"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG

Die Seite wird erstellt Maximilian Link
 
WEITER LESEN
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
praxis
                                perspektiven

Baraa Abu El-Khair

„Imara – Moscheen und
Umweltschutz“
Moscheegemeinden als Akteurinnen
nachhaltiger Entwicklung
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
Inhaltsverzeichnis

VORWORT                                                                    2

DAS PROJEKT: „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“                           4

BEDEUTUNG EINER NACHHALTIGEN LEBENSWEISE AUS SICHT
DER ISLAMISCH-THEOLOGISCHEN STUDIEN (DR. ASMAA EL MAAROUFI)                5

VON FRANKFURT ÜBER LONDON NACH CAMBRIDGE – DIE ENTSTEHUNG
DES IMARA-MASSNAHMENKATALOGS                                              6
Nachhaltigkeit in deutschen und britischen Moscheen                        7

Nachhaltigkeit in britischen Moscheen                                      8

Nachhaltigkeit in deutschen Moscheen                                      12

Moscheen interessieren sich für Nachhaltigkeit und Professionalisierung   13

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT
IN MOSCHEEN                                                               15
Sensibilisierung der Gemeinde und die Entwicklung eines Plans             15

Praktische Maßnahmen für die Moscheeleitung                               16

Schonender Umgang mit Wasser und Energie                                  17

Gestaltung von Green Events                                               19

SCHLUSSWORT UND AUSBLICK                                                  21

LITERATURVERZEICHNIS UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR                         22

ÜBER DIE AUTOR_INNEN                                                      23

IMPRESSUM                                                                 24
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
2                                                                           „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

                                                                                                  Ulrich Paffrath
                                                                        Koordinator Wissenstransfer an der Akademie

    Vorwort
                                                                           für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft

    Liebe Leser_innen,                                    zurück in praktische Arbeit und Praxisprojekte.
                                                          Dieser Wissenstransfer richtet sich an interessier-
    ich freue mich, Ihnen heute die erste Ausgabe des     te Leser_innen aus der gesamten Gesellschaft.
    Publikationsformats „AIWG-Praxisperspektiven“         Die Praxisperspektiven spannen somit ein Trans­
    mit dem Thema „Nachhaltigkeit und Umwelt­schutz       ferdreieck zwischen Wissenschaft, Praktiker_innen
    in Moscheen“ vorlegen zu können.                      und Gesellschaft auf.
    Ein Publikationsformat mit dem Titel Praxis­          Die AIWG-Praxisperspektiven sind gewisser­
    perspektiven, welches im universitären Kon­           maßen eine Einladung. Wir möchten Sie einladen,
    text herausgegeben wird, könnte zunächst              diese als Diskussionsbeitrag zu lesen.
    Fragen aufwerfen. Was ist der Inhalt, wenn
    es nicht um wissenschaftliche Forschung und
    Forschungsergebnisse geht? Wer sind die Au­
                                                          In dieser Ausgabe
    to­r_innen? Geht es um Wissenschaft oder Praxis?
    Damit Sie, liebe Leser_innen, wissen, was vor         Umweltschutz und Nachhaltigkeit gehören zu den
    Ihnen liegt und was Sie bei der Lektüre erwartet,     aktuellen gesellschaftlichen Megathemen. Die
    steht die Verortung der AIWG-Praxisperspektiven       Akteurs- und Anwendungsbereiche werden auf
    am Anfang.                                            vielfältigste Art und auf allen Ebenen thematisiert.
                                                          Das Thema Umweltschutz und Islam oder
                                                          Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Moscheen
    Wissenstransfer durch                                 fristete lange Zeit ein Nischendasein. Das hat sich
                                                          mittlerweile geändert. Nicht nur, dass das Thema
    Praxisperspektiven
                                                          Umweltschutz und Nachhaltigkeit in den islamisch-­
    Die AIWG-Praxisperspektiven stellen ein               theologischen Studien vermehrt aufgegriffen wird,
    Schnittstellenformat mit dem Fokus auf den            auch in der Praxis existieren hierzu seit vielen
    Wissenstransfer dar. Wir publizieren Beiträge         Jahren Engagements. Dabei geht es immer wieder
    aus der Praxis, welche im Austausch mit der           um folgende Fragen: Welche Engagements gibt es
    Wissenschaft entstanden sind. Diese kön-              für Nachhaltigkeit und Umweltschutz inner­halb der
    nen formulierte Bedarfe aus der Praxis an die         eigenen Moschee­gemeinde und in Moscheen? Wo
    Wissenschaft sein, aber auch Ergebnisse aus           be­stehen Hindernisse für Moscheegemeinden?
    Praxisprojekten. Unsere Autor_innen präsen-           Welche Lösungs- und Unterstützungsmöglich­
    tieren ihre Expertisen oder Projektergebnisse         keiten gibt es? Und wie können sich Moscheen und
    aus der Praxis aus den verschiedensten gesell-        Moschee­gemeinden in Bezug auf Nach­haltigkeit
    schaftlichen Bereichen. Durch den Austausch           und Umweltschutz selbst stärken?
    mit Wissenschaftler_innen aus den islamisch-­         Diesen Fragen ging Baraa Abu El-Khair als
    theologischen Studien und ihnen anverwandter          Praxisfellow der AIWG in seinem Projekt „Imara  –
    Disziplinen fließen Praxisimpulse in wissenschaft-    Moscheen und Umweltschutz“ nach. Der Wirt­
    liche Diskurse mit ein, bereichern diese, regen an    schafts­ingenieur, welcher im Bereich Erneuerbare
    zu neuen Fragestellungen und Forschungen. Das         Energien tätig ist, hat sich hierzu auf eine spannen-
    stellt wiederum keinen einseitigen Prozess dar. Die   de Reise begeben, mit dem Ziel, einen Beitrag zu
    Impulse aus der Wissenschaft fließen unmittelbar      leisten, Moscheen in Deutschland für die
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
Vorwort                                                                                                                3

17  Nach­haltigkeitsziele der Vereinten Nationen                               Der vorliegende Maßnahmenkatalog
(SDGs)1 zu sensibilisieren und Ideen für ihre                                  ist das Ergebnis des Praxisprojekts
Umsetzung in den Gemeinden zu entwickeln.                                      „Imara – Moscheen und Umweltschutz“,
Hierfür reiste er nach Großbritannien, um Best-                       das im Rahmen des Praxisfellowship-Formats
Practice-Beispiele zu suchen und verschiedene                         der Akademie für Islam in Wissenschaft und
Personen zu interviewen. Zurück in Deutschland                        Gesellschaft (AIWG) ermöglicht wurde. Konzi-
besuchte er 15  Moscheegemeinden und initiierte                       piert und umgesetzt hat das Projekt Baraa Abu
einen AIWG Roundtable, an dem verschiedene                            El-Khair, der von April 2019 bis April 2020
Akteur_innen aus Umweltschutz, Wissenschaft und                       Praxisfellow an der AIWG der Goethe-Universi-
Moscheegemeinden zusammen diskutierten. Seine                         tät Frankfurt a. M. war.
Reisen im In- und Ausland konnte er in der Zeit vor
der weltweiten Pandemie durchführen.
Ergänzt wird seine Expertise durch einen Bei­trag                    Auch hier steht das Gemeinsame im Vordergrund.
von Dr. Asmaa El-Maaroufi vom Zentrum für                            Die Handlungsempfehlungen sollen praktikable
Islamische Theologie der Westfälischen Wilhelms-                     Lösungen anbieten sowie bestehende vielfältige
Universität Münster, in dem sie sich aus islam­                      Engagements in den Bereichen Umweltschutz und
theologischer Perspektive dem Themenkomplex                          Nachhaltigkeit fördern und sichtbar machen.
„Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Islam“ wid-                      Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre der
met. Darin zeigt sie auf, dass sich sowohl aus kora-                 Erstausgabe unserer Praxisperspektiven.
nischen Quellen wie auch aus Propheten­über­
lieferungen Hinweise ableiten lassen, in welchen
die Menschen zu nachhaltigem, nicht verschwend-
erischem Handeln und dem Schutz ihrer Umwelt
angewiesen werden. Damit präsentiert sie einen
wissenschaftlich-theologischen Diskussions­
beitrag für das vorliegende Hand­buch von Baraa
Abu El-Khair.
Das Ergebnis der spannenden Recherchen von
Baraa Abu El-Khair ist das hier als Erstausgabe
der AIWG-Praxisperspektiven vorliegende
Handbuch, in dem er unter anderem konkrete
Handlungsempfehlungen zur Realisierung ausge-
wählter SDGs in Moscheegemeinden beschreibt.

1
    Vgl. UNRIC 2021. Abrufbar unter: https://unric.org/de/17ziele/
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
4                                                                              „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

    Das Projekt: „Imara – Moscheen und
    Umweltschutz“2

    Imara (arab. ʿ imāra) ist ein ursprünglich aus dem
                                                                        Die 17 Ziele für nachhaltige Entwick-
    Arabischen stammendes Wort und kann in ei-
                                                                        lung (Sustainable Development Goals,
    ner Bedeutung als Kultivierung übersetzt werden.
                                                                        kurz SDGs) sind politische Zielsetzun-
    Der Begriff wird von mir zur Beschreibung eines
                                                               gen der Vereinten Nationen (UN), die der
    Ansatzes genutzt, um Moscheen in die Lage zu
                                                               Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf
    versetzen, Strukturen und Prozesse ressourcen-
                                                               ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene
    und bedarfsorientiert nachhaltiger zu gestalten
                                                               dienen sollen. Dabei ist auf Basis eines globalen
    und sie damit als Akteurinnen einer nachhaltigen
                                                               partizipativen Prozesses ein SDG-Katalog
    Entwicklung zu stärken.
                                                               entwickelt worden. Die 17 SDGs berücksichtigen
    Im Zuge einer Bedarfs- und Potentialermittlung
                                                               erstmals alle drei Dimensionen der Nachhaltig-
    mit Moscheen hinsichtlich der Frage der Nach­
                                                               keit – Soziales, Umwelt, Wirtschaft – gleicher-
    haltigkeit hat sich in den vergangenen Jahren ein
                                                               maßen. Ihnen sind fünf Kernbotschaften als
    Trend gezeigt: Moscheen engagieren sich zuneh-
                                                               handlungsleitende Prinzipien vorangestellt:
    mend für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Es
                                                               Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und
    fehlt ihnen allerdings oft an Instrumenten und
                                                               Partnerschaft.
    Ressourcen, um die Nachhaltigkeitspotentiale
    ihrer Gemeinden voll ausschöpfen zu können.
    Genau hier setzt Imara an und entwickelt grund-
    sätzliche Ideen und niedrigschwellige Hand­
    lungsempfehlungen für Nachhaltigkeit in
    Moscheegemeinden. Insofern zeigen die nach­
    folgenden Kapitel Wege, Erläuterungen und
    Beispiele auf, wie sich Moscheen besser als ver-
    antwortungsvolle Akteurinnen im Bereich Um­
    weltschutz und Nachhaltigkeit in der Gesellschaft
    aufstellen können.
    Die Empfehlungen zielen darauf ab, für die be­
    teiligten Moscheen und Personen sowohl organi-
    sationsinternen als auch externen Nutzen zu er-
    zielen: Muslimische Vereine können sich darüber
    informieren, wie sie sich sozial, ökologisch und
    ökonomisch nachhaltiger organisieren und damit
    ihre Attraktivität als sozialer Ort und als verant-
    wortungsbewusster Kooperationspartner steigern
    können. Damit trägt Imara nicht nur zur Stärkung
    von gesellschaftlicher Teilhabe bei, sondern un-
    terstützt auch die verantwortungs­volle lokale
    Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele durch
    islamische Institutionen bis 2030. Ihre Umsetzung
    ist auf eine praktische Operationa­lisierung im je-
    weiligen Kontext angewiesen.

    2
        Im Folgenden wird das Projekt mit „Imara“ abgekürzt.
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
Bedeutung einer nachhaltigen Lebensweise aus Sicht der islamisch-theologischen Studien                                                       5

Bedeutung einer nachhaltigen Lebensweise aus
Sicht der islamisch-theologischen Studien
Ein Beitrag von Dr. Asmaa El Maaroufi

Die Frage nach Umweltethik ist aus islam­                                 Unabhängig vom Nutzen für den Menschen er-
theologischer Sicht bedeutsam und lässt sich                              gibt sich also ein intrinsischer Wert der Natur,
an verschiedenen Orten mit Bezugnahme auf                                 der dazu führt, dass sich ethisch-theologisch der
den islamischen Glauben diskutieren: So kön-                              Schutz dieser ableiten lassen kann. Eben hier
nen Moscheegemeinden und zum Beispiel                                     greift die menschliche Rolle als Geschöpf (maḫlūq)
Freitagspredigten ein Ort sein, an denen reflek-                          und Sachwalter (ḫalīfa). Als Geschöpf reiht sich
tiertes Denken und Handeln auch zur Thematik                              der Mensch neben allen weiteren Geschöpfen
des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit an­                             Gottes in die Natur ein, die einen je gemein­
geregt werden kann.                                                       samen Ursprung teilen: Gott. Als ḫalīfa hinge-
Wirft man einen Blick in die islamische Geistes­                          gen ist der Mensch dazu aufgefordert, die Welt
tradition, so finden sich zahlreiche Ansätze, an                          in Gerechtigkeit zu verwalten. Auf diese Weise
denen man sich für Umweltsensibilisierungs­                               wird der Mensch zum Ver-antwort-lichen, insofern
maßnahmen der heutigen Zeit orientieren                                   er am Jüngsten Tag Antwort für seine Taten ge-
kann. Sowohl im Koran als auch in den prophe­                             ben muß. Hierdurch bewegt sich der Mensch zwi-
tischen Überlieferungen lassen sich einschlägige                          schen zwei Polen: Zwischen Auszeichnung und
Hinweise zum Beispiel zur Schonung von natür-                             Dienersein, was bedeutet, dass der Mensch nie-
lichen Ressourcen herausarbeiten, indem davor                             mals Herrscher über die Schöpfung wird, sondern
gewarnt wird, verschwenderisch zu sein. Daneben                           als Bewahrer (beziehungsweise Beauftragter) im
bieten ethische Termini wie Gerechtigkeit oder                            Sinne des Auftraggebers (Gott) nicht Unheil auf der
Barmherzigkeit Anknüpfungspunkte für die                                  Erde anrichten soll, nachdem sie in Ordnung gebracht
Diskussion und Vermittlung von Grundlagen des                             worden ist (Q 7:56).
Umweltschutzes. 3                                                         Die prophetischen Überlieferungen bestäti-
Koranisch wird grundsätzlich nicht nur eine                               gen diese Stellung: Der Mensch verstand sich  –
inter­aktive Beziehung zwischen Gott und den                              auch aufgrund historischer Gegebenheiten – als
Menschen vorgestellt, sondern auch zwischen                               ein in Abhängigkeit von der Natur stehen-
Gott und der restlichen Schöpfung. Aus­s agen wie                         des Wesen, aber hinsichtlich seiner religiösen
diejenige, dass Gott über jedes Blatt Bescheid                            Zugehörigkeit als Geschöpf auch als Teil dieser
wisse und gar mit Bergen kommuniziere (z. B.                              Natur. Entsprechend rief der Prophet Muḥammad
Q 6:59 und Q 41:11), bilden Beispiele hierfür.                            in verschiedenen Aussagen zum barmherzigen
Umgekehrt priesen Ihn laut Koran Bestandteile                             und gerechten Umgang mit der Schöpfung Gottes
der Natur und gälten als āya (arab.: Zeichen,                             auf. Der barmherzige und gerechte Umgang mit
auch: Wunder, Beweis), demzufolge als Zeichen                             der Schöpfung impliziert dabei auch den nach-
Seiner Schöpfungskraft. Als solche verfügten sie                          haltigen Umgang mit ihr. So solle man beispiels-
über eine eigene Daseins­berechtigung, da Gott                            weise sparsam mit Wasser umgehen (selbst bei
nichts zum Zeitvertreib erschaffen, sondern im-                           der rituellen Waschung); auch, wenn man sich an
merzu mit Funktion und Sinn versehen habe (Q                              fließenden Gewässern befinde. Diese und weite-
44:38). So werden alle von Gott erschaffenen                              re Aussagen lassen erkennen, dass sich durchaus
Dinge, denen die Eigenschaft einer āya, eines                             koranisch und prophetisch motivierte, ethische
Zeichens, zukommt, zu etwas von Gott Bejahtem                             Implikationen für den Natur- und Umweltschutz
darüber, dass Gott sie im Modus des „Sei!“ wil-                           fruchtbar machen lassen, die dabei helfen können,
lentlich erschuf. Sich der Natur auf zerstörerische                       dass der Mensch sich im Angesicht Gottes hin-
Weise zu bedienen, stellt somit die Verneinung                            sichtlich seiner Aufgabe neu verortet.
von Gottgewolltem dar. 4

3
    Für eine Einführung in die islamisch-theologischen Auseinandersetzungen mit Umwelt und Nachhaltigkeit siehe insbesondere: Foltz/Denny/
    Baharuddin 2003; Binay/Khorchide 2019; Nasr 1996.
4
    El Maaroufi 2019, S. 71–73.
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
6                                                                             „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

    Von Frankfurt über London nach Cambridge –
    Die Entstehung des Imara-Maßnahmenkatalogs

    Mit dem Ziel, einen Maßnahmenkatalog für
    Nachhaltigkeit zu erstellen, der praxisnah und
    spezifisch auf Moscheen zugeschnitten ist, ent-
    stand die Idee, gut erprobte und erfolgreich um-
    gesetzte Konzepte von Modellinstitutionen in
    diesem Bereich näher kennenzulernen. Da orga-
    nisierte muslimische Gemeinschaften und ihre
    gesellschaftliche Präsenz in Großbritannien älter
    und zum Teil etablierter sind als viele muslimi-
    sche Gemeinschaften in Deutschland, erfolg-
    te die Suche nach Vorbildern und Best-Practice-
    Beispielen in Großbritannien. Die Ergebnisse
    sollten dann für Deutschland nutzbar gemacht
    werden.
                                                        Central London Mosque – Gebetsraum

                                                        Nach Abschluss der Recherchen in England er-
                                                        folgte die Bedarfs- und Potentialermittlung in
                                                        Deutschland. Schließlich kann ein auf Moscheen
                                                        zu­geschnittenes Handbuch nur mit­hilfe von
                                                        Gesprächen und Begegnungen mit der Zielgruppe
                                                        und ihrer direkten Ein­bindung rea­lisiert werden.
                                                        So wurden insgesamt 15  Moscheegemeinden in-
                                                        terviewt, die Auskunft über aktuelle Aktivitäten,
                                                        Bedarfe und Potentiale gaben. Über diese
                                                        Interviews ist explorativ anhand einzelner
                                                        Fallbeispiele das aktuelle und potentielle
                                                        Umweltengagement von Moscheegemeinden
                                                        grob ermittelt worden.
                                                        Mit den Interviewergebnissen und einem ersten
                                                        Entwurf der zusammengefassten Erkenntnisse
                                                        hieraus im Gepäck wurden in der Folge Ak­
                                                        teur_innen aus islamischen Dachverbänden,
    Central London Mosque – Außenansicht                Moschee­gemeinden, Umweltvereinen und
                                                        Wissen­schaftler_innen, insbesondere der
    Dementsprechend wurden im Rahmen von Imara          islamisch-­theologischen Studien, am 2. Dezember
    Moscheegemeinden in London, Birmingham              2019 zu einem Roundtable eingeladen, der von
    und Cambridge interviewt. Erkenntnisreich war       der Akademie für Islam in Wissenschaft und
    der sechswöchige Aufenthalt in England un-          Gesellschaft durchgeführt wurde. Gemeinsam
    ter anderem auch deshalb, weil er sich mit dem      diskutierten sie die Frage, wie sich die Moschee
    Fastenmonat Ramadan überschnitt. In dieser          der Zukunft aufstellen und inwiefern Imara sie
    Zeit ist der Moscheebetrieb besonders inten-        auf ihrer Reise zu mehr Nachhaltigkeit begleiten
    siv, nicht nur aufgrund der großen gemeinsa-        kann.
    men Fastenbrechen, die zu der Zeit stattfinden.     Aufgrund dieser geleisteten Arbeiten und Dis­
    Demnach lag der Fokus darauf, wie nachhaltig und    kussion wurde der vorliegende Maßnahmen­
    umweltschonend sich englische Moscheen in die-      katalog er­s tellt.
    ser Zeit verhalten.
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
��������������������������������������������������������������������������������������                                           7

Nachhaltigkeit in deutschen                                                   Bedarfen daran zu ermitteln. Aus den gewonne-
und britischen Moscheen                                                       nen Erkenntnissen wurden Potentiale abgeleitet,
                                                                              die in die spätere Leitfadenentwicklung einge­
Jugendgruppen, die zur Umweltwoche in ihre                                    arbeitet wurden.
Moschee einladen, Imame, die Umwelt­schutz                                    Nach jahrelangen Beobachtungen und unzäh-
in ihren Predigten thematisieren, Moschee­                                    ligen Gesprächen ergab sich, dass nur wenige
vorstände, die sich zum Einsatz von Solaranlagen                              Moscheen sich im Klimaschutz engagieren. Um
auf den Moscheedächern beraten lassen: Der                                    allerdings diese Beobachtung zu konkretisieren,
Umweltschutz hat Eingang in die deutsche                                      bestand der Bedarf, Aktive und Verantwortliche in
Moscheen­landschaft gefunden. Die Bedarfs- und                                Moscheen direkt hierzu zu befragen. So wurden
Potentialermittlung zeigt aber auch, dass das                                 zwischen Mai 2019 und April 2020 15 Moscheen
Thema längst nicht Teil des Moscheealltags ist,                               beziehungsweise ihrer Vertreter_innen in Deutsch­
sondern oft nur sporadisch angegangen wird                                    land und fünf in England interviewt. Dabei wurde
oder durch vereinzelte Aktionen zum Tragen                                    eine große Bandbreite abgedeckt, da sich unter
kommt. Es gibt hierzulande aber durchaus ein-                                 den Moscheen größere und kleinere aus unter-
zelne Moscheen, die durch eine ganzheitliche                                  schiedlichen Städten befinden.
Etablierung von nachhaltigen Maßnahmen in ihrem                               Um die Ergebnisse der Interviews übersichtlich
Moscheebetrieb hervorstechen.                                                 darzustellen, wurden die Antworten und Aus­
Das Ziel der Interviews für das Projekt „Imara  –                             wertungen zusammengefasst und grafisch
Moscheen und Umweltschutz“ war es, den                                        aufbereitet.
Bezug von Moscheegemeinden zur nachhalti-
gen Entwicklung und Umweltthemen sowie ihren

Praxisfellow Baraa Abu El-Khair (r.) beim Interview in der Al Manaar Mosque
"Imara - Moscheen und Umweltschutz" - Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung - AIWG
8                                                                              „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

    Nachhaltigkeit in                                         weiteren Moscheen, welche anhand vorheriger
    britischen Moscheen                                       Recherchen als relevante Akteur_innen im Bereich
                                                              Nachhaltigkeit identifiziert wurden, haben dieses
    Ob englische Moscheen beim Thema Umwelt­                  Bild bestätigt. Jede dieser Moscheen weist min-
    sensibilität und -engagement wesentlich weiter            destens folgende Eigenschaften auf:
    sind als deutsche, ist so einfach nicht zu beantwor-
    ten. Es lässt sich grundsätzlich sagen, dass, je reprä-      › Zentrale_r Ansprechpartner_in für
    sentativer und professioneller die Moscheen auf-               Umweltfragen
    gestellt sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit           › Befolgung eines eigenen
    ist, dass sich diese des Umweltschutzes annehmen.              Nachhaltigkeitskonzepts
    Während sich etwa kleine Moscheegemeinden in                 › Maßnahmen zur Energieeffizienz (zum
    England in ihrem marginalen Umweltengagement                     Beispiel LED-Beleuchtung, erneuerbare
    keineswegs von entsprechenden deutschen                          Energien)
    Moscheen unterscheiden, agieren größere und                  ›   Kampagnen für mehr Umweltsensibilität
    dementsprechend besser organisierte Moscheen                     in ihren Gemeinden
    teilweise auf einem ganz anderen Level.                      ›   Plakate in den Waschräumen mit
    Gespräche mit Vertreter_innen der London Central                 Hinweisen zur Vermeidung von
    Mosque, der East London Mosque, der Al Manaar                    Wasserverschwendung
    Mosque, der Cambridge Central Mosque und

    Sensorik im Waschraum – Cambridge Central Mosque
��������������������������������������������������������������������������������������                              9

                                                               Eine entscheidende Ursache hierfür scheint zu
                                                               sein, dass es in größeren Moscheen in Groß­
                                                               britannien nicht unüblich ist, dass der Vorstand
                                                               oder zumindest ein Teil davon hauptamtlich be-
                                                               schäftigt ist. Dies bedeutet mehr zeitliche und
                                                               auch personelle Ressourcen und somit mehr
                                                               Professionalität. Es verwundert demnach nicht,
                                                               dass Moscheevorstände von kleineren Moscheen,
                                                               die im Regelfall ehrenamtlich arbeiten, mangeln-
                                                               des oder wenig vorhandenes Umweltengagement
                                                               damit begründen, dass ihnen die Zeit hierfür fehle.

Trockner für Hände und Füße – Cambridge Central Mosque

In etwas kleineren Moscheen hingegen ließen
sich derartige Maßnahmen meistens nicht fin-
den. Zum Teil sind viele englische Moscheen so-
gar unachtsamer als der Durchschnitt der deut-
schen Moscheen. Viel Abfall, eine mangelhafte
Mülltrennung und weitere Missstände sind zu ver-
zeichnen. Die Kluft zwischen den großen etablier-
ten und den kleinen Moscheen in England bezüg-
lich der Nachhaltigkeitssensibilität ist somit groß.

                                                               Dachbegrünung – Al Manaar Mosque

                                                               Ähnliches lässt sich in Deutschland beobachten:
                                                               Unter allen 15 Moscheen, die im Rahmen die-
                                                               ses Projekts besucht und interviewt wurden,
                                                               ist der Vorstand der islamischen Gemeinde
                                                               Penzberg der einzige, der einzelne Mitglieder
                                                               teilweise in Vollzeit und Teilzeit beschäftigt. Mit
                                                               Gönül Yerli verfügt die Islamische Gemeinde
                                                               Penzberg über eine Vizedirektorin, die das
                                                               Referat Dialog und Öffentlichkeit führt. Auch
                                                               Nachhaltigkeitsthemen geht sie dezidiert an,
                                                               was sich in sämtlichen Maßnahmen nieder-
                                                               schlägt. Ihre Moscheegemeinde ist in nahezu
                                                               jeder Hinsicht nachhaltiger als andere deutsche
                                                               Moscheen, wie der weitere Verlauf der Arbeit
                                                               zeigen wird.

Wasserspender für Trinkflaschen – East London Mosque
10                                                                            „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

     Mein Erfahrungsbericht aus England

     Im April 2019 begab ich mich für anderthalb Mo­       nur die unzähligen Sehenswürdigkeiten, sondern
     nate im Rahmen meines AIWG-Praxisfellowships          auch die vielen Orte, an denen ich mein Fasten bre-
     nach England. Noch älter und etablierter als die      chen konnte. Es war schließlich Ramadan. So be-
     muslimische Community in Deutschland ist die          gegnete ich beim abendlichen Fastenbrechen in
     Präsenz der Muslim_innen in England. Dass sie         Moscheen oder Universitäten nahezu täglich neu-
     über etabliertere Strukturen verfügen und ge-         en Persönlichkeiten, die mir bei meinem Vorhaben
     sellschaftlich sowie politisch stärker partizipie-    behilflich waren. Die Freiheitsgrade und Ressourcen
     ren als die muslimischen Organisationen hier-         von muslimischen Hochschulgemeinden in England
     zulande, ist Resultat einer jahrzehntelangen          übersteigen jene in Deutschland um Längen.
     Entwicklung. Hierbei spielen historische Dauer, die   Große Gebetsräume, die dezidiert Muslim_innen
     Migrationsgeschichte und der gesellschaftliche        zur Verfügung stehen und zum Teil sehr aufwän-
     Umgang mit religiöser Vielfalt in Geschichte und      dig ausgestattet sind, gehören standardmäßig zu
     Gegenwart eine wichtige Rolle für Unterschiede        den Universitäten. Manche Hochschulgemeinden
     zu Deutschland. Inwiefern britische Moscheen          organisieren im Ramadan täglich gemeinsame
     allerdings in Bezug auf Nachhaltigkeit einer          Fastenbrechen. In Summe hat dies zur Auswirkung,
     Vorbildfunktion gerecht werden, war Gegenstand        dass konstruktive muslimische Arbeit im universi-
     meiner Untersuchung.                                  tären Rahmen viel präsenter betrieben wird und
                                                           die Identifikation mit der Universität viel höher ist.
     Mit großem Interesse und voller Vorfreude im          Universitäten konkurrieren etwa darin, wer mehr
     Gepäck zog es mich zuerst nach Birmingham. In der     Spenden für wohltätige Zwecke sammelt oder das
     äußerst diversen Großstadt im Zentrum Englands,       nachhaltigste Fastenbrechen organisiert.
     nahe der Heimat Shakespeares, ist etwa ein Viertel
     der Bevölkerung muslimisch. Insbesondere in           Muslimisches Leben in London ist sehr vielseitig
     Small Heath fand ich eine so hohe Konzentration       und auch jenseits von Moscheen sehr präsent. Ich
     an Moscheen wie ich sie in Deutschland in dem         besuchte etwa eine Organisation namens FAITH,
     Ausmaß nie erlebt habe. Die wohl bekannteste          eine Zusammenkunft von Muslim_innen, die sich
     und größte Moschee in Birmingham ist die Green        in Moscheen nicht abgeholt fühlt oder nie den
     Lane Mosque, eine eher konservative Gemeinde.         Anschluss fand. In neutralen Räumlichkeiten dis-
     Mit einem Vorstandsmitglied führte ich das ers-       kutierten sie Themen wie Gender, Umweltschutz,
     te Interview durch, das sehr aufschlussreich war.     Migration. Ein Format, das sehr großen Anklang
     Ich fand einen engagierten Vorstand vor, der          fand und äußerst interessant wirkte.
     auch zum Thema Umweltschutz Impulse in sei-
     ne Gemeinde trug, wobei sich diese meist nur          Ebenso erwähnenswert sind die Begegnungen mit
     auf Empfehlungen und Ansätze beschränkte. Es          dem Team vom Ramadan Tent Project, das es sich
     wurden etwa Aluminiumflaschen zu einem sym-           zum Ziel gemacht hatte, jeden Tag im Ramadan
     bolischen Preis verkauft, um die Plastiknutzung       an verschiedenen Orten multikulturelle und
     einzudämmen, was jedoch von den wenigsten             -religiö­se Begegnungen zu schaffen. Hunderte
     Gemeindemitgliedern wahrgenommen wurde. Im            von Menschen kamen täglich zusammen, um sich
     Großen und Ganzen erschien mir die Sensibilität für   zu begegnen und sich besser kennenzulernen.
     Umweltschutz eher gering zu sein.                     Im Gespräch mit dem Gründer und Projektleiter
                                                           Omar Salha musste ich allerdings feststellen, dass
     In Birmingham hat Fazlun Khalid, ein Pionier          in Bezug auf Nachhaltigkeit viel Nachholbedarf be-
     des „Öko-Islams“, das weltweit bekannte Insti­        steht. Plastikflaschen, -tüten und -geschirr waren
     tut „Islamic Foundation for Ecology and Environ­      der bittere Beigeschmack einer ansonsten beein-
     mental Sciences (IFEES)“ gegründet. Ein Besuch        druckenden Veranstaltung.
     kam leider nicht zustande.
                                                           In der Central London Mosque führte ich das
     Die längste Zeit verbrachte ich in London, dem        erste Interview mit einem Vorstandsmitglied
     Dreh- und Angelpunkt des Islams in England. Dort      einer Londoner Moschee durch. 1944 wid-
     wohnte ich mit drei muslimischen Medizinstudenten     mete König Georg VI. das Grundstück samt
     in einer Wohngemeinschaft. Sie zeigten mir nicht      Moscheegebäude der muslimischen Gemeinschaft
11

Londons als Andenken an das große Leid, wel-          Im Rahmen einer kurzen Bestandsanalyse sind
ches den Muslim_innen in den britischen Kolonien      mir folgende Dinge aufgefallen:
widerfahren ist. Vor diesem Hintergrund hat
die Moscheegemeinde bis heute eine zentra-               › Nachhaltigkeit ist der große überspan-
le Bedeutung in der Repräsentation vieler Mus­               nende Bogen, der sich in nahezu allen
lim_innen. Was den Umweltschutz betraf, mach-                Bereichen der Moschee wiederfindet.
te der Vorstand auf mich den Eindruck, in Bezug          ›   Die Moschee besitzt eine
auf größere Maßnahmen recht bemüht zu sein,                  Regenwasseranlage, die es ermöglicht,
wohingegen kleine, alltägliche Dinge unbeach-                Regenwasser für die Toilettenspülung zu
tet blieben. Das Green Muslim Project etwa ist auf           verwenden.
Initiative der London Central Mosque ins Leben ge-       ›   Die nachhaltige Erhitzung erfolgt
rufen worden. Mitglieder der Moschee haben die               durch Wärmepumpen und eine
Möglichkeit, sich durch einen geringen finanziellen          Solarthermieanlage.
Beitrag an einer großflächigen Baumpflanzaktion          ›   Für die nachhaltige Stromversorgung
zu beteiligen. Die Aktion wird in der Moschee                wurde eine Solaranlage auf dem Dach
sehr offensiv beworben. Gleichzeitig weist die               installiert.
Moschee einen sehr hohen Plastikverbrauch auf.           ›   In der Moschee wird auf Plastik verzichtet.
Insbesondere im Ramadan wird Essen an tau-               ›   Interreligiöse Treffen im Öko-Café der
sende von Menschen ausgegeben, das aller-                    Moschee werden organisiert, um mög-
dings in Plastik verpackt ist. Die Teppiche werden           lichst viele Menschen in Cambridge zu
zur Iftarzeit großflächig mit Plastik überzogen.             erreichen.
Plastikflaschen gehören zum Alltagsgeschäft. Ein         ›   Es gibt nur einen sehr kleinen Parkplatz,
typisches Muster in nahezu allen Moscheen.                   um Gäste zu motivieren, auf andere
                                                             Transportmittel zurückzugreifen.
Nach interessanten Gesprächen mit Vertreter_in-          ›   In den Waschräumen werden ausschließ-
nen der East London Mosque und der Al-Manaar                 lich Armaturen mit Sensoren verwendet.
Mosque, die im Großen und Ganzen ein ähnli-              ›   Elektrische Hände- und Fußtrockner
ches Bild wie die Central London Mosque abga-                ersetzen Papierhandtücher.
ben, reiste ich zu meinem persönlichen Highlight.        ›   Energiesparlampen sind im gesamten
Die Cambridge Central Mosque ist Europas ers-                Gebäude inklusive Bewegungsmelder
te Öko-Moschee und die erste erbaute Moschee                 installiert.
Cambridges. Angetrieben wurde der Bau vom re-
nommierten isla­mischen Religionsgelehrten Dr.        Im Großen und Ganzen war die Reise nach
Timothy Winter (Abdal-Hakim Murad), der an der        England ein eindrucksvoller Einblick in die dor-
University of Cambridge lehrt. Die Öko-Moschee        tigen muslimischen Communities. Was sie mei-
hat durch ihren außergewöhnlichen Baustil, der        nes Erachtens nach ausmacht, ist eine starke
Tradition, Einfachheit und Moderne verbindet, für     Identifikation mit ihrer Heimat. Sie verstehen
welt­weites Aufsehen gesorgt. Die Architektur ist     sich als muslimische Brit_innen und sind da-
sowohl islamisch als auch gotisch-mittelalterlich     her auch in den unterschiedlichsten Bereichen
inspiriert. Dort begegnete ich Dr. Timothy Winter,    des gesellschaftlichen und politischen Lebens
der für die Entwicklung einer britischen und mus-     stark repräsentiert. In Bezug auf Nachhaltigkeit
limischen Identität plädiert, die einen proaktiven    allerdings konnte ich mit Ausnahme einzelner
und nutzvollen Beitrag für die Gesamtgesellschaft     Organisationen keinen großen Vorsprung ge-
leistet. Begeistert haben mich insbesondere           genüber den Muslim_innen in Deutschland
der hohe Anspruch und die Professionalität der        erkennen.
Gemeinde.
12                                                                                „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

     Nachhaltigkeit in                                            › Jede fünfte der befragten Moscheen
     deutschen Moscheen                                                greift das Thema Umweltschutz in ihrem
                                                                       Bildungsangebot regelmäßig auf.

        › In etwa 40 % der befragten deutschen                 Die wenigsten Moscheen hingegen thematisieren
            Moscheen gibt es ein Mitglied, das sich un-        in ihren Unterrichtsangeboten – etwa im Kinder-
            ter anderem auch Nachhaltigkeitsthemen             und Jugendunterricht am Wochenende – regel­
            annimmt.                                           mäßig Nachhaltigkeitsthemen. Dies geschehe ent-
                                                               weder nur gelegentlich oder nur indirekt während
     Immer mehr Moscheegemeinden werden                        der Auslegung von Koranversen, hieß es. 20 % der
     sich der Relevanz des nachhaltigen Han­d elns             befragten Moscheen organisieren regelmäßig
     bewusst. Zwar gibt es selten eine_n Nach­                 Vorträge und Ausflüge, um ihrer Gemeinde den
     haltigkeitsbeauftragte_n, aber zunehmend                  Umweltschutz näherzubringen. Allerdings fehle es
     Aktive, die neben ihrer Hauptaufgabe den                  ihnen hier neben dem geschulten Personal insbe-
     Umweltschutz mitdenken und -gestalten. Unter              sondere an Lehrbüchern und Konzepten, um das
     den 60 % der Moscheen, die kein Mitglied nen-             Themenfeld Islam und Nachhaltigkeit zielgruppen-
     nen konnten, welches sich mit Nach­haltig­                gerecht zu vermitteln.
     keitsthemen befasst, wurde primär der Mangel
     an personellen Ressourcen als Ursache hierfür                › Nachhaltiger Konsum ist bei über
     genannt. Bei diesen Moscheen fiel besonders                       zwei  Dritteln der befragten Moscheen
     auf, dass Nachhaltigkeitsthemen nur sporadisch                    ein Faktor, der mitgedacht wird.
     angegangen werden, obwohl das Interesse und
     der Bedarf nach solchen Personen durchaus                 Konkrete Maßnahmen für einen nachhalti-
     bestehen.                                                 gen Konsum sind in immer mehr Moscheen

     Nachhaltigkeitsbeauftragter im Verein                     Umweltschutz im Bildungsangebot

                                                                                              20 %

                                        40 %

                                                                                                              Regelmäßig
                                                Ja
                                                                                                       13 %   Nein
                                                 Nein
                                                                                                              Selten
                                                               67 %
     60 %

     Nachhaltiger/Umweltbewusster Konsum                       Bedarf & Interesse

                                 20 %                                  14
                                                                                                              13
        27 %                                                                      12
                                                                                              10

                                                Konzept
                                                Wird bedacht
                                                Nein

                                                                      Green     Energie­   Bildungs­      Partner &
                                 53 %                                 Events   verbrauch   angebote       Netzwerk
��������������������������������������������������������������������������������������                                            13

Praxisfellow Baraa Abu El-Khair (l.) im Gespräch mit Şenay Altıntaş – Umweltbeauftragte der Emir-Sultan-Moschee in Darmstadt

zu erkennen. Ob es nun der Wasserspender                                     verfügt, die in Teilen entweder in Vollzeit oder in
ist, der es erlaubt, auf Plastikflaschen zu ver-                             Teilzeit beschäftigt ist. Im Bereich Umweltschutz
zichten oder regelmäßige „Faire Frühstücke“,                                 weist die Gemeinde eine Reihe verschiedener
die Moscheemitglieder für faire und biologi-                                 Aktivitäten und Initiativen auf.
sche Produkte sensibilisieren sollen, kreati-
ve Projekte und Ansätze sind zu erkennen. Viele
dieser Maßnahmen sind oftmals Ergebnis ei-                                   Moscheen interessieren
ner Kooperation oder Beratung durch exter-
                                                                             sich für Nachhaltigkeit und
ne (Umwelt-)Vereine. Dies soll keineswegs die
Leistung der Moscheen schmälern, sondern die                                 Professionalisierung
Relevanz von Netzwerken und Zusammenarbeit
verdeutlichen.                                                               In Bezug auf den Bedarf und das Interesse, nach-
Ein ganzheitliches Konzept zum Thema Nach­                                   haltige Strukturen zu etablieren, ist das Ergebnis
haltigkeit und Umweltschutz ist allerdings bei                               deutlich homogener. Nahezu alle Moscheen in-
den von mir besuchten Gemeinden selten vor-                                  teressieren sich für Green Events und möchten
handen. Ähnlich wie in England ist zu erken-                                 solche umsetzen. Zwei Drittel sind bereit, ihren
nen, dass hauptamtliche Vorstände für den                                    Bildungsansatz zu hinterfragen, sich mit nach-
Nachhaltigkeitsbereich wesentlich mehr machen, da                            haltiger Entwicklung zu beschäftigen und sich
diese bessere zeitliche und finanzielle Ressourcen                           in diesem Bereich fortzubilden. Auch der Bedarf
haben. Die Islamische Gemeinde Penzberg ist un-                              nach einem Netzwerk erweist sich als groß, da
ter den hier befragten und besuchten Moscheen                                es den Ehrenamtler_innen im Moscheealltag
die einzige Gemeinde, welche über eine Leitung                               oft an Kompetenzen und Ressourcen fehlt, um
14                                                                        „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

                                                                   Die Islamische
                                                                   Gemeinde in
                                                                   Penzberg ist im
                                                         Vergleich zu anderen
                                                         Gemeinden beim Um-            Penzberg
                                                         weltschutz gut aufge-
                                                         stellt. Sie achtet darauf, möglichst plastikfrei zu
                                                         bleiben, Mehrwegtücher in den Waschräumen
                                                         bereitzustellen, qualitative Bio- und Fairtra-
                                                         de-Lebensmittel einzukaufen und sie hat eine
                                                         Photovoltaikanlage für die grüne Stromgewin-
                                                         nung auf dem Dach eingerichtet. Sogar auf dem
                                                         Fairtrade Logo der Stadt Penzberg findet sich
                                                         die Moschee wieder. Das Ausmaß ihrer Aktivitä-
     Mehrwegtücher – Islamische Gemeinde Penzberg        ten für Umweltschutz und Nachhaltigkeit stellt
                                                         eine Ausnahme dar. Aber auch andere Gemein-
     neben dem fordernden Moscheebetrieb wei-            den versuchen zumindest in Teilen, nachhaltig
     tere relevante Themen aktiv anzugehen. Sie          zu konsumieren. Unter ihnen sind beispielswei-
     zeigen sich bereit, ihre Räumlichkeiten zur         se Moscheen, die im Besitz von Industriespül-
     Verfügung zu stellen. Hierbei erscheint ihnen der   maschinen sind, um bei größeren Veranstaltun-
     Gemeinschaftsgedanke besonders wichtig, um          gen auf Plastik verzichten zu können.
     sich gegenseitig inspirieren und austauschen zu
     können.

     Solarbetrieb der Islamischen Gemeinde Penzberg
Handlungsempfehlungen für mehr Nachhaltigkeit in Moscheen                                                                        15

Handlungsempfehlungen für
mehr Nachhaltigkeit in Moscheen

                                                                         Demnach soll dieser Maßnahmenkatalog alle
             Aufbau des                                                  Moscheen in Deutschland ansprechen. Wichtig
             Maßnahmen­katalogs                                          ist hierbei der Prozess. Für eine nachhaltige
                                                                         Entwicklung ist es schließlich zielführender, konti-
 Der Maßnahmenkatalog „Nachhaltigkeit in
                                                                         nuierlich kleine Schritte zu gehen, als sich mit grö-
 Moscheegemeinden“ beinhaltet Handlungs-
                                                                         ßeren Maßnahmen einmalig zu befassen, die die
 empfehlungen zu vier wesent­lichen Bereichen:
                                                                         Kapazitäten einer Gemeinde übersteigen.
  (1) 	Sensibilisierung der Moscheegemeinden
        im Bereich Islam und Nachhaltigkeit
  (2) Konsum und Nachhaltigkeit im Alltag                                Sensibilisierung der Gemeinde
  (3) Umgang mit Ressourcen & Mobilität
  (4) Gestaltung von Green Events
                                                                         und die Entwicklung eines Plans
                                                                         Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Im Umwelt­
                                                                         diskurs ist der Begriff nicht wegzudenken. Doch
Ausgehend von der Bedarfs- und Potential­ermitt­                         Nachhaltigkeit ist weitaus mehr als „nur“ reiner
lung wurden die Bereiche (siehe obige Infobox) als                       Umweltschutz. Vielmehr müssen ökonomische,
größter gemeinsamer Nenner bestimmt. Dabei                               ökologische und soziale Aspekte zusammenge-
wird jeweils auf die Herausforderung aufmerk-                            dacht werden, stehen sie doch allesamt in einer
sam gemacht, die sich heute jeder Moschee stellt,                        Wechselwirkung zueinander.
wohlwissend, dass hier Gemeinden unterschied-                            Immer mehr Akteur_innen in den Gemeinden er-
lich sind und in ihren Bemühungen verschiedene                           kennen, welches Mobilisierungspotential in der
Entwicklungsstadien aufweisen.                                           Einbeziehung von Religionen im Nachhaltig­
Die Prämisse ist es, auf Basis dieser Herausfor­                         keitsdiskurs liegt. Weltweit wird daher ver-
derungen niederschwellige Maßnahmen zu ent-                              stärkt mit Hilfe von Akteur_innen verschiede-
wickeln, die die Möglichkeiten und Ressourcen ei-                        ner Religionsgemeinschaften an die jeweiligen
ner „durchschnittlichen Moschee“ berücksichtigen.                        religiös-kulturellen Werte appelliert, um so

Kinderworkshop zum Umweltschutz in der SIG Bürglen Moschee. Durchgeführt von NourEnergy e. V.
16                                                                                 „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

     ein reflektiertes Denken und Handeln zu för-                    indem die Nachhaltigkeitsbeauftragten
     dern. Zweifelsfrei stellt dies eine Chance dar,                 Interviews mit den Besucher_innen des
     doch wie können Moscheen diese Potentiale                       Vortrags durchführen.
     für sich nutzbar machen? Was sind islamisch                7.   Alternative Verfeinerung und Finalisierung des
     begründete Ansätze und Fragestellungen in                        Jahresplans. Folgende Aspekte sollen hierbei
     Bezug auf das Nachhaltigkeitsengagement                          als Inspiration dienen:
     in Moscheegemeinden? Die folgenden Hand­                        ›   Themenrelevante islamische Wissens­
     lungsempfehlungen können hierbei eine Hilfe­                        vermittlung (Bezugnahme auf Primär­
     stellung beziehungsweise Orientierung bieten.                       quellen und historische sowie zeit­
                                                                         genössische Abhandlungen zum Thema)

     Handlungsempfehlungen                                           ›   Dimensionen der Nachhaltigkeit
                                                                         (öko­nomisch, ökologisch, sozial);
     1.    estimmung einer/s leitenden Nachhaltig­
          B                                                              Überschneidungen mit Thematisierung in
          keits­beauftragten, die/der sich für einen                     islamischen Quellen und Tradition
          vor­her festzulegenden Zeitraum um mög-                    ›   Die Dringlichkeit und Priorität von
          liche Sensi­bilisierungsmaßnahmen in der                       Umweltschutz und Nachhaltigkeit/
          Gemeinde kümmert und Ansprechpartner_in                        Klimakrise als Tatsache
          ist.                                                       ›   Praktische Schritte: Etablierung von Nach­
     2.   Teambesprechung im Vorstand oder in                           haltigkeit in der Organisation (Strukturen,
           einer Gruppe von Engagierten (Nach­                           Prozesse, Produkte, Angebote)
           haltig­­keits­beauftragte), die sich mit Nach­            ›   Kommunikation im Bereich Umweltschutz
           haltigkeitsthemen beschäftigen möchten.                       und Nachhaltigkeit – intern und extern
     3.    Fortbildungsworkshop für alle Nachhaltig­                    (Umweltpsychologie und PR)
            keits­beauftragten, der von etablierten                  ›   Potentielle Partner_innen für Aktionen,
            Umweltschutzorganisationen und/oder                          Fortbildungen, Netzwerkaufbau
            Expert_innen durchgeführt wird, um einen
            initialen Wissenstransfer zu gewährleisten.
            Diese sollten vorzugsweise muslimisch sein,         Praktische Maßnahmen
            da sie mit den Herausforderungen und der
                                                                für die Moscheeleitung
            Herangehensweise im muslimischen Kontext
            vertrauter sind. Die spätere Einbindung
            von nichtmuslimischen Organisationen und            Herausforderung
            Expert_innen ist möglich und sinnvoll.
     4.     Erstellung eines Jahresplans mit theoretischen     In einer zunehmend vernetzten Welt beschränken
             und praktischen Formaten, die sich mit             sich die Folgen unserer Konsumentscheidungen
             dem Thema Islam und Nachhaltigkeit be-             nicht mehr länger nur auf unser unmittelbares
             schäftigen (eventuell noch im Rahmen des           Umfeld. Vielmehr hat die Globalisierung die Welt
             Workshops).                                        zu einem Dorf gemacht, in dem Handlungen
     5.      Vorstellung der Nachhaltigkeitsbeauf­trag-        im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen
              ­­ten und initialer Vortrag durch Expert_innen,   Bereich einander mittelbar oder gar unmittelbar
              die grundlegende Informationen und                beeinflussen. Machen wir uns diese Vernetzung
              Gedanken mit der Gemeinde teilen, um              bewusst, können wir durch lokal getroffene
              die Relevanz dieser Thematik religiös zu          Entscheidungen einen globalen Unterschied
              begründen.                                        machen.
     6.       Genügend Zeit für Frage- und Feedbackrunde       Für die Alltagsarbeit innerhalb von Moschee­
               zum Vortrag einräumen, um stärker auf            gemeinden gelten allemal Fragen zum bewussten
               die Bedürfnisse der Gemeinde eingehen zu         Umgang mit globalen Ressourcen, die gemeinsam
               können. Der anschließende gemeinsame             gestellt und diskutiert werden könnten: Welchen
               Austausch ist als Bildungsmaßnahme               Einfluss haben unsere Entscheidungen auf nach-
               ausdrücklich erwünscht. Dabei sollte im          folgende Generationen in der lokalen Umgebung
               Falle von Speise- und Getränkeangeboten          und anderen Regionen dieser Welt? Welche globa-
               auf Einweggeschirr und ein Übermaß des           len Mechanismen löst das Konsumverhalten, der
               Angebots verzichtet werden. Das Feedback         Wasser- und Stromverbrauch in unserer Gemeinde
               kann zum Beispiel qualitativer Natur sein,       aus? Wie konsumiert die Moschee der Zukunft?
Handlungsempfehlungen für mehr Nachhaltigkeit in Moscheen                                                             17

           Abfallpyramide

                                                            Beseitigung
                                                            des Abfalls

                                                Ist der vermeintliche Abfall
                                                   anderweitig nutzbar?

                                                Ist der vermeintliche Abfall
                                                gegebenenfalls recyclebar?

                                                  Können gewisse Produkte
                                                  wiederverwendet werden?

                                                Kann Abfall weitestgehend
                                                   vermieden werden?

Welche Faktoren sind zu bedenken und was sind                  8.    eniger Fleisch bei gemeinsamen Mahlzeiten
                                                                    W
einfache Maßnahmen, die sofort umgesetzt wer-                       in Moscheen konsumieren. Wenn Fleisch in
den können?                                                         Moscheegemeinden angeboten wird, sollte
                                                                    qualitativ hochwertiges Fleisch (regional und
                                                                    in Bio-Qualität) eingekauft werden. Es ist zwar
Handlungsempfehlungen                                               richtig, dass hochwertiges Fleisch teurer ist,
1.   ur drucken, wenn nötig – gegebenenfalls
    N                                                               doch auch hier gilt: Weniger ist mehr.
    Papier beidseitig bedrucken. Erstrebenswert                9. Saisonal und regional einkaufen und den loka-
    ist ein digitaler Betrieb, der nicht nur Geld,                  len Handel unterstützen. In der Saison einzu-
    sondern viel Platz und Abfall erspart.                          kaufen bedeutet oft, günstiger einzukaufen.
2. Nutzung von Recyclingpapier, dessen                        10. Einführung eines plastikfreien Betriebs in der
    Papierfasern aus 100 % Altpapier gewonnen                       Moscheegemeinde. Hierzu kann eine Beratung
    wurden. Ein Garant hierfür ist zum Beispiel                     oder ein Austausch mit Organisationen wie
    das Umweltzeichen „Blauer Engel“.                               NourEnergy e. V. oder Moscheegemeinden,
3. Einkauf von Taschentüchern, Toilettenpapier                     die dies bereits weitestgehend umsetzen (zum
    und Küchenrollen, die ebenfalls aus Recycling­                  Beispiel Islamische Gemeinde Penzberg),
    papier hergestellt wurden.                                      durchgeführt werden.
4. Auf pflanzliche, umweltfreundliche Kosmetik                11. Leitungswasser trinken und für Moschee­
    und Putzmittel umsteigen: Handseife oder                        besucher_innen in Glasflaschen abfüllen und
    Putzmittel aus pflanzlichen und biologisch ab-                  so auf unnötige Plastikflaschen verzichten.
    baubaren Inhaltsstoffen nutzen. Sicherstellen,                  Trinkwasser ist das am strengsten kontrollierte
    dass keine gefährlichen Inhaltsstoffe enthal-                   Lebensmittel in Deutschland.
    ten sind.
5. Umweltbewusstes Abfallmanagement
    entsprechend den Leitfragen aus der                        Schonender Umgang
    Abfallpyramide.
                                                               mit Wasser und Energie
6. M üll trennen – Plastik, Papier, Glas, Restmüll
    und Elektroartikel richtig trennen und
    entsorgen.                                                 Herausforderung
7. Verstärkt in Qualität investieren, weniger in
    Quantität. Bio-Lebensmittel sind oft frei von              In vielen Regionen der Welt ist Wasserknappheit
    künstlichen Düngemitteln und chemischen                    bereits heute Realität. Immer mehr Menschen
    Pflanzenschutzmitteln.                                     verbrauchen immer mehr Wasser. Allein in
18                                                                          „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

     Deutsch­land wird mit 120 Milliarden Kubikmetern     CO2-Abgase gelten als treibender Faktor für die
     Wasser fast das dreifache Volumen des Bodensees      Erderwärmung. Einer ihrer Hauptverursacher sind
     verbraucht.5 In diesem Zusammenhang muss auch        Kraftwerke, die weiterhin mit konventionellen
     über den indirekten (virtuellen) Wasserverbrauch     Energieträgern wie Kohle betrieben werden. Auch
     gesprochen werden, der für die Produktion von        der Straßenverkehr und unser Verständnis von
     Lebensmitteln und Industriegütern anfällt. Die       Mobilität müssen grundlegend hinterfragt wer-
     Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch be-       den, um heutigen brisanten Herausforderungen
     darf im weltweiten Durchschnitt einer Menge von      des Klimawandels standhalten zu können. Auch
     15.415  Litern Wasser.6                              Moscheen können in diesem Zusammenhang ihren
                                                          Beitrag für die Umwelt leisten und auf kontinuier-
                  „Virtuelles Wasser ist die gesamte      lich steigende Energiekosten vorbereitet sein.
                  Wassermenge, die bei der Herstellung
                  eines Produkts in allen Herstellungs-   Handlungsempfehlungen
         schritten benötigt wird. Es wird nur zu einem
         sehr geringen Teil im Produkt selbst gespei-     1.    nschaffung von Steckdosenleisten mit
                                                               A
         chert.“                                               Schalter, um nicht unnötig Strom zu ver-
                                                               schwenden, den die Geräte auch im ausge-
         Quelle: regenwald-schuetzen.org                       schalteten Zustand verbrauchen.
                                                          2.   Ausschalten der Rechner – der Standby-Modus
                                                                verursacht unnötige Stromkosten.

     Mülltrennung im Islamischen Zentrum in Aachen

     5
           Vgl. WWF 2019.
     6
           Vgl. Albert Schweizer Stiftung 2017.
Handlungsempfehlungen für mehr Nachhaltigkeit in Moscheen                                                             19

3.        isplays/Bildschirme im Flur oder außerhalb
         D                                                  Event gezielt kommunizieren und wie lassen sich
         des Gebäudes sollten nach Feierabend ausge-        Gemeindemitglieder für diese Idee gewinnen?
         schaltet werden.
4.       Zu einem Ökostromanbieter wechseln.
          Stromerzeuger sind in Deutschland einer der                  Green Event
          Hauptverursacher für hohe CO2-Emissionen.
     Immer mehr Unternehmen setzen auf er-                   Als Green Events werden Veranstaltungen be-
     neuerbare Energien, sodass die Auswahl für              zeichnet, die auf ökologische, ökonomische und
     Endkunden heute deutlich größer ist.                    soziale Nachhaltigkeit aufbauen. Hierbei zielen
5.   Produktion von grünem Eigenstrom, um so                Planung, Durchführung und Nachbereitung da-
      mittel- bis langfristig CO2-Emissionen sowie           rauf ab, Abfall und Verschwendung zu vermei-
      Kosten zu senken.                                      den. „Green“ ist letztlich, was ökologisch, sozial
6.    Flugreisen sollten weitestgehend vermieden            und ökonomisch verträglich ist und wovon kein
       oder zumindest deutlich reduziert werden.             Schaden für die Umwelt ausgeht.
       Insbesondere Inlandsflüge sollten immer nur           Ein Beispiel für ein Green Event im Moschee-
       die letzte Option sein. Zugfahrten bieten oft         kontext sind die jährlich stattfindenden Green
       eine gute und schnelle Alternative.                   Iftars, in deren Rahmen auf Plastikmüll und
7.     Sofern Autos unabdingbar sind, sollten               anderweitigen überflüssigen Müll verzichtet
        Fahrgemeinschaften gegründet werden, um              wird, nachhaltige Lebensmittel verwendet wer-
        den Energieverbrauch zu verringern und die           den und auf einen schonenden Umgang mit der
        ohnehin oft schwere Parkplatzsituation zu            Ressource Wasser geachtet wird.
        entlasten.
                                                             Vgl. Green Iftar 2021. Abrufbar unter:
8.      Stärkere Nutzung von Fahrrädern –
                                                             https://www.greeniftar.com/green-iftar-goals/
         Gemeindemitglieder dazu animieren, öfter mit
         dem Fahrrad zu kommen und den PKW stehen
         zu lassen. Hierbei hat vor allem der Vorstand
         Vorbildfunktion. Vereinsfahrräder für Einkäufe     Handlungsempfehlungen
         und anderweitige Erledigungen können eine
         schöne und aussagekräftige Option sein.            1.       egionale und saisonale Zutaten verwenden.
                                                                    R
                                                                    Lebensmittel aus der Region legen kürzere
                                                                    Wege zurück, sodass beim Transport CO2
Gestaltung von Green Events                                      eingespart wird – regionaler Konsum ist also
                                                                 klimafreundlicher.
                                                            2.   Bewusster mit Wasser umgehen. Der tägliche
Herausforderung                                                   Wasserverbrauch pro Kopf in Deutschland
Moscheen sind für ihre Besucher_innen weitaus                     beträgt 120 Liter. Leitungswasser anstatt
mehr als nur Gebetsräume; Muslim_innen                            Mineralwasser bei Veranstaltungen anbie-
nutzen die Räumlichkeiten oft für unter­schied­                   ten. Das spart Geld und den Transport von
liche Anlässe und Feierlichkeiten. Bei die-                       Wasserkisten.
sen wird je nach Anzahl der Gäste häufig auf                3.    Fleischarm oder verstärkt vegetarisch kochen.
Einweggeschirr und -besteck aus Styropor oder                      Massentierhaltung bedeutet Abholzung von
Plastik zurückgegriffen. Getränke gibt es meis-                    Regenwäldern, Verlust von Artenvielfalt,
tens aus Aluminiumdosen, PET-Flaschen oder                         Wasserverschwendung und vieles mehr. Es
Einwegbechern. Neben diesem Abfall steigt auch                     lohnt sich, öfter vegetarisch zu kochen. Fleisch
die Wahrscheinlichkeit von Lebensmittelabfällen.                   sollte nur aus artgerechter Haltung bezogen
Für ein Green Event bedarf es einer achtsamen                      werden.
Planung, Durchführung und Nachbereitung. Was                4.     Weniger ist mehr praktizieren. Lebensmittel­
sind gute Plastikalternativen? Wieso ist es wich-                  verschwendung ist eine traurige Realität.
tig, weniger Fleisch zu essen, und wie kann man                    Maßvoll und bewusst einkaufen, kleine Por­
mit wenig oder ohne Fleisch gute und schmack-                      tionen anbieten. Eine gute und rechtzeitige
hafte Mahlzeiten in großer Zahl zubereiten?                        Planung kann hierbei helfen.
Warum sind Regionalität und Saisonalität bei                5.     Immer Stofftragetaschen bei Einkäufen parat
Lebensmitteln so wichtig und wo findet sich ein                     haben, um auf Plastiktüten und -verpackun-
geeigneter Lieferant? Wie lässt sich ein solches                    gen verzichten zu können.
20                                                                                                                 „IMARA – MOSCHEEN UND UMWELTSCHUTZ“

                 6.     uch auf dem Tisch sollte vollständig auf
                       A                                                                   8.     reen Events und Erfolgsgeschichten sollten
                                                                                                 G
                       Plastik verzichtet werden. Gäste können z. B.                             nach außen kommuniziert werden. Es kann
                       darauf hingewiesen werden, ihr eigenes                                    Motivation für weitere Menschen bedeu-
                       Geschirr mitzubringen und wieder mitzuneh-                                ten, sich dieser Idee auch außerhalb der
                       men. Auch der Verleih von Geschirrmobilen                                 Moscheegemeinde anzuschließen. Tue Gutes
                       ist eine praktische Option. Diese enthalten                               und rede darüber!
                       eine mobile Küche mit Geschirr und
                       Industriespülmaschine.                                              Weitere Informationen und Inspiration können
                 7.    Überschüssiges Essen sollte gespendet                              eingeholt werden auf der Webseite zu Green Iftar.
                        oder zur Mitnahme angeboten werden. Dies
                        bedarf allerdings einer Vorausplanung und
                        Kommunikation. Foodsharing wäre hierbei nur
                                                                                                         Green Iftar
                        eine von vielen Anlaufstellen.

                                                                                                Zum Fastenbrechen (Iftar) kommen Muslim_
                                                                                                innen oft in der Familie, im Freundeskreis
                                                                                                oder in der Gemeinde zusammen. Dabei wer-
                                                                                                den, wie in keinem anderen Monat des Jahres,
                                                                                                Lebensmittel verschwendet und Unmengen an
                                                                                                Verpackungsmüll produziert. Dies hat schwer-
                                                                                                wiegende Folgen für Mensch und Umwelt.
                                                                                                Müllberge auf dem Festland, Verschmutzung
                                                                                                der Meere und Waldrodungen, die vielen
                                                                                                Lebewesen den Lebensraum nehmen, sind
                                                                                                nur einige der Folgen.
                                                                                             Mit GreenIftar möchte das Team von Nour­
                                                                                             Energy e. V. auf all diese Umweltschäden auf-
                                                                                             merksam machen, sie abstellen und positive
                                                                                             Impulse setzen. Ziel ist es, nachhaltige und
                                                                                             wirkungsvolle Iftare gemäß einer islamischen
                                                                                             Ethik zu gestalten. Denn achtsame Muslim_innen
                                                                                             streben im gesegneten Monat Ramadan nur
                                                                                             das Beste an, für sich, für die Gesellschaft und
                                                                                             für die Umwelt.
                                                                                             Schlüssel zur Teilnahme an der Kampagne sind
                                                                                             die GreenIftar Goals (siehe Abbildung auf S.  20).
                                                                                             Ein Iftar kann dann Teil der Kampagne sein,
                                                                                             wenn er anhand der neun Goals (Ziele) gestaltet
                                                                                             wird. Wie viele davon umgesetzt werden, ist
                                                                                             vollkommen der teilnehmenden Organisation
                                                                                             bzw. Person überlassen. So wird jeder GreenIf-
                                                                                             tar einzigartig! Die Ziele sind simpel, praktisch
                                                                                             und universell.
                                                                                             Die Kampagne gilt allen Organisationen und
                                                                                             Privatpersonen, die einen GreenIftar veranstal-
     Green Iftar Guide von NourEnergy e.  V.                                                 ten wollen.7

                 7
                      Umfassende Informationen sind der Webseite – http://www.greeniftar.com – zu entnehmen. Der kostenlose GreenIftar Guide beinhaltet wert-
                      volle Tipps und Tricks und lässt sich von der Webseite kostenlos herunterladen.
Sie können auch lesen