Drehbuchentwicklung Dozent: Marc Lutz - BDFA-LVBW

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Drehbuchentwicklung Dozent: Marc Lutz - BDFA-LVBW
Markus Watzl           The Hero’s Journey in The Matrix

Drehbuchentwicklung

Dozent:    Marc Lutz

Markus Watzl

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Markus Watzl                                      The Hero’s Journey in The Matrix

       Bis an die Grenzen der bewohnten Welt, zu allen Zeiten und unter den
       verschiedensten Umständen standen die Mythen auf der Erde in Blüte;
       stets waren sie die lebendige Inspiration all dessen, was aus den Händen
       und Hirnen der Menschen in die Welt gelangte

       Joseph Campbell, „Der Heros in tausend Gestalten

	
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Inhalt

Die Reise des Helden – Eine Einführung                              4

Der Heros                                                           5

Die Reise des Helden – Die Stationen                                9

I. Isolation
Vertraute Welt                                                      9

Der Ruf des Abenteuers                                              10

Verweigerung                                                        12

Die Begegnung mit dem Mentor                                        13

II. Abstieg
Überschreiten der ersten Schwelle                                   15

Bewährungsproben                                                    16

Vordringen zur tiefsten Höhle                                       17

Entscheidende Prüfung                                               18

Belohnung                                                           20

Rückweg                                                             20

III. Rückkehr
Auferstehung                                                        21

Rückkehr mit dem Elixier                                            23

Fazit                                                               25

Bibliographie                                                       26

	
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Die Reise des Helden – Eine Einführung

Mit wem fiebert der Rezipient eher mit, sei es im Roman, im Comicheft oder im Kino?
Mit dem unverwundbaren Superman oder dem migräne – geplagten John McClane?
Beide Figuren besetzen identische Positionen in jeder Geschichte, die des
Protagonisten, der Hauptfigur, und doch vollzieht sich diese Identifikation auf
unterschiedliche Weise innerhalb des Publikums. Dieses sieht beide als den „Heros“
der Erzählung an, die Identifikationsfigur, dessen Handlung der Zuschauer aufmerksam
verfolgt und mit dem er mitfiebert.

Diese Arbeit widmet sich der Heldenreise eines Charakters, der man auch eine
Transformation vom „McClane“-artigen Helden zum Supermann bescheinigen könnte,
besitzt er doch auch einige verwandte Fähigkeiten des Kryptoniers.
In Matrix von Andy und Larry Wachowky aus dem Jahr 1999 vollzieht sich die
Wandlung des gewöhnlichen Programmiers Thomas Anderson zum Erlöser der
versklavten Menschheit, Neo.
Diese Wandlung folgt so explizit der „Reise des Helden“, die Christopher Vogler
skizzierte, dass der Film als eines der prominentesten Beispiele dienen kann.

	
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Der Heros

Die Definition einer Heldenfigur könnte etwa lauten: „Figur, mit der sich der Rezipient
einer Geschichte am stärksten identifiziert; die eine Handlung vorantreibt; die eine
Wandlung durchleben muss; der letztlich siegreich ist“
Dass diese Figuren der elementare Bestandteil einer jeden Erzählung sind, wurde
spätestens durch Joseph Campbell’s Arbeit in Der Heros in tausend Gestalten offenbar.
Seine Analyse beschäftigte sich mit den Gemeinsamkeiten, die in sämtlichen
Erzählungen, Märchen, Mythen und Sagen zu allen Zeiten der Menschheit vorkamen.

Diese Struktur fand schließlich Einzug in die moderne Filmdramaturgie, was Vogler zu
seiner Skizzierung der Heldenreise führte. Friedrich Kittler ging sogar noch weiter, als
er Nietzsche zitierend postulierte:

                „Und wenn der apollinische Held im Grunde nichts mehr ist als das auf ei-
                  ne dunkle Wand geworfene Lichtbild d. h. Erscheinung durch und durch,
                  versammelt Die Geburt der Tragödie schon alle Elemente des Films“1

Kittler weist damit auch auf die Gemeinsamkeit der klassischen Mythologie und der
modernen Erzähltstruktur im Kinofilm hin.
Die ältesten Erzählungen der westlichen Welt diesbezüglich dürften der attischen
Tragödie entspringen, wobei es sich lohnt, dies differenzierter zu betrachten, skizzierten
doch nicht alle Dramatiker ihre Figuren identisch.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
1	
  Kittler,	
  Friedrich	
  A:	
  Aufschreibesysteme	
  1800	
  1900;	
  Wilhelm	
  Fink	
  Verlag,	
  München,	
  1985	
  

	
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Die berühmtesten Tragiker der griechischen Antike waren Aischylos, Sophokles und
Euripides.
Am Beispiel des vielleicht berühmtesten Helden der griechischen Mythologie, Herakles,
kann gezeigt werden, wie die Tragiker sich in ihrer Schilderung unterscheiden. In
Aischylos’ Trachinierinnen begegnet man einem Herakles, der seine Frau betrügt, den
Bruder und Vater seiner Begehrten tötet und sich durch seine göttliche Herkunft den
Gesetzen der Sterblichen nicht verpflichtet fühlt. Letztlich stirbt er durch ein vergiftetes
Kleidungsstück, das seine Frau ihm unwissentlich schenkt und noch auf dem Sterbebett
verflucht er die Betrogene.
Anders Euripides, der die bekannten Heldentaten des Herakles schildert, deren
Kernpunkt die sechs legendären „Tierkämpfe“ bilden.
Zur Skizzierung von Herakles’ Charakter als Heros kann schlicht Joachim Latacz
dienen:

                   „Indem Herakles die Konsequenzen, die sie (Hera) ihm aus seiner Tat
                     zu ziehen, nahelegt, aus Überlegung ausschlägt, entzieht er sich der
                     Göttin und beweist so seine Freiheit. Die Macht der Götter kann er
                     zwar auch so nicht überwinden. Schlagen wird die Gottheit ihn auch
                     fürderhin. Doch er wird’s tragen und wird weitergehen.“2

Hier wird eine der prägnantesten Eigenschaften der Heldenfigur bis heute
angesprochen, der Wille, auch gegen alle Unwägbarkeiten, seinen Weg fortzusetzen
und niemals aufzugeben.
Um einen umfangreicheren Überblick über die antiken Herosfiguren zu erhalten, lohnt
sich eine Studie von Ovid’s Metamorphosen oder Dante’s Göttlicher Komödie.

Campbell’s Definition des Heros hat seinen Ursprung in den Studien von Carl Gustav
Jung und dessen Etablierung der sog. „Archetypen“, diese universell vorhandene
Urbilder in der Seele aller Menschen, unabhängig von ihrer Geschichte und Kultur.
„Jung glaubte, dass sich bestimmte psychologische Bedürfnisse und Instinkte in
Phantasien manifestieren und ihre Existenz in Form symbolischer Motive enthüllen.“3

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
2	
  Latacz,	
  Joachim:	
  Einführung	
  in	
  die	
  griechische	
  Tragödie,	
  UTB,	
  Göttingen,	
  2003	
  
3	
  Henderson,	
  Mary:	
  Magie	
  und	
  Mythen,	
  VGS	
  Verlag,	
  Köln,	
  1998	
  

	
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Diese Definition übertrug Campbell auf die Erzählstruktur sämtlicher Mythen und
Legenden und entwickelte daraus den Begriff des „Monomythos“.
Darunter verstand er die „eine elementare“ Erzählstruktur, die allen von ihm erforschten
Beispielen innewohnte.
Campbell selbst berief sich bei dieser Arbeit u.a. auf die Forschungen von bspw.
Vladimir Propp, der sich mit den Gemeinsamkeiten in russischen Märchen befasste.

In der mitteleuropäischen Literatur steht vor allem Eschenbach’s Parzival für das
bekannteste Beispiel der Heldenreise, wobei in diesem die charakteristischen
Merklmale des Heros auf zwei separate Figuren aufgeteilt werden:
Parzival, der die eigentliche Entwicklung durchläuft, von der unscheinbarsten aller
Figuren, einem Träumer und Narren, zum „Gralskönig wird. Mit seinem Wunsch, große
Abenteuer zu bestehen und dem Versuch des Onkels, eben dies zu verhindern, ist
Parzival das augenscheinliche Vorbild für Luke Skywalker in Star Wars.
Im zweiten Handlungsstrang muss der Ritter Gawan eine Vielzahl von Abenteuern, und
damit Prüfungen, bestehen.

Dies kann als frühes Beispiel für die Variationsmöglichkeiten der Heldenreise
angesehen werden, in der diese nicht auf eine herausragende Herosgestalt
angewiesen ist, sondern diese Rolle auch aufgeteilt werden kann. Heutzutage neigt
man eher dazu, den Heros explizit herauszuarbeiten, ihm aber Helferfiguren zur Seite
zu stellen, die verschiedene Charakterzüge besitzen, auch ihm den Helden damit
„abzurunden“.
In Matrix, Star Wars, Harry Potter, aber auch bereits in Die verborgene Festung
(ohnehin ein Vorbild für George Lucas) wird diesbezüglich das vertraute Triumvirat
benutzt, das schon numerisch und religiös diese symbolische Einheit versinnbildlicht.

	
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Der Einfluss Campbell’s auf die heutige Deutung der Dramaturgie kann also nicht hoch
genug bewertet werden. Aus diesem Grund sei auch erwähnt, dass dessen Arbeit Die
Macht der Mythen, quasi ein Nachfolgeprojekt zum Heros in tausend Gestalten. auch
als Videoreihe mit Bill Moyers vorliegt, das teilweise auf der „Skywalker Ranch“ gedreht
wurde.

Abschließend soll noch eine kurze Anmerkung zu einer spezielleren Form des Heros
gestattet sein, die in den letzte Jahren mehr an Bedeutung gewonnen hat: der sog.
„Anti – Held“.
Qua Definition handelt es sich hierbei um den Protagonisten der Geschichte, jedoch
kann die Identifizierung für die Publica schwieriger ausfallen, da der Anti – Held
entweder zu keinem Zeitpunkt aus freiem Willen ein Ziel verfolgt oder aber durch seine
Skizzierung eher negativ besetzt ist. Berühmt wurden in den 90ern, um ein Beispiel für
Letzteres zu liefern, v. a. die Figuren aus Quentin Tarantino’s Filmen. In Reservoir Dogs
fungiert eine Gruppe von Verbrechern als Protagonisten und weltberühmt sind die Killer
Jules Whinfield und Vincent Vega in Pulp Fiction, wobei es Jules gestattet ist, eine
Entwicklung zu durchleben und am Ende dem Verbrechen abzuschwören. Tarantino
lieferte quasi die Vorlage für eine ganze Reihe von Anti – Helden, die in den
Folgejahren die Leinwand zu bevölkern schien.

Ein spezielleres Beispiel liefert Das Parfum, eine Literaturadaption nach Patrick
Süskind. Bei der Verfilmung durch Tom Tykwer wurden einige Konventionen einge-
gangen,     hinsichtlich   der   Identifikationsmöglichkeiten   des   Publikums     mit   dem
Protagonisten, einem Fraunmörder. Volker Wehdeking liefert hierzu eine passende
Analyse:

       „Dies Zugeständnis an eine breitere Zielgruppe und deren Erwartungen
         an den Hollywood mainstream, die bedingen, dass der Regisseur dem
         genialen Protagonisten einer biographischen Entwicklungs – Story (fil-
         misch als biopic beliebt) in historischer Kulisse ein Minimum an Einfüh-
         lungsmöglichkeit durch den Filmbesucher gewährt, verharmlost entschei-
         dend den Süskind-Entwurf eines ethisch indifferenten, monströsen Künst-

	
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                   ler-Täters als Spiegelung eines skeptischen Menschenbildes.“4

Die Reise des Helden – Die Stationen

Das Schaubild auf Seite 4 zeigte bereits das bekannte Darstellung von Vogler’s
Heldenreise in seiner bekanntesten Form. Es existiert auch eine zweite, erweiterte,
Darstellung mit 17 Stationen, orientiert sich aber diese wohl explizit an der von
Campbell aufgestellten Struktur.
Eine weitere, verbreitete Form stellt die Reise als horizontales Schaubild dar, sieht sich
diese Form wohl eher dem Ursprung der 3 – Akt – Struktur im Theater verpflichtet.
Dabei steht die kreisförmige Darstellung aber auch für eine Entwicklung, die der Heros
durchlaufen muss. Zu Beginn des Abenteuers ist er i. d. R. nicht die Heldengestalt, mit
der sich ein evtl. Zuschauer identifizieren kann. Erst im Laufe der Erzählung entwickelt
er sich durch zu fällende Entscheidungen und Abenteuer zu der Persönlichkeit, die
letztlich über den Antagonist triumphieren kann, sprich, der „Kreis ist geschlossen“, der
Held „komplett“. In diesem Zusammenhang ist auch die „Yin / Yang“ – Darstellung für
die Herosfigur verbreitet, die nur zusammen ein komplettiertes Bild liefern kann.

I. Isolation
Gewohnte Welt

„Ein Versehen, dem Anschein nach der läppischste Zufall, offenbart eine ungeahnte
Welt und verstrickt den Menschen in ein Kräftespiel, dem sein Verständnis nicht
gewachsen ist.“5
So beschreibt Campbell die erste Station der Heldenreise, die er „Berufung“ betitelt. In
dieser wird der Heros eingeführt und dessen Konflikt aufgezeigt. Bereits hier zeigen
sich die Similarität in den klassischen Mythen der Antike, in den Märchen der Gebrüder
Grimm oder der modernen Filmdramaturgie.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
4	
  Wehdeking,	
  Volker:	
  Medienkonstellationen,	
  Tectum	
  Verlag,	
  Marburg,	
  2008	
  
5	
  Campbell,	
  Joseph:	
  Der	
  Heros	
  in	
  tausend	
  Gestalten,	
  Insel	
  Verlag,	
  Frankfurt	
  a.	
  M.,	
  1999	
  

	
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In Matrix wird die Figur des Thomas Anderson eingeführt, als dessen „gewohnte Welt“
hier allerdings sein Dasein als der Hacker Neo dargestellt wird. Von seiner Anstellung
als Programmierer erfährt der Zuschauer erst kurz vor Ende des ersten Aktes.
Tatsächlich folgt der Übergang zur zweiten Station (nach Vogler’s Modell), relativ
schnell.

Ruf des Abenteuers

Dieser, vielleicht elementarste, Bestandteil des ersten Aktes erfolgt i. d. R. durch einen
sog. „Herold“, wie Jung diesen Archetypus bezeichnet.
Es lässt sich feststellen, dass Neo sogar drei, vielleicht sogar vier, separate Rufe erhält:

           •   „Wake up, Neo“ auf dessen Bildschirm
           •   „Follow the white rabbit“, als er eingeladen wird, seinen Kunden in einen
               nahen Club zu begleiten
           •   die Begegnung mit Trinity in diesem Club
           •   der Anruf durch Morpheus am folgenden Tag

Könnte man augenscheinlich den Telefonanruf als den „Ruf des Abenteuers“
betrachten, steht dem entgegen, dass Morpheus, um diesen Gesichtspunkt
vorwegzunehmen, zu Neo’s Mentor wird, sind eher die ersten drei Punkte als der „Ruf“
anzusehen. Dies führt zu der allgemein vertretbaren Erkenntnis, dass Trinity die Rolle
des Herold einnimmt. Sie versorgt Neo mit den ersten, flüchtigen Information, weckt

	
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sein Interesse, ohne ihm aber einen direkten Auftrag zu erteilen, wie es in
verschiedenen anderen Beispielen der Fall ist.

So ist es auch nicht zwingend erforderlich, dass der Herold eine Person sein muss,
ebenso kann dies eine Information sein, die dem Heros zugespielt wird und dessen
Neugier weckt. In einem Abenteuer-, Western- oder Piratenfilm könnte dies am ehesten
eine gefundene Schatzkarte sein, die den Held zu einer Suche aufbrechen lässt.
Weitere bekannte Beispiele sind sicherlich die Botschaft, die R2-D2 versehentlich vor
Luke Skywalker in Krieg der Sterne abspielt oder der Ring, der in den Besitz von Frodo
Baggins gelangt.
Auch muss der Heros sich nicht aus freiem Willen zu seinem Abenteuer aufmachen,
sondern er kann auch als Spielball einer höheren Macht in eine Richtung gezwungen
werden. An dieser Stelle ist vielleicht Odysseus zu nennen, der den Meeresgott
Poseidon erzürnt und dessen Winde ihn weit über das Meer treiben.

Verweigerung

„Es ist so weit weg von hier...“ Mit diesen Worten erteilt Luke Skywalker dem ersten Ruf
zum Abenteuer eine Absage, er weigert sich, seine vertraute Umgebung zu verlassen,
obwohl er von nichts mehr träumt. Erst als sein Zuhause zerstört und seine Verwandten
tot sind, beginnt er seine Reise.
In Matrix verhält es sich ähnlich, tatsächlich fällt Neo’s Weigerung sogar noch
drastischer aus. Obwohl er sich der sicheren Verhaftung durch die Agenten

	
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gegenübersieht und von Morpheus einen direkten Fluchtplan erhält, zögert er im
entscheidenden Moment. Anstatt aus dem Fenster sich über einen Kran zu fliehen,
kehrt er in das Büro zurück und wird abgeführt.
Dieser Szene geht auch die Einführung von Thomas Anderson’s „vertrauter Welt“
voraus, die ihn als Programmierer einen Computerfirma zeigt. Wurde ihm noch kurz
zuvor mangelnde Disziplin seitens seines Vorgesetzten vorgeworfen, wird die Enge, die
mit dieser hierachischen Struktur einhergeht, durch die winzige Box illustriert, in der er
und seine Kollegen wie Dronen arbeiten.
Neo schlägt aber nicht die Möglichkeit zur Flucht aus, er verweigert auch die zweite
Offerte durch Agent Smith, mit ihm zu kooperieren.

Die Verweigerung des Rufes ist in einer Vielzahl von Märchen und Mythen sämtlicher
Kulturen zu finden und Campbell kommt zu dem Schluss, dass „die Weigerung
wesentlich in der Hartnäckigkeit des Individuums besteht, das nicht fahren lassen will,
was es für sein eigenes Interesse hält.“6
So entzieht sich die Nymphe Daphne der Liebe des Gottes Apollon und flieht vor ihm.
Ähnlich ergeht es dem Froschkönig aus dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder
Grimm, dem gegenüber die Prinzessin ihr Versprechen nicht einhalten will und lieber
mit der goldenen Kugel in den Königspalast läuft.
Ist das Hadern und Zaudern ein elementarer Bestandteil in vielen von Shakespeare’s
Dramen, soll an dieser Stelle dessen bekanntestes Werk Hamlet genannt werden. Der
Prinz von Dänemark hatte seinem ermordeten Vater gelobt, dessen Tod zu rächen und
hadert doch ausgiebig mit der Erfüllung dieses Versprechens.

                  „Bei meiner Schwachheit und Melancholie (Da er sehr mächtig ist bei
                   bei solchen Geistern) täuscht er mich zum Verderben: ich will Grund,
                   Der sicherer ist.“7

Auch Macbeth schreckt vor dem Königsmord zurück, zögert vor dieser finalen Tat und
wird erst von seiner Frau letztlich dazu verführt.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
6	
  Campbell,	
  Joseph:	
  Der	
  Heros	
  in	
  tausend	
  Gestalten,	
  Insel	
  Verlag,	
  Frankfurt	
  a.	
  M.,	
  1999	
  

7	
  Shakespeare,	
  William:	
  Hamlet,	
  2.	
  Akt,	
  2.	
  Szene,	
  Reclam	
  Verlag,	
  Stuttgart,	
  1969	
  

	
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Markus Watzl                                       The Hero’s Journey in The Matrix

In American Graffiti hadert eine der Hauptfiguren, Curt Henderson, mit der
Entscheidung, die vertraute Kleinstadt zu verlassen, um das College zu besuchen.

Die Begegnung mit dem Mentor

Die letzte Station des 1. Aktes widmet sich einer weiteren elementaren Figur einer
Vielzahl klassischer Mythen, dem Mentor des Helden. Dieser fungiert als dessen Führer
durch die vor ihm liegende unbekannte Welt, erteilt Ratschläge, sorgt für die Ausbildung
des Helden und überreicht ihm einen Talismann.
Die Figur des Morpheus entspricht zwar nicht dem klassischen Bild des Mentors, wie
man ihn aus Sagen oder anderen Filmen kennt, trotzdem erfüllt er diese Aufgaben und
sorgt damit gleichzeitig für ein „neues Bild“ dieser archetypischen Figur. Er stellt Neo
ein letztes Mal vor die Wahl, ob er die vor ihm liegende Reise antreten und sein
Schicksal erfüllen will. In Form der beiden Pillen bietet er ihm die „Realität“ oder die
Rückkehr in die „Matrix“ an.
Kaum hat sich Neo für die Realität entschieden, erläutert ihm Morpheus die
Zusammenhänge und beginnt mit seiner Schulung. Neo verfügt nun über umfangreiche
Fähigkeiten, die ihn bei seinem Kampf diesen sollen.

Eine der ältesten Mentoren – Figuren der Antike ist sicher Vergil, der Dante in der
Comedia durch Inferno und Purgatorio führt und das Erlebte deutet. In der Artus – Sage

	
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Markus Watzl                                                                                                                               The Hero’s Journey in The Matrix

fungiert Merlin als Lehrer des späteren Königs und dient damit als Vorbild für Mentoren
wie Obi – Wan Kenobi, Gandalf, Kesuke Miyagi oder Albus Dumbledore.
Als Variation kann der Mentor auch mit einem körperlichen Handicap geschlagen sein,
das er aber i. d. R. durch andere Fähigkeiten ausbalancieren kann. So ist der
kleinwüchsige Yoda als Variation des Waldzwerges zu verstehen, den man in
verschiedenen Märchen vorfindet. In Buffy – The Vampire Slayer taucht der schrullige
Bibliothekar Rupert Giles ebenso auf wie in X- Men der gelähmte Prof. Charles Xavier.
In Sportdramen übernimmt die Rolle des Mentors i. d. R. der jeweilige Trainer, im
Kriegs- oder Militärfilm ist es häufig der altgediente Frontsoldat. Beispiele hierfür wären
Micky Goldmill in Rocky oder Sgt. Foley in Ein Offizier und Gentleman.

Die erste Aufgabe, die der Mentor in den meisten Erzählungen übernimmt, ist die
Übergabe eines „Zepters“ an den Helden, häufig handelt es sich hierbei um ein Artefakt
des Vaters des Heros. „Erneut lässt sich hier die Artus - Sage als Vorbild bemühen, in
der der Held Excalibur aus dem Fels befreien muss, das Schwert, das zuvor Uther
Pendragon benutzte, oder auch die Geschichte des Theseus, der das Schwert von
Aigeus aufnimmt“8
Auch Siegfried härtet in der Nibelungensaga das Schwert seines Vaters, in Lord of the
Rings erhält Frodo Baggins die Klinge seines Onkels und auch Aragorn benutzt das
Schwert seines Vorfahren in der letzten Schlacht. Luke Skywalker erhält von Obi – Wan
Kenobi das Laserschwert seines Vaters.
Bei diesen Artefakten muss es sich in der modernen Dramaturgie nicht mehr
zwangsläufig um ein Schwert handeln, wie man auch in Matrix sieht. Morpheus
vermittelt Neo vielmehr sein komplettes Wissen um den Zusammenhang zwischen
Realität und der Matrix, darüber hinaus erhält Neo vielfältige Fähigkeiten durch seinen
Mentor.
In Gladiator trainiert Proximo Maximus nicht nur, sondern gibt auch seine alte Rüstung
an ihn weiter, bevor sie zusammen nach Rom aufbrechen.

Der Heros hat nun den ersten Teil seiner Reise vollendet, er ist bereit, sich der Gefahr
zu stellen und damit auch die erste Stufe seiner Weiterentwicklung abgeschlossen.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
8	
  Watzl,	
  Markus:	
  Aufgewachsen	
  in	
  einer	
  weit,	
  weit	
  entfernten	
  Galaxis,	
  Tectum	
  Verlag,	
  

Marburg,	
  2009	
  

	
                                                                                                                                                                                                                                 14	
  
Markus Watzl                                                                                                                              The Hero’s Journey in The Matrix

II. Abstieg
Überschreiten der ersten Schwelle

Um sich wie Mopheus und die anderen Rebellen in der realen Welt und in der Matrix
bewegen zu können, muss Neo „ausgekoppelt“ werden, womit er seine Existenz in der
generierten Scheinwelt hinter sich lässt.
Campbell ordnet diese Station noch dem „Aufbruch“ zu, wenn er postuliert:

                  „Der gewöhnliche Sterbliche ist nicht nur zufrieden, sondern geradezu stolz,
                   dass er innerhalb der bekannten Grenzen bleibt(...)“9

Bezeichnend für diese Station der Heldenreise ist häufig, dass der Held das Vetraute
auch lokal hinter sich lässt und an einen, ihm unbekannten Ort, vordringt. Morpheus
offeriert Neo, ihn in die tiefsten Abgründe des Kaninchenbaus zu führen. Diese
Referenz an Carrol’s Alice im Wunderland kann kaum bewusster gewählt werden,
dringt doch auch Alice in ihrer Phantasie in diese vollkommen unvertraute und groteske
Welt ein, in der ein kleines Kaninchen ihr als Führer zur Seite steht. Aber während es
für Alice ein „Zurück“ in die Realität gibt, fällt diese Tür hinter Neo zu, als er Morpheus’
Ruf folgt.
Ebenso ergeht es Luke Skywalker, der aufbricht, um Tattooine zu verlassen und
dessen Schritt über die erste Schwelle ihn in die unbekannte, feindselige Welt einer
Spelunke in Mos Eisley führt.
	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
9	
  Campbell,	
  Joseph:	
  Der	
  Heros	
  in	
  tausend	
  Gestalten,	
  Insel	
  Verlag,	
  Frankfurt	
  a.	
  M.,	
  1999	
  

	
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Markus Watzl                                                                                                                                                                                The Hero’s Journey in The Matrix

Bewährunsproben

Bevor der Heros vollkommen in der „neuen Welt“ aufgehen kann, stellt sich ihm i. d. R.
noch ein erster Contagonist entgegen, ein „Schwellenwächter“, der ihn einer ersten
Prüfung unterzieht.

                        „Der Contagonist behindert die Problemlösung und versucht den Protago-
                          nisten vom rechten Weg abzubringen“10

Auf der Suche nach dem „Goldenen Vlies“ müssen Jason und die Argonauten
beispielsweise zwischen Klippen hindurchsegeln, die ihr Schiff zu zerschmettern
drohen. Der Garten Eden wird von einem Engel mit Feuerschwert bewacht.

Diese Schwellenwächter sind jedoch nicht gezwungen negativ besetzt, sondern
erweisen sich dem Helden gegenüber evtl. auch als gütig und fürsorglich.
In diese Kategorie gehört sicher auch Morpheus, der Neo zu einem Schaukampf
herausfordert, in dem der Held seine neu – gewonnen Fähigkeiten unter Beweis stellen
muss. Neo kann die Lehren von Morpheus in der ersten Runde noch nicht vollständig
umsetzen und unterliegt daher seinem Mentor. Eine jede „Lehrstunde“, die in einer
Erzählung dargestellt wird, verdeutlicht eine erste Überlegenheit des Mentors, aber
schon im Laufe dieser ersten Prüfung wächst der Heros über sich hinaus und kann den
Lehrer besiegen. So ergeht es auch Neo: das Überwinden von physikalischen Grenzen,
die sein Dasein bisher beschränkt hatten, gelten nun für ihn nicht mehr, aber dieses
Wissen umzusetzen, gelingt erst in der zweiten Runde, in der er Morpheus schlagen
kann.

Dass die Prüfung nicht zwangsläufig eine Person sein muss, verdeutlicht der sog.
„Jump Test“ in Matrix, in der Neo über Hochhausdächer springen muss. Auch hier
versagt der Held im ersten Versuch.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
10	
  Eder,	
  Jens:	
  Die	
  Figur	
  im	
  Film,	
  Schüren	
  Verlag,	
  Marburg,	
  2008	
  

	
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Markus Watzl                                                                                                                             The Hero’s Journey in The Matrix

In den antiken Mythen herrscht die Vorstellung einer körperlichen Wächterfigur vor, der
den Helden daran hindert, die unbekannten Regionen jenseits der vertrauten
Umgebung zu betreten. So wird der Eingang zum Hades vom dreiköpfigen Zerberus
bewacht und Theseus wird auf dem Weg nach Troizen brutal überfallen. Ähnlich ergeht
es Luke Skywalker, dem ähnliches durch die Tusken Raider widerfährt.

Vordringen zur tiefsten Höhle

Diese Station kann auch als die „zweite Schwelle“ beschrieben werden oder, wie
Campbell es beschreibt, den „Bauch des Walfischs“. Er beschreibt diese Vorstellung als
„die Überquerung der magischen Schwelle in eine Sphäre der Wiedergeburt führt“.11
In Matrix könnte man diese Station auch als die Szene deuten, in der Neo die Pille
schluckt und von Morpheus in der Realität begrüßt wird. Hier lässt sich sowohl eine
Variante des Walfischbauchs ausmachen, sowie die darauf folgende Wiedergeburt.
Eine zweite Deutung, auf diese ich mich festlegen möchte, wäre die Begegnung von
Neo mit dem Orakel. Zusammen mit Morpheus, Trinity und einigen anderen Rebellen
kehren sie in die Matrix zurück und wollen den Heros einem Test unterziehen, ob es
sich bei ihm tatsächlich um den „Auserwählten“ handelt. Morpheus betrachtet seinen
neuen Schüler als diesen einen, der die Herrschaft der Maschinen beenden und die
Menschheit in die Freiheit führen kann.
Das Orakel bezweifelt, dass Neo dieser Auserwählte ist und dieser wirkt überraschend
erleichtert über diese Erkenntnis, befreit sie ihn doch von der Verantwortung, die seit
dieser Prophezeiung auf ihm lastet.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
11	
  Campbell,	
  Joseph:	
  Der	
  Heros	
  in	
  tausend	
  Gestalten,	
  Insel	
  Verlag,	
  Frankfurt	
  a.	
  M.,	
  1999	
  

	
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Markus Watzl                                          The Hero’s Journey in The Matrix

Eine Variante des Walfischbauchs ist das Labyrinth, das sowohl in der antiken
Mythologie wie auch in moderner Filmdramaturgie seine Verwendung findet. Am
bekanntesten ist sicher das Labyrinth des Minotaurus, wo sich Theseus dem
Fabelwesen stellen muss.
In Star Wars werden sogar beide Varianten verwendet: die Helden geraten in einen
Müllschacht, den man als „Bauch des Walfischs“ definieren kann und die verwinkelten
Gänge des „Todessterns“ greifen das Motiv des Labyrinths auf.

Mit dem „Bauch des Walfischs“ endet Campbell’s erster Akt der Heldenreise und damit
deutlich später als Vogler’s Version davon.

Entscheidende Prüfung

Neo    verliert   seinen   Mentor,   als   Morpheus    von   den   Agenten   der   Matrix
gefangengenommen wird. Der Verlust des Führers wird bis heute regelmäßig in den
verschiedenen Erzählungen aufgegriffen und variiert, wobei diese Versionen oftmals
endgültiger erscheinen als in Matrix.
In Lord of the Rings „opfert“ sich Gandalf, um den anderen Gefährten die Flucht zu
ermöglichen, er selbst stürzt aber dafür in den Abgrund. Aus dem gleichen Antrieb
heraus (man bemerkt hier eine Vereinheitlichung), stellt sich Obi – Wan Kenobi Darth
Vader entgegen und wird getötet.

Der Heros ist an der Mitte seiner Fahrt angekommen und an dieser Stelle verdüstert
sich sein Schicksal. Er hat nun die max. „Fallhöhe“ erreicht, von wo aus ein Sturz
letztlich auch die finale Niederlage bedeuten könnte. Diese Stufe ist bezeichnend durch
eine Reihe von Prüfungen und Martyrien, meistens bestehend aus Gefangennahme,
Rettung und Flucht, die dem Helden aber auch Momente der Erleuchtung und
Erkenntnis beschert. Dazu passend schrieb Dante in der Commedia:

       „Mittwegs auf unseres Lebens Reise fand in finsteren Waldes Nacht ich
       mich verschlagen, weil mir die Spur vom graden Weges schwand. Wie
       hart ist’s, ach, von diesem Wege sagen, wie wild und rau und dicht sein
       Dickicht droht: dran denken nur macht doch aufs neu mich zagen!

	
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Markus Watzl                                                                                                                                                      The Hero’s Journey in The Matrix

                     So bitter ist’s, dass bittrer kaum der Tod.“12

Mit diesen Worten beginnt Dante seine Reise ins Inferno der Hölle.

In eine ähnliche Hölle muss sich Neo aufmachen, um seinen Mentor zu retten. Anders
als in obigen Beispielen, musste dieser nicht seine physische Existenz opfern, um den
Schüler zu schützen.
Zusammen mit Trinity stellt sich Neo der Übermacht aus Agenten und Sicherheits-
kräften in deren Hauptquartier, wo man Morpheus festhält.
Sie befreien den Anführer des Widerstands und es gelingt eine weitere Flucht, womit
obere These bestätigt wird.

Belohnung

Vermutlich die am schwierigsten zu definierende Station der Heldenreise am Beispiel
von Matrix, benutzt man für die Analyse Vogler’s Schema. Die hier aufeinderfolgenden
Stationen lassen sich aufgrund ihrer Kürze nur schwer trennen.
Nachdem Neo Morpheus gerettet hat, ist das Triumvirat wieder komplett und
zusammen fliehen sie an Bord der „Nebukadnezzar“.

Rückweg

Die letzte Station des II. Aktes (nach Vogler’s Definition) und vermutlich hätte die
vorherige Beschreibung auch auf diese Station sehr gut gepasst.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
12	
  Alighieri,	
  Dante:	
  Die	
  Göttliche	
  Komödie,	
  Reclam	
  Verlag,	
  Stuttgart,	
  1951	
  

	
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Markus Watzl                                                                                                                             The Hero’s Journey in The Matrix

In Matrix treten aber nur der Mentor und der Herold (Morpheus und Trinity) den
Rückweg in die Realität an. Neo bleibt zurück, um sich den Agenten zu stellen. Hier ist
eine klare Trennung der Stationen der Heldenreise nur schwer möglich und die
einzelnen Definitionen fließen ineinander über.

Campbell schreibt in dem Kapitel, das er mit „Rückkehr über die Schwelle“ betitelt:

                 „Aber der Held stürzt sich kühn hinein, um die Hexen in Göttinnen und
                   die Drachen in Wachhunde verwandelt zu sehen.“13

Kaum eine Handlung wird mehr mit dem Heros assoziiiert, als die selbstlose
Aufopferung für seine Gefährten. Als höchste Ausprägung davon kann der Märtyrertod
angesehen werden, zu dessen bekanntesten Beispielen sicher der des Jesus v.
Nazareth gehört.                                        Auch dieser muss sich, einer Prophezeiung folgend, für die
Menschen opfern, um als ein höheres Wesen wiedergeboren werden. Ein Schicksal,
das auch Neo bevorsteht.
Als Variation des Märtyrertodes finden sich Beispiele, in denen der Heros eine letzte
Prüfung bestehen muss, um die nächste Stufe des Daseins zu erreichen. In Return of
the Jedi muss sich Luke Skywalker Darth Vader zu einem finalen Duell stellen, bevor er
seine Ausbildung zum Jedi – Ritter abgeschlossen hat.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
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  Campbell,	
  Joseph:	
  Der	
  Heros	
  in	
  tausend	
  Gestalten,	
  Insel	
  Verlag,	
  Frankfurt	
  a.	
  M.,	
  1999	
  

	
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III. Rückkehr

Auferstehung

Einer Wiedergeburt muss natürlich der „Tod“ des Helden vorausgehen und auch Matrix
bedient sich diesem elementaren Punkt der Reise.
Im Zweikampf mit Agent Smith wird Neo getötet. Durch Trinity jedoch vollzieht sich die
erforderliche „Wiederauferstehung“ des Helden, wobei es sich hierbei auch stets um die
finale Weiterentwicklung desselbigen handelt. Campbell beschreibt dies sehr treffend
mit „Apotheose“, also der Gottwerdung des Sterblichen. Morpheus erkennt in diesem
Augenblick Neo wirklich als den „Auserwählten“ und auch Neo diese Rolle für sich
annimmt. Er verfügt nun über Fähigkeiten, die ihn den Agenten überlegen machen.
Zwar erhält Neo nun beinahe „gott-ähnliche“ Kräfte, jedoch erscheint Nietzsche’s
Definition des „Übermenschen“ an dieser Stelle weit treffender.

                   „Ich lehre Euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, das über-
                     wunden werden will.“14

Nietzsche definierte den Übermensch als eine Art „Bestrebung“, die jeder Mensch zu
erreichen versuchte. Hatte er diese Stufe erreicht, wäre auch die Notwendigkeit einer
göttlichen Gestalt über ihm nicht mehr notwendig. Dazu wäre er aber gezwungen, seine
Fehlbarkeit hinter sich zu lassen, die vielzitierte „Aufhebung der Metaphysik“ hätte sich
vollzogen. In diesen Kontext ist aber auch Michel Foucault’s Kritik zu verorten, die
eröffnet:

                   „Raum für die Arbeit des Menschen an sich selbst, für die Ausarbeitung einer
                   neuen Form von Subjektivität“15

Neo erreicht dies, als er seine Zweifel bezüglich seiner Bestimmung hinter sich lässt
und die Rolle als Auserwählter annimmt.

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
14	
  Nietzsche,	
  Friedrich:	
  Also	
  sprach	
  Zarathustra,	
  Reclam	
  Verlag,	
  Leipzig,	
  2000	
  
15	
  Foucault,	
  Michel:	
  Die	
  Hauptwerke,	
  Suhrkamp	
  Verlag,	
  Frankfurt	
  a.	
  M.,	
  2008	
  

	
                                                                                                                                                                                                                                 21	
  
Markus Watzl                                                                                                                                                 The Hero’s Journey in The Matrix

                    „Unverwundbar ist er und unverbrennbar, nicht benetzbar und nicht zu
                      trocknen, ewig ist er und allgegenwärtig, beständig, unbeweglich und
                      immerwährend.“16

So wird Arjuna, eine hinduistische Heldengestalt im Bhagavad Gita II während des
finalen Teils seiner Reise beschrieben und diese Art von Unberührbarkeit durch seine
Feinde zeichnet eine Vielzahl von Herosfiguren nach ihrer Auferstehung aus. Im Fall
von Neo wird dies offensichtlich, als er die Kugeln, die Smith auf ihn abfeuert mit einer
simplen Handbewegung vor sich abstoppen und wirkungslos zu Boden fallen lässt. Er
betrachtet diese Bedrohung, die ihn wenige Minuten zuvor noch getötet hatte, nun mit
einer so augenscheinlichen Geringschätzung, die jeden Zuschauer sofort von seinem
neuen Glauben an sich selbst überzeugen muss.

Eine jede Auferstehungs – Variante der Geschichte ruft natürlich sofort die Assoziation
mit der christlichen Religion hervor, aber bereits zu Beginn von Matrix deutet sich eine
weitere Verbundenheit mit der Jesus – Figur an. Da Thomas Anderson, wie man
vermuten muss, wie alle Menschen in der Matrix „gezüchtet“ statt geboren wurde, stellt
sich auch die Frage nach den Eltern nicht. Die christliche Lehre zufolge, wurde Jesus
zwar durch Maria geboren, diese empfing ihn jedoch durch Gott, genauer, den heiligen
Geist.

Auch Star Wars – Episode I variiert diese Thematik, indem geschildert wird, Anakin
Skywalker, hier der Auserwählte, hätte ebenfalls keinen Vater gehabt, sondern wäre
durch „die Macht“ empfangen worden. Die komplette Star Wars – Reihe

	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  	
  
16	
  Bhagavad	
  Gita:	
  Der	
  Gesang	
  des	
  Heiligen,	
  Brockhaus	
  Verlag,	
  Leipzig,	
  1911	
  	
  

	
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Markus Watzl                                        The Hero’s Journey in The Matrix

berücksichtigend, gestattete man sich dort die besondere Variation, dass man den
Auserwählten und Hoffnungsträger der Prequels zum Schatten und Schlächter der Ur –
Trilogie macht, um ihm letztlich doch zu erlösen.

Rückkehr mit dem Elixier

Nur der heilige Gral kann die Ritter der Tafelrunde vor dem Verderben retten, ein
Element, das bewusst identisch an selber Stelle in IndianaJones and the last crusade
aufgegriffen wird. Es gibt darüber hinaus unzählige Beispiele, in denen der Begriff des
„Elixiers“ wörtlich umgesetzt wird und der Held eine Art „Gegenmittel“ gegen eine
Krankheit finden muss, um den Tod seiner Gefährten zu verhindern. Aber natürlich
kann dieser feste Begriff auch auf unzählige Weise variiert werden.
In Matrix steht das Elixier für Neo’s neu – erwachten Glauben an sich selbst und an
seine Rolle als der Auserwählte, die es ihm ermöglicht, den Antagonisten, Agent Smith,
im Zweikampf zu besiegen. Dieser Glaube wird illustriert, durch den letzten Monolog
von Neo während des Telefonats:

       „ You won’t have to search for me anymore. I’m done running. Done
       hiding. Whether I am done fighting I suppose is up to you. I believe deep
       down that we both want this world to change. I believe that the Matrix can
       remain our cage or it can become our chrysalis. That is what you helped
       me to understand. That to be free, truly free, you cannot change your
       cage. You have to change yourself. When I used to look at this world, all I
       could see were the edges, its boundaries, its rules and controls, its
       leaders and laws. But now, I see another world. A different world where all
       things are possible. A world of hope, a world of peace..”

In obigem Abschnitt wurde bereits die finale Entwicklung von Neo beschrieben,
der seine Rolle annimmt. Diese Variation der letzten Heldenreisen – Station,
neu – erwachtes Selbstvertrauen oder Einfügen in eine Rolle, um dem höheren
Gut zu dienen, wird verstärkt in Sportfilmen verwendet, in der bspw. Ein

	
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Markus Watzl                                            The Hero’s Journey in The Matrix

egoistischer Einzelspieler in die Mannschaft integrieren muss, um Spiele zu
gewinnen. Nach seiner Niederlage gegen Clubber Lang und dem Tod seines
Trainers in Rocky III ist der Titelheld zutiefst verunsichert und besitzt kein
Selbstvertrauen mehr. Erst das Training mit seinem alten Rivalen und die
Rückkehr in die Slums weckt seinen alten Kampfgeist erneut und er kann im
Rückkampf siegreich sein.

Die im 2. Kapitel beschrieben “Ganzheit” des Heros wird durch das Telefonat ein
letztes Mal offensichtlich. Neo verkündet darin nicht nur die Verwandlung, die er
selbst durchlaufen hat, sondern auch das Ziel, das er nun ausgemacht hat und
er spricht von der Welt ohne Grenzen, die er durch Morpheus kennen-gelernt
hat.

Tatsächlich betitelt auch Campbell das letzte Kapitel seiner Heldenreise “Herr
der zwei Welten”, worin natürlich auf den Erkenntnisvorsprung Bezug genommen
wird, den der Held am Ende seiner Reise gewonnen hat. Durch den Mentor
erhielt er die ersten Einblicke in diese neue Welt, aber aus freien Stücken
machte er sich auf seine Reise auf und vollendet diese mit seinem Triumph über
den Antagonisten als komplette und weisere                  Figur. Betrachtet man
diesbezüglich   erneut   sowohl     Campbell’s    als    auch   Vogler’s   graphische
Skizzierung der Heldenreise und dazu die bereits erwähnte Yin/Yang –
Symbolik, wird die neue Vollkommenheit des Heros auch durch die Einheit des
verwendeten Kreises illustriert.

Fazit

Wie bereits in der Einleitung angemerkt, kann der Film Matrix als sehr
augenscheinliches     Beispiel     für   Christopher    Vogler’s   Skizzierung    der
“Heldenreise” angesehen werden. Auch eine Übertragung der Handlung auf
Joseph Campbell’s ausführlichere Struktur ware möglich, auch wenn dabei
einige Anpassungen notwendig geworden wären. Aber sowohl Campbell’s als
auch Vogler’s Darstellung verstehen sich nicht als starrer Vorschriftenplan,

	
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Markus Watzl                                       The Hero’s Journey in The Matrix

sondern eher als Handbuch oder lose Leitlinie für das dramaturgische Konzept
eines Films.

Zwar gelten Filme wie Matrix oder Star Wars heute als prominenteste Vertreter
für diese Struktur, aber einige Beispiele, die in dieser Arbeit angeführt wurden,
sollen darlegen, dass sogar Filme diesem Schema folgen, die auf den ersten
Blick nicht dieser Konvention dienen. Diese Betrachtung ist aber v. a. Campbell
geschuldet, der, in Anlehnung an Jung oder Propp, die Gemeinsamkeiten in
Mythen und Legenden aller Kulturen erforschte.

Neo, der Protagonist in Matrix unterscheidet sich also in keinster Weise von
antiken Heros – Figuren wie Theseus oder Achilles, von mitteleuropäischen
Mythengestalten wie Siegfried und Parsival und noch weniger von Filmvorbildern
wie Luke Skywalker oder Rocky Balboa.

	
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Markus Watzl                                       The Hero’s Journey in The Matrix

Bibliographie

Alighieri, Dante: Die Göttliche Komödie

Bhagavad Gita: Der Gesang des Heiligen

Campbell, Joseph: Heros in tausend Gestalten, Der

Eder, Jens: Figur im Film, Die

Foucault, Michel: Hauptwerke, Die

Henderson, Mary: Magie und Mythos

Kittler, Friedrich A. : Aufschriebsysteme 1800, 1900

Latacz, Joseph: Einführung in die griechische Tragödie

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra

Shakespeare, William: Hamlet

Watzl, Markus: Aufgewachsen in einer weit, weit entfernten Galaxis

Wehdeking, Volker: Medienkonstellationen

	
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