Homöopathie hat viele Gesichter

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Homöopathie hat viele Gesichter
Nachdem Hahnemann die Neuentdeckung Homöopathie öffentlich vorgestellt
hatte, begnügten sich seine Gegner zunächst damit, ihn wegen seiner Ideen zu
verspotten. Hahnemann selbst hielt an der Universität Leipzig Vorlesungen
über seine Homöopathie. Er veranstaltete mit seinen Studenten auch
Arzneimittelprüfungen. Nachdem er 1821 Leipzig verließ, erreichten ihn viele
Anfragen von Studenten und Ärzten, welche die neue Heilkunde erlernen
wollten. Erst als sich die Überlegenheit der Homöopathie hinsichtlich der
Heilung bisher unheilbarer Kranker zeigte und hochgestellte Persönlichkeiten
wie Fürsten und Adlige Anhänger dieser neuen Medizin wurden, begann man
aus den Kreisen der etablierten Medizin Hahnemann und seine Schüler zu
ächten. Sobald sich ein Student für Homöopathie interessierte wurde er
möglichst bald aus der Universität geworfen, was so manches Leben zerstörte.
Wollte sich ein Arzt nach der Ausbildung niederlassen, wurde ihm häufig die
Approbation verweigert, wenn bekannt wurde, dass er sich auch mit
Homöopathie beschäftigte.

Die erste homöopathische Klinik wurde 1831 in Leipzig gegründet und diente
auch als Lehrkrankenhaus. Ein homöopathischer Lehrstuhl wurde aber trotz
vieler Bemühungen von Abgeordneten, homöopathischen Laienvereinen und
hochgesellter Persönlichkeiten in keinem der deutschen Länder eingerichtet.
Es wurden aber an der Universität München 1831 Vorlesungen über das
homöopathische Heilverfahren gehalten. Weitere Universitäten waren Prag und
Pest wo die Homöopathen Elias Altschul, Theodor von Bakody und Franz
Hausmann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert dozierten.

Neben den Schwierigkeiten der Homöopathie, sich in den staatlichen
Institutionen zu etablieren, schadete der Streit unter den Homöopathen der
Durchsetzung der Homöopathie. Hahnemann selbst kämpfte erbittert gegen die,
"Bastardhomöopathen", wie er sie nannte, die seine Ideen nicht genau nach
Vorschrift in die Tat umsetzten.

Nach der Übersetzung des Organon in Englisch, Französisch und Spanisch
verbreitete sich die Kenntnis dieser neuen Medizin sehr rasch in Frankreich,
England und Spanien. Hahnemanns zweite Frau Melanie kam extra aus Paris
angereist, um den berühmten Arzt zu konsultieren. Deutsche Auswanderer
brachten die homöopathische Medizin nach Amerika, wo Constantine Hering,
ein Schüler Hahnemanns und bedeutendster Homöopath dieser frühen Phase in
Amerika, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe deutschsprachiger Homöopathen
1835 die erste Homöopathische Hochschule in den USA gründete. Dort war die
Homöopathie auch bald in staatlichen Organen und auch an Universitäten
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vertreten, da sich diese gut mit der liberalen Haltung des amerikanischen
Bürgertums vertrug.

Ein Gegensatz und später echte Feindschaft zwischen der Schulmedizin und der
Homöopathie begann erst um 1850 in Amerika zu entstehen, nachdem die
Homöopathie immer beliebter wurde und die etablierten Mediziner sich
ernsthaft bedroht fühlten, wenn sie auch in der Behandlung der Patienten
zunehmend auf Ideen und sanfte Methoden der Homöopathen zurückgriffen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann weltweit ein Niedergang der
Homöopathie, dessen Ursachen bislang wenig untersucht worden ist.
Die Schulmedizin hatte zu dieser Zeit wichtige homöopathische Entdeckungen
wie z. B. die Herzglycoside in Digitalis und Adonis zur Herzbehandlung in
Niedrigpotenzen in den eigenen Behandlungskatalog aufgenommen. Ein
deutscher Arzt hatte die D-Potenzen etwa zu dieser Zeit erfunden, eine
Verdünnung von 1: 10 statt 1: 100, wie sie Hahnemann verwandte, und viele
Ärzte bedienten sich jetzt der D2, D4, D6 Potenzierungen, in denen noch
Materielles, wenn auch auf niedrigster Stufe, vorhanden war. So wurde und wird
Digitalis D4 bei Herzbeschwerden eingesetzt. Sicherlich war diese Abkehr von
Hahnemanns Vorgabe eines Heilens mit der geistartigen Medizin, wie er sie
nannte, Mitursache für den späteren Niedergang der Homöopathie, denn diese
Tiefpotenzen hatten nicht die durchschlagende Kraft zur Heilung der
chronischen Krankheiten. Diese Misserfolge wurden nur zu gern der
homöopathischen Lehre angelastet.

                       Dogmen in der Homöopathie

Seitdem Samuel Hahnemann vor 200 Jahren die Homöopathie begründet hat,
waren seine Schüler und Nachfolger keineswegs untätig in der Erfindung immer
neuer Dogmen, was er bereits zu seinen Lebzeiten aufs schärfste verurteilte.
Dem einen waren seine Potenzen zu hoch, weil ja nichts mehr drin war, andere
versuchten die Lehre zu verbessern und mischten verschiedene Mittel, wie sie es
aus der Pharmazie gewohnt waren, ohne die Grundidee der geistartigen Arznei
zu begreifen. Hahnemann hat auch die Mischung von zwei Arzneien zu einem
neuen Heilmittel geprüft und dann verworfen zugunsten der Aufrechterhaltung
der "Reinen Lehre".

                      Das Einzelmittel nach Hahnemann

Er bestätigte in seiner letzten Organon - Auflage ausdrücklich, dass nur ein Stoff
potenziert werden dürfe, so unverfälscht und ursprünglich, wie die Natur selbst
diesen aufweist, bzw. wie er mit einem natürlichen Prozess entsteht. Dieses
potenzierte Arzneimittel wird ebenso unvermischt als Einzelstoff verordnet. Mit
der Potenzierung des Einzelstoffes und der Verabreichung dieses Einzelmittels

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stellt der Homöopath sicher, dass die Information dieses Stoffes unverfälscht das
Gehirn erreicht, um den Heilungsprozess einzuleiten.

Eine Vermischung mehrerer Einzelstoffe würde nicht zu einer so engen
Verbindung führen, wie die Natur sie herstellt, was der wichtigste Einwand
Hahnemanns gegen derartige Mischungen war. Darüber hinaus müsste wieder
neu getestet werden, welches eigenständige Arzneimittelbild diese Mischung
produzieren würde.
Gleiches gilt für nach dem Potenzieren vermischte Arzneien, die wohl eher
einen unverständlichen "Wellensalat" darbieten, wobei sich manchmal
herausstellt, dass eine starke, in der Mischung enthaltene Arznei wie z. B. das
Schlangengift Lachesis oder das pflanzliche Mittel Ecchinacea durchaus noch
eine Wirkung zeigen.

So kann in der Homöopathie potenziertes Silberamalgam zur Behandlung eines
Amalgamschadens benutzt werden, wenn jedoch Mercurius solubilis
(Quecksilber) und Argentum metallicum (Silber) gleichfalls einzeln potenziert
anschließend vermischt werden, ist die Wirkung null oder nur minimal.

                              Die Potenzierung
Hahnemann verwandte C-Potenzen, in 30., 24., 18. Potenzierung, "die C 6
verwandte ich, als ich es nicht besser wusste", wie er sinngemäß im Organon
sagt. In Einzelfällen verordnete er bis nahe an die C 200 -Potenzen. Sein Freund
und Schüler Clemens v. Bönnighausen behandelte ebenfalls schon mit der C
200. Der Amerikaner James Tyler Kent (1849 - 1916) verwandte die
Hochpotenzen regelmäßig ( die C 200) und sorgte für die Verbreitung dieser
Potenz. Er hinterließ Arzneimittelbilder, die von ihm und seinen Schülern unter
günstigen Umständen noch an den großen homöopathischen Medical Colleges
der USA geprüft und verifiziert worden sind.

Kent war Anhänger des protestantischen Sektengründers Emanuel von
Swedenborg (1688 - 1772), der den "Geist" und den "Willen" Gottes über die
rein körperliche Ebene stellte. Diesen Vorrang des geistigen Geschehens
übernahm Kent für die Arzneimittelfindung, indem er die Arzneien vornehmlich
aufgrund von individuellen Äußerungen des seelischen und geistigen Bereiches
im Menschen und weniger am körperlichen oder klinischen Geschehen
differenzierte. Mit Hilfe des von ihm geschaffenen Repertoriums konnte und
kann die gesuchte Arznei trotz fast unübersehbarem Detailwissens gefunden
werden. Unter den verwendeten ca. 1000 homöopathischen Arzneien waren bei
einer einzelnen Arznei manchmal über 1000 Symptome bekannt.

Die Homöopathen dieser Richtung verwendeten über Hahnemanns C 30
hinausgehende Hoch- u. Höchstpotenzen wie C 10.000, C 50.000. Diese
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Strömung der Homöopathie kam über die schweizer Ärzte Pierre Schmidt
(1894-1987) und Jost Künzli (1915-1992) ab den 60er Jahren nach Mitteleuropa.
Zur gleichen Zeit hat der Schweizer Dr. Adolf Voegeli (1898-1992) die von
Hahnemann sehr spät entwickelten LM- oder Q-Potenzen für die Homöopathie
wiederentdeckt. Bei ihm wiederum studierte Dr. Otto Eichelberger, einer der
großen deutschen Homöopathen der Gegenwart und bereicherte die
Homöopathie mit 4 Büchern mit über 1000 gesicherten Fallstudien.
Der indische Arzt Dr. Rajan Sankaran ist ein moderner Vertreter der
Hochpotenzler, er wählt das Simile (=homöopathische Heilmittel) nach den
Gemütssymptomen des Patienten aus und verordnet dann eine Gabe einer C
10.000, bzw. C 50,000. Diese Vorgehensweise eines ausgesprochenen Logikers
und Analytikers der menschlichen Psyche und tiefen Kenners der
homöopathischen Materia Medica ist allerdings nur für sehr erfahrene
Homöopathen geeignet; Pierre Schmidt hat ebenfalls diese hohen Potenzen
verwandt.

Dem Niedergang der Homöopathie in Großbritannien am Ende des letzten
Jahrhunderts setzte John Henry Clarke (1853-1931) seine undogmatische Form
der Homöopathie entgegen, indem er die Verbreitung der homöopathischen
Ideen auch in Laienkreisen förderte und jegliche Konzession an Schulmediziner
ebenso wie Kompromisse ablehnte. Er schuf mit seiner praktischen Materia
Medica (Sammlung von Arzneimittelbildern) eine umfangreiche
Zusammenstellung der Erfahrungen und des Wissens seiner Zeit, was sonst
wohl für immer verloren gegangen wäre.
Clarke war zusammen mit einem Freundeskreis von Homöopathen, zu denen
auch James Compton Burnett (1840-1901) und Robert Cooper (1841-1901)
gehörten, dafür verantwortlich, dass von den 1870er Jahren an allmählich
zunehmend Hochpotenzen verschrieben wurden. Clarke bemühte sich vor allem
homöopathische Fähigkeiten bei Laien zu fördern und begründete eine Schule
von Laienpraktikern. Seine "Schüler" waren J. Ellis Baker (1868-1948),
Kanonikus Roland Upcher (1849-1929) und Noel Glendower Puddephatt (1899-
1978?).
Puddephatt war Inder und kam als Kind zu Clarke in Behandlung. Er
veranstaltete in den 1950er und 60er Jahren Fernkurse für Homöopathie und
hielt durch seine Lehrtätigkeit Clarkes Vermächtnis lebendig. Er unterrichtete
Schlüsselfiguren wie Phyllis M. Rowntree (1910 -?), die Puddephatts Arbeit
weiterführte, nachdem dieser Großbritannien verlassen hatte und Sheilagh
Creasey (1935-?), die heute am College of Classical Homoeopathy in London
unterrichtet, und, vielleicht am bedeutendsten, George Vithoulkas. Dieser bekam
1996 den alternativen Nobelpreis für seine Verdienste bei der Verbreitung der
homöopathischen Medizin. Seine griechischen Seminare nahmen in der
Ausbildung britischer Homöopathen in den 1980er Jahren eine hervorragende
Stellung ein. Somit lässt sich eine direkte Verbindungslinie zwischen Clarke und

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der mittlerweile unter "Athener Schule der Homöopathie" firmierenden
Strömung ziehen.
Die Laienbewegung in England ist auch heute noch so stark, dass in
Homöopathie ausgebildete Laien sich (auch in Irland) ohne medizinisches
Studium niederlassen und homöopathisch behandeln können.

              Was stört die Wirkung homöopathischer Mittel

Hahnemann erklärt im Organon §§ 259 bis 263, dass alle arzneilich wirkenden
Stoffe während der Behandlung fernzuhalten seien, ebenso wie geistige
Anstrengungen und Gemütserschütterungen. In den chronischen Krankheiten
zählt er Wein, Branntwein, Kaffee und Tee dazu, wobei er vorschlägt,
gewohnheitsmäßige Kaffee- und Teetrinker langsam zu entwöhnen.
Er spricht nicht davon, dass die Wirkung der Arznei gestört wird, aber er legt
Wert darauf, dass ohne die Genussgifte Tee und Kaffee die Gesundheit leichter
herzustellen sei. (Er verweist hier auf sein "Kaffeebuch") Nicht umsonst war
Hahnemann zu seiner Zeit als großer Diätiker bekannt. Er selbst hat sich
allerdings immer Bier und Pfeife gegönnt, was seiner jährlichen Bronchitis, an
der er letztlich auch starb, sicherlich auch nicht zuträglich war.

An arzneilich wirkenden Stoffen kennen wir heute aus der Schulmedizin weit
potentere Störfaktoren als den harmlosen Tee oder Kaffee, die eher harmlos
sind, solange es bei kleinen Mengen täglich bleibt.
Hochwirksame Medikamente wie zum Beispiel Antibiotika, Kortison,
Psychopharmaka, Asthma- und Blutdruckmittel, um nur einige zu nennen, und
nicht zuletzt unzählige Impfungen, die zu Hahnemann’s Zeiten erst ihren
Anfang nahmen, dazu Vitamine, Lebensmittelergänzungen, kannenweise Tee
(auch Kräutertees) und Kaffee und andere sogenannte Naturheilmittel in
Urtinktur oder die üblichen Komplexmittel, alles täglich und wochenlang in
Mengen angewandt, schaffen es allerdings, die homöopathischen Heilvorgänge
zu stören.

                           Wer heilt hat Recht!

Seit den Anfängen der Homöopathie gab es Differenzen um die richtige
Potenzierung, die Häufigkeit der Mittelgabe, die richtige Mittelwahl und wie
man sich die Wirkung der Homöopathie überhaupt erklären kann. Denn dass die
Homöopathie heilt ist unbestritten und empirisch = wissenschaftlich immer und
immer wieder aus der Erfahrung zweier Jahrhunderte belegt.
Man kann daraus folgern, dass die Natur bei dem richtigen Anstoß schon den
Rest besorgt, denn die Lebenskraft ist schließlich das Einzige was heilt.

Lesestoff: Weltgeschichte der Homöopathie, ISBN 3406 40700 5

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