IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital

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IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
MAGAZIN

IBH-Labs 2017 – 2021
IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
IBH-LABS MAGAZIN GRUSSWORT 01

Grusswort
Liebe Leser*innen,

die Welt und mit ihr die Vierländerregion Bodensee stehen vor grossen Heraus-
forderungen. Der Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie, der digitale Struktur-
wandel in Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft, der Klimaschutz, die Nachhaltig-
keitsbestrebungen und die demographischen Entwicklungen vereinen uns, die in der
Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) verbundenen Länder und Kantone.

Innovative Lösungen technologischer, aber auch gesellschaftlicher Art sind gefragter
denn je. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem EU-Regionalprogramm Interreg
„Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“, der neuen Regionalpolitik der schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Internationalen Bodensee-Hochschule im Jahr 2015
die IBH-Labs auf den Weg gebracht.

Das gemeinsame Ziel aller Partner war klar: die Erarbeitung kreativer und konkreter
Lösungen für die Vierländerregion Bodensee! Dazu haben wir auf dem unglaublichen
Schatz an Wissen in der IBH und ihren Hochschulen sowie den Erfahrungen einer
Vielzahl von Organisationen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft aufgebaut. Die
Themenfelder, in denen das geschehen soll, sind heute noch so aktuell wie damals:
die Digitalisierung von Unternehmen und insbesondere von KMUs, die Schaffung
technologischer und sozialer Lösungen im Gesundheits- und Pflegebereich und die
Organisation von nahtlosen und innovativen Angeboten im Bildungsbereich.

Die drei IBH-Labs haben in den vergangenen vier Jahren einen massgeblichen Bei-
trag geleistet, um diesen Herausforderungen in der grenzübergreifenden Zusammen-
arbeit zu begegnen: Sie haben eine Vielzahl an Unternehmen dabei unterstützt,
massgeschneiderte Pfade der Digitalisierung zu beschreiten. Sie haben dafür gesorgt,
dass fast 260 Wohnungen mit funktionierenden technologischen Assistenzsystemen
ausgestattet sind, um Menschen mit Pflegebedarf so lange wie möglich ein aktives
Leben zu ermöglichen. Und sie haben schliesslich dafür gesorgt, dass die Vierländer-
region mittlerweile ein internationales Zentrum für erfolgreiche Bildungsangebote
ist, in denen Brüche in den Bildungsbiographien vermieden werden.

Ich möchte mich im Namen der IBK bei allen beteiligten Forschenden, Praxispart-
nern und den beteiligten Förder- und Unterstützungsorganisationen für ihre Weit-
sicht, ihr Engagement und ihre Verbundenheit mit den IBH-Labs und ihren Themen
bedanken. Ich freue mich bereits jetzt auf die nächste Runde der Labs, die im Jahr
2022 starten wird.

                                                                                                     Regierungsrat Fredy Fässler
                                                                         Vorsitzender der Internationalen Bodensee-Konferenz und
                                                                                     Mitglied der Regierung des Kantons St. Gallen
IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
02 EDITORIAL IBH-LABS MAGAZIN

Editorial
Liebe Leser*innen,

als Vertreter*innen des EU-Regionalprogramms Interreg V „Alpenrhein-Bodensee-
Hochrhein“, der IBK-Kommission Bildung, Wissenschaft und Forschung und
der Internationalen Bodensee-Hochschule im November 2015 ihre Unterschrift
unter die Gründung der ersten IBH-Labs setzten, gaben sie den Startschuss für ein
Experiment. Sowohl im Hinblick auf die Grösse als auch die Bauweise markierten
die drei Innovationskonsortien, die kurz danach ihre Arbeit aufnahmen, Neuland für
den Wissenschaftsverbund der Vierländerregion Bodensee.

Jetzt sind die Labs auf der Zielgeraden angelangt, die meisten Projekte sind ab-
geschlossen, und wir dürfen ein erfreuliches Fazit ziehen: Die Labs haben das
gehalten, was wir uns von ihnen versprochen hatten — nämlich einen konkreten,
in der Praxis spürbaren Beitrag für die Region zu leisten.

Dieser Fokus auf die regionale Wirkung war und ist ein Markenzeichen der IBH-
Labs, und ihm spüren wir auch in diesem Magazin nach. Deshalb lassen wir nicht
nur einige der beteiligten Wissenschaftler*innen zu Wort kommen, sondern auch
Menschen, die von den Erkenntnissen, Instrumenten und Dienstleistungen der Labs
direkt profitiert haben: Vertreter von Unternehmen, die als Teil des IBH-Labs
KMUdigital erfolgreich Digitalisierungsstrategien umgesetzt haben; Verantwortliche
einer Kommune, die mit Hilfe des IBH Living Labs Active and Assisted Living ein
seniorengerechtes Wohnprojekt realisiert haben; oder ein angehender Informatiker,
der sich dank eines im IBH-Lab Seamless Learning entwickelten Moduls nun
besser auf die neuen Anforderungen seines Berufs vorbereitet fühlt. Diese einzelnen
Stimmen stehen stellvertretend für eine Vielzahl von Akteur*innen in der Region,
die in den vergangenen Jahren von der grenzübergreifenden Zusammenarbeit im
Rahmen der Labs profitiert haben.

Wir freuen uns sehr, dass dieses Magazin nicht nur einen Abschluss markiert,
sondern auch in die Zukunft weist. Im Jahr 2022 werden neue Labs ihre Arbeit auf-
nehmen. Noch steht nicht fest, welche Teams und Ideen die Jury am meisten über-
zeugt haben. Wir sind uns aber ziemlich sicher, dass auch die Impulse der künftigen
Labs unsere Region voranbringen werden.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen!

Ihr Team der IBH
IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
IBH-LABS MAGAZIN INHALT 03

Inhalt

10
IBH-LAB KMUdigital
Es geht nur noch ums Wie
Wie viel Digitalisierung muss und wie viel passt in den
Mittelstand? Diese beiden Fragen stellte sich das IBH-Lab
KMUdigital in der Gründungsphase 2017. Heute ist klar:
Die Unternehmen der Vierländerregion müssen sich maximal
digitalisieren, um ihre Spitzenposition zu wahren. Die ersten
Mutmacher gibt es.

16
IBH LIVING LAB ACTIVE AND ASSISTED LIVING
                                                                                                                                                                                                                                                       10
Sensoren für morgen
Dem unterstützten Wohnen gehört die Zukunft – darin sind
sich inzwischen alle Fachleute einig. Welche Technologien
wirklich sinnvoll sind, hat das IBH Living Lab AAL in über
250 Testwohnungen untersucht. Um den demografischen
Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen jetzt Geschäfts-
modelle folgen.

22
IBH-LAB SEAMLESS LEARNING
Durchblick beim Lernen
Um Bildungsprozesse erfolgreich zu gestalten, müssen
gerade die Übergänge und Nahtstellen in den Blick genommen
werden. Auch dank des IBH-Labs Seamless Learning ist
                                                                                                                                                                                                                                                      16                                                                                               22
die Region hierbei Vorreiter.

DIE LABS IN ZAHLEN .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 04
KMUdigital .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 10
ACTIVE AND ASSISTED LIVING .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16
SEAMLESS LEARNING                                                                .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   22
EIN GESPRÄCH ZUM ENDE DER ERSTEN IBH-LABS                                                                                                                                                    .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   26
VON 2015 BIS HEUTE: DIE CHRONIK DER IBH-LABS                                                                                                                                                       .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   30
AUSBLICK: DIE LABS GEHEN IN DIE ZWEITE RUNDE .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 32
ÜBER DIE IBH                                    .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   34
IMPRESSUM . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36
IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
04 IBH-LABS IBH-LABS MAGAZIN

Die Labs in Zahlen

                                                                                   
           10 Mio. Euro                                                    1.500
                 Fördersumme                                                 Dokumente

     Das Interreg-Programm „Alpenrhein-Bodensee-              1.500 Dokumente werden jährlich mit Hilfe des im
 Hochrhein“ hat die drei Labs mit insgesamt 6,2 Millionen       IBH-Lab Seamless Learning weiterentwickelten
 Euro gefördert. Inklusive eigener Mittel standen den Labs                 Thesis Writer verfasst.
  damit insgesamt rund 10 Millionen Euro zu Verfügung.

                       
                       40                                                   3.435
                         KMU                                            Teilnehmende an
                                                                         Veranstaltungen
    Über 40 kleine und mittelständische Unternehmen              Unter dem Dach der IBH-Labs wurden 204
     aus der Region haben sich an den Projekten des           eigene Veranstaltungen mit 3.435 Teilnehmenden
           IBH-Labs KMUdigital aktiv beteiligt.              aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung,
                                                                 Intermediäre und Wissenschaft organisiert.
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IBH-LABS MAGAZIN IBH-LABS 05

                                                  
          16                                       114                                    164
     Geförderte                          Praxispartner*innen                            Forschende
    Hochschulen
 16 Hochschulen aus allen vier              In die Labs waren insgesamt             164 Forschende arbeiteten in
 Ländern der Bodenseeregion               114 Partner*innen aus Wirtschaft                allen drei Labs.
 engagierten sich in den Labs.             und Gesellschaft eingebunden.

                                                                                 
                  484                                                           257
   Publikationen und Vorträge                                                  Haushalte

  Forschende in den Labs machten ihre Erkenntnisse            257 Haushalte mit Assistenzbedarf hat das IBH Living
in insgesamt 484 wissenschaftlichen Publikationen und          Lab Active and Assisted Living mit technologischen
                 Vorträgen sichtbar.                         Unterstützungssystemen ausgestattet. Davon profitieren
                                                                  knapp 900 Menschen in der Vierländerregion.
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06 IBH-LABS IBH-LABS MAGAZIN

                «Die IBH-Labs
         sind ein Leuchtturmprojekt
           für die Bodenseeregion.
        Wissenschaft, Wirtschaft und
     Gesellschaft arbeiteten eng und vor
      allem auch grenzüberschreitend
       zusammen an technologischen
         und sozialen Innovationen»
                                                               Theresia Bauer,
                                   Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Baden-Württemberg

EVOLUTION

INDIKATOR                                                                                   2017     2018      2019    2020 f.
Anzahl grenzüberschreitend tätig Forschende und Mitarbeitende     1
                                                                                              46         156    157       164
Anteil hochschulartenübergreifender Projekte                                               100 %     100 %     100 %    100 %
Anzahl beteiligter Hochschulen                                                                13          16     16        16
Anzahl eigener Veranstaltungen                                                                 3         106     61        34
Anzahl Teilnehmende an Veranstaltungen gesamt                                                233     1.546     1.161      495
· davon Studierende                                                                            5       236        72       10
· davon Mitarbeitende, Forschende, Unternehmen, Institutionen etc.                           228     1.310     1.089      485
Anzahl Vorträge und Präsentationen                                                            42         80      91        33
Anzahl Artikel und Publikationen in Fachzeitschriften, Journals etc.                           4         53      86        95
Anteil geförderter Vorhaben mit regionalen Umsetzungspartnern                              100 %     100 %     100 %    100 %
Medienpräsenz in Artikeln und Beiträgen (exkl. Social Media)                                  12          14     20        11

1
    davon zwölf nicht an IBH-Mitgliedshochschulen tätig
IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
IBH-LABS MAGAZIN IBH-LABS 07

Über 200 Veranstaltungen haben die drei Innovationsnetzwerke
                 in den vergangenen vier Jahren durchgeführt.
IBH-Labs 2017 - 2021 MAGAZIN - KMUdigital
08 IBH-LABS IBH-LABS MAGAZIN

Ein Vorbild für Europa
Wir gratulieren: Prominente Stimmen aus Forschung und Politik zum Erfolg der ersten IBH-Labs.

          Prof. Dr. Sebastian Wörwag                      Dr. Barbara Schöbin-Fink                      Klaus Tappeser
        Rektor der Berner Fachhochschule,               Vorarlberger Landesstatthalterin            Regierungspräsident des
   Präsident des Hochschulrats der PH Thurgau                                                      Regierungsbezirks Tübingen
       und ehemaliger Vorsitzender der IBH

Die IBH-Labs sind ein hervorragendes            Mit der Einrichtung der IBH-Labs haben Zum Abschluss der erfolgreichen IBH-
Beispiel für grenzüberschreitende For-          die Internationale Bodensee-Konferenz Labs (Seamless Learning, KMUdigital, Li-
 schung im Herzen Europas. In zentralen         und der Hochschulverbund neue Wege ving Lab Active and Assisted Living) gra-
Gesellschaftsbereichen leisten sie We-          beschritten. Wurden zuvor nur einzelne tuliere ich herzlich! Das Vertrauen in den
 sentliches, damit in der Bodenseeregion        Projekte mit einer Laufzeit von zwei Jah- Erfolg der IBH-Labs wurde durch Interreg
 heutige und künftige Herausforderungen         ren und einem eigenen Genehmigungs- „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ bereits
 mit gesicherten Erkenntnissen verant-          verfahren gefördert, so sollten mit den zu Projektbeginn durch Kennzeichnung
wortungsvoll adressiert werden können.          Labs die Stärken der Hochschulen in the- als Leuchtturmprojekt bestätigt. An den
Sie sind zudem ein leuchtendes Beispiel         matischen Schwerpunkten deutlich ge- 21 Einzelprojekten haben sich alle Pro-
 hochschulartenübergreifender Zusam-            bündelt und vielfältige Projektideen ge- grammpartner monetär beteiligt. Die IBH
 menarbeit und bieten einen wichtigen           meinsam mit Partnern aus der Praxis über zusammen mit den Projektpartnern zeigt
„Kitt“ im Zusammenhalt der internationa-        einen Zeitraum von vier Jahren entwickelt damit einmal mehr, dass sie der treibende
 len Bodenseeregion. Gäbe es sie heute          und umgesetzt werden. Dank grosszügiger Motor bei Innovation und Forschung im
 noch nicht, wäre es höchste Zeit sie zu        Finanzierung, vor allem aber Dank des Bodenseeraum ist.
gründen.                                        enormen Engagements der involvierten
                                                Hochschulen und Praxispartner ist dieses
                                                Konzept der IBH-Labs voll aufgegangen.
                                                Die Ergebnisse sind vielversprechend und
                                                leisten einen massgeblichen Beitrag zur
                                                Zukunftsfähigkeit der Region Bodensee,
                                                wofür ich allen Beteiligten herzlich danken
                                                möchte.
IBH-LABS MAGAZIN IBH-LABS 09

                 Theresia Bauer                            Olivier Baudelet                       Botschafter Dr. Eric Jakob
     Ministerin für Wissenschaft, Forschung             European Commission,              Leiter der Direktion für Standortförderung,
        und Kunst, Baden-Württemberg                Programme Manager – Interreg               Eidgenössisches Departement für
                                                                                           Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF,
                                                                                            Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

Die IBH-Labs sind ein Leuchtturmprojekt The IBH-Labs has been a success in sti-        Die Internationale Bodensee-Hochschule
für die Bodenseeregion, das wir mit un- mulating innovation around the Lake Con-       hat mit den Labs ein wichtiges Innovations-
seren Partnern aus Liechtenstein, Öster- stance. The European Union supports in-       netzwerk in der Bodenseeregion geschaf-
reich und der Schweiz realisiert haben. Ich novation as it can make enterprises more   fen. Die Labs befassen sich mit bestehen-
begrüsse es daher sehr, dass das Modell competitive, create jobs and bring new         den regionalen Herausforderungen und bil-
weitergeführt wird. Wissenschaft, Wirt- products or services its citizens. By coope-   den dazu Inkubatoren, die Entwicklungs-
schaft und Gesellschaft arbeiteten eng rating across borders, partners can have        potenziale der Bodenseeregion entfalten.
und vor allem auch grenzüberschreitend new ideas, find more complementarities          Aus diesem Grund hat die Neue Regional-
zusammen an technologischen und sozi- along the value-added chain and work             politik die IBH-Labs über das Interreg Pro-
alen Innovationen zu den Themen Digita- on a shared territory, regardless of poli-     gramm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“
lisierung oder Menschen im Alter. Dass tical borders. This is why the European         in der Periode V gefördert und ich freu mich
an allen drei IBH-Labs baden-württem- Union is proud to have co-funded the IBH-        darauf zu sehen, welche Labs ab 2022
bergische Hochschulen beteiligt waren, Labs over the past years through the In-        entstehen. Die Erwartungen dürfen hoch-
bei einem sogar federführend, verdeut- terreg programme „Alpenrhein-Bodensee-          gesteckt werden, denn nicht ohne Grund
licht erneut deren Forschungsexzellenz. Hochrhein“. The success of the IBH-Labs is     dienen die Labs als Vorbild für Forschungs-
Zum Abschluss zeigt sich: Da ist etwas the proof that innovation brings prosperity,    und Praxisstrukturen in Europa.
erfolgreich zusammengewachsen. Trotz- that cooperation across borders brings
dem bleibt es eine gemeinsame Aufgabe, results and that the partners around the
die Vierländerregion Bodensee für die ge- Lake Constance are dynamic.
sellschaftlichen Herausforderungen der
Zukunft stark zu machen.
10 KMUdigital IBH-LABS MAGAZIN

   Benjamin Köb (oben u. unten rechts) leitet beim Spülmaschinenhersteller
   Winterhalter die Abteilung Digitale Services und Produkte.
IBH-LABS MAGAZIN KMUdigital 11

                                                      IBH-LAB KMUdigital

      Es geht nur noch
          ums Wie
Wie viel Digitalisierung muss und wie viel passt in den Mittelstand? Diese beiden Fragen stellte
sich das IBH-Lab KMUdigital in der Gründungsphase 2017. Heute ist klar: Die Unternehmen der
Vierländerregion müssen sich maximal digitalisieren, um ihre Spitzenposition zu wahren. Die ersten
Mutmacher gibt es.

D    ie Idee ist alt und bestechend ein-
     fach: Man zahlt nicht für ein Produkt,
sondern nur für den Gebrauch. Bei Strom
                                              beuren im Bodenseekreis dazu zwang,
                                              seinen Kunden ein neues Bezahlmodell
                                              anzubieten. Was Geschäftsführer Ralph
                                                                                        Dem Markt voraus
                                                                                        Ende 2016 sorgten „Pay per Wash“ und
                                                                                        das ebenfalls neue Angebot „Connected
oder Mietwagen ist das „Pay per Use“-         Winterhalter vielmehr antrieb, war ein    Wash“, das alle wichtigen Betriebsdaten
Prinzip längst etabliert, und vor geraumer    urschwäbischer Impuls: „Wir wollten die   der Maschinen auswertet und Optimie-
Zeit machte der Turbinenhersteller Rolls-     Ersten sein.“ So erinnert sich Benjamin   rungsmöglichkeiten anbietet, in der Fach-
Royce von sich reden, als er Airlines         Köb, seit 2011 bei Winterhalter und in-   welt für Furore. „Wir hatten zwischen-
dieses Geschäftsmodell offerierte. Doch       zwischen Leiter Digitale Services und     zeitlich durchaus das Gefühl, dem Markt
erst mit der umfassenden Vernetzung           Produkte.                                 voraus zu sein, und für das Thema ‚Con-
im Internet der Dinge und der Verfügbar-                                                nected Wash‘ waren unsere Kunden an-
keit von Echtzeitdaten ist das Modell zu                                                fangs noch nicht reif“, erzählt Köb. Fünf
einer echten Alternative geworden. Neu-                                                 Jahre später sieht das anders aus – denn
erdings sogar für Spülmaschinen.                                                        in Sachen Digitalisierung ist seither eine
                                                  «Wir wollten die                      Menge passiert.
Die Welt der Grossküchen ist eigentlich
eine traditionelle Branche. Hier ist die           Ersten sein»                         Wie viel, lässt sich auch an der doppelten
Winterhalter GmbH in etwas mehr als sie-                                                Fragestellung ablesen, die das IBH-Lab
ben Jahrzehnten zu einem der ganz gros-                    Benjamin Köb,                KMUdigital im Vorfeld des Programm-
sen Player geworden, mit 350 Millionen        Leiter Digitale Services und Produkte,    starts 2017 formuliert hatte: „Wie viel Di-
Euro Umsatz und über 2.000 Mitarbei-                        Winterhalter                gitalisierung muss und wieviel passt in
ter*innen. Es war also nicht die Not, die                                               den Mittelstand?“. Heute würde Oliver
das Familienunternehmen aus Mecken-                                                     Haase, Informatikprofessor an der HTWG
12 KMUdigital IBH-LABS MAGAZIN

                                                                                           für „alarmierend” hielten. „Denn die Un-
                                                                                           ternehmen bewegen sich dann gegeben-
             «Digitalisierung ist zu einer                                                 enfalls in einer fälschlicherweise wahr-
                                                                                           genommenen Sicherheit und sie realisie-
             Überlebensfrage geworden»                                                     ren nicht, mit welcher Geschwindigkeit
                                                                                           Daten zu einem Teil der Wertschöpfung
                                                                                           geworden sind.“
                     Oliver Haase, Leiter des IBH-Labs KMUdigital
                                                                                    Den einen Fahrplan gibt es nicht
                                                                                    Das Bewusstsein sei dafür heute in den Vor-
                                                                                     ständen vorhanden, glaubt Oliver Haase,
                                            Konstanz und Leiter des Labs, die Frage „aber was die Tiefe der Geschäftsmodelle
                                            anders formulieren. „Die Frage nach dem angeht, sind wir nicht Weltspitze“. Und
                                            Muss stellt sich nicht mehr. KMU müs- nichts anderes kann der Massstab in einer
                                            sen maximal viel Digitalisierung umset- Region sein, die seit den 1970er-Jahren
                                            zen – das ist zu einer Überlebensfrage tonangebend in diesem Feld war. Damals
                                            geworden.“                               hiess es: Automatisierung.

                                           Über 40 Prozent der KMU sahen                   Was aber müssen die Weltmarktführer von
                                           „fehlende Dringlichkeit“                        heute tun, um morgen noch ebenso gut da-
                                           Vor wenigen Jahren sahen das Vertreter*         zustehen? Den einen allgemeinen Digita-
                                            innen von KMU der Region vielfach noch         lisierungsfahrplan gibt es nicht: Dies ist
                                           ganz anders. In einer um die Jahreswen-         das Ergebnis des Projekts DigiNav. Es war
                                            de 2018 / 2019 durchgeführten Umfrage          eigentlich mit der Hoffnung angetreten,
                                            des Teilprojekts Data4KMU bescheinig-          Standardrezepte zu entwickeln. Worauf
                                           ten über 40 Prozent der Befragten dem           es jedoch vielmehr anzukommen scheint,
                                           Thema für ihr Unternehmen eine „fehlen-         ist die individuelle unternehmerische Ent-
                                            de Dringlichkeit“ – ein Befund, den die Pro-   scheidung. So war es auch bei Winterhal-
                                           jektleiter*innen Petra Kugler (OST) und         ter, wie Benjamin Köb weiss. „Man muss
                                           Jürg Meierhofer (ZHAW) schon damals             den grossen Zeh ins Wasser halten, um zu

IBH-LAB KMUdigital

                                            Beteiligte Hochschulen:                        Laufzeit:
                                            DHBW Ravensburg, FH Vorarlberg,                01.01.2017 – 31.12.2021
                                            HTWG Konstanz,
                                            OST (Standorte Buchs und St. Gallen),          Das IBH-Lab KMUdigital wird gefördert
                                            PHTG Kreuzlingen,                              vom EU-Regionalprogramm Interreg V
                                            Universität St. Gallen, ZHAW,                  „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“.
                                            ZU Friedrichshafen
                                            Rhysearch (Projektpartner)

                                            Ausgewählte Praxispartner finden Sie unter:
                                            www.kmu-digital.eu/de/netzwerk                  www.kmu-digital.eu
IBH-LABS MAGAZIN KMUdigital 13

                                           Im Teilprojekt „i4Production“ erprobte das Team
                                           automatisierte Produktionsmethoden.

 spüren, wann das Wasser wärmer wird“ Wahr ist allerdings auch: „Am Unterneh- „Gerade für die eher kleinteilige Land-
– sprich: Das Know-how und die Struktu- merstammtisch wird mehr über die Politik wirtschaft rund um den Bodensee ist es
 ren müssen bereits vorhanden sein, bevor geschimpft als über die eigene Prozess- wichtig, durch technologischen Vorsprung
 der Digitalisierungszug richtig Fahrt auf- optimierung gesprochen“ – sagt Beni Dürr, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“,
 nimmt.                                      der in Sennwald im Rheintal mit seinem sagt Jürgen Prenzler, Leiter des Instituts
                                             Unternehmen Verdunova Gemüse für Tief- für mechatronische Systeme an der OST
Auf dem Feld liegt noch viel Potenzial kühltruhen produziert.                         in Buchs und vormals Leiter der Produkt-
„Dem Digitalisierungsschub durch Corona                                               entwicklung beim Landmaschinenkon-
 müssen nun die regulatorischen Rahmen- Dürr ist immer schon eigene Wege ge- zern Claas in Bad Saulgau sowie Lei-
 bedingungen folgen“, sagt Oliver Haase. gangen, und insofern liess er sich gerne ter des Group Technologie Councils der
Ob beim Datenschutz oder der Cybersi- als Partner des Teilprojektes DigiLand Gruppe.
 cherheit, dem Roll-out des 5G-Netzes einspannen. Schauplatz war ein Teil eines
 oder der digitalen Bildung: Der Forderungs- Broccolifeldes, in dem das Team genau Ausgangspunkt des Feldversuchs war der
 katalog der Unternehmen für eine digita- 2.876 Broccolis von der Pflanzung bis Umstand, dass der Landwirt zwar wusste,
 le Agenda der Vierländerregion ist lange zur Verarbeitung beobachtete und dabei wie viele Broccoli er setzte, nicht aber,
 noch nicht abgearbeitet (siehe Seite 15). eine Reihe von Prototypen testete.         wie viel Stück er erntete. Das Gewicht
14 KMUdigital IBH-LABS MAGAZIN

                                                  «Denkt einfach!»
                                                             Beni Dürr,
                                                     Geschäftsführer Verdunova
ist als Indikator des Ertrags ungenau,                                                          kann. Auch die Überwachung mit Droh-
schliesslich wären weniger Setzlinge, die                                                       nen hat aus Dürrs Sicht noch viel Poten-
sich gut entwickeln, wesentlich effizienter                                                     zial.
als viele ertragsarme. „Denkt einfach,
nicht zu kompliziert und gross!“ lautete      führung registriert, ob gerade ein guter          Die knapp 50 Landwirte, die Verdunova
Dürrs Wunsch an das Team, und so ent-         oder schlechter Broccoli geschnitten              beliefern, haben den Ansatz der Präzisi-
stand in zahlreichen Diskussionen eine        wurde. Oder ein Zähler mit Lichtschran-           onslandwirtschaft verstanden. Kein Wun-
Reihe von praxistauglichen Problemlö-         ke, der die Stückzahl misst; oder ein             der: Bei 30 Prozent mehr Gewinn ist die
sungen: Ein intelligentes Erntemesser         Hacksystem, das über optische Kameras             Antwort auf die Frage nach der Digitali-
zum Beispiel, das anhand der Schnitt-         Unkraut erfasst und ihm ausweichen                sierung ganz klar.

                                              Ein intelligentes Erntemesser sowie Messsysteme
                                              sind einige der Produktinnovationen aus dem
                                              Projekt „DigiLand“.

   Feldforscher unter sich:
   Wissenschaftler Jürgen Prenzler (links)
   und Landwirt Beni Dürr.
IBH-LABS MAGAZIN KMUdigital 15

                                           Vernetzt uns!
Wie kann Politik den Hidden Champions der Region helfen? Fünf Wünsche von KMU für eine Digitale
Agenda Bodensee.

+    5G an jeder Milchkanne
     Flächendeckend mindestens 10.000 Mbit/s (5G) Breitbandverfügbarkeit: Das muss aus Sicht der KMU
     in der Vierländerregion Standard sein – besser gestern als heute, und tatsächlich in jedem Dorf.

+    Digitale (Weiter-)Bildung
     Die schulische digitale Bildung ist speziell für KMU hochrelevant. Alles, was die neuen Fachkräfte noch
     nicht können, kostet sie sofort Zeit und Geld. Auch die Förderung von fachgerechter Weiterbildung
     sowie der Ausbau attraktiver digitaler Angebote gehören auf die Agenda.

+    Datensicherheit stärken
     Cybersicherheit ist eine essenzielle Grundlage für digitales Vertrauen. Doch gerade hier vermissen die
     KMU der Region noch staatliche Unterstützung, etwa über Kompetenzzentren, die finanzielle Förderung
     externer Beratung oder Hilfe bei juristischen Problemstellungen.

+    Den digitalen Staat schaffen
     Verwaltungstechnische Routineaufgaben, für die man den Gang zur örtlichen Behörde antreten muss:
     Dies soll aus Sicht der Vierländer-KMU der Vergangenheit angehören. Der digitale Staat ist aus ihrer
     Sicht ein Schlüssel, um die administrative Last auf ein Minimum zu reduzieren.

+    Die Vernetzung fördern
     Die länderübergreifende Vernetzung sowie die Kooperation,
     insbesondere mit Akteuren aus der Wissenschaft, ist den KMU
     wichtig. Die Schaffung eines digitalen Marktplatzes ist hierfür
     ein möglicher konkreter Ansatzpunkt.

     Die Wunschliste ist dem Weissbuch des Projekts Digitale
     Agenda Bodensee (DAB) entnommen. Es ist – wie weitere Ab-
     schlusspublikationen des Labs – kostenlos abrufbar:
     www.kmu-digital.eu/de/projekte

     Einen Rundumblick auf alle Projekte bietet das E-Book des Labs:
     www.kmu-digital.eu/ebook

                      Die Abschlusspublikationen sind
                  auf der Webseite des Labs kostenlos
                                             abrufbar.
IBH LIVING LAB ACTIVE AND ASSISTED LIVING

Sensoren
für morgen
Dem unterstützten Wohnen gehört die Zukunft – darin sind sich inzwischen alle
Fachleute einig. Welche Technologien wirklich sinnvoll sind, hat das IBH Living Lab
AAL in über 250 Testwohnungen untersucht. Um den demografischen Wandel
erfolgreich zu gestalten, müssen jetzt Geschäftsmodelle folgen.
IBH-LABS MAGAZIN ACTIVE AND ASSISTED LIVING 17
18 ACTIVE AND ASSISTED LIVING IBH-LABS MAGAZIN

         Wohnen mit Burgblick: Idyllisch liegt das
         Projekt „Schlossgarta“ in Liechtensteins
                   südlichster Gemeinde Balzers.

M      itte Oktober 2020, ein Ortstermin
       auf einer Baustelle in Balzers. Guido
Kempter studiert den Plan, blickt auf den
Rohbau und seine Umgebung, sagt: „Hier
würde ich einziehen!“ Kempters Lob be-
zieht sich aber weniger auf die Lage, auch
wenn das Projekt „Schlossgarta“ hält, was
der Name verspricht: Auf einem Felsen
oberhalb thront die Burg Gutenberg, ge-                                                           Forscher Guido Kempter (FH Vorarlberg, re.)
genüber grenzt das Pflege– und Alters-                                                            mit Fernando Oehri, Leiter Hochbau der
                                                                                                  Gemeinde Balzers.
heim der südlichsten Gemeinde des Fürs-
tentums Liechtenstein mit seinem idylli-
schen kleinen Park an. Worum es Guido
Kempter geht, sind jedoch die inneren                CO2-Gehalt, die automatisch Nachrichten      ein ganzes Paket von Technologien auf die
Werte des Baus. Und für die sind der Lei-            aufs Smartphone schicken, wenn es mal        Praxistauglichkeit erprobt. Schliesslich ist
ter des Forschungszentrums „Nutzeren-                wieder Zeit zum Lüften wäre. So hat das      nicht alles, was machbar wäre, auch sinn-
zentrierte Technologien“ an der FH Vorarl-           Lab den Alltag von rund 900 Menschen         voll.
berg und das von ihm geführte IBH Living             in der Region erleichtert und gleichzeitig
Lab AAL nicht unwesentlich verantwort-                                                            Alarm bei Nachtaktivität
lich. Denn das „Schlossgarta“ ist eines                                                           So war es auch in Balzers. Bewusst hatte
von 14 Quartieren in der Vierländerregion,                                                        sich die 4.600 Köpfe zählende Kommune
die das Lab in den vergangenen vier Jah-                                                          entschieden, bei ihrem ersten Projekt im
ren beraten hat.                                                                                  Bereich des betreuten Wohnens selbst als
                                                        «Wir haben uns                            Bauherrin zu agieren. Auf der Suche nach
Mit dem Erstbezug der zwölf Wohnungen                                                             einem kompetenten Partner stiessen die
sechs Monate später waren es genau 257                 bei der Beratung                           Vertreter der Kommune auf das Lab. Bei
Haushalte, die im Rahmen des Labs mit                                                             einem Besuch beim Garnmarkt in Götzis,
Technologien für das Active and Assisted                 in sehr guten                            wo ein Projekt für neue Wohnformen für
Living (AAL) ausgestattet wurden: Mit Tech-                                                       ältere Menschen mit AAL-Technologien
nologien, die Menschen dabei helfen sol-               Händen gewusst»                            schon länger installiert ist, überzeugte
len, trotz Alter, Behinderung oder Krank-                                                         man sich von deren Nutzen. „Von da an
heit ein würdevolles, autonomes Leben zu                      Hansjörg Büchel,                    haben wir uns in sehr guten Händen ge-
führen. Mit Bewegungsmeldern und Licht-                    Gemeindevorsteher Balzers              wusst“, erinnert sich Gemeindevorsteher
schranken zum Beispiel, mit Apps für die                                                          Hansjörg Büchel.
Lichtsteuerung, oder Sensoren für den
IBH-LABS MAGAZIN ACTIVE AND ASSISTED LIVING 19

Fünf Mal traf man sich bis zum Baubeginn             Schauräume gegen das Unwissen
im Herbst 2019. „Wir haben uns in Balzers            Die Corona-Pandemie war ein zusätzli-
auf die Benachrichtigungssysteme konzen-              cher Katalysator. So hat das Lab 2020 in
triert“, erklärt Guido Kempter. Zunächst             Zusammenarbeit mit der AWO Schwarz-
diskutierte man, welche Situationen die in           wald-Baar Geräte zur Erfassung von Vi-
allen zwölf Wohnungen verbauten Senso-               talfunktionen des Blutkreislaufes und der
ren überhaupt identifizieren sollten, ehe            Leistungsfähigkeit des Bewegungsap-
man eine im Lab entwickelte Lösung aus-               parats, die von Gesundheitsdienstleis-
wählte. „So sind wir flexibel, was die Pro-          tern überprüft werden können, getestet.
grammierung angeht“, sagt Kempter. In                „Selbst die grössten Technikskeptiker*in-           Online
                                                                                                          OnlineLieferdienste
                                                                                                                 Lieferdienste
der ersten Stufe erkennt das System etwa,             nen sind inzwischen vom Nutzen solcher             Sprachbasiertes
                                                                                                          SprachbasiertesDialogsystem
                                                                                                                          Dialogsystem
wenn ein dementer Mensch nachtaktiv                  Technologien überzeugt“, weiss Guido                Video-
                                                                                                          Video-und
                                                                                                                 undSprachtelefonie
                                                                                                                     Sprachtelefonie
wird. Falls in den nächsten Jahren der Be-           Kempter. Auch die Schauräume, die in                Rufautomatik
                                                                                                          Rufautomatik(z.B.
                                                                                                                       (z.B.bei
                                                                                                                             beiSturz)
                                                                                                                                 Sturz)
darf nach einer umfassenderen Steuerung,             Tuttlingen und – unabhängig vom Lab – an            Vitaldatenweiterleitung
                                                                                                          Vitaldatenweiterleitung
etwa von Haushaltsgeräten, aufkommen                  der Hochschule Kempten entstanden sind,            Automatische
                                                                                                          AutomatischeGeräteabschaltung
                                                                                                                       Geräteabschaltung
sollte, sind die dafür nötigen Kabel und              stossen auf reges Interesse. Um die 800            Automatische
                                                                                                          AutomatischeAbsperrventile
                                                                                                                       Absperrventile
Sensoren schon verlegt.                              Besucher*innen zählte etwa die Kempte-              Gerätefernsteuerung
                                                                                                          Gerätefernsteuerung
                                                      ner AAL-Wohnung in den zwei Jahren vor             Mechanische
                                                                                                          MechanischeRoboter
                                                                                                                      Roboter
Der Pfarrer und sein Skype                                                                               Überwachungssensoren
                                                                                                          Überwachungssensoren
Dass die Entwicklung dahin gehen wird,                                                                   Gesunde
                                                                                                          GesundeBeleuchtung
                                                                                                                  Beleuchtung
steht für Heinz Schaffer, dem Geschäfts-
führer der Lebenshilfe Balzers, fest: „Dem
unterstützten Wohnen im Alter gehört
die Zukunft.“ Um das zu wissen, genügt
dem Betreiber des „Schlossgarta“ allein
schon der Blick ins ebenfalls von der Le-
benshilfe geleitete Altenheim, wo die
grösste Sorge des hier lebenden 94-jähri-
gen Pfarrers die Funktionsfähigkeit seiner
Skype-App ist. Das Durchschnittsalter der
Zielgruppe der „Schlossgarta“-Wohnungen
liegt deutlich niedriger, bei 75+. „Die Ein-
stellung zu Technologien hat sich in den
vergangenen Jahren massiv verändert“,
sagt Schaffer.

          Das IBH Living Lab hat eine Vielzahl von
          AAL-Technologien in der Praxis erprobt.

                                                          Online Lieferdienste
                                                         Sprachbasiertes Dialogsystem
20 ACTIVE AND ASSISTED LIVING IBH-LABS MAGAZIN

                                                                                      Thema Reisen haben. Die Hotellerie er-
                                                                                      schliesst diese Nische jedoch nur zöger-
         «Selbst Pflegekräfte kennen viele                                            lich – auch am Bodensee –, obwohl gerade
                                                                                      dieses Klientel in der Lage wäre, in der
             AAL-Technologien nicht»                                                  Nebensaison Betten zu füllen oder die
                                                                                      auch in der Post-Corona-Zeit selteneren
                                                                                      Geschäftsreisenden zu ersetzen. Doch
                         Petra Friedrich, Hochschule Kempten
                                                                                      viel mehr als Barrierefreiheit wird noch
                                                                                      nicht angeboten. Schade, findet auch
                                                                                      Hans-Peter Hutter von der Zürcher Hoch-
                                                                                      schule für Angewandte Wissenschaften
 der Corona-Pandemie. „Solche Informa- gesellschaftlichen Auftrag an die Wissen- (ZHAW). „Mit guten Angeboten für einen
tions- und Erfahrungsmöglichkeiten sind schaft übertragen gehabt, nun stünde der unterstützten Urlaub könnten sich Hotels
 auch dringend notwendig, weil selbst Pfle- Übergang in die Praxis an.                profilieren“, ist Hutter, ein Spezialist für
gekräfte viele der bei uns installierten                                              Interaktionen zwischen Menschen und
Technologien nicht kennen“, sagt Petra Eine neue Zielgruppe für den Tourismus digitaler Information, überzeugt.
Friedrich, Professorin an der Fakultät für Die wichtigste Frage ist dabei die nach
Elektrotechnik und Leiterin des AAL-La- der Finanzierung: sowohl auf staatlicher Berndeutsch für Alexa
 bors der Hochschule Kempten.                Seite, wo Kempter sich insbesondere Wie die nächsten Schritte aussehen könn-
                                             eine Förderung für alle sozialen Milieus ten, hat er in einem weiteren Teilprojekt des
Zu beobachten ist überdies, dass der de- wünscht, „wo das Geld nicht so locker IBH Living Labs gemeinsam mit Kolleg*in-
 mografische Wandel als Problemstellung sitzt“, als auch auf privatwirtschaftlicher nen weiterer Hochschulen, der Claire und
 in den Programmen der Politik nicht mehr Seite. Geschäftsmodelle sind jetzt ge- George Stiftung aus der Schweiz, Indus-
 überall ganz oben auf der Agenda auf- fragt, um die unbestrittenen Potenziale triepartnern und acht Partnerhotels unter-
taucht – obwohl sich an der grundsätz- des AAL-Markts zu heben. Beispiel Tou- sucht. Hier wurde ein umfassender Ser-
 lichen Problemstellung einer rapide al- rismus: Expert*innen wissen, dass ins- vice für barrierefreien Urlaub entwickelt
ternden Bevölkerung nichts verändert hat. besondere die Unterstützungsbedürftigen und in Feldtests erprobt. Dabei kamen ver-
„Will man es positiv sehen, könnte sich in der Zielgruppe der sogenannten Best schiedene digitale Assistenzhilfen zum
 hier ein erneuter Sektorenwechsel andeu- Consumer zwischen 50 und 75 Jahren Einsatz: eine Informationsplattform mit
ten“, sagt Kempter. Die Politik habe den einen enormen Beratungsbedarf beim detaillierten Informationen zur Barriere-

IBH LIVING LAB AAL

                                            Beteiligte Hochschulen:                      Laufzeit:
                                            DHBW Ravensburg, FH Vorarlberg,              01.11.2016 – 30.06.2021
                                            HS Furtwangen, HS Kempten,
                                            RWU HS Ravensburg-Weingarten,                Das IBH Living Lab AAL wurde gefördert
                                            HTWG Konstanz, OST (Standort St. Gallen),    vom EU-Regionalprogramm Interreg V
                                            ZHAW, ZU Friedrichshafen                     „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“.
                                            Kalaidos FH Zürich, HS Reutlingen,
                                            Universität Tübingen

                                            Alle Praxispartner finden Sie unter:
                                            www.living-lab-aal.info/ibh-living-lab
                                                                                          www.living-lab-aal.info
IBH-LABS MAGAZIN ACTIVE AND ASSISTED LIVING 21

             Mit Hilfe von Urlauber*innen hat das
         Lab auch einen Alexa-Sprachassistenten
                 für Hotelinformationen getestet.

freiheit von Hotels, eine Reiseapp, die bei
Problemen unterwegs den Kontakt zu einer
                                                                    «Mit guten Angeboten
kompetenten Hilfe herstellt; eine weitere
App, die barrierefreie Angebote in der Um-
                                                               für einen unterstützten Urlaub
gebung anzeigt; oder einen Alexa-Sprach-
assistenten für Hotelinformationen. Der
                                                              könnten sich Hotels profilieren»
wurde an Hutters Institut entwickelt und
                                                                                 Hans-Peter Hutter, ZHAW
im Feldtest auf Herz und Nieren geprüft.

Barbara und Thomas Kestenholz aus Rubi-
gen in der Nähe von Bern zählen zu den
Urlaubern, die den Alexa-Sprachassisten-            pflegebedürftig, eine solche Unterstüt-     ist da noch die Sprachfrage. „Dialekte be-
ten getestet haben. Am Ende ihres Urlaubs           zung könnte daher durchaus nützlich sein,   herrscht die Alexa nicht?“, fragt sie. „Nein“,
im Ferienhotel Bodensee in Berlingen sind           findet seine Frau. Etwas spezifischer auf   antwortet Hans-Peter Hutter, Berndeutsch
sie mit Hutter im Hotelrestaurant zur Pro-          ihre individuellen Probleme sollte das      sei noch nicht im Repertoire. Aber auch
duktkritik verabredet. Herr Kestenholz ist          System aber abgestimmt sein. Und dann       das wird sich eines Tages noch ändern.
IBH-LAB SEAMLESS LEARNING

Durchblicken
beim
Lernen
IBH-LABS MAGAZIN SEAMLESS LEARNING 23

Von der Schule ins Studium, von der Hochschule in Job, von der Weiterbildung in den Arbeitsalltag:
Um Bildungsprozesse erfolgreich zu gestalten, müssen gerade die Übergänge und Nahtstellen in
den Blick genommen werden – erst recht im Zeitalter des lebenslangen Lernens. Auch dank der
konzertierten Aktion im Rahmen des IBH-Labs Seamless Learning nimmt die Vierländerregion bei
diesem Thema eine Vorreiterrolle ein.

E
		 igentlich arbeitet Stephan Strittmatter Im Unternehmen statt nur im Seminar des Projekt an. „Es macht grossen Spass,
		 ja als Talent Scout beim Software- Zwar verfügt Sybit, das in Radolfzell und zu sehen, wie sich die Studierenden enga-
haus Sybit, im vergangenen Winter jedoch weiteren Standorten rund 280 Mitarbei- gieren“, schwärmt Mike Groezinger ge-
schlüpfte er von Zeit zu Zeit in die Rolle tende beschäftigt, über ein Onboarding- schäftsführender Gesellschafter des Soft-
 des „Störenfrieds“: Er äusserte manch Programm, zu dem seit einiger Zeit sogar warelabors Siobra, und Patrick Kratzer,
wundersame Idee zu einem Projekt, wollte spezifische Kommunikationstrainings ge- Informatikstudent an der HTWG, würde
 es mal so und kurz darauf wieder ganz hören. Noch besser indes wäre es, wenn sich mehr solcher Veranstaltungen wün-
anders und hielt mit seiner Meinung über alle Neuen bereits über dieses Fähigkeiten schen. „Die Interaktion mit einem Projekt-
 die Arbeit seiner Dienstleister nicht hin- verfügen würden. Von daher brauchten partner ist etwas komplett anderes als
term Berg. Kurzum: Strittmatter spielte Rainer Mueller und Ralf Schimkat, Infor- ein Seminar.“
 einen Kunden – seine Dienstleister wa- matik-Professoren der HTWG Konstanz,
ren Informatikstudierende der HTWG nicht viel Überredungskunst, um Praxis- „In Europa wissenschaftlich führend“
Konstanz. Und das gemeinsame Projekt partner für ihre Veranstaltung zu finden, Das Projekt war Teil des IBH-Labs Seam-
war zwar ein Hochschulseminar, hatte die sie nach dem PIPE-Konzept (Project- less Learning, das in den vergangenen
aber doch verdammt viel mit dem realen In-Project-Experience) konzipierten und vier Jahren nach Wegen gesucht hat, um
Leben zu tun.                                durchführten.                              Brüche, Nahtstellen und sonstige Hinder-
                                                                                         nisse in Bildungsprozessen zu überwin-
„Agiles Projektmanagement“ ist der Name                                                  den. Der Übergang vom Studium in den
 dieses Projekts und beschreibt zugleich                                                Beruf ist einer dieser typischen Situatio-
 eine Methode, die für Informatiker*innen,
aber auch Ingenieur*innen zunehmend
                                                     «In Europa                          nen, die berufliche Weiterbildung eine an-
                                                                                         dere, bei der es oft an der Transferfähigkeit
selbstverständlich geworden ist, und auch
in anderen gesellschaftlichen Bereichen
                                                       sind wir                         und Anwendbarkeit von Wissen mangelt.
                                                                                        „Die Unternehmen entdecken aber immer
immer mehr Einzug hält. Damit verbunden
ist die exakte Umkehr der Maxime, die Ste-
                                                  wissenschaftlich                       mehr, dass sie die Weiterbildung stärker
                                                                                         in den Arbeitsprozess inkludieren müs-
phan Strittmatter als junger Programmie-
rer noch selbst zu hören bekam. „Du hast
                                                      führend»                           sen“, erklärt Bernadette Dilger, Professo-
                                                                                         rin für Wirtschaftspädagogik an der Uni-
Dich nicht um den Kunden zu kümmern!“                                                   versität St. Gallen. Nicht zuletzt aufgrund
                                                         Bernadette Dilger,
                                                                                         der Tradition der dualen Ausbildung sei
                                               Professorin für Wirtschaftspädagogik
Eine Software agil zu entwickeln, heisst                                                 das Verständnis dafür in der DACH-Regi-
                                                    an der Universität St. Gallen
 demgegenüber, in einem Team mit ver-                                                    on ohnehin stärker geprägt als etwa im
schiedenen Rollen, in kurzen Zeiträumen                                                  angloamerikanischen Raum. Dank der kon-
zu denken und sehr regelmässig den Kon-                                                 zertierten Aktion des IBH-Labs gelte dies
takt zum Kunden zu suchen. „Der Nerd,                                                    nun auch für die Forschung. „In Europa sind
 der allein im Keller vorm Bildschirm hockt, Dazu legten sie zwei ansonsten getrennte wir wissenschaftlich führend“, so Dilger.
passt eher nicht in ein agiles Team“, so Kurse für Masterstudierende zu einem
Strittmatter über das Anforderungsprofil Verbundmodul zusammen, das noch dazu Gemeinsam mit Christian Rapp von der
heutiger Informatiker*innen. „Sie müssen nicht nur im Hörsaal, sondern auch vor Zürcher Hochschule für Angewandte Wis-
wesentlich teamorientierter und kommu- Ort bei den Praxispartnern stattfand. Hier senschaften (ZHAW) hat Dilger das so-
nikativer sein als noch vor einigen Jahren.“ traten die Studierenden in Teams gegen- genannte Basisprojekt des Labs geleitet.
                                             einander zum Pitch um ein real existieren- Hier wurden die konzeptionellen Grundla-
24 SEAMLESS LEARNING IBH-LABS MAGAZIN

                   «Formeln bleiben wichtig,
                   aber Lernen funktioniert
                      spielerisch besser»                                                         alltäglichen wie relevanten Phänomens
                                                                                                  auseinandergesetzt: der Verbreitung von
                                                                                                  Wellen – sei es auf dem Wasser, von Mobil-
                                    Andreas Witzig,
                                                                                                  funkstrahlen oder von Lärm.
             Leiter des Institute of Computational Physics an der ZHAW
                                                                                                  Als Lernstoff indes ist die Wellenausbrei-
                                                                                                  tung „ein trockenes Thema, das viel Phy-
                                                                                                  sik erfordert und auch Studierende im
gen gelegt und an die Projekte vermittelt,    Hinzu kommen unterstützende Materia-                vierten Semester noch überfordern kann“,
die wiederum vom Basisprojekt evaluiert       lien für die eigene Konzeption. Die wie-            wie Witzig weiss. Mit E-Learning-Tools hat
wurden. Ein hoher Betreuungs- und Refle-      derum können Anwender*innen für wei-                man eine Brücke zwischen der sichtba-
xionsaufwand, der sich aus Dilgers Sicht      tere Interessierte aufbereiten.                     ren und der für das menschliche Auge
aber gelohnt habe, da es gelungen sei, „we-                                                       unsichtbaren Welt gebaut und so etwa
sentliche Muster zu finden, die ein gutes  Wie man den „Tanz der Teilchen“                        den „Tanz der Teilchen“ visualisiert, wenn
Seamless Learning-Konzept auszeichnen“.    sichtbar macht                                         Elektronen durch eine Mauer fliegen.
                                           Andreas Witzig, Leiter des Institute of                Teile des Projekts sind an der ZHAW in
Daraus ist eine frei zugängliche, prozess- Computational Physics an der ZHAW, hat                 das Curriculum eingeflossen, berichtet
orientierte Online-Plattform entstanden. für diesen Projekten nach eigenem Be-                    Witzig. „Wir liefern damit Bilder zu For-
Lehrende oder auch Personalentwickler* kunden „sehr von den Didaktikern profi-                    meln. Die bleiben wichtig, aber Lernen
innen können hier gezielt nach Konzepten tiert“. Gemeinsam mit Kollegen der PH                    funktioniert spielerisch besser.“
suchen, die dazugehörigen Applikationen Vorarlberg hat der Spezialist für Compu-
werden in einem Showroom präsentiert. tersimulationen sich mit einem ebenso

                                                      Bernadette Dilger (Mitte) war Co-Leiterin
                                                                  des Basisprojekts des Labs.

   Andreas Witzig (links)
   setzte in dem von ihm
   geleiteten Projekt
   Computersimulationen
   für die Visualisierung
   von Wellen ein.
IBH-LABS MAGAZIN SEAMLESS LEARNING 25

                                                                                                           Das Modell der Kralle visualisiert
                                                                                                           die drei Ebenen des Labs.

Phrasen helfen bei der Thesis                  Um den Thesis-Prozess zu strukturieren       werden. Alle die jetzt eine Plagiatsgefahr
Das Spiel und der Spass hören für viele Stu-   und zu unterstützen, hatten Christian Rapp   wittern, kann Christian Rapp mit einem
dierende im Studium freilich spätestens        und Kolleg*innen aus der Schreibdidak-       nüchternen Blick auf die Empirie beruhi-
mit der Abschlussarbeit auf. Durch die mit     tik sowie der Computer- und Korpuslingu-     gen. „Bis zu 50 Prozent der Formulierun-
dem Bologna-System verbundene Reduk-           istik an der ZHAW schon vor dem IBH-Lab      gen in sozialwissenschaftlichen Publika-
tion schriftlicher Arbeiten und damit man-     ein Schreibprogramm entwickelt. In den       tionen sind Konvention und werden sogar
gelnder Übung fühlen sich die Studieren-       vergangenen Jahren hat man den Thesis        erwartet.“
den noch stärker unter Druck – und die Leh-    Writer weiterentwickelt. Mit seiner Hilfe
renden sind ob mangelhafter Ergebnisse         lässt sich innerhalb von 30 Minuten ein
frustriert. An Fachhochschulen stellt sich     Grobkonzept erstellen, beim Proposal hört    Die Plattform mit Praxistools finden
dieses Problem in verschärfter Form, da        die Unterstützung aber noch lange nicht      Sie unter:
hier traditionell weniger geschrieben wird     auf. Ein zweisprachiges Phrasebook lie-      seamless-learning.htwg-konstanz.de
und viele Dozierende eher eine praktische      fert für jeden Bereich der Arbeit typische
als wissenschaftliche Laufbahn haben.          fachspezifische Formulierungen. Die Ver-     Mehr über den Thesis Writer erfahren
                                               wendung disziplinspezifischer Fachbe-        Sie unter:
                                               griffe kann über Korpusabfragen erkundet     thesiswriter.zhaw.ch

IBH-LAB SEAMLESS LEARNING

                                               Beteiligte Hochschulen:                      Laufzeit:
                                               DHBW Ravensburg,                             01.01.2017 – 30.04.2021
                                               HS Albstadt-Sigmaringen, HTWG Konstanz,
                                               OST (Standorte Buchs und St. Gallen),        Das IBH-Lab Seamless Learning wurde
                                               PH Vorarlberg, Universität Konstanz,         gefördert vom EU-Regionalprogramm
                                               Universität Liechtenstein,                   Interreg V „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“.
                                               Universität St. Gallen, ZHAW

                                               Alle Praxispartner finden Sie unter:
                                               www.seamless-learning.eu/hintergrund
                                                                                             www.seamless-learning.eu
Die Lab-Leiter Guido Kempter (o. l.), Oliver Haase (u. l.) und
Claude Müller Werder (u. r.) mit Moderator Jens Poggenpohl (o. r.).

«Kein Projekt, sondern ein Netzwerk»
Die ersten IBH-Labs waren ein                          Sie kommen alle von Hochschulen Wahrscheinlich allein schon aufgrund
Experiment – auch strukturell                          der angewandten Wissenschaften, der Dimension …
                                                       die Verbindung von Forschung und
und organisatorisch. Was macht                         Praxis ist Ihnen vertraut, auch das            Guido Kempter: Ja, selbst im Vergleich
die Herausforderung besonders?                         Forschen in grösseren Verbünden. zu einem grossen Verbund sind die Labs
Was hat sich bewährt, was                              Was ist besonders an der Struktur viel grösser. Bei uns waren bis zu 12 Hoch-
nicht? Und sind die Themen in                          der IBH-Labs?                               schulen und 18 Vertragspartner involviert,
                                                                                                   wobei ich die Netzwerkpartner und asso-
der Region angekommen?                                    Oliver Haase: Was die Praxisnähe an- ziierten Partner hier noch gar nicht mit-
Zeit für ein Resümee mit den                           geht, würde ich zustimmen, ohne den zähle. Auch qualitativ ist das Instrument
Leitern der Labs.                                      Kolleg*innen anderer Hochschultypen der Labs etwas anderes als ein Verbund.
                                                       zu nahe treten zu wollen. Das liegt uns Es ist auch kein Projekt oder eine An-
                                                       mehr, das entspricht unserer Mission. Die sammlung von Einzelprojekten, sondern
                                                       grossen Verbünde sind zumeist EU-weite im Idealfall ein Netzwerk. Gerade die hier
                                                       Projekte in der Grundlagenforschung und gelebte Zusammenarbeit ist es, die ein
                                                       daher eher eine Domäne der Universitä- Lab auszeichnen sollte. Eine solche He-
                                                       ten. Je grösser der Verbund, umso schwie- rausforderung braucht, wie Herr Haase
                                                       riger und aufwändiger die Administration. schon gesagt hat, ein anderes Projekt-
                                                       Speziell für uns war das Lab in dieser Hin- management. Das wäre auch mein wich-
                                                       sicht eine Herausforderung.                 tigster Rat an unsere Nachfolger*innen:
IBH-LABS MAGAZIN INTERVIEW 27

                                                     DIE GESPRÄCHSPARTNER

                                                     Oliver Haase
                                                     ist Professor für Informatik an der HTWG Konstanz und Leiter des IBH-Labs
                                                     KMUdigital.

                                                     Guido Kempter
Plant von Anfang an agil, und plant von              ist Leiter des Forschungszentrums Nutzerzentrierte Technologien an der
Anfang an als Netzwerk.                              FH Vorarlberg und Leiter des IBH Living Labs AAL.

Herr Müller Werder, im Seamless Lear-                Claude Müller Werder
ning-Lab waren Sie als Leiter mit ihrem              ist Leiter des Zentrums für Innovative Didaktik (ZID) an der Zürcher
                                                     Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Leiter des IBH-Labs
Team sogar ausschliesslich für das Ma-
                                                     Seamless Learning.
nagement verantwortlich. Was waren
die Hintergründe, und hat sich diese
Konstruktion bewährt?

   Claude Müller Werder: Auch wir ha-        Gemessen an der internationalen Reso- toren zu verankern: mit Produkten und
ben die Kommunikation und Koordination       nanz darf man die IBH-Labs sicher als Geschäftsmodellen für die Immobilien-
von in unserem Fall 10 Hochschulen und       Erfolg verbuchen. Nur drei Beispiele: industrie etwa. Wir haben es auch ge-
15 Vertragspartnern als Herausforderung      Sie wurden mit dem „Sail of Papenburg“ schafft, die Herausforderungen des de-
empfunden. Einen gemeinsamen roten Fa-       der Arbeitsgemeinschaft Europäischer mografischen Wandels zu einem Thema
den zu finden und das Committment aller      Grenzregionen ausgezeichnet, in der zu machen, wobei ich darüber staune,
Beteiligten zu gewährleisten, erschien       Schweiz hat Regio Suisse die Regio- dass dieses Thema heute anders als vor
uns besonders wichtig – daher die Idee,      Labs ähnlich zu den IBH-Labs aufgebaut, fünf Jahren nicht mehr ganz oben auf der
das Lab-Management auszulagern. Wir          und das „IBH Living Lab AAL“ wurde politischen Agenda steht. Aber vielleicht
haben das unter anderem mit einem halb-      2020 in Österreich zu einem der 30 er- ist das auch nur Ausdruck dafür, dass wir
jährlichen „Labletter“ und Veranstaltungen   folgreichsten von über 2000 Interreg- erfolgreich gewesen sind.
umgesetzt. Dadurch waren wir etwas un-       Projekten gewählt. Noch interessanter
abhängiger und konnten in Konfliktfällen     aus Sicht der IBH ist aber der regionale Auch über die Digitalisierung des Mit-
vermitteln. Im Gegenzug waren wir aber       Impact. Ist die Verankerung Ihrer The- telstands wurde vor fünf Jahren viel ge-
weniger mit Inhalten beschäftigt, zumal      men vor Ort gelungen?                    sprochen – heute erst recht.
es in unserer Konstruktion ein inhaltlich
übergeordnetes Basisprojekt gab, das die        Kempter: Ich denke schon, dass wir es         Haase: Und wir haben einen sichtba-
konzeptionellen Grundlagen erarbeitet        geschafft haben, das Thema des unter-         ren Beitrag dafür geleistet, dass das The-
und die Umsetzungsprojekte evaluiert hat.    stützten Wohnens in verschiedenen Sek-        ma in den Führungsetagen der KMU an-
                                                                                           gekommen ist. Allerdings gibt es auch
                                                                                           Grenzen: Von Förderprojekten wird gerne
                                                                                           erwartet, dass sie einen nachhaltigen
                                                                                           Effekt haben, sich nach dem Förderzeit-
                                                  «Für unsere                              raum verstetigen. Hierfür sind die KMU
                                                                                           eine schwierige Klientel, zumal sie nicht
                                             regionale Vernetzung                          über Mittel wie Konzerne verfügen. Hier
                                                                                           braucht es einen direkteren Nutzen, oder
                                              hat das Lab enorm                            einen grossen Leidensdruck, oder eine
                                                                                           starke Vision, um sich zu engagieren. Da-
                                                 viel gebracht»                            für ist auch die Förderstruktur der IBH-
                                                                                           Labs nicht ideal. Dabei wäre eine Förde-
                                                          Oliver Haase                     rung absolut zwingend, denn die KMU
                                                                                           sind die Juwelen unserer Wirtschaft.
                                                                                           Enorm viel gebracht hat das Lab für uns
28 INTERVIEW IBH-LABS MAGAZIN

an der HTWG. Für uns ist die regionale
Zusammenarbeit mit der Schweiz und
nach Österreich sehr wichtig, und mir ist
nicht bekannt, dass wir vor dem Lab nen-
                                                  «Die IBH ist
nenswerte Kooperationen mit der FH Vor-
arlberg gehabt hätten. Das hat sich kom-
                                               eine Europäische
plett gewandelt, und wir schätzen diesen
Partner sehr.
                                                  Universität,
Inwieweit können Hochschulen Struk-
                                                die schon lebt»
turen wie die Labs für ihre Entwicklung
                                                        Guido Kempter
nutzen, und sei es nur, indem die Labs
Hinweise auf Lücken geben?

   Haase: Was ich zur Kooperation zwi-
schen den Hochschulen gesagt habe, gilt wir an der gesamten Hochschule sehr breit       über mehrere Jahre gemeinsam unter-
bei uns auch innerhalb der Hochschule. – übrigens auch an anderen Hochschu-             wegs – und zwar als IBH. Man spricht jetzt
Hierfür hat das Lab Enormes geleistet. Wir len. Der andere Impact ist struktureller     überall von den Europäischen Universitä-
haben Kolleg*innen zusammengebracht, Art: Am Seamless Learning-Lab waren                ten. Für mich ist die IBH eine Europäische
die sich vorher nicht kannten, es sind dar- mehrere Departements beteiligt, es gab      Universität, die schon lebt. Und weiterge-
aus sogar neue Arbeitsgebiete und Frage- anfangs viel Unsicherheit, sowohl in fi-       trieben: Die Entwicklung der Forschungs-
stellungen entstanden, die es so vorher nanzieller und kommunikativer als auch          politik geht ja in Richtung Citizen Science,
nicht gab. Ein wesentlicher Benefit solcher in organisatorischer Hinsicht. Aus dieser   Open Science, partizipative Forschung.
Projekte ist daneben der Vertrauensauf- Erfahrung haben wir Einiges mitnehmen           Und in den Labs arbeiten wir schon in-
bau. Wer sich besser kennt, setzt sich für können.                                      tensiv und gleichberechtigt mit der Praxis
den nächsten Antrag leichter zusammen.                                                  zusammen, die uns ihre Fragestellungen
                                               Kempter: Für mich war es schön zu se-    bringt. Auch das steht für einen Prozess,
   Müller Werder: Den Thesis Writer, den hen, dass über das Lab unser IBH-Netz-         der in ganz Europa begonnen hat.
wir an der ZHAW entwickelt haben, nutzen werk spürbar geworden ist. Wir waren

                                                                                        Das ganze Gespräch mit den Lab-Leitern
                                                                                        können Sie hier nachhören:
                                                                                        www.bodenseehochschule.org/labs/
                                                  «Wir haben                            ibh-labs

                                              strukturell Einiges
                                                 mitnehmen
                                                   können»
                                                    Claude Müller Werder
Gezielt suchten die Labs den Dialog mit der Öffentlichkeit,
hier bei der Midterm-Präsentation im Oktober 2018 in Kreuzlingen.
30 RÜCKBLICK IBH-LABS MAGAZIN

Chronik der Pioniere
Das war die erste Runde der IBH-Labs: Meilensteine und Highlights im Überblick.

    11 / 2015
    STARTSCHUSS: Interreg V „Alpenrhein-
    Bodensee-Hochrhein“, die IBK-Kommission
    Bildung, Wissenschaft und Forschung und
    die Internationale Bodensee-Hochschule
    legen gemeinsam den Grundstein für die IBH-                                                    06 / 2017
    Labs.
                                                                                                   IBH LIVING LAB AAL
                                                                                                   Mit der Tagung „Umgebungsunterstütztes Leben“
                                                                                                   startet das IBH Living Lab Active and Assisted
                                                                                                   Living seine ersten Massnahmen für den Transfer
                                                                                                   von Wissen in die Praxis. Bis Projektende werden
                                                                                                   mehr als 1.300 Expert*innen im Umgang mit
                                                                                                   AAL-Lösungen vertraut gemacht.

                                 2016                                                           2017                                                                                                                                        2018

                                                  10 / 2016                                                                                                                                             donated by the EMS DOLLART REGION

                                                                                                                                                            Association of European Border Regions

                                                  IBH-LAB SEAMLESS LEARNING
                                                  Im Herbst 2016 starten die Labs mit den                                                               International Lake Constance Region

                                                  Vorbereitungen: Im IBH-Lab Seamless
                                                                                                                                                                               (AT/CH/DE/FL)

                                                                                                                                                                       for outstanding achievements in
                                                                                                                                   cross border award

                                                                                                                                                                      European cross-border cooperation

                                                  Learning werden dabei mithilfe eines Design
                                                                                                                                                                   IBH: The International University of Lake
                                                                                                                                                                  Constance and their IBH-Labs – Networks of
                                                                                                                                                                   regional universities and practitioners for
                                                                                                                                                                            research and innovation

                                                  Based Research-Ansatzes in Workshops
                                                                                                                                                                                Badajoz, October 2017

                                                  didaktische Prototypen entwickelt.
                                                                                                                                                         Karl-Heinz Lambertz    Martín Guillermo-Ramírez           Bernhard Bramlage
                                                                                                                                                             (President)          (Secretary General)            (Chairman of the Jury)

                                                                                                                                                        SAIL OF PAPENBURG

                                                                                                         11 / 2017
                                                                                                         SAIL OF PAPENBURG: Die Arbeitsgemeinschaft
                                                                                                         Europäischer Grenzregionen (AGEG) zeichnet
                                                                                                         die IBH-Labs mit dem Sail of Papenburg-Award
                                                                                                         2017 aus. Der Preis ehrt herausragende
                                                                                                         Programme, Strategien, Projekte und Aktionen
                                                                                                         in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit,
                                                                                                         möglichst auch mit Modellcharakter. Die IBH-
                                                                                                         Labs seien in verschiedener Hinsicht ausser-
                                                                                                         ordentliche Projekte, so die Jury des Awards.
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