir suisse, 2008: Rankings von KOF ETH: Index of Globalisation; WEF: Global Competitiveness Report; IMD: World Competi- tiveness Yearbook; EIS: European Innovation Scoreboard Rang KOF WEF IMD EIS 1 Belgien USA USA Schweden 2 Österreich Schweiz Singapur Schweiz 3 Schweden Dänemark Hongkong Finnland 4 Schweiz Schweden Schweiz Dänemark 5 Dänemark Deutschland Luxemburg Japan 6 Niederlande Finnland Dänemark Deutschland 7 Grossbritannien Singapur Australien USA 8 Tschechien Japan Kanada Luxemburg 9 Frankreich Grossbritannien Schweden Grossbritannien 10 Finnland Niederlande Niederlande Island Staaten 122 131 55 34 Anmerkung: Zahlreiche Rankings beurteilen den Globalisierungsgrad oder die Wettbewerbsfähigkeit der Länder. Zwar ist bei einzelnen Indizes die Objektivität zu hinterfragen, aus der Summe der Resultate lässt sich aber herauslesen, dass die Schweiz eines der wettbewerbsfähigsten, liberalsten und am stärksten globalisierten Länder der Welt ist. Fortune-500-Firmen pro 1 Mio. Einwohner Hohe Dichte an grossen ausländischen Firmen in der Schweiz Luxemburg 2,14 Schweiz 1,60 Quelle: McKinsey, 2008 Schweden 1,33 Niederlande 0,84 Grossbritannien 0,62 Frankreich 0,58 USA 0,56 Japan 0,55 Belgien 0,48
22 9HUEDQGGHU,QGXVWULHXQG'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HUQHGHU6FKZHL] )pGpUDWLRQGHVJURXSHVLQGXVWULHOVHWGHVHUYLFHVHQ6XLVVH )HGHUDWLRQRI,QGXVWULDODQG6HUYLFH*URXSVLQ6ZLW]HUODQG Ansiedlungen und geschaffene Arbeitsplätze in der Schweiz (2003 bis 2008) Angesiedelte Firmen Anzahl geschaffener Arbeitsplätze 2003* 446 2091 2004* 526 2289 2005* 510 2410 2006** 414 2427 2007** 512 3417 2008** 498 1851*** * Erhebung von Location Switzerland ** Erhebung durch die Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren *** Die Ergebnisse beruhen auf den Rückmeldungen von 26 Kantonen. Aufgrund der veränderten Erfassungsmethode ist die Anzahl der im Jahr 2008 geschaffenen Arbeitsplätze nicht direkt mit den Vorjahreszahlen zu vergleichen. Die 1851 Arbeitsplätze wurden im Jahr 2008 geschaffen. In den Jahren von 2005 bis 2007 wurde erfasst, wie viele Arbeitsplätze insgesamt während der vergangenen drei Jahre bis zum 31. Dezember des entsprechenden Jahres geschaffen wurden. Von besonderer Bedeutung ist es hierbei aus Unternehmen gehören gemäss der Forbes Standortsicht, dass zahlreiche ausländische Global-2000-Liste zu den grössten Unterneh- Unternehmen in der Schweiz ihr Headquarter – men weltweit. Berücksichtigt man insbeson- mit zum Teil globaler und oftmals regionaler dere noch den Bestand der Headquarters von Ausrichtung – eingerichtet haben. Aus Befra- Schweizer Konzernen in unserem Land, so gungen bei den mit der Standortförderung gehen wir aufgrund eigener Schätzungen betrauten Stellen in der Schweiz sowie aus ein- davon aus, dass die Schweiz rund 500 Head- schlägigen Presseberichten geht hervor, dass die quarters beherbergt. Schweiz für derartige Funktionen eine hohe Attraktivität aufweist. Die Schweiz ist seit Jahrzehnten ein beliebter Standort vor allem für amerikanische regionale Es ist allerdings schwierig, genaue Angaben Headquarters, wobei diese in vielen Fällen für zum Gesamtbestand der ausländischen Head- die EMEA-Region zuständig sind: Gemäss einer quarters in unserem Land zu machen. Offizielle Erhebung aus dem Jahr 200314 entfielen 90% Zahlen werden nicht veröffentlicht12. Es war aller regionalen Headquarters in der Schweiz auch nicht möglich, die entsprechenden Daten auf amerikanische Unternehmen (bloss 7,5% im Rahmen unserer Umfrage vollständig zu entfielen auf Konzerne aus Europa, und nur erheben. Im Folgenden wird deshalb versucht, 2,5% auf Konzerne aus Asien)15. gestützt auf die existierenden Angaben die Headquarter-Landschaft Schweiz zu skizzieren. Künftig werden Headquarters von asiatischen Dieses Bild soll anschliessend durch einen Konzernen eine gewisse Bedeutung erlangen. näheren Blick auf einzelne, in dieser Hinsicht Die Beratungsfirma McKinsey kommt in einer bedeutsame Regionen vervollständigt wer- kürzlich veröffentlichten Studie zum Schluss, den. dass zahlreiche asiatische Firmen (namentlich aus China, Indien, Südkorea und Taiwan) im Gemäss einer kürzlich veröffentlichten Ana- Rahmen ihrer internationalen Ausrichtung auf lyse13 haben sich in den vergangenen zehn der Suche nach Regionalsitzen in aller Welt Jahren 180 Headquarters ausländischer Unter- sind16. Nachdem sie sich in der Vergangenheit nehmen in der Schweiz angesiedelt. 96 dieser mehrheitlich auf reine Exportaktivitäten kon-
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