Grenzfeststellung und pythagoras - Heinz-Werner Kahlenberg
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Heinz-Werner Kahlenberg Grenzfeststellung und Pythagoras Selbst wenn die Rechtsprechung zur Grenz- vom 6. Juni 2012 hat die 4. Kammer des Ver- feststellung und Abmarkung im Land Bran- waltungsgerichts Potsdam den Widerspruchs- denburg inzwischen als gefestigt angese- bescheid aufgehoben, soweit es um die Grenze hen werden kann, gibt es dann und wann zwischen den beiden genannten Flurstücken doch Fälle, die bisher nicht behandelte As- geht (VG Potsdam – 4 K 2495/07). pekte beleuchten. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat im Juni 2012 eine Entschei- Der ÖbVI X hat in seiner Grenzniederschrift vom dung gefällt, die dem Thema „Grenzfest- April 2006 die Grenze zwischen den Flurstücken stellung“ eine neue Facette hinzufügt und 958 und 1/1 als festgestellte Grenze angesehen, sich daneben zur Frage der Anfechtung der und zwar aufgrund der Vermessung aus dem Grenzanerkennung äußert. Jahr 1879. Insofern hat er der Vermessung des ÖbVI Y aus dem Jahr 1994 keine Wirkung für Der Fall diese Grenze beigemessen und die Abmarkung nach der Vermessung von 1879 vorgenommen. Im Jahr 2006 hat der ÖbVI X unter anderem Die Widerspruchsbehörde hat dagegen in der die Grenze zwischen den Flurstücken 958 und Vermessung von 1879 keine Grenzfeststellung 1/1 vermessen und abgemarkt (Abb. 1). Gegen erkennen können. Sie ist aufgrund der Vermes- die Abmarkung haben die Eigentümer des Flur- sung des Jahres 1994 (ÖbVI Y) von festgestell- stücks 1/1 Widerspruch erhoben. Der Landes- ten Grenzen ausgegangen. Das Gericht hat betrieb LGB als zuständige Widerspruchsbe- letztlich in beiden Vorläufervermessungen keine hörde hat im November 2007 dem Widerspruch Grenzfeststellung gesehen. stattgegeben und den ÖbVI X verpflichtet, seine Vermessung nach dem Ergebnis einer im Jahr Damit ist die Geschichte des Falls zumindest in 1994 vom ÖbVI Y durchgeführten Vermessung den gröbsten Zügen erzählt. Auf nähere Einzel- zu überarbeiten. Im Dezember 2007 erklärte der heiten wird noch im weiteren Verlauf einzugehen vormalige Eigentümer des Flurstücks 958 den sein. Im Vordergrund dieser Abhandlung sollen Widerruf seiner im Zusammenhang mit der Ver- die Bewertungen des Gerichts stehen, da diese messung im Jahr 1994 abgegebenen Willenser- womöglich grundlegende Bedeutung für die Be- klärungen. Ebenfalls im Dezember 2007 haben handlung von Liegenschaftsvermessungen haben die Eigentümer des Flurstücks 958 Klage gegen könnten. In den Mittelpunkt der Betrachtungen hat den Widerspruchsbescheid erhoben. Mit Urteil die Kammer allerdings weniger die angefochtene Vermessung des ÖbVI X als vielmehr die Vermes- sung des ÖbVI Y aus dem Jahr 1994 sowie die Vermessung aus dem Jahr 1879 gestellt. Um eins von vornherein klarzustellen: Der Entscheidung des Gerichts ist im Ergebnis ohne Einschränkun- gen zuzustimmen. Wenn in den nachfolgenden Ausführungen der eine oder andere leise Zweifel an dem Urteil hochkommen sollte, so liegt dies an einzelnen Feststellungen des Gerichts, die nach Ansicht des Verfassers durchaus geeignet sind, ein Stirnrunzeln hervorzurufen. Die Feststellungen des Gerichts Die zuständige Kammer hat die Vermessung aus dem Jahr 1879 unter der Frage untersucht, ob damals eine Grenzfeststellung erfolgt ist. Sie hat bei ihren Betrachtungen auf den Stand der Vorschriften des Jahres 1994 abgestellt. Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 der damaligen Ersten Verord- nung zur Durchführung des Vermessungs- und Abb. 1: Liegenschaftskarte Liegenschaftsgesetzes (1. VermLiegDV) vom 18 ermessung Brandenburg 1/2013
28. Januar 1993 (GVBl. II S. 42) gilt eine Gren- ze als festgestellt, wenn nach inzwischen außer Kraft getretenen Vorschriften deren Lage ermit- telt und das Ergebnis von den Beteiligten aner- kannt worden ist. Nach Satz 2 der Regelung be- stimmt der Minister des Innern, welche früheren Flurstü Vorschriften in Betracht kommen. Das Gericht 1/1 Flurstück sieht in dem Erlass des Ministeriums des Innern 958 u. a. vom 7. August 1991, wonach der Fortführungs- erlass II (FortfErl. II) aus Nordrhein-Westfalen als für sinngemäß anwendbar erklärt wurde, eine derartige Bestimmung. Im Fortführungser- lass II heißt es unter Nummer 6.15 wie folgt: (1) Die nach früheren Vorschriften ver- messenen Grundstücksgrenzen gelten als festgestellt, wenn sie durch Siche- rungsmaße geprüft sind und die Betei- ligten mit dem Ergebnis der Grenzer- mittlung einverstanden waren (§ 1 Abs. 8 AbmarkVO). (2) Unter diesen Voraussetzungen gelten Grundstücksgrenzen im Allgemeinen als festgestellt, die einer Vermessung a) nach den preußischen Neuver- messungsanweisungen VIII und IX vom 25.10.1881 einschließlich der dazu ergangenen Ergänzungs- und Nachfolgevorschriften, b) nach der preußischen Fortfüh- rungsvermessungsanweisung II Abb. 2: Vermessungsriss von 1879 vom 21.02.1896 oder einer ihrer Nachfolgevorschriften, Obwohl für den vorliegenden Fall nicht von c) nach den entsprechenden Vor- Bedeutung, ist das Gericht der Frage nach- schriften im früheren Land Lippe gegangen, ob eine vergleichbare Rechtslage unterlegen haben. auch nach den heute geltenden Vorschriften besteht. Es hat die entsprechende Antwort in § 8 Abs. 3 des (aktuellen) Brandenburgischen Gemäß Absatz 1 der Regelung kommt es nicht nur Vermessungsgesetzes (BbgVermG) gefunden. auf die vermessungstechnische Bestimmung des Diese Regelung sieht vor, dass ein Flurstück im Grenzverlaufs an, sondern auch auf die Kontrol- Liegenschaftskataster geometrisch eindeutig zu le der Vermessung durch Sicherungsmaße. Das führen ist. Nur mit einer wirksam kontrollierten Gericht sieht in dieser Bestimmung eine norm Erfassung sei sichergestellt, dass das Liegen- interpretierende Verwaltungsvorschrift. In dieser schaftskataster die Grenzen eindeutig nach- Eigenschaft vermöge die Vorschrift die Gerichte weist, die örtlich ermittelt und von den Betei- zwar nicht zu binden. Erweise sich die Vorschrift ligten anerkannt wurden, so die Auslegung der aber als sachgerecht und wird das Auslegungser- genannten Bestimmung nach Auffassung des gebnis vom berufenen Gericht geteilt, könne sie Gerichts. Dies diene der Qualität und Brauch- der gerichtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt barkeit des Liegenschaftskatasters. werden. In der Vermessung des Jahres 1879 hat das Gericht eine Vermessung erkannt, die diesen An dieser Auslegung sind Zweifel angebracht. Anforderungen bereits wegen fehlender Siche- § 8 Abs. 3 BbgVermG beinhaltet eine Definition rungsmaße nicht gerecht wird (Abb. 2). Dabei hat des Begriffs Flurstück. Die Vorgängerbestim- es sich durch zwei Gutachter beraten lassen. mung ist in § 11 Abs. 1 VermLiegG zu finden. ermessung Brandenburg 1/2013 19
Während das VermLiegG beim Flurstück von gestellten Grenze abgeleitet werden kann. Zu- einem „begrenzten Teil der Erdoberfläche“ aus- sammenfassend lässt sich also festhalten, dass gegangen ist, sieht das BbgVermG nunmehr im der vom Gericht gezogene Schluss weder aus Flurstück einen „Teil der Erdoberfläche, der im dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck Liegenschaftskataster geometrisch eindeutig“ der Regelung noch aus der Systematik des Ge- geführt wird. Systematisch ergänzt wird die Defi- setzes ableiten lässt. nition des Flurstücks durch § 12 BbgVermG, der eine Definition der Grenze enthält. Während es Interessanterweise hat das Ministerium des In- für das Flurstück noch auf die eindeutige Geo- nern im Januar 1995, also wenige Monate nach metrie ankommt, begnügt sich das Gesetz beim der hier in Rede stehenden Vermessung des Begriff der Grenze schlicht mit der „geometrisch ÖbVI Y, im Runderlass III Nr. 4/95 festgehalten, definierten Verbindungslinie zweier unmittelbar dass es für die Grenzfeststellung nicht auf die benachbarter Grenzpunkte“. gesicherte Aufmessung ankommt. Es scheint schon aus dieser Verbindung heraus Bei alledem soll nicht der Eindruck entstehen, wenig schlüssig, eine besondere Qualität der es müsse in Brandenburg keine kontrollierten Grenzbestimmung aus § 8 Abs. 3 BbgVermG Vermessungen geben. Nach der Liegenschafts- herauszulesen, während sich die für die Grenz- vermessungsvorschrift (VVLiegVerm) sind die feststellung viel näher liegende Definition der Messergebnisse durch wirksame Kontrollen zu Grenze eben mit geringeren Ansprüchen be- sichern. Dies ist für alle Vermessungsstellen gnügt. In dem Zusammenhang sei auf die Ent- bindend und angesichts der Bedeutung von Lie- wurfsbegründung zu § 12 verwiesen, wo auf die genschaftsvermessungen für den Rechtsver- Bedeutung der Grenze für das Grenzfeststel- kehr und -frieden unverzichtbar. Nur lässt sich lungsverfahren hingewiesen wird (Landtags- ein gesichertes Aufmaß nicht als Tatbestand drucksache 4/6675). Hätte der Gesetzgeber der Grenzfeststellung aus dem Gesetz ableiten. besondere technische oder verfahrenstypische Oder um auf den Titel des Aufsatzes zurück- Anforderungen für die Bestimmung des Grenz- zukommen: Der Gesetzgeber hat bei der Ver- verlaufs gewollt, hätte er dies doch dann eher im abschiedung des Vermessungsgesetzes wohl § 12 BbgVermG zum Ausdruck gebracht. nicht an den Satz des Pythagoras gedacht. Die vom Gericht erarbeitete Auslegung er- Anfechtung der Grenzanerkennung scheint aber auch aus zwei weiteren Gründen zweifelhaft. Außer mit eingehenden Betrachtungen zur Erstens: Der Tatbestand der geometrischen Bedeutung von Sicherungsmaßen bei Liegen- Eindeutigkeit erfordert aus vermessungstech- schaftsvermessungen hat sich das Gericht auch nischer Sicht keine wirksame Kontrolle der mit der Anerkennung der Grenzen durch die be- Erfassung, etwa durch Sicherungsmaße oder troffenen Grundstückseigentümer befasst. So andere unabhängige Kontrollen. Für eine ein- hat es für die Vermessung von 1879 keine Aner- deutige Bestimmung sind so viele Größen erfor- kennung des Eigentümers ausmachen können, derlich, um den Punkt im geometrischen Sinn was schon allein deswegen nicht zu festgestell- festzulegen (vgl. Kahmen, Vermessungskunde ten Grenzen führen konnte. Daneben hat es II, 14. Aufl., Abschnitt 5.1). Dazu reicht die Be- dem ehemaligen Eigentümer des heutigen Flur- stimmung eines durchlaufenden Maßes, eines stücks 958 einen Anfechtungsgrund hinsichtlich Fußpunktes plus zugehöriger Höhe oder einer der 1994 aufgenommenen Grenzniederschrift Richtung und zugehöriger Strecke. Der Einsatz zuerkannt. von Sicherungsmaßen dagegen führt zu einer Überbestimmung und ergibt mehr als die geo- In der Vermessungsverwaltung ging man bisher metrische Eindeutigkeit. verbreitet davon aus, dass eine Anfechtung der Anerkennung der Grenzermittlung nur zivilrecht- Zweitens: Die Definition in § 8 Abs. 3 BbgVermG lich möglich sei. Damit war gemeint, dass we- gilt für jedes im Liegenschaftskataster nachge- der die Vermessungsstellen zur Entscheidung wiesene Flurstück. Sie trifft also für festgestellte über die Anfechtung befugt seien, noch der wie auch nicht festgestellte Grenzen zu. Allein Verwaltungsrechtsweg der richtige Verfahrens- dieser Umstand zeigt, dass selbst bei großzü- gang sein könnte. Das Brandenburgische Ober- gigster Auslegung aus der Definition in § 8 Abs. 3 verwaltungsgericht hat in dem Beschluss vom BbgVermG kein Tatbestandsmerkmal der fest- 03.05.2004 (3 A 699/01.Z) die Möglichkeit der 20 ermessung Brandenburg 1/2013
Anfechtung in entsprechender Anwendung der Am Ende der Grenzniederschrift lauten die von Vorschriften des BGB in Erwägung gezogen. den anwesenden Beteiligten abgegebenen Er- Letztlich hat es die Frage aber offen gelassen, klärungen wie folgt: da es in dem Verfahren nicht entscheidungser- heblich war. Das VG Potsdam hat an einer entsprechenden Der Grenzverlauf sowie die vorgefunde- Anwendbarkeit der Vorschriften des BGB über nen und die neuen Grenzzeichen sind Willenserklärungen (§§ 116 ff. BGB) und der Ent- uns an Ort und Stelle vorgezeigt und an scheidung im Verwaltungsverfahren wohl keine Hand der Skizze erläutert worden. Wir Zweifel. Im vorliegenden Fall hat der Voreigen- erkennen das Ergebnis der Grenzer- tümer des Flurstücks 958, der Beteiligte W., im mittlung für die alten und neuen Grenz- Grenztermin des Jahres 1994 die Grenze zwi- abschnitte an. Gegen das Ergebnis der schen den Flurstücken 958 und 1/1 anerkannt. Grenzwiederherstellung erheben wir kei- Nach Erlass des Widerspruchsbescheides ne Einwendungen. Der vorgenommenen durch die LGB im Dezember 2007 hat er seine Abmarkung stimmen wir zu. Grenzanerkennung aus dem Jahr 1994 ange- … fochten. Nach Auffassung der entscheidenden Kammer steht ihm ein Anfechtungsgrund aus § Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben 119 Abs. 1 BGB zur Seite. Der Voreigentümer W. habe die damalige Grenzanerkennung irr- tümlich abgegeben, da der ÖbVI Y eine Grenz wiederherstellung suggeriert habe, obwohl es sich eigentlich um die erstmalige Feststellung der Grenze hätte handeln müssen. Die von W. vorgetragene Bekundung sei schlüssig, da der ÖbVI Y seinerseits gleichfalls von einer festge- stellten Grenze ausgegangen sei. In der Grenzniederschrift aus dem Jahr 1994 heißt es unter dem Befund der Grenzuntersu- chung wie folgt (Abb. 3): Die Grenzen der zu vermessenden Grundstücksteile sind durch vorgefunde- ne sowie neugesetzte Grenzzeichen ab- gemarkt, wie es in vorstehender Skizze dargestellt ist. Die Grenzuntersuchung ergab Folgendes: Die Grenzpunkte und der Grenzpunkt wurden nach dem Katasternachweis (Zahlen) wiederherge- stellt und in den Punkten abgemarkt. Der Grenzpunkt kann nicht abgemarkt werden, er ist durch die Gebäudeecke ausreichend gekennzeichnet. Die Grenz- punkte wurden nach dem Kataster- nachweis (Karte) und dem örtlichen Be- sitzstand ermittelt und aufgemessen, können jedoch nicht abgemarkt werden. Sie sind durch die Mauerecken ausrei- chend und dauerhaft gekennzeichnet. Im Übrigen stimmt der örtliche Grenzverlauf mit dem Katasternachweis überein. Abb. 3: Skizze zur Grenzniederschrift 1994 ermessung Brandenburg 1/2013 21
Abb. 4: Grenzsituation zu OLG 5 U 111/06 Unabhängig davon, ob man der vom Gericht der Grenzermittlung erforderlichen Erklärungen im Einzelfall getroffenen Entscheidung nun zu- der Niederschrift erst gar nicht entnehmen, kön- stimmt oder nicht, zeigt sich, dass auch eine nen auch Fristen keine Rettung sein. Das OLG makellose Niederschrift letztlich ihren Zweck hat dazu eine „Lesart“ der Grenzniederschrift, nicht erfüllt, wenn der Inhalt angreifbar ist. Be- und dabei vor allem des Umfangs der Grenz- zogen auf die Anfechtung einer abgegebenen feststellung entwickelt, die an folgendem Bei- Erklärung wegen Willensmängeln tritt neben die spiel skizziert werden soll: Rechtsbehelfsfrist von maximal einem Jahr eine weitere Frist hinzu, innerhalb der die Erklärung Beantragt war die Vermessung zur Bildung des angefochten werden kann. Für die Wirksamkeit heutigen Flurstücks 353 (Abb. 4). Da nach der der Anfechtung ist entscheidend, dass sie spä- Liegenschaftsvermessungsvorschrift (VVLieg- testens innerhalb von zehn Jahren nach Abgabe Verm) des Landes Brandenburg neu zu bil- der Willenserklärung erfolgen muss. Dies gilt für dende Grenzen in festgestellte Grenzen einzu- den Anfechtungsgrund des Irrtums wie auch bei binden sind, musste die Grenze von 1 nach 3 Täuschung (§§ 121 Abs. 2, 124 Abs. 3 BGB). festgestellt werden, um die abgehende Grenze Erst dann hätten die Erklärungen wirklich unan- in Punkt 2 eindeutig und rechtssicher bestim- fechtbare Wirkung. (Anm.: Für den vorliegenden men zu können. In der Grenzniederschrift sind Fall galten noch Übergangsvorschriften aus der die üblichen (mehr oder weniger präzisen) Er- Schuldrechtsmodernisierung von 2002, Art. 229 klärungen zur Anerkennung dokumentiert. Im § 6 Abs. 5 und 4 EGBGB.) Nachhinein entstand ein Streit über den Verlauf der Grenze zwischen dem Flurstück 24 und Dass Willenserklärungen in Grenzniederschrif- 342. ten nicht den gewünschten Erfolg haben, ist jedenfalls für Brandenburg keine neue Erschei- In dem Zusammenhang hat das OLG den Er- nung. Das Brandenburgische OLG hat bereits klärungen zum Verlauf der Grenze zwischen in mehreren Fällen der Grenzniederschrift nicht den Punkten 1 und 3 keine bindende Wirkung die Wirkung beigemessen, die die Vermes- beigemessen. Denn schließlich erfolgte die sungsfachleute ihr gemeinhin unterstellen (Ur- Vermessung zum Zweck der Bildung des heu- teile vom 15.12.2004 – 4 U 207/00 und vom tigen Flurstücks 353 und demnach könne sich 28.08.2008 – 5 U 111/06). Und dies hat viel gra- eine feststellende Wirkung auch nur auf diesen vierendere Folgen als die Möglichkeit der An- Bereich erstrecken. Das von den Vermessungs- fechtung. Wie beschrieben, hat die Anfechtung vorschriften erwünschte Ergebnis ist mithin ein Verfallsdatum und führt dadurch zur Rechts- nicht eingetreten. Und derartige Schwächen der sicherheit. Lassen sich die für die Anerkennung Niederschrift würden auch nicht durch Fristab- 22 ermessung Brandenburg 1/2013
lauf geheilt werden. Denn die Niederschrift hat schlicht nicht den Erklärungsinhalt, den man aus Sicht des Vermessungswesens eigentlich erwartet und gewollt hat. Welche Lehren lassen sich aus diesen Erfah- rungen ziehen? Möglicherweise wird das bis- her überwiegend praktizierte formularmäßige Abfassen der Niederschrift zu überdenken sein. Jedenfalls sind die verbreitet anzutreffenden sehr pauschalen Anerkennungserklärungen als zweifelhaft anzusehen. Gewiss wird in den Grenzniederschriften – vielleicht mehr als bisher üblich – deutlich zu machen zu sein, ob beste- hende Grenzen bereits festgestellt sind (oder als festgestellt gelten) und ob sie auf Antrag oder wegen der Vorgaben der VVLiegVerm fest- gestellt werden müssen. Fazit Der besprochenen Entscheidung des Verwal- tungsgerichts Potsdam ist im Ergebnis zuzu- stimmen. Diskussionswürdig sind dagegen die weiteren darin getroffenen Aussagen zu den Tatbestandsmerkmalen der Grenzfeststellung nach dem Brandenburgischen Vermessungs- gesetz. Während die Betrachtungen zur recht- lichen Bedeutung einer kontrollierten Vermes- sung eher theoretischer Natur sind, erscheint die materielle Würdigung von Grenznieder- schriften durch verschiedene Gerichtszweige für die Katasterpraxis um einiges bedeutsa- mer. Darin sollte ein Anstoß liegen, die inhalt- liche Ausgestaltung dieses ohne jeden Zweifel wichtigen Dokuments weiter zu entwickeln. Jedenfalls scheint dies in den Fällen ange- bracht, wenn nicht nur neue Grenzen, sondern als Voraussetzung zur Bildung neuer Grenzen auch bestehende Grenzen festgestellt werden sollen. Heinz-Werner Kahlenberg Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg heinz-werner.kahlenberg@geobasis-bb.de ermessung Brandenburg 1/2013 23
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