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Im Blickpunkt Information für Vertragspartner im Burgenland Januskinasen-Inhibitoren bei rheumatoider Arthritis Amputationen und Diabetes mellitus 33. Jahrgang, Nr. 2/Juni 2021 www.gesundheitskasse.at
2 02_2021 Therapie Aktiv – Diabetes im Griff ÖGK übernimmt Fortbildungskosten für Ärztinnen und Ärzte Am Disease-Management-Programm „Therapie Aktiv - Diabetes im Griff“ beteiligen sich bereits über 97.000 Diabetikerinnen und Diabetiker. Im Rahmen des Programms „Therapie Aktiv – Diabetes im Gesundheitskasse übernommen. Der Einstieg in diese Griff“ werden die Patientinnen und Patienten laufend inten- Online-Schulung erfolgt über die Homepage der Akademie siv betreut. Sie erhalten mehr Wissen und können mit der Er- der Ärzte: krankung im Alltag eigenverantwortlicher umgehen. https://www.arztakademie.at/fortbildungsangebot/e-learning/ bzw. über das Portal von meindfp: https://www.meindfp.at/ Aufgrund der steigenden Zahl von Neuerkrankten bzw. neu entdeckten Betroffenen ist es wichtig, auch genügend ärzt- Vorteile von Therapie Aktiv: liche Partnerinnen und Partner für diese Patientengruppe zu finden. • Vermehrtes Wissen durch Ausbildungsmodule und Qualitätszirkel der Ärztekammer Daher werden nun für die Dauer von einem Jahr ab sofort bis • Zeitgemäße, ganzheitliche Betreuung chronisch Kranker Mai 2022 die Fortbildungskosten der Online-Schulung für • Diagnostische und therapeutische Sicherheit durch Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin und Innere Me- Behandlungspfade dizin in der Höhe von 65,00 Euro von der Österreichischen • Verbesserter Behandlungserfolg durch motivierte Patientinnen und Patienten • Stärkung der Patientenbindung • Zusätzliches Honorar • Kostenloses „Therapie Aktiv-Feedback“ zur Optimierung der eigenen Therapiestrategien • Regelmäßige Informationen über Neuigkeiten und Verbesserungen Weitere Informationen über den Beitritt und Ablauf des Programms erhalten Sie im Internet unter: https://www.therapie-aktiv.at Die Kontaktdaten Ihrer Ansprechpartnerin bzw. Ihres Ansprechpartners in Ihrem Bundesland finden Sie unter: https://www.therapie-aktiv.at ➔ÄrztInnen ➔AnsprechpartnerInnen
02_2021 3 Inhalt Editorial Therapie Aktiv – Diabetes im Griff 2 Sehr geehrte Frau Doktorin, sehr geehrter Herr Doktor, Editorial 3 Januskinasen-Inhibitoren bei seit rund einem Jahrzehnt stehen der Medizin die rheumatoider Arthritis 4 sogenannten Januskinasen-Inhibitoren zur Verfügung. Diese JAK-Inhibitoren bieten nicht nur bei immunvermit- Einfluss von Biosimilars telten Krankheiten wie zum Beispiel bei der rheumatoiden auf die Preisentwicklung 13 Arthritis Therapiemöglichkeiten, sondern etwa auch bei myeloproliferativen Neoplasien. Aktuell werden in Studien viele andere Indikationen geprüft – darunter Leukämie, Pso- riasis, Morbus Crohn und Acne inversa. In unserem Hauptar- tikel geben wir Ihnen ab Seite vier einen Überblick über die Wirkungsweise von Januskinasen-Inhibitoren und anhand der rheumatoiden Arthritis über deren Einsatzmöglichkei- ten – gemeinsam mit der aktuellen Ökonomietabelle. Der Artikel bietet auch die Möglichkeit zum Erwerb von Punkten für das Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP). Ein zweiter Schwerpunkt des Hefts beschäftigt sich mit möglichen schwerwiegenden Folgen von Diabetes mellitus beziehungsweise damit, wie diese effektiv verhindert werden können. Der Artikel über das diabetische Fußsyndrom beziehungsweise über wirksame Präventions- maßnahmen – ab Seite 16 – bietet für Sie ebenfalls die Das diabetische Fußsyndrom 16 Möglichkeit, Punkte für das Diplom-Fortbildungs- Programm zu erlangen. Amputationen und Diabetes mellitus 21 Ein zweiter Artikel bringt ab Seite 21 eine Analyse aus Abrechnungsdaten der österreichischen Sozialversicherung Impressum und interessante Einblicke in die Zusammenhänge zwischen Medieninhaber, Herausgeber und Redaktion: Diabetes mellitus, Beinamputationen sowie Österreichische Gesundheitskasse Co-Morbiditäten. Auch daraus lässt sich die Wichtigkeit Haidingergasse 1, 1030 Wien www.gesundheitskasse.at/impressum einer guten und vor allem rechtzeitigen Diabetesprävention ableiten. Eine Einladung zum Disease-Management- Hersteller: ÖGK Wien, Programm „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff “ finden Sie auf Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien Fotos: Shutterstock. Satz- und Druckfehler vorbehalten. der gegenüberliegenden Seite. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre. Das Redaktionsteam
4 02_2021 Januskinasen-Inhibitoren bei rheumatoider Arthritis Signalkaskade des Immunsystems als Angriffspunkt Januskinasen-Inhibitoren – kurz JAK-Inhibitoren – stellen eine relativ neue Substanzgruppe dar. Sie wurden 2012 durch die US-amerikani- sche Food and Drug Administration (FDA) erstmals zugelassen. Seither gewinnen sie zunehmend an Bedeutung. Durch die Hemmung des JAK/ STAT-Signalweges nehmen sie Einfluss auf gleich mehrere Zytokine und finden dadurch nicht nur Anwendungsfelder bei den immunvermittel- ten Erkrankungen wie zum Beispiel der rheumatoiden Arthritis, sondern auch bei den myeloproliferativen Neoplasien. Beim Menschen besteht die JAK-Fa- den „nicht-Rezeptor-Tyrosin-Kinasen“ logie-2-Abschnitt (SH2), welcher die milie aus vier Isoenzymen, JAK1, JAK2, (nRTKs). Die JAKs sind große Proteine, Verbindungen mit den verschiedenen JAK3 und Tyrosinkinase 2 (TYK2). Die bestehend aus sieben homologen (JH1 Zytokinrezeptoren ermöglicht. [1-2] Januskinasen (siehe Abbildung 1), wel- bis JH7) Abschnitten (Abbildung 2). che zur Gruppe der Tyrosin-Protein- Der JAK/STAT-Signalweg kinasen (TPKs) gehören, sind mit den Der JH1-Abschnitt ist der Kinase-Ab- intrazellulären Bereichen von Typ-I- schnitt, welcher eine katalytische Aktivi- Die Januskinasen liegen im Zytosol und Typ-II-Zytokinrezeptoren verge- tät aufweist und als Ansatzpunkt für die nahe der Zellmembran und sind an sellschaftet und gehören damit zu JAK-Inhibitoren dient. Daran anschlie- Typ-I- und Typ-II-Zytokinrezeptoren ßend liegt die Pseudokinase JH2, wel- angelagert (Abbildung 3) [1]. Die Sig- che spezifisch für die JAKs ist. Obwohl nalkaskade wird durch die Bindung ei- diese keine katalytischen Eigenschaf- nes Typ-I- oder Typ-II-Zytokins (siehe Zytokin ten aufweist, hat sie eine essenzielle nächsten Abschnitt) an ihren assoziier- regulatorische Funktion. Dies kommt ten Rezeptor ausgelöst (1) [2]. zum Beispiel bei einer Punktmutati- Diese Bindung führt zuerst zu einer Typ-I- bzw. on innerhalb dieser Pseudokinase von Dimerisierung des Rezeptors, was die -II-Rezeptor JAK2 zum Tragen, welche unter ande- JAKs zusammenführt. Die aktivierten Zellmembran rem bei einem Großteil der Patientin- Januskinasen trans- und autophos- nen und Patienten mit Polycythaemia phorylieren sich zunächst gegenseitig JAK JAK vera, essenzieller Thrombozythämie (2) und anschließend die intrazellulä- oder idiopathischer Myelofibrose zu ren Tyrosinreste (3). Diese dienen als finden ist. Die Abschnitte JH5 bis JH7 Andockstelle für den SH2-Abschnitt entsprechen dem FERM-Abschnitt, der von Mitgliedern der Familie der „Sig- die Interaktionen mit den Zytokinrezep- naltransduktoren und Aktivatoren der Abb. 1: Schematische Darstellung eines tor-Untereinheiten vermittelt. Zwischen Transkription“ (STATs) (4). Aktuell sind Typ-I- beziehungsweise Typ-II-Rezeptors mit dem FERM-Abschnitt und der Pseudo- sieben STAT-Proteine beschrieben, zwei angelagerten Januskinasen (JAK). kinase liegt schließlich der Src-Homo- STAT1-4, STAT5A, STAT5B und STAT6. N-Terminus JH7 JH6 JH5 JH4 JH3 JH2 JH1 C-Terminus Pseudokinase- Kinase- JAKi FERM-Abschnitt SH2-Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abb. 2: Schematische Darstellung der Proteinstruktur einer Janus-Tyrosin-Kinase. Darstellung des Ansatzpunktes der JAK-Inhibitoren (JAKi); FERM (Protein 4.1, Ezrin, Radixin und Moesin), SH2 (Src Homologie 2); Modifizierte Abbildung [1]
02_2021 5 Kategorisierung der Zytokine Zytokine sind regulatorische Proteine (Botenstoffe), die ihre Wirkung über Zytokinrezeptoren auslösen. Zu dieser Gruppe von strukturell unterschiedli- chen Proteinen gehören Interleukine (IL), Chemokine (CCL oder CXCL), Kolonie-stimulierende Faktoren (colo- ny stimulating factor, CSF), Interferone (IFN), der Transformierende Wachs- Nachdem diese durch eine Phosphori- Anschließend wandern diese STAT-Di- tumsfaktor (transforming growth factor, lierung aktiviert wurden, lösen sie sich mere vom Zytoplasma in den Zellkern TGF) und verschiedene Tumornekrose- vom Rezeptor und bilden entweder und induzieren oder unterdrücken die faktoren (tumor necrosis factor, TNF). Homodimere oder Heterodimere (5). Transkription von Genen (6). [1] Ein gebräuchlicher Ansatz, um diese Zytokin Typ-I- bzw. -II-Rezeptor Zellmembran JAK JAK P JAK JAK P P JAK JAK P ATP ATP ATP ATP P P 1. Bindung eines Zytokins an einen 2. Gegenseitige Trans- und Auto- 3. Phosphorilierung der intrazellulären Typ-I- oder Typ-II-Rezeptor phosphorilierung der aktivierten JAKs Tyrosinreste P JAK JAK P P JAK JAK P P JAK JAK P ATP ATP ATP ATP ATP ATP P P P P P P P P Zellkern P P P STAT-Dimer P P P 6. Wandern des STAT-Dimers vom Zyto- 5. Lösen der STATs vom Rezeptor und plasma in den Zellkern und Induktion oder 4. Aktivierung der STATs Bildung von Homo- oder Heterodimeren Unterdrückung der Transkription Abb. 3: Schematische Darstellung des JAK/STAT-Signalweges; Januskinase (JAK), Phosphat (P), Adenosintriphosphat (ATP), Signaltransdukto- ren und Aktivatoren der Transkription (STAT)
6 02_2021 JAK-abhängige Zytokinrezeptoren und Liganden mit ihren vergesellschafteten Januskinasen Rezeptor-Familie Ligand/Zytokin Assoziierte Januskinase Typ I gemeinsame γ-Kette IL-2, IL-4, IL-7, IL-9, IL-15, IL-21 JAK1, JAK3 IL-4Rα-Untereinheit IL-13 JAK1, JAK2, JAK3, TYK2 gemeinsame β-Kette IL-3, IL-5, GM-CSF JAK2 gp-130 IL-6, IL-11, IL-27 JAK1, JAK2, TYK2 IL-12, IL-23 JAK2, TYK2 GH, EPO, TPO, Leptin, G-CSF JAK2 Typ II IFN-Rezeptor Typ I IFNα, IFNβ JAK1, TYK2 IFN-Rezeptor Typ II IFNγ JAK1, TYK2 IFN-Rezeptor Typ III IL-28, IL29 JAK1, TYK2 IL-10-Familie IL-10, IL-19, IL-20, IL-22 JAK1, JAK2, TYK2 IL-24 JAK1 Abb. 4: Auszug von JAK-abhängigen Rezeptoren und Liganden mit ihren vergesellschafteten Januskinasen; Interleukin (IL), Growth Hormone (GH), Erythropoetin (EPO), Thyreoperoxidase (TPO), Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF), Granulozyten- Kolonie-stimulierender Faktor (G-CSF), Interferon (IFN); Modifizierte Tabelle [2] große Gruppe von Zytokinen zu kate- ren binden [3]. Abbildung 4 zeigt eine Typ-II-Rezeptoren entweder abhängig gorisieren, betrifft den entsprechenden Übersicht der Typ-I- und -II-Zytokinre- von JAK1 beziehungsweise von JAK2. Rezeptor, an den sie sich binden. Dabei zeptorfamilien, mit einem Auszug von TYK2 tritt dahingegen nur gemeinsam weisen von den verschiedenen Rezep- Liganden und ihren assoziierten Janus- mit JAK1 oder JAK2 auf. JAK3 ist im Ver- torgruppen die Typ-I- und die Typ-II-Re- kinasen. gleich zu den anderen drei Mitgliedern zeptorfamilie eine JAK-Abhängigkeit relativ selten. [1] auf. [1] Die Typ-I- und -II-Zytokinrezeptoren können entweder eines oder verschie- Signalkaskade Zytokine, die sich an Typ-I- und Typ-II- dene Isoenzyme der JAK-Familie für die als Ansatzpunkt Zytokinrezeptoren binden, lösen durch Signalübermittlung benötigen (Abbil- ihre Rezeptorbindung einen JAK/ dung 5). Die Bedeutung der JAKs und STATs in STAT-Signalweg aus. Aktuell sind ins- der Signalkaskade des Immunsystems gesamt 29 Faktoren beschrieben, die Die Januskinasen treten dabei entweder sowie der bereits erfolgreiche Einsatz an Typ-I-Zytokinrezeptoren und 28 als Homodimer oder als Heterodimer von Biologika zur Hemmung von Zyto- Faktoren, die an Typ-II-Zytokinrezepto- auf. Generell sind aber alle Typ-I- und kinen sind zwei der Gründe, warum die Schematische Darstellung der Typ-I- (grün) und Typ-II- (orange) Zytokinrezeptoren mit den verschiedenen Mitgliedern der JAK-Familie JAK 1 JAK 3 JAK 1 TYK 2 JAK 2 JAK 2 TYK 2 JAK 2 TYK 2 JAK 1 JAK 2 JAK 1 JAK 2 Abb. 5: Schematische Darstellung der Typ-I- (grün) und Typ-II- (orange) Zytokinrezeptoren mit den verschiedenen Mitgliedern der JAK-Fa- milie; Modifizierte Abbildung [2, 3]
02_2021 7 Übersichtstabelle über JAK-Inhibitoren Wirkstoff (Handelsname) Studienlage/Zulassung (EU) Assoziierte Januskinase Erste Generation Ruxolitinib (Jakavi) [8] Zugelassen für MF, PV JAK1, JAK2 Tofacitinib (Xeljanz) [9] Zugelassen für RA, PsA, CU JAK1, JAK2, JAK3 Baricitinib (Olumiant) [10] Zugelassen für RA, AD JAK1, JAK2 Zweite Generation Upadacitinib (Rinvoq) [11] Zugelassen für RA, PsA, SpA JAK1 Filgotinib (Jyseleca) [12] Zugelassen für RA JAK1 Itacitinib Phase III JAK1 Abrocitinib Phase III JAK1 Ritlecitinib Phase III JAK3 BMS-986165 Phase III TYK2 Brepocitinib Phase II JAK1, TYK2 Ausblick: Auszug von weiteren Indikationen, die in Studien geprüft werden Juvenile Arthritis Alopecia areata Leukämie Vaskulitis Vitiligo Sklerodermie Morbus Crohn Lupus erythematodes Graft-versus-Host-Erkrankung Uveitis Sjögren-Syndrom Malignom solider Organe Acne inversa Chron. Handekzem Psoriasis Abb. 6: Übersichtstabelle über JAK-Inhibitoren; Myelofibrose (MF), Polycythaemia vera (PV), rheumatoide Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PsA), Colitis Ulcerosa (CU), Atopische Dermatitis (AD), Spondylitis ankylosans (SpA), grün: in der EU zugelassen, gelb: es gibt mindestens eine laufende Phase-III-Studie, orange: es gibt mindestens eine laufende Phase-II-Studie Hemmung des JAK/STAT-Signalweges Gegensatz zu Biologika, die gentech- pan-JAK-Inhibitoren bezeichnet (Ab- als Ansatzpunkt bei der Behandlung nisch hergestellt werden und in der Re- bildung 6). Mit den JAK-Inhibitoren von Autoimmunerkrankungen sowie gel subcutan oder intravenös appliziert der zweiten Generation wird versucht, entzündlichen Erkrankungen dient, werden. durch eine isoformselektivere Hem- bzw. Gegenstand von aktuellen For- mung Nebenwirkungen zu reduzieren schungsprojekten ist (Abbildung 6). [3] Selektive Wirkung und dabei die Behandlungseffektivität zu erhalten bzw. zu verbessern. Das Potenzial, die Hemmung der Ja- Von den sieben homologen Abschnit- nuskinasen als Therapieansatz zu ver- ten (JH1 bis JH7) der Januskinase dient Kontrollen vor wenden, wurde bereits in den 1990ern aktuell der Abschnitt JH1 als Hauptan- Therapiebeginn erkannt. 2011 und 2012 wurden die ers- satzpunkt der JAK-Inhibitoren. Die ten zwei JAK-Inhibitoren von der FDA meisten JAK-Inhibitoren hemmen dort Vor dem Beginn einer Therapie mit ei- zugelassen, Ruxolitinib für die Behand- kompetitiv die Bindungsstellen der nem JAK-Inhibitor muss unter anderem lung der Myelofibrose und Tofacitinib Adenosintriphosphate. Da die JH1-Ab- auf gewisse Faktoren geachtet werden. für die Behandlung der rheumatoiden schnitte der JAK-Isoformen eine große Zum einen sollten eine virale Hepatitis, Arthritis (RA). [2] Wobei Tofacitinib erst Homologie untereinander aufweisen, eine aktive oder latente Tuberkulosein- 2017 die EU-Zulassung erhielt. Bis heu- wirken die JAK-Inhibitoren zwar selektiv fektion sowie eine bestehende Schwan- te folgten viele weitere Phase-II- und aber nicht spezifisch. [4] gerschaft ausgeschlossen werden und Phase-III-Studien zu neuen JAK-In- zum anderen ist es wichtig, dass bei hibitoren. Aktuell sind insgesamt fünf Die ersten JAK-Inhibitoren weisen eine den Patientinnen und Patienten keine JAK-Inihibitoren (Tofacitinib, Baricitinib, hemmende Wirkung auf jedes der vier aktiven Infektionen – einschließlich lo- Ruxolitinib, Upadacitinib und Filgotinib) JAK-Mitglieder auf, jedoch in unter- kaler Infektionen – bestehen. Weiters in der EU zugelassen (Abbildung 6). schiedlicher Intensität. Diese ist abhän- müssen vor Beginn und dann regelmä- gig von der Dosierung, dem Zelltyp, der ßig während der Therapie die absolute Während Biologika spezifisch den Gewebsdurchgängigkeit sowie von der Lymphozyten- sowie Neutrophilenzahl, JAK-Signalweg komplett hemmen, re- Genetik des Individuums. [4] Dadurch das Hämoglobin und die Leberparame- duzieren JAK-Inhibitoren reversibel ergeben sich unterschiedliche Wir- ter kontrolliert werden. Ergänzend sollte die Aktivität von einem oder mehre- kungen sowie Nebenwirkungen. Die davor der Impfstatus überprüft und ent- ren JAK-Isoformen [4]. JAK-Inhibito- JAK-Inhibitoren der ersten Generation sprechend den aktuellen Impfempfeh- ren werden chemisch hergestellt und werden aufgrund der Hemmung von lungen die erforderlichen Impfungen können oral eingenommen werden, im gleich mehreren Januskinasen auch als nachgeholt werden. Ergänzend muss
8 02_2021 TYP-I-Zytokine TYP-II-Zytokine JAK- unabhängige Zytokine IL-2, IL-4, IL-7, IL-6 EPO, TPO, IL-12, IL-23 IFNα, IFNβ IFNγ TNFα, TNFβ, IL-9, IL-15, IL-21 GM-CSF, GH, TGFβ, EGF, CCL, IL-3, IL-5 IL-1, IL-17, IL-18 JAK1 JAK3 JAK1 TYK2 JAK2 JAK2 TYK2 JAK2 TYK2 JAK1 JAK2 JAK1 JAK2 T-Zellen- Akute-Phase- Hämatopoese Th-1- und Th-17- Antivirale Th-1- Wirkung über Wachstum, Reaktion Wachstum Differenzierung Antwort Differenzierung andere -Differenzierung Lymphozyten- Anabolismus NK zytolytische Makrophagen- Signalwege und -Gedächtnis Wachstum und Aktivität Aktivierung NK-Wachstum -Aktivierung NK und CD8 und zytolytische Katabolismus zytolytische Aktivität Fettstoffwechsel Aktivität B-Zellen- Knochenresorption Funktion Potenzielle Nebenwirkungen: Infektionen, thrombembolische Ereignisse, Blutbildveränderungen, Leberwerterhöhung, Dyslipidämien, Maligne Erkrankungen Abb. 7: Schematische Darstellung von wichtigen Typ-I- und Typ-II-Zytokine gemeinsam mit ihren Signalwegen sowie ein Auszug von einigen JAK-unabhängigen Zytokinen; Chemokine (CCL), Cluster of Differentiation (CD), Epidermal-Growth-Factor (EGF), Erythropoetin (EPO), Growth Hormone (GH), Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF), Interferon (IFN), Interleukin (IL), natürliche Killerzelle (NK), Transformierender Wachstumsfaktor (TGF), T-Helferzelle (Th), Tumornekrosefaktor (TNF), Thyreoperoxidase (TPO); Modifi- zierte Abbildung[1-3]. bei der Anwendung von zweimal täglich tion und Fertilität bei Männern bzw. de- ventional synthetic Disease Modifying 10 mg Tofacitinib (Indikation: Colitis Ul- ren Reversibilität sind aktuell noch unbe- Antirheumatic Drugs). [7] cerosa) ein erhöhtes Risiko für eine Lun- kannt. Daher sollte das potentielle Risiko genembolie ausgeschlossen werden. einer verringerten Fertilität oder Infertili- Blutbild und Veränderungen tät mit den Patienten vor Therapiebeginn der Leberwerte Nebenwirkungen besprochen werden. [12] Diese Thematik ist Gegenstand laufender Studien. Durch die Therapie mit einem JAK-In- Die Nebenwirkungen der für die RA zu- hibitor kann es zu Veränderungen des gelassenen JAK-Inhibitoren lassen sich Infektionen Blutbildes sowie zu einer Erhöhung der teilweise von der Hemmung der ent- Leberwerte kommen. Zwischen den sprechenden Zytokine ableiten (siehe Durch die Hemmung mehrerer Zytokine einzelnen Inhibitoren zeigen sich in den Abbildung 7). Für den klinischen Alltag sind Infektionen eine zu erwartende Ne- Zulassungsstudien Unterschiede. Ins- spielen unter anderem Infektionen, benwirkung von JAK-Inhibitoren. Dabei gesamt konnte bei allen zugelassenen Blutbildveränderungen, Leberwerter- ist zu beachten, dass die Anzahl an In- JAK-Inhibitoren Lymphopenien vom höhungen (Cave: Leberzirrhose), Dysli- fektionen in Studien abhängig von Do- Grad 4 sowie Anämien beobachtet wer- pidämien, maligne Erkrankungen sowie sis, Erkrankung und Patientenpopulati- den, daher werden diesbezüglich Kont- thromboembolische Ereignisse eine on ist. Insgesamt werden am häufigsten rollen empfohlen. Eine Neutropenie vom wichtige Rolle. [9-12] Infektionen der oberen Atemwege fest- Grad 3 wurde bei Tofacitinib, Baricitinib gestellt. Die am häufigsten beobachtete sowie Filgotinib gelegentlich und bei Zudem zeigten sich bei Filgotinib in schwerwiegende Infektion ist bei Filgo- Upadacitinib häufig beschrieben. Zu- tierexperimentellen Studien eine ver- tinib und Upadacitinib die Pneumonie, dem konnte bei allen für die Indikation ringerte Fertilität, eine eingeschränkte welche bei Tofacitinib sowie Baricitinib RA zugelassenen JAK-Inhibitoren, außer Spermatogenese sowie histopathologi- ebenso zu den häufigsten zählt. [9-12] bei Filgotinib, gelegentlich bis häufig ein sche Auswirkungen auf die männlichen Zudem scheint, dass die Inzidenz von Transaminasenanstieg (GPT und GOT) Fortpflanzungsorgane. Die potentiellen Herpes Zoster höher ist als bei den ak- über das Dreifache des oberen normalen Auswirkungen auf die Spermienproduk- tuellen Biologika oder csDMARDs (con- Grenzwertes beobachtet werden. [9-12]
02_2021 9 Keine Kontraindikation gegen MTX Kontraindikation gegen MTX Klinische Diagnose einer RA Beginn mit MTX + Kurzzeitige Kombination mit GC + Beginn Leflunomid oder Sulfasalazin PHASE I Verbesserung nach 3 Monaten oder Zielerreichung ja Therapie beibehalten nach 6 Monaten? Bei anhaltender Remission Dosisreduktion nein JAKi Ungünstige Keine ungünstigen Prognosefaktoren* Prognosefaktoren* bDMARD oder JAKi Zweites csDMARD dazugeben (Wechsel oder Zugabe) PHASE II Verbesserung nach 3 Monaten oder Zielerreichung ja Therapie beibehalten nach 6 Monaten? Bei anhaltender Remission Dosisreduktion/Intervalls- Verlängerung nein JAKi Wechsel auf bDMARD Verbesserung nach 3 Monaten oder JAKi oder Zielerreichung ja fortsetzen (andere oder selbe Substanzklasse) nach 6 Monaten? PHASE III Bei anhaltender Remission Dosisreduktion/Intervalls- nein Verlängerung Abb. 8: Vereinfachte Darstellung des Therapiealgorithmus für die rheumatoide Arthritis (RA) aus dem 2020 veröffentlichten EULAR-Update [17]; * siehe angegebene Quelle [17], biologisches DMARD (bDMARD), konventionell synthetisches DMARD (csDMARD), Glucocorticoide (GC), Januskinasen-Inhibitoren (JAKi), Methotrexat (MTX) Venöse Thromboembolie citinib bei Personen, die ein erhöhtes Eine aktuelle Meta-Analyse zeigte, dass Risiko für Lungenembolien aufweisen, es unwahrscheinlich ist, dass die aktuell In einem Review der EMA zeigte sich, kontraindiziert [9]. Es wurden auch die für die bei RA zugelassenen JAK-Inhibi- dass Patientinnen und Patienten, die mit anderen JAK-Inhibitoren auf ein erhöh- toren im Vergleich zu Placebo das Risiko Tofacitinib behandelt werden, dosisab- tes Thromboembolierisiko untersucht. einer venösen Thromboembolie (VTE) hängig ein erhöhtes Risiko haben eine In den Studien zeigten sich zwar throm- substanziell erhöhen [18]. Inwieweit die schwere venöse Thromboembolie, ein- boembolische Ereignisse, man muss JAK-Inhibitoren das Risiko nun tatsäch- hergehend mit einer Pulmonalembolie, aber beachten, dass auch die Grunder- lich erhöhen, bleibt aber noch offen. zu entwickeln [13]. Daher ist die Anwen- krankung, z. B. eine aktive rheumatoide Bei allen vier JAK-Inhibitoren wurde ein dung von zweimal täglich 10 mg Tofa- Arthritis, das Thromboserisiko erhöht. Warnhinweis in der Fachinformation
10 02_2021 nisch-entzündliche systemische Au- toimmunerkrankung mit Synovialitis und konsekutiver Polyarthritis sowie ex- traartikulären Manifestationen an inne- ren Organen, Augen und Gefäßen [16]. Der Krankheitsverlauf und die Ausprä- gung der Symptomatik können dabei sehr unterschiedlich sein. Entscheidend für die weitere Prognose sind dabei eine frühzeitige Erkennung und eine leitlini- engerechte Therapie. Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über den Einsatz der JAK-Inhibitoren in der rheumatoi- den Arthritis. Kurzer Rückblick vermerkt und es wird empfohlen, die die mit einem TNFα-Hemmer behandelt Patientinnen und Patienten auf Zeichen wurden, erhöht. Unter zweimal täglich In den späten 1990ern setzte Me- einer Thromboembolie zu überwachen. 5 mg erkrankten 62 von 1.455 (4,26 %) thotrexat (MTX), welches bereits seit bzw. bei zweimal täglich 10 mg 60 von 1950 als Chemotherapeutikum An- Maligne Erkrankungen 1.456 (4,12 %) der Patientinnen und Pa- wendung fand, als konventionell syn- tienten an Krebs im Vergleich zu 42 von thetisches DMARD (csDMARD) einen Studien zeigten, dass Patientinnen und 1.451 (2,89 %) unter den TNFα-Hemmern. Meilenstein in der Therapie der rheu- Patienten mit rheumatoider Arthritis im (Hazard Ratio lag bei der gemeinsamen matoiden Arthritis. In den Folgejahren Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ei- Auswertung beider Dosierungen bei erweiterten Biologika (bDMARD) wie nerseits ein mäßig erhöhtes Risiko haben 1,48; 95 % Konfidenzintervall 1,04-2,09 TNFα-Blocker, IL-1-Rezeptor-Antago- generell eine maligne Erkrankung zu ent- im Vergleich zu TNFα-Hemmern). [14] nisten, IL-6-Rezeptor-Antikörper und wickeln, speziell ein erhöhtes Risiko für ein Bei Baricitinib, Upadacitinib sowie Fil- Antikörper gegen das CD20-Oberflä- Lungenkarzinom und Lymphom, ande- gotinib laufen derzeit Langzeitevaluie- chenantigen von B-Zellen sowie deren rerseits aber unter anderem ein vermin- rungen zur Sicherheit. [10-12] Biosimilars die therapeutischen Opti- dertes Risiko für kolorektale Karzinome. onen. [5] MTX als Monotherapie sowie Gastrointestinale als Kombinationstherapie mit einem Um die zugrundeliegenden Mechanis- Perforationen bDMARD bilden hierbei wichtige Säulen men für das erhöhte bzw. verminderte in der Therapie der RA. Malignomrisiko besser zu verstehen, In klinischen Studien zeigten sich bei Die JAK-Inhibitoren stellen nun als werden weitere Studien benötigt, wel- Tofacitinib und Baricitinib Fälle von zielgerichtete synthetische DMARDs che spezifischen Aspekte wie zum gastrointestinalen Perforationen. Daher (tsDMARD) eine weitere Substanzgrup- Beispiel Behandlungen, Rauchen und sollten diese Wirkstoffe bei Patientin- pe für die Behandlung der rheumatoiden andere Lifestyle-Faktoren berücksich- nen und Patienten mit einem erhöhten Arthritis dar. Sie sind die erste oral einzu- tigen. [19] Risiko für gastrointestinale Perforati- nehmende Langzeittherapie, die von der onen bzw. einer bereits bestehenden Wirksamkeit vergleichbar mit den bereits Nun zeigten Ende Jänner 2021 Ergeb- Divertikel-Erkrankung mit Vorsicht an- bekannten bDMARDs ist. Aktuell sind mit nisse der ORAL-Surveillance-Studie, gewendet werden. [9, 10] den Wirkstoffen Baricitinib (Medikament: dass Tofacitinib das Krebsrisiko (mit Olumiant), Tofacitinib (Medikament: Xel- Ausnahme von nicht melanozytärem Rheumatoide Arthritis janz), Filgotinib (Medikament: Jyseleca) Hautkrebs) bei Patientinnen und Pati- sowie Upadacitinib (Medikament: Rin- enten mit rheumatoider Arthritis im Ver- Die rheumatoide Arthritis (RA) ist voq) vier JAK-Inhibitoren für die Therapie gleich zu Patientinnen und Patienten, eine ätiologisch noch unklare, chro- der RA in der EU zugelassen worden.
02_2021 11 EULAR-Empfehlungen Das American College of Rheumatolo- gy (ACR) sowie die European League Fazit Against Rheumatism (EULAR) haben übereinstimmende Leitlinien für die JAK-Inhibitoren bieten durch die Hemmung des JAK/STAT-Signalweges und Therapie der RA erarbeitet, die auf Da- einer damit einhergehenden Reduktion von multiplen Zytokinen eine neue, ten systemischer Literaturrecherchen vielversprechende Therapieoption für immunvermittelte Erkrankungen, und daraus resultierender Experten- wie z. B. rheumatoide Arthritis, myeloproliferative Neoplasien, Atopische meinungen basieren (Abbildung 8) [5]. Dermatitis, Spondylitis ankylosans, Psoriasis-Arthritis oder Colitis Ulcerosa. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine relativ neue Medikamenten- 2020 erhielten die JAK-Inhibitoren gruppe handelt, fehlen im Vergleich zu bereits etablierten Medikamenten im veröffentlichten Update der EU- Langzeitdaten für ein noch besseres Verständnis über deren Wirkungen LAR-Empfehlungen im Vergleich zu und Nebenwirkungen. 2016 einen höheren Stellenwert. Unter anderem gab es zwei wichtige Ände- JAK-Inhibitoren werden chemisch hergestellt und können oral eingenom- rungen, welche für Patientinnen und men werden. Patienten mit ungünstigen Prognosefak- Im 2020 veröffentlichten EULAR-Update werden JAK-Inhibitoren in der toren gelten. Wenn im Falle einer unge- Indikation rheumatoide Arthritis Biologika gleichgestellt. nügenden Zielerreichung unter einem konventionell synthetischen DMARD Folgende Kontrollen müssen unter anderem vor der JAK-Therapie durchge- (csDMARD) ein biologisches DMARD führt werden: (bDMARD) oder ein zielgerichtetes • Ausschluss einer viralen Hepatitis sowie einer aktiven oder latenten synthetisches DMARD (tsDMARD) da- Tuberkulose zugegeben wird, wird nun keinem der • Ausschluss aktiver Infektionen neuen Kombinationspartner Priorität • Ausschluss einer bestehenden Schwangerschaft gegenüber dem jeweils anderen einge- • Kontrolle der absoluten Lymphozyten- und Neutrophilenzahl, des räumt. Als zweite Neuerung wird nun die Hämoglobins und der Leberparameter Zugabe eines bDMARD oder tsDMARD • Leitliniengerechte Überprüfung des Impfstatus explizit empfohlen anstatt wie bisher nur „erwogen“ und stützt daher die Kombi- Die einzelnen JAK-Inhibitoren unterscheiden sich durch die unterschiedli- nationstherapie stärker, als dies zuvor der che Hemmung des JAK/STAT-Signalweges in ihren Nebenwirkungen. Fall war. [17] Wichtige potenzielle Nebenwirkungen sind: Aktuell gibt es aber noch keine direkten • Infektionen Vergleichsstudien zwischen den einzel- • thromboembolische Ereignisse nen JAK-Inhibitoren. Die Zulassungsstu- • Blutbildveränderungen dien belegen aber die Wirksamkeit im • Leberwerterhöhung Vergleich zu Placebo, MTX (csDMARD) • Dyslipidämien sowie Adalimumab (bDMARD) [5]. • gastrointestinale Perforationen (Tofacitinib und Baricitinib) Insgesamt zeigen alle vier JAK-Inhi- • maligne Erkrankungen bitoren, Tofacitinib (ORAL-Strategy), • Infertilität (Filgotinib) Baricitinib (RA-BEAM), Upadacitinib (SELECT-COMPARE) und Filgotinib Die JAK-Inhibitoren unterscheiden sich im Preis (Abbildung 9). Bitte ver- (FINCH 1), die aktuell für die rheuma- wenden Sie bei der Verordnung von JAK-Inhibitoren das Ökotool. toide Arthritis zugelassen sind in Kombi- TNFα-Blocker sind in der Indikation rheumatoide Arthritis mit Ausnahme nation mit MTX, zu Adalimumab + MTX von Cimzia, Simponi kostengünstiger als JAK-Inhibitoren. vergleichbare Ansprechraten. [9-12]
12 02_2021 Ökonomietabelle modellen ökonomisch gereiht. Die aktu- Rezeptiersoftware-Lösungen berück- elle Reihung finden Sie auch im Ökotool sichtigt und monatlich aktualisiert. In der unten angeführten Tabelle wer- des Dachverbandes der Sozialversiche- Aktuell ist die Gruppe der JAK-Inhibito- den die in der EU für die Indikation RA rungsträger (www.erstattungskodex.at). ren auf Basis des Preisstandes Mai 2021 zugelassenen JAK-Inhibitoren auf Basis Seit dem 01.10.2020 werden Preismo- in der Indikation rheumatoide Arthritis des Preisstandes Mai 2021 sowie unter delle im Ökotool und den auf Daten- teurer als die TNFα-Blocker (Ausnah- Berücksichtigung von aktuellen Preis- basis des Dachverbandes beruhenden men: Cimzia und Simponi). Ökonomietabelle zu JAK-Inhibitoren Medikamente im EKO Wirkstoff Stärke Packungsgröße Dosierung Preisreihung Jyseleca PM Filgotinib 200 mg 30 Stk. 1 x tägl. Olumiant PM Baricitinib 4 mg 28 Stk. 1 x tägl. Rinvoq PM Upadacitinib 15 mg 28 Stk. 1 x tägl. Xeljanz PM Tofacitinib 5 mg 56 Stk. 2 x tägl. teurer Abb. 9: Ökonomietabelle über die für die rheumatoide Arthritis zugelassenen JAK-Inhibitoren; Preisstand: 05/2021, Preismodell (PM) Lecture Board: [6] Kerschbaumer A, Sepriano A, Smolen JS, et [15] Baker KF, Isaacs JD. Novel therapies for al. Efficacy of pharmacological treatment in immune-mediated inflammatory diseases: Priv.-Doz. Dr. Rudolf Puchner, MSc MBA rheumatoid arthritis: a systematic literature What can we learn from their use in rheu- FA für Innere Medizin, Rheumatologie und research informing the 2019 update of the matoid arthritis, spondyloarthritis, systemic Gastroenterologie EULAR recommendations for management lupus erythematosus, psoriasis, Crohn‘s of rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis disease and ulcerative colitis? Ann Rheum Dis Dr. Manfred Linkesch 2020;79:744–59. 2018;77:175–87. FA für Innere Medizin und Rheumatologie [7] Sunzini F, McInnes I, Siebert S. JAK [16] Pschyrembel online. Rheumatoide Arthritis, Assoz. Prof. Priv.-Doz Dr. xxxxxx xxxxxx inhibitors and infections risk: focus on 2019. (https://www.pschyrembel.de/ herpes zoster. Ther Adv Musculoskelet Dis Rheumatoide%20Arthritis/K02XB). 2020;12:1759720X20936059. [17] Smolen JS, Landewé RBM, Bijlsma JWJ, et al. [8] European Medicines Agency. Zusammenfas- EULAR recommendations for the manage- sung der Merkmale des Arzneimittels Jakavi ment of rheumatoid arthritis with synthetic (Ruxolitinib), 2021. (https://www.ema.europa. and biological disease-modifying antirheu- eu/en/documents/product-information/ matic drugs: 2019 update. Ann Rheum Dis jakavi-epar-product-information_de.pdf) 2020;79:685–99. [9] European Medicines Agency. Zusammenfas- [18] Yates M, Mootoo A, Adas M, et al. Venous sung der Merkmale des Arzneimittels Xeljanz Thromboembolism Risk With JAK Inhibitors: A Dieser Artikel bietet Ihnen die Mög- (Tofacitinib), 2021. (https://www.ema.europa. Meta-Analysis. Arthritis Rheumatol 2020. lichkeit zum Erwerb von Punkten für eu/en/documents/referral/xeljanz- [19] Simon TA, Thompson A, Gandhi KK, Hoch- das Diplom-Fortbildungs-Programm article-20-procedure-annex-i-ii-iii_de.pdf) berg MC, Suissa S. Incidence of malignancy der Österreichischen Ärztekammer. [10] European Medicines Agency. Zusammen- in adult patients with rheumatoid arthritis: a Sie haben auf www.meindfp.at die fassung der Merkmale des Arzneimittels meta-analysis. Arthritis Res Ther 2015;17:212. Möglichkeit, den Artikel zu lesen und Olumiant (Baricitinib), 2021. (https://www. [20] Harigai M. Growing evidence of the safety ema.europa.eu/en/documents/product- of JAK inhibitors in patients with rheu- die zugehörigen Testfragen online zu information/olumiant-epar-product- matoid arthritis. Rheumatology (Oxford) beantworten. Bei richtiger Beantwor- information_de.pdf) 2019;58:i34-i42. tung wird Ihnen der DFP-Punkt auto- [11] European Medicines Agency. Zusammenfas- matisch auf Ihr ÖÄK-Online-Fortbil- sung der Merkmale des Arzneimittels Rinvoq (Upadacitinib). 2021. (https://www.ema. dungskonto gutgeschrieben. europa.eu/en/documents/product- information/rinvoq-epar-product- Quellen: information_de.pdf) [12] European Medicines Agency. Zusammen- [1] Garrido-Trigo A, Salas A. Molecular Structure fassung der Merkmale des Arzneimittels and Function of Janus Kinases: Implications Jyseleca (Filgotinib). 2021. (https://www.ema. for the Development of Inhibitors. J Crohns europa.eu/en/documents/product- Colitis 2020;14:S713-S724. information/jyseleca-epar-product- [2] Banerjee S, Biehl A, Gadina M, Hasni S, information_de.pdf) Schwartz DM. JAK-STAT Signaling as a Target [13] European Medicines Agency. Wissenschaft- for Inflammatory and Autoimmune Disea- liche Schlussfolgerungen (Xeljanz Article-20 ses: Current and Future Prospects. Drugs procedure - Annex IV (PASS)). 2021. 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02_2021 13 Einfluss von Biosimilars auf die Preisentwicklung Eine Datenauswertung von Humira, Neulasta und ihre Biosimilars Im Jahr 2006 wurde Omnitrope als erstes Biosimilar in Europa zugelassen [1]. Seitdem kommen nach Patentablauf jährlich neue Biosimilars auf den Markt. Welche sicheren Fakten gibt es zu verlassen bzw. unter Umständen zukünf- ordnungszahlen von insgesamt rund Biosimilars? tig sogar von vornherein fernbleiben. 41 Mio. Euro im 2. Halbjahr 2018 auf �● �Biosimilars sind biologische Arznei- Die folgende Datenauswertung der rund 23 Mio. Euro im 1. Halbjahr 2019. mittel, die eine sehr ähnliche Struk- ÖGK gibt einen Überblick über die Ent- Dies ist auf die Aufnahme von Biosimil- tur und Funktion wie ein anderes in wicklung der Kosten sowie der Verord- ars für Adalimumab in den EKO und die der EU vermarktetes biologisches nungen des Wirkstoffs Adalimumab mit damit verbundenen Preissenkungen Arzneimittel (= Referenzbiologikum, dem Referenzbiologikum Humira zu- des Referenzbiologikums Humira zu- Originator) aufweisen. Sie unter- sammen mit den jeweiligen Biosimilars, rückzuführen. Wobei zusätzliche Preis- scheiden sich zum Beispiel in ihren sowie dem langwirksamen G-CSF-Me- modelle, die auf einer vertraulichen Zuckerresten, welche auch inner- dikament Neulasta (Originator, G-CSF: Vereinbarung zwischen dem Dachver- halb der verschiedenen Chargen des Granulocyte-Colony Stimulating Fac- band der österreichischen Sozialver- Originators variieren. [1-4] tor) und den entsprechenden Biosimil- sicherungsträger und den vertriebs- ● Durch Studien ist nachzuweisen, ars in Österreich. In den nachfolgenden berechtigten Unternehmen beruhen, dass es keine wesentlichen klini- Grafiken werden auf Datenbasis von nicht berücksichtigt werden können. schen Unterschiede zwischen dem Kassenrezepten der ÖGK die abge- Der Marktanteil der Adalimumab-Biosi- Referenzbiologikum und dem Biosi- rechneten Medikamente dargestellt. milars ist immer noch sehr klein. milar gibt. Sicherheit und Wirksam- keit des Referenzbiologikums müs- Adalimumab Pegfilgrastim sen für jede Indikation gerechtfertigt sein. Jedoch sind gewöhnlich nicht Die Abbildung 1 zeigt einen deutlichen Die Abbildung 2 zeigt einen stetigen für jede Indikation, für die das Refe- Kostenrückgang bei steigenden Ver- Rückgang der Gesamtkosten von ins- renzbiologikum zugelassen wurde, bestätigende klinische Studien er- forderlich [3, 4]. Einfluss der Biosimilars auf die Preisentwicklung Durch gesetzliche Bestimmungen be- wirkt die Aufnahme von Biosimilars in den EKO eine deutliche Preissenkung des im EKO vorhandenen Referenz- biologikums des Erstanbieters. Für das Gesundheitssystem ist es wichtig, be- handlungsökonomische Potenziale, bei gleicher Behandlungsqualität, durch den vermehrten Einsatz von Biosimi- lars noch stärker zu nutzen. Zusätzlich zur Kostenreduktion soll dadurch auch verhindert werden, dass einzelne Biosi- milar-Hersteller wegen eines zu geringen Marktanteils den österreichischen Markt
14 02_2021 Kosten und Verordnungen von Adalimumab, Originator und Biosimiliars Kosten Verordnungen 45,0 Mio. € 60.000 40,0 Mio. € 50.000 35,0 Mio. € 30,0 Mio. € 40.000 25,0 Mio. € 30.000 20,0 Mio. € 15,0 Mio. € 20.000 10,0 Mio. € 10.000 5,0 Mio. € 0,0 Mio. € 0 1 2 1 2 1 2 1 1 2 1 2 1 2 1 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 20 J 0 H H H _H H H H _H H H H H H H 7_ 8_ 9_ 7_ 8_ 9_ 7_ 8_ 9_ 7_ 8_ 9_ 20 20 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 n Biosimilars n Originator n Biosimilars n Originator Abb. 1: Kosten und Verordnungen von Adalimumab, Originator und Biosimilars (Datenauswertung 12.01.2021) Kosten und Verordnungen von Pegfilgrastim, Originator und Biosimilars Kosten Verordnungen 7,0 Mio. € 10.000 6,0 Mio. € 9.000 8.000 5,0 Mio. € 7.000 4,0 Mio. € 6.000 5.000 3,0 Mio. € 4.000 2,0 Mio. € 3.000 1,0 Mio. € 2.000 1.000 0,0 Mio. € 0 1 02 1 02 1 02 1 1 2 1 2 1 2 1 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 J0 20 J 0 J J J _H _H _H _H _H _H _H _H _H _H _H _H _H _H 17 18 19 20 17 18 19 20 17 18 19 17 18 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 n Biosimilars n Originator n Biosimilars n Originator Abb. 2: Kosten und Verordnungen von Pegfilgrastim, Originator und Biosimilars (Datenauswertung 12.01.2021) gesamt rund 6 Mio. Euro im 1. Halb- lars stiegen in diesem Zeitraum nur um ● Senkung des Medikamentenpreises jahr 2017 auf rund 4,2 Mio. Euro im 1. einen Prozentpunkt auf insgesamt 8 %. des Refenzbiologikums durch Markt- Halbjahr 2020 durch die Markteinfüh- Wohingegen die Verordnungen der einführung von Biosimilars. rung der Pegfilgrastim-Biosimilars bei Pegfilgrastim-Biosimilars im 2. Quartal ● Wenn Biosimilars als Nachfolgeme- gleichzeitigem Verordnungsanstieg. 2020 wenigstens 39 % betrugen. dikament bei einer guten Studienla- ge in den EKO aufgenommen wer- Verordnung von Biosimilars Fazit den, muss bei Aufnahme der Preis nach Markteinführung des Nachfolgepräparats unter den ● Biosimilars sind biologische Arznei- Preis des Referenzbiologikums ge- Die Abbildungen 3 und 4 zeigen, wie mittel, die eine sehr ähnliche Struk- senkt werden. unterschiedlich Biosimilars im Zeitraum tur und Funktion wie ein anderes in vom 4. Quartal 2019 und 2. Quartal der EU vermarktetes biologisches Durch die Verordnung von kostengüns- 2020 verordnet wurden. Die Verord- Arzneimittel (= Referenzbiologikum, tigen Biosimilars bei Einstellung auf ein nungsanteile der Adalimumab-Biosimi- Originator) aufweisen. [1, 3] Biologikum können Medikamentenkos-
02_2021 15 Verordnungen von Humira und seine Biosimilars Verordnungen 4. Quartal 2019 Verordnungen 2. Quartal 2020 Hyrimoz Hyrimoz Imraldi Hulio Imraldi Hulio 1,50 % 2,22 % 1,54 % 0,05 % 2,02 % 0,02 % Amgevita Idacio Amgevita Idacio 4,14 % 0,01 % 4,13 % 0,16 % Humira 92,76 % Humira 91,45 % Abb. 3: Verordnungen von Humira und seine Biosimilars, 4. Quartal 2019 vs. 2. Quartal 2020 (Datenauswertung 12.01.2021) Verordnungen von Neulasta und seine Biosimilars Verordnungen 4. Quartal 2019 Verordnungen 2. Quartal 2020 Fulphila Grasustek 0,00 % 0,00 % Ziextenzo Ziextenzo Grasustek 14,07 % 20,74 % 0,07 % Pelmeg 7,56 % Pelmeg 5,17 % Pelgraz 12,96 % Pelgraz 12,70 % Neulasta 65,41 % Neulasta 61,32 % Abb. 4: Verordnungen von Neulasta und seine Biosimilars, 4. Quartal 2019 vs. 2. Quartal 2020 (Datenauswertung 12.01.2021) [2] Christian K Schneider Biosimilars in rheu- [4] European Medicines Agency. Guideline on ten reduziert werden. Dabei unterstützt matology: the wind of change; Ann Rheum Dis similar biological medicinal products containing Sie das Ökotool – bitte beachten Sie bei 2013;72:315–318. (https://ard.bmj.com/ biotechnology-derived proteins as active sub- content/72/3/315) stance: non-clinical and clinical issues (EMEA/ der Verordnung die Preisreihung. [3] European Medicines Agency. Biosimilars in der CHMP/BMWP/42832/2005 Rev1), 2014. EU - Leitfaden für medizinische Fachkräfte, (https://www.ema.europa.eu/en/documents/ Quellen: 2019. (https://www.ema.europa.eu/en/ scientific-guideline/guideline-similar- [1] Arzneimittelkommission der deutschen documents/leaflet/biosimilars-eu- biological-medicinal-products-containing- Ärzteschaft. Leitfaden „Biosimilars“ (2. Auflage, information-guide-healthcare-professionals_ biotechnology-derived-proteins-active_en- Version 1.0, Januar 2021). (https://www.akdae. de.pdf). 2.pdf). de/Arzneimitteltherapie/LF/PDF/Biosimilars. pdf).
16 02_2021 Das diabetische Fußsyndrom Der diabetische Fuß umfasst eine Ulzeration oder Infektion am Fuß bei einer Neuropathie und/oder einer Durchblutungsstörung bei Menschen mit Diabetes mellitus. Epidemiologie steht, spielt die Neuropathie die wesent- ist die psychologische Komponente auf- liche Rolle. Eine sensomotorische Poly– grund der fehlenden protektiven Wahr- Auf der Welt verliert alle 20 Sekunden neuropathie findet sich in zumindest nehmung und des fehlenden Schmer- ein Mensch mit Diabetes ein Bein oder 90 % der Fälle. Überschneidungen beider zempfindens. Dies führt bei Menschen einen Fuß. Die Lebenszeitinzidenz liegt Krankheitsbilder sind häufig. Durch die mit Diabetes zu einer eingeschränkten bei 15 – 25 % und die jährliche Inzidenz sensorische Polyneuropathie kommt es Körperwahrnehmung und einer Art bei 2 % [1]. Laut einer neueren amerika- zu einem Verlust der protektiven Wahr- „Neglect“ (von lateinisch: neglegere = nischen Publikation aus dem Jahr 2017 nehmung und fehlendem Schmerzemp- nicht wissen, vernachlässigen) für das dürften sogar 19 – 34 % der Menschen finden. Die motorische Polyneuropathie Problem. Daher können betroffene Per- mit Diabetes ein Ulkus entwickeln [2]. bedingt Fußformdeformitäten aufgrund sonen mit Neuropathie die vom Gesund- Bei mehr als 50 % der Ulzerationen eines muskulären Ungleichgewichts. heitspersonal empfohlenen Maßnah- treten Infektionen auf. Das diabetische men oft nur eingeschränkt umsetzen. Fußsyndrom ist die Hauptursache für Menschen mit Diabetes leiden auch nichttraumatische Amputationen. Nach an einer Störung der Tiefensensibilität Prävention diabetesbezogenen Amputationen mit einer Veränderung des Gangbildes liegt die 5-Jahres-Mortalität bei 70 %. und konsekutiven Fehlbelastungen. Die Primäres Ziel in der Diabetesbetreuung autonome Neuropathie führt zu einer ist die Vermeidung von Folgekompli- Pathophysiologie trockenen, weniger widerstandsfähigen kationen inklusive Diabetischem Fuß- Haut. So können kleinste Verletzungen syndrom (DFS). Dazu sollte neben der Die Pathogenese des diabetischen Fuß- oder durch eine Kallusbildung bedingte regelmäßigen Inspektion der Füße von syndroms ist komplex. Neben einer mög- Einblutung oder Blasenbildung zu Ulze- Menschen mit Diabetes auch ein jähr- lichen Durchblutungsstörung, welche rationen am Fuß führen [3]. Nicht zu ver- liches Neuropathiescreening mittels zumindest bei 50 % der Erkrankung be- gessen beim diabetischen Fußsyndrom Stimmgabel und – beziehungsweise zumindest – mit dem Monofilament durchgeführt werden. Sollte eine diabetische Neuropathie suszipiert werden, ist die Prävention von Ulzerationen oberstes Gebot. Patien- ten und ihre Angehörigen sollten über die richtige Fußpflege, Notwendigkeit von täglichen Fußkontrollen, korrek- tes Schuhwerk und Hautpflege mittels ureahaltigen Pflegecremen aufgeklärt werden. Die Einbeziehung des sozialen Umfeldes ist aufgrund der psycholo- gischen Komponente der Erkrankung wichtig. Es sind zahlreiche Folder dazu erhältlich, welche Menschen mit Diabe- tes ausgehändigt werden können. Therapie des diabetischen Fußsyndroms Wie bei anderen Krankheiten sollte auch bei Menschen mit Diabetes und
02_2021 17 DIABETES MELLITUS Motorische Neuropathie Sensorische Neuropathie Autonome Neuropathie Fußdeformationen Verringerte Schweißsekretion Verlust der protektiven Biomechanische Veränderungen Sensibilität Trockene, rissige Haut Kallusbildung Repetitive Traumata pAVK Blutung Ulkus Abb. 1: Vgl. Pathogenese des DFS (modifiziert nach Armstrong DG et. al [5]) Abb. 2: Mechanism of ulcer developing from repetitive or excessive mechanical stress Quelle: IWGDF Guidelines on the Prevention and Management of Diabetic Foot Disease (2019), in: https://iwgdfguidelines.org/ einer Ulzeration am Fuß ein individu- individuell auf die betroffene Person wahl erfolgt je nach Wundstadium und elles Therapieziel festgelegt werden. abgestimmt werden (Abbildung 5, Seite Exsudation. Trockene Nekrosen soll- Therapieziel ist nicht in jedem Fall das 19). ten trocken gehalten werden. Damit vollständige Abheilen der Ulzeration. die Ulzerationen heilen können, soll- Es kann auch die Erhaltung der Mo- 2. Peripher arterielle ten – falls vorhanden – Hyperkeratosen bilität bzw. eine Amputations- und In- Verschlusskrankheit: und nekrotisches Gewebe regelmäßig fektionsvermeidung im Vordergrund Bei jedem diabetischen Fußsyndrom mechanisch entfernt werden. stehen. muss die Durchblutungssituation eva- luiert und wenn notwendig verbessert 5. Infektion: 1. Druckentlastung: werden. Ulzerationen gehören regelmäßig hin- Ist das Abheilen einer primär neuropa- sichtlich Infektionszeichen überprüft. thischen Läsion das Therapieziel, ist die 3. Stoffwechsellage und Liegen lokale Infektionszeichen wie wichtigste und für den Patienten am kardiovaskuläre Risikofaktoren: Rötung, Schwellung und Überwär- schwierigsten umzusetzende thera- Die diabetische Stoffwechsellage und mung vor, muss eine Antibiose einge- peutische Maßnahme die Entlastung. kardiovaskuläre Risikofaktoren gehö- leitet werden. Die Therapiedauer ist Goldstandard in der Entlastung neuro- ren optimiert. vom Schweregrad (Abbildung 6, Seite pathischer Ulzerationen ist der Vollkon- 20) der Infektion abhängig. taktgips. Seine Überlegenheit wurde in 4. Lokaltherapie: mehreren randomisiert kontrollierten Die feuchte Wundbehandlung gehört Milde und moderate Infektio- Studien nachgewiesen. Andere dru- zu den Standards bei der Behandlung nen werden im Regelfall 2 Wo- ckentlastende Maßnahmen müssen von Ulzerationen. Die Verbandsaus- chen und eine schwere Infektion
18 02_2021 5 Schlüsselelemente zur Prävention von DFS 1. Die Identifikation, dass ein potenziell gefährdeter Fuß vorliegt 2. Regelmäßige Kontrollen und Untersuchung des gefährdeten Fußes 3. Schulung des Patienten, von dessen Familie und allen, im Gesundheitsbereich arbeitenden Personen 4. Routinemäßiges Tragen von geeignet em Schuhwerk 5. Behandlung von präulzerösen Anzeichen (z. B. Hornhautschwielen) Abb. 3: Fünf Schlüsselelemente zur Prävention von DFS Quelle: Vgl. IWGDF Guidelines on the Prevention and Management of Diabetic Foot Disease (2019), in: https://iwgdfguidelines.org/ Zusätzlich sollten Fußinspektionen durch professionelles Personal je nach IWGDF Risikoklassifizierung (International Working Group on the Diabetic Foot, 2019) erfolgen. Risikokategorie Charakteristika Kontrollintervall 0 Keine PNP 1 x jährlich 1 PNP Alle 6 Monate 2 PNP und pAVK Alle 3 – 6 Monate und/oder Fußdeformität 3 PNP/pAVK und Ulkus in der Alle 1 – 3 Monate Voranamnese oder St.p. Amputation Abb. 4: IWGDF 2019 Risikoklassifizierung Quelle: Vgl. IWGDF Guidelines on the Prevention and Management of Diabetic Foot Disease (2019), in: https://iwgdfguidelines.org/ PNP: diabetische Polyneuropathie, pAVK: periphere Makroangiopathie 3 Wochen therapiert. Wenn möglich nanzuntersuchung evaluiert werden. 0,08 % und 7,5 % [5]. Die akute diabe- sollte immer ein Keimnachweis ange- Kommt es nach 6 Wochen Antibiotika- tische Neuro-Osteoarthropathie prä- strebt werden. Eine Gewebsprobe ist therapie nicht zu einer Chronifizierung sentiert sich als roter, geschwollener, einem tiefen Wundabstrich vorzuzie- der OM oder dem Abheilen der Wun- überwärmter Fuß meist mit einer Fuß- hen. de, muss eine chirurgische Sanierung deformität durch Spontanfrakturen. Eine Knochenbeteiligung im Rahmen in Abhängigkeit vom Therapieziel beim Es besteht die Gefahr, dass der Fuß einer Infektion am Fuß ist häufig. Die Patienten in Betracht gezogen wer- komplett zusammenbricht und durch Diagnose einer Osteomyelitis (OM) den. das Abkippen von Knochenfragmen- gestaltet sich immer wieder schwie- Chirurgische Interventionen auch ten chronische Ulzerationen mit einer rig. Primär sollte immer der „Probe to Minor Amputationen sollten, wenn hohen Amputationsgefahr auftreten. bone“-Test durchgeführt werden. Mit möglich vermieden werden, da neben Die Diagnose erfolgt rein klinisch. Die einer Sonde wird versucht, ob ein Kno- Wundheilungsstörungen nach Ab- wichtigste Differentialdiagnose ist das chen tastbar ist. Dieser Test ist aber heilung der Amputationsstelle häufig Erysipel. In der Bildgebung wie Rönt- sehr vom Untersucher abhängig und Transferulzerationen auftreten. gen oder MR ist die Erkrankung nur kann oft nicht reproduziert werden. schwer von einer Osteomyelitis zu un- Ist der Knochen in einer Wunde nicht Diabetische terscheiden. tastbar, ist eine Knocheninfektion eher Charcot-Osteoarthropathie Die einzige Behandlungsoption ist unwahrscheinlich. eine absolute Druckentlastung für Die diabetische Charcot-Osteoar- 3 – 12 Monate mit einem Vollkontakt- Als zweiter diagnostischer Schritt folgt thropathie (DNOAP: diabetische gips. Der akute Charcot-Fuß muss in ein konventionelles Röntgen, da kos- Neuro-Osteoarthropathie) ist die eine chronische inaktive DNOAP über- tengünstig und überall verfügbar. Wird komplexeste und schwerwiegendste führt werden. Dies kann angenommen die Diagnose im Röntgen bestätigt, Fußkomplikation. Die Ätiopathogenese werden, wenn der Hauttemperaturun- sind keine weiteren Untersuchungen ist noch nicht geklärt. Sie ist eine pro- terschied zum „gesunden“ Fuß unter 2 notwendig. Falls im Röntgen aufgrund gressive und destruktive Arthropathie Grad Celsius liegt. Dann kann man da- der Latenzzeit die Osteomyelitis nicht einzelner Gelenke und/oder Knochen. von ausgehen, dass der Fuß in seiner bestätigt wird, muss weiterführend Die Prävalenz des Charcot-Fußes liegt Integrität wieder soweit stabil ist, dass die Durchführung einer Magnetreso- bei Menschen mit Diabetes zwischen eine Vollbelastung des Fußes möglich
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