Validierung des globalen MERIS-METEO-Wasserdampfprodukts mit Mikrowellenradiometer-Messungen - Freie Universität Berlin

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Validierung des globalen MERIS-METEO-Wasserdampfprodukts mit Mikrowellenradiometer-Messungen - Freie Universität Berlin
Validierung des globalen MERIS-
METEO-Wasserdampfprodukts mit
Mikrowellenradiometer-Messungen

                        von
                  Adrian Fischer

        Als Diplomarbeit im Fach Meteorologie
     eingereicht am Fachbereich Geowissenschaften
            Freie Universität Berlin

                Berlin, November 2005
Validierung des globalen MERIS-METEO-Wasserdampfprodukts mit Mikrowellenradiometer-Messungen - Freie Universität Berlin
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Validierung des globalen MERIS-METEO-Wasserdampfprodukts mit Mikrowellenradiometer-Messungen - Freie Universität Berlin
1. Gutachter: Prof. Dr. Jürgen Fischer

            Fachbereich Geowissenschaften, Freie Universität Berlin

                            2. Gutachter: Prof. Dr. Ralf Bennartz

Atmospheric and Oceanic Sciences, University of Wisconsin, Madison

                       3
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Inhaltsverzeichnis

Einleitung                                                                                   6

1 Grundlagen                                                                                 10
  1.1 Physikalische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         10
         1.1.1   Strahlungstransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   10
         1.1.2   Absorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    14
                 1.1.2.1   Normalverbreiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       15
                 1.1.2.2   Druckverbreiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      16
                 1.1.2.3   Dopplerverbreiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      16
                 1.1.2.4 Voigt-Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      17
         1.1.3   Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    18
                 1.1.3.1 Rayleigh-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       19
                 1.1.3.2 Mie-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        20
         1.1.4   Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21
   1.2   Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   24
         1.2.1 Das Satellitenspektrometer MERIS . . . . . . . . . . . . . . . . . .          25
         1.2.2 Das Mikrowellenradiometer MWR . . . . . . . . . . . . . . . . . .             27
   1.3   Wasserdampfableitungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      28
         1.3.1 MERIS-Wasserdampfableitungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . .            29
         1.3.2   MWR-Wasserdampfableitungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .          32

2 Globaler Wasserdampfsäulengehalt                                                           34
  2.1 Die MERIS-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         34
         2.1.1 ESA-Wolkenerkennungsalgorithmus für MERIS . . . . . . . . . . .               35
   2.2   MERIS-Wasserdampfprodukt für meteorologische Anwendungen . . . . . .                36
   2.3   Globaler Wasserdampfsäulengehalt aus MERIS-METEO . . . . . . . . . . .              41
   2.4   Validierung des MERIS-METEO-Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . .            48

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Inhaltsverzeichnis

3 Kameraabhängigkeitsstudien                    54

4 Zusammenfassung                               62

Literaturverzeichnis                            64

Danksagung                                      67

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Einleitung

Das Klima der Erde ist ein äußerst komplexes System. Innerhalb dieses Systems können selbst
geringe Änderungen der Randbedingungen enorme globale Folgen nach sich ziehen. Solche
Störungen haben seit jeher die Klimaentwicklung entscheidend beeinflusst. Somit ist das Kli-
ma kein statisches System. Vielmehr ist es ein Merkmal des Klimas, ständigen Variationen
unterworfen zu sein. Diese reichen von zeitlich kleinskalig bis großskalig. Das bedeutet, dass
sich Störungen sowohl kurzfristig als auch langfristig bemerkbar machen können. Unabhän-
gig von der zeitlichen Skala haben Veränderungen des Klimas aber erhebliche Auswirkungen
auf das Leben der Erde. Deshalb ist es von besonderem Interesse, die an der Klimavariation
beteiligten Prozesse und die prozessualen Wechselwirkungen untereinander genau zu verste-
hen.
  Vor dem Hintergrund technischer und sozialer Entwicklungen gibt es in den letzten Jah-
ren zunehmend Hinweise darauf, dass menschliche Aktivitäten zur Veränderung des Klima-
zustandes beitragen. Um Gegen- und Schutzmaßnahmen ergreifen zu können, müssen auch
diese anthropogenen Einflüsse erkannt und beschrieben werden. Neben der Schwierigkeit,
all die involvierten Prozesse und ihre Wechselwirkungen in Vorhersagen der Klimaentwick-
lung einzuarbeiten, kommt als erschwerender Faktor das Phänomen der Rückkopplung hinzu.
Hierbei handelt es sich um eine Verstärkung (positive Rückkopplung) oder Abschwächung
(negative Rückkopplung) des Einflusses der Störung auf das System. Rückkopplungen kön-
nen beispielsweise durch eine erhöhte Verdunstung in Folge einer Temperaturerhöhung ver-
ursacht werden. Da Wasserdampf ein Treibhausgas ist, verhindert ein Anstieg der Feuchte in
der Atmosphäre zusätzlich den Wärmeverlust durch infrarote Ausstrahlung. Somit wird die
anfängliche Störung unterstützt, d.h. die Erwärmung verstärkt sich selbst und die Kopplung
ist positiv. Andererseits führt eine feuchtere Atmosphäre zu vermehrter Wolkenbildung, was
in einer erhöhten Reflexion der einfallenden Solarstrahlung resultiert. Dieser Kühlungseffekt
wirkt dem eigentlichen Auslöser (der Erwärmung) entgegen und die Kopplung ist negativ.
Rückkopplungsmechanismen sind im Allgemeinen schwer vorhersagbar. Das Zusammenwir-
ken von positiver und negativer Rückkopplung erschwert eine Aussage bezüglich zukünftiger

                                              6
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Einleitung

Klimaentwicklungen zusätzlich. Jeder dieser Mechanismen muss aber bestmöglich in Klima-
modelle integriert werden, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.

  Wasser, in flüssiger, fester oder gasförmiger Form, stellt eine wesentliche Komponente im
Klimasystem dar. Nicht nur ist Wasserdampf das wichtigste Treibhausgas ([26], (s. Abb. 0.1)),
in erheblichem Maße beeinflusst Wasser auch die planetare Albedo. Veränderungen der Eisbe-
deckung, der Wolkenbedeckung und der Tropfengröße in Wolken tragen zu einer Modifikation
des Strahlungshaushalts der Erde bei und sind somit wichtige Faktoren der Klimavariabilität
[28].
  Atmosphärischer Wasserdampf zeigt eine enorme Variabilität hinsichtlich seiner räumli-
chen und zeitlichen Verteilung. So hängt die Konzentration unter anderem von der geogra-
phischen Breite, der Höhe und der Jahreszeit ab. Da Wasserdampf große Mengen an Energie
speichern kann, kommt ihm eine ausgesprochen wichtige Rolle im Energiehaushalt des Sy-
stems Erde-Atmosphäre zu. Die höchsten Wasserdampfkonzentrationen treten nahe der Erd-
oberfläche auf, da hier die Temperaturen am höchsten sind und sich die Wasserdampfquellen
befinden. Bezogen auf die geographische Breite finden sich die höchsten Wasserdampfwerte
wegen des dortigen Maximums der Solarstrahlung in den Tropen.
   Der Transport des Wasserdampfs wird im wesentlichen durch die Hadley-Zirkulation be-
stimmt. Mit ihr wird der Wasserdampf aus den Gebieten mit maximaler Verdunstung (±20 ◦
Breite) zum Äquator transportiert. Dadurch kommt es dort zu einer Konvergenz des Wasser-
dampfs. Die sogenannten ’westerlies’ (westliche Winde zwischen 35 ◦ und 60◦ südlicher und
nördlicher Breiten) transportieren den Wasserdampf zu höheren Breiten hin. Es existiert ein
Nettofluss von südlichen zu nördlichen Breiten, was hauptsächlich auf die unterschiedliche
Land-See-Verteilung zurückzuführen ist.

  Wegen der großen Relevanz des Wasserdampfs bei der Klimamodellierung sowie bei der
kurzfristigen Wettervorhersage [6], und wegen der enormen Variabilität seiner räumlichen
Verteilung ist es notwendig, kontinuierliche Beobachtungen zur Verfügung zu haben. Die
Fortschritte der Raumfahrt haben in den letzten Jahrzehnten den Einsatz von Satelliten zur
kontinuierlichen Fernerkundung von atmosphärischen Parametern, insbesondere des Wasser-
dampfs, möglich gemacht. Die dabei erreichte globale Abdeckung der Messungen ist ein ent-
scheidender Vorteil gegenüber anderen Messmethoden. Des weiteren besteht ein Vorteil der
Satellitenfernerkundung darin, dass zusätzliche klimarelevante Daten (wie z.B. Wolkenhöhe
oder Tropfengröße) erhoben werden können, um damit Parametrisierungen für die Klimamo-
dellierung zu verbessern.

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Einleitung

Abbildung 0.1: Absorptionsspektren von Wasserdampf; a) kurzwellige Einstrahlung von der
               Sonne und b) langwellige Ausstrahlung von der Erde. Die rote Linie (Abb.
               a) bzw. die blaue Linie (Abb. b) sind die Spektren eines schwarzen Körpers.
               (Quelle: http://physicsweb.org)

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Einleitung

  In den letzten Jahren sind deshalb einige Projekte initiiert worden, die sich unmittelbar
mit der Klimatologie des Wasserdampfs befassen. Das GOME Water Vapor Climatology Pro-
ject (GWC) stellt Wasserdampfsäulengehalte bereit, welche aus Messungen des Global Ozone
Monitoring Experiment (GOME, montiert auf der ESA ERS-2 Satellitenplattform) abgeleitet
wurden. Für den Zeitraum von 1995 bis 2003 liefert das GWC monatlich gemittelte globale
Wasserdampfsäulengehalte. Die guten Resultate bei der Ableitung des Wasserdampfs über al-
len Oberflächentypen in wolkenfreien Fällen [21, 20] und die Menge der Daten machen das
GWC zu einer einzigartigen Ressource für die Klimamodellevaluierung.

  Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA startete am 01.03.2002 den Umweltsatelliten EN-
VISAT (Environmental Satellite). Neben vielen anderen Instrumenten zur Erdfernerkundung
(z.B. Überwachung von Atmosphäre, Hydrosphäre und Biosphäre) trägt er das abbildende
Spektrometer MERIS (Medium Resolution Imaging Spectrometer) [18]. Dieses Gerät wurde
in erster Linie zur Ozeanfernerkundung entwickelt, bietet aber auch Möglichkeiten zur Ablei-
tung atmosphärischer Parameter. MERIS besitzt neben weiteren Kanälen zwei Spektralkanäle
bei 885nm bzw. 900nm, aus deren Messungen der Wasserdampfsäulengehalt abgeleitet wer-
den kann [13, 1].
  Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine globale Klimatologie des Wasserdampfs aus MERIS-
Daten erstellt. Um Informationen bezüglich der Genauigkeit des MERIS- Wasserdampfpro-
dukts zu erhalten, müssen die abgeleiteten MERIS-Wasserdampfwerte mit Werten anderer Ge-
räte validiert werden. Ableitungen des Wasserdampfs über Land aus MERIS-Messungen [2, 3]
wurden von Albert [1] validiert. Über Wasser ist aufgrund der dunkleren Oberfläche und des
daraus resultierenden Einflusses von Aerosolen eine geringere Genauigkeit zu erwarten. So
wurden in dieser Arbeit nur MERIS-Wasserdampfgehalte über Ozean mit den Wasserdampf-
werten des Mikrowellenradiometers (MWR) validiert. In Kapitel 1 werden dazu zunächst die
physikalischen Grundlagen für das Verständnis des Wasserdampfableitungsverfahren sowie
die verwendeten Instrumente und angewandten Ableitungsverfahren vorgestellt. In Kapitel
2 wird das in dieser Arbeit zu untersuchende Produkt beschrieben und die daraus erstellten
globalen Wasserdampffelder präsentiert. Des weiteren findet sich in diesem Kapitel eine Va-
lidierung dieses Wasserdampfprodukts mit MWR-Daten über Wasserflächen. Im 3. Kapitel
wird dann untersucht, welchen Einfluss die spezielle Bauweise von MERIS auf den abgelei-
teten Wasserdampf hat und welche Effekte die MERIS-Messungen überlagern. Abschließend
werden in Kapitel 4 die Ergebnisse zusammengefasst.

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1 Grundlagen

1.1 Physikalische Grundlagen
Atmosphärische Parameter können nicht direkt von Satelliten gemessen werden. Eine Mög-
lichkeit, solche Größen dennoch erfassen und genau bestimmen zu können ist die Betrachtung
der Modifikation der Solarstrahlung beim Durchgang durch die Erdatmosphäre. Diese Modi-
fikation wird mit Hilfe des Strahlungstransports beschrieben.
  In diesem ersten Teil der Arbeit werden die Grundlagen zum Verständnis der beim Strah-
lungstransport involvierten Prozesse gegeben. Innerhalb dieses Abschnitts soll zunächst auf
die Strahlungsübertragungsgleichung eingegangen werden, die zur allgemeinen Beschreibung
dieser Prozesse dient (s. Abs. 1.1.1). Darauf folgend werden dann Absorption, Streuung und
Reflexion als physikalische Prozesse tiefergehend erklärt und genauer beschrieben (s. Abs.
1.1.2, 1.1.3 und 1.1.4).

1.1.1 Strahlungstransport
Die wichtigsten Prozesse, welche die Solarstrahlung beim Durchgang durch die Erdatmosphä-
re beeinflussen, sind die Absorption sowie die Streuung der Photonen durch atmosphärische
Bestandteile. Die Theorie des Strahlungstransports liefert die mathematische Beschreibung
zur Berechnung dieser Wechselwirkungen [7].

  Ein Strahlungsfeld kann beim Durchgang durch eine Schicht der Dicke ds grundsätzlich
abgeschwächt oder verstärkt werden. Eine Abschwächung (Extinktion) hängt zum einen von
der Stärke der Strahlung ab, zum anderen von den Extinktionseigenschaften der durchstrahl-
ten Schicht. Die Extinktionseigenschaften werden durch den Massenextinktionskoeffizienten
σe beschrieben. Eine Verstärkung hängt dagegen nur von den Eigenschaften des Mediums ab,
welches durchstrahlt wird. Diese Eigenschaften werden durch den Massenemissionskoeffizi-
enten j zusammengefasst. Da bei beiden Massenkoeffizienten die Gesamteigenschaften der
durchlaufenen Schicht eingehen, beschreiben sie nicht nur Absorptions- bzw. Emmisionspro-

                                             10
1 Grundlagen

zesse, sondern auch Streuprozesse in den Weg s hinein und aus ihm heraus.

  Für monochromatische Strahlung lassen sich Verstärkung und Abschwächung der Strah-
lung nun folgendermaßen beschreiben:

Verstärkung:                dL+ (r, s) = j(r, s) ρ(r)ds ,
                                                       
                                                        dm

Abschwächung:               dL− (r, s) = −L(r, s) σe (r) ρ(r)ds .
                                                                
                                                                      dm

L(r, s) bezeichnet dabei die Strahldichte in Richtung s und am Ort r, ρ(r) die Dichte des
Mediums am Ort (r), und folglich steht ρ(r)ds für die durchstrahlte Masse dm.

  Durch Addition der beiden Terme (Verstärkung und Abschwächung) erhält man die Bilanz-
gleichung des Strahlungsfeldes.

Bilanzgleichung:            dL(r, s) = dL− (r, s) + dL+ (r, s)

Einsetzen obiger Terme: dL(r, s) = −L(r, s) σe (r) ρ(r)ds + j(r, s) ρ(r)ds

Die Bilanzgleichung entspricht also der Änderung der Strahldichte entlang des Ausbreitungs-
weges s.

Mit der Einführung der

                                              r ,s)
Quellfunktion:                J(r, s) =   j(
                                            σe (r)
                                                            und des

Extinktionskoeffizienten:           c(r) = σe (r) ρ(r)

folgt die allgemeine Form der Strahlungsübertragungsgleichung (SÜG):

                                dL(r, s)
                                           = c(r)(J(r, s) − L(r, s)) .
                                  ds

In dieser allgemeinen Form der Gleichung werden Quellen und Senken des Strahlungsfel-

                                                       11
1 Grundlagen

des zusammengefasst. Der Quellenterm ist demnach durch c(r) J(r, s), der Senkenterm durch
−c(r) L(r, s) charakterisiert.

  In beiden Termen (Quellen- und Senkenterm) sind verschiedene Prozesse integriert, welche
zu einer Zunahme bzw. zu einer Abnahme der Strahldichte in Ausbreitungsrichtung führen
können.

Der Quellenterm beinhaltet:

    • Strahlung, die aus anderen Richtungen in den betrachteten Raumwinkel gestreut wird
      (elastische Streuung),

    • Strahlung beliebiger Wellenlänge, die aus anderen Richtungen in den betrachteten Spek-
      tralbereich und Raumwinkel gestreut wird (inelastische Streuung) und

    • Strahlung, die in den betrachteten Spektralbereich und Raumwinkel emittiert wird.

Der Senkenterm beinhaltet:

    • Strahlung, die aus dem betrachteten Raumwinkel hinausgestreut wird und

    • Strahlung, die durch Gase oder Teilchen absorbiert wird.

Zu beachten ist, dass beim Durchgang durch die Atmosphäre die Quellen wiederum durch
Extinktion abgeschwächt werden.

  Für die meisten Anwendungen ist es allerdings nötig, die SÜG in eine zur numerischen
Behandlung geeignetere Form zu bringen. Dazu werden zwei Annahmen gemacht:

   1. Ozean und Atmosphäre sind planparallel, und

   2. die Streueigenschaften von Ozean und Atmosphäre hängen nur vom Streuwinkel ab,
      nicht von Einfalls- und Streurichtung selbst.

Medien, bei denen Annahme 2. erfüllt ist, werden als isotrop bezeichnet.
Mit Hilfe dieser beiden Annahmen kann die SÜG weiter umgeformt werden. Dazu bedarf es
darüber hinaus der Einführung von:

                                              12
1 Grundlagen

  1. der Volumenstreufunktion der elastischen Streuung β E ,

                                       β E (r, cos θ) = bE (r) P E (r, cos θ) ,

      wobei bE und P E der Streukoeffizient bzw. die Phasenfunktion der elastischen Streuung
      sind,

  2. der Volumenstreufunktion der inelastischen Streuung β I ,

                             β I (r, cos θ, λ , λ) = bI (r, λ , λ) P I (r, cos θ, λ , λ) ,

      wobei bI und P I den Streukoeffizienten bzw. die Phasenfunktion der inelastischen Streu-
      ung beschreiben, und λ bzw. λ die ursprüngliche bzw. modifizierte Wellenlänge be-
      zeichnen, und

  3. der optischen Tiefe τ (der zwischen den Höhen z und z0 integrierte Extinktionskoeffizi-
      ent als vertikale Koordinate),
                                                               z
                                                τ (z) =             c(z  )dz  .
                                                               z0

Damit lässt sich folgende Gleichung erstellen, die als Standardform der SÜG bezeichnet wird:

             dL(τ, µ, φ)
         µ               = −L(τ, µ, φ) + J E (τ, µ, φ) + J I (τ, µ, φ) + J EM (τ, µ, φ) .
                dτ                                                                 
                                                                              J(τ,µ,φ)

Hierbei ist θ der Zenitwinkel (µ = cos θ) und φ der Azimutwinkel.

Nun ist es möglich, eine formale Lösung der SÜG anzugeben:

                                       1
                                         τ
                                      −τ                           −(τ − τ  ) dτ 
         L(τ, µ, φ) = L(0, µ, φ) exp(    )+     J(τ  , µ, φ) exp(            )     .
                                      µ       0                       µ         µ
                                                                               
                                                                                    2

                                                        13
1 Grundlagen

Mit Hilfe der Terme 1 und 2 aus obiger Gleichung lässt sich die SÜG nun wie folgt interpre-
tieren:

Die Strahldichte L im Niveau τ in betrachteter Richtung (µ, φ), setzt sich zusammen aus:

   1. der Strahldichte im Niveau τ = 0, d.h. am Oberrand der Atmosphäre, welche auf dem
      Weg durch die Atmosphäre zum Niveau τ extingiert wird (siehe Senken), und

   2. der vom Oberrand der Atmosphäre bis zum Niveau τ erzeugten Strahldichte in Richtung
      (µ, φ), welche ebenfalls durch Extinktion geschwächt wurde (siehe Quellen).

Wie bereits erwähnt, sind analytische Lösungen der SÜG nur für Spezialfälle möglich. Um
nun aber die Strahlungsübertragung auch für andere konkrete Fälle zu berechnen, wurden
numerische Methoden zur Lösung der SÜG entwickelt. Ein Beispiel dafür ist die ’Matrix
Operator Methode’ [22]. Diese Methode und das zugehörige Modell MOMO [12] wurden
auch verwendet, um das MERIS-Wasserdampfprodukt abzuleiten (s. Kap. 1.3).

1.1.2 Absorption
Die Abschwächung der Solarstrahlung beim Durchgang durch die Atmosphäre ist der Effekt,
auf dem ein Hauptteil der Verfahren zur Ableitung von atmosphärischen Größen aus Satelli-
tenmessungen aufbauen. Die Abschwächung oder auch Extinktion der Strahlung setzt sich aus
Absorption und Streuung zusammen. Beide Prozesse sollen hier auf der Grundlage der Arbeit
von Bohren und Huffman [4] nacheinander physikalisch beschrieben werden.

  Ein Photon wird von einem Atom nur dann absorbiert, wenn die Energie des Photons, wel-
che durch E = hν gegeben ist, genau der Energie entspricht, welches ein Elektron benö-
tigt, um ein höheres Energieniveau zu erreichen. Somit ergeben sich für jedes Atom diskrete
Absorptionsfrequenzen. Die Atmosphäre setzt sich jedoch zum überwiegenden Teil aus Mo-
lekülen zusammen. Deshalb werden Photonen dort hauptsächlich von Molekülen absorbiert.
Durch die erhöhte Anzahl der Freiheitsgrade bei Molekülen ergeben sich auch weitere Anre-
gungsfrequenzen. Diese Frequenzen müssen nicht mit denen übereinstimmen, die ein Elektron
benötigt, um in ein höheres Energieniveau zu gelangen. So kann ein Molekül durch Absorpti-
on zusätzlich verschiedene Schwingungs- und Rotationszustände annehmen. Absorptionslini-
en entstehen im elektromagnetischen Spektrum genau bei den Frequenzen, welche das Atom

                                            14
1 Grundlagen

bzw. das Molekül absorbiert. Absorptionsbanden wiederum sind Ansammlungen von Absorp-
tionslinien. Durch Messungen innerhalb solcher Absorptionsbanden können verschiedenste
atmosphärische Parameter vom Satelliten aus bestimmt werden. So wird zum Beispiel durch
Messungen innerhalb der Absorptionsbande von Wasserdampf bei 900nm der Wasserdampf-
säulengehalt (’water vapor column content’; wvcc) abgeleitet.

  Nach obiger Darstellungsweise müssten die einzelnen Absorptionsfrequenzen scharf abge-
grenzt und exakt definiert sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr beobachtet man ein
’Verschmieren’ der Linien zu den Rändern hin. Drei Effekte führen zu dieser sogenannten Ver-
breiterung: die Normalverbreiterung, die Druckverbreiterung und die Dopplerverbreiterung.
Zum besseren Verständnis sollen diese hier kurz erläutert werden.

1.1.2.1 Normalverbreiterung

Die Normalverbreiterung einer Absorptionslinie beruht auf der Heisenberg’schen Energie-Zeit
Unschärferelation, die lautet:

                                                  h
                                       ∆E =          .
                                                  ∆t

Dabei ist ∆E die Unschärfe der Energie, ∆t die mittlere Lebensdauer des angeregten Zustan-
des und h das Planck’sche Wirkungsquantum.

  Je länger ein angeregter Zustand andauert, desto kleiner ist die Unschärfe des Energieni-
veaus. Je kürzer aber die Lebensdauer eines Zustandes ist, desto größer wird die Unschärfe
bezüglich der Energie. Dies kann man sich durch eine Fourieranalyse des Wellenzuges ver-
deutlichen:
   Ein angeregter Zustand führt zur Emission eines Wellenzuges. Dieser ist endlich und be-
sitzt eine entsprechende Frequenz. Je langlebiger der angeregte Zustand ist, desto länger ist
der emittierte Wellenzug. Der Wellenzug bleibt jedoch endlich und verletzt damit die per-
fekte Periodizität. Somit muss eine Fourieranalyse des Wellenzuges ein Frequenzkontinuum
anstatt einer diskreten Frequenz ergeben. Daraus lässt sich ersehen, dass der Effekt der Un-
schärfe (d.h. ’Verschmieren’ der Frequenz) umso größer wird, je kürzer der Zustand der An-
regung andauert. Aus der Unschärfe der Emissionsfrequenz ergibt sich eine Unschärfe der
Anregungsfrequenz, die so zu einer Absorptionslinienverbreiterung führt.

                                             15
1 Grundlagen

1.1.2.2 Druckverbreiterung

Die Normalverbreiterung der Absorptionslinien wird jedoch von weitaus stärkeren Mechanis-
men der Verbreiterung überlagert. Einer dieser Mechanismen ist die Druckverbreiterung.

  Mit höherem Druck in einem Gas nimmt der Abstand zwischen den Molekülen oder Ato-
men ab. Durch die Abstandsabnahme nimmt aber die Wahrscheinlichkeit eines Zusammensto-
ßes zwischen den Teilchen zu. Da solche Zusammenstöße in der Regel dazu führen, dass Teil-
chen aus einem angeregten Zustand wieder in den Ausgangszustand ’zurückfallen’, verkürzt
sich somit die Lebensdauer von angeregten Teilchen unter erhöhtem Druck. Wie aber bereits
bei der Normalverbreiterung unter Berücksichtigung der Heisenberg’schen Energie-Zeit Un-
schärfe erwähnt, erhöht sich bei einer Lebensdauerverkürzung die Unschärfe des Energienive-
aus, was wiederum zu einer Unschärfe der Absorptionsfrequenz und so zu einer Verbreiterung
der Absorptionslinien führt. Für das Drucklinienprofil, welches auch Lorentzprofil genannt
wird, des Absorptionskoeffizienten k ergibt sich:

                                   k(ν) = S gL (ν − ν0 ) .

S entspricht der Linienintensität. Der Linienformfaktor g L wird beschrieben durch:

                                               1      αL
                              gL (ν − ν0 ) =                     ,
                                               π (ν − ν0 ) + αL2

wobei ν0 die Zentralfrequenz der Linie ist, und αL die temperatur- und druckabhängige Halb-
wertsbreite der Linie angibt, mit:

                                                     p T0 n
                                αL (p, T ) = αL0 (     )( ) .
                                                     p0 T
Hierbei ist αL0 die Referenzbreite bei T0 = 273K und p0 = 1013hPa, und n ein vom jeweiligen
Gas abhängiger Exponent.

1.1.2.3 Dopplerverbreiterung

Ein anderer Mechanismus, welcher die Normalverbreiterung überlagert, wird als Dopplerver-
breiterung bezeichnet.

  Da der Druck in der Atmosphäre bekanntlich mit der Höhe abnimmt, ist die Druckverbrei-
terung oberhalb 40km nur sehr schwach ausgeprägt. Druck und Dichte sind in großer Höhe

                                               16
1 Grundlagen

zwar gering, jedoch ist die Temperatur und damit die Geschwindigkeit der Teilchen hoch.
Diese hohe Geschwindigkeit der Teilchen führt zu einer signifikanten Ausprägung der Dopp-
lerverbreiterung in großer Höhe.

   Der Dopplereffekt, welcher diesem Verbreiterungsmechanismus seinen Namen gab, lässt
sich gut an einem vorbeifahrenden Auto verdeutlichen. Bewegt es sich auf den Beobachter
oder Hörer zu, so wird die Wellenlänge des Schalls zum kurzwelligeren Bereich hin verscho-
ben. Entfernt sich das Auto jedoch vom Hörer, so wird der Schall zum langwelligeren Bereich
hin verschoben. Diese beiden Effekte sind durch den Frequenzabfall beim Vorbeifahren des
Autos deutlich hörbar. Bewegen sich also Sender und Empfänger aufeinander zu, so erhöht
sich die Frequenz, entfernen sie sich voneinander, so nimmt die Frequenz ab. Analog verhält
es sich auch mit Luftmolekül und Photon. Sind die Bewegungen der beiden Teilchen gleich-
gerichtet, so scheint die Frequenz des Photons niedriger. Sind die Bewegungen von Molekül
und Photon jedoch entgegengerichtet, so scheint die Frequenz des Photons erhöht. Diese Fre-
quenzverschiebungen spiegeln sich in der Verbreiterung der Absorptionslinien wieder. Die
entscheidende Größe hierbei ist die Relativgeschwindigkeit der beiden interagierenden Teil-
chen, also von Photon und Molekül. Im Bezugssystem des sich bewegenden Teilchens hat das
                                         v
Photon die Frequenz ν = νP h (1 ± c ). Hierbei ist v die Geschwindigkeitskomponente in
Strahlrichtung, c die Lichtgeschwindigkeit, ν P h die eigentliche und ν die dopplerverschobene
Frequenz des Photons. Für das Dopplerprofil, welches verglichen mit dem Drucklinienprofil
deutlich steiler ausfällt, gilt:

                                                  1       (ν − ν0 )
                               gD (ν − ν0 ) =     √ exp(−     2
                                                                    ).
                                                αD π         αD
                        √
Hier bezeichnet αD = νc0 2RT die Doppler-Halbwertsbreite (mit individueller Gaskonstante
R und Temperatur T ), welche durch die Temperaturabhängigkeit den Zusammenhang zwi-
schen Dopplerverbreiterung und Molekülgeschwindigkeit widerspiegelt.

1.1.2.4 Voigt-Profil

In der Atmosphäre sind sowohl Druck- als auch Dopplerverbreiterung wirksam. Für tatsäch-
lich gemessene Absorptionslinien ergibt sich somit ein aus Druck- und Dopplerverbreiterung
kombiniertes Profil, das sogenannte Voigt-Profil. Im Bereich der zentralen Frequenz ähnelt es
eher dem steilen Dopplerprofil, an den Rändern jedoch nähert es sich dem flacheren Druckli-
nienprofil an (s. Abb. 1.1).

                                                   17
1 Grundlagen

Abbildung 1.1: Voigt- (A), Doppler- (B) und Drucklinienprofil (C). Dargestellt ist der Lini-
               enformfaktor g als Funktion der Wellenzahldifferenz vom Linienzentrum (aus
               Fischer und Albert, 2002).

1.1.3 Streuung

Als weiterer wichtiger physikalischer Prozess, der bei der Extinktion der Solarstrahlung eine
wesentliche Rolle spielt, soll nun die Streuung näher erläutert werden. Im Gegensatz zur Ab-
sorption, bei der Strahlungsenergie an das absorbierende Teilchen verloren geht, ändert sich
durch Streuung die Ausbreitungsrichtung der Strahlung.

  Trifft eine elektromagnetische Welle auf ein Teilchen, so nimmt dieses die Energie auf
und strahlt sie sofort wieder in alle Richtungen ab. Dabei sind jedoch nicht alle Richtungen
gleichberechtigt. In welche Richtung bevorzugt gestreut wird, hängt vom Verhältnis von Größe
des Teilchens zu Wellenlänge der Strahlung, von seinem komplexen Brechungsindex und von
der Form des Teilchens ab.
  Wie schon im Kapitel zum Strahlungstransport gesehen (s. Abs. 1.1.1), lassen sich Streupro-
zesse in zwei Gruppen gliedern: die elastische Streuung und die inelastische Streuung. Bei der
elastischen Streuung wird im Gegensatz zur inelastischen Streuung die Frequenz des gestreu-
ten Teilchens nicht beeinflusst, und nur diese Streuereignisse sollen hier genauer betrachtet
werden.

  Grundsätzlich kann Streuung an allen Teilchen der Atmosphäre stattfinden. Das sind zum
Beispiel Luftmoleküle, Aerosole und Wolkenteilchen. Ist der Radius des streuenden Teilchens

                                             18
1 Grundlagen

deutlich kleiner als die Wellenlänge des gestreuten Photons (r  λ), so wird von Rayleigh-
Streuung gesprochen. Wenn die Wellenlänge in etwa dem Radius entspricht (r ≈ λ), so kann
die Streuung durch die Mie-Theorie beschrieben werden. Beide werden in den kommenden
Abschnitten genauer erläutert (s. Abs. 1.1.3.1 und 1.1.3.2). Übersteigt der Radius des streuen-
den Teilchens jedoch deutlich die Wellenlänge des Photons (r  λ), so kann dieser Prozess
als Brechung und Beugung mit den bekannten optischen Gesetzen beschrieben werden.
  Beim Durchlaufen der Luftschicht treten aber nicht nur Einzelstreuprozesse auf, sondern
auch Mehrfachstreuung. Je optisch dicker das Medium ist, desto höher ist die Wahrscheinlich-
keit von Mehrfachstreuprozessen.

1.1.3.1 Rayleigh-Streuung

Wird Solarstrahlung an Luftmolekülen gestreut, so kommt es zu Rayleigh-Streuung. Dabei
bewirkt das elektromagnetische Feld eine Ladungstrennung auf dem streuenden Teilchen, und
es entsteht ein Dipol. Die Oszillation des anregenden Feldes wird auf den Dipol übertragen,
der dann ebenfalls oszilliert und somit eine elektromagnetische Welle emittiert. Diese Emissi-
onswelle hat genau die selbe Frequenz wie die Anregungswelle, was bedeutet, dass anders als
bei der Absorption keine Energie verloren geht. Somit stellt sich die Volumenstreufunktion in
Abhängigkeit vom Streuwinkel θ wie folgt dar:

                                    βR (θ) = bR,λ PR (θ) .

Die Volumenstreufunktion ergibt sich also aus dem Produkt von:

Streukoeffizient              bR,λ ∼ λ−4

und Phasenfunktion           PR (θ) = 34 (1 + cos2 θ).

Die Phasenfunktion beschreibt dabei die Beziehung zwischen Streuwinkel und Lichtinten-
sität. Anhand der beiden Faktoren, aus denen sich die Volumenstreufunktion zusammensetzt,
lassen sich nun weitere Eigenschaften der Rayleigh-Streuung verdeutlichen.

   Bei der Betrachtung des Streukoeffizienten bR,λ fällt zunächst einmal auf, dass die Inten-
sität der gestreuten Strahlung umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge ist.
Daraus folgt, dass kurzwellige Strahlung sehr viel stärker gestreut wird als langwellige. Diese
Eigenschaft hat beobachtbare Konsequenzen, denn so erklärt sich auch die Blaufärbung des

                                              19
1 Grundlagen

Himmels. Der im sichtbaren Bereich kurzwellige Blauanteil des Lichts wird herausgestreut
und erreicht nach vielen Streuereignissen das menschliche Auge so aus allen Richtungen des
Himmels. Für den längerwelligen Anteil der Strahlung ist die Rayleigh-Streuung nur schwach
ausgeprägt. Das bedeutet, dass der Rot- bzw. Gelbanteil des Sonnenlichts kaum herausgestreut
wird, und somit nur dieser Anteil des Spektrums auf direktem Weg in das Auge trifft. Im Falle
von Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergängen durchläuft die Strahlung einen langen Weg durch die
untere dichte Atmosphäre. Dabei wird aufgrund der verstärkten Rayleigh-Streuung der blaue
Anteil des Lichts so stark herausgestreut, dass er das menschliche Auge nicht mehr erreicht
und die Sonne rot erscheint. Dieses rote Licht wird wiederum von Aerosolen, unabhängig von
der Wellenlänge, gestreut (Mie-Streuung, s. Abs. 1.1.3.2). Erkennbar ist dies an der rötlichen
Verfärbung des Himmels [24].

  Die Phasenfunktion PR (θ) der Rayleigh-Streuung ist symmetrisch. Sie weist Maxima von
gleicher Intensität in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung auf (s. Abb. 1.2). Die von der Sonne
emittierten elektromagnetischen Wellen sind unpolarisiert und schwingen senkrecht zur Aus-
breitungsrichtung. Die induzierten Dipole können sich also in jede Richtung senkrecht zur
Sonne ausrichten. Die Emission von Strahlung eines Dipols ist maximal senkrecht zu seiner
Oszillationsrichtung. Dadurch ergeben sich die Maxima in Vorwärts- bzw. Rückwärtsstreu-
richtung, denn in diese Richtungen wird unabhängig von der Orientierung des Dipols immer
emittiert. In die anderen Richtungen wird nur bei bestimmten Orientierungen des Dipols emit-
tiert.

1.1.3.2 Mie-Streuung

Die Beschreibung der Mie-Theorie ist komplizierter als die der Rayleigh-Streuung, da an
dem induzierten elektrischen Feld nicht nur ein Dipol beteiligt ist, sondern eine Überlagerung
mehrerer Multipole. Die daraus resultierende Phasenfunktion wird mit Hilfe von unendlichen
Reihen von Zylinderfunktionen beschrieben. Jeder Teilchenradius entspricht einer anderen
unendlichen Reihe von Zylinderfunktionen. Mit Hilfe der Überlagerung vieler solcher Zy-
linderfunktionsreihen (für verschiedene Teilchenradien) kann die Phasenfunktion durch die
Henyey-Greenstein-Phasenfunktion recht gut approximiert werden.

                                                   1 − g2
                              PHG (θ) =                        3
                                          (1 + g 2 − 2g cos θ) 2
Hierbei ist g ein Asymmetriefaktor zwischen 0 und 1, der die Stärke der Vorwärtsstreuung
beschreibt.

                                              20
1 Grundlagen

  Die Mie-Theorie liefert die Streueffizienz, welche über den Radius des streuenden Teil-
chens in den Streukoeffizienten umgerechnet werden kann. Die Wellenlängenabhängigkeit des
Streukoeffizienten variiert dabei mit der Größe der streuenden Teilchen, ist aber im Vergleich
zum Streukoeffizienten der Rayleigh-Streuung gering.

                                    bM,λ ∼ λ−0.7 bis λ−2

Auch hier lassen sich nun weitere Eigenschaften der Mie-Streuung beschreiben:
  Die Mie-Streuung ist wesentlich weniger von der Wellenlänge abhängig als dies bei der
Rayleigh-Streuung der Fall ist. Somit wirkt sich dieser Streuprozess auf alle elektromagneti-
schen Wellen, deren Wellenlänge in der selben Größenordnung wie die Ausmaße des streu-
enden Teilchens liegen, nahezu gleich aus. Auch dies ist wiederum beobachtbar. Wolken er-
scheinen weiß, da alle Frequenzen des Lichts in gleichem Maße an den Wolkenpartikeln ge-
streut werden. Und auch in einer Atmosphäre mit hohem Aerosolgehalt weicht das Blau einem
weißlich-grauen Farbton.
   Die Phasenfunktion PHG (θ) ist unsymmetrisch. Photonen werden bevorzugt in Vorwärts-
richtung gestreut: die Phasenfunktion weist einen ausgeprägten Vorwärtspeak auf (s. Abb.
1.2).

  In Abbildung 1.2 sind exemplarisch Rayleigh- und Mie-Phasenfunktion wiedergegeben.
Trotz des logarithmischen Auftragens ist das Maxima von Rayleigh-Phasenfunktion in Vor-
wärts- und Rückwärtsstreurichtung erkennbar. Bei der Mie-Phasenfunktion ist deutlich der
Vorwärtspeak zu erkennen. Bei Streupartikeln, deren Ausmaße im Grenzbereich zwischen
dem von Mie- und Rayleigh-Streuung liegen, wird ein fließender Übergang beobachtet. Das
bedeutet, je kleiner das streuende Teilchen im Vergleich zur Wellenlänge ist, desto symmetri-
scher wird die Phasenfunktion. So wird deutlich, dass im Fall von sehr kleinen Teilchen die
Mie-Theorie auch die Rayleigh-Streuung erklärt, da sich in diesem Fall die Phasenfunktion
der Mie-Streuung immer mehr der Phasenfunktion der Rayleigh-Streuung annähert.

1.1.4 Reflexion
Treffen Wellen (hier speziell elektromagnetische Wellen) auf eine Fläche, so ist diese Fläche
Ausgangspunkt vieler Kugelwellen, deren Überlagerungen die Austrittswelle erzeugen. Die-
ser als Reflexion bezeichnete Prozess tritt immer an der Grenzfläche auf, die zwei optisch
isotrope Medien voneinander trennt. Der physikalische Mechanismus der Lichtreflexion lässt

                                             21
1 Grundlagen

Abbildung 1.2: Exemplarische, auf 1 normierte Phasenfunktionen der Mie-Streuung (schwarz,
               für Tröpfchen mit ref f =10µm, λ = 760nm) und der Rayleigh-Streuung (rot).
               (Graphik überlassen von Rasmus Lindstrot, FU Berlin)

sich als Absorption und Abstrahlung des Lichts durch die Atome des reflektierenden Mediums
erklären. Die abgestrahlte Welle hat dabei die gleiche Wellenlänge wie die absorbierte Welle
und der Einfallswinkel ist gleich dem Reflexionswinkel. Einfallender Strahl, Einfallslot und
reflektierter Strahl liegen dabei in einer Ebene. Im Gegensatz zur Streuung spricht man nur
dann von Reflexion, wenn die Wellenlänge sehr klein im Vergleich zur reflektierenden Fläche
ist. Je nach der Oberflächenbeschaffenheit der Grenzfläche unterscheidet man zwei Arten von
Lichtreflexion. Sind die Rauhigkeiten der Grenzfläche klein gegen die Wellenlänge des Lichts,
so spricht man von regulärer Reflexion (Spiegelung). Dabei bleiben parallel auf die Trennflä-
che fallende Lichtstrahlen auch nach der Reflexion parallel. Sind dagegen die Rauigkeiten von
der Größenordnung der Wellenlänge, so erfolgt eine diffuse Reflexion. Parallel auf die Fläche
fallende Lichtstrahlen werden dabei in unterschiedliche Richtungen reflektiert. Je rauer die
reflektierende Fläche ist, umso höher ist der Anteil der diffusen Reflexion [27].

                                              22
1 Grundlagen

Abbildung 1.3: Abhängigkeit der Reflektanz von Wellenlänge und Bodentyp. Die grauen Bal-
               ken repräsentieren die Lage der MERIS-Kanäle 14 und 15. Reproduced from
               the ASTER Spectral Library through the courtesy of the Jet Propulsion La-
               boratory, California Institute of Technology, Pasadena, California. Copyright
               [encircled "c"] 1999, California Institute of Technology. ALL RIGHTS RE-
               SERVED. [19]

  Die Reflexion ist von der Wellenlänge der betrachteten Strahlungsanteile abhängig. So er-
scheinen zum Beispiel Wasserflächen im Mikrowellenspektrum glatt, während sie im Bereich
des sichtbaren Lichts diffus reflektieren. Neben dieser Wellenlängenabhängigkeit hängt die
Reflexion ebenso von der Beobachtungs- und Bestrahlungsgeometrie ab. Diese Abhängigkeit
wird mathematisch mit Hilfe der bidirektionalen Reflektanzverteilungsfunktion (BRDF) be-
schrieben. Auch die BRDF ist von der Wellenlänge abhängig und wird durch die strukturellen
und optischen Eigenschaften (z.B. Mehrfachstreuung, Transmission, Reflexion und Schatten-
bildung) der Oberfläche bestimmt. Demnach sind die von Sensoren gemessenen Strahlungsin-
tensitäten von der Wellenlänge, vom Sonnenstand und der Beobachtungsrichtung und von der
Lage der Objekte (bzw. deren Beschaffenheit) abhängig [5].

  Bei der Beschreibung von Reflexion an Wasseroberflächen muss des weiteren die durch
Kapillar- und Schwerewellen bedingte Oberflächenrauhigkeit sowie Schaumbildung berück-

                                            23
1 Grundlagen

sichtigt werden. Eine Herangehensweise beruht darauf, dass die rauhe Wasseroberfläche als
aus vielen ebenen Facetten unterschiedlicher Orientierung zusammengesetzt betrachtet wird.
Mit Hilfe des Brechungsgesetzes und der Fresnel’schen Formeln lässt sich der Strahlungs-
transport durch jede einzelne dieser ebenen Facetten beschreiben. Ist die Wahrscheinlich-
keitsdichteverteilung der Oberflächenorientierungen bekannt, so kann über die Berechnung
der Flächeninhalte von Facetten gleicher Orientierung und durch Addition der Beiträge aller
Facettenorientierungen der Strahlungstransport durch die rauhe Wasseroberfläche bestimmt
werden. Die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung der Orientierung rauher Wasseroberflächen
wurde unabhängig voneinander von Duntley [9] sowie von Cox und Munk [8] bestimmt. Wäh-
rend Duntley eine Zeitreihe der Oberflächenorientierung an ein- und demselben Ort direkt
bestimmte, leiteten Cox und Munk die Verteilung der Oberflächenorientierungen indirekt aus
Fotographien von Sonnenreflexen (’sun glint’) ab. Beide Methoden führten zu dem Ergeb-
nis, dass die Komponenten der Oberflächenorientierung parallel und senkrecht zur vorherr-
schenden Windrichtung in guter Näherung als unabhängige, normalverteilte Variablen aufge-
fasst werden können. Die Varianz der Variablen nimmt mit der Windgeschwindigkeit linear
zu. Dieses Ergebnis bildet die Grundlage zur Ableitung der analytischen Formulierung von
Reflexions- und Transmissionsfunktionen rauher Wasseroberflächen, welche zur Ableitung
von atmosphärischen Parametern (z.B. des Wasserdampfgehalts) benötigt werden [11].

1.2 Instrumente

Im folgenden Kapitel werden nun die beiden Instrumente vorgestellt, welche die Daten für
die Wasserdampfableitungen, die in dieser Arbeit benutzt werden, liefern. Beide Geräte sind
auf dem sonnensynchronen und polarumlaufenden ESA-Satelliten ENVISAT montiert. Die-
ser Satellit wurde im März 2002 gestartet, fliegt in ca. 800km Höhe und stellt Informationen
zu Atmosphäre, Ozean, Land- und Eisflächen bereit. Alle Daten werden auf dem Satelliten
gespeichert und mindestens einmal pro Orbit an Empfangsstationen, wie zum Beispiel in
Kiruna/Schweden, gesendet. Dort werden die empfangenen Daten entweder direkt prozes-
siert, oder anderen Wissenschaftlern zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung gestellt.

                                            24
1 Grundlagen

                  Abbildung 1.4: ENVISAT (Quelle: www.esa.int, 2005)

1.2.1 Das Satellitenspektrometer MERIS

Das Instrument MERIS (Medium Resolution Imaging Spectrometer) ist ein abbildendes Spek-
trometer. Es besteht aus 5 identischen Kameramodulen, deren Signale einzeln prozessiert wer-
den. Zusammen decken sie ein Sichtfeld von 68.5 ◦ um den Nadir herum ab. Dieser Öffnungs-
winkel entspricht einer Schwadbreite von 1150km. Das Spektrometer arbeitet nach der ’push
broom’ Methode. Dabei wird die eintreffende Strahlung von einem Gitter spektral zerlegt
und auf ein zweidimensionales CCD-Feld projiziert, welches das räumliche Abtasten quer zur
Flugrichtung übernimmt und die spektrale Information enthält. Die Auflösung hierbei wird
bestimmt vom Verhältnis der Anzahl der Pixel zum Öffnungswinkel. Die Flugbewegung des
Satelliten ergibt dabei das räumliche Abtasten entlang der Flugrichtung. Die Auflösung ent-
lang der Bewegungsrichtung wird vom Verhältnis von Fluggeschwindigkeit zur Integrations-
zeit bestimmt.

  Aus den spektralen Pixeln lassen sich im Bereich zwischen 390nm und 1040nm 15 spektra-
le Kanäle zusammensetzen. Die Pixel haben dabei eine Halbwertsbreite von 1.8nm und eine

                                            25
1 Grundlagen

    Kanal Zentralwellenlänge/Breite    Anwendung/abgeleitete Parameter
      1         412.5nm/10nm                    Gelbstoff, Trübung
      2         442.5nm/10nm                       Chlorophyll
      3          490nm/10nm                    Chlorophyll, Pigment
      4          510nm/10nm                   Schwebstoff, Trübung
      5          560nm/10nm              Chlorophyllreferenz, Schwebstoff
      6          620nm/10nm                        Schwebstoff
      7          665nm/10nm                        Chlorophyll
      8       681.25nm/7.5nm                       Chlorophyll
      9        708.25nm/10nm             Atmosphärenkorrektur, ’red edge’
     10       753.75nm/7.5nm        Wolkenoptische Dicke, Wolkenhöhenreferenz
     11        760nm/3.75nm                        Wolkenhöhe
     12        777.5nm/10nm                     Aerosol, Vegetation
     13          865nm/20nm               Aerosol, Atmosphärenkorrektur
     14          885nm/10nm                    Wasserdampfreferenz
     15          900nm/10nm                        Wasserdampf

                    Tabelle 1.1: MERIS-Kanäle und ihre Anwendungen

Schrittweite von 1.25nm. Die Position und Breite der 15 Kanäle lässt sich auch noch im nach-
hinein vom Boden aus umprogrammieren. Diese sind jedoch für den operationellen Betrieb
festgelegt (s. Tab. 1.1).

   MERIS kann parallel in zwei verschieden Operationsmodi arbeiten. Der Standardmodus
ist dabei Reduced Resolution (RR). Dieser eignet sich besonders für globale Missionen. Für
ausgewählte Szenen ist jedoch auch eine höhere Auflösung verfügbar. Diese Daten werden
als Full Resolution (FR) bezeichnet. Dieser Modus ist vor allem für regionale Missionen von
Interesse. Für meteorologische Dienste bietet die ESA die Low Resolution (LR) an. Die in
dieser Arbeit ausgewerteten Produkte lagen meist im LR-Format vor (s. Tab. 1.2).

  Die primäre Mission des Gerätes beinhaltet die Detektion von Phytoplankton, Gelbstoff,
Schwebstoffen und Algenblüten. Dies soll zu neuen Erkenntnissen über die oberen Schichten
der Ozeane führen. Weitere Ziele sind die Überwachung von Küstengebieten mit erhöhtem
Schadstoffeintrag, Untersuchungen über die Wasserqualität und topographische Beobachtun-
gen in Bezug auf Küstenerosion.
  Neben diesen Hauptaufgaben eignet sich das Gerät aber auch sehr gut dazu, Informationen
über die Höhe und optische Dicke von Wolken, den Wasserdampfsäulengehalt und Aerosolei-
genschaften der Atmosphäre zu erhalten und damit ein wesentlich genaueres Bild des Strah-

                                            26
1 Grundlagen

             Bezeichnung          Auflösung         Anwendung
         Low Resolution (LR)    4160m×4640m für meteorologische Dienste
        Reduced Resolution (RR) 1040m×1160m    für globale Missionen
          Full Resolution (FR)   260m×290m    für regionale Missionen

                 Tabelle 1.2: MERIS-Auflösungen und ihre Anwendungen

lungsgleichgewichts des Systems Erde-Atmosphäre zu erstellen.

  Die spezielle Bauweise des Instruments, bei der sich 5 Kameras das Sichtfeld teilen (s.
Abb. 1.5), kann zu Problemen bei der Ableitung von atmosphärischen Parametern führen.
Diese Schwierigkeiten werden in Kapitel 3 näher beschrieben.

           Abbildung 1.5: MERIS-Kameramodule (Quelle: www.esa.int, 2005)

1.2.2 Das Mikrowellenradiometer MWR
Das Instrument MWR (Microwave Radiometer) ist ein passiver zwei-Kanal Mikrowellen-
sensor, welcher die emittierte und reflektierte Strahlung der Erde in Kanälen bei 23.8GHz
und 36.5GHz misst. Das Gerät hat ein Sichtfeld von 20km und misst nahe des Nadirs. Beide
Kanäle arbeiten im ’dicke mode’, das heißt die gemessene Strahlung (Helligkeitstemperatur)
wird mit einer internen Temperaturreferenz verglichen. Das Schalten zwischen Messung und

                                           27
1 Grundlagen

Referenz erfolgt mit einer Frequenz von 1kHz und wird angewendet, um das Rauschen in
den Kanälen genau zu bestimmen und dadurch das Ausgangssignal zu verbessern. Die Mes-
sungen in den beiden Kanälen werden über zwei separate Hohlwellenleiter realisiert, so dass
der 23.8GHz Kanal in Vorwärtsrichtung misst, und der 36.5GHz Kanal in Rückwärtsrichtung.
Die beiden Messkegel haben auf der Erdoberfläche einen Abstand von 70km beiderseits des
Nadirs entlang der Flugrichtung.
Zusätzlich wird ein 2-Punkte Kalibrationsschema angewendet, bei dem die gemessene Strah-
lung der Erde mit zwei Referenztemperaturen verglichen wird. Als kalte Referenz wird hierbei
die Hintergrundstrahlung des Kosmos benutzt, als heiße Referenz dienen interne thermische
Elemente. Periodisch schaltet das Gerät also von eigentlicher Messung der von der Erde emit-
tierten Mikrowellenstrahlung zur Messung der heißen Referenz und dann zur Messung der
kalten Referenz [17].

  Durch die spektrale Lage der Kanäle an der Flanke der starken 22GHz Emissionslinie des
Wasserdampfs, kann dessen Säulengehalt bestimmt werden. Und so ist es die eigentliche Auf-
gabe dieses Instrumentes, mit Hilfe des abgeleiteten Wasserdampfs eine Weglängenkorrektur
für das Radaraltimeter (RA-2 auf ENVISAT) bereitzustellen. Die Messungen dienen aber auch
zur Bestimmung der Oberflächenemissivität und Bodenfeuchte.

  Probleme ergeben sich hier vor allem aufgrund der Variabilität der Emissivität von Landflä-
chen. Über Wasserflächen wird die Genauigkeit dieses Wasserdampfableitungsverfahrens mit
einem rmse von 0.1g/cm2 [10] angegeben. Deswegen wurde es zur Validierung des MERIS-
Wasserdampfprodukts über Ozeanen benutzt.

1.3 Wasserdampfableitungsverfahren

Wie bereits aus der Instrumentenbeschreibung (s. Abs. 1.2) hervorgeht, wird bei beiden Gerä-
ten der integrierte Wasserdampfgehalt nicht direkt gemessen. Vielmehr werden Strahldichten
gemessen und aufgezeichnet. Was beide Instrumente grundlegend voneinander unterschei-
det, ist der betrachtete Wellenlängenbereich. Während MERIS in 15 Kanälen von 390nm bis
1040nm misst, das heißt im sichtbaren Bereich bis zum nahen Infrarot, betrachtet das MWR
Strahldichten im Mikrowellenbereich, der erheblich langwelliger ist. In den folgenden zwei
Abschnitten werden die Wasserdampfableitungsverfahren nun genauer beschrieben.

                                             28
1 Grundlagen

                     Abbildung 1.6: MWR (Quelle: www.esa.int, 2005)

1.3.1 MERIS-Wasserdampfableitungsverfahren

Für das MERIS-Wasserdampfableitungsverfahren [14] werden von den 15 Spektralkanälen
hauptsächlich nur die Kanäle 14 und 15 benutzt, welche eine Zentralwellenlänge von 885nm
bzw. 900nm haben und eine Kanalbreite von 10nm. Das Verfahren benutzt die Methode der
differentiellen Absorption [23]. Diese beruht darauf, dass die Intensität der Solarstrahlung in
ausgewählten Spektralbereichen während des Durchgangs durch die Atmosphäre kontinuier-
lich durch Wasserdampfabsorption abnimmt [25]. Dabei werden bei diesem Gerät ein Kanal
mit sehr hoher Transmission (14) und ein Kanal im Absorptionsband des Wasserdampfs (15)
kombiniert. Damit ist es möglich, den integrierten Wasserdampfgehalt mit dem Verhältnis der
MERIS-Kanäle 14 und 15 in Verbindung zu bringen. Die allgemeine Form des Ableitungsal-
gorithmus hat die Form:

                                           LCh15               LCh15
                        W = k0 + k1 log(         ) + k2 log2 (       ),                   (1.1)
                                           LCh14               LCh14
dabei ist W der integrierte Wasserdampfgehalt, LCh14 und LCh15 sind die gemessenen Strahl-
dichten in Kanal 14 und 15. Die Faktoren k0 ,k1 und k2 sind Regressionskoeffizienten. In Glei-
chung 1.1 bezieht sich W auf eine Säule, welche senkrecht auf der Erdoberfläche steht und
in deren Zenit sich die Sonne befindet. Da MERIS-Messungen nie diese Geometrie aufwei-
sen, müssen Regressionskoeffizienten in den Ableitungsalgorithmus integriert werden. Für
die Berechnung der Regressionskoeffizienten müssen Sonnenzenitwinkel, Beobachtungswin-
kel, optische Dicke, Albedo (Landalgorithmus) und Windgeschwindigkeit (Ozeanalgorith-
mus) bekannt sein. Insgesamt werden drei verschiedene Verfahren angewendet, welche die

                                              29
1 Grundlagen

               Abbildung 1.7: MERIS-Spektrum (Quelle: www.esa.int, 2005)

unterschiedlichen Untergrundtypen berücksichtigen (Land, Ozean und Wolken). Die Regres-
sionskoeffizienten in Gleichung 1.1 hängen des weiteren von der aerosol-optischen Tiefe (für
den Ozeanalgorithmus) und dem Bodenluftdruck (für den Landalgorithmus) ab. Die beim Ab-
leitungsalgorithmus vorgenommene Regression ist immer eine Fehlerquelle.

  Dieses einfache Model geht von der Annahme aus, dass eine logarithmische Beziehung
zwischen der absorbierenden Masse und der Extinktion der Solarstrahlung existiert. Es reflek-
tiert somit das Bouguer-Beer-Lambert-Gesetz:

                                                   L
                      L(m) = L0 exp(−km) (⇒           = exp(−km)) .                     (1.2)
                                                   L0
Die Strahldichte L(m) nimmt demnach exponentiell mit der durchstrahlten Masse m ab, und
zwar in Abhängigkeit des Absorptionskoeffizienten k. Dieses Gesetz gilt jedoch nur für ei-
ne idealisierte nicht-streuende Atmosphäre, ungesättigte Absorption und monochromatische
Strahlung. Da keine dieser Bedingungen perfekt zutrifft, wurde ein empirischer quadratischer
Korrekturterm in Gleichung 1.1 eingefügt.

 Die Regressionskoeffizienten in Gleichung 1.1 wurden mit Hilfe des Strahlungstransport-
modells MOMO (Matrix Operator Modell) ermittelt. MOMO [15, 12] berechnet den Strah-
lungstransfer der direkten und diffusen Solarstrahlung in einem gekoppelten Ozean - Atmo-
sphäre - System. Es ist ein eindimensionales Modell, bei dem Ozean und Atmosphäre als
horizontal homogen betrachtet werden. Dabei wird die vertikale Schichtung der Atmosphäre
aus verschiedenen, aber in sich homogenen Schichten zusammengesetzt. Grundlage des Strah-
lungstransportmodells ist die ’Matrix Operator Methode’ (MOM) [22] , die im wesentlichen
schon in den vierziger bis sechziger Jahren entwickelt wurde. Die MOM basiert wiederum

                                             30
1 Grundlagen

auf einer Matrizenalgebra, welche die Bestimmung der Strahldichte an den Schichtgrenzen
ermöglicht.

Prinzipiell lassen sich zwei Kombinationsarten der einzelnen Schichten unterscheiden:

   1. Doubling: Kombination zweier homogener Schichten mit gleichen optischen Eigen-
      schaften und

   2. Adding: Kombination zweier beliebiger Schichten.

Zunächst wird eine Vertikalunterteilung der relevanten optischen Größen in homogene Schich-
ten unternommen. Die optischen Eigenschaften der einzelnen Schichten werden durch mehrfa-
che Anwendung des Doubling-Algorithmus aus einer sehr dünnen ’Elementarschicht’ berech-
net. Innerhalb dieser ’Elementarschicht’ gilt die Einfachstreuapproximation, d.h. Mehrfach-
streuung wird ausgeschlossen. Durch diese Annahme wird die Berechnung des Strahlungs-
transportes in den dünnen Schichten analytisch lösbar und vereinfacht sich somit erheblich.
Die Schichtdicke wächst dabei exponentiell mit der Anzahl der Doubling-Schritte.
  Die einzelnen, in sich horizontal und vertikal homogenen, jedoch voneinander verschiede-
nen Schichten werden nun mit dem Adding-Algorithmus kombiniert. Der Zeitaufwand hierfür
verhält sich linear zur Anzahl der Schichten; sind viele Schichten zur Beschreibung der Verti-
kalstruktur notwendig, so wächst auch der Zeitaufwand für deren Berechnung.
  Das Ergebnis der Simulation ist die auf- und abwärtsgerichtete Strahldichte an den definier-
ten Schichtgrenzen für eine wählbare Anzahl von Zenit- und Azimutwinkelstützstellen.

  Wie bereits erwähnt, beruht das MERIS-Ableitungsverfahren auf der Messung der von
der Erdoberfläche reflektierten Solarstrahlung. Die Reflektanz ist jedoch sehr stark vom Un-
tergrund abhängig. So reflektieren Wasserflächen nur schwach (außerhalb des ’sun glint’),
Wolken dagegen stark. Landflächen zeigen bezüglich der Reflektanz eine große Variabilität
(s. Abb. 1.3). Um diese Untergrundabhängigkeit bei der Ableitung des Wasserdampfs ent-
sprechend zu berücksichtigen, werden je nach Pixelidentifikation des Untergrunds drei unter-
schiedliche Ableitungsalgorithmen benutzt. Diese unterscheiden sich jedoch nur hinsichtlich
der Regressionskoeffizienten. Demnach existiert für Landflächen, Wasserflächen und Wolken
jeweils ein Algorithmus. Aus der Arbeit von Albert [1] geht hervor, dass der rmse für MERIS-
Reduced Resolution Szenen über Land 2.3kg/m2 beträgt. Angesichts der großen Variabilität
der Reflektanz über Landflächen ist dies eine hohe Genauigkeit. Da die Wasseroberfläche au-
ßerhalb des ’sun glint’ nur sehr schwach reflektiert, setzt sich das vom Satelliten gemessene

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1 Grundlagen

Signal vorwiegend aus zusätzlichen Streuereignissen aus der Atmosphäre zusammen. Dies
führt zu einer größeren Ungenauigkeit der abgeleiteten Parameter über Ozeanen. Innerhalb
des ’sun glint’ ist die Genauigkeit wesentlich höher, da hier die Ozeanoberfläche stark re-
flektiert. Die Größe des Fehlers bei der Ableitung von Wasserdampf über Wasserflächen ist
demnach erheblich vom Beobachtungswinkel abhängig.

1.3.2 MWR-Wasserdampfableitungsverfahren
Wie bereits angesprochen (s. Abs. 1.2.2), kann aufgrund der spektralen Lage der beiden
MWR-Kanäle der integrierte Wasserdampf bestimmt werden. Ähnlich dem MERIS- Wasser-
dampfalgorithmus (Absorptionskanal und Referenzkanal) benutzt man hier einen Emissions-
kanal (23.8GHz) und einen Referenzkanal (36.5GHz) um die Wasserdampfmenge abzuleiten.
Nach dem RA-2/MWR Product Handbook [10] wird mit Hilfe der Helligkeitstemperaturen aus
beiden Kanälen der integrierte atmosphärische Wasserdampf wie folgt berechnet:

                                                                                   c3
       V ap− Cont = c0 + c1 ln(280 − T B23− int) + c2 ln(280 − T B36− int) +             .
                                                                               (σ0− Ku)2

TB23_int und TB36_int sind die auf die Radarmessungen interpolierten Helligkeitstempera-
turen der zwei MWR-Kanäle, σ0− Ku ist der Ku-Band Rückstreukoeffizient (Mikrowellenbe-
reich zwischen 15,35GHz und 17,25GHz) und ci sind andere fallabhängige Koeffizienten (z.B.
Land/Ozean Identifikation und Windgeschwindigkeit). Der Ku-Band Rückstreukoeffizient ist
ein Maß für die Eigenschaft der Teilchen, Energie dieses Wellenlängenbereichs zu reflektie-
ren.

  Auch dieses Verfahren beruht auf dem Bouguer-Beer-Lambert-Gesetz (s. Gl. 1.2). Anders
als beim MERIS-Wasserdampfableitungsverfahren, bei dem eine logarithmische Beziehung
zwischen absorbierender Masse und Stärke der Absorption benutzt wird, bezieht sich die lo-
garithmische Beziehung beim MWR-Wasserdampfableitungsverfahren auf die emittierende
Masse und Stärke der Emission. Durch das Verhältnis der beiden Mikrowellenkanäle lässt
sich so der integrierte Wasserdampfgehalt der Atmosphäre bestimmen.
  Im Mikrowellenbereich elektromagnetischer Strahlung kommt es nur sehr selten zu Streuer-
eignissen, da die Wellenlänge im Verhältnis zum Radius der streuenden Teilchen sehr groß ist.
Beim Korrekturterm des MWR-Wasserdampfableitungsverfahrens wird deshalb mit Hilfe des
Ku-Band Rückstreukoeffizienten nur die Einfachstreuung (bzw. Reflektion) in den Messke-
gel hinein und aus ihm heraus berücksichtigt. Beim MERIS-Wasserdampfableitungsverfahren

                                              32
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