IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
IBH-LABS MAGAZIN GRUSSWORT 01 Grusswort Liebe Leser*innen, die Welt und mit ihr die Vierländerregion Bodensee stehen vor grossen Heraus- forderungen. Der Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie, der digitale Struktur- wandel in Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft, der Klimaschutz, die Nachhaltig- keitsbestrebungen und die demographischen Entwicklungen vereinen uns, die in der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) verbundenen Länder und Kantone. Innovative Lösungen technologischer, aber auch gesellschaftlicher Art sind gefragter denn je. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem EU-Regionalprogramm Interreg „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“, der neuen Regionalpolitik der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Internationalen Bodensee-Hochschule im Jahr 2015 die IBH-Labs auf den Weg gebracht. Das gemeinsame Ziel aller Partner war klar: die Erarbeitung kreativer und konkreter Lösungen für die Vierländerregion Bodensee! Dazu haben wir auf dem unglaublichen Schatz an Wissen in der IBH und ihren Hochschulen sowie den Erfahrungen einer Vielzahl von Organisationen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft aufgebaut. Die Themenfelder, in denen das geschehen soll, sind heute noch so aktuell wie damals: die Digitalisierung von Unternehmen und insbesondere von KMUs, die Schaffung technologischer und sozialer Lösungen im Gesundheits- und Pflegebereich und die Organisation von nahtlosen und innovativen Angeboten im Bildungsbereich. Die drei IBH-Labs haben in den vergangenen vier Jahren einen massgeblichen Bei- trag geleistet, um diesen Herausforderungen in der grenzübergreifenden Zusammen- arbeit zu begegnen: Sie haben eine Vielzahl an Unternehmen dabei unterstützt, massgeschneiderte Pfade der Digitalisierung zu beschreiten. Sie haben dafür gesorgt, dass fast 260 Wohnungen mit funktionierenden technologischen Assistenzsystemen ausgestattet sind, um Menschen mit Pflegebedarf so lange wie möglich ein aktives Leben zu ermöglichen. Und sie haben schliesslich dafür gesorgt, dass die Vierländer- region mittlerweile ein internationales Zentrum für erfolgreiche Bildungsangebote ist, in denen Brüche in den Bildungsbiographien vermieden werden. Ich möchte mich im Namen der IBK bei allen beteiligten Forschenden, Praxispart- nern und den beteiligten Förder- und Unterstützungsorganisationen für ihre Weit- sicht, ihr Engagement und ihre Verbundenheit mit den IBH-Labs und ihren Themen bedanken. Ich freue mich bereits jetzt auf die nächste Runde der Labs, die im Jahr 2022 starten wird. Regierungsrat Fredy Fässler Vorsitzender der Internationalen Bodensee-Konferenz und Mitglied der Regierung des Kantons St. Gallen
02 EDITORIAL IBH-LABS MAGAZIN Editorial Liebe Leser*innen, als Vertreter*innen des EU-Regionalprogramms Interreg V „Alpenrhein-Bodensee- Hochrhein“, der IBK-Kommission Bildung, Wissenschaft und Forschung und der Internationalen Bodensee-Hochschule im November 2015 ihre Unterschrift unter die Gründung der ersten IBH-Labs setzten, gaben sie den Startschuss für ein Experiment. Sowohl im Hinblick auf die Grösse als auch die Bauweise markierten die drei Innovationskonsortien, die kurz danach ihre Arbeit aufnahmen, Neuland für den Wissenschaftsverbund der Vierländerregion Bodensee. Jetzt sind die Labs auf der Zielgeraden angelangt, die meisten Projekte sind ab- geschlossen, und wir dürfen ein erfreuliches Fazit ziehen: Die Labs haben das gehalten, was wir uns von ihnen versprochen hatten — nämlich einen konkreten, in der Praxis spürbaren Beitrag für die Region zu leisten. Dieser Fokus auf die regionale Wirkung war und ist ein Markenzeichen der IBH- Labs, und ihm spüren wir auch in diesem Magazin nach. Deshalb lassen wir nicht nur einige der beteiligten Wissenschaftler*innen zu Wort kommen, sondern auch Menschen, die von den Erkenntnissen, Instrumenten und Dienstleistungen der Labs direkt profitiert haben: Vertreter von Unternehmen, die als Teil des IBH-Labs KMUdigital erfolgreich Digitalisierungsstrategien umgesetzt haben; Verantwortliche einer Kommune, die mit Hilfe des IBH Living Labs Active and Assisted Living ein seniorengerechtes Wohnprojekt realisiert haben; oder ein angehender Informatiker, der sich dank eines im IBH-Lab Seamless Learning entwickelten Moduls nun besser auf die neuen Anforderungen seines Berufs vorbereitet fühlt. Diese einzelnen Stimmen stehen stellvertretend für eine Vielzahl von Akteur*innen in der Region, die in den vergangenen Jahren von der grenzübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen der Labs profitiert haben. Wir freuen uns sehr, dass dieses Magazin nicht nur einen Abschluss markiert, sondern auch in die Zukunft weist. Im Jahr 2022 werden neue Labs ihre Arbeit auf- nehmen. Noch steht nicht fest, welche Teams und Ideen die Jury am meisten über- zeugt haben. Wir sind uns aber ziemlich sicher, dass auch die Impulse der künftigen Labs unsere Region voranbringen werden. Wir wünschen viel Freude beim Lesen! Ihr Team der IBH
IBH-LABS MAGAZIN INHALT 03 Inhalt 10 IBH-LAB KMUdigital Es geht nur noch ums Wie Wie viel Digitalisierung muss und wie viel passt in den Mittelstand? Diese beiden Fragen stellte sich das IBH-Lab KMUdigital in der Gründungsphase 2017. Heute ist klar: Die Unternehmen der Vierländerregion müssen sich maximal digitalisieren, um ihre Spitzenposition zu wahren. Die ersten Mutmacher gibt es. 16 IBH LIVING LAB ACTIVE AND ASSISTED LIVING 10 Sensoren für morgen Dem unterstützten Wohnen gehört die Zukunft – darin sind sich inzwischen alle Fachleute einig. Welche Technologien wirklich sinnvoll sind, hat das IBH Living Lab AAL in über 250 Testwohnungen untersucht. Um den demografischen Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen jetzt Geschäfts- modelle folgen. 22 IBH-LAB SEAMLESS LEARNING Durchblick beim Lernen Um Bildungsprozesse erfolgreich zu gestalten, müssen gerade die Übergänge und Nahtstellen in den Blick genommen werden. Auch dank des IBH-Labs Seamless Learning ist 16 22 die Region hierbei Vorreiter. DIE LABS IN ZAHLEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 04 KMUdigital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 ACTIVE AND ASSISTED LIVING . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 SEAMLESS LEARNING . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 EIN GESPRÄCH ZUM ENDE DER ERSTEN IBH-LABS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 VON 2015 BIS HEUTE: DIE CHRONIK DER IBH-LABS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 AUSBLICK: DIE LABS GEHEN IN DIE ZWEITE RUNDE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 ÜBER DIE IBH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
04 IBH-LABS IBH-LABS MAGAZIN Die Labs in Zahlen 10 Mio. Euro 1.500 Fördersumme Dokumente Das Interreg-Programm „Alpenrhein-Bodensee- 1.500 Dokumente werden jährlich mit Hilfe des im Hochrhein“ hat die drei Labs mit insgesamt 6,2 Millionen IBH-Lab Seamless Learning weiterentwickelten Euro gefördert. Inklusive eigener Mittel standen den Labs Thesis Writer verfasst. damit insgesamt rund 10 Millionen Euro zu Verfügung. 40 3.435 KMU Teilnehmende an Veranstaltungen Über 40 kleine und mittelständische Unternehmen Unter dem Dach der IBH-Labs wurden 204 aus der Region haben sich an den Projekten des eigene Veranstaltungen mit 3.435 Teilnehmenden IBH-Labs KMUdigital aktiv beteiligt. aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung, Intermediäre und Wissenschaft organisiert.
IBH-LABS MAGAZIN IBH-LABS 05 16 114 164 Geförderte Praxispartner*innen Forschende Hochschulen 16 Hochschulen aus allen vier In die Labs waren insgesamt 164 Forschende arbeiteten in Ländern der Bodenseeregion 114 Partner*innen aus Wirtschaft allen drei Labs. engagierten sich in den Labs. und Gesellschaft eingebunden. 484 257 Publikationen und Vorträge Haushalte Forschende in den Labs machten ihre Erkenntnisse 257 Haushalte mit Assistenzbedarf hat das IBH Living in insgesamt 484 wissenschaftlichen Publikationen und Lab Active and Assisted Living mit technologischen Vorträgen sichtbar. Unterstützungssystemen ausgestattet. Davon profitieren knapp 900 Menschen in der Vierländerregion.
06 IBH-LABS IBH-LABS MAGAZIN «Die IBH-Labs sind ein Leuchtturmprojekt für die Bodenseeregion. Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft arbeiteten eng und vor allem auch grenzüberschreitend zusammen an technologischen und sozialen Innovationen» Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Baden-Württemberg EVOLUTION INDIKATOR 2017 2018 2019 2020 f. Anzahl grenzüberschreitend tätig Forschende und Mitarbeitende 1 46 156 157 164 Anteil hochschulartenübergreifender Projekte 100 % 100 % 100 % 100 % Anzahl beteiligter Hochschulen 13 16 16 16 Anzahl eigener Veranstaltungen 3 106 61 34 Anzahl Teilnehmende an Veranstaltungen gesamt 233 1.546 1.161 495 · davon Studierende 5 236 72 10 · davon Mitarbeitende, Forschende, Unternehmen, Institutionen etc. 228 1.310 1.089 485 Anzahl Vorträge und Präsentationen 42 80 91 33 Anzahl Artikel und Publikationen in Fachzeitschriften, Journals etc. 4 53 86 95 Anteil geförderter Vorhaben mit regionalen Umsetzungspartnern 100 % 100 % 100 % 100 % Medienpräsenz in Artikeln und Beiträgen (exkl. Social Media) 12 14 20 11 1 davon zwölf nicht an IBH-Mitgliedshochschulen tätig
IBH-LABS MAGAZIN IBH-LABS 07 Über 200 Veranstaltungen haben die drei Innovationsnetzwerke in den vergangenen vier Jahren durchgeführt.
08 IBH-LABS IBH-LABS MAGAZIN Ein Vorbild für Europa Wir gratulieren: Prominente Stimmen aus Forschung und Politik zum Erfolg der ersten IBH-Labs. Prof. Dr. Sebastian Wörwag Dr. Barbara Schöbin-Fink Klaus Tappeser Rektor der Berner Fachhochschule, Vorarlberger Landesstatthalterin Regierungspräsident des Präsident des Hochschulrats der PH Thurgau Regierungsbezirks Tübingen und ehemaliger Vorsitzender der IBH Die IBH-Labs sind ein hervorragendes Mit der Einrichtung der IBH-Labs haben Zum Abschluss der erfolgreichen IBH- Beispiel für grenzüberschreitende For- die Internationale Bodensee-Konferenz Labs (Seamless Learning, KMUdigital, Li- schung im Herzen Europas. In zentralen und der Hochschulverbund neue Wege ving Lab Active and Assisted Living) gra- Gesellschaftsbereichen leisten sie We- beschritten. Wurden zuvor nur einzelne tuliere ich herzlich! Das Vertrauen in den sentliches, damit in der Bodenseeregion Projekte mit einer Laufzeit von zwei Jah- Erfolg der IBH-Labs wurde durch Interreg heutige und künftige Herausforderungen ren und einem eigenen Genehmigungs- „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ bereits mit gesicherten Erkenntnissen verant- verfahren gefördert, so sollten mit den zu Projektbeginn durch Kennzeichnung wortungsvoll adressiert werden können. Labs die Stärken der Hochschulen in the- als Leuchtturmprojekt bestätigt. An den Sie sind zudem ein leuchtendes Beispiel matischen Schwerpunkten deutlich ge- 21 Einzelprojekten haben sich alle Pro- hochschulartenübergreifender Zusam- bündelt und vielfältige Projektideen ge- grammpartner monetär beteiligt. Die IBH menarbeit und bieten einen wichtigen meinsam mit Partnern aus der Praxis über zusammen mit den Projektpartnern zeigt „Kitt“ im Zusammenhalt der internationa- einen Zeitraum von vier Jahren entwickelt damit einmal mehr, dass sie der treibende len Bodenseeregion. Gäbe es sie heute und umgesetzt werden. Dank grosszügiger Motor bei Innovation und Forschung im noch nicht, wäre es höchste Zeit sie zu Finanzierung, vor allem aber Dank des Bodenseeraum ist. gründen. enormen Engagements der involvierten Hochschulen und Praxispartner ist dieses Konzept der IBH-Labs voll aufgegangen. Die Ergebnisse sind vielversprechend und leisten einen massgeblichen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Region Bodensee, wofür ich allen Beteiligten herzlich danken möchte.
IBH-LABS MAGAZIN IBH-LABS 09 Theresia Bauer Olivier Baudelet Botschafter Dr. Eric Jakob Ministerin für Wissenschaft, Forschung European Commission, Leiter der Direktion für Standortförderung, und Kunst, Baden-Württemberg Programme Manager – Interreg Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO Die IBH-Labs sind ein Leuchtturmprojekt The IBH-Labs has been a success in sti- Die Internationale Bodensee-Hochschule für die Bodenseeregion, das wir mit un- mulating innovation around the Lake Con- hat mit den Labs ein wichtiges Innovations- seren Partnern aus Liechtenstein, Öster- stance. The European Union supports in- netzwerk in der Bodenseeregion geschaf- reich und der Schweiz realisiert haben. Ich novation as it can make enterprises more fen. Die Labs befassen sich mit bestehen- begrüsse es daher sehr, dass das Modell competitive, create jobs and bring new den regionalen Herausforderungen und bil- weitergeführt wird. Wissenschaft, Wirt- products or services its citizens. By coope- den dazu Inkubatoren, die Entwicklungs- schaft und Gesellschaft arbeiteten eng rating across borders, partners can have potenziale der Bodenseeregion entfalten. und vor allem auch grenzüberschreitend new ideas, find more complementarities Aus diesem Grund hat die Neue Regional- zusammen an technologischen und sozi- along the value-added chain and work politik die IBH-Labs über das Interreg Pro- alen Innovationen zu den Themen Digita- on a shared territory, regardless of poli- gramm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ lisierung oder Menschen im Alter. Dass tical borders. This is why the European in der Periode V gefördert und ich freu mich an allen drei IBH-Labs baden-württem- Union is proud to have co-funded the IBH- darauf zu sehen, welche Labs ab 2022 bergische Hochschulen beteiligt waren, Labs over the past years through the In- entstehen. Die Erwartungen dürfen hoch- bei einem sogar federführend, verdeut- terreg programme „Alpenrhein-Bodensee- gesteckt werden, denn nicht ohne Grund licht erneut deren Forschungsexzellenz. Hochrhein“. The success of the IBH-Labs is dienen die Labs als Vorbild für Forschungs- Zum Abschluss zeigt sich: Da ist etwas the proof that innovation brings prosperity, und Praxisstrukturen in Europa. erfolgreich zusammengewachsen. Trotz- that cooperation across borders brings dem bleibt es eine gemeinsame Aufgabe, results and that the partners around the die Vierländerregion Bodensee für die ge- Lake Constance are dynamic. sellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft stark zu machen.
10 KMUdigital IBH-LABS MAGAZIN Benjamin Köb (oben u. unten rechts) leitet beim Spülmaschinenhersteller Winterhalter die Abteilung Digitale Services und Produkte.
IBH-LABS MAGAZIN KMUdigital 11 IBH-LAB KMUdigital Es geht nur noch ums Wie Wie viel Digitalisierung muss und wie viel passt in den Mittelstand? Diese beiden Fragen stellte sich das IBH-Lab KMUdigital in der Gründungsphase 2017. Heute ist klar: Die Unternehmen der Vierländerregion müssen sich maximal digitalisieren, um ihre Spitzenposition zu wahren. Die ersten Mutmacher gibt es. D ie Idee ist alt und bestechend ein- fach: Man zahlt nicht für ein Produkt, sondern nur für den Gebrauch. Bei Strom beuren im Bodenseekreis dazu zwang, seinen Kunden ein neues Bezahlmodell anzubieten. Was Geschäftsführer Ralph Dem Markt voraus Ende 2016 sorgten „Pay per Wash“ und das ebenfalls neue Angebot „Connected oder Mietwagen ist das „Pay per Use“- Winterhalter vielmehr antrieb, war ein Wash“, das alle wichtigen Betriebsdaten Prinzip längst etabliert, und vor geraumer urschwäbischer Impuls: „Wir wollten die der Maschinen auswertet und Optimie- Zeit machte der Turbinenhersteller Rolls- Ersten sein.“ So erinnert sich Benjamin rungsmöglichkeiten anbietet, in der Fach- Royce von sich reden, als er Airlines Köb, seit 2011 bei Winterhalter und in- welt für Furore. „Wir hatten zwischen- dieses Geschäftsmodell offerierte. Doch zwischen Leiter Digitale Services und zeitlich durchaus das Gefühl, dem Markt erst mit der umfassenden Vernetzung Produkte. voraus zu sein, und für das Thema ‚Con- im Internet der Dinge und der Verfügbar- nected Wash‘ waren unsere Kunden an- keit von Echtzeitdaten ist das Modell zu fangs noch nicht reif“, erzählt Köb. Fünf einer echten Alternative geworden. Neu- Jahre später sieht das anders aus – denn erdings sogar für Spülmaschinen. in Sachen Digitalisierung ist seither eine «Wir wollten die Menge passiert. Die Welt der Grossküchen ist eigentlich eine traditionelle Branche. Hier ist die Ersten sein» Wie viel, lässt sich auch an der doppelten Winterhalter GmbH in etwas mehr als sie- Fragestellung ablesen, die das IBH-Lab ben Jahrzehnten zu einem der ganz gros- Benjamin Köb, KMUdigital im Vorfeld des Programm- sen Player geworden, mit 350 Millionen Leiter Digitale Services und Produkte, starts 2017 formuliert hatte: „Wie viel Di- Euro Umsatz und über 2.000 Mitarbei- Winterhalter gitalisierung muss und wieviel passt in ter*innen. Es war also nicht die Not, die den Mittelstand?“. Heute würde Oliver das Familienunternehmen aus Mecken- Haase, Informatikprofessor an der HTWG
12 KMUdigital IBH-LABS MAGAZIN für „alarmierend” hielten. „Denn die Un- ternehmen bewegen sich dann gegeben- «Digitalisierung ist zu einer enfalls in einer fälschlicherweise wahr- genommenen Sicherheit und sie realisie- Überlebensfrage geworden» ren nicht, mit welcher Geschwindigkeit Daten zu einem Teil der Wertschöpfung geworden sind.“ Oliver Haase, Leiter des IBH-Labs KMUdigital Den einen Fahrplan gibt es nicht Das Bewusstsein sei dafür heute in den Vor- ständen vorhanden, glaubt Oliver Haase, Konstanz und Leiter des Labs, die Frage „aber was die Tiefe der Geschäftsmodelle anders formulieren. „Die Frage nach dem angeht, sind wir nicht Weltspitze“. Und Muss stellt sich nicht mehr. KMU müs- nichts anderes kann der Massstab in einer sen maximal viel Digitalisierung umset- Region sein, die seit den 1970er-Jahren zen – das ist zu einer Überlebensfrage tonangebend in diesem Feld war. Damals geworden.“ hiess es: Automatisierung. Über 40 Prozent der KMU sahen Was aber müssen die Weltmarktführer von „fehlende Dringlichkeit“ heute tun, um morgen noch ebenso gut da- Vor wenigen Jahren sahen das Vertreter* zustehen? Den einen allgemeinen Digita- innen von KMU der Region vielfach noch lisierungsfahrplan gibt es nicht: Dies ist ganz anders. In einer um die Jahreswen- das Ergebnis des Projekts DigiNav. Es war de 2018 / 2019 durchgeführten Umfrage eigentlich mit der Hoffnung angetreten, des Teilprojekts Data4KMU bescheinig- Standardrezepte zu entwickeln. Worauf ten über 40 Prozent der Befragten dem es jedoch vielmehr anzukommen scheint, Thema für ihr Unternehmen eine „fehlen- ist die individuelle unternehmerische Ent- de Dringlichkeit“ – ein Befund, den die Pro- scheidung. So war es auch bei Winterhal- jektleiter*innen Petra Kugler (OST) und ter, wie Benjamin Köb weiss. „Man muss Jürg Meierhofer (ZHAW) schon damals den grossen Zeh ins Wasser halten, um zu IBH-LAB KMUdigital Beteiligte Hochschulen: Laufzeit: DHBW Ravensburg, FH Vorarlberg, 01.01.2017 – 31.12.2021 HTWG Konstanz, OST (Standorte Buchs und St. Gallen), Das IBH-Lab KMUdigital wird gefördert PHTG Kreuzlingen, vom EU-Regionalprogramm Interreg V Universität St. Gallen, ZHAW, „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“. ZU Friedrichshafen Rhysearch (Projektpartner) Ausgewählte Praxispartner finden Sie unter: www.kmu-digital.eu/de/netzwerk www.kmu-digital.eu
IBH-LABS MAGAZIN KMUdigital 13 Im Teilprojekt „i4Production“ erprobte das Team automatisierte Produktionsmethoden. spüren, wann das Wasser wärmer wird“ Wahr ist allerdings auch: „Am Unterneh- „Gerade für die eher kleinteilige Land- – sprich: Das Know-how und die Struktu- merstammtisch wird mehr über die Politik wirtschaft rund um den Bodensee ist es ren müssen bereits vorhanden sein, bevor geschimpft als über die eigene Prozess- wichtig, durch technologischen Vorsprung der Digitalisierungszug richtig Fahrt auf- optimierung gesprochen“ – sagt Beni Dürr, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“, nimmt. der in Sennwald im Rheintal mit seinem sagt Jürgen Prenzler, Leiter des Instituts Unternehmen Verdunova Gemüse für Tief- für mechatronische Systeme an der OST Auf dem Feld liegt noch viel Potenzial kühltruhen produziert. in Buchs und vormals Leiter der Produkt- „Dem Digitalisierungsschub durch Corona entwicklung beim Landmaschinenkon- müssen nun die regulatorischen Rahmen- Dürr ist immer schon eigene Wege ge- zern Claas in Bad Saulgau sowie Lei- bedingungen folgen“, sagt Oliver Haase. gangen, und insofern liess er sich gerne ter des Group Technologie Councils der Ob beim Datenschutz oder der Cybersi- als Partner des Teilprojektes DigiLand Gruppe. cherheit, dem Roll-out des 5G-Netzes einspannen. Schauplatz war ein Teil eines oder der digitalen Bildung: Der Forderungs- Broccolifeldes, in dem das Team genau Ausgangspunkt des Feldversuchs war der katalog der Unternehmen für eine digita- 2.876 Broccolis von der Pflanzung bis Umstand, dass der Landwirt zwar wusste, le Agenda der Vierländerregion ist lange zur Verarbeitung beobachtete und dabei wie viele Broccoli er setzte, nicht aber, noch nicht abgearbeitet (siehe Seite 15). eine Reihe von Prototypen testete. wie viel Stück er erntete. Das Gewicht
14 KMUdigital IBH-LABS MAGAZIN «Denkt einfach!» Beni Dürr, Geschäftsführer Verdunova ist als Indikator des Ertrags ungenau, kann. Auch die Überwachung mit Droh- schliesslich wären weniger Setzlinge, die nen hat aus Dürrs Sicht noch viel Poten- sich gut entwickeln, wesentlich effizienter zial. als viele ertragsarme. „Denkt einfach, nicht zu kompliziert und gross!“ lautete führung registriert, ob gerade ein guter Die knapp 50 Landwirte, die Verdunova Dürrs Wunsch an das Team, und so ent- oder schlechter Broccoli geschnitten beliefern, haben den Ansatz der Präzisi- stand in zahlreichen Diskussionen eine wurde. Oder ein Zähler mit Lichtschran- onslandwirtschaft verstanden. Kein Wun- Reihe von praxistauglichen Problemlö- ke, der die Stückzahl misst; oder ein der: Bei 30 Prozent mehr Gewinn ist die sungen: Ein intelligentes Erntemesser Hacksystem, das über optische Kameras Antwort auf die Frage nach der Digitali- zum Beispiel, das anhand der Schnitt- Unkraut erfasst und ihm ausweichen sierung ganz klar. Ein intelligentes Erntemesser sowie Messsysteme sind einige der Produktinnovationen aus dem Projekt „DigiLand“. Feldforscher unter sich: Wissenschaftler Jürgen Prenzler (links) und Landwirt Beni Dürr.
IBH-LABS MAGAZIN KMUdigital 15 Vernetzt uns! Wie kann Politik den Hidden Champions der Region helfen? Fünf Wünsche von KMU für eine Digitale Agenda Bodensee. + 5G an jeder Milchkanne Flächendeckend mindestens 10.000 Mbit/s (5G) Breitbandverfügbarkeit: Das muss aus Sicht der KMU in der Vierländerregion Standard sein – besser gestern als heute, und tatsächlich in jedem Dorf. + Digitale (Weiter-)Bildung Die schulische digitale Bildung ist speziell für KMU hochrelevant. Alles, was die neuen Fachkräfte noch nicht können, kostet sie sofort Zeit und Geld. Auch die Förderung von fachgerechter Weiterbildung sowie der Ausbau attraktiver digitaler Angebote gehören auf die Agenda. + Datensicherheit stärken Cybersicherheit ist eine essenzielle Grundlage für digitales Vertrauen. Doch gerade hier vermissen die KMU der Region noch staatliche Unterstützung, etwa über Kompetenzzentren, die finanzielle Förderung externer Beratung oder Hilfe bei juristischen Problemstellungen. + Den digitalen Staat schaffen Verwaltungstechnische Routineaufgaben, für die man den Gang zur örtlichen Behörde antreten muss: Dies soll aus Sicht der Vierländer-KMU der Vergangenheit angehören. Der digitale Staat ist aus ihrer Sicht ein Schlüssel, um die administrative Last auf ein Minimum zu reduzieren. + Die Vernetzung fördern Die länderübergreifende Vernetzung sowie die Kooperation, insbesondere mit Akteuren aus der Wissenschaft, ist den KMU wichtig. Die Schaffung eines digitalen Marktplatzes ist hierfür ein möglicher konkreter Ansatzpunkt. Die Wunschliste ist dem Weissbuch des Projekts Digitale Agenda Bodensee (DAB) entnommen. Es ist – wie weitere Ab- schlusspublikationen des Labs – kostenlos abrufbar: www.kmu-digital.eu/de/projekte Einen Rundumblick auf alle Projekte bietet das E-Book des Labs: www.kmu-digital.eu/ebook Die Abschlusspublikationen sind auf der Webseite des Labs kostenlos abrufbar.
IBH LIVING LAB ACTIVE AND ASSISTED LIVING Sensoren für morgen Dem unterstützten Wohnen gehört die Zukunft – darin sind sich inzwischen alle Fachleute einig. Welche Technologien wirklich sinnvoll sind, hat das IBH Living Lab AAL in über 250 Testwohnungen untersucht. Um den demografischen Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen jetzt Geschäftsmodelle folgen.
IBH-LABS MAGAZIN ACTIVE AND ASSISTED LIVING 17
18 ACTIVE AND ASSISTED LIVING IBH-LABS MAGAZIN Wohnen mit Burgblick: Idyllisch liegt das Projekt „Schlossgarta“ in Liechtensteins südlichster Gemeinde Balzers. M itte Oktober 2020, ein Ortstermin auf einer Baustelle in Balzers. Guido Kempter studiert den Plan, blickt auf den Rohbau und seine Umgebung, sagt: „Hier würde ich einziehen!“ Kempters Lob be- zieht sich aber weniger auf die Lage, auch wenn das Projekt „Schlossgarta“ hält, was der Name verspricht: Auf einem Felsen oberhalb thront die Burg Gutenberg, ge- Forscher Guido Kempter (FH Vorarlberg, re.) genüber grenzt das Pflege– und Alters- mit Fernando Oehri, Leiter Hochbau der Gemeinde Balzers. heim der südlichsten Gemeinde des Fürs- tentums Liechtenstein mit seinem idylli- schen kleinen Park an. Worum es Guido Kempter geht, sind jedoch die inneren CO2-Gehalt, die automatisch Nachrichten ein ganzes Paket von Technologien auf die Werte des Baus. Und für die sind der Lei- aufs Smartphone schicken, wenn es mal Praxistauglichkeit erprobt. Schliesslich ist ter des Forschungszentrums „Nutzeren- wieder Zeit zum Lüften wäre. So hat das nicht alles, was machbar wäre, auch sinn- zentrierte Technologien“ an der FH Vorarl- Lab den Alltag von rund 900 Menschen voll. berg und das von ihm geführte IBH Living in der Region erleichtert und gleichzeitig Lab AAL nicht unwesentlich verantwort- Alarm bei Nachtaktivität lich. Denn das „Schlossgarta“ ist eines So war es auch in Balzers. Bewusst hatte von 14 Quartieren in der Vierländerregion, sich die 4.600 Köpfe zählende Kommune die das Lab in den vergangenen vier Jah- entschieden, bei ihrem ersten Projekt im ren beraten hat. Bereich des betreuten Wohnens selbst als «Wir haben uns Bauherrin zu agieren. Auf der Suche nach Mit dem Erstbezug der zwölf Wohnungen einem kompetenten Partner stiessen die sechs Monate später waren es genau 257 bei der Beratung Vertreter der Kommune auf das Lab. Bei Haushalte, die im Rahmen des Labs mit einem Besuch beim Garnmarkt in Götzis, Technologien für das Active and Assisted in sehr guten wo ein Projekt für neue Wohnformen für Living (AAL) ausgestattet wurden: Mit Tech- ältere Menschen mit AAL-Technologien nologien, die Menschen dabei helfen sol- Händen gewusst» schon länger installiert ist, überzeugte len, trotz Alter, Behinderung oder Krank- man sich von deren Nutzen. „Von da an heit ein würdevolles, autonomes Leben zu Hansjörg Büchel, haben wir uns in sehr guten Händen ge- führen. Mit Bewegungsmeldern und Licht- Gemeindevorsteher Balzers wusst“, erinnert sich Gemeindevorsteher schranken zum Beispiel, mit Apps für die Hansjörg Büchel. Lichtsteuerung, oder Sensoren für den
IBH-LABS MAGAZIN ACTIVE AND ASSISTED LIVING 19 Fünf Mal traf man sich bis zum Baubeginn Schauräume gegen das Unwissen im Herbst 2019. „Wir haben uns in Balzers Die Corona-Pandemie war ein zusätzli- auf die Benachrichtigungssysteme konzen- cher Katalysator. So hat das Lab 2020 in triert“, erklärt Guido Kempter. Zunächst Zusammenarbeit mit der AWO Schwarz- diskutierte man, welche Situationen die in wald-Baar Geräte zur Erfassung von Vi- allen zwölf Wohnungen verbauten Senso- talfunktionen des Blutkreislaufes und der ren überhaupt identifizieren sollten, ehe Leistungsfähigkeit des Bewegungsap- man eine im Lab entwickelte Lösung aus- parats, die von Gesundheitsdienstleis- wählte. „So sind wir flexibel, was die Pro- tern überprüft werden können, getestet. grammierung angeht“, sagt Kempter. In „Selbst die grössten Technikskeptiker*in- Online OnlineLieferdienste Lieferdienste der ersten Stufe erkennt das System etwa, nen sind inzwischen vom Nutzen solcher Sprachbasiertes SprachbasiertesDialogsystem Dialogsystem wenn ein dementer Mensch nachtaktiv Technologien überzeugt“, weiss Guido Video- Video-und undSprachtelefonie Sprachtelefonie wird. Falls in den nächsten Jahren der Be- Kempter. Auch die Schauräume, die in Rufautomatik Rufautomatik(z.B. (z.B.bei beiSturz) Sturz) darf nach einer umfassenderen Steuerung, Tuttlingen und – unabhängig vom Lab – an Vitaldatenweiterleitung Vitaldatenweiterleitung etwa von Haushaltsgeräten, aufkommen der Hochschule Kempten entstanden sind, Automatische AutomatischeGeräteabschaltung Geräteabschaltung sollte, sind die dafür nötigen Kabel und stossen auf reges Interesse. Um die 800 Automatische AutomatischeAbsperrventile Absperrventile Sensoren schon verlegt. Besucher*innen zählte etwa die Kempte- Gerätefernsteuerung Gerätefernsteuerung ner AAL-Wohnung in den zwei Jahren vor Mechanische MechanischeRoboter Roboter Der Pfarrer und sein Skype Überwachungssensoren Überwachungssensoren Dass die Entwicklung dahin gehen wird, Gesunde GesundeBeleuchtung Beleuchtung steht für Heinz Schaffer, dem Geschäfts- führer der Lebenshilfe Balzers, fest: „Dem unterstützten Wohnen im Alter gehört die Zukunft.“ Um das zu wissen, genügt dem Betreiber des „Schlossgarta“ allein schon der Blick ins ebenfalls von der Le- benshilfe geleitete Altenheim, wo die grösste Sorge des hier lebenden 94-jähri- gen Pfarrers die Funktionsfähigkeit seiner Skype-App ist. Das Durchschnittsalter der Zielgruppe der „Schlossgarta“-Wohnungen liegt deutlich niedriger, bei 75+. „Die Ein- stellung zu Technologien hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert“, sagt Schaffer. Das IBH Living Lab hat eine Vielzahl von AAL-Technologien in der Praxis erprobt. Online Lieferdienste Sprachbasiertes Dialogsystem
20 ACTIVE AND ASSISTED LIVING IBH-LABS MAGAZIN Thema Reisen haben. Die Hotellerie er- schliesst diese Nische jedoch nur zöger- «Selbst Pflegekräfte kennen viele lich – auch am Bodensee –, obwohl gerade dieses Klientel in der Lage wäre, in der AAL-Technologien nicht» Nebensaison Betten zu füllen oder die auch in der Post-Corona-Zeit selteneren Geschäftsreisenden zu ersetzen. Doch Petra Friedrich, Hochschule Kempten viel mehr als Barrierefreiheit wird noch nicht angeboten. Schade, findet auch Hans-Peter Hutter von der Zürcher Hoch- schule für Angewandte Wissenschaften der Corona-Pandemie. „Solche Informa- gesellschaftlichen Auftrag an die Wissen- (ZHAW). „Mit guten Angeboten für einen tions- und Erfahrungsmöglichkeiten sind schaft übertragen gehabt, nun stünde der unterstützten Urlaub könnten sich Hotels auch dringend notwendig, weil selbst Pfle- Übergang in die Praxis an. profilieren“, ist Hutter, ein Spezialist für gekräfte viele der bei uns installierten Interaktionen zwischen Menschen und Technologien nicht kennen“, sagt Petra Eine neue Zielgruppe für den Tourismus digitaler Information, überzeugt. Friedrich, Professorin an der Fakultät für Die wichtigste Frage ist dabei die nach Elektrotechnik und Leiterin des AAL-La- der Finanzierung: sowohl auf staatlicher Berndeutsch für Alexa bors der Hochschule Kempten. Seite, wo Kempter sich insbesondere Wie die nächsten Schritte aussehen könn- eine Förderung für alle sozialen Milieus ten, hat er in einem weiteren Teilprojekt des Zu beobachten ist überdies, dass der de- wünscht, „wo das Geld nicht so locker IBH Living Labs gemeinsam mit Kolleg*in- mografische Wandel als Problemstellung sitzt“, als auch auf privatwirtschaftlicher nen weiterer Hochschulen, der Claire und in den Programmen der Politik nicht mehr Seite. Geschäftsmodelle sind jetzt ge- George Stiftung aus der Schweiz, Indus- überall ganz oben auf der Agenda auf- fragt, um die unbestrittenen Potenziale triepartnern und acht Partnerhotels unter- taucht – obwohl sich an der grundsätz- des AAL-Markts zu heben. Beispiel Tou- sucht. Hier wurde ein umfassender Ser- lichen Problemstellung einer rapide al- rismus: Expert*innen wissen, dass ins- vice für barrierefreien Urlaub entwickelt ternden Bevölkerung nichts verändert hat. besondere die Unterstützungsbedürftigen und in Feldtests erprobt. Dabei kamen ver- „Will man es positiv sehen, könnte sich in der Zielgruppe der sogenannten Best schiedene digitale Assistenzhilfen zum hier ein erneuter Sektorenwechsel andeu- Consumer zwischen 50 und 75 Jahren Einsatz: eine Informationsplattform mit ten“, sagt Kempter. Die Politik habe den einen enormen Beratungsbedarf beim detaillierten Informationen zur Barriere- IBH LIVING LAB AAL Beteiligte Hochschulen: Laufzeit: DHBW Ravensburg, FH Vorarlberg, 01.11.2016 – 30.06.2021 HS Furtwangen, HS Kempten, RWU HS Ravensburg-Weingarten, Das IBH Living Lab AAL wurde gefördert HTWG Konstanz, OST (Standort St. Gallen), vom EU-Regionalprogramm Interreg V ZHAW, ZU Friedrichshafen „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“. Kalaidos FH Zürich, HS Reutlingen, Universität Tübingen Alle Praxispartner finden Sie unter: www.living-lab-aal.info/ibh-living-lab www.living-lab-aal.info
IBH-LABS MAGAZIN ACTIVE AND ASSISTED LIVING 21 Mit Hilfe von Urlauber*innen hat das Lab auch einen Alexa-Sprachassistenten für Hotelinformationen getestet. freiheit von Hotels, eine Reiseapp, die bei Problemen unterwegs den Kontakt zu einer «Mit guten Angeboten kompetenten Hilfe herstellt; eine weitere App, die barrierefreie Angebote in der Um- für einen unterstützten Urlaub gebung anzeigt; oder einen Alexa-Sprach- assistenten für Hotelinformationen. Der könnten sich Hotels profilieren» wurde an Hutters Institut entwickelt und Hans-Peter Hutter, ZHAW im Feldtest auf Herz und Nieren geprüft. Barbara und Thomas Kestenholz aus Rubi- gen in der Nähe von Bern zählen zu den Urlaubern, die den Alexa-Sprachassisten- pflegebedürftig, eine solche Unterstüt- ist da noch die Sprachfrage. „Dialekte be- ten getestet haben. Am Ende ihres Urlaubs zung könnte daher durchaus nützlich sein, herrscht die Alexa nicht?“, fragt sie. „Nein“, im Ferienhotel Bodensee in Berlingen sind findet seine Frau. Etwas spezifischer auf antwortet Hans-Peter Hutter, Berndeutsch sie mit Hutter im Hotelrestaurant zur Pro- ihre individuellen Probleme sollte das sei noch nicht im Repertoire. Aber auch duktkritik verabredet. Herr Kestenholz ist System aber abgestimmt sein. Und dann das wird sich eines Tages noch ändern.
IBH-LAB SEAMLESS LEARNING Durchblicken beim Lernen
IBH-LABS MAGAZIN SEAMLESS LEARNING 23 Von der Schule ins Studium, von der Hochschule in Job, von der Weiterbildung in den Arbeitsalltag: Um Bildungsprozesse erfolgreich zu gestalten, müssen gerade die Übergänge und Nahtstellen in den Blick genommen werden – erst recht im Zeitalter des lebenslangen Lernens. Auch dank der konzertierten Aktion im Rahmen des IBH-Labs Seamless Learning nimmt die Vierländerregion bei diesem Thema eine Vorreiterrolle ein. E igentlich arbeitet Stephan Strittmatter Im Unternehmen statt nur im Seminar des Projekt an. „Es macht grossen Spass, ja als Talent Scout beim Software- Zwar verfügt Sybit, das in Radolfzell und zu sehen, wie sich die Studierenden enga- haus Sybit, im vergangenen Winter jedoch weiteren Standorten rund 280 Mitarbei- gieren“, schwärmt Mike Groezinger ge- schlüpfte er von Zeit zu Zeit in die Rolle tende beschäftigt, über ein Onboarding- schäftsführender Gesellschafter des Soft- des „Störenfrieds“: Er äusserte manch Programm, zu dem seit einiger Zeit sogar warelabors Siobra, und Patrick Kratzer, wundersame Idee zu einem Projekt, wollte spezifische Kommunikationstrainings ge- Informatikstudent an der HTWG, würde es mal so und kurz darauf wieder ganz hören. Noch besser indes wäre es, wenn sich mehr solcher Veranstaltungen wün- anders und hielt mit seiner Meinung über alle Neuen bereits über dieses Fähigkeiten schen. „Die Interaktion mit einem Projekt- die Arbeit seiner Dienstleister nicht hin- verfügen würden. Von daher brauchten partner ist etwas komplett anderes als term Berg. Kurzum: Strittmatter spielte Rainer Mueller und Ralf Schimkat, Infor- ein Seminar.“ einen Kunden – seine Dienstleister wa- matik-Professoren der HTWG Konstanz, ren Informatikstudierende der HTWG nicht viel Überredungskunst, um Praxis- „In Europa wissenschaftlich führend“ Konstanz. Und das gemeinsame Projekt partner für ihre Veranstaltung zu finden, Das Projekt war Teil des IBH-Labs Seam- war zwar ein Hochschulseminar, hatte die sie nach dem PIPE-Konzept (Project- less Learning, das in den vergangenen aber doch verdammt viel mit dem realen In-Project-Experience) konzipierten und vier Jahren nach Wegen gesucht hat, um Leben zu tun. durchführten. Brüche, Nahtstellen und sonstige Hinder- nisse in Bildungsprozessen zu überwin- „Agiles Projektmanagement“ ist der Name den. Der Übergang vom Studium in den dieses Projekts und beschreibt zugleich Beruf ist einer dieser typischen Situatio- eine Methode, die für Informatiker*innen, aber auch Ingenieur*innen zunehmend «In Europa nen, die berufliche Weiterbildung eine an- dere, bei der es oft an der Transferfähigkeit selbstverständlich geworden ist, und auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen sind wir und Anwendbarkeit von Wissen mangelt. „Die Unternehmen entdecken aber immer immer mehr Einzug hält. Damit verbunden ist die exakte Umkehr der Maxime, die Ste- wissenschaftlich mehr, dass sie die Weiterbildung stärker in den Arbeitsprozess inkludieren müs- phan Strittmatter als junger Programmie- rer noch selbst zu hören bekam. „Du hast führend» sen“, erklärt Bernadette Dilger, Professo- rin für Wirtschaftspädagogik an der Uni- Dich nicht um den Kunden zu kümmern!“ versität St. Gallen. Nicht zuletzt aufgrund Bernadette Dilger, der Tradition der dualen Ausbildung sei Professorin für Wirtschaftspädagogik Eine Software agil zu entwickeln, heisst das Verständnis dafür in der DACH-Regi- an der Universität St. Gallen demgegenüber, in einem Team mit ver- on ohnehin stärker geprägt als etwa im schiedenen Rollen, in kurzen Zeiträumen angloamerikanischen Raum. Dank der kon- zu denken und sehr regelmässig den Kon- zertierten Aktion des IBH-Labs gelte dies takt zum Kunden zu suchen. „Der Nerd, nun auch für die Forschung. „In Europa sind der allein im Keller vorm Bildschirm hockt, Dazu legten sie zwei ansonsten getrennte wir wissenschaftlich führend“, so Dilger. passt eher nicht in ein agiles Team“, so Kurse für Masterstudierende zu einem Strittmatter über das Anforderungsprofil Verbundmodul zusammen, das noch dazu Gemeinsam mit Christian Rapp von der heutiger Informatiker*innen. „Sie müssen nicht nur im Hörsaal, sondern auch vor Zürcher Hochschule für Angewandte Wis- wesentlich teamorientierter und kommu- Ort bei den Praxispartnern stattfand. Hier senschaften (ZHAW) hat Dilger das so- nikativer sein als noch vor einigen Jahren.“ traten die Studierenden in Teams gegen- genannte Basisprojekt des Labs geleitet. einander zum Pitch um ein real existieren- Hier wurden die konzeptionellen Grundla-
24 SEAMLESS LEARNING IBH-LABS MAGAZIN «Formeln bleiben wichtig, aber Lernen funktioniert spielerisch besser» alltäglichen wie relevanten Phänomens auseinandergesetzt: der Verbreitung von Wellen – sei es auf dem Wasser, von Mobil- Andreas Witzig, funkstrahlen oder von Lärm. Leiter des Institute of Computational Physics an der ZHAW Als Lernstoff indes ist die Wellenausbrei- tung „ein trockenes Thema, das viel Phy- sik erfordert und auch Studierende im gen gelegt und an die Projekte vermittelt, Hinzu kommen unterstützende Materia- vierten Semester noch überfordern kann“, die wiederum vom Basisprojekt evaluiert lien für die eigene Konzeption. Die wie- wie Witzig weiss. Mit E-Learning-Tools hat wurden. Ein hoher Betreuungs- und Refle- derum können Anwender*innen für wei- man eine Brücke zwischen der sichtba- xionsaufwand, der sich aus Dilgers Sicht tere Interessierte aufbereiten. ren und der für das menschliche Auge aber gelohnt habe, da es gelungen sei, „we- unsichtbaren Welt gebaut und so etwa sentliche Muster zu finden, die ein gutes Wie man den „Tanz der Teilchen“ den „Tanz der Teilchen“ visualisiert, wenn Seamless Learning-Konzept auszeichnen“. sichtbar macht Elektronen durch eine Mauer fliegen. Andreas Witzig, Leiter des Institute of Teile des Projekts sind an der ZHAW in Daraus ist eine frei zugängliche, prozess- Computational Physics an der ZHAW, hat das Curriculum eingeflossen, berichtet orientierte Online-Plattform entstanden. für diesen Projekten nach eigenem Be- Witzig. „Wir liefern damit Bilder zu For- Lehrende oder auch Personalentwickler* kunden „sehr von den Didaktikern profi- meln. Die bleiben wichtig, aber Lernen innen können hier gezielt nach Konzepten tiert“. Gemeinsam mit Kollegen der PH funktioniert spielerisch besser.“ suchen, die dazugehörigen Applikationen Vorarlberg hat der Spezialist für Compu- werden in einem Showroom präsentiert. tersimulationen sich mit einem ebenso Bernadette Dilger (Mitte) war Co-Leiterin des Basisprojekts des Labs. Andreas Witzig (links) setzte in dem von ihm geleiteten Projekt Computersimulationen für die Visualisierung von Wellen ein.
IBH-LABS MAGAZIN SEAMLESS LEARNING 25 Das Modell der Kralle visualisiert die drei Ebenen des Labs. Phrasen helfen bei der Thesis Um den Thesis-Prozess zu strukturieren werden. Alle die jetzt eine Plagiatsgefahr Das Spiel und der Spass hören für viele Stu- und zu unterstützen, hatten Christian Rapp wittern, kann Christian Rapp mit einem dierende im Studium freilich spätestens und Kolleg*innen aus der Schreibdidak- nüchternen Blick auf die Empirie beruhi- mit der Abschlussarbeit auf. Durch die mit tik sowie der Computer- und Korpuslingu- gen. „Bis zu 50 Prozent der Formulierun- dem Bologna-System verbundene Reduk- istik an der ZHAW schon vor dem IBH-Lab gen in sozialwissenschaftlichen Publika- tion schriftlicher Arbeiten und damit man- ein Schreibprogramm entwickelt. In den tionen sind Konvention und werden sogar gelnder Übung fühlen sich die Studieren- vergangenen Jahren hat man den Thesis erwartet.“ den noch stärker unter Druck – und die Leh- Writer weiterentwickelt. Mit seiner Hilfe renden sind ob mangelhafter Ergebnisse lässt sich innerhalb von 30 Minuten ein frustriert. An Fachhochschulen stellt sich Grobkonzept erstellen, beim Proposal hört Die Plattform mit Praxistools finden dieses Problem in verschärfter Form, da die Unterstützung aber noch lange nicht Sie unter: hier traditionell weniger geschrieben wird auf. Ein zweisprachiges Phrasebook lie- seamless-learning.htwg-konstanz.de und viele Dozierende eher eine praktische fert für jeden Bereich der Arbeit typische als wissenschaftliche Laufbahn haben. fachspezifische Formulierungen. Die Ver- Mehr über den Thesis Writer erfahren wendung disziplinspezifischer Fachbe- Sie unter: griffe kann über Korpusabfragen erkundet thesiswriter.zhaw.ch IBH-LAB SEAMLESS LEARNING Beteiligte Hochschulen: Laufzeit: DHBW Ravensburg, 01.01.2017 – 30.04.2021 HS Albstadt-Sigmaringen, HTWG Konstanz, OST (Standorte Buchs und St. Gallen), Das IBH-Lab Seamless Learning wurde PH Vorarlberg, Universität Konstanz, gefördert vom EU-Regionalprogramm Universität Liechtenstein, Interreg V „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“. Universität St. Gallen, ZHAW Alle Praxispartner finden Sie unter: www.seamless-learning.eu/hintergrund www.seamless-learning.eu
Die Lab-Leiter Guido Kempter (o. l.), Oliver Haase (u. l.) und Claude Müller Werder (u. r.) mit Moderator Jens Poggenpohl (o. r.). «Kein Projekt, sondern ein Netzwerk» Die ersten IBH-Labs waren ein Sie kommen alle von Hochschulen Wahrscheinlich allein schon aufgrund Experiment – auch strukturell der angewandten Wissenschaften, der Dimension … die Verbindung von Forschung und und organisatorisch. Was macht Praxis ist Ihnen vertraut, auch das Guido Kempter: Ja, selbst im Vergleich die Herausforderung besonders? Forschen in grösseren Verbünden. zu einem grossen Verbund sind die Labs Was hat sich bewährt, was Was ist besonders an der Struktur viel grösser. Bei uns waren bis zu 12 Hoch- nicht? Und sind die Themen in der IBH-Labs? schulen und 18 Vertragspartner involviert, wobei ich die Netzwerkpartner und asso- der Region angekommen? Oliver Haase: Was die Praxisnähe an- ziierten Partner hier noch gar nicht mit- Zeit für ein Resümee mit den geht, würde ich zustimmen, ohne den zähle. Auch qualitativ ist das Instrument Leitern der Labs. Kolleg*innen anderer Hochschultypen der Labs etwas anderes als ein Verbund. zu nahe treten zu wollen. Das liegt uns Es ist auch kein Projekt oder eine An- mehr, das entspricht unserer Mission. Die sammlung von Einzelprojekten, sondern grossen Verbünde sind zumeist EU-weite im Idealfall ein Netzwerk. Gerade die hier Projekte in der Grundlagenforschung und gelebte Zusammenarbeit ist es, die ein daher eher eine Domäne der Universitä- Lab auszeichnen sollte. Eine solche He- ten. Je grösser der Verbund, umso schwie- rausforderung braucht, wie Herr Haase riger und aufwändiger die Administration. schon gesagt hat, ein anderes Projekt- Speziell für uns war das Lab in dieser Hin- management. Das wäre auch mein wich- sicht eine Herausforderung. tigster Rat an unsere Nachfolger*innen:
IBH-LABS MAGAZIN INTERVIEW 27 DIE GESPRÄCHSPARTNER Oliver Haase ist Professor für Informatik an der HTWG Konstanz und Leiter des IBH-Labs KMUdigital. Guido Kempter Plant von Anfang an agil, und plant von ist Leiter des Forschungszentrums Nutzerzentrierte Technologien an der Anfang an als Netzwerk. FH Vorarlberg und Leiter des IBH Living Labs AAL. Herr Müller Werder, im Seamless Lear- Claude Müller Werder ning-Lab waren Sie als Leiter mit ihrem ist Leiter des Zentrums für Innovative Didaktik (ZID) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Leiter des IBH-Labs Team sogar ausschliesslich für das Ma- Seamless Learning. nagement verantwortlich. Was waren die Hintergründe, und hat sich diese Konstruktion bewährt? Claude Müller Werder: Auch wir ha- Gemessen an der internationalen Reso- toren zu verankern: mit Produkten und ben die Kommunikation und Koordination nanz darf man die IBH-Labs sicher als Geschäftsmodellen für die Immobilien- von in unserem Fall 10 Hochschulen und Erfolg verbuchen. Nur drei Beispiele: industrie etwa. Wir haben es auch ge- 15 Vertragspartnern als Herausforderung Sie wurden mit dem „Sail of Papenburg“ schafft, die Herausforderungen des de- empfunden. Einen gemeinsamen roten Fa- der Arbeitsgemeinschaft Europäischer mografischen Wandels zu einem Thema den zu finden und das Committment aller Grenzregionen ausgezeichnet, in der zu machen, wobei ich darüber staune, Beteiligten zu gewährleisten, erschien Schweiz hat Regio Suisse die Regio- dass dieses Thema heute anders als vor uns besonders wichtig – daher die Idee, Labs ähnlich zu den IBH-Labs aufgebaut, fünf Jahren nicht mehr ganz oben auf der das Lab-Management auszulagern. Wir und das „IBH Living Lab AAL“ wurde politischen Agenda steht. Aber vielleicht haben das unter anderem mit einem halb- 2020 in Österreich zu einem der 30 er- ist das auch nur Ausdruck dafür, dass wir jährlichen „Labletter“ und Veranstaltungen folgreichsten von über 2000 Interreg- erfolgreich gewesen sind. umgesetzt. Dadurch waren wir etwas un- Projekten gewählt. Noch interessanter abhängiger und konnten in Konfliktfällen aus Sicht der IBH ist aber der regionale Auch über die Digitalisierung des Mit- vermitteln. Im Gegenzug waren wir aber Impact. Ist die Verankerung Ihrer The- telstands wurde vor fünf Jahren viel ge- weniger mit Inhalten beschäftigt, zumal men vor Ort gelungen? sprochen – heute erst recht. es in unserer Konstruktion ein inhaltlich übergeordnetes Basisprojekt gab, das die Kempter: Ich denke schon, dass wir es Haase: Und wir haben einen sichtba- konzeptionellen Grundlagen erarbeitet geschafft haben, das Thema des unter- ren Beitrag dafür geleistet, dass das The- und die Umsetzungsprojekte evaluiert hat. stützten Wohnens in verschiedenen Sek- ma in den Führungsetagen der KMU an- gekommen ist. Allerdings gibt es auch Grenzen: Von Förderprojekten wird gerne erwartet, dass sie einen nachhaltigen Effekt haben, sich nach dem Förderzeit- «Für unsere raum verstetigen. Hierfür sind die KMU eine schwierige Klientel, zumal sie nicht regionale Vernetzung über Mittel wie Konzerne verfügen. Hier braucht es einen direkteren Nutzen, oder hat das Lab enorm einen grossen Leidensdruck, oder eine starke Vision, um sich zu engagieren. Da- viel gebracht» für ist auch die Förderstruktur der IBH- Labs nicht ideal. Dabei wäre eine Förde- Oliver Haase rung absolut zwingend, denn die KMU sind die Juwelen unserer Wirtschaft. Enorm viel gebracht hat das Lab für uns
28 INTERVIEW IBH-LABS MAGAZIN an der HTWG. Für uns ist die regionale Zusammenarbeit mit der Schweiz und nach Österreich sehr wichtig, und mir ist nicht bekannt, dass wir vor dem Lab nen- «Die IBH ist nenswerte Kooperationen mit der FH Vor- arlberg gehabt hätten. Das hat sich kom- eine Europäische plett gewandelt, und wir schätzen diesen Partner sehr. Universität, Inwieweit können Hochschulen Struk- die schon lebt» turen wie die Labs für ihre Entwicklung Guido Kempter nutzen, und sei es nur, indem die Labs Hinweise auf Lücken geben? Haase: Was ich zur Kooperation zwi- schen den Hochschulen gesagt habe, gilt wir an der gesamten Hochschule sehr breit über mehrere Jahre gemeinsam unter- bei uns auch innerhalb der Hochschule. – übrigens auch an anderen Hochschu- wegs – und zwar als IBH. Man spricht jetzt Hierfür hat das Lab Enormes geleistet. Wir len. Der andere Impact ist struktureller überall von den Europäischen Universitä- haben Kolleg*innen zusammengebracht, Art: Am Seamless Learning-Lab waren ten. Für mich ist die IBH eine Europäische die sich vorher nicht kannten, es sind dar- mehrere Departements beteiligt, es gab Universität, die schon lebt. Und weiterge- aus sogar neue Arbeitsgebiete und Frage- anfangs viel Unsicherheit, sowohl in fi- trieben: Die Entwicklung der Forschungs- stellungen entstanden, die es so vorher nanzieller und kommunikativer als auch politik geht ja in Richtung Citizen Science, nicht gab. Ein wesentlicher Benefit solcher in organisatorischer Hinsicht. Aus dieser Open Science, partizipative Forschung. Projekte ist daneben der Vertrauensauf- Erfahrung haben wir Einiges mitnehmen Und in den Labs arbeiten wir schon in- bau. Wer sich besser kennt, setzt sich für können. tensiv und gleichberechtigt mit der Praxis den nächsten Antrag leichter zusammen. zusammen, die uns ihre Fragestellungen Kempter: Für mich war es schön zu se- bringt. Auch das steht für einen Prozess, Müller Werder: Den Thesis Writer, den hen, dass über das Lab unser IBH-Netz- der in ganz Europa begonnen hat. wir an der ZHAW entwickelt haben, nutzen werk spürbar geworden ist. Wir waren Das ganze Gespräch mit den Lab-Leitern können Sie hier nachhören: www.bodenseehochschule.org/labs/ «Wir haben ibh-labs strukturell Einiges mitnehmen können» Claude Müller Werder
Gezielt suchten die Labs den Dialog mit der Öffentlichkeit, hier bei der Midterm-Präsentation im Oktober 2018 in Kreuzlingen.
30 RÜCKBLICK IBH-LABS MAGAZIN Chronik der Pioniere Das war die erste Runde der IBH-Labs: Meilensteine und Highlights im Überblick. 11 / 2015 STARTSCHUSS: Interreg V „Alpenrhein- Bodensee-Hochrhein“, die IBK-Kommission Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Internationale Bodensee-Hochschule legen gemeinsam den Grundstein für die IBH- 06 / 2017 Labs. IBH LIVING LAB AAL Mit der Tagung „Umgebungsunterstütztes Leben“ startet das IBH Living Lab Active and Assisted Living seine ersten Massnahmen für den Transfer von Wissen in die Praxis. Bis Projektende werden mehr als 1.300 Expert*innen im Umgang mit AAL-Lösungen vertraut gemacht. 2016 2017 2018 10 / 2016 donated by the EMS DOLLART REGION Association of European Border Regions IBH-LAB SEAMLESS LEARNING Im Herbst 2016 starten die Labs mit den International Lake Constance Region Vorbereitungen: Im IBH-Lab Seamless (AT/CH/DE/FL) for outstanding achievements in cross border award European cross-border cooperation Learning werden dabei mithilfe eines Design IBH: The International University of Lake Constance and their IBH-Labs – Networks of regional universities and practitioners for research and innovation Based Research-Ansatzes in Workshops Badajoz, October 2017 didaktische Prototypen entwickelt. Karl-Heinz Lambertz Martín Guillermo-Ramírez Bernhard Bramlage (President) (Secretary General) (Chairman of the Jury) SAIL OF PAPENBURG 11 / 2017 SAIL OF PAPENBURG: Die Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG) zeichnet die IBH-Labs mit dem Sail of Papenburg-Award 2017 aus. Der Preis ehrt herausragende Programme, Strategien, Projekte und Aktionen in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit, möglichst auch mit Modellcharakter. Die IBH- Labs seien in verschiedener Hinsicht ausser- ordentliche Projekte, so die Jury des Awards.
Sie können auch lesen