Moritz in Belgien - AHA! Ravensburg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Moritz in Belgien Projekt: EFD Alter: 19 Kommt aus: Konstanz Dauer: 12 Monate Kontakt: moritz.leo99@gmail.com Mein Projekt ist ein Bauernhof mit Kinder- und Gruppen- verbleib. Wir bieten über das ganze Jahr verteilt verschie- dene Camps an und haben regelmäßig Schulklassen oder Unternehmen zu Besuch, die hier dann übernachten, mit- helfen und die Farm für bspw. Teambuilding nutzen. Was sind deine Aufgaben? Ich habe einerseits die klassischen Farmarbeiten wie Tiere füttern, Ställe säubern, im Gemüsegarten ar- beiten, Putzen und so weiter. Andererseits begleite ich die Besuchergruppen, gliedere sie in die Bauern- hofaktivitäten ein und gebe Workshops wie bspw. Pizza backen in unserem Steinofen. Des Weiteren Gibt es Seminare und wie findest du sie? erstelle ich Promomaterial in Form von Flyern und Ich war auf dem On-Arrival-Training und dem Mid- kleinen Videos, helfe manchmal bei Reparaturarbei- Term-Training. Die Seminare und Übungen selbst ten, sortiere Lieferungen, helfe bei den Heulieferun- fand ich eher langweilig, und oft waren es mir zu gen und lese die Bewerbungen für das neue EFD- viele Diskussionen über, meiner Meinung nach, of- Projekt. Ich habe sehr viele Freiheiten und es kom- fensichtliche oder unwichtige Dinge. Da man aber men ständig unerwartet neue Möglichkeiten hinzu. währenddessen alle anderen EFDler kennengelernt hat, war das nicht so schlimm und hat irgendwie Was machst du in deiner Freizeit? auch dazu beigetragen, sich besser kennenzulernen. Ich muss jeden Tag insgesamt drei Stunden pen- deln dadurch habe ich nicht so viel Freizeit und bin Wie verlief die Vorbereitung/ brauchst du ein unter der Woche nach der Arbeit vor allem mit Ko- Visum? chen und Sport beschäftigt. Meistens gehe ich dann Ich hatte mit meiner Aufnahmeorganisation meine am Wochenende im Tierheim mit einem Hund spa- Anreise abgesprochen und bin dann an diesem Tag zieren oder andere EFDler besuchen. Wenn ich die mit dem Zug nach Belgien gereist. Ein Visum Zeit finde, spiele ich Computerspiele oder schaue brauchte ich im EU-Ausland nicht. Fußball. Wie viel Geld hast du zur Verfügung und reicht es? Ich kriege jeden Monat 350€ von meiner Organisati- on für Essen und als Taschengeld, plus noch zusätz- lich von Zuhause etwas. Ich kann davon völlig aus- reichend leben, weil ich sehr sparsam bin. Belgien ist zwar relativ teuer, aber wenn man die richtigen Läden kennt, kann man hier schon einigermaßen günstig leben. Wie bist du untergebracht? Ich habe ein kleines Zimmer in einem Studenten- haus im Bahnhofsviertel von Gent. Ich wohne zu- sammen mit den drei Kindern der Vermieterin, die alle schon studieren, einem deutschen Erasmusstu- denten und einem weiteren Mädchen,
2 alle schon studieren, einem deutschen Erasmusstu- denten und einem weiteren Mädchen, die nicht stu- diert. Soweit komme ich mit jedem gut zurecht, aber ich sehe meine Mitbewohner auch nicht so häufig. Meine Vermieterin ist jedoch etwas außerge- wöhnlich und nicht immer ganz einfach. Hast du eine Ansprechperson bei Problemen? Ja, meine Mentorin. Grundsätzlich kann ich jeden fragen, aber vor allem ist meine Mentorin für diese Position vorgesehen. Wir nehmen jeden Tag den gleichen Weg zur Arbeit und reden darum sowieso ständig miteinander. Ich habe aber immer die Mög- lichkeit mit ihr noch auf der Arbeit unter vier Augen sprechen zu können, sollte etwas sein. Hast du guten Kontakt zu Einheimischen und Was glaubst du ist typisch für das Land und hast du Freunde gefunden? die Leute? In meiner Organisation arbeiten ungefähr 100 Frei- Dass es eigentlich nicht so echt etwas wie ein willige die ich regelmäßig durch mein Projekt bei gesamtbelgisches Gefühl gibt. Der altbekannte verschiedensten Aktivitäten sehe. Ich verstehe mich Konflikt zwischen Flamen und Wallonen zeigt sich mit jedem sehr gut, da ich aber nicht so viel Zeit dann echt, wenn man merkt wie wenig Menschen habe, treffe ich eher selten Leute außerhalb von über das eigene politische System und die jeweils Aktivitäten, die etwas mit der Farm zu tun haben. andere Sprachgemeinschaft wissen. Außerdem fin- Weg von dieser „Blase“ habe ich jedoch noch nicht de ich, dass sich auffallend viele Menschen hier so viele Einheimische kennengelernt. Ich treffe mich freiwillig engagieren. So gut wie jedes Kind ist bei vor allem mit anderen EFDlern, weil ich so auch irgendeiner Pfadfindergruppe und viele junge Er- mehr vom Land sehe und diese Leute schon besser wachsene leiten diese dann. Generell gibt es hier kenne. ein sehr stark ausgeprägtes Vereinswesen. Wie ist das Essen? Belgien ist natürlich bekannt für seine Pommes und es gibt nichts besseres als nachts um drei hungrig durch die Stadt zu laufen mit der Gewissheit, dass nicht weit entfernt irgendwo eine Frittenbude sein wird, wo man noch schnell was essen kann. Die Pommes sind den Belgiern heilig und dann auch dementsprechend gut. Ansonsten unterscheiden sich die Essgewohnheiten nicht so sehr zu den deutschen. Es gibt aber bspw. Chocomel/Cécémel was eine ziemlich leckere, sehr dickflüssige Scho- koladenmilch ist. Dann ist hier Vla, eine Art Trink- pudding, auch sehr bekannt, das hat aber, genau so wie Fristi, eine leckere Erdbeermilch, eigentlich seinen Ursprung in den Niederlanden. Erwähnens- Was ist anders in deinem Aufnahmeland? wert sind noch Muscheln und Waterzooi (eine Art Es gibt so gut wie keine Bäume. Die Städte in Belgi- Fisch- und Gemüseeintopf). en sind zwar sehr schön, aber die Natur ist leider wirklich nichts Besonderes. Ansonsten sind die Stra- Hast du die Landessprache gelernt? ßen teilweise echt in einem extrem schlechten Zu- Ich war sehr motiviert, eine neue Sprache lernen stand, was die Menschen trotzdem nicht davon ab- zu können und gerade Niederländisch fand ich hält, viel Auto zu fahren. Was ich auch noch auffal- ziemlich cool, darum hatte ich schon einen Monat lend finde ist, dass viel mehr Menschen als in vor meiner Anreise selbst mit einem Onlinekurs an- Deutschland noch selbst Tiere halten oder ihr eige- gefangen, ein wenig zu lernen. Als ich dann hier nes Gemüse anbauen. Und dann bleibt noch, dass war, war es anfangs noch ein bisschen schwierig, Belgier beinahe krankhaft über alles Mögliche sehr da ich online wirkliches Holländisch, sprich Nieder- höflich diskutieren müssen und ständig ewig lange ländisch wie man es in der Region Holland spricht, Besprechungen über die teilweise sinnlosesten Din- gelernt habe, in Belgien aber Flämisch gesprochen ge einberufen. wird, was doch sehr anders klingt. Nach ungefähr einem Monat habe ich dann von Englisch nach Nie- derländisch gewechselt und spreche inzwischen ausschließlich diese Sprache. Das ist bei der Arbeit mit Kindern natürlich ein gewaltiger Vorteil und gibt mir viel mehr Möglichkeiten.
3 Was war das Schönste, was du bisher erlebt hast? Vermutlich all die kleinen Kindheitsträume, die end- lich erfüllt wurden. Bspw. konnte ich aus zwei Me- tern auf einen riesigen Berg Heu springen, durfte bei einem großen LKW hinten an der Leiter stehen, muss ständig irgendwo hochklettern, um z.B. auf den Heuspeicher zu kommen und noch vieles mehr. Auf einem Bauernhof zu arbeiten, ist wirklich ein ziemliches Erlebnis und wird nicht so schnell lang- weilig. Hast du auch schlechte Erfahrungen ge- macht? Im Zusammenhang mit meiner Organisation gar nicht. Einzig meine Vermieterin ist eine schwierige kann, aber inzwischen finde ich es eher nervig. Das Person, aber das lässt sich mit viel Geduld aushal- ist aber wirklich ein marginaler Punkt und in allen ten. anderen Bereichen bin ich absolut zufrieden hier zu sein und vor allem mit diesen Menschen zusammen- arbeiten zu können. Hat dich dein Auslandsaufenthalt verändert? Auf jeden Fall. Es gibt sicher viele Punkte, die ich erst so richtig merken werde, wenn ich wieder in Deutschland bin, aber nun kann ich schon mal sa- gen, dass ich auf jeden Fall viel mehr auf neue Men- schen zu gehe, als das früher der Fall war. Im Allge- meinen habe ich eine positivere und optimistischere Grundhaltung entwickelt, was sicher viele Men- schen, mit denen ich noch letztes Jahr in der Schule saß, sehr überraschen würde. Was hast du dir für den Rest deines Aufent- haltes noch vorgenommen? Ich plane noch, die Niederlande zu bereisen und Was hast du Neues gesehen oder gelernt? vielleicht über den Eurotunnel von Brüssel aus nach Selbstverständlich habe ich sehr viele neue Städte London zu fahren, um dort einen Freund zu besu- gesehen, vor allem in Belgien, aber z.B. auch Lille in chen. Ohnehin will ich noch einige EFDler, die schon Nordfrankreich und in Deutschland war ich auch in fertig mit ihren Projekten sind, in ihren Heimatstäd- Köln und Frankfurt. Gelernt habe ich vor allem viel ten besuchen kommen. Auf der Farm muss ich noch über das Leben auf einem Bauernhof, aber auch ein Projekt durchführen, da überlege ich eventuell über die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Über eine Wippe auf der Weide zu bauen. Im April bin ich mich selbst weiß ich nun, dass ich auf jeden Fall in eine Woche lang bei einem Seminar zum Animator, der Zukunft einen Beruf haben möchte, bei dem ich was ein anerkannter „Titel“ in der belgischen Ju- auch draußen arbeiten kann. Ich habe auch gelernt, gendarbeit ist, für den man dann auch ein Zertifikat dass meine, oft voreilige, Einschätzung von Men- erhält. Und dann möchte ich noch Camps betreuen, schen mich ziemlich täuschen kann und ich erst das große Farmfest mitorganisieren, das immer im dadurch viele neue Freunde gefunden habe. August stattfindet, Promofilme machen und noch viele Dinge, von denen ich nun vermutlich noch Haben sich deine Erwartungen erfüllt? nichts weiß. Meine Erwartungen an das Projekt und mich selbst waren relativ hoch. Ich hatte mir vorgenommen, Was bringt dir deine Zeit im Ausland für die fließend Niederländisch am Ende des EFDs sprechen Zukunft? zu können, auf dem Bauernhof viel körperlich zu Das klingt nun wie die typische Plattitüde, aber es arbeiten und für das Projekt Flyer und Poster zu er- hat mich als Mensch schon deutlich weitergebracht stellen. Niederländisch lernen hat nun schon ge- darin erwachsener und selbständiger zu werden. Ich klappt, worauf ich auch einigermaßen stolz bin. Hin- spreche mit Niederländisch nun eine weitere Spra- sichtlich der Farm hatte ich unterschätzt, wie viel che fließend, was mir ermöglicht in den Niederlan- Arbeit mit Kindern und Jugendlichen letztendlich den oder Belgien zu arbeiten. Ich weiß nun ein biss- hinzu kommt, was ich aber auch super finde. Was chen besser, was ich gerne studieren will, respekti- mich selbst überraschte, ist wie ungern ich letztend- ve beruflich machen möchte in der Zukunft. Ich lich doch Flyer designe. Eigentlich war es mein eige- habe wahnsinnig viele Menschen kennengelernt aus ner Vorschlag das zu tun und ich mach es auch ganz Europa und enorm viele einzigartige Erfahrun- noch immer, weil es sonst niemand vom Team gen gemacht. Das Beste bleibt für mich das Gefühl kann, aber inzwischen finde ich es eher nervig. Das ist aber wirklich ein marginaler Punkt und in allen
4 von absoluter Freiheit, nicht für irgendeine Klausur Chance geben, komplett neue Dinge auszuprobie- oder Test lernen zu müssen und grundsätzlich frei ren, denen gegenüber man früher vielleicht Vorur- von irgendwelchen nervigen Verpflichtungen zu teile hatte. Was Geld betrifft, sollte man von Anfang sein. Einfach die Zeit und Möglichkeit zu haben, an genau schauen, welche Produkte es wo am komplett neue Dinge auszuprobieren. Dass man günstigsten gibt und nicht erst, wenn man in der das, was man will, dann, wann man will tun kann, Mitte des Monats merkt, dass das Geld fast weg ist. muss man echt genießen und als das wertvolle Grundsätzlich ist es auch noch wichtig bei jeglichen Glück schätzen, das es einfach ist. Fragen, egal wie doof sie sein mögen, Leute zu fra- gen. Jeder hat Verständnis für die Situation, dass Welche Insider Tipps kannst du Jugendlichen man das Land nicht kennt und Menschen sind gerne geben, die das Land bereisen möchten? bereit, zu helfen. Brügge sollte man nicht am Wochenende besuchen, sonst wird man überrannt von Menschenmassen. Die meisten belgischen Städte sind sehr sehens- wert, die Natur ist aber nicht wirklich interessant und die belgischen Küstenstädte auch eher hässlich. Wer die Nordsee sehen will, sollte dann lieber nach Frankreich oder in die Niederlande gehen. Durch Belgien kann man mit dem GoPass relativ günstig und schnell per Zug reisen. Belgische Waffeln sind nichts besonderes und meistens unverhältnismäßig teuer. Meiner Meinung nach kann man auf diese Spezialität ebenso verzichten, wie auf Cuberdons/ Gentse Neuzen. Wer Pommes essen will, sollte am besten Einheimische in der jeweiligen Stadt nach einer guten „Frituur“ (niederländisch für Frittenbu- de) fragen. Brüssel und Brügge sind extrem teure Städte, von daher sollte man nicht unbedingt genau Drei Dinge, die du unbedingt mitnehmen wür- da das Essen probieren. Eher in einer kleinen Stadt dest? wie Mechelen vielleicht, die direkt auf dem Weg zwi- schen Brüssel und Antwerpen liegt und auch sehr Panzertape (die Tragelasche meines Koffers ist schön ist. In manchen Stadtteilen von Brüssel sollte durchgerissen auf dem Weg hierhin und so schnell man nachts extra aufpassen und bestenfalls immer findet man das nicht), Geduld (für all die Busse, Zü- in Gruppen unterwegs sein. Hinsichtlich Sprache ge und Straßenbahnen, die gerne mal 20 Minuten sollte man sich darauf einstellen, dass in Wallonien Verspätung haben) und ausreichend Geld bzw. eine viele Menschen nur Französisch sprechen. Belgien Kreditkarte (das Land ist wie gesagt nicht sehr ist ziemlich gut, um per Anhalter zu fahren, ich tue günstig). das selbst regelmäßig und kann es bedenkenlos weiterempfehlen. Schreibst du einen Blog und möchtest die Ad- resse an interessierte Jugendliche weiterge- Bist du zufrieden mit deinem Projekt/ deiner ben? Organisation und würdest sie weiterempfeh- Ich schreibe auf youthreporter ab und zu Texte len? über meinen EFD: https://www.youthreporter.eu/ Ja, in jeglicher Hinsicht. Das ist ohne zu übertrei- de/profil/nathandernice/ ben, die beste Zeit meines Lebens und ich werde jetzt schon traurig beim Gedanken daran, in einem halben Jahr wieder zurück nach Hause zu gehen. Wen das Projekt anspricht, der kann gerne die Website www.diggie.be besuchen. Es wird für 2020/2021 auch wieder sicher ein EFDler gesucht werden. Welche Tipps kannst du Jugendlichen geben, die auch ein (Aupair/ EFD/weltwärts usw.) machen möchten? Offen zu sein für die neuen Erfahrungen, die auf einen einprasseln und vor allem sich selbst die Chance geben, komplett neue Dinge auszuprobie- ren, denen gegenüber man früher vielleicht Vorur- teile hatte. Was Geld betrifft, sollte man von Anfang an genau schauen, welche Produkte es wo am günstigsten gibt und nicht erst, wenn man in der Mitte des Monats merkt, dass das Geld fast weg ist. Impressum: Text von: M oritz Leo l Februar 2019 l Fragen: Doris Hofer l Februar 2018 l Layout: Agnese M ichelini l Februar 2019 l
Sie können auch lesen