"Ich werde Sie bei unseren Gipfeltreffen vermissen" - Konrad ...

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"Ich werde Sie bei unseren Gipfeltreffen vermissen" - Konrad ...
Juli 2021

Auslandsbüro USA, Washington D.C.

“Ich werde Sie bei unseren Gipfeltref-
fen vermissen”

Merkel bei Biden – Antritts- und Abschiedsbesuch zugleich

Paul Linnarz, Jan Bösche
Das erste Treffen zwischen der ersten Bundeskanzlerin und der ersten US-Vizepräsidentin, die Verlei-
hung der Ehrendoktorwürde der renommierten Johns Hopkins Universität – Angela Merkels voraus-
sichtlich letzte Dienstreise als Kanzlerin nach Washington D.C. war voller symbolträchtiger Momente.
Präsident Joe Biden scherzte, Merkel kenne das Oval Office genauso gut wie er.

Freundliche „Rückkehr zum Tagesge-                    Ein Zukunftsforum und ein Wirtschaftsdialog. Au-
schäft“                                               ßerdem starteten sie eine amerikanisch-deutsche
                                                      Klima- und Energiepartnerschaft. 2 Die drei
Der Tag in Washington war für die Bundeskanzle-       Hauptziele: Gemeinsam an Klimazielen arbeiten,
rin eng getaktet: Ein Treffen mit Vizepräsidentin     neue Energie-Technologien fördern und Schwel-
Kamala Harris als erster offizieller ausländischer    lenländern in der Klimakrise helfen. Merkel sagte
Besuch in Harris‘ Residenz, Gespräche mit deut-       mit Blick auf diese Vereinbarungen, die USA und
schen Wirtschaftsvertretern in den USA, die Ver-      Deutschland seien enge Partner, sie wolle, dass
leihung der Ehrendoktorwürde der Johns Hopkins        das nach ihrer Zeit als Bundeskanzlerin auch so
Universität und als Höhepunkt Gespräche und           bleibe: „Mit diesem Besuch haben wir einige Vo-
Abendessen im Weißen Haus.                            raussetzungen geschaffen, damit Formate da
                                                      sind, wo man sich weiter austauschen kann.“
Präsident Joe Biden würdigte Merkels Amtszeit
als historisch und erinnerte daran, dass sie die      Biden und Merkel betonten immer wieder, wie
erste Bundeskanzlerin ist, die erste aus der frühe-   wichtig Kooperation und Abstimmung sind, beim
ren DDR. Er dankte ihr für ihre Führungsstärke        Klimawandel, beim Kampf gegen die Corona-Pan-
und sagte, die Freundschaft zwischen Deutsch-         demie, im Umgang mit China und Russland. Dazu
land und den USA sei stärker und stärker gewor-       gehört auch, dass “gute Freunde unterschiedli-
den. Merkel sagte: „Wir sind nicht nur Verbün-        cher Meinung sein können”, wie Biden mit Blick
dete und Partner, sondern eng befreundete Nati-       auf „Nordstream 2“ sagte. Die Gaspipeline wird in
onen.“ Sie wisse, was Amerika für die Geschichte      Washington höchst kritisch gesehen. Biden
eines freien und demokratischen Deutschlands          warnte, Russland dürfe seine Energie nicht als
getan habe.                                           Waffe einsetzen. Gleichzeitig sagte er, amerikani-
                                                      sche Sanktionen gegen die Pipeline machten kei-
Gleichzeitig betonte sie, das Bekenntnis zu ge-       nen Sinn mehr, weil sie schon zu 90 Prozent fertig
meinsamen Werten reiche nicht – angesichts der        gestellt sei. Man wolle aber mit Deutschland zu-
neuen Herausforderungen müssten diese Werte           sammenarbeiten, um die Ukraine zu unterstütz-
in praktische Politik umgesetzt werden. Dafür un-     ten. Merkel betonte, „Nordstream 2“ solle den
terzeichneten Präsident und Kanzlerin eine            Transit von Gas durch die Ukraine nicht ersetzen:
„Washingtoner Erklärung“, ein gemeinsames Be-         „Unser Verständnis war und ist und bleibt, dass
kenntnis zu demokratischen Prinzipien, Werten         die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt.“ Alles
und Institutionen. 1 Neue Gesprächsforen sollen       andere würde sehr große Spannungen hervorru-
den amerikanisch-deutschen Austausch fördern:         fen.
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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Keine Lösung gab es beim Treffen für ein Thema,      Bush. Bei ihm absolvierte die Kanzlerin ihren An-
das besonders deutsche Unternehmen in den            trittsbesuch im Januar 2006. Damals waren es die
USA interessiert und Familien, die in beiden Län-    Amerikaner, die sich von der neuen deutschen
dern leben: Der Einreisestopp für Europäer in die    Regierungschefin ein „Tauwetter“ in den transat-
USA. Biden sagte, Merkel habe das Thema ange-        lantischen Beziehungen erhofften. Nach den
sprochen und kündigte an, er werde sich voraus-      Worten von Ex-Außenministerin Condoleezza
sichtlich in den kommenden Tagen dazu äußern.        Rice war das deutsch-amerikanische Verhältnis
Er warte auf den Rat der Experten in seinem Co-      zu diesem Zeitpunkt „vergiftet“. Merkels Amtsvor-
vid-Team.                                            gänger Gerhard Schröder hatte sich geweigert,
                                                     deutsche Soldaten in den Irak zu entsenden. Die
US-Medien schrieben über das Treffen im Wei-         USA warfen ihm vor, mit der Ablehnung des Irak-
ßen Haus, Merkel und Biden hätten die Weichen        kriegs in Deutschland während des Wahlkampfs
für die Zukunft der deutsch-amerikanischen Be-       antiamerikanische Ressentiments geschürt zu ha-
ziehungen gestellt. Im Ergebnis seien die beiden     ben. Das Verhältnis zwischen Bush und Schröder
Regierungschefs damit „zum Tagesgeschäft zu-         galt als zerrüttet. Die bilateralen Beziehungen wa-
rückgekehrt“. Biden scherzte, Merkel kenne das       ren an einem Tiefpunkt angelangt.
Oval Office genauso gut wie er. "Persönlich“, so
der US-Präsident vor dem gemeinsamen Abend-          Beim Antrittsbesuch Angela Merkels nahm sich
essen, „werde ich Sie bei unseren Gipfeltreffen      Bush zunächst immerhin 45 Minuten Zeit für ein
vermissen, wirklich.“                                Gespräch unter vier Augen. Im Nachgang lobte
                                                     der US-Präsident die Bundeskanzlerin als „klug“
Rückblick: Der Start mit Bush, Obama                 und „ungemein fähig“. Zudem würdigte er Mer-
und Trump                                            kels Biographie: „Es hat etwas Erhebendes, mit je-
                                                     mandem zu sprechen, der den Unterschied zwi-
Vertrauensvolle und enge Beziehungen zu den          schen dem bloßen Reden über Tyrannei und dem
Vereinigten Staaten lagen Angela Merkel immer        Leben in Freiheit kennt (…).“ Angela Merkel be-
am Herzen: „Die transatlantische Partnerschaft       wertete den Antrittsbesuch als einen „guten An-
mit unseren Werten von Demokratie und Men-           fang“ und äußerte ihren Wunsch nach einem
schenrechten“, so die Bundeskanzlerin 2019 bei       „neuen Kapitel“ in den transatlantischen Bezie-
einer Rede an der Universität Harvard, „hat uns      hungen. Die Stimmung war gelöst, obwohl „the
eine nun schon über 70 Jahre dauernde Zeit des       cowboy and the angel“ (The Washington Times,
Friedens und des Wohlstands beschert, von der        11.1.2006) nicht in allen Fragen zusammenfan-
alle Seiten profitieren.“                            den. So bezeichnete Bush das Gefangenenlager
                                                     Guantanamo auf Kuba als „notwendig“ im Kampf
Für Merkel hat das Verhältnis zu den USA aber        gegen den Terror, Merkel hatte Bedenken dage-
auch eine ganz persönliche Seite: Schon während      gen geäußert.
sie in der DDR aufwuchs, habe sie sich „für den
American Dream begeistert“, für „die Möglichkeit,    Trotz aller Meinungsunterschiede auch nach dem
es durch eigene Anstrengung zu etwas zu brin-        Antrittsbesuch – so im Streit über einen Nato-Bei-
gen“, für „die Weite der amerikanischen Land-        tritt Georgiens und der Ukraine – blieb das per-
schaften, die den Geist der Freiheit und Unab-       sönliche Verhältnis zwischen Bush und Merkel
hängigkeit atmen“. Als Rentnerin, hatte sich Mer-    ungetrübt. Sie lud das Ehepaar Bush nach Trinwil-
kel damals überlegt, würde sie in die Bundesre-      lershagen in Mecklenburg-Vorpommern ein; er
publik reisen, dort ihren DDR-Ausweis gegen ei-      das Ehepaar Merkel/Sauer auf seine Ranch in
nen deutschen Pass eintauschen und sich dann         Crawford, Texas. Insgesamt elf Mal trafen sich die
sofort aufmachen zu einer Reise in die USA.          Bundeskanzlerin und der republikanische US-Prä-
                                                     sident bis Ende 2008.
Viel früher als erwartet ging dieser Wunschtraum
in Erfüllung: Nur wenige Monate nach dem Fall        Mit Barack Obama verlief der Start nach dessen
der Mauer warf Angela Merkel in Kalifornien ei-      Wahlsieg hingegen etwas holpriger. Der demo-
nen ersten Blick auf den Pazifischen Ozean. „Es      kratische US-Präsident war in Deutschland weit-
war einfach grandios.“ Und es sollte keineswegs      aus beliebter als sein Vorgänger. Im US-Wahl-
ihr letzter USA-Besuch bleiben.                      kampf wollte Obama vor dem Brandenburger Tor
                                                     auftreten. Merkel lehnte dies jedoch ab. Kaum im
Joe Biden ist nun bereits der vierte US-Präsident,   Amt, hatte Obama bei Treffen in London, Baden-
den Merkel als Bundeskanzlerin im Weißen Haus        Baden und Dresden dann gleich drei Mal Gele-
besucht hat. Den Anfang machte George W.             genheit, sich mit der Bundeskanzlerin persönlich
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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auszutauschen. Aber erst Ende Juni 2009, fünf        „Person des Jahres“ gekürt worden war, twitterte
Monate nach der Amtseinführung des neuen US-         der Milliardär: „Sie wählten eine Person, die
Präsidenten, kam Merkel zum Antrittsbesuch           Deutschland ruiniert.“ Ein Jahr später gratulierte
nach Washington. Bis dahin hatten die beiden Re-     die Bundeskanzlerin Trump zu seinem Wahlsieg
gierungschefs alle Gerüchte über ein unterkühl-      und betonte: „Deutschland und Amerika sind
tes persönliches Verhältnis nach Kräften zu zer-     durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit,
streuen versucht. Ihr mache es „wirklich Spaß“,      Respekt vor dem Recht und der Würde des Men-
mit Obama zusammenzuarbeiten, versicherte            schen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Reli-
Merkel, während dieser die Bundeskanzlerin im        gion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder po-
Vorfeld des Antrittsbesuchs als „Freundin“ be-       litischer Einstellung.“ Gleich im Anschluss sagte
zeichnete. Trotzdem stand das erste Treffen im       sie: „Auf der Basis dieser Werte biete ich dem
Weißen Haus aus Sicht vieler Beobachter unter        künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten
keinem guten Stern.                                  von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusam-
                                                     menarbeit an.“
Nur Wochen zuvor, Anfang Juni 2009, hatte sich
Merkel kritisch über die Geldpolitik der Vereinig-   Vom Antrittsbesuch im März 2017, laut New York
ten Staaten geäußert. Aus Sicht der Bundeskanz-      Times (17.3.2017) das erste Treffen zwischen „the
lerin war diese eine der Ursachen für die interna-   Defender Versus the Disrupter “, blieb vor allem
tionale Finanz- und Wirtschaftskrise. Washington     eine Szene in Erinnerung: Als die Pressefotogra-
wiederum war darüber verstimmt, dass Deutsch-        fen beide Regierungschefs im Oval Office dazu
land weder seinen militärischen Beitrag zum          aufriefen, sich die Hände zu reichen, schien der
ISAF-Einsatz in Afghanistan weiter ausbauen noch     US-Präsident die Frage zu überhören. Auch als
zusätzliche Häftlinge aus Guantanamo aufneh-         Merkel ihn dann fragte, ob er ihr die Hand schüt-
men wollte. Angesichts dieser Differenzen sah        teln wolle, blieb Trump regungslos sitzen. Das
Washington dem Antrittsbesuch der Bundeskanz-        Bild ging um die Welt; bei solchen Treffen zählen
lerin mit einer gewissen Skepsis entgegen. Am        eben auch Gesten und Körpersprache. Viele
Ende erwiesen sich die Befürchtungen als unbe-       Kommentatoren riefen in Erinnerung, dass der
gründet und Obama versicherte, „dass ein Teil        US-Präsident dem damaligen japanischen Premi-
der Wärme, die ich gegenüber Deutschland emp-        erminister Shinzo Abe bei dessen Antrittsbesuch
finde, darin besteht, dass ich Bundeskanzlerin       im Oval Office gut vier Wochen zuvor gleich 19
Merkel sehr mag.“ Zwei Jahre nach dem ersten         Sekunden lang fest die Hand gedrückt hatte.
Treffen im Weißen Haus verlieh er ihr gar die Pre-
sidential Medal of Freedom, die höchste zivile       Per Twitter wies Trump jede Kritik an seinem Ver-
Auszeichnung der USA – für Merkel ein bewegen-       halten zurück: „Entgegen dem, was Sie von den
der Moment „jenseits aller meiner Vorstellungs-      FAKE NEWS gehört haben, hatte ich ein GROSS-
kräfte“.                                             ARTIGES Treffen mit der deutschen Bundeskanz-
                                                     lerin Angela Merkel“. Gleich danach dann: „Den-
In den Jahren der Obama-Administration entwi-        noch schuldet Deutschland der NATO riesige
ckelte sich das transatlantische Verhältnis zwar     Geldsummen“. Die USA, so der Präsident, „müs-
keineswegs harmonisch. So sprach sich Merkel         sen mehr für die starke und sehr teure Verteidi-
2011 gegen den Militäreinsatz der Vereinigten        gung Deutschlands bezahlt werden“. Die Bundes-
Staaten, Frankreichs und Großbritanniens in Li-      kanzlerin sprach nach ihrem Besuch im Weißen
byen aus und die Beziehungen zwischen Berlin         Haus von einem „sehr guten, offenen ersten Aus-
und Washington waren ab 2013 erheblich durch         tausch". Der US-Radiosender NPR bilanzierte das
den NSA-Abhörskandal belastet. Auf der persönli-     erste persönliche Treffen von Merkel und Trump
chen Ebene fanden Merkel und Obama mit der           unter der Überschrift: „The Axis Of Awkward“ -
Zeit aber immer besser zueinander. Das Unver-        die Achse der Unbeholfenheit.
ständnis und die Enttäuschung auch der Bundes-
kanzlerin über das „Ausspähen unter Freunden“        Bilanz einer Ära: US-Bürger, -Medien
wären wohl noch folgenreicher gewesen, hätte es      und -Experten über Merkel
diese tragfähige Beziehung nicht gegeben.
                                                     Nach dem Wahlsieg Donald Trumps erreichte die
Merkels dritter Antrittsbesuch in Washington galt    Faszination amerikanischer Journalisten und Ex-
Donald Trump. Er hatte sich schon vor seinem         perten für die Kanzlerin einen Höhepunkt: US-
Wahlsieg mehrfach kritisch über Deutschland          Medien nannten sie die „Anführerin der freien
und die Bundeskanzlerin geäußert. Nachdem            Welt“ – gleichzeitig Wertschätzung für Merkel und
Merkel 2015 vom Nachrichtenmagazin TIME zur          Kritik an Präsident Trump. Als die Kanzlerin 2019
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                   Juli 2021   4

die Ehrendoktorwürde in Harvard erhielt, wurde        des Wandels, und das sei keine Kleinigkeit.
ausführlich über ihre Rede berichtet. Die New         Gleichzeitig kritisierte Rough: Ihre Führung wäh-
York Times bemerkte, Merkel habe Trump nicht          rend der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 habe „zum
direkt erwähnt: „Aber sie legte eine Weltsicht dar,   Brexit beigetragen und das eigene Land destabili-
die ihre tiefen Differenzen sowohl mit seiner Re-     siert“. Merkel habe lange China als den Export-
gierung als auch mit den Kräften des Rechtspo-        markt der Zukunft beworben und eine transat-
pulismus, die in Europa und anderswo entstan-         lantische Abstimmung in Wirtschaftsfragen verzö-
den sind, zeigte. Und sie tat dies auf Amerikas       gert. Eine neue Ära der Konkurrenz mit China er-
prominentester akademischer Bühne.“ 3                 scheine jetzt unvermeidbar – und China sehe
                                                      Deutschland „als Pflaume, die reif zum Pflücken
Meinungsforschungsinstitute zeigen immer wie-         ist“.
der, dass die Einschätzung vieler Experten von ei-
ner Mehrheit der US-Amerikaner geteilt wird: In       Auch andere kritisieren Merkels Umgang mit
einer Umfrage aus diesem Jahr sagten 63 Pro-          China, besonders, seitdem die amerikanische
zent, dass sie Merkel vertrauen. Damit liegt sie im   China-Politik parteiübergreifend kritischer und
Vergleich zu anderen Staats- und Regierungs-          konfrontativer geworden ist. So schrieb Noah
chefs an der Spitze, noch vor Präsident Biden. 4      Barkin vom Asien-Programm des German Mars-
                                                      hall Funds, ihre Vorgehensweise „reflektiert nicht
Merkels Führungsrolle in den vergangenen Jah-         mehr den Konsens in Deutschland oder Europa“.
ren wird auch von vielen amerikanischen Politik-      Barkin spricht von einer „zunehmend schwarz-
Experten hervorgehoben. Jeffrey Anderson, Pro-        weißen Welt, in der liberale Demokratien einer
fessor an der Washingtoner Georgetown Univer-         existenziellen Herausforderung durch Autoritäre
sität sagte, Präsident Biden verdanke Merkel,         und Populisten ausgesetzt“ seien. Stattdessen
dass die transatlantischen Beziehungen nach vier      „sieht Merkel noch immer grau“. Man wisse nicht,
Jahren Trump „noch rettbar blieben“. 5 Die Bun-       wie sich Deutschlands China-Politik entwickeln
desrepublik habe in dieser Zeit das Schicksal der     werde, sobald Merkel die politische Bühne verlas-
US-europäischen Beziehungen in den Händen ge-         sen habe. Ihr Vermächtnis mit Blick auf die Volks-
halten. Die Kanzlerin habe das getan „mit einer       republik sei aber schon „in Stein gemeißelt“, so
kunstvollen Mischung aus Deeskalation, Ent-           Barkin: „Es könnte sein, dass die Geschichtsbü-
schlossenheit und Autonomie“. Dafür sollten die       cher nicht freundlich sein werden.“ 6
Amerikaner für immer dankbar sein.                    Der frühere US-Botschafter in Deutschland John
                                                      Kornblum analysierte Merkels Amtszeit, es habe
Dan Hamilton vom Woodrow Wilson Internatio-           an Visionen gemangelt, trotzdem aber viel Wan-
nal Center for Scholars beschrieb Merkels Stil als    del gegeben. Während die Welt ein völlig neues
„cool, vorsichtig und stufenweise“, „so markant,      deutsches Narrativ suchte, habe Merkel betont,
dass er zum Verb wurde“. Wenn sie in Bestform         dass Dinge so bleiben würden, wie sie waren: „Sie
gewesen sei, habe sie Deutschlands Entwicklung        verstand, dass in einer Nation, die von gewalttäti-
so organisieren können, dass andere Länder be-        gen Umwälzungen traumatisiert war, die Wähler
ruhigt über Deutschland waren und die Deut-           eine emotionale Versicherung verlangten, bevor
schen beruhigt über sich selbst. Das sei vielleicht   sie Veränderungen akzeptierten." Das sei einer
ihr größtes Vermächtnis.                              der Gründe, warum Deutschland in der Welt so
                                                      schnell aufgestiegen sei. Deutsche Politiker seien
Peter Rough, Senior Fellow am Hudson Institute,       geschickt darin, neue Ideen wie alte klingen zu
sagte, Merkels Qualitäten seien für Amerikaner        lassen. „Um es mit den Worten von Konrad Ade-
synonym mit denen Deutschlands: „Kompetent,           nauer zu sagen: ‚Keine Experimente‘.“
geschickt, anspruchsvoll, überlegt, zurückhal-
tend.“ Sie sei eine Konstante gewesen in der Zeit
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                         Juli 2021   5

1 https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/07/15/washington-declaration/

2 https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/07/15/fact-sheet-u-s-germany-
       climate-and-energy-partnership/
3
    https://www.nytimes.com/2019/05/30/world/europe/merkel-harvard-speech.html

4
    https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/06/11/americans-have-less-confidence-in-key-world-
       leaders-including-biden-than-other-global-publics-do/

5
    Diese und folgende Stellungnahmen: https://www.aicgs.org/2021/05/aicgs-asks-what-is-angela-mer-
       kels-transatlantic-legacy/

6
    https://foreignpolicy.com/2020/12/31/what-merkel-really-thinks-about-china-and-the-world/

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Paul Linnarz
Leiter Auslandsbüro USA, Washington D.C.
Europäische und Internationale Zusammenarbeit
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