IAB-REGIONAL 1|2020 IAB Sachsen-Anhalt-Thüringen - Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in Sachsen-Anhalt

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IAB-REGIONAL 1|2020 IAB Sachsen-Anhalt-Thüringen - Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in Sachsen-Anhalt
IAB-REGIONAL
Berichte und Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz

1|2020 IAB Sachsen-Anhalt-Thüringen

Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in
Sachsen-Anhalt
Michaela Fuchs, Corinna Lawitzky, Anja Rossen, Antje Weyh

  ISSN 1861-1435
 ISSN 2195-2655
IAB-REGIONAL 1|2020 IAB Sachsen-Anhalt-Thüringen - Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in Sachsen-Anhalt
Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in
Sachsen-Anhalt

Michaela Fuchs (IAB Sachsen-Anhalt-Thüringen), Corinna Lawitzky (IAB), Anja Rossen (IAB
Bayern), Antje Weyh (IAB Sachsen)

IAB-Regional berichtet über die Forschungsergebnisse des Regionalen Forschungsnetzes des IAB.
Schwerpunktmäßig werden die regionalen Unterschiede in Wirtschaft und Arbeitsmarkt – unter
Beachtung lokaler Besonderheiten – untersucht. IAB-Regional erscheint in loser Folge in Zusam-
menarbeit mit der jeweiligen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und wendet sich an
Wissenschaft und Praxis.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ...................................................................................................................5

1    Einleitung ...........................................................................................................................6

2    Gründe für die geringeren Löhne der Frauen.......................................................................7
     2.1      Individuelle Bestimmungsgründe ....................................................................................... 7
     2.2      Betriebliche Bestimmungsgründe ...................................................................................... 9
     2.3      Regionale Bestimmungsgründe ........................................................................................ 11

3    Datengrundlage und Methode .......................................................................................... 11

4    Entgeltniveau und unbereinigter Gender Pay Gap ............................................................ 14
     4.1      Deutschland und die Bundesländer .................................................................................. 14
     4.2      Die Kreise Sachsen-Anhalts ............................................................................................... 15
     4.3      Der unbereinigte Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt nach ausgewählten Merkmalen .. 18
              4.3.1 Beruf ........................................................................................................................ 18
              4.3.2 Alter.......................................................................................................................... 20
              4.3.3 Qualifikation und Führungsposition ...................................................................... 22
              4.3.4 Betriebsgröße .......................................................................................................... 23

5    Vom unbereinigten zum bereinigten Gender Pay Gap ....................................................... 24
     5.1      Die Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt,
              Ostdeutschland und Deutschland ..................................................................................... 24
     5.2      Die Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt im Detail............. 28
              5.2.1 Der erklärte Teil ....................................................................................................... 28
              5.2.2 Der unerklärte Teil................................................................................................... 30
     5.3      Die Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap in den Kreisen Sachsen-Anhalts ...... 31
              5.3.1 Der erklärte Teil ....................................................................................................... 34
              5.3.2 Der unerklärte Teil................................................................................................... 36

6    Fazit ................................................................................................................................. 37

Literatur ................................................................................................................................. 40

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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:       Zerlegungsschema des unbereinigten Gender Pay Gap .............................................. 13
Abbildung 2:       Tagesentgelt der Frauen und Männer in den Kreisen Sachsen-Anhalts ...................... 16
Abbildung 3:       Unbereinigter Gender Pay Gap in den Kreisen Sachsen-Anhalts................................. 17
Abbildung 4:       Unbereinigter Gender Pay Gap in den Kreisen Sachsen-Anhalts................................. 18
Abbildung 5:       Unbereinigter Gender Pay Gap nach Altersgruppen in Sachsen-Anhalt ..................... 21
Abbildung 6:       Unbereinigter Gender Pay Gap nach Qualifikation und Führungsposition in
                   Sachsen-Anhalt .............................................................................................................. 22
Abbildung 7:       Unbereinigter Gender Pay Gap nach Betriebsgröße in Sachsen-Anhalt ..................... 23
Abbildung 8:       Die Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt,
                   Ostdeutschland und Deutschland ................................................................................ 25
Abbildung 9:       Die Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap in den Bundesländern und
                   Deutschland ................................................................................................................... 27
Abbildung 10:      Die Zusammensetzung des Ausstattungseffekts in Sachsen-Anhalt ........................... 29
Abbildung 11:      Die Zusammensetzung des Bewertungseffekts in Sachsen-Anhalt............................. 31
Abbildung 12:      Die Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap in den Kreisen Sachsen-Anhalts .. 32
Abbildung 13:      Die Zerlegung des unbereinigten Gender Pay Gap in den Kreisen Sachsen-
                   Anhalts – Details ............................................................................................................ 33
Abbildung 14:      Die Zusammensetzung des Ausstattungseffekts in den Kreisen Sachsen-Anhalts ..... 35
Abbildung 15:      Die Zusammensetzung des Bewertungseffekts in den Kreisen Sachsen-Anhalts....... 37

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:         Tagesentgelt und unbereinigter Gender Pay Gap in den Bundesländern,
                   Deutschland, Ost- und Westdeutschland ..................................................................... 15
Tabelle 2:         Die 10 Berufsgruppen mit dem höchsten unbereinigten Gender Pay Gap in
                   Sachsen-Anhalt .............................................................................................................. 19
Tabelle 3:         Die 10 Berufsgruppen mit dem niedrigsten unbereinigten Gender Pay Gap in
                   Sachsen-Anhalt .............................................................................................................. 20

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Zusammenfassung
Der unbereinigte Gender Pay Gap, also die durchschnittliche Lohnlücke zwischen vollzeitbeschäf-
tigten Frauen und Männern, beträgt in Sachsen-Anhalt 4,1 Prozent und liegt damit deutlich unter
dem Wert für Deutschland (20,8 %). In Dessau-Roßlau existiert mit -3,1 Prozent der niedrigste Gen-
der Pay Gap innerhalb Sachsen-Anhalts, Frauen verdienen dort also mehr als Männer. Der Altmark-
kreis Salzwedel weist mit 8,0 Prozent den höchsten Gender Pay Gap auf. Grundsätzlich kann eine
Vielzahl an geschlechtsspezifischen Unterschieden in individuellen, betrieblichen und regionalen
Merkmalen zum Lohngefälle zwischen Männern und Frauen beitragen. Eine Zerlegung des unbe-
reinigten Gender Pay Gap mithilfe der Oaxaca-Blinder-Dekomposition zeigt anhand des erklärten
Teils, dass Frauen in Sachsen-Anhalt bezüglich der in der Analyse berücksichtigten Merkmale bes-
ser ausgestattet sind als Männer. Das betrifft vor allem den Beruf, die Qualifikation und die Art der
Betriebe, in denen Frauen und Männer beschäftigt sind. Der unerklärte Teil bzw. der bereinigte
Gender Pay Gap beziffert den Lohnunterschied, der übrigbleibt, wenn man Frauen und Männer mit
gleicher Merkmalsausstattung vergleicht. Hier zeigt sich, dass die Bewertung für sonst gleiche
Merkmale ebenfalls zugunsten der Frauen ausfällt. Damit lassen sich die geringeren Löhne der
Frauen, wie sie der unbereinigte Gender Pay ausdrückt, einzig auf Faktoren zurückführen, die in
der Analyse aufgrund fehlender Informationen nicht berücksichtigt werden können. Für die Kreise
Sachsen-Anhalts lassen die Ergebnisse der Zerlegung deutliche Unterschiede in der Stärke und
Wirkungsrichtung der einzelnen Merkmale zum Vorschein kommen. Allerdings gilt sowohl in Sach-
sen-Anhalt insgesamt wie auch in allen Kreisen, dass Frauen aufgrund ihrer besseren Ausstattung
mit einigen zentralen lohnbestimmenden Merkmalen als auch deren Bewertung eigentlich (noch)
mehr verdienen müssten als Männer. Es sind demnach andere, nicht messbare, Faktoren, die für
die höheren Löhne der Männer verantwortlich sind. Abgesehen von Einflussgrößen, die wir mit un-
seren Daten nicht abbilden können, sprechen diese Ergebnisse für das Vorhandensein institutio-
neller und kultureller Rahmenbedingungen, die sich in einer indirekten Diskriminierung von
Frauen auf dem Arbeitsmarkt äußern und zu geringeren Löhnen führen können.

Keywords
Gender Pay Gap, Oaxaca-Blinder-Zerlegung, Regionale Arbeitsmärkte, Sachsen-Anhalt

Danksagung
Wir danken Oliver Ludewig für wertvolle Hinweise und Kommentare sowie Doris Baumann und
Birgit Fritzsche für die formale Gestaltung.

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1            Einleitung
Dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist eine lang bekannte Tatsache. Seit 2009 wird jedes
Jahr am so genannten Equal Pay Day öffentlichkeitswirksam auf die geringeren Löhne der Frauen
aufmerksam gemacht. Der Equal Pay Day ist ein internationaler Aktionstag für die Entgeltgleich-
heit zwischen Frauen und Männern und kennzeichnet den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbei-
ten, während Männer bereits ab dem 1. Januar bezahlt werden. Im Jahr 2020 fällt der Equal Pay
Day in Deutschland auf den 17. März. 1 Somit haben Frauen insgesamt 77 Tage umsonst gearbeitet
bzw. – anders herum gedacht – haben die Männer für 77 Tage mehr Lohn erhalten als die Frauen.
Die ungleiche Entlohnung von Frauen und Männern wird zwar häufig in Politik und Gesellschaft
diskutiert, jedoch hat sich an dieser Ungleichheit in den letzten Jahren kaum etwas geändert. Zu-
letzt wurde mit dem Entgelttransparenzgesetz versucht, vor allem in größeren Betrieben mit 200
und mehr Beschäftigten Transparenz darüber zu schaffen, wie viel Männer und Frauen in einer
gleichwertigen Arbeit im selben Betrieb verdienen. Der unbereinigte Gender Pay Gap, also die
durchschnittliche Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, ist in Deutschland seit 2006 weitge-
hend konstant geblieben und betrug im Jahr 2018 rund 21 Prozent (Statistisches Bundesamt
2020). Damit weist Deutschland in der Europäischen Union den dritthöchsten Gender Pay Gap auf.
Lediglich in Estland und Tschechien sind die geschlechtsspezifischen Entgeltunterschiede noch
größer (Eurostat 2018).
In der wissenschaftlichen Diskussion zum Gender Pay Gap steht hauptsächlich die Betrachtung der
Faktoren, die einen Einfluss auf die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede ausüben, im Mittel-
punkt. Dazu gehören individuelle Determinanten wie Arbeitszeit, Qualifikation, Berufserfahrung
oder Berufswahl. Auch die Art der Betriebe, in denen Frauen und Männer tätig sind, können den
Gender Pay Gap beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielen zum Beispiel die Betriebsgröße, die ge-
nerelle Lohnhöhe im Betrieb oder die Existenz von Aufstiegsmöglichkeiten. Bei einer regionalen
Betrachtung kommen schließlich regionsspezifische Besonderheiten hinzu, die räumliche Unter-
schiede in den Beschäftigungsperspektiven prägen, wie z. B. die regionale Wirtschaftsstruktur. Als
Folge unterscheidet sich die Höhe des unbereinigten Gender Pay Gap deutlich zwischen den Regi-
onen Deutschlands. Alle diese Faktoren, unabhängig von ihrer Wirkungsrichtung, können den Gen-
der Pay Gap jedoch nicht vollständig erklären. Es gibt immer nicht beobachtbare bzw. nicht mess-
bare Faktoren, die die Höhe des Gender Pay Gap beeinflussen.
Die vorliegende Studie befasst sich mit dem Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt und nimmt dabei
auch die Unterschiede zwischen den Kreisen in den Blick. Die Analyse beschränkt sich nicht nur
auf eine deskriptive Darstellung, sondern zeigt die Ursachen für die Lohnunterschiede zwischen
Frauen und Männern auf. Hierfür zerlegen wir den unbereinigten Gender Pay Gap in einen erklär-
ten und einen unerklärten Teil. Der erklärte Teil des Gender Pay Gap ist derjenige Teil der Lohnlü-
cke, der sich anhand der Unterschiede in den beobachtbaren Merkmalen von Frauen und Männern
erklären lässt (z. B. geschlechtsspezifische Unterschiede in der Qualifikation oder Berufserfah-
rung). Der dann noch verbleibende Rest der Lohnlücke stellt den unerklärten Teil bzw. den berei-
nigten Gender Pay Gap dar. Er beziffert denjenigen Teil des Gender Pay Gap, der auch dann noch

1
    Für nähere Informationen zum Equal Pay Day siehe https://www.equalpayday.de/startseite/ (abgerufen am 24.01.2020).

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bestehen würde, wenn Frauen und Männer dieselben in dieser Analyse berücksichtigen Ausstat-
tungsmerkmale aufwiesen.
Der unbereinigte Gender Pay Gap fällt in Sachsen-Anhalt mit 4,1 Prozent deutlich niedriger aus als
im deutschen Durchschnitt (20,8 %). In Dessau-Roßlau ist er sogar negativ (-3,1 %), was bedeutet,
dass Frauen dort mehr verdienen als Männer. Unter allen Kreisen in Deutschland ist dies sonst nur
noch in Cottbus (-3,8 %) und Frankfurt/Oder (-3,3 %) der Fall. Der höchste Gender Pay Gap ist im
Altmarkkreis Salzwedel zu beobachten (8,0 %). Zerlegt man nun den unbereinigten Gender Pay
Gap in die einzelnen Teile, so zeigt sich, dass Frauen überall aufgrund ihrer Ausstattungsvorteile
eigentlich (noch) mehr verdienen müssten als Männer. Die große Bedeutung des unerklärten Teils
der Lohnlücke führt jedoch dazu, dass dies nicht der Fall ist.
Die Studie ist folgendermaßen aufgebaut. Zunächst liefert Kapitel 2 einen Überblick über mögliche
Einflussfaktoren auf den Gender Pay Gap. Anschließend werden in Kapitel 3 die Datengrundlage
sowie die verwendeten Methoden erläutert. Danach widmet sich Kapitel 4 dem Entgeltniveau und
dem unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt und den einzelnen Kreisen. In Kapitel 5 wer-
den der bereinigte Gender Pay Gap und die Erklärungsfaktoren für die Lohnlücke wieder sowohl
für Sachsen-Anhalt insgesamt als auch für die Kreise betrachtet. Eine Zusammenfassung der Er-
gebnisse erfolgt in Kapitel 6.

2 Gründe für die geringeren Löhne der
Frauen
In der ökonomischen, soziologischen und psychologischen Literatur wird eine Vielzahl an Faktoren
diskutiert, die einen Einfluss auf die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern haben. Sie
beeinflussen sowohl das Angebot an Arbeit als auch die Nachfrage nach Arbeitskräften. Betrachtet
man die regionalen Unterschiede im Gender Pay Gap, kommen zudem räumliche Determinanten
ins Spiel, die auf Frauen und Männer eine unterschiedliche Wirkung haben. Im Folgenden werden
die wichtigsten Bestimmungsgründe auf der individuellen, betrieblichen und regionalen Ebene
vorgestellt.

2.1       Individuelle Bestimmungsgründe
Auf der individuellen Ebene sei zuerst die berufliche Segregation, also die Ungleichverteilung der
Geschlechter auf einzelne Berufe, genannt. Generell sind Frauen im sozialen Bereich und in Beru-
fen mit Bürotätigkeiten überrepräsentiert, während ein höherer Anteil an Männern unter den Be-
schäftigten in technischen und verarbeitenden Berufen existiert (Hausmann/Kleinert 2014). Da
diese typischen Frauenberufe meist geringer entlohnt werden, trägt die Ungleichverteilung der
Geschlechter über die Berufe zu einem höheren Gender Pay Gap bei (Achatz/Gartner/Glück 2005).
Ein möglicher Erklärungsansatz für die berufliche Segregation besteht darin, dass Frauen eher Be-
rufe wählen, die eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und familiären Verpflichtungen

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erlauben (Begall/Mills 2013). Die entsprechenden Zugeständnisse der Arbeitgeber 2 schlagen sich
dabei jedoch häufig in geringeren Löhnen nieder (Boll et al. 2016b). Bei der Berufswahl spielt wei-
terhin die geschlechtsspezifische Sozialisation eine Rolle (Selk 1984). Bereits ab der frühen Kind-
heit werden gesellschaftliche Rollenerwartungen in Bezug auf das Geschlecht erlernt und können
so die spätere Berufswahl prägen. Zudem können Prozesse der sozialen Schließung wirksam sein.
Demnach kommt die berufliche Segregation dadurch zustande, dass die Gruppe der Männer ver-
sucht, ihren Zugang zu bestimmten Ressourcen, wie z. B. einem hohen Einkommen oder prestige-
trächtigen beruflichen Positionen, zu sichern. Dies wird durch einen Ausschluss der Frauen von
den entsprechenden Berufen erreicht (Achatz 2018). Damit in Verbindung steht, dass Frauen trotz
entsprechender Qualifikationen seltener eine Führungsposition innehaben als Männer (Ko-
haut/Möller 2019). Dies wird auch als sogenannte „Gläserne Decke“ bezeichnet. Typische Frauen-
berufe bieten geringere Möglichkeiten für Aufstiege in Führungspositionen, während es in Männer-
berufen bessere Karrierechancen gibt (Busch/Holst 2013). Sollten es die Frauen einmal in Füh-
rungspositionen geschafft haben, verdienen sie aber immer noch weniger als vergleichbare Män-
ner (Busch/Holst 2008b).
Als weitere Erklärungsfaktoren für die geringeren Löhne der Frauen gelten Erwerbsunterbrechun-
gen sowie geringere Arbeitszeiten, die die generelle Arbeitsmarktpartizipation von Frauen beein-
trächtigen. Sie haben ihre Ursache in der Übernahme von Fürsorgeaufgaben für Kinder und ältere
Familienangehörige, die fast ausschließlich von Frauen wahrgenommen werden. Daher schränken
Frauen in weit größerem Ausmaß als Männer ihre Erwerbstätigkeit bei einer Familiengründung ein,
die als ein einschneidendes Ereignis in ihrem Erwerbsverlauf angesehen werden kann. Die Einfüh-
rung des Elterngeld plus im Jahr 2015, das Eltern den Bezug von Elterngeld bei einer gleichzeitig
bestehenden Teilzeitbeschäftigung ermöglicht, hat zwar dazu geführt, dass die Zahl der Väter, die
Elternzeit nehmen und damit potenziell den Wiedereinstieg der Mütter in das Erwerbsleben er-
leichtern, gestiegen ist. Ihr Anteil ist aber immer noch gering. In Sachsen-Anhalt lag die Väterbetei-
ligung am Elterngeld für im Jahr 2013 geborene Kinder bei 25 Prozent und damit sogar noch unter
dem deutschlandweiten Anteil von 32 Prozent (BMFSFJ 2016: 62). Dementsprechend betrug im
Jahr 2014 die Erwerbstätigenquote von Vätern mit einem jüngsten Kind von unter drei Jahren
80 Prozent, die von Müttern aber nur 43 Prozent (BMFSFJ 2016: 60).3 Diese Erwerbsunterbrechun-
gen sind für Frauen mit höheren Lohneinbußen verbunden als für Männer. Selbst wenn Mütter
nach der Geburt des ersten Kindes wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückkehren, werden sie
geringer entlohnt als vor der Unterbrechung (Beblo/Bender/Wolf 2006). Die Lohneinbußen sind
zudem in Deutschland größer als in anderen Ländern (Gangl/Ziefle 2009). Viele Frauen kehren zu-
dem nicht in eine Voll-, sondern in eine Teilzeitbeschäftigung zurück, um Familie und Beruf besser
miteinander vereinbaren zu können. Damit führt die Familienphase zu einer Verfestigung der ge-
schlechterspezifischen Unterschiede in den geleisteten Arbeitszeiten (Wanger 2015).

Der Einfluss unterschiedlicher Gleichstellungsarrangements in Ost- und Westdeutschland
Betrachtet man Erwerbsunterbrechungen und Arbeitszeiten als Bestimmungsgründe für den Gen-
der Pay Gap, müssen dabei die grundsätzlichen Unterschiede in der Gleichstellung und dem

2
  Es sind stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen der einfacheren Lesbar-
keit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet.
3
  In Deutschland insgesamt lag 2014 die Erwerbstätigenquote von Vätern mit einem jüngsten Kind von unter drei Jahren bei
82 Prozent und von Müttern bei 32 Prozent (BMFSFJ 2016: 60).

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Selbstverständnis der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt zwischen Ost- und Westdeutschland
mitberücksichtigt werden. Ihre historische Entwicklung und ihr Ausmaß sollen im Folgenden im
Rahmen eines kleinen Exkurses vorgestellt werden.
Die ehemalige Bundesrepublik (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) verfolgten
nach ihrer Gründung Ende der 1940er-Jahre unterschiedliche politische Ansätze der Gleichstel-
lung von Frauen und Männern, die sich heute noch im Selbstverständnis, den Identitäten und den
Ansprüchen von Frauen widerspiegeln (BMFSFJ 2015: 12). Zwar wurde die Gleichstellung von Frau
und Mann 1949 sowohl in der Verfassung der DDR als auch im Grundgesetz der BRD aufgenommen,
die praktische Umsetzung in der BRD blieb aber viele Jahre hinter dem gesetzlichen Anspruch zu-
rück. Das Leitbild der Frau orientierte sich an einem traditionellen Rollenverständnis mit einem
berufstätigen Mann als Hauptverdiener und der Frau als Hausfrau und Mutter (Trappe/Pollmann-
Schult/Schmitt 2015). Die ungleiche Teilhabe am Arbeits- und Familienleben wurde durch eine
konservative Familienpolitik gefördert. Dementsprechend gab es auch wenig Möglichkeiten der
außerhäuslichen Kinderbetreuung. Bis Mitte der 1990er-Jahre lag der Betreuungsgrad für unter 3-
jährige Kinder unter 2 Prozent und stieg dann erst langsam an (BMFSFJ 2015: 12).
Im Gegensatz zur BRD gehörte in der DDR eine hohe Frauenerwerbsquote zu den expliziten Zielen
der Sozialpolitik, die durch umfassende Maßnahmen nicht nur gefördert, sondern auch gefordert
wurde (Kreyenfeld/Geisler 2006: 333). Dabei war die Berufstätigkeit der Frauen sowohl politisch
begründet als auch gesamtwirtschaftlich notwendig (Trappe/Pollmann-Schult/Schmitt 2015). Die
Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern stellte eine Selbstverständlichkeit dar, während
die in der BRD weitverbreitete Teilzeittätigkeit als atypische Beschäftigungsform wahrgenommen
wurde (Kreyenfeld/Geisler 2006). 4 Der Anteil der berufstätigen Frauen lag vor dem Fall der Mauer
bei über 90 Prozent (einem der welthöchsten Werte), zeitgleich lag er in der BRD bei 51 Prozent
(BMFSFJ 2015: 21). Um dies zu erreichen, gab es eine flächendeckende, verlässlich institutionali-
sierte Betreuung für Kinder in Krippen, Kindergärten und Horten. Der Betreuungsgrad bei Krippen
lag 1989 bei 80 Prozent und bei Kindergärten bei 94 Prozent (Winkler 1990: 49 ff).
Die Wiedervereinigung stellte für die ostdeutschen Frauen einen gravierenderen Einschnitt dar als
für die Männer, da die Übernahme der politischen und ökonomischen Institutionen der BRD ihre
Stellung auf dem Arbeitsmarkt sehr stark berührte (Kreyenfeld/Geisler 2006; Tappe/Pollmann-
Schult/Schmitt 2015). Dennoch haben die ostdeutschen Frauen ihre hohe Erwerbsbeteiligung im
Wesentlichen beibehalten: 2017 erreichte ihre Erwerbsquote 77 Prozent und damit wieder das Ni-
veau von 1991. Aber auch die westdeutschen Frauen haben deutlich aufgeholt. Ihre Erwerbsquote
stieg von noch 58 Prozent 1991 auf 73 Prozent 2017 (WSI 2020). Damit sind die westdeutschen
Frauen mittlerweile ebenso selbstverständlich auf dem Arbeitsmarkt aktiv wie die ostdeutschen
Frauen. Insbesondere in Bezug auf Müttererwerbstätigkeit und Kinderbetreuung existieren jedoch
immer noch markante Unterschiede zwischen Ost und West (vgl. BMFSFJ 2015).

2.2        Betriebliche Bestimmungsgründe
Auch auf der betrieblichen Ebene führen viele Faktoren dazu, dass Frauen geringer entlohnt wer-
den als Männer. Insbesondere spielen die Verhaltensweisen der Arbeitgeber, beispielsweise bei

4
 Dennoch gab es in der DDR trotz der Vollzeiterwerbstätigkeit der Mütter eine traditionelle Arbeitsteilung im Haushalt (Kreyen-
feld/Geisler 2006). Weiterhin wirkte auf die Frauen auch ein starker gesellschaftlicher Druck durch das propagierte Leitbild der
berufstätigen vollzeiterwerbstätigen Frau.

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der Rekrutierung der Beschäftigten oder bei Gehaltsentscheidungen, eine bedeutende Rolle für
den Gender Pay Gap. Dazu soll der Blick auf die Diskriminierung von Frauen gerichtet werden. Eine
Erklärung besagt, dass die Ungleichbehandlung von Angehörigen einer bestimmten Gruppe auf
Vorurteilen gegenüber dieser Gruppe beruht (Becker 1971). So könnten Arbeitgeber weiblichen
Beschäftigten aufgrund zusätzlicher häuslicher und familiärer Eingebundenheit eine geringere Ar-
beitsleistung unterstellen. Daraus ergeben sich Präferenzen, Angehörige bestimmter anderer
Gruppen – in diesem Fall Männer – zu bevorzugen. Mit dem Begriff der statistischen Diskriminie-
rung findet sich eine weitere mögliche Begründung (Arrow 1974). Arbeitgebern stehen bei Perso-
nalentscheidungen nicht alle notwendigen Informationen über die konkrete Person zur Verfü-
gung. Infolgedessen wird die Person nach dem Durchschnitt der jeweiligen Gruppe, der sie ange-
hört, eingeschätzt. Frauen könnten beispielsweise nach diesem Prinzip benachteiligt werden, da
es bei ihnen im Durchschnitt häufiger zu Erwerbsunterbrechungen aufgrund der Fürsorge für Kin-
der und Angehörige kommt. Hierzu passt der Befund, dass Studienabsolventinnen kurz nach dem
Abschluss trotz entsprechender Bemühungen deutlich seltener eine Stellenzusage bekommen als
Männer (Wüst/Burkart 2010). Dies wird als Indiz für eine statistische Diskriminierung gewertet. Wei-
terhin sind die Lohneinbußen von jungen Frauen mit Kindern größer als von Müttern, die über
40 Jahre alt sind (Oesch/Lipps/McDonald 2017). Das kann darin begründet sein, dass Arbeitgeber
bei jungen Frauen eher von weiteren Erwerbsunterbrechungen ausgehen.
Eine weitere Form der Diskriminierung stellt die evaluative Diskriminierung dar (Petersen/Morgan
1995). Hierbei wird die Arbeit von Frauen und Männern unterschiedlich bewertet. Die Grundlage
dieses Ansatzes ist, dass Frauen in der Gesellschaft im Vergleich zu Männern ein niedrigerer Status
zugesprochen wird. Dies erfolgt nach dem Konzept des „Doing Gender“ (West/Zimmerman 1987):
In alltäglichen sozialen Interaktionen werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern geschaf-
fen, die nicht auf natürliche Verschiedenheiten (z. B. physische Kraft) zurückzuführen sind. Diese
werden unter anderem durch eine typische traditionelle Arbeitsteilung gestützt – Männer haben
die Verantwortung für das Nachgehen einer bezahlten Arbeit, Frauen hingegen für den Haushalt
und die Familie. Das Ergebnis ist die scheinbar höhere gesellschaftliche Stellung von Männern. In
Bezug auf Entgeltunterschiede wurde dies in der sogenannten Devaluationshypothese formuliert:
Die unterschiedlichen Kompetenz- und Statuszuweisungen beeinflussen die Verdienste in typi-
schen Frauen- und Männerberufen (England 1992). Dabei überträgt sich der niedrigere Status von
Frauen auf die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten, was zu einer geringeren Entlohnung führt. So
zeigt sich empirisch ein negativer Effekt des Frauenanteils in einem Beruf auf die Löhne von Frauen
und Männern (England/Hermsen/Cotter 2000). Außerdem werden gleiche oder gleichwertige be-
rufliche Anforderungen und Belastungen für Frauen geringer entlohnt als für Männer (Klam-
mer/Klenner/Lillemeier 2018). Dies spricht für eine Entwertung weiblicher Arbeit. Ein gutes Bei-
spiel hierfür stellt die Altenpflege dar, die eine Frauendomäne mit vergleichsweise geringer Ent-
lohnung darstellt (Fuchs 2016).
Als originäres betriebliches Merkmal ist die Betriebsgröße von Bedeutung. Zu der Frage, ob der
Gender Pay Gap in großen oder in kleinen Betrieben höher ist, zeigt sich in der Literatur jedoch
kein einheitliches Bild. Einerseits können unter kleinen Betrieben eine stärkere berufliche Segre-
gation (Hammermann/Schmidt 2015) sowie fehlende Tarifverträge und Betriebsräte (Heinze/Wolf
2006) zu einem höheren Gender Pay Gap führen. Andererseits nimmt das Entgelt von Männern mit
steigender Betriebsgröße zu, während sich die Löhne von Frauen kaum nach der Betriebsgröße

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unterscheiden (Frodermann/Schmucker/Müller 2018). Meist hängt dies mit den unterschiedlichen
ausgeübten Tätigkeiten von Männern und Frauen zusammen und/oder der Tatsache, dass Männer
häufiger als Frauen Aufstiegschancen wahrnehmen (können) (Heinze/Wolf 2006).
Als weitere betriebliche Merkmale können das Lohnniveau sowie die Lohnspreizung innerhalb
eines Betriebes angeführt werden. Sie zeigen an, wie hoch die Löhne generell in einem Betrieb sind
und ob gut bezahlte (Führungs-)Positionen vorhanden sind. Gemäß empirischen Befunden ist der
Gender Pay Gap in Unternehmen, die ein hohes Lohnniveau haben, höher (Heinze/Wolf 2006). Dies
hängt ebenfalls mit den geringeren Aufstiegschancen von Frauen und somit auch dem Zugang zu
höher entlohnten Tätigkeiten zusammen (Heinze/Wolf 2006). Des Weiteren existiert ein größerer
geschlechtsspezifischer Entgeltunterschied zwischen hochqualifizierten Personen als zwischen
Arbeitnehmern mit mittlerer Bildung (Boll et al. 2016a). Daraus lässt sich weiterhin ableiten, dass
der Gender Pay Gap mit der Höhe des Qualifikationsniveaus – also einem höheren Anteil von hoch-
qualifizierten Beschäftigten – innerhalb eines Betriebes steigt.

2.3       Regionale Bestimmungsgründe
Betrachtet man den Gender Pay Gap auf der kleinräumigen Ebene, spielen regionale Merkmale
ebenfalls eine Rolle. Insbesondere das Ausmaß der regionalen Beschäftigungsmöglichkeiten ist
von großer Bedeutung dafür, welche Jobs Frauen und Männer annehmen (können) (Fuchs et al.
2019a; Nisic 2019). Arbeitsmärkte in Städten sind durch eine hohe Dichte an Arbeitsplätzen ge-
kennzeichnet, was zu einem stärkeren Wettbewerb um Arbeitskräfte unter den dort ansässigen
Betrieben führt. Die Möglichkeiten der Arbeitgeber, niedrige Löhne zu zahlen, sind folglich einge-
schränkt, da die Bewerber in der Regel unter einer breiten Palette an Jobangeboten wählen kön-
nen. Gegenteilig verhält sich dies in ländlichen Regionen: dort herrscht aufgrund der geringeren
Dichte an Arbeitsplätzen weniger Wettbewerb um Arbeitskräfte, sodass die Arbeitgeber eher in ei-
ner Monopolstellung sind und folglich niedrigere Löhne zahlen können (Hirsch/König/Möller
2009). Davon sind vor allem Frauen betroffen. Da sie durch stärkere familiäre Verpflichtungen auf
eine Beschäftigung in wohnortnahen Betrieben angewiesen sind, sind sie seltener als Männer dazu
bereit, weitere Strecken zur Arbeit zu pendeln bzw. legen geringere Pendeldistanzen zurück
(Dauth/Haller 2018). Als Folge ist der Gender Pay Gap in ländlichen Regionen höher als in Städten
(Busch/Holst 2008a).

3         Datengrundlage und Methode
Die Berechnungen der regionalen Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern führen wir
mit Hilfe der Beschäftigtenhistorik (BeH) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
durch. Hierbei handelt es sich um für wissenschaftliche Zwecke aufbereitete administrative Daten
der Bundesagentur für Arbeit, die aus den Meldungen der Arbeitgeber an die Sozialversicherung
generiert werden. Die BeH umfasst tagesgenaue Meldungen zu allen sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten seit 1975 und zu allen geringfügig entlohnten Beschäftigten seit 1999. Mit Inkrafttre-
ten über die Verordnung zur Erfassung und Übermittlung von Daten an Träger der Sozialversiche-
rung (DEÜV) zum 1. Januar 1999 ist es zudem möglich, Informationen zu Wohn- und Arbeitsorten

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der Beschäftigten auszuwerten. Für die vorliegenden Auswertungen werden die Informationen zur
Person, zur Beschäftigung und zum Entgelt zum Stichtag 30. Juni 2017 betrachtet. Neben diesen
und anderen individuellen Faktoren können sämtliche Merkmale des Betriebes, in dem eine Per-
son tätig ist, in die Analysen einbezogen werden. Dazu gehören einerseits strukturelle Charakteris-
tika wie beispielsweise die Alters- oder Qualifikationsstruktur, also Merkmale, die sich von den Be-
schäftigten im Betrieb ableiten lassen. Andererseits sind direkte betriebliche Informationen wie
zum Beispiel die Branchenzugehörigkeit nutzbar. Diese sind in einem bereits verfügbaren Aggre-
gat, dem Betriebs-Historik-Panel (BHP), enthalten und werden mittels der Betriebsnummer an die
bestehenden Informationen angehängt (Eberle/Schmucker 2017).
Für die Analyse selbst werden neben der Stichtagsbetrachtung noch weitere Einschränkungen des
Datensatzes vorgenommen. Generell beziehen wir hier nur sozialversicherungspflichtig Beschäf-
tigte im Alter von 18 bis unter 65 Jahren ein; geringfügig Beschäftigte und Auszubildende bleiben
außen vor. Außerdem werden nur Personen in Vollzeit berücksichtigt. 5 Diese Einschränkung der
Personengruppe ist notwendig, da eine Teilzeitbeschäftigung in den Daten zwar erfasst ist, über
den zeitlichen Umfang dieser Teilzeitbeschäftigung aber keine Informationen vorhanden sind. Da-
her ist es nicht möglich, vergleichbare Stundenlöhne zu berechnen. Für die in der BeH erfassten
Tagesentgelte besteht eine weitere Besonderheit. Arbeitgeber müssen diese nur bis zur Beitrags-
bemessungsgrenze melden, was zu einer Verzerrung im oberen Lohnbereich führt. Durch eine Im-
putation der zensierten Entgelte 6 nach dem Verfahren von Gartner (2005) wird diese Verzerrung
jedoch bereinigt.
Auch wenn sich die vorliegende Analyse hauptsächlich auf den 30. Juni 2017 bezieht, ermöglicht
der lange Erhebungszeitraum in der BeH Informationen zu nutzen, die längere Zeiträume umfas-
sen, wie zum Beispiel die Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit. Daher ergänzen wir die An-
gaben aus der BeH mit Informationen aus den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB). Damit wird die
Erwerbsbiografie der einzelnen Personen betrachtet und gewährleistet, dass auch Zeiten der
Nichtbeschäftigung in unseren Analysen Berücksichtigung finden.
Ergänzende regionale Informationen stammen vom Statistischen Bundesamt, der Statistik der
Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Die Regi-
onaldaten werden über die in der BeH enthaltene Kreiskennziffer des Arbeitsorts an die Individu-
aldaten zugespielt.
Die Berechnung des unbereinigten Gender Pay Gap erfolgt in der Regel anhand der Differenz aus
den Entgelten der Männer und Frauen, bezogen auf das Entgelt der Männer. 7 Da wir jedoch sowohl
den unbereinigten als auch den bereinigten Gender Pay Gap berechnen, verwenden wir hierfür
ausschließlich die logarithmierten Werte der durchschnittlichen Bruttotagesentgelte der vollzeit-
beschäftigten Frauen und Männer pro Kreis bzw. Bundesland (Fuchs et al. 2019b). Dadurch berech-
net sich der Gender Pay Gap anhand der Differenz aus den logarithmierten Löhnen der Männer und

5
  Damit weicht das Geschlechterverhältnis hier vom allgemeinen Verhältnis unter den Beschäftigten (ca. die Hälfte ist weiblich)
ab: unter den Vollzeitbeschäftigten sind 39 Prozent der betrachteten Personen Frauen.
6
  Dabei werden die Löhne oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze anhand der beobachtbaren Merkmale der Personen ge-
schätzt.
7
  Dies ist auch das übliche Vorgehen des Statistischen Bundesamts. Die entsprechende Formel lautet: ((Entgelt der Männer -
Entgelt der Frauen)/Entgelt der Männer) * 100 (vgl. https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/FAQ/gender-pay-
gap.html?nn=206824 ) (abgerufen am 24.01.2020).

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Frauen, die dann noch mit dem Faktor 100 multipliziert wird. Ein negativer Wert besagt dabei, dass
Frauen mehr als Männer verdienen.
Methodisch zerlegen wir den unbereinigten Gender Pay Gap mit Hilfe der sogenannten Oaxaca-
Blinder-Zerlegung in einen erklärten und einen unerklärten Teil (Abbildung 1). Der erklärte Teil
umfasst denjenigen Teil des Gender Pay Gap, der sich aufgrund der unterschiedlichen Ausstattung
von Frauen und Männern mit bestimmten beobachtbaren Merkmalen und der daraus resultieren-
den unterschiedlichen Entlohnung ergibt. Dementsprechend wird er auch Ausstattungseffekt ge-
nannt. Vergleicht man zum Beispiel einen Mann ohne Berufsausbildung mit einer Frau mit Hoch-
schulabschluss, ist zu erwarten, dass die Frau aufgrund ihrer höheren Qualifikation mehr als der
Mann verdient und der Gender Pay Gap in diesem Fall negativ ist. Der Lohnunterschied ergibt sich
hier also nur aufgrund der unterschiedlichen Ausstattung der Frau und des Mannes mit dem Merk-
mal Qualifikation.

Abbildung 1: Zerlegungsschema des unbereinigten Gender Pay Gap

                                    unbereinigter Gender Pay Gap

                   erklärter Teil                                       unerklärter Teil

              (Ausstattungseffekt)                             (bereinigter Gender Pay Gap)

                                                  Bewertungseffekt                              Konstante

Quelle: eigene Darstellung. © IAB

In Ergänzung zum erklärten Teil beziffert der unerklärte Teil - auch bereinigter Gender Pay Gap
genannt - den Lohnunterschied, der selbst dann noch besteht, wenn man Frauen und Männer mit
gleicher Ausstattung an Merkmalen vergleicht. 8 Somit sagt der unerklärte Teil etwas über die un-
terschiedliche Bewertung für sonst gleiche Merkmale aus, die im Bewertungseffekt zum Ausdruck
kommt. Außerdem enthält der unerklärte Teil die Konstante, die solche Faktoren umfasst, welche
in der Berechnung aufgrund fehlender Informationen nicht berücksichtigt werden können (zum
Beispiel Arbeitsmotivation, Durchsetzungsfähigkeit bei Gehaltsverhandlungen oder indirekte Dis-
kriminierung). Die Oaxaca-Blinder-Zerlegung wird sowohl für Ostdeutschland, Sachsen-Anhalt als
auch die sachsen-anhaltinischen Kreise durchgeführt. Sämtliche zusammenfassenden Ergebnisse
für Deutschland, für die Bundesländer und alle Kreise Deutschlands finden sich in Fuchs et al.
(2019b).

8
  Wenn man z. B. Frauen und Männer vergleicht, die beide 40 Jahre alt sind, einen Realschulabschluss haben und als Buchhalter
in einem Unternehmen mit 51 bis 250 Beschäftigten in Halle/Saale arbeiten, sind beide Geschlechter in gleicher Weise mit den
Merkmalen Alter, Qualifikation, Beruf, Betriebsgröße und Region ausgestattet. Eine höhere monetäre Wertschätzung der Quali-
fikation der Männer führt dann dazu, dass dieses Merkmal zugunsten der Männer bewertet wird und ihr Lohn also höher ist.

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4 Entgeltniveau und unbereinigter Gender
Pay Gap
Dieses Kapitel widmet sich der Lohnhöhe und dem unbereinigten Gender Pay Gap für Vollzeitbe-
schäftigte in Sachsen-Anhalt und den sachsen-anhaltinischen Kreisen. Um eine bessere Einord-
nung der Ergebnisse zu ermöglichen, wird dabei zuerst ein Vergleich aller Bundesländer vorge-
nommen. Im Anschluss daran betrachten wir das Entgeltniveau von Frauen und Männern sowie
den Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt und den einzelnen Kreisen. Schließlich wird die Höhe der
unbereinigten Lohnlücke in Sachsen-Anhalt nach ausgewählten Merkmalen aufgezeigt.

4.1       Deutschland und die Bundesländer
Deutschlandweit beträgt der unbereinigte Gender Pay Gap 20,8 Prozent (vgl. Tabelle 1). Aus einem
Vergleich zwischen den Bundesländern wird ersichtlich, dass dieser in den neuen Bundesländern
und Berlin wesentlich geringer ausfällt als in Westdeutschland. Zwischen den niedrigsten Werten
für Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg (jeweils 3,8 %) und dem höchsten für Baden-
Württemberg (29,5 %) liegt eine Differenz von fast 26 Prozentpunkten. Insgesamt weist Ost-
deutschland eine geschlechtsspezifische Lohnlücke von 6,1 Prozent auf, in Westdeutschland be-
trägt diese 22,8 Prozent. Dies kann unter anderem mit dem generell niedrigeren Lohnniveau (vor
allem der Männer) in den neuen Bundesländern zusammenhängen. Die Tagesentgelte der Männer
liegen in Ostdeutschland bei 96,24 Euro, in Westdeutschland sind sie aber mit 137,73 Euro um
43 Prozent höher. Ein Grund hierfür ist das Fehlen von Jobs in der Industrie in Ostdeutschland, in
denen vielfach Männer tätig sind und die in vielen westdeutschen Regionen teils sehr gut vergütet
werden (Fuchs et al. 2019b). Frauen in Ostdeutschland verdienen mit 91,22 Euro zwar auch weni-
ger als Frauen in Westdeutschland (109,47 €), der relative Unterschied ist mit 20,0 Prozent aber viel
geringer als bei den Männern.
In Sachsen-Anhalt liegt das Bruttotagesentgelt der Frauen bei 83,52 Euro und das der Männer bei
86,99 Euro. Damit verdienen Frauen im Schnitt 4,1 Prozent weniger als Männer. Neben Branden-
burg und Mecklenburg-Vorpommern (jeweils 3,8 %) hat Sachsen-Anhalt damit den niedrigsten
Gender Pay Gap unter allen Bundesländern.

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Tabelle 1: Tagesentgelt und unbereinigter Gender Pay Gap in den Bundesländern, Deutschland, Ost-
und Westdeutschland
30. Juni 2017, in Euro und Prozent, sortiert nach der Höhe des Gender Pay Gap

Bundesländer                        Tagesentgelt Frauen            Tagesentgelt Männer              Gender Pay Gap
Baden-Württemberg                           100,23                         134,58                          29,5
Bayern                                       98,61                         126,56                          25,0
Bremen                                       97,76                         124,30                          24,0
Saarland                                     92,72                         117,70                          23,9
Niedersachsen                                89,49                         113,29                          23,6
Rheinland-Pfalz                              92,74                         116,19                          22,5
Nordrhein-Westfalen                          98,02                         121,09                          21,1
Hamburg                                     109,59                         134,70                          20,6
Hessen                                      105,35                         128,99                          20,3
Schleswig-Holstein                           89,24                         107,07                          18,2
Thüringen                                    79,64                          86,92                           8,8
Sachsen                                      82,96                          89,38                           7,5
Berlin                                      101,43                         108,93                           7,1
Sachsen-Anhalt                               83,52                          86,99                           4,1
Brandenburg                                  84,52                          87,81                           3,8
Mecklenburg-Vorpommern                       81,07                          84,18                           3,8
Deutschland                                 106,50                         131,95                          20,8
Ostdeutschland                               91,22                          96,24                           6,1
Westdeutschland                             109,47                         137,73                          22,8

Anmerkung: Die Berechnungen beziehen sich auf Vollzeitbeschäftigte (ohne Auszubildende) im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.
Der Gender Pay Gap berechnet sich aus der Differenz der logarithmierten Tagesentgelte.
Quelle: Beschäftigtenhistorik des IAB; eigene Berechnungen. © IAB

4.2        Die Kreise Sachsen-Anhalts
Betrachtet man den Gender Pay Gap auf der Ebene der Kreise, zeigen sich nach Fuchs et al. (2019b)
große räumliche Disparitäten innerhalb Deutschlands. Dabei wird die Höhe des regionalen Gender
Pay Gap hauptsächlich durch das Entgelt der Männer in einer Region beeinflusst, denn die Lohn-
unterschiede zwischen den einzelnen Kreisen Deutschlands sind für sie wesentlich größer als für
die Frauen (Fuchs et al. 2019c). Die nachfolgenden Abbildungen stellen diesen Zusammenhang für
die Kreise in Sachsen-Anhalt dar.
Abbildung 2 zeigt das durchschnittliche Tagesentgelt der Frauen in den Kreisen Sachsen-Anhalts.
Es ist in den beiden kreisfreien Städten Halle (90,84 €) und Magdeburg (90,46 €) am höchsten. Dicht
dahinter folgt Dessau-Roßlau (89,75 €). Am wenigsten verdienen Frauen hingegen im Altmarkkreis
Salzwedel (74,88 €). Es folgen der Landkreis Mansfeld-Südharz (78,00 €) und der Landkreis Anhalt-
Bitterfeld (78,15 €).
Auch das durchschnittliche Tagesentgelt von Männern (Abbildung 2) fällt in Halle (95,59 €) und
Magdeburg (94,26 €) am höchsten aus. Damit bestätigt sich das allgemeine Bild, dass in Großstäd-
ten höhere Löhne gezahlt werden als in ländlichen Regionen, auch für Sachsen-Anhalt. Das nied-
rigste Entgelt erhalten Männer im Landkreis Mansfeld-Südharz (80,07 €) sowie im Landkreis Sten-
dal (80,29 €) und im Altmarkkreis Salzwedel (81,14 €). Somit lässt sich festhalten, dass sich zwar
die Lohnhöhe zwischen Männern und Frauen in Sachsen-Anhalt unterscheidet, das Muster in der
regionalen Lohnverteilung zwischen Frauen und Männern aber recht ähnlich ist.

IAB-Regional Sachsen-Anhalt-Thüringen 1|2020                                                                             15
Abbildung 2: Tagesentgelt der Frauen und Männer in den Kreisen Sachsen-Anhalts
30. Juni 2017, in Euro

Anmerkung: Die Berechnungen beziehen sich auf Vollzeitbeschäftigte (ohne Auszubildende) im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.
Quelle: GeoBasis-DE/BKG 2018; Beschäftigtenhistorik des IAB; eigene Berechnungen. © IAB

Der unbereinigte Gender Pay Gap setzt nun die Löhne der Frauen und Männer ins Verhältnis zuei-
nander (Abbildung 3). Besonders groß ist der absolute Abstand beim Tagesentgelt zwischen Män-
nern und Frauen mit über 6 Euro im Altmarkkreis Salzwedel sowie in den Landkreisen Börde und
Anhalt-Bitterfeld, die folglich den höchsten Gender Pay Gap unter den Kreisen Sachsen-Anhalts
aufweisen. Auffällig ist weiterhin, dass die Lohnlücke in den beiden kreisfreien Städten Halle und
Magdeburg ebenfalls recht groß ist, obwohl dort sowohl Frauen als auch Männer im Kreisvergleich
am besten verdienen. Besonders hervor sticht auch der negative Gender Pay Gap in Dessau-Roß-
lau, wo vollzeitbeschäftigte Frauen 2,74 Euro pro Tag mehr verdienen als Männer. Im Landkreis
Stendal schließlich herrscht Gleichstand – Frauen verdienen dort so viel wie Männer.

IAB-Regional Sachsen-Anhalt-Thüringen 1|2020                                                                             16
Abbildung 3: Unbereinigter Gender Pay Gap in den Kreisen Sachsen-Anhalts
30. Juni 2017, in Prozent

Anmerkung: Die Berechnungen beziehen sich auf Vollzeitbeschäftigte (ohne Auszubildende) im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.
Quelle: GeoBasis-DE/BKG 2018; Beschäftigtenhistorik des IAB; eigene Berechnungen. © IAB

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Abbildung 4 dargestellt. Es zeigt sich kein genereller
Zusammenhang zwischen der Lohnhöhe in einer Region und dem Gender Pay Gap: die Kreise mit
den höchsten Löhnen für beide Geschlechter haben einen Gender Pay Gap im Mittelfeld (Halle und
Magdeburg), wohingegen Kreise mit einem geringeren Lohnniveau sowohl eine hohe als auch ge-
ringe Lohnungleichheit aufweisen (z B. Landkreis Mansfeld-Südharz und Altmarkkreis Salzwedel).
Der generelle Befund für Deutschland, dass die Höhe des regionalen Gender Pay Gap mit der Höhe
der Entgelte von Männern zusammenhängt, gilt für Sachsen-Anhalt nur in sehr abgeschwächter
Form. Der Korrelationskoeffizient, der diesen Zusammenhang misst, liegt bei 0,15, über alle Kreise
Deutschlands hinweg aber bei 0,71. Demgegenüber ergibt sich ein negativer Zusammenhang zwi-
schen dem Gender Pay Gap und den Löhnen der Frauen von -0,38. Das bedeutet, dass der Gender
Pay Gap umso geringer ist, je höher das Lohnniveau der Frauen in einem Kreis ist. Dies ist in Des-
sau-Roßlau der Fall, aber auch in Magdeburg, Halle oder dem Saalekreis und stellt eine generelle
Besonderheit Ostdeutschlands dar. Für die westdeutschen Kreise existiert hier mit einem Korrela-
tionskoeffizienten von -0,05 faktisch kein Zusammenhang.

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Abbildung 4: Unbereinigter Gender Pay Gap in den Kreisen Sachsen-Anhalts
30. Juni 2017, Tagesentgelt in Euro und Gender Pay Gap in Prozent, sortiert nach der Höhe des Gender Pay Gap

 100

   95

   90

   85

   80

   75

   70

   65

   60

   55

   50
                                                       Tagesentgelt der Frauen                                     Tagesentgelt der Männer
                                                       Gender Pay Gap
                                                                                                                                                                7,9     7,9                    8,0
                                   2,6          2,6                                                                         5,7          5,9             6,3
                                                                                                 5,0                5,1
                                                                   4,1         4,2

         -3,1            0,0

                                                                                                                                                                        Anhalt-Bitterfeld
                                                                                                                                                                Börde
                                                                                                                    Halle
                         Stendal

                                                                                                 Burgenlandkreis

                                                                                                                                                         Harz
                                                                                                                                         Salzlandkreis
                                                Mansfeld-Südharz

                                                                   Magdeburg
                                   Wittenberg

                                                                                                                                                                                            Altmarkkreis
         Dessau-Roßlau

                                                                               Jerichower Land

                                                                                                                            Saalekreis

                                                                                                                                                                                             Salzwedel
Anmerkung: Die Berechnungen beziehen sich auf Vollzeitbeschäftigte (ohne Auszubildende) im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.
Quelle: Beschäftigtenhistorik des IAB; eigene Berechnungen. © IAB

4.3 Der unbereinigte Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt nach
ausgewählten Merkmalen
Um einen ersten Überblick über mögliche Einflussfaktoren auf den unbereinigten Gender Pay Gap
zu erhalten, wird dieser im Folgenden jeweils separat für einige ausgewählte Merkmale betrachtet,
die schon in Kapitel 2 Erwähnung fanden.

4.3.1       Beruf
Ein wichtiges Merkmal, welches die Höhe des Gender Pay Gap beeinflusst, ist der gewählte Beruf
von Männern und Frauen. In Tabelle 2 sind die zehn Berufsgruppen aufgelistet, in denen in Sach-
sen-Anhalt die größten geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede existieren. Aus Gründen der
Übersichtlichkeit gehen wir dabei nicht auf die einzelnen Berufe, sondern nur auf die übergeord-
nete Ebene der Berufsgruppen ein.
Die Berufsgruppe der „Rechtsberatung, -sprechung und -ordnung“ weist mit 50,2 Prozent den
höchsten Gender Pay Gap auf, d. h. in diesem Beruf verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen gerade
einmal halb so viel wie Männer. An zweiter Stelle steht der „Verkauf von Lebensmitteln“, in dem

IAB-Regional Sachsen-Anhalt-Thüringen 1|2020                                                                                                                                                         18
der Gender Pay Gap schon deutlich niedriger ausfällt. Mit einem Wert von 25,7 Prozent steht die
„Drucktechnik und -weiterverarbeitung, Buchbinderei“ an zehnter Stelle.
Generell kann anhand des Frauenanteils in einem Beruf bestimmt werden, ob es sich um einen
typischen Frauen- oder Männerberuf handelt. Frauenberufe haben dabei einen Frauenanteil von
über 70 Prozent, und Männerberufe haben einen Frauenanteil von unter 30 Prozent. In Sachsen-
Anhalt befinden sich mit den Berufsgruppen „Rechtsberatung, -sprechung und -ordnung“, „Ver-
kauf von Lebensmitteln“, „Pharmazie“, „Arzt- und Praxishilfe“ sowie „Rechnungswesen, Control-
ling und Revision“ fünf typische Frauenberufe unter den Berufsgruppen mit dem höchsten Gender
Pay Gap. Unter die Männerberufe fallen hingegen lediglich die „Mechatronik und Automatisie-
rungstechnik“ sowie die „Drucktechnik und –weiterverarbeitung, Buchbinderei“. Die personenmä-
ßig am stärksten besetzte Berufsgruppe der „Unternehmensorganisation und –strategie“, in der
etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen sind, zählt demgegenüber zu den Mischberu-
fen.

Tabelle 2: Die 10 Berufsgruppen mit dem höchsten unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt
30. Juni 2017, in Prozent und absoluten Werten

                                                                         Gender           Anzahl der
Berufsgruppe
                                                                         Pay Gap         Beschäftigten      Frauenanteil

Rechtsberatung, -sprechung und -ordnung                                    50,2                1.403            79,0

Verkauf von Lebensmitteln                                                  37,4                3.869            88,9

Pharmazie                                                                  34,7                1.427            82,6

Verkauf von Bekleidung, Elektronik, Kraftfahrzeugen und Hartwaren          34,3                4.815            39,5

Technisches Zeichnen, Konstruktion und Modellbau                           33,6                2.512            40,7

Mechatronik und Automatisierungstechnik                                    31,6                1.956              5,3

Unternehmensorganisation und -strategie                                    30,0              20.018             54,5

Arzt- und Praxishilfe                                                      27,2                6.191            96,5

Rechnungswesen, Controlling und Revision                                   27,1                6.381            76,3

Drucktechnik und –weiterverarbeitung, Buchbinderei                         25,7                1.079            27,0

Gesamt                                                                      4,1             467.520             35,7

Anmerkung: Die Berechnungen beziehen sich auf Vollzeitbeschäftigte (ohne Auszubildende) im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.
Nur Berücksichtigung von Berufsgruppen mit 1.000 und mehr Beschäftigten.
Quelle: Beschäftigtenhistorik des IAB; eigene Berechnungen. © IAB

Die zehn Berufsgruppen mit dem niedrigsten Gender Pay Gap sind in Tabelle 3 aufgelistet. Hierbei
sind sieben Werte negativ, d. h. in diesen Berufsgruppen verdienen Frauen in Sachsen-Anhalt mehr
als Männer. Der „Hochbau“ ist die Berufsgruppe mit dem niedrigsten unbereinigten Gender Pay
Gap (-23,5 %), gefolgt von zwei weiteren Berufsgruppen, die mit dem Baugewerbe verbunden sind.
Der geringe Frauenanteil zeigt an, dass alle drei Berufsgruppen typische Männerberufe umfassen.
Dennoch existiert eine Lohnlücke, die zugunsten der Frauen ausfällt. Dies dürfte zum Teil damit zu
erklären sein, dass Frauen in diesen Bereichen eher übergeordnete Positionen mit komplexen Ar-
beitsinhalten innehaben.

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Die zehn Berufsgruppen mit der niedrigsten Lohnlücke umfassen mit der „Lehrtätigkeit für berufs-
bildende Fächer, betriebliche Ausbildung und Betriebspädagogik“ sowie der „Erziehung, Sozialar-
beit, Heilerziehungspflege“ lediglich zwei typische Frauenberufsgruppen. Somit gehört der Groß-
teil der 10 Berufsgruppen mit dem niedrigsten Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt zu den Männer-
berufsgruppen.

Tabelle 3: Die 10 Berufsgruppen mit dem niedrigsten unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt
30. Juni 2017, in Prozent und absoluten Werten

                                                                         Gender           Anzahl der
Berufsgruppe
                                                                         Pay Gap         Beschäftigten      Frauenanteil

Hochbau                                                                   -23,5              12.405               1,0

Klempnerei, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik                          -19,1                5.000              0,4

Tiefbau                                                                   -15,3                5.422              2,0

Lehrtätigkeit für berufsbildende Fächer, betriebliche Ausbildung
                                                                            -4,3               2.260            47,8
und Betriebspädagogik

Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege                               -2,4             10.106             75,9

Ver- und Entsorgung                                                         -1,1               4.443              3,7

Gartenbau                                                                   -0,9               2.929            24,6

Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik                           0,4                8.164              2,1

Bau- und Transportgeräteführung                                             0,8                4.714              1,5

IT-Netzwerktechnik, IT-Koordination, IT-Administration und IT-Or-
                                                                            1,0                1.815            12,7
ganisation

Gesamt                                                                      4,1             467.520             35,7

Anmerkung: Die Berechnungen beziehen sich auf Vollzeitbeschäftigte (ohne Auszubildende) im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.
Nur Berücksichtigung von Berufsgruppen mit 1.000 und mehr Beschäftigten.
Quelle: Beschäftigtenhistorik des IAB; eigene Berechnungen. © IAB

Es bleibt festzuhalten, dass unter den zehn Berufsgruppen mit dem höchsten Gender Pay Gap
mehr Frauen- als Männerberufsgruppen vertreten sind, bei denjenigen mit dem niedrigsten Gen-
der Pay Gap aber deutlich mehr Männer- als Frauenberufsgruppen. Jedoch zeigt sich bei einer Be-
trachtung der gesamten Verteilung des unbereinigten Gender Pay Gap über die Berufsgruppen,
dass sich dieses Bild nicht über alle Berufsgruppen hinweg fortsetzt. So gibt es Frauenberufsgrup-
pen mit einer niedrigen Lohnlücke und Männerberufsgruppen, die einen hohen unbereinigten
Gender Pay Gap aufweisen.

4.3.2     Alter
Die Betrachtung des Gender Pay Gap in Sachsen-Anhalt nach Altersgruppen verdeutlicht, dass die-
ser bis zu der Gruppe der 35- bis 39-Jährigen kontinuierlich ansteigt (Abbildung 5). Mit einem Wert
von 10,4 Prozent weist diese Gruppe die höchste Lohnlücke auf. Danach sinkt diese dann wieder
ab und ist bei der Gruppe der über 55-Jährigen vollständig verschwunden.
Besonders hervorzuheben ist die stark negative Lohnlücke in der jüngsten Altersgruppe der 15- bis
19-Jährigen (-10,0 %). Vollzeitbeschäftigte Frauen erhalten also in Sachsen-Anhalt zu Beginn des
Erwerbslebens 10 Prozent mehr Lohn als Männer. Schäfer/Weyh (2018) zeigen für Sachsen, dass

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