Die bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2017
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Inhaltsverzeichnis Die Europapolitik der Schweiz5 Bilaterale Abkommen bis 1999 Freihandel13 Versicherungen15 Zollerleichterungen und Zollsicherheit 17 Bilaterale Abkommen I Personenfreizügigkeit19 Technische Handelshemmnisse 27 Öffentliches Beschaffungswesen 29 Landwirtschaft31 Forschung33 Luftverkehr35 Landverkehr37 Bilaterale Abkommen II Schengen/Dublin39 Zinsbesteuerung/Automatischer Informationsaustausch in Steuersachen (AIA-Abkommen) 45 Betrugsbekämpfung47 Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte 49 Umwelt51 Statistik53 Ruhegehälter55 Bildung, Berufsbildung, Jugend 57 Bilaterale Abkommen ab 2004 Europol59 Eurojust61 Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur 63 Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden 65 Satellitennavigation (Galileo und EGNOS) 67 Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) 69
Die vorliegende Broschüre liefert vertiefte Informationen zum Inhalt der verschiedenen bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Es werden insbesondere der Hintergrund und die Bedeutung der Abkommen für die Schweiz erklärt sowie der Stand ihrer Entwicklung dargelegt. Die elektronischen Fassungen der Informationsblätter zu den bilateralen Abkommen Schweiz-EU sind auf der Website der Direktion für europäische Angelegenheiten (DEA) verfügbar: www.eda.admin.ch/europa. Sie werden regelmässig aktualisiert und können dort herunterge- laden oder bestellt werden. Zudem finden sich auf der Website Informationen über offene Themen und Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Grundsätzlich wird in der vorliegenden Broschüre der Ausdruck Europäische Union (EU) im umgangssprachlichen und nicht im juristischen Sinn verwendet. Redaktionsschluss: 17. Oktober 2017
Europapolitik der Schweiz Die Europapolitik der Schweiz Die Schweiz liegt geografisch in der Mitte des europäischen Kontinents und ist fast ausschliesslich von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) umgeben. Aufgrund dieser geografischen und kulturellen Nähe, insbesondere aber wegen ihres politischen und wirtschaftlichen Gewichts, sind die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten die mit Abstand wichtigsten Partner der Schweiz. Aber auch die Schweiz ist für die EU eine erstrangige Partnerin. Eine konzertierte und zielgerichtete Interessenpo- litik gegenüber der EU ist daher von entscheidender Bedeutung für den Wohlstand der Schweiz. Die Schweiz ist kein EU-Mitgliedstaat, sondern verfolgt ihre Europapolitik auf der Grundlage von bila- teralen sektoriellen Abkommen. Seit dem Freihandelsabkommen von 1972 wurde in mehreren Etap- pen ein immer dichteres Netz von Abkommen geknüpft. Der bilaterale Ansatz ermöglicht der Schweiz eine massgeschneiderte Politik gegenüber ihren europäischen Nachbarn. Das Volk hat den bilatera- len Weg in verschiedenen Abstimmungen bestätigt und unterstützt. Die Stärkung und Weiterent- wicklung des bilateralen Wegs, was auch den allfälligen Abschluss neuer Marktzugangsabkommen mit der EU umfasst, ist von zentraler Bedeutung für die Schweiz. Diese Weiterentwicklung bedingt die Klärung der institutionellen Regeln. Der Bundesrat führt daher die Verhandlungen mit der EU über ein Abkommen zu den institutionellen Fragen weiter. Chronologie • 2017 Vollassoziierung der Schweiz an «Horizon 2020» • 2016 Beschluss zur Umsetzung von Art. 121a BV durch das Parlament • 2016 Unterzeichnung des Protokolls III zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien • 2015 Unterzeichnung des Abkommens über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen • 2014 Unterzeichnung des Partizipationsabkommens EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen) • 2014 Annahme der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» • 2013 Verabschiedung des Verhandlungsmandats für ein Abkommen zu den institutionellen Fragen durch den Bundesrat • 2013 Unterzeichnung des Kooperationsabkommens Satellitennavigation • 2013 Unterzeichnung des Wettbewerbsabkommens • 2012 Unterzeichnung des Verteidigungsabkommens EVA (Europäische Verteidigungsagentur) • 2010 Unterzeichnung des Abkommens Bildung, Berufsbildung und Jugend • 2009 Weiterführung der Personenfreizügigkeit sowie Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien • 2008 Unterzeichnung des Abkommens mit Eurojust • 2006 Annahme des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas durch das Volk • 2005 Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die EU-10 • 2004 Unterzeichnung des Abkommens mit Europol • 2004 Unterzeichnung der Bilateralen II (Schengen/Dublin, Zinsbesteuerung, Betrugsbekämpfung, Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte, Umwelt, Statistik, MEDIA, Ruhegehälter) • 1999 Unterzeichnung der Bilateralen I (Personenfreizügigkeit, Technische Handelshemmnisse, Öffentliches Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr, Forschung) • 1992 Ablehnung des EWR-Beitritts durch das Volk • 1990 Unterzeichnung des Abkommens über Zollerleichterungen und Zollsicherheit • 1989 Unterzeichnung des Versicherungsabkommens • 1972 Unterzeichnung des Freihandelsabkommens EFTA–EU 5
Hintergrund Bilaterale Abkommen bis 1999 Angesichts der engen und vielseitigen Verflechtung mit Freihandelsabkommen (FHA), 1972: Industriewaren mit der EU verfolgt die Schweiz gegenüber der Union eine Ursprung in einem der Vertragsstaaten werden zollfrei Interessenpolitik, welche auf einer Reihe von bilateralen gehandelt. Mengenmässige Beschränkungen (Kontingente) Abkommen in klar umgrenzten Bereichen beruht: der sowie Massnahmen gleicher Wirkung wie Zölle sind verboten. Bei verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten (deren Behandlung sogenannte bilaterale Weg. Dieses schrittweise, prag- im Protokoll 2 des FHA geregelt ist) wird der industrielle Anteil matische Vorgehen erlaubt massgeschneiderte, vertrag- gänzlich von Zöllen befreit. Auf dem landwirtschaftlichen Anteil liche Lösungen für eine breite Palette wirtschaftlicher wurden Zölle und Exportsubventionen seitens der Schweiz und politischer Fragen. Die Abkommen schaffen einer- reduziert, während die EU Zölle und Exportbeihilfen gänzlich abgebaut hat. seits einen weitgehenden gegenseitigen Marktzugang. Andererseits sind sie die Grundlage für eine enge Ko- Versicherungsabkommen, 1989: Für Versicherungsunternehmen der Schweiz und der EU im Bereich der direkten Schadensversi- operation in wichtigen politischen Bereichen. Der bila- cherung wird die Niederlassungsfreiheit garantiert. Agenturen terale Ansatz ermöglicht damit eine Politik der Offen- und Zweigniederlassungen erhalten gleiche Zutritts- und heit und engen Zusammenarbeit mit den europäischen Ausübungsbedingungen auf dem Gebiet der Vertragsparteien. Nachbarn. Das Abkommen ist nicht auf Lebensversicherungen, Rückversi- cherungen oder gesetzliche Systeme der sozialen Versicherun- gen anwendbar und erlaubt auch keine grenzüberschreitenden Europapolitisches Ziel der Schweiz ist, die bestmögli- Dienstleistungen. chen Rahmenbedingungen für ihre Beziehungen zur EU Güterverkehrsabkommen, 1990: Kontrollen und Formalitäten zu schaffen. Mit dieser Absicht wurde das bilaterale im Güterverkehr zwischen der Schweiz und der EU werden Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU (bzw. vereinfacht und die Zusammenarbeit an den Grenzstellen ihren Vorgängerorganisationen) über die Jahrzehnte koordiniert. 2009 wurde das Abkommen formell durch das kontinuierlich entwickelt und vertieft. Insgesamt wur- erweiterte Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicher- heit ersetzt. Dieses regelt zusätzlich zu den bestehenden den in mehreren Etappen rund 20 Hauptabkommen Zollerleichterungen die Zusammenarbeit im Zollsicherheitsbe- und eine grosse Zahl weiterer Verträge abgeschlossen. reich und verhindert die Anwendung entsprechender EU-Mass- Dieser bilaterale Ansatz wurde in einer Reihe von Ab- nahmen für Drittstaaten auf die Schweiz, wie etwa die stimmungen vom Volk regelmässig bestätigt – seit 2000 Voranmeldepflicht für Importe. insgesamt in sieben Abstimmungen. Bilaterale I Ursprung des bilateralen Weges Die Teilnahme am EWR hätte der Schweiz eine vollstän- Die Basis für den wirtschaftlichen Austausch wurde dige wirtschaftliche Integration und damit einen gleich- 1972 mit dem Freihandelsabkommen gelegt, welches berechtigten Zugang zum Europäischen Binnenmarkt vom Volk mit 72,5% sowie von den Ständen angenom- ermöglicht. Um nach dem EWR-Nein dennoch in einigen men wurde. 1989 folgte das Versicherungsabkommen der wichtigen Wirtschaftssektoren einen diskriminierungs- und 1990 das Güterverkehrsabkommen. Letzteres wur- freien Marktzugang für Schweizer Unternehmen zu de 2009 formell durch das erweiterte Abkommen über sichern, beschloss der Bundesrat, mit der EU sektorielle Zollerleichterungen und Zollsicherheit ersetzt. Verhandlungen aufzunehmen. Die EU erklärte sich Ende 1993 in sieben Bereichen verhandlungsbereit. Sie machte Gemeinsam mit den anderen Staaten der EFTA verhan- aber zur Bedingung, dass diese parallel verhandelt sowie delte die Schweiz mit der damaligen Europäischen gemeinsam unterzeichnet und in Kraft gesetzt werden Gemeinschaft (EG) die Schaffung eines Europäischen müssten (Parallelismus) – dies, weil die verschiedenen Dos- Wirtschaftsraums (EWR), der auf den vier Grundfreihei- siers lediglich als Gesamtheit im Interesse der Vertragspart- ten (Personenfreizügigkeit, freier Waren-, Kapital- und ner wären. Die Abkommen wurden daher rechtlich mit Dienstleistungsverkehr) gründet. Das entsprechende einer sog. «Guillotine-Klausel» verknüpft. Diese bestimmt, EWR-Abkommen wurde von der Schweiz im Mai 1992 dass die Verträge nur gemeinsam in Kraft gesetzt werden unterzeichnet. Im gleichen Monat deponierte die können. Wird eines der Abkommen nicht verlängert bzw. Schweiz in Brüssel ein Gesuch um Aufnahme von Ver- gekündigt, werden auch die übrigen ausser Kraft gesetzt. handlungen über einen EG-Beitritt. Nach Ablehnung des EWR-Beitritts durch Volk und Stände am 6. Dezem- Am 21. Juni 1999 unterzeichneten Bern und Brüssel die ber 1992 wurde das Gesuch eingefroren. Im Januar sieben bilateralen (sektoriellen) Abkommen. Diese sog. 1993 erklärte der Bundesrat, dass die Schweiz bis auf Bilateralen I wurden am 21. Mai 2000 vom Volk mit Weiteres auf die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen 67,2% Ja-Stimmen gutgeheissen und am 1. Juni 2002 verzichtete und ihre Beziehungen zur Gemeinschaft auf in Kraft gesetzt. Sie ermöglichen heute der Schweizer bilateralem Weg weiter zu entwickeln wünschte. Diese Wirtschaft (in Ergänzung zum Freihandelsabkommen) Politik führte zu den Verhandlungen und dem Ab- einen weitgehenden Zugang zum EU-Binnenmarkt schluss der beiden Vertragspakete Bilaterale I und II mit über 505 Mio. potenziellen Konsumentinnen und sowie weiteren Abkommen. Konsumenten. 6
den Zinsbesteuerung eingebunden werden. Zweitens Die Bilateralen I sind – mit Ausnahme des Forschungs- wollte Brüssel die Zusammenarbeit mit der Schweiz bei abkommens – klassische Marktöffnungsabkommen: der Betrugsbekämpfung im Bereich der indirekten Personenfreizügigkeit: Die Arbeitsmärkte werden schrittweise Steuern (namentlich gegen den Zigarettenschmuggel) geöffnet. Nach Ablauf von Übergangsfristen können sich Schweizer und EU-Bürgerinnen und -Bürger gleichberechtigt in intensivieren. den Vertragsstaaten niederlassen bzw. eine Arbeit aufnehmen. Voraussetzungen dafür sind, dass sie über einen gültigen Die Schweiz stimmte Verhandlungen in den genannten Arbeitsvertrag verfügen, selbstständig erwerbend sind oder Bereichen zu, allerdings unter der Bedingung, dass Ver- ausreichende finanzielle Mittel nachweisen können und krankenversichert sind. handlungen nicht nur in den beiden von der EU ge- wünschten Dossiers geführt werden, sondern weitere, Technische Handelshemmnisse (auch MRA – «Mutual Recognition Agreement» – genannt): Die Produktezulassung auch für die Schweiz wichtige Bereiche umfassten. Dazu wird vereinfacht. Die Prüfung, ob ein Produkt, das für die gehörten die Teilnahme an der Sicherheits- und Asyl- Vermarktung im gesamteuropäischen Markt vorgesehen ist, den Zusammenarbeit von Schengen/Dublin (polizeiliche und geltenden Vorschriften entspricht (sog. Konformitätsbewer- justizielle Zusammenarbeit, Asyl und Migration) sowie tung), muss nur noch bei einer einzigen Zertifizierungsstelle in der Schweiz oder in der EU vorgenommen werden. die Bereiche, welche in der gemeinsamen Absichtserklä- rung zu den Bilateralen I genannt wurden (landwirt- Öffentliches Beschaffungswesen: Die Ausschreibungspflicht für schaftliche Verarbeitungsprodukte, Statistik, Umwelt, Beschaffungen oder Bauten gemäss Regeln der Welthandels- organisation (WTO) wird auf die Gemeinden und Bezirke sowie MEDIA, Bildung, Ruhegehälter und Dienstleistungen). auf Beschaffungsaktivitäten von öffentlichen und spezifischen privaten Unternehmen in bestimmten Sektoren (z. B. Schienen- Ab Juni 2002 wurde zwischen der Schweiz und der EU verkehr, Energieversorgung) ausgeweitet. in zehn Dossiers verhandelt, den sog. Bilateralen II. Die Landwirtschaft: Der Handel mit Agrarprodukten wird in Verhandlungen in einem der Dossiers, der Dienstleis- bestimmten Bereichen vereinfacht (Käse, verarbeitete Milchpro- tungsliberalisierung, wurden im März 2003 in gemein- dukte); einerseits durch Zollabbau, andererseits durch die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Vorschriften in den samem Einverständnis sistiert. Der Grund war die Viel- Bereichen Veterinärmedizin, Pflanzenschutz und biologische zahl der noch offenen Punkte. Mit der politischen Landwirtschaft. Einigung bei der Zinsbesteuerung im Juni 2003 wurde Landverkehr: Die Märkte für Strassen- und Schienentransport ein wichtiges Etappenziel erreicht. Am 19. Mai 2004 werden schrittweise geöffnet, die schweizerische Verkehrspolitik konnte anlässlich eines Gipfeltreffens Schweiz–EU eine der Verlagerung auf die Schiene europapolitisch abgesichert: politische Einigung auch für die letzten politisch sen- Die EU akzeptiert die sukzessive Erhöhung der leistungsabhängi- siblen Differenzen gefunden werden – es ging um die gen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) auf 325 CHF (ab 2008), die Schweiz die stufenweise Erhöhung der Gewichtslimite für Frage des Informationsaustauschs bei Fiskaldelikten im Lastwagen auf 40 Tonnen (seit 2005). Rahmen von Rechts- und Amtshilfe: Luftverkehr: Das Abkommen gewährt Fluggesellschaften • Bei Schengen/Dublin erhält die Schweiz eine unbe- schrittweise Zugangsrechte zu den gegenseitigen Luftverkehrs- märkten. fristete Ausnahme («Opt out») für den Fall, dass bei der Weiterentwicklung des Schengen-Acquis auch Forschung: Schweizer Forschende sowie Unternehmen können bei Hinterziehungsdelikten eine Verpflichtung zur sich an den EU-Forschungsrahmenprogrammen beteiligen. Rechtshilfe entstehen würde. • Bei der Betrugsbekämpfung dehnt die Schweiz die Bilaterale II Zusammenarbeit im Bereich der indirekten Steuern Das zweite Vertragspaket, die Bilateralen II, berücksich- auf Fälle von Hinterziehungsdelikten aus (Inländer- tigt weitere wirtschaftliche Interessen (Lebensmittel- behandlung). industrie, Tourismus, Finanzplatz) und erweitert die Zu- sammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU über Während der ganzen Verhandlungsdauer verfolgte die den bisherigen wirtschaftlichen Rahmen auf neue Schweiz das Prinzip des Parallelismus: Ein Abschluss wichtige politische Bereiche wie innere Sicherheit, Asyl, kam für Bern nur für die Gesamtheit der Verträge in Umwelt und Kultur. Frage. U. a. dank dieser Verhandlungsstrategie konnte ein ausgewogenes Gesamtergebnis erreicht werden, Trotz beidseitiger Absichtserklärungen zu weiteren Ver- welches die zentralen schweizerischen Interessen wie handlungen in den Schlussakten der Bilateralen I von auch die Anliegen der EU berücksichtigte. Wie von der 1999 stand die Europäische Kommission neuen Ver- Schweiz angestrebt, wurden alle Abkommen, inkl. handlungen zunächst skeptisch gegenüber. Zwei neue Schengen/Dublin, gemeinsam abgeschlossen. Umge- wichtige EU-Anliegen an die Schweiz waren schliesslich kehrt kooperiert die Schweiz mit der EU bei der grenz- der Grund dafür, dass sich Brüssel doch zu einer neuen überschreitenden Zinsbesteuerung und dehnt ihre Runde bereit erklärte: Die Schweiz sollte erstens in das Zusammenarbeit bei der Betrugsbekämpfung im indi- von der EU geplante System der grenzüberschreiten- rekten Steuerbereich aus. 7
Beteiligung folgte am 12. Dezember 2008, nachdem im Die Bilateralen II dehnen die Zusammenarbeit mit der EU auf weitere zentrale politische Bereiche aus: Rahmen einer Evaluation Schengen-Expertenteams überprüft hatten, ob die Schweiz die Schengener Stan- Schengen/Dublin: Der Reiseverkehr an den Binnengrenzen wird dards einhält (in den Bereichen Aussengrenzschutz, An- erleichtert. Gleichzeitig werden die Kontrollen an den Schengen-Aussengrenzen sowie die internationale Polizei- und schluss an die europaweite Computerfahndungsdaten- Justiz-Zusammenarbeit im Kampf gegen die Kriminalität bank (Schengener Informationssystem SIS), Datenschutz, verstärkt. Die Dubliner Zuständigkeitsregeln und die Fingerab- Visa, Polizeizusammenarbeit). Die Inkraftsetzung wurde druck-Datenbank Eurodac helfen, mehrfache Asylgesuche zu am 29. März 2009 abgeschlossen und die Flughäfen vermeiden. Dadurch werden die nationalen Asylwesen entlastet. konnten das Schengen-Regime zusammen mit dem Zinsbesteuerung: Die Schweiz erhebt zugunsten der EU-Staaten Fahrplanwechsel einführen. einen Steuerrückbehalt auf Zinserträgen natürlicher Personen mit Steuersitz in der EU. Das Zinsbesteuerungsabkommen wurde am 1. Januar 2017 durch das Abkommen über den Bilaterale Abkommen ab 2004 automatischen Informationsaustausch in Steuersachen ersetzt. Europol, 2004: Das Abkommen zwischen der Schweiz und Betrugsbekämpfung: Die Zusammenarbeit gegen Schmuggel Europol, der Strafverfolgungsbehörde der EU, verbessert die und andere Deliktformen im indirekten Steuerbereich (Zoll, Polizeizusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung von Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuer), im Bereich Subvention schwerer und organisierter internationaler Kriminalität sowie sowie beim öffentlichen Beschaffungswesen wird ausgebaut. Terrorismus. Es erleichtert insbesondere den sicheren und raschen Austausch von strategischen und operativen Informa- Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte: Für eine breite tionen sowie die Zusammenarbeit im Bereich der Analyse. Palette von Produkten der Nahrungsmittelindustrie werden Zölle und Exportsubventionen abgebaut. Eurojust, 2008: Das Abkommen zwischen der Schweiz und Eurojust, der Einheit für justizielle Zusammenarbeit der EU, baut Umwelt: Die Schweiz wird Mitglied der Europäischen Umwelt- die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der agentur (EUA), eines der wichtigen Instrumente der europäi- schweren Kriminalität aus. Die europäische Justizbehörde schen Zusammenarbeit im Umweltbereich. Eurojust koordiniert die Ermittlungen und Strafverfolgungen der einzelnen Mitgliedstaaten und erleichtert die internationale Statistik: Die statistische Datenerhebung wird harmonisiert und Rechtshilfe sowie die Erledigung von Auslieferungsersuchen. damit der Zugang zu einer breiten Basis vergleichbarer Daten garantiert, welche bedeutende Entscheidungsgrundlagen für Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur Politik und Wirtschaft liefern können. (EVA), 2012: Die Vereinbarung zwischen der Schweiz und der Europäischen Verteidigungsagentur zur Rüstungszusammen- MEDIA: Die Schweizer Filmschaffenden erhielten bis 2013 arbeit ist rechtlich nicht bindend. Sie ermöglicht der Schweiz die vollberechtigten Zugang zu den EU-Förderprogrammen. Derzeit frühzeitige Erkennung rüstungspolitischer Entwicklungen und sind Verhandlungen über eine Teilnahme der Schweiz am den Zugang zur multilateralen Rüstungskooperation in Europa, Rahmenprogramm «Kreatives Europa» im Gange, welches seit insbesondere in den Bereichen der Forschung und Entwicklung 2014 die zuvor eigenständig existierenden Unterprogramme sowie der Beschaffung und Instandhaltung. «MEDIA» und «Kultur» zusammenfasst. Zusammenarbeit Wettbewerbsbehörden, 2013: Das Kooperati- Ruhegehälter: Die Doppelbesteuerung von ehemaligen onsabkommen strebt eine effiziente Durchsetzung der Wett- EU-Beamten mit Schweizer Wohnsitz wird aufgehoben. bewerbsbestimmungen bei grenzüberschreitenden Sachver- Bildung: Im Rahmen der Bilateralen II wurde lediglich eine halten an, was auch den Austausch vertraulicher Informationen politische Absichtserklärung über die Beteiligung der Schweiz an umfasst. den EU-Bildungsprogrammen 2007–2013 verabschiedet. Das Satellitennavigation, 2013: Das Kooperationsabkommen entsprechende Abkommen dazu wurde am 15. Februar 2010 gestattet der Schweiz die Teilnahme an den europäischen unterzeichnet. Die Schweiz beteiligte sich darauf bis 2013 an Satellitennavigationsprogrammen Galileo und EGNOS. Galileo den EU-Bildungsprogrammen. Eine erneute Assoziierung der ist ein satellitengestütztes Navigationssystem, das unter Schweiz an das Nachfolgeprogramm zu Erasmus+ ab 2021 wird anderem die Abhängigkeit vom US-amerikanischen GPS oder geprüft. vom russischen GLONASS einschränken soll. Bei EGNOS handelt es sich um ein regionales Navigationssystem, das die Genauig- Am 26. Oktober 2004 wurden die bilateralen Abkom- keit und Zuverlässigkeit globaler Satellitensignale verbessert. men II unterzeichnet. Am 17. Dezember 2004 geneh- Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), 2014: migte sie das Schweizer Parlament in Form einzelner Das EASO unterstützt Schengen-Staaten, deren Asyl- und Aufnahmesysteme besonderem Druck ausgesetzt sind, und Bundesbeschlüsse. Sieben der Abkommen unterlagen erleichtert, koordiniert und fördert dabei die zwischenstaatliche dem fakultativen Referendum, welches jedoch nur ge- Zusammenarbeit in Asylfragen. Die Verordnung zur Schaffung gen die Assoziierungsabkommen Schengen/Dublin des EASO ermöglicht den vier assoziierten Staaten des ergriffen wurde. Das Schweizer Volk nahm die Vorlage Schengen- und des Dublin-Abkommens die Beteiligung an den Aktivitäten des Büros. am 5. Juni 2005 mit 54,6% Ja-Stimmen an. Im Gegen- satz zu den Bilateralen I sind die Bilateralen II nicht recht- lich miteinander verknüpft, sondern können gemäss den Wirtschaftliche Bedeutung jeweiligen Bestimmungen und unabhängig voneinander Die Bilateralen I (1999) ergänzen das Freihandelsab- in Kraft treten. Bis auf das Betrugsbekämpfungsabkom- kommen von 1972 durch eine schrittweise und kon- men sind alle in Kraft. Schengen/Dublin sind am trollierte gegenseitige Marktöffnung. Dadurch wer- 1. März 2008 formell in Kraft getreten. Die operative den die Beziehungen zwischen den beiden wichtigen 8
Handelspartnern auf eine breitere Grundlage gestellt. geltenden Vorschriften erfüllen (Konformitätsbewer- Vom Abbau der Handelshemmnisse profitieren beide tung), wird nur noch bei einer einzigen Zertifizierungs- Seiten. Erleichterte Handelsbedingungen und ver- stelle in der Schweiz oder in der EU vorgenommen. stärkter Wettbewerb bewirken Wachstumseffekte, • Den grössten wirtschaftlichen Effekt weist die Perso- welche wiederum Arbeitsplätze sichern und schaffen. nenfreizügigkeit auf: Sie erleichtert die Entsendung von Schweizer Personal in die EU-Staaten einerseits Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der sek- sowie die Rekrutierung von Arbeitskräften für den toriellen Abkommen sind heute unbestritten. Ver- Schweizer Arbeitsmarkt andererseits. Durch das Per- schiedene Studien zu den bilateralen Abkommen sonenfreizügigkeitsabkommen erweitert sich der (u. a. der Bericht des Bundesrats in Beantwortung des schweizerische Markt für Arbeitskräfte faktisch auf Postulats Keller-Sutter «Freihandelsabkommen mit den ganzen EU- bzw. EFTA-Raum. Erleichterte Bedin- der EU statt bilaterale Abkommen» von 2015) zei- gungen für den Einsatz von internationalen Arbeits- gen, dass ein Wegfall dieser Verträge zu einem deut- kräften fördern die Effizienz und damit das Wachs- lich schwächeren Wirtschaftswachstum in der tum der Schweizer Unternehmen, da sie leichter Schweiz führen würde. Hinzu kämen Einbussen, wie geeignetes Personal für bestimmte Qualifikationen der Verlust an Rechtssicherheit und die Minderung rekrutieren können. Die Gefahr von Personalengpäs- der Standortattraktivität. Als wirtschaftlich besonders sen und entsprechend überhöhten Löhnen wird da- wichtig gelten die Personenfreizügigkeit, der Abbau durch gemildert. Dies ist umso wichtiger, als das An- der technischen Handelshemmnisse sowie das öf- gebot schweizerischer Arbeitskräfte mittelfristig aus fentliche Beschaffungswesen. demografischen Gründen zurückgehen dürfte. Da- durch werden die Produktivität und schliesslich das Durch die Ausdehnung der Abkommen auf die ost- Bruttoinlandprodukt gefördert und der schweizeri- europäischen Wachstumsmärkte der neuen EU-Staa- sche Arbeitsmarkt bleibt auf Dauer attraktiv. ten haben die bilateralen Abkommen weiter an Be- deutung gewonnen. Wirtschaftliche Eckdaten Schweiz–EU Mit dem EU-Beitritt von Bulgarien, Rumänien und Kroatien ist der EU-Binnenmarkt auf über 505 Mio. Personen angewachsen Wirtschaftliche Vorteile ergeben sich durch folgende und als Wirtschaftspartner der Schweiz noch bedeutender Effekte: geworden. Zwei Drittel des Schweizer Aussenhandels finden mit der EU statt. • Für Schweizer Unternehmen eröffnen sich neue Ge- 54% der Schweizer Exporte (2016: rund 113 Mrd. CHF) gehen schäftsmöglichkeiten in bisher geschlossenen Märk- in den EU-Raum. Umgekehrt stammen 72% der Schweizer ten, namentlich bei gewissen Agrarprodukten, im Importe (2016: rund 124 Mrd. CHF) aus der EU. Die EU ist somit für die Schweiz die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin, Luftverkehr, im Landverkehr sowie bei öffentlichen während die Schweiz zusammen mit den USA und China zu Beschaffungen. Schweizer Anbieter in diesen Sekto- den drei wichtigsten Handelspartnern der EU gehört (2016). ren können nun leichter auf dem europäischen Markt Ebenfalls bei den Direktinvestitionen ist die EU wichtigste tätig werden und dadurch potenzielle Grössenvortei- Partnerin: Rund 78% des ausländischen Kapitals in der Schweiz le (sog. Skaleneffekte) nutzen. Beispielsweise erhalten stammt aus der EU (2015: insgesamt rund 650 Mrd. CHF); Schweizer Anbieter die gleichen Zugangsbedingun- umgekehrt befinden sich rund 49% der schweizerischen gen wie ihre europäischen Konkurrenten bei öffent- Direktinvestitionen im Ausland in der EU (2015: rund 545 Mrd CHF). lichen Beschaffungen im Bereich der kommunalen Versorgungs-, Entsorgungs- und Transportinfrastruk- Auch bei den Arbeitskräften ist die Verflechtung mit der EU besonders stark: Ende 2016 wohnten und arbeiteten mehr als tur – ein Segment, in dem gerade in Mittelosteuropa 464‘400 Schweizerinnen und Schweizer in den EU-Staaten. immer noch ein grosser Aufholbedarf besteht, der in Umgekehrt lebten 2016 1‘390‘405 EU-28/EFTA-Bürgerinnen den kommenden Jahren weiterhin mit beträchtlicher und -Bürger in der Schweiz; dazu kommen knapp 320‘000 finanzieller Unterstützung der EU gedeckt werden Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus dem EU/EFTA-Raum. soll. (Quellen: Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Bundesamt für • Umgekehrt haben ausländische Anbieter freien Zu- Statistik BFS und Schweizerische Nationalbank SNB) tritt zum Schweizer Markt, was tendenziell den Wett- bewerbsdruck in den betreffenden Sektoren erhöht Die Bilateralen II (2004) dehnen die Zusammenarbeit und dadurch Anreize zur Produktivitätssteigerung auf wichtige politische Bereiche wie innere Sicherheit, generiert. Asyl, Umwelt und Kultur aus. Nur das Abkommen • Unmittelbare Einsparungen sind im bisher schon libe- über die landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte, ralisierten Warenverkehr durch die Vereinfachung der welches Exporterleichterungen für die Nahrungsmit- Regeln zur Produktzulassung (Abbau technischer telindustrie bringt, ist ein Marktöffnungsabkommen Handelshemmnisse) möglich: Die Prüfung, ob für den im Sinne der Bilateralen I. Die Bilateralen II decken aber gesamteuropäischen Markt bestimmte Produkte die auch andere wirtschaftliche Interessen ab wie: 9
• Die Stärkung des Tourismus-Standorts Schweiz durch Einführung von neuen Verpflichtungen für die Vertrags- die Einführung des Schengen-Visums parteien müssen gemäss den jeweiligen internen Ver- • Die Erleichterung des Grenzverkehrs durch die Ver- fahren der Vertragsparteien genehmigt werden. meidung systematischer Grenzkontrollen (Schengen) Von besonderer Natur sind die Gemischten Ausschüsse • Effizientere Zusammenarbeit im Kampf gegen Ab- zu den Assoziierungsabkommen von Schengen/Dublin, gabe- und Zolldelikte (Betrugsbekämpfung) insofern sie zwei unterschiedliche Funktionen ausüben: • Steuervorteile für international tätige Schweizer Un- Einerseits überwachen sie das ordnungsgemässe Funk- ternehmen, welche durch die Übernahme der Mut- tionieren der Abkommen. Andererseits nehmen sie die ter-Tochter-Richtlinie steuerlich entlastet werden Weiterentwicklung des Rechtsbestandes in den Berei- (Zinsbesteuerung/Abkommen über den automati- chen Schengen/Dublin vor. Bei der Ausübung dieser schen Informationsaustausch in Steuersachen) zweiten Funktion treffen sich die Gemischten Ausschüs- se auf verschiedenen Ebenen: auf Expertenebene, auf Rechtlicher und institutioneller Rahmen hoher Beamtenebene sowie auf Ministerebene. Sämtliche Abkommen beruhen auf der klassischen zwi- schenstaatlichen Zusammenarbeit, d. h. die Vertrags- Die bilateralen Abkommen können nur im gemeinsa- parteien haben mit dem Abschluss der Abkommen men Einverständnis der Parteien geändert werden, sie keinerlei Gesetzes- und Entscheidungsbefugnisse an sind keiner automatischen Veränderung unterworfen. eine supranationale (überstaatliche) Instanz übertragen. Bei den Verträgen, welche auf der Gleichwertigkeit der Jede Partei ist für die ordnungsgemässe Durchführung Gesetzgebung beruhen, liegt es aber oft im Interesse der Abkommen auf dem eigenen Hoheitsgebiet verant- beider Parteien, diese Gleichwertigkeit auch bei einer wortlich. Ausnahme ist die Einhaltung der Wettbe- Rechtsentwicklung aufrechtzuerhalten. Der Nachvollzug werbsregeln im Bereich Luftfahrt: Deren Überwachung von Entwicklungen des EU-Rechts im Anwendungsbe- und Durchsetzung liegen – mit Ausnahme der staatli- reich eines Abkommens ist in der Regel nötig, um glei- chen Beihilfen – in der Kompetenz der EU-Kommission che Wettbewerbsbedingungen zu garantieren (z. B. sowie des Europäischen Gerichtshofs. durch Vermeidung technischer Handelshemmnisse). Die bilateralen Abkommen beruhen entweder auf der Erweiterungsbeitrag Gleichwertigkeit der Gesetzgebung (wie z. B. bei den Im Rahmen ihrer Europapolitik nimmt die Schweiz auch ihre Abkommen über den Abbau technischer Handels- Mitverantwortung in Europa wahr. Bereits seit dem Ende des Kalten Kriegs unterstützt die Schweiz die demokratischen und hemmnisse sowie das öffentliche Beschaffungswesen) wirtschaftlichen Reformen der ehemals kommunistischen Staaten oder auf der (wörtlichen) Übernahme des EU-Acquis Osteuropas (traditionelle Osthilfe). Vor diesem Hintergrund (wie z. B. im Fall des Luftverkehrsabkommens und von beteiligt sich die Schweiz seit zehn Jahren mit einem Beitrag in Schengen/Dublin). Die Kooperationsabkommen regeln der Höhe von 1,3 Mrd. CHF an der Verringerung von wirtschaftli- chen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU. Mit die Zusammenarbeit im Rahmen von EU-Programmen ihrem Beitrag unterstützt die Schweiz insgesamt rund 300 und Agenturen. Projekte in denjenigen 13 Mitgliedstaaten, die der EU seit 2004 beigetreten sind. Während ein Teil der Projekte mittlerweile Die Abkommen und deren Weiterentwicklung werden abgeschlossen ist, befinden sich zahlreiche Projekte in Rumänien, Bulgarien und Kroatien nach wie vor in Umsetzung. durch Gemischte Ausschüsse verwaltet, in welchen die beiden Vertragsparteien mit gleichen Rechten vertreten Die Schweiz beteiligt sich mit diesem Erweiterungsbeitrag nicht an der Kohäsionspolitik der EU, sondern leistet diesen autonom sind. Sie überwachen das gute Funktionieren der Ab- und in enger Zusammenarbeit mit den Partnerländern. Der kommen und sind die Plattform für den Informations- Erweiterungsbeitrag ist Ausdruck der schweizerischen Solidarität austausch, für Beratungen zwischen den Parteien sowie mit der erweiterten EU und gleichzeitig die Weiterführung einer für gegenseitige Konsultationen. Im Fall von Differenzen konsequenten Interessenpolitik: Die Schweiz profitiert politisch und wirtschaftlich von der zunehmenden Stabilität und können die Parteien an sie gelangen. In den Gemischten Sicherheit, welche Auswirkungen einer erfolgreichen Integration Ausschüssen entscheiden die beiden Parteien mit Ein- der neuen EU-Staaten sind. stimmigkeit. Sie haben aber nur in den von den Abkom- Am 30. September 2016 hat das Parlament die Erneuerung des men vorgesehenen Fällen Entscheidungsgewalt. Auf Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Staaten Schweizer Seite entscheidet in der Regel der Bundesrat Osteuropas beschlossen. Dieses ist seit dem 1. Juni 2017 in auf der Grundlage einer Kompetenzdelegation, die Kraft und beinhaltet – neben der Grundlage für die laufende durch die eidgenössischen Räte genehmigt worden ist. Transitionszusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten ausserhalb der EU – weiterhin die gesetzliche Grundlage für den Beispielsweise können die Gemischten Ausschüsse über Erweiterungsbeitrag der Schweiz. Die Erneuerung der die Änderungen der Anhänge der Abkommen be- Rechtsgrundlage nimmt den Entscheid über eine effektive schliessen, deren Inhalte technischer Natur sind (dabei Erneuerung des Beitrags nicht vorweg. Der Bundesrat wird in handelt es sich z. B. um Listen der Gesetzgebungen, der Abhängigkeit der weiteren Entwicklung der Gesamtbeziehun- gen Schweiz–EU über einen möglichen zweiten Schweizer Behörden oder um Produktelisten). Änderungen der Beitrag entscheiden. Abkommensbestimmungen selbst und insbesondere die 10
Dazu kommen Gründe wie ein Interesse an gleich hohen das Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Damit hat das Standards in Bereichen wie Sicherheit, Gesundheit und Parlament die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit Umwelt. Für den Fall, dass eine Partei beabsichtigt, auf Kroatien sowie die Vollassoziierung der Schweiz am Rechtsvorschriften im Anwendungsbereich des Abkom- EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» seit mens zu ändern, sind Verfahren für Informationsaus- dem 1. Januar 2017 ermöglicht. Am 28. Juni 2017 hat tausch und Konsultationen vorgesehen. der Bundesrat die Vernehmlassung zu den Verord- nungsentwürfen in Zusammenhang mit den Gesetzes- In der Folge der EU-Beitritte der zehn am 1. Mai 2004 änderungen zur Umsetzung von Art. 121a BV eröffnet. beigetretenen Staaten, von Bulgarien und Rumänien am 1. Januar 2007 sowie von Kroatien am 1. Juli 2013 gel- Im April 2017 hat der Bundesrat seine Botschaft zur ten die bilateralen Abkommen auch für diese neuen Volksinitiative «Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf EU-Staaten. Sie übernehmen mit dem EU-Rechtsbestand die Wiedereinführung von Zuwanderungskontingen- auch die internationalen Übereinkommen der EU mit ten» (Rasa-Initiative) zuhanden des Parlaments verab- Drittstaaten wie der Schweiz. Die Ausdehnung der bila- schiedet. Diese Initiative will die Verfassungsbestim- teralen Abkommen auf neue EU-Staaten erfolgt ohne mungen zur Zuwanderung (Art. 121a BV und Art. 19 Neuverhandlung, eine Ausnahme bildet das Freizügig- 7 Ziff. 11 BV) ersatzlos aus der Verfassung streichen. keitsabkommen. In diesem Abkommen ist neben der EU Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und verzichtet auf jeder Mitgliedstaat ein Vertragspartner («gemischtes einen Gegenentwurf. Er tut dies aufgrund überwie- Abkommen»); es muss daher bei jeder EU-Erweiterung gend negativer Rückmeldungen von Parteien, Verbän- in Neuverhandlungen angepasst werden. den und Kantonen zu den Vorschlägen für einen direk- ten Gegenentwurf, die er am 1. Februar 2017 in die Im Rahmen der seit 2014 laufenden Verhandlungen Vernehmlassung geschickt hatte. zu den institutionellen Fragen diskutieren die Schweiz und die EU Mechanismen, die eine einheitlichere und An seiner Sitzung vom 28. Juni 2017 hat der Bundesrat effizientere Anwendung bestehender und zukünftiger seine Prioritäten in Bezug auf die Beziehungen mit der Verträge im Marktzugangsbereich gewährleisten sol- Europäischen Union festgelegt. Er hob die wirtschaft- len. Der Bundesrat hat das Mandat für Verhandlungen liche und soziale Bedeutung des bilateralen Wegs her- im institutionellen Bereich am 18. Dezember 2013 vor, der sowohl die Unabhängigkeit als auch den Wohl- verabschiedet, der EU-Ministerrat am 6. Mai 2014. Am stand unseres Landes sichert. Der Bundesrat 22. Mai 2014 haben die beiden Parteien die Verhand- bekräftigte seinen Willen, diese Beziehungen zu be- lungen aufgenommen. wahren und weiterzuentwickeln, namentlich im Be- reich des Marktzugangs. Die Schweiz und die EU ver- In den Schlussfolgerungen zu den Beziehungen zwi- handeln diesbezüglich seit 2014 das oben genannte schen der EU und der Schweiz vom Februar 2017 hielt Abkommen über die institutionellen Fragen, das eine der Rat der EU fest, dass für die Weiterentwicklung des einheitlichere und effizientere Anwendung bestehen- bilateralen Wegs der Abschluss eines Abkommens der und zukünftiger Verträge im Marktzugangsbereich über die institutionellen Fragen notwendig sei. Bereits gewährleisten soll. Die Verhandlungen haben gute in den Schlussfolgerungen von 2012 und 2014 beton- Fortschritte erzielt, sind aber immer noch im Gange. te der Rat der EU, ein institutioneller Rahmen sei die Voraussetzung für die Weiterführung des gegenseiti- Als europäischer Staat nimmt die Schweiz ihre Mitverantwor- tung für Sicherheit und Wohlstand auf dem Kontinent wahr. gen sektoriellen Marktzugangs. Sofern kein Konsens Diese gewährleistet sie durch ein Engagement, das über die besteht zwischen der Schweiz und der EU bzgl. der vertraglichen Beziehungen zur EU hinausgeht: Regelung der bilateralen Beziehungen und der institu- • Sie ist Mitglied des Europarates, der Europäischen Freihan- tionellen Fragen zur Konsolidierung und Weiterent- delsassoziation (EFTA) sowie der Organisation für Sicherheit wicklung des gegenseitigen Marktzugangs, kann der und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Abschluss neuer Marktzugangsabkommen nicht in • Die Schweiz engagiert sich (im Rahmen der UNO, der EU und der OSZE) in der militärischen sowie zivilen Friedensför- Betracht gezogen werden. derung im Balkan. • Seit 1990 unterstützt die Schweiz die Reformen in den Stand der Dinge ehemals kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas Das Parlament hat am 16. Dezember 2016 die Geset- – den sog. Transitionsprozess – mit substanziellen Mitteln (insgesamt 5,6 Mrd. CHF). zesänderungen zur Umsetzung von Art. 121a BV (neu- • Schliesslich leistet die Schweiz als Transitland mit der er Verfassungsartikel zur Steuerung der Zuwanderung Fertigstellung der Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) infolge der Annahme der Volksinitiative «Gegen einen wichtigen Beitrag zum guten Funktionieren des Masseneinwanderung») verabschiedet. Dieser Be- EU-Binnenmarkts. Sie garantiert einen effizienten und zugleich umweltverträglichen Waren- und Personenverkehr schluss schränkt den freien Personenverkehr mit EU/ zwischen dem Norden und Süden Europas. EFTA-Ländern nicht ein und verstösst damit nicht gegen 11
Beziehungen Schweiz–Vereinigtes Königreich nach rung des UK hat am 29. März 2017 die Auslösung von dem Brexit Art. 50 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) Seit dem Referendum vom 23. Juni 2016 über den EU- der EU mitgeteilt. Damit ist eine zweijährige Frist für die Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) verfolgt der Verhandlungen mit der EU betreffend den UK-Austritt Bundesrat die Lage kontinuierlich. Er hat entschieden, angelaufen. die bereits vor der Abstimmung ins Leben gerufene in- terdepartementale und von der Direktion für europäi- Aktualisierte Version sche Angelegenheiten geleitete Steuerungsgruppe www.eda.admin.ch/europa/europapolitik Schweiz/UK zu verstärken. Zudem hat der Bundesrat die «Mind the Gap»-Strategie beschlossen, mit welcher die Weitere Informationen Direktion für europäische Angelegenheiten DEA bestehenden gegenseitigen Rechte und Pflichten über Tel. +41 58 462 22 22, europa@eda.admin.ch den Zeitpunkt des EU-Austritts des UK hinaus sicherge- www.eda.admin.ch/europa stellt und allenfalls ausgebaut werden sollen. Die Regie- 12
Bilaterale Abkommen bis 1999 Freihandel Das Freihandelsabkommen (FHA) zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) von 1972 schafft eine Freihandelszone für industrielle Erzeugnisse und regelt den Handel mit verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten. Industrieprodukte mit Ursprung im Gebiet der beiden Vertragsparteien können aufgrund des FHA zollfrei gehandelt werden. Das Abkommen verbietet zudem mengenmäs- sige Handelsbeschränkungen (Kontingente) und Massnahmen mit gleicher Wirkung (z. B. diskrimi- nierende Verkaufsmodalitäten). Das FHA stellt einen tragenden Pfeiler der Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU dar. 2016 flossen rund 54% der Schweizer Exporte in den EU-Raum. Umgekehrt stammten 72% aller Schweizer Importe aus der EU. Chronologie • 1.1.1973 Inkrafttreten des Abkommens • 3.12.1972 Genehmigung durch das Volk und die Stände • 22.7.1972 Unterzeichnung des Abkommens Stand der Dinge sowie Massnahmen mit gleicher Wirkung (z. B. diskri- Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU minierende Verkaufsmodalitäten). Das FHA deckt nur im Rahmen des FHA währt bereits seit über 40 Jahren. Industrieprodukte ab, der Handel mit Landwirtschafts- Der Gemischte Ausschuss, der sich regelmässig trifft, produkten ist davon ausgenommen und wird in einem verwaltet das Abkommen und überwacht seine Umset- separaten Abkommen geregelt. Die landwirtschaftli- zung. Das letzte Treffen des Gemischten Ausschusses chen Verarbeitungsprodukte nehmen eine Sonderstel- fand am 23. November 2016 statt. lung zwischen Industrie und Landwirtschaft ein. Ihre zolltarifäre Behandlung wird durch das Protokoll Nr. 2 Hintergrund zum FHA geregelt. Das Protokoll Nr. 2 wurde im Rah- Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemein- men der Bilateralen II revidiert und der Marktzugang für schaft (EWG) 1957 einerseits und der Schaffung der die Produkte der Nahrungsmittelindustrie dadurch stark Europäischen Freihandelsassoziation (European Free verbessert (siehe Informationsblatt «Landwirtschaftliche Trade Association, EFTA) 1960 andererseits bildeten sich Verarbeitungsprodukte»). in Westeuropa zwei getrennte Integrationsmodelle. Um eine Aufspaltung in zwei Wirtschaftsblöcke zu vermei- Die Zollfreiheit für den Güterhandel gilt nur innerhalb den und einen westeuropäischen Grossmarkt zu schaf- der Freihandelszone. Im Unterschied zu einer Zollunion fen, wurden Anfang der Siebzigerjahre zwischen der definieren die Freihandelspartner ihre Aussenzölle und EWG und den einzelnen Mitgliedstaaten der EFTA Frei- Kontingente gegenüber Drittstaaten eigenständig. Aus handelsabkommen geschlossen. Auch die Schweiz, diesem Grund findet an den Grenzen der Freihandels- eines der Gründungsmitglieder der EFTA, beteiligte sich partner weiterhin eine Zollabfertigung statt. Es soll u. a. an den Verhandlungen und unterzeichnete 1972 mit der sichergestellt werden, dass die importierten Waren nur EWG ein FHA. Dieses erlaubte ihr, die wirtschaftlichen dann von den Vorzugsbestimmungen des FHA profitie- Beziehungen mit der EWG zu vertiefen, ohne dabei ihre ren, wenn diese ihren Ursprung im Gebiet der Vertrags- Kompetenz aufzugeben, mit Drittstaaten eigenständig parteien haben. aussenwirtschaftliche Verträge abzuschliessen. Obwohl gemäss Bundesverfassung nicht erforderlich, wurde das Das Protokoll Nr. 3 (Ursprungsprotokoll) zum FHA setzt FHA dem obligatorischen Referendum unterstellt. Das mit den Ursprungsregeln die Bedingungen fest, nach FHA fand am 3. Dezember 1972 beim Volk mit 72,5% welchen Erzeugnisse ihren Ursprung in der Schweiz oder Ja-Stimmen und bei allen Ständen breite Zustimmung. der EU haben und somit gemäss FHA zollfrei gehandelt werden können (Ursprungswaren). Am 3. Dezem- Inhalt ber 2015 wurden per Beschluss des Gemischten Aus- Das FHA verbietet für die vom Abkommen abgedeckten schusses die Regeln des Regionalen Übereinkommens Produkte Zölle und mengenmässige Beschränkungen über die Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungs- 13
regeln («PEM-Konvention») in das Protokoll Nr. 3 des 113 Mrd. CHF in die EU-Staaten. Umgekehrt importier- FHA übernommen. Somit können zur Herstellung von te sie Waren aus der EU im Wert von 124 Mrd. CHF. Ursprungswaren im Rahmen des FHA nicht nur Vorma- 2016 stellte die Schweiz nach den USA und China den terialien aus den südlichen Mittelmeerländern (Ägypten, drittgrössten Absatzmarkt für EU-Waren und war im Israel, das besetzte palästinensische Gebiet, Jordanien, selben Jahr hinter den USA und China der drittwichtigs- Libanon, Marokko, Tunesien), den EFTA-Mitgliedstaaten te Handelspartner der EU. Das Handelsvolumen ist in und der Türkei, sondern neu auch aus den Freihandels- den letzten 20 Jahren durchschnittlich um rund 3% pro partnern im Westbalkanraum (Albanien, Bosnien und Jahr gewachsen. Ein Grossteil dieser Warenflüsse fällt Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, unter den Anwendungsbereich des FHA. Serbien) verwendet werden, ohne dass auf die Zollbe- freiung verzichtet werden muss. Für die Schweizer Ex- portwirtschaft, insbesondere die Textilindustrie, ist dies Aktualisierte Version www.eda.admin.ch/europa/freihandel von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Weitere Informationen Bedeutung Staatssekretariat für Wirtschaft SECO Die Partnerschaft im Rahmen des FHA bildet die Grund- Tel. +41 58 462 56 56, info@seco.admin.ch, www.seco.admin.ch lage der intensiven Handelsbeziehungen der traditionell Direktion für europäische Angelegenheiten DEA stark exportorientierten Schweiz mit ihren wichtigsten Tel. +41 58 462 22 22, europa@eda.admin.ch Wirtschaftspartnern, der EU und ihren Mitgliedstaaten. www.eda.admin.ch/europa 2016 exportierte die Schweiz Waren im Wert von 14
Bilaterale Abkommen bis 1999 Versicherungen Das Versicherungsabkommen von 1989 öffnet bestimmte Bereiche des Versicherungsmarktes zwi- schen der Schweiz und der Europäischen Union (EU). Schweizer Versicherer können im Bereich der direkten Schadensversicherung (Hausrats-, Motorfahrzeug-, Reise-, Haftpflichtversicherungen usw.) gleichberechtigt Agenturen und Zweigniederlassungen im EU-Raum gründen oder erwerben. Dabei reduziert das Abkommen auch regulatorische Anforderungen. Gleiches gilt für EU-Versicherer in der Schweiz. Das Abkommen trägt somit zu einer verbesserten internationalen Positionierung von Schweizer Versicherungsgesellschaften bei. Chronologie • 1.1.1993 Inkrafttreten des Abkommens • 30.1.1992 Genehmigung durch das Parlament • 1.10.1989 Unterzeichnung des Abkommens Hintergrund cherungsgesellschaft mit einer Zweigniederlassung 1973 verabschiedete die damalige Europäische Wirt- in der EU keine zusätzliche, auf die Zweigniederlas- schaftsgemeinschaft (EWG) eine Richtlinie, welche sung begrenzte Solvenzberechnung und Kapitalhin- bezüglich der Ausübung und Aufnahme einer Tätig- terlegung vornehmen muss. Die Aufsichtsbehörde keit im Bereich der Direktversicherungen (mit Aus- des EU-Mitgliedstaats, in dem die Zweigniederlas- nahme der Lebensversicherung) die Diskriminierung sung beheimatet ist, stützt sich stattdessen auf die mitgliedstaatlicher Versicherungseinrichtungen ver- Solvenzbedeckung, welche die Eidgenössische Fi- bietet, nicht aber eine Ungleichbehandlung von Un- nanzmarktaufsicht FINMA für die ganze Schweizer ternehmern aus Drittstaaten. Eine Diskriminierung Versicherungsgesellschaft, inklusive der Zweignie- von Schweizer Unternehmen war damit nicht ausge- derlassungen, fordert. schlossen. Die schweizerische Versicherungswirt- schaft war zu jener Zeit im EWG-Raum in erhebli- Das Versicherungsabkommen ist ausschliesslich auf chem Umfang durch Niederlassungen vertreten und den Bereich der direkten Schadensversicherung an- deshalb daran interessiert, den dortigen Versicherern wendbar (Hausrats-, Motorfahrzeug-, Reise-, Haft- gleichgestellt zu sein. Aus diesem Grund nahm die pflichtversicherungen usw.). Lebensversicherer, Schweiz mit der EWG Verhandlungen über den Ab- Rückversicherer sowie gesetzliche Systeme der sozi- schluss eines entsprechenden Abkommens auf. 1982 alen Sicherheit fallen nicht in den Geltungsbereich wurde dieses paraphiert. Allerdings waren in der des Abkommens. Zudem regelt das Abkommen nur EWG in der Zwischenzeit weitere Bestimmungen er- die Niederlassungsfreiheit, nicht aber die freie lassen worden, welche die EWG-Richtlinie von 1973 grenzüberschreitende Versicherungstätigkeit. abänderten oder ergänzten. Unter Berücksichtigung dieser Anpassungen wurde in der Folge das Abkom- Seit 2011 sind in der Schweiz mit dem Swiss Solven- men zwischen der Schweiz und der EWG überarbei- cy Test (SST) neue Solvenzanforderungen betreffend tet. 1989 wurde es erneut paraphiert und im selben die Privatversicherer in Kraft. In der EU wurden die Jahr unterzeichnet. Solvenzanforderungen mit der am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Versicherungsrichtlinie «Solvenz II» Inhalt ebenfalls revidiert. Vor diesem Hintergrund müssen Das Versicherungsabkommen garantiert die Nieder- die Anhänge des Versicherungsabkommens an die lassungsfreiheit auf der Basis der Gegenseitigkeit: neuen Solvenzanforderungen in der Schweiz und der Schweizer Versicherer können gleichberechtigt EU angepasst werden. Unabhängig vom Versiche- Agenturen und Zweigniederlassungen im EU-Raum rungsabkommen hat die EU-Kommission bereits gründen oder erwerben. Gleiches gilt für EU-Versi- 2015 die Schweizer Regulierung und Aufsicht betref- cherer in der Schweiz. Ein weiterer Nutzen des Ab- fend Privatversicherer mit dem europäischen Recht kommens besteht darin, dass eine Schweizer Versi- als gleichwertig anerkannt. 15
Bedeutung erwerben und diese unter reduzierten regulatorischen Der Versicherungssektor nimmt innerhalb der Schwei- Anforderungen zu führen. Dadurch können sich die zer Wirtschaft einen bedeutenden Stellenwert ein. betreffenden Gesellschaften international besser po- 2016 arbeiteten 46’425 Personen in der Schweiz und sitionieren. 71’654 im Ausland für Schweizer Privatversicherer. Im Bereich der Schadensversicherungen (Nichtlebensver- sicherung) beliefen sich 2015 die über Zweignieder- lassungen generierten Bruttoprämien (verdiente Brut- Aktualisierte Version toprämien) aus der EU auf 1,014 Mrd. CHF. Angesichts www.eda.admin.ch/europa/versicherungen der grossen Bedeutung des europäischen Marktes Weitere Informationen stellte die Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA für Schweizer Unternehmen in der EU einen wichtigen Tel. +41 31 327 91 00, info@finma.ch, www.finma.ch Schritt dar. Das Abkommen bewährt sich insbesonde- re, da es verschiedenen Schweizer Versicherungsge- Direktion für europäische Angelegenheiten DEA Tel. +41 58 462 22 22, europa@eda.admin.ch sellschaften ermöglicht hat, Zweigniederlassungen für www.eda.admin.ch/europa den Nichtlebensbereich in der EU zu gründen oder zu 16
Bilaterale Abkommen bis 1999 Zollerleichterungen und Zollsicherheit Mit dem Güterverkehrsabkommen von 1990 wurden die Kontrollen und Formalitäten im Güterver- kehr zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) vereinfacht und die Zusammenarbeit an den Grenzstellen koordiniert. 2009 wurde das Abkommen formell durch das erweiterte Abkom- men über Zollerleichterungen und Zollsicherheit ersetzt. Das neue Abkommen regelt zusätzlich zu den bestehenden Zollerleichterungen die Zusammenarbeit im Zollsicherheitsbereich und verhindert die Anwendung entsprechender EU-Massnahmen für Drittstaaten auf die Schweiz, wie etwa die Voranmeldepflicht für Importe. Dies vereinfacht die Zollkontrollen für die mehr als 20’000 Lastwa- gen, die täglich die Schweizer Grenze passieren. Chronologie • 1.1.2011 Inkrafttreten des revidierten Abkommens • 18.6.2010 Genehmigung durch das Parlament • 1.7.2009 Vorläufige Anwendung des revidierten Abkommens • 25.6.2009 Unterzeichnung des revidierten Abkommens • 1.7.1991 Inkrafttreten des Abkommens • 13.3.1991 Genehmigung durch das Parlament • 21.11.1990 Unterzeichnung des Abkommens Stand der Dinge Schweiz und die EU gegenseitig die Grenzkontrollen Das ursprüngliche Güterverkehrsabkommen von 1990 und -formalitäten im grenzüberschreitenden Güter- hat die Zollkontrollen zwischen der Schweiz und den verkehr. Dazu wurden u. a. die Öffnungszeiten der EU-Staaten stark vereinfacht. 2009 wurde dieses Ab- Zollstellen auf beiden Seiten der Grenzen aufeinander kommen formell durch das neue Abkommen über abgestimmt. Die Abfertigungskompetenzen der je- Zollerleichterungen und Zollsicherheit ersetzt und um weiligen Dienststellen wurden einander angeglichen, den Bereich der Zollsicherheit erweitert. Die Schweiz die Gleichwertigkeit der Kontrollen und Dokumente und die EU bilden damit seit 2009 einen Zollsicher- wurde gegenseitig anerkannt und die Warenkontrolle heitsraum mit gleichwertigen Sicherheitsstandards. erfolgt nunmehr nach dem Stichprobenprinzip. Ferner Ohne diese Anpassung wären die im Jahr 2009 einge- wurden gemeinsam betriebene Zollanlagen und Tran- führten EU-Zollsicherheitsmassnahmen auch auf die sitschnellspuren eingeführt. Der Verkehrsfluss über die Schweiz als Nicht-EU-Mitgliedstaat angewandt wor- Grenzen sollte dank des Abkommens auch bei Streiks, den. Damit hätten die administrativen Hürden im Naturkatastrophen usw. gewährleistet sein, ebenso bilateralen Warenhandel an den Grenzübergängen die gegenseitige Information der Behörden bei schwe- zwischen der Schweiz und der EU bedeutend zuge- ren Störungen. Die im Abkommen von 1990 ebenfalls nommen. aufgeführten Veterinär- und Pflanzenschutzkontrollen sind nunmehr im bilateralen Abkommen zwischen der Die letzte Sitzung des Gemischten Ausschusses des Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (EG) Abkommens fand am 16. November 2016 in Basel vom 21. Juni 1999 über den Handel mit landwirt- statt. Es wurde festgehalten, dass die Zusammenarbeit schaftlichen Erzeugnissen geregelt, wobei die Veteri- zwischen der Schweiz und der EU im Zollsicherheitsbe- närkontrollen per 1. Januar 2009 abgeschafft wurden. reich weiterhin gut funktioniert. Zudem diskutierten die Parteien die möglichen Auswirkungen der jüngsten Aus Sicherheitsüberlegungen hat die EU seit dem Änderungen im EU-Zollrecht auf das Abkommen. Der 1. Juli 2009 eine Voranmeldepflicht für Warenimpor- neue EU-Zollkodex ist per Mai 2016 in Kraft getreten. te aus bzw. für Warenexporte in Drittstaaten vorge- sehen. Die Fristen für die Voranmeldung betragen im Hintergrund Strassenverkehr eine Stunde, im Schienenverkehr Mit dem Abschluss des Güterverkehrsabkommens zwei Stunden und im Schiffsverkehr mindestens vier von 1990 vereinfachten und beschleunigten die Stunden. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Bezie- 17
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