Herpes genitalis in der Schwangerschaft
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INFEKTIONEN Im Rahmen einer prospektiven Unter- DIAGNOSTIK + THERAPIE suchung im Kontrollkollektiv zur Tes- Herpes genitalis tung eines Impfstoffs bei 3.438 HSV- 1- und HSV-2-seronegativen amerika- in der Schwangerschaft nischen Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren wurden innerhalb von 20 Mo- naten 3,7 % neu mit HSV 1 und 1,6 % Werner Mendling mit HSV 2 infiziert. 74 % der HSV-1- und 63 % der HSV-2-Infektionen er- Obwohl Läsionen durch Herpes genitalis im Kreißsaal zu den folgten symptomlos. Es waren signifi- seltenen Ereignissen gehören, sind Schwangere mit anamnes- kante ethnische Unterschiede erkenn- tisch rezidivierenden labialen oder genitalen Herpes-simplex- bar: Die Infektionsrate mit HSV 2 von Infektionen häufig. Aber auch deren Partner oder medizini- nichthispanisch schwarzen Frauen war sches Personal, das Schwangere oder Neugeborene betreut, 2,6-fach höher als die von Hispanie- kann darunter leiden und somit eine Gefahr für das Neu- oder rinnen und 5,5-fach höher als bei Frühgeborene werden. Die folgende Übersicht fasst die Grund- nichthispanisch weißen Frauen, wäh- züge von Diagnostik und Therapie zusammen. rend sie mit HSV 1 bei nichthispa- nisch Weißen 1,7-fach höher als bei Herpes-simplex-Infektionen zählen Transport in das regionale Ganglion nichthispanisch Schwarzen lag. Ins- zu den nicht meldepflichtigen sexuell gebracht (bei Herpes genitalis das gesamt traten HSV-Infektionen bei übertragbaren Infektionen. Sie sind Lumbosakralganglion), wo es lebens- jüngeren Frauen von 18 bis 22 Jahren weltweit verbreitet und unterliegen lang verbleibt und bei endogenem häufiger auf als bei älteren, 84 % aller derzeit offensichtlich einem starken oder exogenem Stress bzw. bei Im- klinischen HSV-Erkrankungen waren epidemiologischen Wandel. Ihr Vor- munsuppression reaktiviert wird (10). genital lokalisiert und es gab keine kommen ist von äußeren (Sexualver- Unterschiede in der klinischen Er- halten, Drogenmissbrauch, bakteriel- Läsionen und andere sexuell über- scheinung von HSV 1 und 2 (4). le Vaginose) und endogenen (Ethnie, tragbare Infektionen (Sexually Trans- Alter, Immunologie) Faktoren beein- mitted Infections/STI) begünstigen In einer weiteren prospektiven Studie flusst (21). die HSV-Infektion und umgekehrt. mit 498 amerikanischen HSV-2-sero- Besonders bedeutsam ist das in Län- positiven Frauen war zwischen 1992 Erreger dern mit hohem Vorkommen der In- und 2008 die Frequenz des „viral fektion mit dem humanen Immun shedding“, also der Infektiosität, mit Zu den Herpesviren zählen defizienzvirus (HIV). täglich entnommenen Abstrichen −−das Varizella-zoster-Virus, über mindestens 30 Tage untersucht −−das Zytomegalie-Virus, Epidemiologie worden: HSV 2 konnte dabei in 20,1 % −−das Ebstein-Barr-Virus, bei 410 Personen mit klinischer Her- −−die Herpes-simplex-Viren Typ 1 Die Infektion mit HSV 1 erfolgt meist pessymptomatik und in 10,2 % bei 88 und Typ 2 (HSV 1 und 2), die in- nichtsexuell in der Kindheit. Sie kann Personen ohne klinische Symptomatik nerhalb der Familie Herpesviridae mit und in etwa 90 % ohne klinische mit Polymerasekettenreaktion (PCR) zur Subfamilie der Alpha-Herpes- Symptomatik erfolgen. gefunden werden (24). viridae gehören (2, 10). Aus Deutschland sind sichere aktuelle Insgesamt hat sich die Häufigkeit HSV 1 gilt primär als Erreger des Her- Zahlen nicht bekannt. Untersuchungen von HSV-2-Infektionen in den letzten pes labialis, auch von Gingivostoma- aus den Jahren 1997 und 1998 erga- 30 Jahren um etwa 30 % gesteigert. titis, Keratokonjunktivitis, Ösopha- ben bei 3.792 Seren eine Prävalenz Man darf annehmen, dass diese gusulzerationen und (selten) Enze- von 82,6 % für HSV 1 und von 13,3 % Verhältnisse auch auf Frauen in phalitis, während HSV 2 primär Ver- für HSV 2, wobei der Anteil von HSV 2 Deutschland zutreffen. Insgesamt ursacher des Herpes genitalis und bei Frauen in den neuen Bundeslän- wird geschätzt, dass bei schwangeren des Herpes neonatorum ist. Diese dern mit 16,5 % gegenüber 12,6 % si- Frauen eine HSV-2-Prävalenz um 8 % Zuordnung unterliegt aber gegenwär- gnifikant höher lag als in den alten vorliegt. Die Prävalenz von HSV 2 tig einem starken Wandel. Bundesländern (9). Das Robert-Koch- beträgt bei Frauen in/aus Zentral Institut stellte im Jahr 2003 im Rah- afrika 30– 50 %, bei Frauen aus Süd- Das HSV tritt bei der Infektion in ei- men seiner Sentinel-Studie bei 20- bis amerika um 20–40 %, aus Asien um ne Zelle ein, vermehrt sich und führt 24-jährigen Frauen in Deutschland 10–30 % und aus Australien um 40 % gegebenenfalls zu klinischen Symp- einen Anstieg von klinischen Herpes- (2, 21). Italienische Frauen bekom- tomen. Es wird dann über axonalen genitalis-Fällen fest (19). men während einer Schwangerschaft 746 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8
in etwa 3 % der Fälle eine HSV- der- oder Gelenkschmerzen, Tempe- samt an 85 von 519 asymptoma DIAGNOSTIK + THERAPIE Primärinfektion (Ciavattini et al. raturerhöhung und in bis zu einem tischen Tagen (16,4 %) auf (24). 2007, zitiert bei (2)). Drittel der Fälle Meningismus auf. Die Ulzerationen können auch auf der Herpes neonatorum Mit einer intrauterinen Transmission, Portio, in/an der Harnröhre (ggf. Man unterscheidet zwischen der in die zu Abort, Totgeburt oder Fehlbil- muss dann ein Dauerkatheter, besser trauterinen bzw. kongenitalen und dungen führen kann, ist bei etwa ein suprapubischer Katheter gelegt der perinatalen HSV-Infektion, die 1 : 100.000 Fällen zu rechnen, wäh- werden!) oder am Anus auftreten. praktisch immer vertikal von der Mut- rend die peripartale Transmission Schon vorhandene Antikörper gegen ter auf das Kind übertragen wird, und bzw. perinatale Infektionsrate des HSV 1 können die Symptome einer der postnatalen HSV-Infektion, für Neugeborenen auf etwa 1 : 1.400 bis primären HSV-2-Infektion lindern die neben der Mutter auch andere 20.000–30.000 Lebendgeburten ge- und umgekehrt. Personen als Infektionsquelle infrage schätzt wird (2, 15). kommen können. Gerade während einer Schwanger- Klinische Symptomatik schaft können besonders schwere Nur etwa 5 % der Feten werden in Primärinfektionen im Sinne einer Gin- trauterin infiziert, meist durch HSV 2 Primärinfektion givostomatitis oder einer herpeti- und in 50 % der Fälle bei disseminier- Viele Primärinfektionen verlaufen schen Vulvovaginitis auftreten und ter, also schwerer Infektion der Mut- klinisch inapparent! (selten) disseminieren. Bei Immun- ter. Das höchste fetale Infektions supprimierten, z. B. bei HIV-positiven risiko besteht vor der 20. Schwanger- Die Symptome der Primärinfektion Patientinnen, können Schwere und schaftswoche (SSW) mit hoher Gefahr treten 2 bis 20 Tage nach einer In- Dauer der klinischen Symptome und für Abort, Totgeburt oder Fehlbildun- fektion auf und dauern 3 Wochen. die Rezidivhäufigkeit vermehrt sein. gen und einer perinatalen Mortalität Schwangere leiden unter heftigeren Bei HIV-Infizierten wurden vereinzelt um 50 % (21). Primärsymptomen als Nichtschwan- hypertrophische Herpes-simplex-ge- gere. Auch HSV-1-Primärinfektionen nitalis-Infektionen mit mehrere Zen- In bis zu 90 % der Fälle aber wird HSV können heftige Symptome eines Her- timeter großen Ulzera beschrieben. (in etwa drei Viertel ist es HSV 2, das pes genitalis verursachen wie HSV 2. In einem Fall trat bei einer 44-jähri- schwerere Verläufe verursacht) wäh- Primärinfektionen mit HSV 1 sollen gen HIV-1-positiven Afrikanerin in rend der Geburt übertragen, der Rest gerade bei Schwangeren zu stärkerer Deutschland zusätzlich innerhalb von in den ersten Stunden bis Tagen da- Symptomatik als HSV-2-Infektionen bis 7 cm großen nodulären Läsionen, nach. In 50 % der Fälle hat die Mutter führen, rezidivieren aber seltener die in 18 Monaten dreimal rezidivier- bei der Übertragung auf ihr Kind eine (14). Obwohl die klinischen Sympto- ten, eine vulväre intraepitheliale primäre HSV-Infektion, während das me typisch und für die betroffene Neoplasie (VIN) 3 mit beginnender Übertragungsrisiko bei einem HSV- Patientin wegen der Schwere des Infiltration eines Plattenepithelkarzi- Rezidiv unter der Geburt nur bei Krankheitsbildes unvergesslich sind, noms der Vulva auf (22). 2–5 % liegt (2). Wichtig ist aber, dass können sie auch schwach und uncha- in 70 % der Fälle von perinataler In- rakteristisch ausgeprägt oder im Zu- Rezidivierender Herpes genitalis fektion eine asymptomatische HSV- sammenhang mit anderen Hautkrank- Rezidive laufen üblicherweise kli- Infektion besteht (1)! Ein vorzeitiger heiten maskiert sein. Deshalb wird nisch schwächer ab und dauern mit Blasensprung bei HSV-Infektion der dringend zur Absicherung durch di- Prodromi 7–10 Tage. Mutter ist ebenfalls ein Risiko für den rekten Virusnachweis aus den Läsio Feten. nen geraten (2, 6, 17, 21), zumal die Virusausschüttung Kenntnis des Virustyps beratungs Gerade die asymptomatischen Pha- Es sind drei Verlaufsformen der peri-/ relevant für Schwangere ist. sen zwischen klinischen Rezidiven postnatalen HSV-Infektion bekannt, bieten die trügerische Sicherheit, deren Symptome sich überlappen Typisch sind Prodromi wie Span- dass jetzt keine Infektiosität beste- können: nungsgefühl und Juckreiz an der Vul- he. Das ist widerlegt, da HSV perio- va und im Introitus vaginae. Es fol- disch in latent infizierten Zellen, −−Etwa 45 % der Neugeborenen er- gen Schmerzen, Fluor, Bläschen, besonders oft bei HSV 2, reaktiviert kranken eher mild verlaufend mit später Ulzerationen, gegebenenfalls wird. In einer prospektiven Studie Symptomen der Haut, der Augen auch Superinfektionen, oft durch mit 498 HSV-2-seropositiven Perso- und des Mundes. Falls nicht Candida albicans. In den ersten Ta- nen war die Virusausschüttung grö- schnell mit Aciclovir therapiert gen sind fast immer regionale ßer bzw. häufiger, wenn sie zuvor wird, kann sich die Erkrankung Lymphknoten geschwollen, es treten klinische Zeichen einer HSV-2-Infek- aber auf das ZNS ausbreiten. grippeartige Abgeschlagenheit, Glie- tion gehabt hatten, und trat insge- Außerdem kann es im späteren FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 747
Kindesalter zu Rezidiven kom- DIAGNOSTIK + THERAPIE men. Methoden zum Nachweis von HSV im Vergleich Nukleinsäure- Antigennachweis Antigennachweis −−Bei etwa 30 % der Kinder kommt amplifikation (z. B. Enzym (z. B. Immun es zur erheblichen Erkrankung mit (z. B. PCR) immunoassay) fluoreszenz) ZNS-Beteiligung mit diversen Stö- Quelle Abstrich Abstrich Abstrich rungen oder Ausfällen. Die Hälfte Gewebeprobe dieser Kinder behält später neu- Sensitivität sehr hoch 80 % niedrig rologische Ausfälle, trotz Therapie Spezifität hoch; Fremdkonta hoch hoch sterben etwa 6 % der Kinder. mination möglich Vorteile schnell, sicher, schnell, billig billig −−Etwa 25 % der Kinder erkranken Typdifferenzierung schwer an einer disseminierten im gleichen Test HSV-Infektion mit Beteiligung ver- Nachteile evtl. teuer; weniger sensitiv, unsensitiv, keine schiedener Organsysteme mit Sep- Aciclovirresistenz- keine Virustypi Virustypisierung sis. Trotz intravenöser Aciclovir- Testung in Ent sierung therapie sterben 30 % der Kinder, wicklung ohne Therapie 80 % (16, 21, 23). Tab. 1: Labormethoden zum Nachweis von HSV (6, 17). Die in der Praxis unübliche Viruskultur ist hier nicht aufgeführt. Sichtbare Symptome sind −−in 68 % Bläschen auf der Haut, Differenzierung von HSV-1- bzw. HSV- des serologischen typspezifischen −−in 39 % Fieber, 2-Infektionen eine geeignete Bera- Glykoproteins G 1 bzw. 2) (s. Tab. 1). −−in 38 % Lethargie, tung von Schwangeren hinsichtlich Immunglobulin(Ig)-M-Tests werden −−in 27 % Krämpfe, des neonatalen Risikos. Außerdem nicht empfohlen (6). −−in 19 % Konjunktivitis, erlaubt der Virusnachweis in klinisch −−in 13 % Pneumonie und nicht eindeutigen Fällen die Unter- Immer sollte der den Abstrich ent- −−in 11 % disseminierte intravasku- scheidung einer HSV-Infektion von nehmende Arzt die Testmethode ken- läre Gerinnungsstörungen. anderen ulzerösen oder vesikulösen nen und nach Kontakt mit dem La- Hauterkrankungen (Pemphigus, Pem- borarzt das geeignete Abstrichset zur Etwa 60 % der Symptome treten in- phigoid, aphthöse Erkrankungen, Hand haben! nerhalb der ersten 5 Lebenstage auf, M. Behcet, auch Syphilis u. a.). manchmal erst innerhalb von 4–6 Die Möglichkeit von anderen sexuell Wochen (5). Nicht selten dürften auch Hauter- übertragbaren Infektionen muss be- scheinungen, die für andere Erkran- dacht werden. Wichtigste ärztliche Maßnahme soll- kungen gehalten wurden, als HSV- te also die Prävention der Infektion Infektion enttarnt werden. Ein nega- Therapie durch prä-/peripartale Maßnahmen tiver Virusnachweis bedeutet nicht, sein (11). dass eine HSV-Infektion ausgeschlos- Therapie der Primärinfektion sen ist, da die Virusausschüttung am Nur die symptomatische Primärinfek- Diagnostik Entnahmeort wechseln kann. tion wird therapiert. Eine simultane Therapie des asymptomatischen Part- Einerseits sind die klinischen Sympto- Der serologische Nachweis von HSV- ners ist nicht indiziert. Sie könnte me eines primären Herpes genitalis oft Antikörpern ist zur Primärdiagnostik unter besonderen Umständen zur eindrucksvoll. Die Schmerzen können ungeeignet, hat aber Bedeutung für Prophylaxe erwogen werden, wenn so stark sein, dass eine gynäkologi- die Risikoabschätzung einer Primär- bekannt ist, dass der Partner sero sche Untersuchung oder das Sitzen für infektion, besonders in der Schwan- negativ ist. eine ganze Woche qualvoll sind. Auch gerschaft. die regionale Lymphknotenschwellung Die Therapie muss so schnell wie und die grippeartigen Beschwerden Zur Labordiagnostik kommen mehre- möglich und spätestens am 5. Tag der ersten Tage sind typisch. Das ist re Methoden infrage. Es sollte heute der Prodromi/Symptomatik begonnen aber eher selten der Fall. die PCR bevorzugt werden. werden, um noch effektiv zu sein. Sie dauert 5 Tage und erfolgt immer oral, Andererseits wird dringend der Virus- Im Fall serologischer Tests sollen sol- da lokale Therapien erfolglos sind nachweis aus den Läsionen empfohlen che angewendet werden, die eine und darunter die Entwicklung von (2, 6, 16, 17, 21). Bei klinisch anschei- Differenzierung von HSV-1- und HSV- Aciclovirresistenz beobachtet worden nend eindeutigen Fällen erlaubt die 2-Antikörpern erlauben (Nachweis ist. Bei schwerem und längerem Ver- 748 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8
DIAGNOSTIK + THERAPIE Therapie des Herpes genitalis Therapie bei Primärinfektion episodische Therapie Suppressionstherapie (reduziert Symptomatik um (reduziert Frequenz um 70–80 %) 1–2 Tage!) immer Beginn innerhalb von 1(–5) Tagen wie Primärtherapie, 5 (7–10) Tage > 6–10 Rezidive/a und 5 (7–10) Tage lang oder Kurztherapie: Aciclovir 5 × 200 mg/d Aciclovir 3× 400 mg/d Aciclovir 4 × 200 mg/d 5 Tage ggf. jahrelang oder oder oder Aciclovir 3 × 400 mg/d Aciclovir (3 ×) 2 x 800 mg/d Aciclovir 2 × 400 mg/d 2 (5) Tage oder oder oder Famciclovir 3 × 250 mg/d Famciclovir 2 × 1.000 mg/d Famciclovir 2 × 250 mg/d 1 Tag oder oder oder Valaciclovir 2 × 500 mg/d (2 x 1 g/d) Valaciclovir 2 × 500 mg/d Valaciclovir 2× 250 mg/d (1 x 1 g/d) 3 Tage Schwangere (s. auch Tab. 3 auf S. 752) Therapie der Primärinfektion 10 Tage lang (11) Aciclovir 5 × 200 mg/d wie Primärinfektion Aciclovir 3 × 400 mg/d ab 36. SSW bis zur Geburt Valaciclovir 3 × 400 mg/d Valaciclovir 2 × 500 mg/d Valaciclovir 2 × 250 mg/d 10 Tage KEINE LOKALE THERAPIE! Von der Europäischen Leitlinie (17) abweichende Empfehlungen der CDC 2010 (6) sind kursiv gesetzt. Jahrelange Erfahrungen mit Aciclovir belegen, dass ein fetales Risiko auch bei Einnahme im ersten Trimester nicht be steht. Für Famciclovir liegen keine Daten vor, es sollte deshalb in der Schwangerschaft vermieden werden. Valaciclovir ist als Valin-Ester dem Aciclovir sehr ähnlich, sodass seine Sicherheit zumindest auf das dritte Trimester extrapoliert werden darf, doch sichere Daten liegen nicht vor (17). Tab. 2: Je nach Verfügbarkeit, Kosten und individueller Compliance kommen Aciclovir und verwandte Wirkstoffe zur Anwendung. lauf kann die orale Therapie auf 7–10 bei Oligohydramnion, bedacht wer- rapie am ersten Tag der Symptomatik Tage verlängert werden. Sie wird we- den. ermöglicht wird (s. Tab. 2). Die Indi- gen der Schwere der Symptome bei kation zur Therapie sollte aber von klinischem Verdacht begonnen, ohne Supportive/symptomatische Maßnah- der Patientin und ihren individuellen Laborbefunde abzuwarten. men sind empfehlenswert. Dazu ge- Beschwerden abhängig gemacht wer- hören Analgetika/Antiphlogistika, den. Es kommen Aciclovir und seine Ver- gegebenenfalls auch Lidocaingel lo- wandten je nach Verfügbarkeit, Kos- kal oder Spülungen mit Kochsalz Die Therapie reduziert die Symptom- ten oder individueller Compliance zur lösung. dauer um 1–2 Tage, kann aber bei Anwendung. Eine intravenöse The frühem Beginn in etwa einem Drittel rapie ist nur bei Erbrechen oder Ganz wesentlich ist eine adäquate der Fälle den Ausbruch des Rezidivs Schluckbeschwerden indiziert (6, 17, ausführliche Beratung der Patientin, unterdrücken. Lokale supportive Maß- 21). Details gehen aus Tabelle 2 her- möglichst mit Einbeziehung des nahmen können ausreichend sein. vor. Bei HIV-positiven Patientinnen Partners (s. Kapitel „Beratung“ auf kann die Verdoppelung der Dosis je S. 750). In-vitro-Studien belegen, dass auch nach Fall diskutiert werden. Flavonoide von Propolis und ätheri- Episodische Therapie des rezi- sche Öle von u. a. Thymian, Ingwer, Aciclovir kann bei Niereninsuffizienz divierenden Herpes genitalis Sandelholz und besonders Kamille kumulieren und wäre dann kontra Die Patientin sollte bei bekannter einen viruziden Effekt auf HSV 2 ha- indiziert. Das muss auch bei Feten Rezidivierung prophylaktisch mit dem ben (13, 18). In einer klinischen Stu- mit intrauterin diagnostizierten Medikament oder einem Rezept ver- die an 90 Männern und Frauen mit Nierenerkrankungen, auch eventuell sorgt sein, damit der Beginn der The- rezidivierendem Herpes genitalis FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8 749
durch HSV 2, bei der Propolis mit behandelt, disseminierte und ZNS- DIAGNOSTIK + THERAPIE Informationen über HSV- Aciclovir-Creme (!) und Plazebo- Infektionen 3 Wochen lang (23). Infektionen für Betroffene Creme verglichen wurde, konnte nur Die Symptome der Primärinfek im Propolis-Arm ein signifikant über- Beratung tion dauern bis zu 3 Wochen. legener Effekt mit schnellerer Abhei- lung und Symptomfreiheit am Tag 10 Im Fall einer Primärinfektion, bei Ein- Die Aciclovirtherapie verkürzt und lindert nur die Symptome. beobachtet werden (25). tritt einer Schwangerschaft und in in- dividuellen Situationen (z. B. Partner- HSV 1 führt zu selteneren, HSV 2 Suppression von wechsel) muss eine ausführliche und zu mehr Rezidiven und gefährdet (chronischen) Rezidiven angemessene ärztliche Beratung der im Fall einer Schwangerschaft Es gibt Fälle, in denen ein Herpes Patientin, besser des Paares erfolgen. das Kind mehr. genitalis mehr als 6–10 Mal pro Jahr Während klinischer Symptoma rezidiviert. Der Verfasser hat eine In prospektiven Studien konnte be- tik, aber auch in vielen Fällen junge Patientin in Erinnerung, die legt werden, dass das Wissen um die ohne diese (statistisch in etwa mit dem Beginn einer jeden Regel- Problematik zu einem bewussteren 20 %) findet eine unbemerkte blutung eine neue lästige Episode bzw. veränderten Sexualverhalten Virusauschüttung statt, d. h. es besteht Infektiosität mit der erlebt hatte, obwohl keine Immun- von Schwangeren (8) führt und we- Möglichkeit, den seronegativen suppression erkennbar war. niger neonatale Infektionen zur Fol- Sexualpartner zu infizieren. ge hat (12). Frauen sollten bei Be- In solchen Fällen ist eine dauerhafte kanntwerden einer Schwangerschaft Ein seronegativer Partner kann medikamentöse Suppression über Mo- gefragt werden, ob sie oder ihr Part- durch Kondome und/oder eine Suppressionstherapie vor einer nate bis Jahre indiziert und sollte ner schon einmal an einer oralen Primärinfektion geschützt wer mit der Patientin abgestimmt wer- oder genitalen Herpesinfektion er- den, allerdings nie zu 100 %. den. Sie ist mit Aciclovir über min- krankt waren und ob eventuell ein destens 6 bis zu 18 Jahren als ge- positiver Virusdirektnachweis oder Partner mit Herpes labialis kön nen bei orogenitalen Kontakten fahrlos ohne Resistenzentwicklung serologische Antikörpertiter bekannt einen primären Herpes genitalis dokumentiert (17). Die besten Ergeb- sind (s. Kasten links). beim seronegativen Sexualpart nisse wurden mit der 5-tägigen Pro- ner verursachen und umgekehrt. phylaxe erzielt. Leider kann auch die Eine Impfung gegen HSV gibt es trotz Dauersuppression oft keine signifi- klinischer Versuche derzeit nicht (3). Das Infektionsrisiko ist für das Baby am höchsten (30–50 %), kante Reduktion von Rezidiven erzie- wenn eine HSV-Ausschüttung len, obwohl diese Reduktion statis- Vorgehen bei HSV-Infektio- (mit oder ohne Symptomatik) in tisch in 70–80 % der Fälle eintritt. nen in der Schwangerschaft den letzten 2 Wochen vor bzw. Die Notwendigkeit zur Therapie soll- unter der Geburt auftritt und bei te jährlich überprüft werden. Niedergelassene Frauenärztinnen/ der Mutter keine Antikörper vor -ärzte und zunehmend Hebammen liegen; es liegt aber nur bei etwa Aciclovir, Famciclovir und Valaciclovir betreuen und beraten Schwangere. 1 %, wenn die Mutter bei der reduzieren signifikant sowohl die Fre- Die Beratung hinsichtlich Herpes- Geburt Antikörper hat, also ein quenz von Rezidiven als auch die Vi- Infektionen bleibt aber eine ärztliche Rezidiv vorliegt oder die Primär rusausschüttung. Die Suppression mit Aufgabe! Wenn auch das Vorliegen infektion im ersten Trimenon Valaciclovir 500 mg/Tag reduzierte in eines symptomatischen Herpes geni- stattgefunden hat, und selbst einer Studie die Virusausschüttung talis bei einer Geburt selten ist, so bei Vorliegen eines Rezidivs wäh rend der Geburt nur bei 2–5 %. bei serodiskordanten Paaren um 50 % muss auch bei der Geburtsplanung in (7). Als optimale Dosierung gilt Acic- der Entbindungsklinik und im Kreiß- Serologische Antikörpertests lovir 800 mg/Tag (s. Tab. 2 auf S. saal das nötige Wissen darüber vor- (IgG) sind effektiv, um nicht 749). handen sein. Unnötige Verängstigung infizierte oder asymptomatische der Schwangeren und unnötige Kai- Partner zu identifizieren. Therapie des serschnitte sind ansonsten die Folge. Aciclovir ist zwar nicht für den Herpes neonatorum Die Informationen dienen also vor- Gebrauch in der Schwanger Kinder mit Verdacht auf eine HSV-In- rangig der Information und Beruhi- schaft zugelassen, doch nach fektion werden sofort und ohne Abwar- gung der Schwangeren! Die Kosten Aufklärung darüber erlaubt, da ten von bestätigenden Laborbefunden z. B. der PCR-Diagnostik werden nicht nicht mit kindlichen Schäden zu rechnen ist und die Risiko-Nut mit Aciclovir 3 x 20 mg/kg KG/Tag im Rahmen der Mutterschaftsvorsor- zen-Abwägung positiv ausfällt. (alle 8 Stunden) intravenös behandelt. ge-Richtlinien getragen, ähnlich dem Haut- und Schleimhautinfektionen leitliniengerechten bakteriologischen werden normalerweise 14 Tage lang Abstrich auf B-Streptokokken. 750 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8
nalschlüssel zu Organisationsproble- DIAGNOSTIK + THERAPIE Vorgehen bei HSV-Infektionen in der Schwangerschaft men führen könnte. Primärinfektion Eine Mutter mit rezidivierendem Her- immer Therapie der Mutter (s. Tab. 2) (Effekt: Reduktion der Schwere und pes labialis darf ihr Kind stillen, soll- Dauer der Symptomatik) te aber zuvor die Hände desinfizieren und und einen Mundschutz tragen. Sie falls Primärinfektion im 1. oder 2. Trimenon: ab 32. SSW mindestens zwei sollte das Kind natürlich nicht küs- konsekutive vulvovaginale Abstriche (PCR) auf HSV 1 und 2 sen, solange sie Symptome hat. – falls die Abstriche negativ sind und keine Prodromi oder Läsionen bei ET/Wehen bestehen: vaginale Entbindung – falls die Abstriche positiv sind oder Prodromi bzw. Läsionen bestehen: S ectio Literatur 1. American College of Obstetricians and falls Primärinfektion > 34. 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Aufgrund neuer and seroepidemiologic study. Yonsei Med J Studien (4, 8, 12, 24) mit Nachweis Es wird auch dringend empfohlen, in 53 (2012) 401–407. 13. Koch C, Reichling J, Schneele J et al.: von häufigem „virus shedding“ asym- Dienstanweisungen festzuhalten, Inhibitory effect of essential oils against ptomatischer Personen usw. wird nun dass an z. B. Herpes labialis erkrank- herpes simplex virus type 2. Phytomedi wieder zusätzlich zu einer Virussup- tes medizinisches Personal nicht bei cine 15 (2008) 71–78. 14. Kriebs JM: Understanding herpes simplex pression ab der 36. SSW, die aber der unmittelbaren Betreuung von virus: transmission, diagnosis, and con nicht das Ausschütten der Viren in Schwangeren, Gebärenden und Neu- siderations in pregnancy management. J Midwifery Womens Health 53 (2008) allen Fällen dauerhaft unterdrücken (Früh-)geborenen mitwirken darf, 202–208. kann, geraten, präpartal zwei vulvo- was im Alltag bei reduziertem Perso- 15. Mylonas I: Herpes genitalis in der 752 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 8
Schwangerschaft. Gynäkologe 44 (2011) 623–629. 16. Mylonas I, Friese K: Infektionen in der Gy näkologie und Geburtshilfe. Elsevier Urban Fischer, München 2009. 17. Patel R, Alderson S, Geretti A et al.: Eu ropean guideline for the management of genital herpes, 2010. Intern J STD AIDS 22 (2011) 1–1. 18. Nolkemper S, Reichling J, Sensch KH et al: Mechanism of herpes simplex virus type 2 suppression by propolis extracts. Phytomedicine 17 (2010) 132–138. 19. Robert Koch Institut: STD-Telegramm 10.5.2005. www.rki.de/DE/Content/ InfAZ/S/STI/Studien/Teilnehmer 20. Sauerbrei A, Wutzler P: Herpes simplex and varicella-zoster virus infections du ring pregnancy. Part 1: herpes simplex virus infections. Med Microbiol Immunol 196 (2007) 89–94. 21. Straface G, Selmin A, Zanardo V et al.: Herpes simplex virus infection in preg nancy. Review article. Infect Dis Obstet Gynecol (2012) Article ID 385697. 22. Strehl JD, Mehlhorn G, Koch MC et al.: HIV-associated hypertrophic herpes sim plex genitalis with concomitant early in vasive squamous cell carcinoma mimicking advanced genital cancer: case report and literature review. Int J Gynecol Pathol 31 (2012) 286–293. 23. Swiss Herpes Management Forum: Swiss recommendations for the management of genital herpes and herpes simplex virus infections in the neonate. Swiss Med Wkly 134 (2004) 205–214. 24. Tronstein E, Johnston C, Huang ML et al.: Genital shedding of herpes simplex virus among symptomatic and asymptomatic persons with HSV-2 infection. JAMA 305 (2011) 1441–1449. 25. Vynograd N, Vynograd I, Sosnowski Z: A comparative multi-center study of the efficacy of propolis, aciclovir and placebo in the treatment of genital herpes (HSV). Phytomedicine 7 (2000) 1–6. Interessenkonflikte Der Verfasser erklärt, dass keine Interessen konflikte vorliegen. Autor Prof. Dr. med. Werner Mendling Deutsches Zentrum für Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe St. Anna Klinik Vogelsangstraße 106 42109 Wuppertal w.mendling@t-online.de
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