Drehbuchentwicklung Dozent: Marc Lutz - BDFA-LVBW
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Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Drehbuchentwicklung Dozent: Marc Lutz Markus Watzl 20861 1
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Bis an die Grenzen der bewohnten Welt, zu allen Zeiten und unter den verschiedensten Umständen standen die Mythen auf der Erde in Blüte; stets waren sie die lebendige Inspiration all dessen, was aus den Händen und Hirnen der Menschen in die Welt gelangte Joseph Campbell, „Der Heros in tausend Gestalten 2
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Inhalt Die Reise des Helden – Eine Einführung 4 Der Heros 5 Die Reise des Helden – Die Stationen 9 I. Isolation Vertraute Welt 9 Der Ruf des Abenteuers 10 Verweigerung 12 Die Begegnung mit dem Mentor 13 II. Abstieg Überschreiten der ersten Schwelle 15 Bewährungsproben 16 Vordringen zur tiefsten Höhle 17 Entscheidende Prüfung 18 Belohnung 20 Rückweg 20 III. Rückkehr Auferstehung 21 Rückkehr mit dem Elixier 23 Fazit 25 Bibliographie 26 3
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Die Reise des Helden – Eine Einführung Mit wem fiebert der Rezipient eher mit, sei es im Roman, im Comicheft oder im Kino? Mit dem unverwundbaren Superman oder dem migräne – geplagten John McClane? Beide Figuren besetzen identische Positionen in jeder Geschichte, die des Protagonisten, der Hauptfigur, und doch vollzieht sich diese Identifikation auf unterschiedliche Weise innerhalb des Publikums. Dieses sieht beide als den „Heros“ der Erzählung an, die Identifikationsfigur, dessen Handlung der Zuschauer aufmerksam verfolgt und mit dem er mitfiebert. Diese Arbeit widmet sich der Heldenreise eines Charakters, der man auch eine Transformation vom „McClane“-artigen Helden zum Supermann bescheinigen könnte, besitzt er doch auch einige verwandte Fähigkeiten des Kryptoniers. In Matrix von Andy und Larry Wachowky aus dem Jahr 1999 vollzieht sich die Wandlung des gewöhnlichen Programmiers Thomas Anderson zum Erlöser der versklavten Menschheit, Neo. Diese Wandlung folgt so explizit der „Reise des Helden“, die Christopher Vogler skizzierte, dass der Film als eines der prominentesten Beispiele dienen kann. 4
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Der Heros Die Definition einer Heldenfigur könnte etwa lauten: „Figur, mit der sich der Rezipient einer Geschichte am stärksten identifiziert; die eine Handlung vorantreibt; die eine Wandlung durchleben muss; der letztlich siegreich ist“ Dass diese Figuren der elementare Bestandteil einer jeden Erzählung sind, wurde spätestens durch Joseph Campbell’s Arbeit in Der Heros in tausend Gestalten offenbar. Seine Analyse beschäftigte sich mit den Gemeinsamkeiten, die in sämtlichen Erzählungen, Märchen, Mythen und Sagen zu allen Zeiten der Menschheit vorkamen. Diese Struktur fand schließlich Einzug in die moderne Filmdramaturgie, was Vogler zu seiner Skizzierung der Heldenreise führte. Friedrich Kittler ging sogar noch weiter, als er Nietzsche zitierend postulierte: „Und wenn der apollinische Held im Grunde nichts mehr ist als das auf ei- ne dunkle Wand geworfene Lichtbild d. h. Erscheinung durch und durch, versammelt Die Geburt der Tragödie schon alle Elemente des Films“1 Kittler weist damit auch auf die Gemeinsamkeit der klassischen Mythologie und der modernen Erzähltstruktur im Kinofilm hin. Die ältesten Erzählungen der westlichen Welt diesbezüglich dürften der attischen Tragödie entspringen, wobei es sich lohnt, dies differenzierter zu betrachten, skizzierten doch nicht alle Dramatiker ihre Figuren identisch. 1 Kittler, Friedrich A: Aufschreibesysteme 1800 1900; Wilhelm Fink Verlag, München, 1985 5
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Die berühmtesten Tragiker der griechischen Antike waren Aischylos, Sophokles und Euripides. Am Beispiel des vielleicht berühmtesten Helden der griechischen Mythologie, Herakles, kann gezeigt werden, wie die Tragiker sich in ihrer Schilderung unterscheiden. In Aischylos’ Trachinierinnen begegnet man einem Herakles, der seine Frau betrügt, den Bruder und Vater seiner Begehrten tötet und sich durch seine göttliche Herkunft den Gesetzen der Sterblichen nicht verpflichtet fühlt. Letztlich stirbt er durch ein vergiftetes Kleidungsstück, das seine Frau ihm unwissentlich schenkt und noch auf dem Sterbebett verflucht er die Betrogene. Anders Euripides, der die bekannten Heldentaten des Herakles schildert, deren Kernpunkt die sechs legendären „Tierkämpfe“ bilden. Zur Skizzierung von Herakles’ Charakter als Heros kann schlicht Joachim Latacz dienen: „Indem Herakles die Konsequenzen, die sie (Hera) ihm aus seiner Tat zu ziehen, nahelegt, aus Überlegung ausschlägt, entzieht er sich der Göttin und beweist so seine Freiheit. Die Macht der Götter kann er zwar auch so nicht überwinden. Schlagen wird die Gottheit ihn auch fürderhin. Doch er wird’s tragen und wird weitergehen.“2 Hier wird eine der prägnantesten Eigenschaften der Heldenfigur bis heute angesprochen, der Wille, auch gegen alle Unwägbarkeiten, seinen Weg fortzusetzen und niemals aufzugeben. Um einen umfangreicheren Überblick über die antiken Herosfiguren zu erhalten, lohnt sich eine Studie von Ovid’s Metamorphosen oder Dante’s Göttlicher Komödie. Campbell’s Definition des Heros hat seinen Ursprung in den Studien von Carl Gustav Jung und dessen Etablierung der sog. „Archetypen“, diese universell vorhandene Urbilder in der Seele aller Menschen, unabhängig von ihrer Geschichte und Kultur. „Jung glaubte, dass sich bestimmte psychologische Bedürfnisse und Instinkte in Phantasien manifestieren und ihre Existenz in Form symbolischer Motive enthüllen.“3 2 Latacz, Joachim: Einführung in die griechische Tragödie, UTB, Göttingen, 2003 3 Henderson, Mary: Magie und Mythen, VGS Verlag, Köln, 1998 6
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Diese Definition übertrug Campbell auf die Erzählstruktur sämtlicher Mythen und Legenden und entwickelte daraus den Begriff des „Monomythos“. Darunter verstand er die „eine elementare“ Erzählstruktur, die allen von ihm erforschten Beispielen innewohnte. Campbell selbst berief sich bei dieser Arbeit u.a. auf die Forschungen von bspw. Vladimir Propp, der sich mit den Gemeinsamkeiten in russischen Märchen befasste. In der mitteleuropäischen Literatur steht vor allem Eschenbach’s Parzival für das bekannteste Beispiel der Heldenreise, wobei in diesem die charakteristischen Merklmale des Heros auf zwei separate Figuren aufgeteilt werden: Parzival, der die eigentliche Entwicklung durchläuft, von der unscheinbarsten aller Figuren, einem Träumer und Narren, zum „Gralskönig wird. Mit seinem Wunsch, große Abenteuer zu bestehen und dem Versuch des Onkels, eben dies zu verhindern, ist Parzival das augenscheinliche Vorbild für Luke Skywalker in Star Wars. Im zweiten Handlungsstrang muss der Ritter Gawan eine Vielzahl von Abenteuern, und damit Prüfungen, bestehen. Dies kann als frühes Beispiel für die Variationsmöglichkeiten der Heldenreise angesehen werden, in der diese nicht auf eine herausragende Herosgestalt angewiesen ist, sondern diese Rolle auch aufgeteilt werden kann. Heutzutage neigt man eher dazu, den Heros explizit herauszuarbeiten, ihm aber Helferfiguren zur Seite zu stellen, die verschiedene Charakterzüge besitzen, auch ihm den Helden damit „abzurunden“. In Matrix, Star Wars, Harry Potter, aber auch bereits in Die verborgene Festung (ohnehin ein Vorbild für George Lucas) wird diesbezüglich das vertraute Triumvirat benutzt, das schon numerisch und religiös diese symbolische Einheit versinnbildlicht. 7
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Der Einfluss Campbell’s auf die heutige Deutung der Dramaturgie kann also nicht hoch genug bewertet werden. Aus diesem Grund sei auch erwähnt, dass dessen Arbeit Die Macht der Mythen, quasi ein Nachfolgeprojekt zum Heros in tausend Gestalten. auch als Videoreihe mit Bill Moyers vorliegt, das teilweise auf der „Skywalker Ranch“ gedreht wurde. Abschließend soll noch eine kurze Anmerkung zu einer spezielleren Form des Heros gestattet sein, die in den letzte Jahren mehr an Bedeutung gewonnen hat: der sog. „Anti – Held“. Qua Definition handelt es sich hierbei um den Protagonisten der Geschichte, jedoch kann die Identifizierung für die Publica schwieriger ausfallen, da der Anti – Held entweder zu keinem Zeitpunkt aus freiem Willen ein Ziel verfolgt oder aber durch seine Skizzierung eher negativ besetzt ist. Berühmt wurden in den 90ern, um ein Beispiel für Letzteres zu liefern, v. a. die Figuren aus Quentin Tarantino’s Filmen. In Reservoir Dogs fungiert eine Gruppe von Verbrechern als Protagonisten und weltberühmt sind die Killer Jules Whinfield und Vincent Vega in Pulp Fiction, wobei es Jules gestattet ist, eine Entwicklung zu durchleben und am Ende dem Verbrechen abzuschwören. Tarantino lieferte quasi die Vorlage für eine ganze Reihe von Anti – Helden, die in den Folgejahren die Leinwand zu bevölkern schien. Ein spezielleres Beispiel liefert Das Parfum, eine Literaturadaption nach Patrick Süskind. Bei der Verfilmung durch Tom Tykwer wurden einige Konventionen einge- gangen, hinsichtlich der Identifikationsmöglichkeiten des Publikums mit dem Protagonisten, einem Fraunmörder. Volker Wehdeking liefert hierzu eine passende Analyse: „Dies Zugeständnis an eine breitere Zielgruppe und deren Erwartungen an den Hollywood mainstream, die bedingen, dass der Regisseur dem genialen Protagonisten einer biographischen Entwicklungs – Story (fil- misch als biopic beliebt) in historischer Kulisse ein Minimum an Einfüh- lungsmöglichkeit durch den Filmbesucher gewährt, verharmlost entschei- dend den Süskind-Entwurf eines ethisch indifferenten, monströsen Künst- 8
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix ler-Täters als Spiegelung eines skeptischen Menschenbildes.“4 Die Reise des Helden – Die Stationen Das Schaubild auf Seite 4 zeigte bereits das bekannte Darstellung von Vogler’s Heldenreise in seiner bekanntesten Form. Es existiert auch eine zweite, erweiterte, Darstellung mit 17 Stationen, orientiert sich aber diese wohl explizit an der von Campbell aufgestellten Struktur. Eine weitere, verbreitete Form stellt die Reise als horizontales Schaubild dar, sieht sich diese Form wohl eher dem Ursprung der 3 – Akt – Struktur im Theater verpflichtet. Dabei steht die kreisförmige Darstellung aber auch für eine Entwicklung, die der Heros durchlaufen muss. Zu Beginn des Abenteuers ist er i. d. R. nicht die Heldengestalt, mit der sich ein evtl. Zuschauer identifizieren kann. Erst im Laufe der Erzählung entwickelt er sich durch zu fällende Entscheidungen und Abenteuer zu der Persönlichkeit, die letztlich über den Antagonist triumphieren kann, sprich, der „Kreis ist geschlossen“, der Held „komplett“. In diesem Zusammenhang ist auch die „Yin / Yang“ – Darstellung für die Herosfigur verbreitet, die nur zusammen ein komplettiertes Bild liefern kann. I. Isolation Gewohnte Welt „Ein Versehen, dem Anschein nach der läppischste Zufall, offenbart eine ungeahnte Welt und verstrickt den Menschen in ein Kräftespiel, dem sein Verständnis nicht gewachsen ist.“5 So beschreibt Campbell die erste Station der Heldenreise, die er „Berufung“ betitelt. In dieser wird der Heros eingeführt und dessen Konflikt aufgezeigt. Bereits hier zeigen sich die Similarität in den klassischen Mythen der Antike, in den Märchen der Gebrüder Grimm oder der modernen Filmdramaturgie. 4 Wehdeking, Volker: Medienkonstellationen, Tectum Verlag, Marburg, 2008 5 Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Insel Verlag, Frankfurt a. M., 1999 9
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix In Matrix wird die Figur des Thomas Anderson eingeführt, als dessen „gewohnte Welt“ hier allerdings sein Dasein als der Hacker Neo dargestellt wird. Von seiner Anstellung als Programmierer erfährt der Zuschauer erst kurz vor Ende des ersten Aktes. Tatsächlich folgt der Übergang zur zweiten Station (nach Vogler’s Modell), relativ schnell. Ruf des Abenteuers Dieser, vielleicht elementarste, Bestandteil des ersten Aktes erfolgt i. d. R. durch einen sog. „Herold“, wie Jung diesen Archetypus bezeichnet. Es lässt sich feststellen, dass Neo sogar drei, vielleicht sogar vier, separate Rufe erhält: • „Wake up, Neo“ auf dessen Bildschirm • „Follow the white rabbit“, als er eingeladen wird, seinen Kunden in einen nahen Club zu begleiten • die Begegnung mit Trinity in diesem Club • der Anruf durch Morpheus am folgenden Tag Könnte man augenscheinlich den Telefonanruf als den „Ruf des Abenteuers“ betrachten, steht dem entgegen, dass Morpheus, um diesen Gesichtspunkt vorwegzunehmen, zu Neo’s Mentor wird, sind eher die ersten drei Punkte als der „Ruf“ anzusehen. Dies führt zu der allgemein vertretbaren Erkenntnis, dass Trinity die Rolle des Herold einnimmt. Sie versorgt Neo mit den ersten, flüchtigen Information, weckt 10
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix sein Interesse, ohne ihm aber einen direkten Auftrag zu erteilen, wie es in verschiedenen anderen Beispielen der Fall ist. So ist es auch nicht zwingend erforderlich, dass der Herold eine Person sein muss, ebenso kann dies eine Information sein, die dem Heros zugespielt wird und dessen Neugier weckt. In einem Abenteuer-, Western- oder Piratenfilm könnte dies am ehesten eine gefundene Schatzkarte sein, die den Held zu einer Suche aufbrechen lässt. Weitere bekannte Beispiele sind sicherlich die Botschaft, die R2-D2 versehentlich vor Luke Skywalker in Krieg der Sterne abspielt oder der Ring, der in den Besitz von Frodo Baggins gelangt. Auch muss der Heros sich nicht aus freiem Willen zu seinem Abenteuer aufmachen, sondern er kann auch als Spielball einer höheren Macht in eine Richtung gezwungen werden. An dieser Stelle ist vielleicht Odysseus zu nennen, der den Meeresgott Poseidon erzürnt und dessen Winde ihn weit über das Meer treiben. Verweigerung „Es ist so weit weg von hier...“ Mit diesen Worten erteilt Luke Skywalker dem ersten Ruf zum Abenteuer eine Absage, er weigert sich, seine vertraute Umgebung zu verlassen, obwohl er von nichts mehr träumt. Erst als sein Zuhause zerstört und seine Verwandten tot sind, beginnt er seine Reise. In Matrix verhält es sich ähnlich, tatsächlich fällt Neo’s Weigerung sogar noch drastischer aus. Obwohl er sich der sicheren Verhaftung durch die Agenten 11
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix gegenübersieht und von Morpheus einen direkten Fluchtplan erhält, zögert er im entscheidenden Moment. Anstatt aus dem Fenster sich über einen Kran zu fliehen, kehrt er in das Büro zurück und wird abgeführt. Dieser Szene geht auch die Einführung von Thomas Anderson’s „vertrauter Welt“ voraus, die ihn als Programmierer einen Computerfirma zeigt. Wurde ihm noch kurz zuvor mangelnde Disziplin seitens seines Vorgesetzten vorgeworfen, wird die Enge, die mit dieser hierachischen Struktur einhergeht, durch die winzige Box illustriert, in der er und seine Kollegen wie Dronen arbeiten. Neo schlägt aber nicht die Möglichkeit zur Flucht aus, er verweigert auch die zweite Offerte durch Agent Smith, mit ihm zu kooperieren. Die Verweigerung des Rufes ist in einer Vielzahl von Märchen und Mythen sämtlicher Kulturen zu finden und Campbell kommt zu dem Schluss, dass „die Weigerung wesentlich in der Hartnäckigkeit des Individuums besteht, das nicht fahren lassen will, was es für sein eigenes Interesse hält.“6 So entzieht sich die Nymphe Daphne der Liebe des Gottes Apollon und flieht vor ihm. Ähnlich ergeht es dem Froschkönig aus dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm, dem gegenüber die Prinzessin ihr Versprechen nicht einhalten will und lieber mit der goldenen Kugel in den Königspalast läuft. Ist das Hadern und Zaudern ein elementarer Bestandteil in vielen von Shakespeare’s Dramen, soll an dieser Stelle dessen bekanntestes Werk Hamlet genannt werden. Der Prinz von Dänemark hatte seinem ermordeten Vater gelobt, dessen Tod zu rächen und hadert doch ausgiebig mit der Erfüllung dieses Versprechens. „Bei meiner Schwachheit und Melancholie (Da er sehr mächtig ist bei bei solchen Geistern) täuscht er mich zum Verderben: ich will Grund, Der sicherer ist.“7 Auch Macbeth schreckt vor dem Königsmord zurück, zögert vor dieser finalen Tat und wird erst von seiner Frau letztlich dazu verführt. 6 Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Insel Verlag, Frankfurt a. M., 1999 7 Shakespeare, William: Hamlet, 2. Akt, 2. Szene, Reclam Verlag, Stuttgart, 1969 12
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix In American Graffiti hadert eine der Hauptfiguren, Curt Henderson, mit der Entscheidung, die vertraute Kleinstadt zu verlassen, um das College zu besuchen. Die Begegnung mit dem Mentor Die letzte Station des 1. Aktes widmet sich einer weiteren elementaren Figur einer Vielzahl klassischer Mythen, dem Mentor des Helden. Dieser fungiert als dessen Führer durch die vor ihm liegende unbekannte Welt, erteilt Ratschläge, sorgt für die Ausbildung des Helden und überreicht ihm einen Talismann. Die Figur des Morpheus entspricht zwar nicht dem klassischen Bild des Mentors, wie man ihn aus Sagen oder anderen Filmen kennt, trotzdem erfüllt er diese Aufgaben und sorgt damit gleichzeitig für ein „neues Bild“ dieser archetypischen Figur. Er stellt Neo ein letztes Mal vor die Wahl, ob er die vor ihm liegende Reise antreten und sein Schicksal erfüllen will. In Form der beiden Pillen bietet er ihm die „Realität“ oder die Rückkehr in die „Matrix“ an. Kaum hat sich Neo für die Realität entschieden, erläutert ihm Morpheus die Zusammenhänge und beginnt mit seiner Schulung. Neo verfügt nun über umfangreiche Fähigkeiten, die ihn bei seinem Kampf diesen sollen. Eine der ältesten Mentoren – Figuren der Antike ist sicher Vergil, der Dante in der Comedia durch Inferno und Purgatorio führt und das Erlebte deutet. In der Artus – Sage 13
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix fungiert Merlin als Lehrer des späteren Königs und dient damit als Vorbild für Mentoren wie Obi – Wan Kenobi, Gandalf, Kesuke Miyagi oder Albus Dumbledore. Als Variation kann der Mentor auch mit einem körperlichen Handicap geschlagen sein, das er aber i. d. R. durch andere Fähigkeiten ausbalancieren kann. So ist der kleinwüchsige Yoda als Variation des Waldzwerges zu verstehen, den man in verschiedenen Märchen vorfindet. In Buffy – The Vampire Slayer taucht der schrullige Bibliothekar Rupert Giles ebenso auf wie in X- Men der gelähmte Prof. Charles Xavier. In Sportdramen übernimmt die Rolle des Mentors i. d. R. der jeweilige Trainer, im Kriegs- oder Militärfilm ist es häufig der altgediente Frontsoldat. Beispiele hierfür wären Micky Goldmill in Rocky oder Sgt. Foley in Ein Offizier und Gentleman. Die erste Aufgabe, die der Mentor in den meisten Erzählungen übernimmt, ist die Übergabe eines „Zepters“ an den Helden, häufig handelt es sich hierbei um ein Artefakt des Vaters des Heros. „Erneut lässt sich hier die Artus - Sage als Vorbild bemühen, in der der Held Excalibur aus dem Fels befreien muss, das Schwert, das zuvor Uther Pendragon benutzte, oder auch die Geschichte des Theseus, der das Schwert von Aigeus aufnimmt“8 Auch Siegfried härtet in der Nibelungensaga das Schwert seines Vaters, in Lord of the Rings erhält Frodo Baggins die Klinge seines Onkels und auch Aragorn benutzt das Schwert seines Vorfahren in der letzten Schlacht. Luke Skywalker erhält von Obi – Wan Kenobi das Laserschwert seines Vaters. Bei diesen Artefakten muss es sich in der modernen Dramaturgie nicht mehr zwangsläufig um ein Schwert handeln, wie man auch in Matrix sieht. Morpheus vermittelt Neo vielmehr sein komplettes Wissen um den Zusammenhang zwischen Realität und der Matrix, darüber hinaus erhält Neo vielfältige Fähigkeiten durch seinen Mentor. In Gladiator trainiert Proximo Maximus nicht nur, sondern gibt auch seine alte Rüstung an ihn weiter, bevor sie zusammen nach Rom aufbrechen. Der Heros hat nun den ersten Teil seiner Reise vollendet, er ist bereit, sich der Gefahr zu stellen und damit auch die erste Stufe seiner Weiterentwicklung abgeschlossen. 8 Watzl, Markus: Aufgewachsen in einer weit, weit entfernten Galaxis, Tectum Verlag, Marburg, 2009 14
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix II. Abstieg Überschreiten der ersten Schwelle Um sich wie Mopheus und die anderen Rebellen in der realen Welt und in der Matrix bewegen zu können, muss Neo „ausgekoppelt“ werden, womit er seine Existenz in der generierten Scheinwelt hinter sich lässt. Campbell ordnet diese Station noch dem „Aufbruch“ zu, wenn er postuliert: „Der gewöhnliche Sterbliche ist nicht nur zufrieden, sondern geradezu stolz, dass er innerhalb der bekannten Grenzen bleibt(...)“9 Bezeichnend für diese Station der Heldenreise ist häufig, dass der Held das Vetraute auch lokal hinter sich lässt und an einen, ihm unbekannten Ort, vordringt. Morpheus offeriert Neo, ihn in die tiefsten Abgründe des Kaninchenbaus zu führen. Diese Referenz an Carrol’s Alice im Wunderland kann kaum bewusster gewählt werden, dringt doch auch Alice in ihrer Phantasie in diese vollkommen unvertraute und groteske Welt ein, in der ein kleines Kaninchen ihr als Führer zur Seite steht. Aber während es für Alice ein „Zurück“ in die Realität gibt, fällt diese Tür hinter Neo zu, als er Morpheus’ Ruf folgt. Ebenso ergeht es Luke Skywalker, der aufbricht, um Tattooine zu verlassen und dessen Schritt über die erste Schwelle ihn in die unbekannte, feindselige Welt einer Spelunke in Mos Eisley führt. 9 Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Insel Verlag, Frankfurt a. M., 1999 15
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Bewährunsproben Bevor der Heros vollkommen in der „neuen Welt“ aufgehen kann, stellt sich ihm i. d. R. noch ein erster Contagonist entgegen, ein „Schwellenwächter“, der ihn einer ersten Prüfung unterzieht. „Der Contagonist behindert die Problemlösung und versucht den Protago- nisten vom rechten Weg abzubringen“10 Auf der Suche nach dem „Goldenen Vlies“ müssen Jason und die Argonauten beispielsweise zwischen Klippen hindurchsegeln, die ihr Schiff zu zerschmettern drohen. Der Garten Eden wird von einem Engel mit Feuerschwert bewacht. Diese Schwellenwächter sind jedoch nicht gezwungen negativ besetzt, sondern erweisen sich dem Helden gegenüber evtl. auch als gütig und fürsorglich. In diese Kategorie gehört sicher auch Morpheus, der Neo zu einem Schaukampf herausfordert, in dem der Held seine neu – gewonnen Fähigkeiten unter Beweis stellen muss. Neo kann die Lehren von Morpheus in der ersten Runde noch nicht vollständig umsetzen und unterliegt daher seinem Mentor. Eine jede „Lehrstunde“, die in einer Erzählung dargestellt wird, verdeutlicht eine erste Überlegenheit des Mentors, aber schon im Laufe dieser ersten Prüfung wächst der Heros über sich hinaus und kann den Lehrer besiegen. So ergeht es auch Neo: das Überwinden von physikalischen Grenzen, die sein Dasein bisher beschränkt hatten, gelten nun für ihn nicht mehr, aber dieses Wissen umzusetzen, gelingt erst in der zweiten Runde, in der er Morpheus schlagen kann. Dass die Prüfung nicht zwangsläufig eine Person sein muss, verdeutlicht der sog. „Jump Test“ in Matrix, in der Neo über Hochhausdächer springen muss. Auch hier versagt der Held im ersten Versuch. 10 Eder, Jens: Die Figur im Film, Schüren Verlag, Marburg, 2008 16
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix In den antiken Mythen herrscht die Vorstellung einer körperlichen Wächterfigur vor, der den Helden daran hindert, die unbekannten Regionen jenseits der vertrauten Umgebung zu betreten. So wird der Eingang zum Hades vom dreiköpfigen Zerberus bewacht und Theseus wird auf dem Weg nach Troizen brutal überfallen. Ähnlich ergeht es Luke Skywalker, dem ähnliches durch die Tusken Raider widerfährt. Vordringen zur tiefsten Höhle Diese Station kann auch als die „zweite Schwelle“ beschrieben werden oder, wie Campbell es beschreibt, den „Bauch des Walfischs“. Er beschreibt diese Vorstellung als „die Überquerung der magischen Schwelle in eine Sphäre der Wiedergeburt führt“.11 In Matrix könnte man diese Station auch als die Szene deuten, in der Neo die Pille schluckt und von Morpheus in der Realität begrüßt wird. Hier lässt sich sowohl eine Variante des Walfischbauchs ausmachen, sowie die darauf folgende Wiedergeburt. Eine zweite Deutung, auf diese ich mich festlegen möchte, wäre die Begegnung von Neo mit dem Orakel. Zusammen mit Morpheus, Trinity und einigen anderen Rebellen kehren sie in die Matrix zurück und wollen den Heros einem Test unterziehen, ob es sich bei ihm tatsächlich um den „Auserwählten“ handelt. Morpheus betrachtet seinen neuen Schüler als diesen einen, der die Herrschaft der Maschinen beenden und die Menschheit in die Freiheit führen kann. Das Orakel bezweifelt, dass Neo dieser Auserwählte ist und dieser wirkt überraschend erleichtert über diese Erkenntnis, befreit sie ihn doch von der Verantwortung, die seit dieser Prophezeiung auf ihm lastet. 11 Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Insel Verlag, Frankfurt a. M., 1999 17
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Eine Variante des Walfischbauchs ist das Labyrinth, das sowohl in der antiken Mythologie wie auch in moderner Filmdramaturgie seine Verwendung findet. Am bekanntesten ist sicher das Labyrinth des Minotaurus, wo sich Theseus dem Fabelwesen stellen muss. In Star Wars werden sogar beide Varianten verwendet: die Helden geraten in einen Müllschacht, den man als „Bauch des Walfischs“ definieren kann und die verwinkelten Gänge des „Todessterns“ greifen das Motiv des Labyrinths auf. Mit dem „Bauch des Walfischs“ endet Campbell’s erster Akt der Heldenreise und damit deutlich später als Vogler’s Version davon. Entscheidende Prüfung Neo verliert seinen Mentor, als Morpheus von den Agenten der Matrix gefangengenommen wird. Der Verlust des Führers wird bis heute regelmäßig in den verschiedenen Erzählungen aufgegriffen und variiert, wobei diese Versionen oftmals endgültiger erscheinen als in Matrix. In Lord of the Rings „opfert“ sich Gandalf, um den anderen Gefährten die Flucht zu ermöglichen, er selbst stürzt aber dafür in den Abgrund. Aus dem gleichen Antrieb heraus (man bemerkt hier eine Vereinheitlichung), stellt sich Obi – Wan Kenobi Darth Vader entgegen und wird getötet. Der Heros ist an der Mitte seiner Fahrt angekommen und an dieser Stelle verdüstert sich sein Schicksal. Er hat nun die max. „Fallhöhe“ erreicht, von wo aus ein Sturz letztlich auch die finale Niederlage bedeuten könnte. Diese Stufe ist bezeichnend durch eine Reihe von Prüfungen und Martyrien, meistens bestehend aus Gefangennahme, Rettung und Flucht, die dem Helden aber auch Momente der Erleuchtung und Erkenntnis beschert. Dazu passend schrieb Dante in der Commedia: „Mittwegs auf unseres Lebens Reise fand in finsteren Waldes Nacht ich mich verschlagen, weil mir die Spur vom graden Weges schwand. Wie hart ist’s, ach, von diesem Wege sagen, wie wild und rau und dicht sein Dickicht droht: dran denken nur macht doch aufs neu mich zagen! 18
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix So bitter ist’s, dass bittrer kaum der Tod.“12 Mit diesen Worten beginnt Dante seine Reise ins Inferno der Hölle. In eine ähnliche Hölle muss sich Neo aufmachen, um seinen Mentor zu retten. Anders als in obigen Beispielen, musste dieser nicht seine physische Existenz opfern, um den Schüler zu schützen. Zusammen mit Trinity stellt sich Neo der Übermacht aus Agenten und Sicherheits- kräften in deren Hauptquartier, wo man Morpheus festhält. Sie befreien den Anführer des Widerstands und es gelingt eine weitere Flucht, womit obere These bestätigt wird. Belohnung Vermutlich die am schwierigsten zu definierende Station der Heldenreise am Beispiel von Matrix, benutzt man für die Analyse Vogler’s Schema. Die hier aufeinderfolgenden Stationen lassen sich aufgrund ihrer Kürze nur schwer trennen. Nachdem Neo Morpheus gerettet hat, ist das Triumvirat wieder komplett und zusammen fliehen sie an Bord der „Nebukadnezzar“. Rückweg Die letzte Station des II. Aktes (nach Vogler’s Definition) und vermutlich hätte die vorherige Beschreibung auch auf diese Station sehr gut gepasst. 12 Alighieri, Dante: Die Göttliche Komödie, Reclam Verlag, Stuttgart, 1951 19
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix In Matrix treten aber nur der Mentor und der Herold (Morpheus und Trinity) den Rückweg in die Realität an. Neo bleibt zurück, um sich den Agenten zu stellen. Hier ist eine klare Trennung der Stationen der Heldenreise nur schwer möglich und die einzelnen Definitionen fließen ineinander über. Campbell schreibt in dem Kapitel, das er mit „Rückkehr über die Schwelle“ betitelt: „Aber der Held stürzt sich kühn hinein, um die Hexen in Göttinnen und die Drachen in Wachhunde verwandelt zu sehen.“13 Kaum eine Handlung wird mehr mit dem Heros assoziiiert, als die selbstlose Aufopferung für seine Gefährten. Als höchste Ausprägung davon kann der Märtyrertod angesehen werden, zu dessen bekanntesten Beispielen sicher der des Jesus v. Nazareth gehört. Auch dieser muss sich, einer Prophezeiung folgend, für die Menschen opfern, um als ein höheres Wesen wiedergeboren werden. Ein Schicksal, das auch Neo bevorsteht. Als Variation des Märtyrertodes finden sich Beispiele, in denen der Heros eine letzte Prüfung bestehen muss, um die nächste Stufe des Daseins zu erreichen. In Return of the Jedi muss sich Luke Skywalker Darth Vader zu einem finalen Duell stellen, bevor er seine Ausbildung zum Jedi – Ritter abgeschlossen hat. 13 Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Insel Verlag, Frankfurt a. M., 1999 20
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix III. Rückkehr Auferstehung Einer Wiedergeburt muss natürlich der „Tod“ des Helden vorausgehen und auch Matrix bedient sich diesem elementaren Punkt der Reise. Im Zweikampf mit Agent Smith wird Neo getötet. Durch Trinity jedoch vollzieht sich die erforderliche „Wiederauferstehung“ des Helden, wobei es sich hierbei auch stets um die finale Weiterentwicklung desselbigen handelt. Campbell beschreibt dies sehr treffend mit „Apotheose“, also der Gottwerdung des Sterblichen. Morpheus erkennt in diesem Augenblick Neo wirklich als den „Auserwählten“ und auch Neo diese Rolle für sich annimmt. Er verfügt nun über Fähigkeiten, die ihn den Agenten überlegen machen. Zwar erhält Neo nun beinahe „gott-ähnliche“ Kräfte, jedoch erscheint Nietzsche’s Definition des „Übermenschen“ an dieser Stelle weit treffender. „Ich lehre Euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, das über- wunden werden will.“14 Nietzsche definierte den Übermensch als eine Art „Bestrebung“, die jeder Mensch zu erreichen versuchte. Hatte er diese Stufe erreicht, wäre auch die Notwendigkeit einer göttlichen Gestalt über ihm nicht mehr notwendig. Dazu wäre er aber gezwungen, seine Fehlbarkeit hinter sich zu lassen, die vielzitierte „Aufhebung der Metaphysik“ hätte sich vollzogen. In diesen Kontext ist aber auch Michel Foucault’s Kritik zu verorten, die eröffnet: „Raum für die Arbeit des Menschen an sich selbst, für die Ausarbeitung einer neuen Form von Subjektivität“15 Neo erreicht dies, als er seine Zweifel bezüglich seiner Bestimmung hinter sich lässt und die Rolle als Auserwählter annimmt. 14 Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra, Reclam Verlag, Leipzig, 2000 15 Foucault, Michel: Die Hauptwerke, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., 2008 21
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix „Unverwundbar ist er und unverbrennbar, nicht benetzbar und nicht zu trocknen, ewig ist er und allgegenwärtig, beständig, unbeweglich und immerwährend.“16 So wird Arjuna, eine hinduistische Heldengestalt im Bhagavad Gita II während des finalen Teils seiner Reise beschrieben und diese Art von Unberührbarkeit durch seine Feinde zeichnet eine Vielzahl von Herosfiguren nach ihrer Auferstehung aus. Im Fall von Neo wird dies offensichtlich, als er die Kugeln, die Smith auf ihn abfeuert mit einer simplen Handbewegung vor sich abstoppen und wirkungslos zu Boden fallen lässt. Er betrachtet diese Bedrohung, die ihn wenige Minuten zuvor noch getötet hatte, nun mit einer so augenscheinlichen Geringschätzung, die jeden Zuschauer sofort von seinem neuen Glauben an sich selbst überzeugen muss. Eine jede Auferstehungs – Variante der Geschichte ruft natürlich sofort die Assoziation mit der christlichen Religion hervor, aber bereits zu Beginn von Matrix deutet sich eine weitere Verbundenheit mit der Jesus – Figur an. Da Thomas Anderson, wie man vermuten muss, wie alle Menschen in der Matrix „gezüchtet“ statt geboren wurde, stellt sich auch die Frage nach den Eltern nicht. Die christliche Lehre zufolge, wurde Jesus zwar durch Maria geboren, diese empfing ihn jedoch durch Gott, genauer, den heiligen Geist. Auch Star Wars – Episode I variiert diese Thematik, indem geschildert wird, Anakin Skywalker, hier der Auserwählte, hätte ebenfalls keinen Vater gehabt, sondern wäre durch „die Macht“ empfangen worden. Die komplette Star Wars – Reihe 16 Bhagavad Gita: Der Gesang des Heiligen, Brockhaus Verlag, Leipzig, 1911 22
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix berücksichtigend, gestattete man sich dort die besondere Variation, dass man den Auserwählten und Hoffnungsträger der Prequels zum Schatten und Schlächter der Ur – Trilogie macht, um ihm letztlich doch zu erlösen. Rückkehr mit dem Elixier Nur der heilige Gral kann die Ritter der Tafelrunde vor dem Verderben retten, ein Element, das bewusst identisch an selber Stelle in IndianaJones and the last crusade aufgegriffen wird. Es gibt darüber hinaus unzählige Beispiele, in denen der Begriff des „Elixiers“ wörtlich umgesetzt wird und der Held eine Art „Gegenmittel“ gegen eine Krankheit finden muss, um den Tod seiner Gefährten zu verhindern. Aber natürlich kann dieser feste Begriff auch auf unzählige Weise variiert werden. In Matrix steht das Elixier für Neo’s neu – erwachten Glauben an sich selbst und an seine Rolle als der Auserwählte, die es ihm ermöglicht, den Antagonisten, Agent Smith, im Zweikampf zu besiegen. Dieser Glaube wird illustriert, durch den letzten Monolog von Neo während des Telefonats: „ You won’t have to search for me anymore. I’m done running. Done hiding. Whether I am done fighting I suppose is up to you. I believe deep down that we both want this world to change. I believe that the Matrix can remain our cage or it can become our chrysalis. That is what you helped me to understand. That to be free, truly free, you cannot change your cage. You have to change yourself. When I used to look at this world, all I could see were the edges, its boundaries, its rules and controls, its leaders and laws. But now, I see another world. A different world where all things are possible. A world of hope, a world of peace..” In obigem Abschnitt wurde bereits die finale Entwicklung von Neo beschrieben, der seine Rolle annimmt. Diese Variation der letzten Heldenreisen – Station, neu – erwachtes Selbstvertrauen oder Einfügen in eine Rolle, um dem höheren Gut zu dienen, wird verstärkt in Sportfilmen verwendet, in der bspw. Ein 23
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix egoistischer Einzelspieler in die Mannschaft integrieren muss, um Spiele zu gewinnen. Nach seiner Niederlage gegen Clubber Lang und dem Tod seines Trainers in Rocky III ist der Titelheld zutiefst verunsichert und besitzt kein Selbstvertrauen mehr. Erst das Training mit seinem alten Rivalen und die Rückkehr in die Slums weckt seinen alten Kampfgeist erneut und er kann im Rückkampf siegreich sein. Die im 2. Kapitel beschrieben “Ganzheit” des Heros wird durch das Telefonat ein letztes Mal offensichtlich. Neo verkündet darin nicht nur die Verwandlung, die er selbst durchlaufen hat, sondern auch das Ziel, das er nun ausgemacht hat und er spricht von der Welt ohne Grenzen, die er durch Morpheus kennen-gelernt hat. Tatsächlich betitelt auch Campbell das letzte Kapitel seiner Heldenreise “Herr der zwei Welten”, worin natürlich auf den Erkenntnisvorsprung Bezug genommen wird, den der Held am Ende seiner Reise gewonnen hat. Durch den Mentor erhielt er die ersten Einblicke in diese neue Welt, aber aus freien Stücken machte er sich auf seine Reise auf und vollendet diese mit seinem Triumph über den Antagonisten als komplette und weisere Figur. Betrachtet man diesbezüglich erneut sowohl Campbell’s als auch Vogler’s graphische Skizzierung der Heldenreise und dazu die bereits erwähnte Yin/Yang – Symbolik, wird die neue Vollkommenheit des Heros auch durch die Einheit des verwendeten Kreises illustriert. Fazit Wie bereits in der Einleitung angemerkt, kann der Film Matrix als sehr augenscheinliches Beispiel für Christopher Vogler’s Skizzierung der “Heldenreise” angesehen werden. Auch eine Übertragung der Handlung auf Joseph Campbell’s ausführlichere Struktur ware möglich, auch wenn dabei einige Anpassungen notwendig geworden wären. Aber sowohl Campbell’s als auch Vogler’s Darstellung verstehen sich nicht als starrer Vorschriftenplan, 24
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix sondern eher als Handbuch oder lose Leitlinie für das dramaturgische Konzept eines Films. Zwar gelten Filme wie Matrix oder Star Wars heute als prominenteste Vertreter für diese Struktur, aber einige Beispiele, die in dieser Arbeit angeführt wurden, sollen darlegen, dass sogar Filme diesem Schema folgen, die auf den ersten Blick nicht dieser Konvention dienen. Diese Betrachtung ist aber v. a. Campbell geschuldet, der, in Anlehnung an Jung oder Propp, die Gemeinsamkeiten in Mythen und Legenden aller Kulturen erforschte. Neo, der Protagonist in Matrix unterscheidet sich also in keinster Weise von antiken Heros – Figuren wie Theseus oder Achilles, von mitteleuropäischen Mythengestalten wie Siegfried und Parsival und noch weniger von Filmvorbildern wie Luke Skywalker oder Rocky Balboa. 25
Markus Watzl The Hero’s Journey in The Matrix Bibliographie Alighieri, Dante: Die Göttliche Komödie Bhagavad Gita: Der Gesang des Heiligen Campbell, Joseph: Heros in tausend Gestalten, Der Eder, Jens: Figur im Film, Die Foucault, Michel: Hauptwerke, Die Henderson, Mary: Magie und Mythos Kittler, Friedrich A. : Aufschriebsysteme 1800, 1900 Latacz, Joseph: Einführung in die griechische Tragödie Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra Shakespeare, William: Hamlet Watzl, Markus: Aufgewachsen in einer weit, weit entfernten Galaxis Wehdeking, Volker: Medienkonstellationen 26
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