Highlights vom europäischen Pneumologiekongress - Lungen brauchen saubere Luft, leitlinienorientiertes Management und personalisierte Therapien ...
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BERICHT
Highlights vom europäischen
Pneumologiekongress
Lungen brauchen saubere Luft, leitlinienorientiertes Management
und personalisierte Therapien
Als weltweit grösste Tagung auf dem Gebiet der Pneumologie führte der andere thematisiert werden. Wie in je-
27. Kongress der European Respiratory Society (ERS) im September 2017 dem Jahr fand auch beim diesjährigen
Kongress ein Informationstag für die
über 20 000 Atemwegsexperten nach Mailand. Zu den Schwerpunktthemen Bevölkerung mit dem Angebot einer
zählten die neuesten Entwicklungen der Immuntherapie bei Lungenkrebs, Lungenfunktionsmessung statt (Abbil-
aber auch schweres Asthma sowie die aktualisierten GOLD-Empfehlungen dung 1). Ausserdem widmeten sich
auch mehrere Präsentationen diesem
zum COPD-Management. Im Sinne der Prävention war aber auch ein grosser Thema.
Teil der Präsentationen den Umwelteinflüssen und ihren Auswirkungen auf
die Lungengesundheit gewidmet. Weniger Asthmasymptome
bei Kindern, die in Parknähe leben
Wie wichtig in diesem Zusammenhang
Adela Žatecky und Reno Barth innerstädtische Grünflächen sein kön-
nen, zeigte eine Untersuchung von 196
Das Selbstverständnis der Pneumologie das Bewusstsein der Bevölkerung, aber Stadtkindern, die im Jahr zuvor min-
befindet sich im Wandel: Symptomlin- auch der Politik und der Mediziner auf destens zweimal die Notfallaufnahme
derung reicht im Zeitalter der Präven- die Bedeutung der Lungengesundheit aufgesucht hatten oder wegen ihres
tion auch den Pneumologen nicht zu lenken. Das jährlich wechselnde Asthmas hospitalisiert wurden (1).
mehr, und so wendet sich auch der wis- Motto der Kampagne wird jeweils auf Deren Eltern wurden in Interviews be-
senschaftliche Blick zunehmend in dem ERS-Jahreskongress verkündet. In fragt, wie viele Tage im Jahr die Kinder
Richtung Prävention. Vor diesem Hin- diesem Jahr lautet es «Breathe clean an Asthmasymptomen wie Atemnot,
tergrund hat die ERS im Jahr 2014 zu- air». Damit sollen die Bedeutung der Brustschmerzen und pfeifenden Atem-
sammen mit der European Lung Foun- Luftqualität im Innen- und Aussen- geräuschen litten. Darüber hinaus wur-
dation (ELF) die Kampagne «Healthy bereich betont sowie die Vorteile des den die Entfernungen zwischen den
Lungs for Life» gestartet. Ihr Ziel ist es, tabakrauchfreien Lebens für sich und Wohnungen der Kinder und der nächs-
ten Grünfläche ermittelt. In der Ge-
Quelle: European Lung Foundation
samtgruppe zeigte sich eine Assoziation
zwischen dieser Entfernung und der
Asthmasymptomatik: Pro 305 Meter
mehr Entfernung zum Park musste in
einem Zeitraum von zwei Wochen ein
Tag mehr mit Asthmasymptomen in
Kauf genommen werden. Der Zusam-
menhang war bei selektiver Betrach-
tung älterer Kinder über sechs Jahren
noch deutlicher: Hier führten bereits
152 Meter Entfernung zu einem Asth-
matag mehr. Diese Beobachtung wurde
darauf zurückgeführt, dass diese älte-
ren Kinder eher selbst entscheiden,
wohin sie gehen wollen. Generell ver-
muten die Autoren, dass der positive
Effekt der Parks einerseits auf die dort
ermöglichte vermehrte körperliche Ak-
tivität, andererseits auf die durch Grün-
flächen verbesserte Luftqualität zu-
Abbildung 1: Rollende Werbung für die Publikumsaktion von «Healthy Lungs for Life» rückzuführen ist.
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Diese Ergebnisse sind deshalb so wich- sich aufgrund des natürlichen Krank- diese Patienten, die nach heutigem
tig, weil sie zusätzliche Argumente für heitsverlaufs oder der Therapie verän- Kenntnisstand über die Hälfte der
die Bedeutung von Stadtparks liefern, dern. Und nicht zuletzt können bei ein COPD-Patienten ausmachen, müssen
betonte Kelli DePriest aus Baltimore. und demselben Patienten mehrere vermutlich andere Strategien erwogen
Denn sie würden zeigen, dass die rich- «treatable traits» koexistieren. Das werden als für diejenigen mit einem
tige Städteplanung zur Gesundheit der Verlassen der konventionellen Taxono- schnellen Funktionsverlust, betonte
Kinder beitragen könne. AZA ❖ mie sei ein Ansatz im Sinne der Preci- Celli.
sion Medicine, wie Prof. Ian Pavord Auch die Klassifikation der COPD
❖❖❖ von der Universität Oxford, der Erst- wurde in der neuen Leitlinie modifi-
autor des Lancet-Papiers, anlässlich der ziert. Wie Prof. Gerard J. Criner aus
«Treatable traits» Präsentation betonte. REB ❖ Philadelphia erläuterte, wurde hierbei
statt Asthma und COPD die eindimensionale Schweregradein-
Angesichts der Definition immer neuer teilung, wie sie im Jahr 2007 eingeführt
Subgruppen von Patienten mit höchst ❖❖❖ wurde, mit der neueren ABCD-Eintei-
unterschiedlichem Ansprechen auf die lung von 2011 kombiniert. Denn es
verschiedenen Therapien werden mitt- Aktualisierte GOLD-Leitlinie hatte sich herausgestellt, dass die alte,
lerweile die Diagnosen «Asthma» und vorgestellt an der Einschränkung der Lungenfunk-
«COPD» grundsätzlich in Zweifel ge- Die stärkere Hinwendung zur Präven- tion ausgerichtete Einteilung bezüglich
zogen. Eine Publikation des «Lancet» tion wird auch in der aktualisierten der Überlebensprognose aussagekräfti-
ruft dazu auf, die alte Taxonomie sehr GOLD-Leitlinie zum Management der ger war. Um aber auch die Symptome
kritisch zu sehen – oder überhaupt zu CODP deutlich (5). Wie Prof. Barto- und die Exazerbationshäufigkeit zu be-
verlassen. lome R. Celli aus Boston auf der dieser rücksichtigen, sollen nun zu den
Eine internationale Gruppe hat vor we- Leitlinie gewidmeten Sitzung (6) deut- Schweregraden (1–4) die Symptomatik
nigen Monaten vorgeschlagen, die Dia- lich machte, ging es bisher immer nur und Exazerbationshäufigkeit nach dem
gnosen «Asthma» und «COPD» als darum, wie man den Verlust an Lun- ABCD-Schema ergänzt werden (siehe
definierte Entitäten zu streichen und al- genfunktion verhindern könne. In den Abbildung 2). Die Spirometrie wird als
leine auf eine individualisierte Therapie letzten Jahren wurde aber deutlich, zwingend erforderlich erachtet, um die
der Betroffenen und ihrer Symptome zu dass es bereits beim Aufbau der Lungen- Diagnose stellen zu können. Wenn
setzen (2). Dieser radikale und umstrit- kapazität grosse Unterschiede gibt (7). nach Inhalation eines schnellwirken-
tene Ansatz entwickelt nun erhebliche Vor diesem Hintergrund stelle sich ei- den Bronchodilatators ein FEV1/FVC-
Schubkraft. Denn eine vom renom- nerseits die Frage, ob es Möglichkeiten Quotient unter 0,70 vorliegt, dann
mierten Journal «Lancet» ins Leben ge- gibt, durch entsprechende Massnah- gilt eine persistierende Atemflussein-
rufene Kommission hat ihn weitgehend men den Aufbau der Lungenfunktion schränkung als gesichert.
übernommen und empfiehlt nun, «air- während der Kindheit und Adoleszenz Entsprechend der Klassifikation wur-
way disease» hinunter auf die Ebene zu fördern. Auf der anderen Seite erga- den auch die Therapieempfehlungen
von Symptomen und pathophysiologi- ben sich aus diesem Wissen neue Er- präzisiert und im Sinne einer personali-
schen Befunden zu dekonstruieren und kenntnisse zur Pathogenese: So ist in- sierten Therapie an die vier klinischen
auf dieser Basis Therapien zu entwi- zwischen klar, dass eine COPD nicht Ausprägungen (ABCD) angepasst, be-
ckeln und zu planen. Vater des Kon- immer die Folge eines raschen Abbaus richtete Prof. Nicolas Roche aus Paris.
zepts ist Prof. Dr. Alvar Agusti aus der Lungenfunktion sein muss. Viel- Bei leichteren Schweregraden soll dem-
Barcelona, der vorschlägt, statt von de- mehr gibt es auch die Patienten mit nach mit einem langwirksamen Anti-
finierten Erkrankungen lieber pragma- einer niedrigen Ausgangsfunktion und muskarinikum (long acting muscarinic
tisch von «treatable traits» – die identi- einer langsamen Abnahme (6). Für antagonist, LAMA) begonnen werden.
fizierbar und behandelbar sind – zu
sprechen. Im Rahmen des ERS-Kon-
gresses präsentierte die Lancet Com-
mission ihre Publikation «After asthma:
redefining airways diseases» (3, 4). Eine
allgemein akzeptierte deutsche Über-
setzung von «treatable traits» gibt es
bislang nicht, und sie könnte schwierig
werden, da «behandelbare Eigenschaf-
ten» doch etwas befremdlich klingt und
das naheliegende Wort «Symptome» of-
fenbar mit Absicht nicht gewählt
wurde, zumal «traits» eben beispiels-
weise auch Laborparameter umfassen mMRC: Modified British Medical Research Council; CAT: COPD Assessment Text; CCQ: Clinical COPD Questionaire
kann. «Treatable traits» können also (mMRC, CAT und CCQ sind Fragebögen zur Erfassung von COPD-Symptomen)
sowohl phänotypisch als auch endoty-
pisch sein. Sie können stabil sein oder Abbildung 2: Eine neue Klassifikation der COPD Quelle: adaptiert nach Gold (5)
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Bei unzureichender Kontrolle wird die zielgerichtete Therapien wächst weiter, Gesamtüberlebensraten registriert. Zu-
Steigerung auf eine Kombinationsthe- berichtete Reck. dem zeichnen sich diese Therapeutika
rapie empfohlen, wobei in den meisten Als ein Erfolgsbeispiel nannte er die im Vergleich zu Chemotherapien auch
Fällen der Kombination des LAMA mit zielgerichteten Therapien bei EGFR- durch eine gute Therapiesicherheit und
einem langwirksamen Beta-2-Agonis- (epidermal growth factor receptor-) ein verbessertes Nebenwirkungsprofil
ten (long acting beta 2 agonist, LABA) Mutationen. Tumoren mit diesen Mu- aus. Auch bei diesem Therapieprinzip
der Vorzug gegeben wird. Die beim tationen zeigen erhöhte Sensitivitäten sind weitere Verbesserungen möglich,
Asthma sehr verbreitete Kombination gegenüber Tyrosinkinaseinhibitoren. wenn man die Tumoren molekularbio-
aus LABA und inhalativem Kortikoste- Eine Metaanalyse ergab bei Lungen- logisch analysiert: So zeigen Tumoren
roid (ICS) hat demnach bei der COPD krebspatienten mit aktivierenden mit einer hohen Expression an PD-L1
eine untergeordnete Bedeutung und EGFR-Mutationen mit den EGRF-Ty- bessere Ansprechraten als diejenigen
sollte nur in besonderen Fällen erwo- rosinkinase-Inhibitoren Gefitinib, Er- mit einer niedrigen Expression. Folg-
gen werden. In Zukunft gelte es zu klä- lotinib und Afatinib signifikante Ver- lich zeichnet sich auch hier, wie Reck
ren, ob die Dreierkombination aus besserungen der Ansprechraten und abschliessend betonte, der Weg zur Prä-
LAMA, LABA und ICS weitere Vorteile des progressionsfreien Überlebens im zisionsmedizin ab (10).
bringt, und wenn ja, ob es bestimmte Vergleich zu Erstlinienchemotherapien AZA ❖
Patienten sind, die von dieser weiteren (9). Darüber hinaus wurden in den Ty-
Quellen:
Therapieeskalation profitieren könn- rosinkinasegruppen niedrigere Neben- 1. DePriest K et al.: Access to greenspace and asthma
ten. Eine Heilung der COPD ist aber wirkungsraten und eine bessere Sym- symptoms in urban children with persistent asthma.
nach wie vor nicht in Sicht. AZA ❖ ptomkontrolle registriert (9). Was aller- ERS 2017, Abstract 1706.
2. Agusti A et al.: Treatable traits: toward precision
dings bisher nicht gezeigt werden
medicine of chronic airway diseases. Eur Respir J
❖❖❖ konnte, war eine Verbesserung des 2016; 47(2): 410–419.
Gesamtüberlebens. Hinzu komme, so 3. Pavord ID: After asthma: redefining airways diseases.
Lancet, published online: September 11, 2017.
Präzisionsmedizin und Immunthe- Reck weiter, dass die meisten zielge-
4. Session «The Lancet commission on asthma», ERS
rapie verbessern Überlebensraten richteten Therapien zeitlich begrenzt 2017, 12. September 2017 in Mailand.
bei Lungenkrebs wirkten, da die Tumoren Resistenz- 5. http://goldcopd.org/gold-reports/
Auch in der Diagnostik und Therapie mutationen entwickeln würden. 6. Session «Latest GOLD Update», ERS 2017, 12. Septem-
ber 2017 in Mailand.
des Lungenkarzinoms ist die Präzisi- Dies unterstreicht die Bedeutung weite- 7. Lange P et al.: Lung-function trajectories leading to
onsmedizin auf dem Vormarsch, be- rer Therapieansätze. Neben anderen chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med
tonte Prof. Martin Reck aus Grosshans- zielgerichteten Therapien bekommen 2015; 373(2): 111–122.
8. Session «Lung cancer and the pulmonologist», ERS
dorf (D) (8). Die Entdeckung von onko- hier vor allem die Checkpoint-Inhibito- 2017, 10. September 2017 in Mailand.
genen Mutationen, die sich als Ziele ren immer mehr Bedeutung. Ihre Ein- 9. Lee CK et al.: Impact of specific epidermal growth fac-
therapeutischer Interventionen eignen, führung hat die Standards in der Krebs- tor receptor (EGFR) mutations and clinical characteri-
stics on outcomes after treatment with EGFR tyrosine
führte zu der Empfehlung, die moleku- therapie klar verändert, betonte Reck.
kinase inhibitors versus chemotherapy in EGFR-mu-
lare Testung in die Standarddiagnostik In fünf randomisierten Studien der tant lung cancer: a meta-analysis. J Clin Oncol 2015;
zur genaueren Klassifikation von nicht Phase II bis III, in denen vorbehandelte 33: 1958–1965.
kleinzelligen Lungenkarzinomen (non- Patienten mit fortgeschrittenem 10. Reck M, Rabe KF: Precision diagnosis and treatment
for advanced non-small-cell lung cancer. N Engl J
small-cell lung cancer, NSCLC) zu inte- NSCLC als Monotherapie einen Anti- Med 2017; 377: 849–861.
grieren. Mit zielgerichteten Therapien körper gegen den T-Zell-Oberflächen-
könnte dann gegen die aus den Muta- rezeptor PD-1 oder den mit diesem
Eine ausführliche Berichterstattung vom
tionen resultierenden pathologischen Rezeptor interagierenden Liganden
ERS-Kongress in Mailand folgt mit Ausgabe
Prozesse eingegriffen werden. Die Zahl PD-L1 der Tumorzellen erhielten, wur-
23 als Beilage «CongressSelection».
der entdeckten molekularen Targets für den signifikante Verbesserungen der
890 ARS MEDICI 20 ■ 2017
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