Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2014 - IHK Thurgau

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Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2014 - IHK Thurgau
Die Bilateralen
Abkommen Schweiz -
Europäische Union
Ausgabe 2014
Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2014 - IHK Thurgau
Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2014 - IHK Thurgau
Inhaltsverzeichnis
Die Europapolitik der Schweiz                               5

Freihandel                                                 13

Versicherungen                                             15

Zollerleichterungen und Zollsicherheit                     17

Personenfreizügigkeit                                      19

Technische Handelshemmnisse                                27

Öffentliches Beschaffungswesen                             29

Landwirtschaft                                             31

Forschung                                                  33

Luftverkehr                                                37

Landverkehr                                                39

Schengen/Dublin                                            41

Zinsbesteuerung                                            47

Betrugsbekämpfung                                          49

Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte                  51

MEDIA                                                      53

Umwelt                                                     55

Statistik                                                  57

Ruhegehälter                                               59

Bildung, Berufsbildung, Jugend                             61

Europol                                                    63

Eurojust                                                   65

Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur   67

Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden                     69

Satellitennavigation (Galileo und EGNOS)                   71

Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO)                   73

                                                            3
Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2014 - IHK Thurgau
Redaktionsschluss: 1. August 2014

Die elektronischen Fassungen der Informationsblätter zu den bilateralen Abkommen Schweiz-EU sind auch auf www.eda.admin.ch/europa
verfügbar. Sie werden regelmässig aktualisiert und können dort heruntergeladen oder bestellt werden.

Grundsätzlich wird in der vorliegenden Broschüre der Ausdruck Europäische Union (EU) im umgangssprachlichen und nicht im juristischen
Sinn verwendet.

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Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2014 - IHK Thurgau
Die Europapolitik der Schweiz

Die Schweiz liegt geografisch in der Mitte des europäischen Kontinents und ist fast ausschliesslich
von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) umgeben. Aufgrund dieser geografischen und
kulturellen Nähe, insbesondere aber wegen ihres politischen und wirtschaftlichen Gewichts, sind die
EU und ihre 28 Mitgliedstaaten die mit Abstand wichtigsten Partner der Schweiz. Aber auch die
Schweiz ist für die EU eine erstrangige Partnerin. Eine aktive Europapolitik ist daher von entschei-
dender Bedeutung für den Wohlstand der Schweiz. Die Schweiz ist kein EU-Mitgliedstaat, sondern
verfolgt ihre Europapolitik auf Grundlage bilateraler sektorieller Abkommen. Seit dem Freihandels-
abkommen von 1972 wurde in mehreren Etappen ein immer dichteres Netz von Abkommen geknüpft.
Der bilaterale Ansatz ermöglicht der Schweiz eine Politik der Offenheit und Zusammenarbeit mit
den europäischen Nachbarn. Das Volk hat den bilateralen Weg in verschiedenen Abstimmungen
bestätigt und unterstützt.

 Chronologie
 • 2014: Unterzeichnung des Paritzipationsabkommens EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für
         Asylfragen)
 • 2014: Beginn der Verhandlungen im institutionellen Bereich
 • 2014: Annahme der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung»
 • 2013: Unterzeichnung des Wettbewerbsabkommens
 • 2011: Unterzeichnung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung der geschützten
         Ursprungsbezeichnungen (GUB) und der geschützten geografischen Angaben (GGA) für
         Agrarprodukte und Lebensmittel
 • 2010: Unterzeichnung des Bildungsabkommens
 • 2009: Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des revidierten Abkommens über Zollerleich-
         terungen und Zollsicherheit
 • 2009: Weiterführung der Personenfreizügigkeit sowie Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien
 • 2005: Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die EU-10
 • 2004: Bilaterale II (Schengen, Dublin, Zinsbesteuerung, Betrugsbekämpfung, Landwirtschaftliche
         Verarbeitungsprodukte, Umwelt, Statistik, MEDIA, Ruhegehälter)
 • 1999: Bilaterale I (Personenfreizügigkeit, Technische Handelshemmnisse, Öffentliches Beschaffungs-
         wesen, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr, Forschung)
 • 1992: EWR-Beitritt vom Volk abgelehnt
 • 1990: Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit
 • 1989: Versicherungsabkommen
 • 1972: Freihandelsabkommen EFTA-EU

Stand der Dinge                                            Partei- und Fraktionspräsidenten vom 16. Mai 2014
Am 9. Februar 2014 hat die Schweizer Bevölkerung die       wurde bestätigt, dass der neue Verfassungsartikel mit
Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» ange-           dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU nicht verein-
nommen. Damit kommt es zu einem Systemwechsel              bar ist. Das FZA muss daher innert dreier Jahre neu
in der Zuwanderungspolitik der Schweiz. Die neuen          verhandelt werden. Das Eidgenössische Justiz- und Po-
Verfassungsbestimmungen verlangen, dass die Zuwan-         lizeidepartement (EJPD) wird Ausführungsverordnun-
derung durch Höchstzahlen und Kontingente begrenzt         gen entwerfen für den Fall, dass die Umsetzung auf
wird. Der Bundesrat ist verpflichtet, innert dreier Jahre   Gesetzesebene nicht rechtzeitig abgeschlossen werden
ein neues Zulassungssystem für alle Ausländerinnen         kann. Der neue Verfassungstext erteilt dem Bundesrat
und Ausländer einzuführen. In der Diskussion an den        die Kompetenz, das neue Zuwanderungssystem vorü-
traditionellen Von-Wattenwyl-Gesprächen mit den            bergehend auf Verordnungsstufe zu regeln.

                                                                                                              5
Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union - Ausgabe 2014 - IHK Thurgau
Der Bundesrat präsentierte am 20. Juni 2014 das          Bereichen. Der bilaterale Ansatz ermöglicht damit
Umsetzungskonzept des neuen Verfassungsartikels.         eine Politik der Offenheit und engen Zusammenar-
Bis im Herbst 2014 wird das EJPD in Zusammenarbeit       beit mit den europäischen Nachbarn. Die Kooperation
mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige       bei der grenzüberschreitenden Besteuerung von Zin-
Angelegenheiten (EDA) und dem Departement für            seinkünften oder bei der Betrugsbekämpfung, das
Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) dem Bundes-      koordinierte Vorgehen in der Asylpolitik ebenso wie
rat einen Entwurf eines Verhandlungsmandates mit         der schweizerische Erweiterungs- oder Kohäsionsbei-
der EU für die Anpassung des FZA unterbreiten. Bis       trag zugunsten der neuen EU-Staaten sind Beispiele
Ende Jahr soll dann ein Gesetzesentwurf vorliegen.       dafür. Gleichzeitig bleibt die institutionelle Unabhän-
                                                         gigkeit der Schweiz gewährleistet. Als Nicht-Mitglied
Die neuen Verfassungsbestimmungen der Initiative         der EU hat die Schweiz kein Mitentscheidungsrecht
«Gegen Masseneinwanderung» schliessen den Ab-            auf EU-Ebene.
schluss neuer Abkommen aus, die mit der Einführung
von Kontingenten für Einwanderer nicht vereinbar         Europapolitisches Ziel der Schweiz ist, die bestmögli-
sind. Diese Bestimmung ist direkt anwendbar und          chen Rahmenbedingungen für ihre Beziehungen zur
setzt keine Umsetzung auf Gesetzesebene voraus.          EU zu schaffen. Mit dieser Absicht wurde das bilate-
Der Bundesrat war deshalb nicht in der Lage, das         rale Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU
Protokoll III – das die Bestimmungen der Ausdehnung      (bzw. ihren Vorgängerorganisationen) über die Jahr-
des FZA auf Kroatien enthält – in seiner aktuellen       zehnte kontinuierlich entwickelt und vertieft. Insge-
Fassung zu unterzeichnen. Am 30. April 2014 hat der      samt wurden in mehreren Etappen rund 20 Hauptab-
Bundesrat Massnahmen beschlossen, die Lösungen           kommen und eine grosse Zahl weiterer Verträge
für die kontingentierte Zulassung von kroatischen        abgeschlossen. Dieser bilaterale Ansatz wurde in ei-
Bürgerinnen und Bürger als Drittstaatangehörige          ner Reihe von Abstimmungen vom Volk regelmässig
zum Schweizer Arbeitsmarkt vorsehen. Mit der Um-         bestätigt – seit 2000 insgesamt in sieben Abstim-
setzung der geplanten Massnahmen konnten die             mungen.
Verhandlungen in den verschiedenen Dossiers wie
Forschung, Bildung, Strom und Emissionshandel wie-       2010 hat der Bundesrat verschiedene europapoliti-
der lanciert werden. Zudem konnten am 22. Mai            sche Optionen vertieft evaluiert und entschieden,
2014 die Verhandlungen zu den institutionellen Fra-      dass der bilaterale Weg das geeignete Instrument ist,
gen aufgenommen werden.                                  um ein angemessenes Gleichgewicht der Interessen
                                                         der Schweiz und der EU zu gewährleisten. Als Ziele
Hintergrund                                              formulierte er in seinem Bericht über die Evaluation
Die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten sind die mit Ab-      der schweizerischen Europapolitik vom 17. September
stand wichtigsten Partner der Schweiz – sowohl auf-      2010 die Konsolidierung, Sicherung und Weiterent-
grund des politischen und wirtschaftlichen Gewichts      wicklung des bilateralen Weges. Seit der Annahme
der EU als auch wegen ihrer geografischen und kul-        der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung»
turellen Nähe. Besonders wichtig ist das wirtschaftli-   verfolgt der Bundesrat die Strategie, die aktuellen
che Verhältnis: Jeden dritten Franken verdient die       und künftigen Verhandlungen in verschiedenen eu-
Schweiz im Austausch mit der EU. 2013 gelangten          ropapolitischen Dossiers in ihrer Gesamtheit voran-
55% der Schweizer Exporte in die EU. 73% der Im-         zutreiben und aufeinander abzustimmen, um für die
porte kamen von dort. Die Schweiz gehört zusam-          Schweiz das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
men mit den USA, China und Russland zu den vier
wichtigsten Handelspartnern der EU (2013).               Ursprung des Bilateralen Weges
                                                         Die Basis für den wirtschaftlichen Austausch wurde
Angesichts dieser engen Verflechtung ist eine aktive      1972 mit dem Freihandelsabkommen gelegt, welches
Europapolitik von zentraler Bedeutung: Die Schweiz       vom Volk mit 72,5% sowie von den Ständen angenom-
verfolgt gegenüber der Union eine Interessenpolitik      men wurde. 1989 folgte das Versicherungsabkommen.
auf bilateralem Weg; d.h. konkrete Anliegen und
Probleme werden durch bilaterale Abkommen in klar        Gemeinsam mit den anderen Staaten der EFTA
umgrenzten Bereichen geregelt. Dieses schrittweise,      (European Free Trade Association) verhandelte die
pragmatische Vorgehen erlaubt massgeschneiderte,         Schweiz mit der damaligen Europäischen Gemein-
vertragliche Lösungen für eine breite Palette wirt-      schaft (EG) die Schaffung eines Europäischen Wirt-
schaftlicher und politischer Fragen. Die Abkommen        schaftsraums (EWR), der auf den vier Grundfreiheiten
schaffen einerseits einen weitgehenden gegenseiti-       (Personenfreizügigkeit, freier Waren-, Kapital- und
gen Marktzugang. Andererseits sind sie Grundlage         Dienstleistungsverkehr) gründet. Das entsprechende
für eine enge Kooperation in wichtigen politischen       EWR-Abkommen wurde von der Schweiz im Mai 1992

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sogenannten Bilateralen I wurden am 21. Mai 2000
 Freihandelsabkommen (FHA) 1972: Industriewaren mit Ursprung
 in einem der Vertragsstaaten werden zollfrei gehandelt.
                                                                    vom Volk mit 67,2% Ja-Stimmen gutgeheissen und
 Mengenmässige Beschränkungen (Kontingente) sowie                   am 1. Juni 2002 in Kraft gesetzt. Sie ermöglichen der
 Massnahmen gleicher Wirkung wie Zölle sind verboten. Bei           Schweizer Wirtschaft (in Ergänzung zum Freihandels-
 verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten (deren Behandlung im        abkommen) einen weitgehenden Zugang zum EU-
 Protokoll 2 des FHA geregelt ist) wird der industrielle Anteil
 gänzlich von Zöllen befreit. Auf dem landwirtschaftlichen Anteil
                                                                    Binnenmarkt mit über 505 Millionen potenziellen
 wurden Zölle und Exportsubventionen seitens der Schweiz            Konsumentinnen und Konsumenten.
 reduziert, während die EU Zölle und Exportbeihilfen gänzlich
 abgebaut hat.
                                                                     Die Bilateralen I sind – mit Ausnahme des Forschungsabkom-
 Versicherungsabkommen von 1989: Für Versicherungsunterneh-
                                                                     mens – klassische Marktöffnungsabkommen:
 men der Schweiz und der EU im Bereich der direkten Schadens-
 versicherung wird die Niederlassungsfreiheit garantiert.
                                                                     Personenfreizügigkeit: Die Arbeitsmärkte werden schrittweise
 Agenturen und Zweigniederlassungen erhalten gleiche Zutritts
                                                                     geöffnet. Nach Ablauf von Übergangsfristen können sich
 und Ausübungsbedingungen auf dem Gebiet der Vertragspar-
                                                                     Schweizer und EU-Bürgerinnen und -Bürger gleichberechtigt in
 teien. Das Abkommen ist nicht auf Lebensversicherungen,
                                                                     den Vertragsstaaten niederlassen bzw. eine Arbeit aufnehmen.
 Rückversicherungen oder gesetzliche Systeme der sozialen
                                                                     Voraussetzungen sind, dass sie über einen gültigen Arbeitsver-
 Versicherungen anwendbar und erlaubt auch keine grenzüber-
                                                                     trag verfügen, selbstständigerwerbend sind oder ausreichende
 schreitenden Dienstleistungen.
                                                                     finanzielle Mittel nachweisen können und krankenversichert sind.

                                                                     Technische Handelshemmnisse (auch MRA – «Mutual
                                                                     Recognition Agreement» – genannt): Die Produktezulassung
unterzeichnet. Im gleichen Monat hat die Schweiz                     wird vereinfacht. Die Prüfung, ob ein Produkt, das für die
in Brüssel ein Gesuch um Aufnahme von Verhand-                       Vermarktung im gesamteuropäischen Markt vorgesehen ist, den
lungen über einen EG-Beitritt deponiert. Nach Ableh-                 geltenden Vorschriften entspricht (sog. Konformitätsbewer-
nung des EWR-Beitritts durch Volk und Stände am                      tung), muss nur noch bei einer einzigen Zertifizierungsstelle in
                                                                     der Schweiz oder in der EU vorgenommen werden.
6. Dezember 1992 wurde das Gesuch eingefroren.
Im Januar 1993 erklärte der Bundesrat, dass die                      Öffentliches Beschaffungswesen: Die Ausschreibungsspflicht für
Schweiz bis auf weiteres auf die Eröffnung der Bei-                  Beschaffungen oder Bauten gemäss WTO-Regeln wird auf die
trittsverhandlungen verzichtet und ihre Beziehungen                  Gemeinden und Bezirke sowie auf Beschaffungsaktivitäten von
                                                                     öffentlichen und spezifischen privaten Unternehmen in
zur Gemeinschaft auf bilateralem Weg weiter zu ent-                  bestimmten Sektoren (bspw. Schienenverkehr, Energieversor-
wickeln wünscht. Diese Politik führte zu den Ver-                    gung) ausgeweitet.
handlungen und dem Abschluss der beiden Vertrags-
pakete Bilaterale I und II.                                          Landwirtschaft: Der Handel mit Agrarprodukten wird in
                                                                     bestimmten Bereichen vereinfacht (Käse, verarbeitete Milchpro-
                                                                     dukte); einerseits durch Zollabbau, andererseits durch die
Bilaterale I                                                         Anerkennung der Gleichwertigkeit der Vorschriften in den
Die Teilnahme am EWR hätte für die Schweiz eine                      Bereichen Veterinärmedizin, Pflanzenschutz und biologische
vollständige wirtschaftliche Integration und damit                   Landwirtschaft.

einen gleichberechtigten Zugang zum Europäischen                     Landverkehr: Die Märkte für Strassen- und Schienentransport
Binnenmarkt ermöglicht. Um nach dem EWR-Nein                         werden schrittweise geöffnet, die schweizerische Verkehrspolitik
dennoch in einigen der wichtigen Wirtschaftssekto-                   der Verlagerung auf die Schiene europapolitisch abgesichert:
ren einen diskriminierungsfreien Marktzugang für                     Die EU akzeptiert die sukzessive Erhöhung der LSVA auf 325
                                                                     CHF (ab 2008), die Schweiz die stufenweise Erhöhung der
Schweizer Unternehmen zu sichern, beschloss der                      Gewichtslimite für Lastwagen auf 40 t (seit 2005).
Bundesrat, mit der EU sektorielle Verhandlungen auf-
zunehmen. Die EU erklärte sich Ende 1993 in sieben                   Luftverkehr: Das Abkommen gewährt Fluggesellschaften
Bereichen verhandlungsbereit. Sie machte aber zur                    schrittweise Zugangsrechte zu den gegenseitigen Luftverkehrs-
                                                                     märkten.
Bedingung, dass diese parallel verhandelt sowie ge-
meinsam unterzeichnet und in Kraft gesetzt werden                    Forschung: Schweizer Forschende sowie Unternehmen können
müssten (Parallelismus) – dies, weil die verschiedenen               sich an den EU-Forschungsrahmenprogrammen beteiligen.
Dossiers lediglich als Gesamtheit im Interesse der Ver-
tragspartner wären. Die Abkommen wurden darum
rechtlich mit einer sogenannten «Guillotine-Klausel»                Bilaterale II
verknüpft. Diese bestimmt, dass die Verträge nur ge-                Das zweite Vertragspaket, die Bilateralen II, berück-
meinsam in Kraft gesetzt werden können. Wird eines                  sichtigt weitere wirtschaftliche Interessen (Lebens-
der Abkommen nicht verlängert bzw. gekündigt,                       mittelindustrie, Tourismus, Finanzplatz) und erwei-
werden auch die übrigen ausser Kraft gesetzt.                       tert die Zusammenarbeit Schweiz–EU über den
                                                                    bisherigen wirtschaftlichen Rahmen auf neue wich-
Am 21. Juni 1999 unterzeichneten Bern und Brüssel                   tige politische Bereiche wie Sicherheit, Asyl, Umwelt
die sieben bilateralen (sektoriellen) Abkommen. Diese               und Kultur.

                                                                                                                                        7
Trotz beidseitiger Absichtserklärungen zu weiteren
                                                            Die Bilateralen II dehnen die Zusammenarbeit mit der EU auf
Verhandlungen in den Schlussakten der Bilateralen I         weitere zentrale politische Bereiche aus:
von 1999 stand die Europäische Kommission neuen
Verhandlungen zunächst skeptisch gegenüber. Zwei            Schengen/Dublin: Der Reiseverkehr an den Binnengrenzen wird
neue wichtige EU-Anliegen an die Schweiz waren              erleichtert. Gleichzeitig werden die Kontrollen an den
                                                            Schengen-Aussengrenzen sowie die internationale Polizei- und
schliesslich der Grund dafür, dass sich Brüssel doch        Justiz-Zusammenarbeit im Kampf gegen die Kriminalität
zu einer neuen Runde bereit erklärte: Die Schweiz           verstärkt. Die Dubliner Zuständigkeitsregeln und die Fingerab-
sollte erstens in das von der EU geplante System der        druck-Datenbank Eurodac helfen, mehrfache Asylgesuche zu
grenzüberschreitenden Zinsbesteuerung eingebun-             vermeiden. Dadurch werden die nationalen Asylwesen entlastet.

den werden. Zweitens wollte Brüssel die Zusammen-           Zinsbesteuerung: Die Schweiz erhebt zugunsten der EU-Staaten
arbeit mit der Schweiz bei der Betrugsbekämpfung            einen Steuerrückbehalt auf Zinserträgen natürlicher Personen
im Bereich der indirekten Steuern (namentlich gegen         mit Steuersitz in der EU.
den Zigarettenschmuggel) intensivieren.
                                                            Betrugsbekämpfung: Die Zusammenarbeit gegen Schmuggel
                                                            und andere Deliktformen im indirekten Steuerbereich (Zoll,
Die Schweiz stimmte Verhandlungen in den genann-            Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuer), im Bereich Subvention
ten Bereichen zu, allerdings unter folgenden Bedin-         sowie beim öffentlichen Beschaffungswesen wird ausgebaut.
gungen: Erstens sollten Verhandlungen nicht nur in          Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte: Für eine breite
                                                            Palette von Produkten der Nahrungsmittelindustrie werden Zölle
den beiden von der EU gewünschten Dossiers geführt          und Exportsubventionen abgebaut.
werden, sondern weitere, auch für die Schweiz wich-
tige Bereiche umfassen. Dazu gehörten die Teilnahme         Umwelt: Die Schweiz wird Mitglied der Europäischen Umwelt-
an der Sicherheits- und Asyl-Zusammenarbeit von             agentur, eines der wichtigen Instrumente der europäischen
                                                            Zusammenarbeit im Umweltbereich.
Schengen/Dublin (polizeiliche und justizielle Zusam-
menarbeit, Asyl und Migration) sowie die Bereiche,          Statistik: Die statistische Datenerhebung wird harmonisiert und
welche in der gemeinsamen Absichtserklärung zu den          damit der Zugang zu einer breiten Basis vergleichbarer Daten
Bilateralen I genannt wurden (landwirtschaftliche Ver-      garantiert, welche bedeutende Entscheidungsgrundlagen für
                                                            Politik und Wirtschaft liefern können.
arbeitungserzeugnisse, Statistik, Umwelt, Medien, Bil-
dung, Ruhegehälter und Dienstleistungen). Zweitens          MEDIA: Die Schweizer Filmschaffenden erhalten vollberechtig-
mussten die Interessen des Schweizer Finanzplatzes,         ten Zugang zu den EU-Förderprogrammen.
insbesondere das Bankgeheimnis, gewahrt bleiben.
                                                            Ruhegehälter: Die Doppelbesteuerung von ehemaligen
                                                            EU-Beamten mit Schweizer Wohnsitz wird aufgehoben.
Ab Juni 2002 wurde zwischen der Schweiz und der
EU in zehn Dossiers verhandelt, den Bilateralen II. Die     Bildung: Im Rahmen der Bilateralen II wurde lediglich eine
Verhandlungen in einem der Dossiers, der Dienstleis-        politische Absichtserklärung über die Beteiligung der Schweiz an
                                                            den EU-Bildungsprogrammen 2007–2013 verabschiedet. Das
tungs-Liberalisierung, wurden im März 2003 in ge-           entsprechende Abkommen dazu wurde am 15. Februar 2010
meinsamem Einverständnis sistiert. Der Grund war            unterzeichnet.
die Vielzahl der noch offenen Punkte. Mit der politi-
schen Einigung bei der Zinsbesteuerung im Juni 2003
                                                           kam für Bern nur für die Gesamtheit der Verträge in
wurde ein wichtiges Etappenziel erreicht. Am 19. Mai
                                                           Frage. U.a. dank dieser Verhandlungsstrategie konn-
2004 konnte anlässlich eines Gipfeltreffens Schweiz–
                                                           te ein ausgewogenes Gesamtergebnis erreicht wer-
EU eine politische Einigung auch für die letzten poli-
                                                           den, welches die zentralen schweizerischen Interes-
tisch sensiblen Differenzen gefunden werden – es
                                                           sen wie auch die wichtigen Anliegen der EU
ging um die Frage des Informationsaustauschs bei
                                                           berücksichtigt. Wie von der Schweiz angestrebt,
Fiskaldelikten im Rahmen von Rechts- und Amtshilfe:
                                                           wurden alle Abkommen, inklusive Schengen/Dublin,
• Bei Schengen/Dublin erhält die Schweiz eine un-          gemeinsam abgeschlossen. Umgekehrt kooperiert
  befristete Ausnahme (Opt out) für den Fall, dass         die Schweiz mit der EU bei der grenzüberschreiten-
  bei der Weiterentwicklung des Schengen Acquis            den Zinsbesteuerung und sie dehnt ihre Zusammen-
  auch bei Hinterziehungsdelikten eine Verpflich-           arbeit bei der Betrugsbekämpfung im indirekten
  tung zur Rechthilfe entstehen würde.                     Steuerbereich aus.
• Bei der Betrugsbekämpfung dehnt die Schweiz die
  Zusammenarbeit im Bereich der indirekten Steuern         Am 26. Oktober 2004 wurden die bilateralen Ab-
  auf Fälle von Hinterziehungsdelikten aus (Inländer-      kommen II unterzeichnet. Am 17. Dezember 2004
  behandlung).                                             hat sie das Schweizer Parlament in Form einzelner
                                                           Bundesbeschlüsse genehmigt. Sieben der Abkom-
Während der ganzen Verhandlungsdauer verfolgte             men unterlagen dem fakultativen Referendum, wel-
die Schweiz das Prinzip des Parallelismus: Ein Abschluss   ches jedoch nur gegen die Assoziierungsabkommen

8
Schengen/Dublin ergriffen wurde. Das Schweizer               Ausnahme der staatlichen Beihilfen – in der Kompe-
Volk hat die Vorlage am 5. Juni 2005 mit 54,6%               tenz der EU-Kommission sowie des Europäischen
Ja-Stimmen angenommen. Im Gegensatz zu den Bi-               Gerichtshofs).
lateralen I sind die Bilateralen II nicht rechtlich mitei-
nander verknüpft, sondern können gemäss den                  Die bilateralen Abkommen beruhen entweder auf
jeweiligen Bestimmungen und unabhängig vonein-               der Gleichwertigkeit der Gesetzgebung (wie z.B. der
ander in Kraft treten. Bis auf das Betrugsbekämp-            Abbau technischer Handelshemmnisse und das Ab-
fungsabkommen sind alle in Kraft. Schengen/Dublin            kommen über das öffentliche Beschaffungswesen)
sind am 1. März 2008 formell in Kraft getreten. Die          oder auf der (wörtlichen) Übernahme des EU-Acquis
operative Beteiligung folgte am 12. Dezember 2008,           (wie z.B. im Fall des Luftverkehrsabkommens und von
nachdem im Rahmen einer Evaluation Schengen-                 Schengen/Dublin). Die Kooperationsabkommen re-
Expertenteams überprüft hatten, ob die Schweiz die           geln die Zusammenarbeit im Rahmen von EU-Pro-
Schengener Standards einhält (in den Bereichen Aus-          grammen und Agenturen (z.B. das Forschungsab-
sengrenzschutz, Anschluss an die europaweite Com-            kommen und das Abkommen zur Beteiligung an der
puterfahndungsdatenbank SIS, Datenschutz, Visa,              Umweltagentur).
Polizeizusammenarbeit). Die Inkraftsetzung wurde
am 29. März 2009 abgeschlossen und die Flughäfen             Die Abkommen und deren Weiterentwicklung wer-
haben das Schengen-Regime zusammen mit dem                   den durch Gemischte Ausschüsse verwaltet. Darin
Fahrplanwechsel eingeführt.                                  sind beide Vertragsparteien mit gleichen Rechten
                                                             vertreten. Sie überwachen das gute Funktionieren
Ausdehnung der Personenfreizügigkeit                         der Abkommen. Sie sind die Plattform für den Infor-
In einem am 26. Oktober 2004 unterzeichneten Pro-            mationsaustausch, für Beratungen zwischen den
tokoll haben sich die Schweiz und die EU über die            Parteien sowie für gegenseitige Konsultationen. Im
Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens               Fall von Differenzen können die Parteien an sie ge-
auf die zehn 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten ge-          langen. In den Gemischten Ausschüssen entscheiden
einigt. Das Parlament verknüpfte dieses erste Proto-         die beiden Parteien mit Einstimmigkeit. Sie haben
koll mit einer Revision der flankierenden Massnah-            aber nur in den von den Abkommen vorgesehenen
men, u.a. gegen Lohn- und Sozialdumping, zu einem            Fällen Entscheidungsgewalt. Auf Schweizer Seite
Bundesbeschluss und genehmigte diesen im Winter              entscheidet in der Regel der Bundesrat auf der
2004. Infolge des EU-Beitritts von Bulgarien und Ru-         Grundlage einer Kompetenzdelegation, die durch die
mänien am 1. Januar 2007 haben die Schweiz und               eidgenössischen Räte genehmigt worden ist. Bei-
die EU in einem weiteren Protokoll (Protokoll II) eine       spielsweise können die Gemischten Ausschüsse über
angemessene Übergangsregelung der Freizügigkeit              die Änderungen der Anhänge der Abkommen be-
auf diese beiden EU-Staaten ausgehandelt.                    schliessen, deren Inhalte technischer Natur sind (es
                                                             handelt sich z.B. um Listen der Gesetzgebungen, der
Bezüglich der Ausweitung der Personenfreizügigkeit           Behörden oder um Produktelisten). Änderungen der
auf Kroatien hat der Bundesrat am 30. April 2014             Abkommensbestimmungen selbst und insbesondere
Massnahmen beschlossen, die Lösungen für separate            die Einführung von neuen Verpflichtungen für die
Kontingente für kroatische Staatsangehörige im Rah-          Vertragsparteien müssen gemäss den jeweiligen in-
men der Zulassung von Drittstaatenangehörigen zum            ternen Verfahren der Vertragsparteien genehmigt
Schweizer Arbeitsmarkt vorsehen. Es handelt sich um          werden.
diejenigen Kontingente, welche ab dem Zeitpunkt
der Unterzeichnung von Protokoll III und bis zu des-         Von besonderer Natur sind die Gemischten Ausschüsse
sen Inkraftsetzung gewährt worden wären.                     zu den Assoziierungsabkommen von Schengen/Dublin,
                                                             insofern sie zwei unterschiedliche Funktionen aus-
Rechtlicher und institutioneller Rahmen                      üben: Einerseits überwachen sie das ordnungsgemässe
Sämtliche Abkommen beruhen auf der klassischen               Funktionieren der Abkommen. Andererseits nehmen
zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, d.h. die Ver-            sie die Weiterentwicklung des Rechtsbestandes in
tragsparteien haben mit dem Abschluss der Abkom-             den Bereichen Schengen/Dublin vor. Bei der Aus-
men keinerlei Gesetzes- und Entscheidungsbefugnisse          übung dieser zweiten Funktion treffen sich die Ge-
an eine supranationale (überstaatliche) Instanz über-        mischten Ausschüsse auf verschiedenen Ebenen: Auf
tragen. Jede Partei ist für die ordnungsgemässe              Expertenebene, auf hoher Beamtenebene sowie auf
Durchführung der Abkommen auf dem eigenen                    Ministerebene.
Hoheitsgebiet verantwortlich (Ausnahme ist die Ein-
haltung der Wettbewerbsregeln im Bereich Luftfahrt:          Die bilateralen Abkommen können nur im gemein-
Deren Überwachung und Durchsetzung liegen – mit              samen Einverständnis der Parteien geändert werden, sie

                                                                                                                 9
sind keiner automatischen Veränderung unterworfen.       Wirtschaftliche Vorteile ergeben sich durch folgende
Bei den Verträgen, welche auf der Gleichwertigkeit       Effekte:
der Gesetzgebung beruhen, liegt es aber oft im Inte-
resse beider Parteien, diese Gleichwertigkeit auch bei   • Für Schweizer Unternehmen eröffnen sich neue
einer Rechtsentwicklung aufrechtzuerhalten. Der            Geschäftsmöglichkeiten in bisher geschlossenen
Nachvollzug von Entwicklungen des EU-Rechts im             Märkten, namentlich bei gewissen Agrarproduk-
Anwendungsbereich eines Abkommens ist in der Re-           ten, im Luftverkehr, im Landverkehr sowie bei
gel nötig, um gleiche Wettbewerbsbedingungen auf-          öffentlichen Beschaffungen. Schweizer Anbieter
recht zu erhalten (z.B. durch Vermeidung technischer       in diesen Sektoren können nun leichter auf dem
Handelshemmnisse). Dazu kommen Gründe wie ein              europäischen Markt tätig werden und dadurch
Interesse an gleich hohen Standards in Bereichen wie       potenzielle Grössenvorteile (sog. Skaleneffekte)
Sicherheit, Gesundheit und Umwelt. Für den Fall,           nutzen. Beispielsweise erhalten Schweizer Anbieter
dass eine Partei beabsichtigt, Rechtsvorschriften im       die gleichen Zugangsbedingungen wie ihre euro-
Anwendungsbereich des Abkommens zu ändern,                 päischen Konkurrenten bei öffentlichen Beschaf-
sind Verfahren für Informationsaustausch und Kon-          fungen im Bereich der kommunalen Versorgungs-,
sultationen vorgesehen.                                    Entsorgungs- und Transportinfrastruktur – ein
                                                           Segment, in dem gerade in Mittelosteuropa noch
In der Folge der EU-Beitritte der zehn am 1. Mai 2004      ein grosser Aufholbedarf besteht, der in den kom-
beigetretenen Staaten, von Bulgarien und Rumänien          menden Jahren mit beträchtlicher finanzieller
am 1. Januar 2007 sowie von Kroatien am 1. Juli            Unterstützung der EU gedeckt werden soll.
2013 gelten die bilateralen Abkommen auch für die-       • Umgekehrt haben ausländische Anbieter freien
se neuen EU-Staaten. Denn diese übernehmen mit             Zutritt zum Schweizer Markt, was tendenziell den
dem EU-Rechtsbestand auch die internationalen              Wettbewerbsdruck in den betreffenden Sektoren
Übereinkommen der EU mit Drittstaaten wie der              erhöht und dadurch Anreize zur Produktivitätsstei-
Schweiz. Die Ausdehnung der bilateralen Abkom-             gerung generiert.
men auf neue EU-Staaten erfolgt ohne Neuverhand-         • Unmittelbare Einsparungen sind im bisher schon
lung, die Ausnahme ist das Freizügigkeitsabkommen.         liberalisierten Warenverkehr durch die Vereinfa-
In diesem Abkommen ist neben der EU jeder Mit-             chung der Regeln zur Produktzulassung (Abbau
gliedstaat ein Vertragspartner («gemischtes Abkom-         technischer Handelshemmnisse) möglich: Die
men»); es muss darum bei jeder EU-Erweiterung in           Prüfung, ob für den gesamteuropäischen Markt
Neuverhandlungen angepasst werden.                         bestimmte Produkte die geltenden Vorschriften
                                                           erfüllen (Konformitätsbewertung) wird nur noch
Wirtschaftliche Bedeutung                                  bei einer einzigen Zertifizierungsstelle in der
Die Bilateralen I (von 1999) ergänzen das Freihandels-     Schweiz oder in der EU vorgenommen.
abkommen von 1972 durch eine schrittweise und            • Den grössten wirtschaftlichen Effekt weist die Per-
kontrollierte gegenseitige Marktöffnung. Dadurch           sonenfreizügigkeit auf: Sie erleichtert die Entsen-
werden die Beziehungen zwischen den beiden wich-           dung von Schweizer Personal in die EU-Staaten
tigen Handelspartnern auf eine breitere Grundlage          einerseits sowie die Rekrutierung von Arbeitskräf-
gestellt. Vom Abbau der Handelshemmnisse profitie-          ten für den Schweizer Arbeitsmarkt andererseits.
ren beide Seiten. Erleichterte Handelsbedingungen          Durch das Personenfreizügigkeitsabkommen er-
und verstärkter Wettbewerb bewirken Wachstums-             weitert sich der schweizerische Markt für Arbeits-
effekte, welche wiederum Arbeitsplätze sichern und         kräfte faktisch auf den ganzen EU- bzw. EWR-
schaffen.                                                  Raum. Erleichterte Bedingungen für den Einsatz
                                                           von internationalen Arbeitskräften fördern die
Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der sek-       Effizienz und damit das Wachstum der Schweizer
toriellen Abkommen sind heute unbestritten. Der            Unternehmen, da sie leichter geeignetes Personal
Dachverband der Schweizer Wirtschaft, Economie-            für bestimmte Qualifikationen rekrutieren können.
suisse, bezeichnet die Verträge als «unentbehrlich         Die Gefahr von Personalengpässen und entspre-
und unumgänglich». Durch deren Ausdehnung auf              chend überhöhten Löhnen wird dadurch gemildert.
die osteuropäischen Wachstumsmärkte der neuen              Dies ist umso wichtiger, als das Angebot schwei-
EU-Staaten haben die bilateralen Abkommen weiter           zerischer Arbeitskräfte mittelfristig aus demogra-
an Bedeutung gewonnen. Als wirtschaftlich beson-           fischen Gründen zurückgehen dürfte. Dadurch
ders wichtig gelten die Personenfreizügigkeit, der         werden die Produktivität und schliesslich das Brutto-
Abbau der technischen Handelshemmnisse sowie das           inlandprodukt gefördert und der schweizerische
öffentliche Beschaffungswesen.                             Arbeitsmarkt bleibt auf Dauer attraktiv.

10
Die zweite Serie bilateraler Abkommen, die Bilateralen II,            2004 beigetretenen zehn EU-Staaten zu leisten. Die
geht über den hauptsächlich wirtschaftlichen Rahmen                   Schweiz beteiligte sich mit diesem Erweiterungsbei-
der bilateralen Abkommen I hinaus, indem sie die Zusam-               trag nicht an der Kohäsionspolitik der EU, sondern
menarbeit auf wichtige politische Bereiche wie Sicherheit,            leistete diesen autonom und in enger Zusammenar-
Asyl, Umwelt und Kultur ausdehnt. Nur das Abkom-                      beit mit den Empfängerländern. Die allgemeinen
men über die landwirtschaftlichen Verarbeitungspro-                   Modalitäten dieses Engagements wurden zwischen
dukte, welches Exporterleichterungen für die Nahrungs-                der Schweiz und der EU in einem Memorandum of
mittelindustrie bringt, ist ein Marktöffnungsabkommen                 Understanding im Februar 2006 abgesprochen. Mit
im Sinne der Bilateralen I. Die Bilateralen II decken                 dem Ja zum Bundesgesetz über die Zusammenarbeit
aber auch andere wirtschaftliche Interessen ab wie:                   mit den Staaten Osteuropas am 26. November 2006
                                                                      schaffte das Schweizer Stimmvolk die nötige Rechts-
• Die Interessen des Finanzplatzes (Zinsbesteuerung,
                                                                      grundlage für dieses Engagement.
  Betrugsbekämpfung);
• die Stärkung des Tourismus-Standorts Schweiz
                                                                      Auf der Grundlage des Osthilfegesetzes sprach sich
  durch die Einführung des Schengen-Visums
                                                                      der Bundesrat für einen zusätzlichen Erweiterungs-
  (Schengen/Dublin);
                                                                      beitrag im Umfang von insgesamt 257 Mio. CHF zu-
• Steuervorteile für international tätige Schweizer
                                                                      gunsten der 2007 beigetretenen EU-Länder Rumäni-
  Unternehmen, welche durch die Übernahme der
                                                                      en und Bulgarien aus. Zudem hat der Bundesrat am
  Mutter-Tochter-Richtlinie steuerlich entlastet wer-
                                                                      28. Mai 2014 dem Parlament eine Finanzierungsbot-
  den (Zinsbesteuerung).
                                                                      schaft zum Erweiterungsbeitrag von 45 Mio. CHF
                                                                      zugunsten Kroatiens überwiesen, das der EU am
 Wirtschaftliche Eckdaten Schweiz–EU
                                                                      1. Juli 2013 beigetreten ist.
 Mit dem EU-Beitritt von Bulgarien, Rumänien und Kroatien ist
 der EU-Binnenmarkt auf über 505 Mio. Personen angewachsen            Der Erweiterungsbeitrag ist Ausdruck der schweize-
 und als Wirtschaftspartner der Schweiz noch bedeutender              rischen Solidarität mit der erweiterten EU und gleich-
 geworden. Jeden dritten Franken verdient die Schweiz im
 Austausch mit der EU.
                                                                      zeitig die Weiterführung einer konsequenten Interes-
                                                                      senpolitik: Die Schweiz profitiert politisch und
 55% der Schweizer Exporte (2013: rund 116 Mrd. CHF) gehen            wirtschaftlich von der zunehmenden Stabilität und
 in den EU-Raum. Umgekehrt stammen 73% der Schweizer                  Sicherheit, welche Auswirkungen einer erfolgreichen
 Importe (2013: rund 135 Mrd. CHF) aus der EU. Damit ist die
 Schweiz zweitgrösster Absatzmarkt für EU-Produkte (2013).
                                                                      Integration der neuen EU-Staaten sind.

 Ebenfalls bei den Direktinvestitionen ist die EU wichtigste
 Partnerin: Rund 79% des ausländischen Kapitals in der Schweiz         Als europäischer Staat nimmt die Schweiz ihre Mitverantwortung
 stammt aus der EU (2012: insgesamt rund 532 Mrd. CHF);                für Sicherheit und Wohlstand auf dem Kontinent wahr und zwar
 umgekehrt befinden sich rund 43% der schweizerischen                   durch ein Engagement, das über die vertraglichen Beziehungen
 Direktinvestitionen im Ausland in der EU (2012: rund 458 Mrd.CHF).    zur EU hinausgeht:

                                                                       •   Sie ist Mitglied des Europarates, der Europäischen Freihandels-
 Auch bei den Arbeitskräften ist die Verflechtung mit der EU
                                                                           assoziation EFTA sowie der Organisation für Sicherheit und
 besonders stark: Ende 2013 wohnten und arbeiteten mehr als
                                                                           Zusammenarbeit in Europa OSZE.
 438’000 Schweizerinnen und Schweizer in den EU-Staaten.
                                                                       •   Die Schweiz engagiert sich (im Rahmen der UNO, der EU und
 Umgekehrt lebten 2013 1’279’455 EU-28/EFTA-Bürgerinnen
                                                                           der OSZE) in der militärischen sowie zivilen Friedensförderung
 und -Bürger in der Schweiz; dazu kommen mehr als 278’000
                                                                           im Balkan und bietet als traditionelles Asylland einen sicheren
 Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus der EU.
                                                                           Hafen für die Opfer der europäischen Krisen.
                                                                       •   Seit 1990 unterstützt die Schweiz die Reformen in den
 (Quellen: Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Bundesamt für
                                                                           ehemals kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas –
 Statistik BFS und Schweizerische Nationalbank SNB)
                                                                           den sog. Transitionsprozess – mit substanziellen Mitteln
                                                                           (insgesamt 3,4 Mrd. CHF).
                                                                       •   Schliesslich leistet das Transitland Schweiz mit dem Bau der
Erweiterungsbeiträge                                                       Eisenbahn-Alpentransversalen NEAT einen wichtigen Beitrag
Im Rahmen ihrer Europapolitik nimmt die Schweiz                            zum guten Funktionieren des EU-Binnenmarkts: einen Beitrag
                                                                           für einen Waren- und Personenverkehr zwischen dem Norden
auch ihre Mitverantwortung in Europa wahr. Ein                             und Süden Europas, der effizient und zugleich auch
wichtiges Element dieser Politik besteht darin, dass                       umweltverträglich ist.
die Schweiz die demokratischen und wirtschaftlichen
Reformen der ehemals kommunistischen Staaten
Osteuropas seit Ende des Kalten Kriegs unterstützt
(traditionelle Osthilfe). In diesem Zusammenhang                       Weitere Informationen
                                                                       Direktion für europäische Angelegenheiten DEA
erklärte sich der Bundesrat am 12. Mai 2004 bereit,
                                                                       Tel. +41 58 462 22 22, europa@eda.admin.ch,
einen Beitrag von 1 Mrd. CHF zur Verringerung der                      www.eda.admin.ch/europa
wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten an die

                                                                                                                                         11
12
Freihandel
Das Freihandelsabkommen (FHA) zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) von 1972
schafft eine Freihandelszone für industrielle Erzeugnisse und regelt den Handel mit verarbeiteten
Landwirtschaftsprodukten. Industrieprodukte mit Ursprung im Gebiet der beiden Vertragsparteien
können aufgrund des FHA zollfrei gehandelt werden. Das Abkommen verbietet zudem mengenmäs-
sige Handelsbeschränkungen (Kontingente) und Massnahmen mit gleicher Wirkung (z.B. diskriminie-
rende Verkaufsmodalitäten). Das FHA stellt einen tragenden Pfeiler der Handelsbeziehungen zwi-
schen der Schweiz und der EU dar. 2013 flossen rund 55% der Schweizer Exporte in den EU-Raum.
Umgekehrt stammten 73% aller Schweizer Importe aus der EU.

 Chronologie
 • 1.1.1973: Inkrafttreten des Abkommens
 • 3.12.1972: Genehmigung durch das Volk und die Stände
 • 22.7.1972: Unterzeichnung des Abkommen

Stand der Dinge                                           schaftsblöcke zu vermeiden und einen westeuropäi-
Die Zusammenarbeit der Schweiz und der EU im Rah-         schen Grossmarkt zu schaffen, wurden Anfang der
men des Freihandelsabkommens währt bereits seit über      1970er Jahre zwischen der Europäischen Wirtschafts-
40 Jahren. Der Gemischte Ausschuss, der sich regel-       gemeinschaft (EWG) und den einzelnen Mitgliedstaa-
mässig trifft, verwaltet das Abkommen und überwacht       ten der EFTA Freihandelsabkommen geschlossen.
seine Umsetzung. Im Fokus der Gespräche an seinem         Auch die Schweiz, eines der Gründungsmitglieder
letzten Treffen am 11. Dezember 2013 (59. Sitzung)        der EFTA, beteiligte sich an den Verhandlungen und
standen die Anwendung von Antidumpingzöllen sei-          unterzeichnete 1972 mit der EWG ein FHA. Dieses
tens der EU, neue Kennzeichnungsvorschriften der EU       erlaubte es ihr, die wirtschaftlichen Beziehungen mit
für Konsumgüter, die geplante Totalrevision der Schwei-   der EWG zu vertiefen ohne dabei ihre Kompetenz
zer Alkoholgesetzgebung sowie mögliche Auswirkun-         aufzugeben, mit Drittstaaten eigenständig aussen-
gen der im Juni 2013 vom Parlament verabschiedeten        wirtschaftliche Verträge abzuschliessen. Obwohl ge-
«Swissness»-Vorlage. Zudem bestätigte der Ausschuss       mäss Bundesverfassung nicht erforderlich, wurde das
seine Absicht, im Hinblick auf die Anwendung des re-      FHA dem obligatorischen Referendum unterstellt.
gionalen Übereinkommens über die Pan-Europa-Mittel-       Das Freihandelsabkommen fand am 3. Dezember
meer-Präferenzursprungsregeln im Rahmen des Frei-         1972 beim Volk mit 72,5% Ja-Stimmen und bei allen
handelsabkommen (FHA) die verbleibenden technischen       Ständen breite Zustimmung.
Fragen bald zu lösen. Dieses Übereinkommen sieht vor,
dass die Ursprungszone der EU, der EFTA, der mediter-     Inhalt
ranen Freihandelspartner und der Türkei neu auf die       Das FHA verbietet für die vom Abkommen abgedeck-
Westbalkanstaaten ausgedehnt wird. Dazu muss das          ten Produkte Zölle und mengenmässige Beschrän-
entsprechende Protokoll Nr. 3 (Ursprungsprotokoll)        kungen sowie Massnahmen mit gleicher Wirkung
durch einen Beschluss des Gemischten Ausschusses an       (z.B. nicht-tarifäre Handelshemmnisse). Das FHA
das neue System angepasst werden.                         deckt nur Industrieprodukte ab, der Handel mit Land-
                                                          wirtschaftsprodukten ist davon ausgenommen und
Hintergrund                                               wird in einem separaten Abkommen geregelt. Die
Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsge-          landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte nehmen
meinschaften (1957) einerseits und der Schaffung          eine Sonderstellung zwischen Industrie und Land-
einer Europäischen Freihandelsassoziation EFTA (Eu-       wirtschaft ein, insofern sie einerseits aus einem land-
ropean Free Trade Association) 1960 andererseits          wirtschaftlichen Rohstoffteil und andererseits aus
bildeten sich in Westeuropa zwei getrennte Integra-       einem industriellen Verarbeitungsteil bestehen. Ihre
tionsmodelle. Um eine Aufspaltung in zwei Wirt-           zolltarifäre Behandlung wird durch das Protokoll Nr. 2

                                                                                                              13
zum FHA geregelt. Der industrielle Verarbeitungsteil      Gazastreifen) begonnen. Mit der Unterzeichnung
ist beidseitig zollfrei, während die Kostenunterschie-    der Regionalen Konvention über präferenzielle Ur-
de bei den verwendeten Agrarrohstoffen zwischen           sprungsregeln für den Pan-Euromed-Raum soll das
den Vertragsparteien über Zölle und Exportsubventi-       Kumulationssystem vereinfacht und künftig auch auf
onen weiterhin ausgeglichen werden. Das Protokoll         die Länder im Westbalkan ausgedehnt werden. Die
Nr. 2 wurde im Rahmen der Bilateralen II revidiert und    Konvention wurde am 28. November 2011 von der
dadurch der Marktzugang für die Produkte der Nah-         Schweiz ratifiziert und trat am 1. Januar 2012 für die
rungsmittelindustrie stark verbessert (siehe Informati-   Schweiz und die übrigen EFTA-Staaten in Kraft. Am
onsblatt «Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte»).    1. Mai 2012 trat die Konvention für die EU in Kraft.
                                                          Damit die Konvention im FHA umgesetzt und das
Die Zollfreiheit für Industrieprodukte gilt nur inner-    Kumulationssystem auch auf die Länder des West-
halb der Freihandelszone. Im Unterschied zu einer         balkans anwendbar werden, muss das Protokoll Nr. 3
Zollunion definieren die Freihandelspartner ihre Aus-      durch einen Beschluss des Gemischten Ausschusses
senzölle und Kontingente gegenüber Drittstaaten           an das neue System angepasst werden.
eigenständig. Aus diesem Grund findet an den Gren-
zen der Freihandelspartner weiterhin eine Zollabfer-      Bedeutung
tigung statt. Es soll unter anderem sichergestellt wer-   Die Partnerschaft im Rahmen des FHA, die 2012 ihr
den, dass die importierten Waren nur dann von den         40-jähriges Bestehen feiern konnte, bildet die Grund-
Vorzugsbestimmungen des FHA profitieren, wenn              lage der intensiven Handelsbeziehungen der traditi-
diese ihren Ursprung im Gebiet der Vertragsparteien       onell stark exportorientierten Schweiz mit ihren wich-
haben.                                                    tigsten Wirtschaftspartnern, der EU und ihren 28
                                                          Mitgliedstaaten. 2013 exportierte die Schweiz Waren
Das Protokoll Nr. 3 (Ursprungsprotokoll) zum FHA          im Wert von 116 Mrd. CHF in die EU-Staaten. Umge-
regelt mit den Ursprungsregeln die Bedingungen,           kehrt importierte die Schweiz Waren aus der EU im
nach welchen Industrieprodukte Ursprung in der            Wert von 135 Mrd. CHF. 2013 stellte die Schweiz
Schweiz oder der EU haben und somit gemäss FHA            nach den USA und noch vor China den zweitgrössten
zollfrei gehandelt werden können (Ursprungswaren).        Absatzmarkt für EU-Waren und war im selben Jahr
Produkte aus Drittstaaten, welche diese Bedingun-         hinter den USA, China und Russland der viertwich-
gen nicht erfüllen, sind keine Ursprungswaren und         tigste Handelspartner der EU. Das Handelsvolumen
fallen nicht in den Anwendungsbereich des FHA.            ist in den letzten 20 Jahren durchschnittlich um rund
Eine Ausnahme bildet dabei die im FHA vorgesehene         4% pro Jahr gewachsen und expandiert damit etwa
Ursprungskumulation. Diese ermöglicht, dass im bi-        im Gleichschritt mit dem gesamten Aussenhandel.
lateralen Handel oder im Rahmen eines Kumulati-           Ein Grossteil dieser Warenflüsse fällt unter den An-
onssystems (z.B. paneuropäisches System zur Kumu-         wendungsbereich des FHA.
lation des Ursprungs: EU-28, EFTA-4, Türkei)
Ursprungswaren eines Mitgliedstaates in den ande-
ren Mitgliedstaaten dieses Systems weiterbearbeitet
werden können, ohne dass diese ihren Präferenzsta-         Weitere Informationen
tus (Zollbefreiung) als Ursprungsware verlieren. Im        Staatssekretariat für Wirtschaft SECO
Rahmen des Euro-Med-Kumulationssystems wurde               Tel. +41 58 462 56 56, info@seco.admin.ch, www.seco.admin.ch
mit der schrittweisen Ausdehnung der Möglichkeit
                                                           Direktion für europäische Angelegenheiten DEA
einer Ursprungskumulation auf Mittelmeerländer             Tel. +41 58 462 22 22, europa@eda.admin.ch,
(Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Libanon, Ma-        www.eda.admin.ch/europa
rokko, Syrien, Tunesien, Westjordanland und der

14
Versicherungen
Das Versicherungsabkommen von 1989 öffnet bestimmte Bereiche des Versicherungsmarktes zwi-
schen der Schweiz und der Europäischen Union (EU). Schweizer Versicherer können im Bereich der
direkten Schadensversicherung (Hausrats-, Kraftfahrzeug-, Reise-, Haftpflichtversicherungen usw.)
gleichberechtigt Agenturen und Zweigniederlassungen im EU-Raum gründen oder erwerben. Dabei
reduziert das Abkommen auch regulatorische Anforderungen. Gleiches gilt für EU-Versicherer in der
Schweiz. Das Abkommen trägt somit zu einer verbesserten internationalen Positionierung von
Schweizer Versicherungsgesellschaften bei.

 Chronologie
 • 1.1.1993: Inkrafttreten des Abkommens
 • 30.1.1992: Genehmigung durch das Parlament
 • 1.10.1989: Unterzeichnung des Abkommens

Hintergrund                                                ner Zweigniederlassung in der EU keine zusätzliche, auf
1973 verabschiedete die damalige Europäische Wirt-         die Zweigniederlassung begrenzte Solvenzberechnung
schaftsgemeinschaft (EWG) eine Richtlinie, welche          vornehmen muss. Die Aufsichtsbehörde des EU-Mit-
bezüglich der Ausübung und Aufnahme einer Tätig-           gliedsstaats, in dem die Zweigniederlassung beheima-
keit im Bereich der Direktversicherungen (mit Aus-         tet ist, stützt sich stattdessen auf die Solvenzbede-
nahme der Lebensversicherung) die Diskriminierung          ckung, welche die Eidgenössische Finanzaufsicht
mitgliedstaatlicher Versicherungseinrichtungen ver-        (FINMA) für die ganze Schweizer Versicherungsgesell-
bietet, nicht aber eine Ungleichbehandlung von Un-         schaft inklusive der Zweigniederlassung fordert.
ternehmern aus EWG-Drittstaaten. Eine Diskriminie-
rung von Schweizer Unternehmen war damit nicht             Das Versicherungsabkommen ist ausschliesslich auf
ausgeschlossen. Die schweizerische Versicherungs-          den Bereich der direkten Schadensversicherung an-
wirtschaft war zu jener Zeit im EWG-Raum in erheb-         wendbar (Hausrats-, Kraftfahrzeug-, Reise-, Haft-
lichem Umfang durch Niederlassungen vertreten und          pflichtversicherungen usw.). Lebensversicherungen,
deshalb daran interessiert, den dortigen Versicherern      Rückversicherungen sowie gesetzliche Systeme der
gleichgestellt zu sein. Aus diesem Grund nahm die          sozialen Sicherheit fallen nicht in den Geltungsbereich
Schweiz mit der EWG Verhandlungen über den Ab-             des Abkommens. Zudem regelt das Abkommen nur
schluss eines entsprechenden Abkommens auf. 1982           die Niederlassungsfreiheit, nicht den freien grenzüber-
wurde dieses paraphiert. Allerdings waren in der           schreitenden Dienstleistungsverkehr.
EWG in der Zwischenzeit weitere Bestimmungen er-
lassen worden, welche die EWG-Richtlinie von 1973          Bedeutung
abänderten oder ergänzten. Unter Berücksichtigung          Der Versicherungssektor nimmt innerhalb der Schwei-
dieser Anpassungen wurde in der Folge das Abkom-           zer Wirtschaft einen bedeutenden Stellenwert ein.
men zwischen der Schweiz und der EWG überarbei-            2013 arbeiteten 48’400 Personen in der Schweiz und
tet. 1989 wurde es erneut paraphiert und im selben         74’024 im Ausland für Schweizer Privatversicherer. Im
Jahr unterschrieben.                                       Bereich der Schadensversicherungen (Nicht-Lebensbe-
                                                           reich) beliefen sich 2012 die über Zweigniederlassun-
Inhalt                                                     gen generierten brutto Prämieneinnahmen aus der EU
Das Versicherungsabkommen garantiert die Niederlas-        auf 1,155 Mrd. CHF. Angesichts der hohen Bedeutung
sungsfreiheit auf Basis der Gegenseitigkeit: Schweizer     des europäischen Marktes stellte die Gewährleistung
Versicherer können gleichberechtigt Agenturen und          der Niederlassungsfreiheit für Schweizer Unternehmen
Zweigniederlassungen im EU-Raum gründen oder er-           in der EU einen wichtigen Schritt dar. Das Abkommen
werben. Gleiches gilt für EU-Versicherer in der Schweiz.   bewährt sich insbesondere, da es verschiedenen
Ein weiterer Nutzen des Abkommens besteht darin,           Schweizer Versicherungsgesellschaften ermöglicht hat,
dass eine Schweizer Versicherungsgesellschaft mit ei-      Zweigniederlassungen für den Nichtlebensbereich in

                                                                                                               15
der EU zu gründen oder zu erwerben und diese unter
                                                       Weitere Informationen
reduzierten regulatorischen Anforderungen zu führen.   Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA
Dadurch können sich die betreffenden Gesellschaften    Tel. +41 31 327 91 00, info@finma.ch, www.finma.ch
international besser positionieren.

16
Zollerleichterungen und Zollsicherheit

Mit dem Güterverkehrsabkommen von 1990 wurden die Kontrollen und Formalitäten im Güterver-
kehr zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) geregelt. Es vereinfachte die Zollabfer-
tigung der Waren und koordinierte die Zusammenarbeit an den Grenzstellen. 2009 wurde es durch
das neue «Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit» ersetzt. Das neue erweiterte
Abkommen regelt zusätzlich die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich und verhindert die Anwen-
dung entsprechender EU-Massnahmen für Drittstaaten auf die Schweiz, wie etwa die Voranmelde-
pflicht für Importe. Dies vereinfacht die Zollkontrollen für die mehr als 20’000 Lastwagen, die täglich
die Schweizer Grenze passieren.

 Chronologie
 • 1.1.2011:      Inkrafttreten des revidierten Abkommens
 • 18.6.2010:     Genehmigung durch das Parlament
 • 1.7.2009:      Vorläufige Anwendung des revidierten Abkommens
 • 25.6.2009:     Unterzeichnung des revidierten Abkommens
 • 1.7.1991:      Inkrafttreten des Abkommens
 • 13.3.1991:     Genehmigung durch das Parlament
 • 21.11.1990:    Unterzeichnung des Abkommens

Stand der Dinge                                         Ferner wurden gemeinsam betriebene Zollanlagen
Das ursprüngliche Güterverkehrsabkommen von             und Transitschnellspuren eingeführt. Der Verkehrs-
1990 hat die Zollkontrollen zwischen der Schweiz        fluss über die Grenzen sollte dank dem Abkommen
und den EU-Staaten stark vereinfacht. 2009 wurde        auch bei Streiks, Naturkatastrophen usw. gewährleis-
das Abkommen revidiert. Ohne diese Anpassung wä-        tet sein, ebenso die gegenseitige Information der Be-
ren die im Jahr 2009 eingeführten EU-Zollsicherheits-   hörden bei schweren Störungen. Die im Abkommen
massnahmen auch auf die Schweiz als Nicht-EU-Mit-       von 1990 aufgeführten Veterinär- und Pflanzen-
gliedstaat angewandt worden. Damit hätten die           schutzkontrollen sind nunmehr im bilateralen Abkom-
Stauproblematik und die administrativen Hindernisse     men zwischen der EG und der Schweiz vom 21. Juni
im bilateralen Warenhandel an den wichtigsten           1999 über den Handel mit landwirtschaftlichen Er-
Grenzübergängen zwischen der Schweiz und der EU         zeugnissen geregelt, wobei die Veterinärkontrollen
bedeutend zugenommen. Durch die Ausweitung des          per 1. Januar 2009 abgeschafft wurden. Aus Sicher-
bestehenden Abkommens auf den Bereich der Zoll-         heitsüberlegungen hat die EU ab 1. Juli 2009 eine
sicherheit im Jahr 2009 konnte dies verhindert wer-     Voranmeldepflicht für Warenimporte aus bzw. für
den.                                                    Warenexporte in Drittstaaten vorgesehen. Die Fristen
                                                        für die Vorausmeldung betragen im Strassenverkehr
Hintergrund                                             eine Stunde, im Schienenverkehr zwei Stunden und
Das Güterverkehrsabkommen von 1990 vereinfacht          Schiffsverkehr mindestens vier Stunden. Wegen den
und beschleunigt die Grenzkontrollen und -formali-      engen wirtschaftlichen Beziehungen wurde eine
täten zwischen der Schweiz und den EU-Staaten im        möglichst handelsfreundliche Lösung für die Umset-
Güterverkehr. Dazu wurden unter anderem die Öff-        zung dieser Sicherheitsmassnahmen für den Waren-
nungszeiten der Zollstellen auf beiden Seiten der       verkehr Schweiz–EU gesucht und das Abkommen
Grenzen aufeinander abgestimmt und wo nötig ver-        entsprechend revidiert: Die Schweiz wird in Zollsicher-
längert. Die Abfertigungskompetenzen der jeweili-       heitsfragen grundsätzlich gleich wie ein EU-Mitglieds-
gen Dienststellen wurden einander angeglichen, die      staat behandelt. Damit ist im Warenverkehr zwischen
Gleichwertigkeit der Kontrollen und Dokumente           der Schweiz und der EU auch nach Einführung der
wurde gegenseitig anerkannt und die Warenkontrol-       neuen EU-Sicherheitsvorschriften keine Vorausmel-
le erfolgt nunmehr nach dem Stichprobenprinzip.         dung nötig. Die beiden Vertragspartner anerkennen

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gegenseitig die Gleichwertigkeit ihrer auf ihrem jewei-   Die Schweiz nimmt neu an den entsprechenden Arbeits-
ligen Gebiet anwendbaren Sicherheitsstandards.            gruppen der Europäischen Kommission teil und kann
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Dagegen unterliegt der Warenverkehr zwischen der          Rechtsentwicklungen mitwirken (Mitspracherecht).
Schweiz und den Nicht-EU-Mitgliedstaaten den neu-         Die neuen Rechtsakte können provisorisch ange-
en EU-Sicherheitsvorschriften betreffend Vorausan-        wendet werden, doch die verfassungsmässigen
meldung, Sicherheitskontrollen und Risikoanalysen.        Genehmigungsverfahren beider Vertragsparteien
2013 entsprach dieser Warenverkehr mit Drittstaaten       müssen bei jeder Weiterentwicklung des Abkom-
rund 27% (Einfuhr) bzw. rund 45% (Ausfuhr) des            mens eingehalten werden (keine automatische Über-
gesamten schweizerischen Aussenhandels. Im Jahr           nahme). Übernimmt beispielsweise die Schweiz eine
2013 wurden Güter im Wert von rund 135 Mrd. CHF           Neuerung nicht und entstehen dadurch Sicherheits-
aus der EU eingeführt und von etwa 116 Mrd. CHF           lücken, kann die EU Ausgleichsmassnahmen ergrei-
in die EU ausgeführt. Täglich passieren mehr als          fen. Diese Massnahmen müssen aber verhältnismäs-
20’000 Lastwagen die Schweizer Grenze. Die Transi-        sig sein. Im Streitfall über deren Verhältnismässigkeit
tachsen der Schweiz werden von der EU für ihren           kann mit dem Einverständnis beider Seiten ein
Binnenwarenverkehr rege benutzt. Etwa 900’000             Schiedsgericht angerufen werden. Das Abkommen
Lastwagen durchqueren jährlich die Schweiz, wovon         gilt auch für das Fürstentum Liechtenstein, solange
70% in der EU immatrikuliert sind.                        das Fürstentum mit der Schweiz in einer Zollunion
                                                          verbunden bleibt.
Im Rahmen der Revision des Abkommens wurde
auch das Verfahren für eine möglichst effiziente
Anpassung des Abkommens an jeweilige Rechtsent-
wicklungen neu geregelt. Um das gleichwertige
                                                           Weitere Informationen
Sicherheitsniveau zwischen der Schweiz und der EU
                                                           Direktion für europäische Angelegenheiten DEA
aufrecht zu erhalten, müssen die Schweiz und die           Tel. +41 58 462 22 22, europa@eda.admin.ch,
EU die Regeln gleich interpretieren und die entspre-       www.eda.admin.ch/europa
chenden Rechtsentwicklungen zeitgleich umsetzen.

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