Immobilienmarkt vor veränderten Vorzeichen - Credit Suisse
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Investment Solutions & Sustainability Swiss Economics Immobilienmarkt vor veränderten Vorzeichen Immobilienmonitor Schweiz | Juni 2022 Baumarkt Nebenkosten Immobilienanlagen Massive Energiepreise gehen Zinswende ändert Baupreisteuerung durch die Decke Spielregeln Seite 8 Seite 9 Seite 16
Impressum Herausgeber: Credit Suisse AG, Investment Solutions & Sustainability Nannette Hechler-Fayd’herbe Head of Global Economics & Research +41 44 333 17 06 nannette.hechler-fayd'herbe@credit-suisse.com Fredy Hasenmaile Head Real Estate Economics +41 44 333 89 17 fredy.hasenmaile@credit-suisse.com Redaktionsschluss 25. Mai 2022 Publikationsreihe Swiss Issues Immobilien Besuchen Sie uns auf dem Internet www.credit-suisse.com/immobilien Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2022 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Quellenangaben Sofern nicht anderweitig vermerkt, ist die Quelle der Angaben: Credit Suisse Autoren Dr. Kerstin Hansen, +41 44 334 16 55, kerstin.hansen@credit-suisse.com Fredy Hasenmaile, +41 44 333 89 17, fredy.hasenmaile@credit-suisse.com Thomas Rieder, +41 332 09 72, thomas.rieder@credit-suisse.com Dr. Fabian Waltert, +41 44 333 25 57, fabian.waltert@credit-suisse.com 2 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
Management Summary Immobilienmarkt vor veränderten Vorzeichen Eine scheinbar nie enden wollende Phase tiefer Zinsen hat die Immobilienwerte in luftige Höhen steigen lassen. Die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen haben dieser Tiefzinsära nun aber ein Ende bereitet. Den Umgang mit herausfordernden Situationen müssen viele Immobilienbesitzer und Marktakteure allerdings erst wieder lernen. Das Inflations- Während grosszügige fiskalpolitische Unterstützungsmassnahmen zur Abfederung der Pandemie- gespenst ist zurück folgen die Konsumnachfrage weltweit kräftig ankurbelten, führten pandemiebedingte Lockdowns zu Lieferkettenunterbrüchen, die wiederum Händler und Produzenten zu höheren Vorausbestellun- gen von Vorleistungsgütern veranlassten. Dies geschah nicht nur vereinzelt, sondern weltweit und auf breiter Front, da die Pandemie die konjunkturellen Beschleunigungs- und Bremswirkungen in einem bisher beispiellosen Ausmass synchronisierte. Kein Wunder steigen die Preise, zumal Ver- fügbarkeit gegenwärtig einen höheren Stellenwert hat als Preiskonstanz. In dieser Ausgangslage verschärfen der russische Angriffskrieg in der Ukraine sowie die Null-COVID-Strategie in China die Störungen in den Lieferketten und drohen die hohen Inflationszahlen zu verstetigen. Zinswende läutet Im letzten Jahr schenkten die Märkte den Beteuerungen der Zentralbanken, die Inflation sei ein Zeitenwende bei temporäres Phänomen, bereitwillig Glauben. Als sich gegen Ende des Jahres allerdings keine Immobilien ein rückläufigen Inflationsraten einstellten, revidierten die Märkte ihre Erwartungen, was sich in kräfti- gen Zinsanstiegen bei längeren Laufzeiten niederschlug. Inflationsraten auf 40-Jahre-Hochs zwin- gen die Zentralbanken in den USA und wohl bald auch in der Europäischen Union (EU) zum Han- deln, wollen sie ihre Glaubwürdigkeit nicht vollends verlieren. Steigende Zinsen sind für Immobilien grundsätzlich keine gute Nachricht, da die Bewertungen von Immobilien wegen deren langer Le- bensdauer sehr sensibel auf Veränderungen der Zinsen reagieren. Dennoch ist die Ausgangslage nicht in jedem Fall klar. Werden anziehende Zinsen von einem kräftigen Wirtschaftswachstum be- gleitet, können die Immobilienwerte auch steigen, sofern das Mietpreiswachstum den Effekt höhe- rer Zinsen überkompensiert. Wenn allerdings stagflationäre Entwicklungen Mietpreiserhöhungen verunmöglichen oder – wie in der Schweiz – ein sehr träges Referenzzinssatzsystem bei Mietwoh- nungen zur Anwendung gelangt, können Vermieter ihre steigenden Finanzierungskosten erst mit Verzögerung an die Mieter überwälzen. Referenzzinssatz Wie rasch der Referenzzinssatz zu steigen beginnt, ist in erster Linie abhängig vom unterstellten kennt keine Eile Zinsszenario. Dank eines eigenen Modells für den Referenzzinssatz können wir dessen Verhalten Seite 6 für jedes Zinsszenario relativ gut vorhersagen. Bei einem Extremszenario von 15 Leitzinserhöhun- gen durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) um jeweils 25 Basispunkte, beginnend im September 2022, würde der Referenzzinssatz erst Ende 2023 – zwei Jahre nach der Zinswende – erstmals ansteigen. Bei einem wahrscheinlicheren Szenario von sieben Anhebungen des SNB- Leitzinses bis auf 1% würde die erste Erhöhung des Referenzzinssatzes Mitte 2024 erfolgen. Sollte die SNB im anderen Extremszenario die Leitzinsen nur geringfügig bis auf ein Niveau von 0% anheben und dann konstant belassen, würde ein erster Anstieg wohl erst gegen Ende 2027 in Reichweite rücken. Für die Besitzer von Wohnliegenschaften bedeutet dies, dass sie höhere Zinskosten nur mit einer beträchtlichen Verzögerung an die Mieter überwälzen können. Kaufen wieder teurer Auf veränderte Verhältnisse müssen sich auch die Eigenheimbesitzer einstellen. Käufer einer Ei- als Mieten gentumswohnung müssen erstmals seit 13 Jahren wieder mehr bezahlen als für eine vergleich- Seite 11 bare Mietwohnung. Diese Trendwende ist auf die jüngst starken Zinsanstiege bei Fix-Hypotheken zurückzuführen und dürfte sich fortsetzen. Zwar liegen die Kosten für die Hypothekarzinsen nach wie vor klar tiefer als vergleichbare Wohnungsmieten, aber die hohen Eigentumspreise schlagen sich auch in höheren Unterhaltskosten nieder. In Kombination mit weiteren Kostenfaktoren bezah- len Neueigentümer seit dem 1. Quartal dieses Jahres wieder mehr als Mieter. Dies dürfte eine dämpfende Wirkung auf die Nachfrage nach Wohneigentum ausüben. Im 1. Quartal 2021 ist die Zahl der Transaktionen denn auch schon spürbar zurückgegangen. Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022 3
Massiv gestiegene Spuren hinterlassen die Sondereffekte der Pandemie und des Kriegs in Osteuropa auch in der Baumaterialpreise Bauwirtschaft. Bereits 2021 führte die Verknappung von wichtigen Baustoffen auf Schweizer Seite 8 Baustellen zu kräftig anziehenden Preisen. Im Oktober 2021 belief sich die Baupreisteuerung für Hochbauarbeiten bereits auf 4.6% zum Vorjahr. Dies markierte den stärksten Preisanstieg seit Messbeginn im Jahr 1998. Und das Bauen dürfte sich weiter verteuert haben: In den letzten Wo- chen sind die Preise von Metallprodukten wie Bewehrungsstahl und Aluminium geradezu explo- diert. Alteingesessene Kenner der Bauwirtschaft berichten, sie hätten eine derartige Teuerung im Bau noch nie erlebt. Während Verzögerungen von ganzen Bauprojekten aufgrund fehlender Bau- materialen bisher die Ausnahme geblieben sind, müssen sich die Bauherren auf weiter steigende und stark schwankende Preise und Lieferfristen einstellen. Einerseits erschwert dies die Pla- nungssicherheit, andererseits tragen die höheren Baupreise zur ohnehin schon starken Rendite- kompression bei Immobilieninvestitionen bei. Die massiv höheren Baupreise könnten Immobilienin- vestoren dazu veranlassen, Projekte mit zu knapper Marge zurückzustellen oder nicht dringliche Investitionen im Bestand hinauszuzögern. Hohe Energiepreise Während Immobilieninvestoren immerhin die Wahl haben, auf ein Investment zu verzichten oder lassen Nebenkosten eine Sanierung auf die lange Bank zu schieben, gibt es für die Mieter kein Entkommen vor höhe- explodieren ren Nebenkosten. Wegen des Ausbruchs des Ukraine-Kriegs und der drohenden Knappheit von Seite 9 Energierohstoffen sind die Grosshandelspreise für Heizöl, Erdgas und Strom förmlich explodiert. Je nach Energieträger sind die Mieter dem Kostenanstieg jedoch unterschiedlich stark ausgesetzt: Für Bewohner von Wohnungen mit fossilen Heizenergieträgern, die noch immer rund 60% am To- tal ausmachen, kann der Energiepreisschub im Jahr 2022 einen Anstieg der Heizkosten von rund 38% bedeuten. Die Heizenergiekosten der durchschnittlichen Wohnung mit Wärmepumpe sind dagegen lediglich um 3% gestiegen und liegen damit nun gut 60% unter den Kosten fossiler Energieträger. Es drohen jedoch noch höhere Belastungen, denn aufgrund der Trägheit des Gas- preises für Endkunden und der Regulierung der Preise für Haushaltsstrom sind die Preisanstiege bisher noch nicht vollumfänglich bei den Schweizer Haushalten angekommen. Gesamtheitlich be- trachtet stehen den massiv reduzierten Betriebskosten bei einer Wärmepumpenheizung ver- gleichsweise hohe Investitionskosten gegenüber. Diese lassen sich jedoch vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Preise fossiler Energiequellen immer rascher amortisieren. Basierend auf den jüngsten Energiepreisen zahlt sich die Installation einer Luft-Wasser-Wärmepumpe gegenüber einer Öl- oder Gasheizung heute bereits nach acht bzw. neun Jahren aus. Zinswende ändert Zuletzt beruhten die Renditen von Immobilienobjekten immer stärker auf Wertzuwächsen, die je- Spielregeln auf dem doch in Zukunft fehlen oder zumindest deutlich geringer ausfallen dürften. Denn spiegelbildlich Investitionsmarkt zum Anstieg der Langfristzinsen sind die Renditeprämien von direkten und indirekten Immobilien- Seite 16 anlagen gegenüber sicheren Anlagen gesunken. Mit fortschreitender Zinswende dürften Immobi- lienanlagen weiter an Attraktivität verlieren, da Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen guter Qualität als Alternative wieder vermehrt infrage kommen. Damit fehlt künftig der Motor für weitere Senkungen der Diskontierungssätze und automatische Wertzuwächse. Der Fokus der Anleger wird sich daher voraussichtlich wieder stärker auf das Wachstum und die Sicherheit der Immobilie- nerträge richten. 4 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
Inhalt Management Summary 3 Immobilienmarkt vor veränderten Vorzeichen Eine scheinbar nie enden wollende Phase tiefer Zinsen hat die Immobilienwerte in luftige Höhen steigen lassen. Die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen haben dieser Tiefzinsära nun aber ein Ende bereitet. Den Umgang mit herausfordernden Situationen müssen viele Immobilienbesitzer und Marktakteure aller- dings erst wieder lernen. Wohnungsmarkt 6 Der Referenzzinssatz kennt keine Eile Angesichts der steigenden Hypothekarzinssätze müssen Liegenschaftsbesitzer mit höheren Finanzie- rungskosten rechnen. Der konzeptionsbedingt träge Referenzzinssatz dürfte im wahrscheinlichsten Szenario nicht vor Mitte 2024 steigen, sodass die zusätzliche finanzielle Belastung kurz- bis mittelfris- tig bei den Vermietern verbleibt. Baumarkt 8 Massive Baupreisteuerung Die globalen Lieferengpässe infolge der COVID-19-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine lassen die Preise von Bauprojekten kräftig steigen. Zu Bauverzögerungen in grösserem Stil ist es bisher aber nicht gekommen. Nebenkosten 9 Hohe Energiepreise schicken Nebenkosten durch die Decke Die steigenden Energiepreise treiben die Wohnnebenkosten in die Höhe. Für Bewohner von Woh- nungen, die mit fossilen Energieträgern beheizt werden, kann dies 2022 einen Anstieg der Neben- kosten von rund 38% im Vergleich zum Vorjahr bedeuten. Der Umstieg auf erneuerbare Energiequel- len amortisiert sich damit deutlich schneller. Wohneigentum 11 Kaufen wieder teurer als Mieten Käufer einer Eigentumswohnung müssen erstmals seit Langem wieder mehr bezahlen als für eine vergleichbare Mietwohnung. Diese Trendwende ist auf die jüngst stark gestiegenen Zinsen bei Fix- Hypotheken zurückzuführen und dürfte sich fortsetzen. Wohneigentum 13 Mietwohnungen 14 Kommerzielle Immobilien 15 Immobilienanlagen 16 Zinswende ändert Spielregeln Nach Jahren ultratiefer Zinsen und stark steigender Immobilienwerte hat die Zinswende auch in der Schweiz an Schwung gewonnen. Sie dürfte die Wertzuwächse allmählich zurückbinden und die Er- träge wieder stärker in den Fokus rücken. Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022 5
Wohnungsmarkt Der Referenzzinssatz kennt keine Eile Angesichts der steigenden Hypothekarzinssätze müssen Liegenschaftsbesitzer mit höheren Finanzierungskosten rechnen. Der konzeptionsbedingt träge Referenzzinssatz dürfte im wahrscheinlichsten Szenario nicht vor Mitte 2024 steigen, sodass die zusätzliche finanzielle Belastung kurz- bis mittelfristig bei den Vermietern verbleibt. Vermieter mit Die im Zuge der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine weltweit anziehenden Inflationsraten ha- steigenden Zins- ben den Druck auf die Zentralbanken erhöht, und die Zinskurven sind steiler geworden. Auch in kosten konfrontiert, der Schweiz sind folglich die Zinsen von Fixhypotheken in den vergangenen Monaten stark gestie- … gen (Abb. 2). Obwohl wir von einer Verflachung dieses Trends ausgehen, dürften in den nächsten Jahren wieder höhere Finanzierungskosten auf Schweizer Immobilienbesitzer zukommen. Für diese stellt sich daher die Frage, in welchem Ausmass die steigenden Zinsen die Nettoerträge von Wohnrenditeliegenschaften belasten werden, beziehungsweise wie stark und wie schnell dieser Mehraufwand auf die Mieter überwälzt werden kann. … die nicht direkt Bei Mieterwechseln können höhere Zinskosten grundsätzlich vollständig auf die Mieter überwälzt auf die Mieter über- werden, sofern die Nachfrage gegeben ist. Die Mieten laufender Wohnverhältnisse hingegen sind wälzt werden können in der Schweiz an den hypothekarischen Referenzzinssatz gebunden. Letzterer basiert auf einem durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) ermittelten Durchschnittszinssatz aller ausstehen- den Hypotheken und wird vierteljährlich vom Bundesamt für Wohnungswesen veröffentlicht. Seit seiner Einführung im Jahr 2008 ist der Referenzzinssatz stetig gefallen, von anfänglich 3.5% auf zuletzt noch 1.25% (Abb. 1). Bis Ende 2021 sank dabei der zugrunde liegende Durchschnittszins- satz weiter, sodass ein abermaliger Rückgang des Referenzzinssatzes in Reichweite rückte. Referenzzinssatz Die jüngsten Zinsanstiege dürften nun aber auch beim Referenzzinssatz eine Trendwende einläu- reagiert verzögert ten. Diese wird jedoch mit grosser Verzögerung erfolgen. Der Grund dafür liegt in der Berech- nungsweise des massgeblichen hypothekarischen Durchschnittszinssatzes. Da hierfür sämtliche ausstehenden Hypotheken aller Laufzeiten berücksichtigt werden, verhält sich dieser ausgespro- chen träge und kann folglich stark von den aktuellen Marktsätzen für Neuabschlüsse abweichen. Seine Trägheit lässt sich etwa veranschaulichen, indem den tagesaktuellen Marktzinssätzen pro Laufzeit ihre Mittelwerte gegenübergestellt werden (Abb. 2). Bei Letzteren ist noch gar kein (10-jährige Fix-Hypothek) oder erst ein minimaler (5-jährige Fix-Hypothek) Anstieg zu verzeich- nen, während die tagesaktuellen Sätze seit Jahresbeginn um bis über 100 Basispunkte nach oben geschnellt sind. Abb. 1: Hohe Trägheit des Referenzzinssatzes Abb. 2: Durchschnittszinssätze reagieren im Mittel sehr träge Hypothekarischer Durchschnittszinssatz und Referenzzinssatz Entwicklung Hypothekarzinssätze nach Laufzeit (Monatsmittel und 5- bzw. 10-Jah- res-Mittel) Referenzzinssatz Schwellenwerte seit Dez. 2011 6% SARON-Hypothek 3.625% 3.50% Fix-Hypothek 5 J. Durchschnittssatz am Stichtag 3.375% Fix-Hypothek 5 J., 5-Jahres-Mittel 3.25% 5% Hypothekarischer Referenzzinssatz 3.125% Fix-Hypothek 10 J. 3.00% Fix-Hypothek 10 J., 10-Jahres-Mittel 2.875% 4% 2.75% 2.625% 2.50% 2.375% 3% 2.25% 2.125% 2.00% 1.875% 2% 1.75% 1.625% 1.50% 1% 1.375% 1.25% 1.125% 1.00% 0% 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen (BWO), Credit Suisse Quelle: Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 04/2022 Letzter Datenpunkt: 01.03.2022 6 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
Drei mögliche Ab wann sich die Zinswende auf den Referenzzinssatz niederschlagen wird, hängt massgeblich Szenarien für die vom Ausmass und Tempo der geldpolitischen Straffung in den kommenden Jahren ab. Wir haben Zinsentwicklung daher drei verschiedene Leitzinsszenarien für den Zeitraum bis Ende 2027 konzipiert (Abb. 3), um deren Implikationen für die Entwicklung des Referenzzinssatzes mittels eines ökonometrischen Modells zu schätzen. Im Szenario «tief» gehen wir davon aus, dass es erst Mitte 2023 zu einer ersten Leitzinserhöhung durch die SNB kommt. Bis Mitte 2024 würde der Leitzins schliesslich auf 0% steigen, dort jedoch bis Ende 2027 verharren. Für die Hypothekarzinsen würde dies bedeu- ten, dass Geldmarkthypotheken unverändert günstig bleiben und auch die Preise von Fix-Hypo- theken ausgehend vom heutigen Niveau kaum mehr steigen würden. Im mittleren Szenario hinge- gen würde der SNB-Leitzins bereits Ende 2022 angehoben und in der Folge graduell bis auf 1% steigen und dadurch Hypotheken sämtlicher Laufzeiten nochmals verteuern. Das Szenario «hoch» schliesslich entspricht einem eher extremen Szenario mit 15 Erhöhungen des SNB-Leitzinses in Folge bis auf 3%. Dieses würde implizieren, dass sich sämtliche Hypothekarprodukte bis etwa Ende 2025 stark verteuern und die Zinssätze aller Laufzeiten danach auf einem Niveau von über 4% verharren würden. Anstieg des Referenz- Die Ergebnisse unserer Modellierung (Abb. 4) zeigen, dass ein Anstieg des Referenzzinssatzes vor zinssatzes vor 2024 Mitte 2024 unwahrscheinlich ist. Selbst im Szenario «hoch» würde ein erster Anstieg erst im De- unwahrscheinlich zember 2023 kommuniziert und könnte erst im Folgejahr vom Mieter eingefordert werden, da die Mieterhöhung erst zum nächsten vertraglichen Kündigungstermin erfolgen kann. In der Folge würde der Referenzzinssatz jedoch bis 2027 auf 3% steigen, was theoretisch zur Erhöhung der Nettomieten um bis zu 21% führen würde, wenn in der Vergangenheit sämtliche Senkungsan- sprüche erfüllt wurden. Im Szenario «mittel», dem wir die höchste Wahrscheinlichkeit zuordnen, würde eine Erhöhung des Referenzzinssatzes von 1.25% auf 1.5% hingegen erst im Juni 2024 kommuniziert. Bis 2027 wäre noch mit zwei weiteren Anstiegen zu rechnen. Im Szenario «tief» schliesslich würde der Referenzzinssatz gar im ganzen Prognosezeitraum auf dem heutigen Stand verharren, wobei 2027 der Schwellenwert für einen ersten Anstieg nur sehr knapp verfehlt würde. Dennoch könnte bei einer Finanzierung über Fix-Hypotheken selbst in diesem Szenario eine merkliche Erhöhung der Zinslast auf die Liegenschaftsbesitzer zukommen. Bei Marktmieten Insgesamt halten wir fest, dass die Vermieter auf höhere Zinskosten zusteuern, die erst mit einiger hat die Trendwende Verzögerung auf die Mieter überwälzt werden können. Dies führt zumindest kurzfristig zu zusätzli- bereits eingesetzt chem Druck auf die ohnehin schon rückläufigen Eigenkapitalrenditen von Wohnrenditeliegen- schaften. Gleichzeitig weist dieser Befund darauf hin, dass Anlagen in Wohnimmobilien kurz bis mittelfristig nur einen begrenzten Schutz vor Inflation bieten. Der zusätzlichen Renditekompression entgegenwirken dürfte jedoch die aus Vermietersicht verbesserte Situation auf dem Mietwoh- nungsmarkt. Nach Jahren des Abschwungs hat hier eine Erholung eingesetzt, die sich in sinken- den Vermarktungszeiten und Leerständen äussert und dazu geführt hat, dass auch bei den Markt- mieten allmählich eine Trendwende einsetzt. So verzeichnete der Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik, der den Gesamtmarkt (Neuabschlüsse und laufende Mietverhältnisse) abbildet, im 1. Quartal 2022 mit 1.4% gegenüber dem Vorjahresquartal den höchsten Zuwachs seit acht Jah- ren. Abb. 3: Szenarien für den SNB-Leitzins Abb. 4: Referenzzinssatz dürfte nicht vor Mitte 2024 steigen Drei Szenarien für die Entwicklung des Leitzinssatzes bis Ende 2027 Prognostizierte Verläufe des Referenzzinssatzes für drei Zinsszenarien 3.5% 3.5% Szenario tief Szenario mittel Szenario hoch 3.0% 3.0% 2.5% 2.5% 2.0% 2.0% 1.5% 1.5% 1.0% 0.5% 1.0% Referenzzinssatz Prognose Szenario tief 0.0% 0.5% Prognose Szenario mittel Prognose Szenario hoch -0.5% 0.0% 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026 2028 -1.0% Quelle: Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 01.05.2022 Quelle: Credit Suisse, BWO Letzter Datenpunkt: 01.03.2022 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022 7
Baumarkt Massive Baupreisteuerung Die globalen Lieferengpässe infolge der COVID-19-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine lassen die Preise von Bauprojekten kräftig steigen. Zu Bauverzögerungen in grösserem Stil ist es bisher aber nicht gekommen. Noch keine Ent- Kaum eine Branche bleibt zurzeit verschont: Engpässe in den globalen Lieferketten (Abb. 5) ha- spannung in Sicht ben in den vergangenen zwei Jahren zu Lieferverzögerungen und kräftigen Preisanstiegen ge- führt. Die Situation verschärfte sich letztes Jahr mit der global fast synchron verlaufenden Kon- junkturerholung im Zuge der fortschreitenden Pandemiebewältigung. Vor vielen Frachthäfen ent- standen in der Folge lange Staus, und Container wurden zur Mangelware. Vor allem aufgrund der folgenden zwei Faktoren dürfte die erhoffte Entspannung noch länger auf sich warten lassen: Ers- tens hat die Pandemie in China erst in den letzten Wochen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Chinas Null-COVID-Strategie beeinträchtigt Häfen und Produktionsanlagen schwer; ganze Städte wurden heruntergefahren. Zweitens führte der Krieg in der Ukraine zu weiteren Preisanstiegen bei Basisgütern wie Industriemetallen, fossilen Energieträgern und Agrarprodukten. Massiv höhere Bereits 2021 hatte die Verknappung von wichtigen Baustoffen auf Schweizer Baustellen kräftige Baumaterialpreise Preisanstiege zur Folge. Im Oktober 2021 wies der Baupreisindex des Bundesamts für Statistik für Hochbauarbeiten ein Plus von 4.6% gegenüber dem Vorjahr aus – der stärkste Preisanstieg seit Messbeginn im Jahr 1998. Und das Bauen dürfte sich weiter verteuert haben: In den letzten Wochen sind die Preise von Metallprodukten wie Bewehrungsstahl (+136% im Vergleich zum Ni- veau 2019) und Aluminium (+74%) geradezu explodiert (Abb. 6). Aber auch Treibstoffe und Bitu- men haben sich kräftig verteuert. Bei Metallen wie Stahl und Aluminium ist vorerst mit anhaltend hohen Preisen zu rechnen. Einerseits gehören hier China, Russland und auch die Ukraine (Stahl) zu den grössten Produzenten und Exporteuren weltweit. Andererseits ist die Produktion der Me- talle energieintensiv, und China, das mehr als die Hälfte der weltweiten Stahlproduktion stemmt, hat damit begonnen, seine Produktion zwecks Erreichung von Emissionszielen zu drosseln. Weniger Planungs- Während Verzögerungen von ganzen Bauprojekten bisher die Ausnahme geblieben sind, müssen sicherheit und zusätz- sich Bauherren auf weiter steigende (und stark schwankende) Preise und Lieferfristen einstellen. licher Renditedruck Dies erschwert die Planungssicherheit, und die höheren Baupreise tragen zur ohnehin starken Renditekompression bei Immobilieninvestitionen bei. Zudem könnten die höheren Baupreise Im- mobilienbesitzer dazu bewegen, nicht dringliche Investitionen im Bestand hinauszuzögern. Vorab bei energetischen Sanierungen ist aber fraglich, ob sich diese Strategie auszahlt. Denn Mieter dürften künftig noch stärkere Vorbehalte gegen fossile Energieträger äussern, da diese nicht nur dem Klima schaden, sondern sie via steigende Nebenkosten nun spürbar finanziell belasten (vgl. Seite 9 f.). Abb. 5: Viel Sand im Getriebe der Lieferketten Abb. 6: Stärkste Preiszuwächse bei Metallprodukten Global Supply Chain Pressure Index (Standardabweichungen vom langfristigen Mittel) Baumaterialpreisindizes, Jahresmittel 2019 = 100 5 240 Holzplatten 220 Treibstoff 4 Kunststoffrohre 200 Bewehrungsstahl (Stäbe) 3 Aluminium 180 Baumaterialien Hochbau total 2 160 1 140 120 0 100 -1 80 -2 60 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 04/2022 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 04/2022 8 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
Nebenkosten Hohe Energiepreise schicken Nebenkosten durch die Decke Die steigenden Energiepreise treiben die Wohnnebenkosten in die Höhe. Für Bewohner von Wohnungen, die mit fossilen Energieträgern beheizt werden, kann dies 2022 einen Anstieg der Nebenkosten von rund 38% im Vergleich zum Vorjahr bedeuten. Der Umstieg auf erneuerbare Energiequellen amortisiert sich damit deutlich schneller. Pandemie und Krieg Energie wurde wegen der weltweiten Konjunkturerholung von der Corona-Pandemie bereits per lassen Energiepreise Ende des vergangenen Jahres deutlich teurer. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der dro- durch die Decke henden Knappheit von Energierohstoffen sind die Preise nun regelrecht explodiert. Ende Ap- schiessen ril 2022 lagen die Grosshandelspreise für Heizöl um 76%, für Erdgas um 354% und für Strom um 217% über dem Vorjahrespreis. Während steigende Heizölpreise direkt auf die Verbraucher durchschlagen, führen die Trägheit des Gaspreises und die Regulierung der Preise für Haushalts- strom dazu, dass die Preisanstiege bisher nicht vollumfänglich in den Schweizer Haushalten ange- kommen sind. Da die Netzbetreiber ihre Preise für das Folgejahr bis Ende August der Eidgenössi- schen Elektrizitätskommission ElCom melden müssen, gilt dies insbesondere für Strom, dessen Preis für Verbraucher 2022 im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 2.8% gestiegen ist (Abb. 7). Kostenanstieg vom In welchem Ausmass Wohneigentümer und Mieter von steigenden Rohstoffpreisen betroffen sind, Energieträger hängt – neben dem energetischen Ausbaustand des Gebäudes und der zu beheizenden Wohnflä- abhängig che – insbesondere vom verwendeten Energieträger ab. Für die Analyse der Auswirkungen ge- stiegener Energiepreise auf die Nebenkosten der Schweizer Verbraucher ziehen wir die durch- schnittliche Wohnfläche von 99 m² zur Berechnung der Heizenergie sowie die durchschnittliche Haushaltsgrösse von 2.2 Personen zur Berechnung des Energieverbrauchs für die Warmwasser- bereitstellung heran. Dabei betrachten wir die drei gängigsten Heizsysteme: Ölheizung, Gashei- zung und elektrische Wärmepumpen (Luft-Wasser-Wärmepumpe). Wohnflächen werden Die Flächen, die mit Öl beheizt werden, haben zwischen 2000 und 2020 deutlich abgenommen immer noch zu 60% (–30%). Im Gegenzug haben sich die mit Gas beheizten Flächen fast verdoppelt (+93%), wäh- mit fossilen Energie- rend sich die auf elektrische Wärmepumpen entfallenden Flächen mehr als versiebenfachten trägern beheizt (+646%). Letztere bleiben jedoch mit einem Anteil von 20% am Total der Energiebezugsflächen (EBF) auf niedrigem Niveau, sodass rund 60% der Schweizer Wohnflächen weiterhin mit fossilen Brennstoffen beheizt werden (Abb. 8). Abb. 7: Grosshandelspreise lassen Kostenexplosion erahnen Abb. 8: Fossile Energieträger immer noch in der Mehrheit Grosshandels- und Verbraucherpreise für Strom und Gas in CHF/MWh (linke Skala) Energiebezugsflächen privater Haushalte (inkl. Leerwohnungen, ohne Zweit- und Fe- und für Öl in CHF/100 Liter (rechte Skala) rienwohnungen) nach Anlagensystem (in Mio. m²) 400 Erdgas (Verbraucher) Erdgas (Grosshandel) 160 500 Heizöl Erdgas El. Wärmepumpen Andere Strom (Verbraucher) Strom (Grosshandel) 450 350 Heizöl (3000-6000 l) 140 400 300 120 350 250 100 300 200 80 250 200 150 60 150 100 40 100 50 20 50 0 0 0 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2000 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Bundesamt für Statistik, Refinitiv Datastream, Credit Suisse Quelle: Prognos, Bundesamt für Energie, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 2020 Letzter Datenpunkt: 04/2022 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022 9
Geringere Energie- Der durchschnittliche jährliche Heizwärmebedarf pro m² ist zwischen 2000 und 2020 von rund effizienz der fossilen 110 kWh/m² EBF auf 87 kWh/m² EBF gesunken. Zwischen den verschiedenen Heizungssyste- Energieträger men zeigen sich jedoch Unterschiede. So verzeichnen öl- und gasbasierte Systeme im Vergleich zu elektrischen Wärmepumpen einen deutlich höheren Endenergiebedarf pro m². In den Jahren 2015 bis 20191 lag der durchschnittliche jährliche Endenergieverbrauch für Raumwärme in Ge- bäuden mit Ölheizanlagen bei rund 102 kWh/m², während Gasheizungen 90 kWh/m² benötigten und elektrische Wärmepumpen mit einem Energiebedarf von sogar nur 19 kWh/m² aufwarteten. Neben einem deutlich höheren Anteil von Öl- und Gasheizungen in energetisch ineffizienteren Alt- bauten ist dieser Unterschied insbesondere auf die infolge der Nutzung der Umgebungswärme höhere Energieeffizienz elektrischer Wärmepumpen zurückzuführen. Heizkosten steigen Der höheren Energieeffizienz der elektrischen Wärmepumpe stehen deutlich höhere Preise des mit fossilen Brenn- Energieträgers pro kWh gegenüber. Nichtsdestotrotz beliefen sich die durchschnittlichen Heiz- trägern 2022 um rund energiekosten (Raumwärme und Warmwasser) einer 99 m² grossen Wohnung mit Wärmepumpe 38%, mit Wärme- 2021 auf rund CHF 718 und lagen damit um rund 48% unter den Heizkosten einer gleich gros- pumpen um lediglich sen, mit fossilen Energieträgern beheizten Wohnung (CHF 1'381 für Öl, CHF 1'382 für Gas). In- rund 3% folge der stark gestiegenen Energiepreise hat dieser Unterschied 2022 auf 61% zugenommen. So zahlen Verbraucher in einer mit einer Ölheizung ausgestatteten Wohnung dieses Jahr rund CHF 1'934 an Heizkosten, für Gas CHF 1'889 und damit rund CHF 530 (+38%) mehr als 2021. Die jährlichen Energiekosten der Wärmepumpe sind derweil – auch aufgrund der Regulie- rung der Verbraucherpreise für Strom – um lediglich CHF 20 (+3%) gestiegen (Abb. 9). Hohe Investitions- Den massiv reduzierten Betriebskosten bei einer Wärmepumpenheizung stehen vergleichsweise kosten bei hohe Investitionskosten gegenüber, die als Haupthürde für eine energetische Sanierung des Wärmepumpen Schweizer Gebäudeparks gelten. Angesichts der stark gestiegenen Preise fossiler Energieträger stellt sich die Frage der Amortisationsdauer erneuerbarer Energieträger im Vergleich zu fossilen Energieträgern jedoch neu. Für diese Analyse betrachten wir die Sanierung der Heizungsanlage in der 99 m²-Durchschnittswohnung und damit die Nettoinvestitionskosten der unterschiedlichen Heizungen sowie die Energie- und Betriebskosten über die mittlere Abschreibungsdauer von 20 Jahren. Abzüglich der mittleren Förderung (CHF 4'325) belaufen sich die Investitionskosten einer Luft-Wasser-Wärmepumpe auf rund CHF 30'675 und liegen damit deutlich über den rund CHF 20'000 für eine neue Öl- oder Gasheizung. Amortisationszeit Zu den höheren Energiekosten kommen bei fossilen Heizträgern zudem höhere jährliche War- gegenüber fossilen tungskosten (rund CHF 550 ggü. CHF 150 bei einer Luft-Wasser-Wärmepumpe) hinzu. Mit den Brennträgern verkürzt mittleren Energiepreisen der Jahre 2019 bis 2021 bedeutete dies, dass sich die Installation einer sich deutlich Luft-Wasser-Wärmepumpe im Vergleich zu einer Öl- oder Gasheizung nach 12 bis 14 Jahren fi- nanziell auszahlte. Aufgrund der jüngst gestiegenen Energiepreise hat sich dieser Zeitpunkt indes- sen deutlich nach vorne verschoben. Die Wärmepumpe ist nun bereits nach rund acht bzw. neun Jahren günstiger als eine Öl- oder Gasheizung (Abb. 10), wobei wir die etwaige künftige Preis- volatilität fossiler Brennstoffe oder die Möglichkeit der Eigenstromproduktion mittels Photovoltaik nicht berücksichtigen. Abb. 9: Ölheizungen lassen Nebenkosten am deutlichsten steigen Abb. 10: Wärmepumpen amortisieren sich im Vergleich schneller Heizkosten eines Schweizer Durchschnitthaushaltes (99 m² und 2.2 Personen) Geschätzte Gesamtkosten der Heizungsanlage nach Energieträger in CHF 1'000 zwischen 2019 und 2022 (*2022: Prognose) in Abhängigkeit des Energieträgers über einen Zeitraum von 20 Jahren in Abhängigkeit der Energiepreise 2'000 2019 70 Heizöl (Preise 2022) Heizöl (Preise 2019 – 2021) 1'800 Erdgas (Preise 2022) 2020 60 Erdgas (Preise 2019 – 2021) 1'600 2021 Luft-Wasser-Wärmepumpe (Preise 2022) 1'400 Luft-Wasser-Wärmepumpe (Preise 2019 – 2021) 2022* 50 1'200 1'000 40 800 600 30 400 20 200 0 10 Heizöl Erdgas Luft-Wasser-Wärmepumpe 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Quelle: Bundesamt für Statistik, Prognos, EnergieSchweiz, energie.ch, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Prognos, EnergieSchweiz, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 2022 Letzter Datenpunkt: 2022 1 Aufgrund der Corona-Sondereffekte im Jahr 2020 berücksichtigen wir für unsere Analyse die Durchschnittswerte der Jahre 2015 bis 2019. 10 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
Wohneigentum Kaufen wieder teurer als Mieten Käufer einer Eigentumswohnung müssen erstmals seit Langem wieder mehr bezahlen als für eine vergleichbare Mietwohnung. Diese Trendwende ist auf die jüngst stark gestiegenen Zinsen bei Fix-Hypotheken zurückzuführen und dürfte sich fortsetzen. Eigentümer bezahlen Erstmals seit 13 Jahren übersteigen die Gesamtkosten für Wohneigentum beim Abschluss oder wieder eine Prämie Verlängern einer Hypothek die Mietkosten einer vergleichbaren Wohnung. Im 1. Quartal 2022 mussten Eigentümer eine Prämie von 3.1% für Wohneigentum bezahlen. Noch Anfang 2021 konnten Eigentümer dagegen im Mittel von einem Eigentumsrabatt von 15.5% profitieren. Verant- wortlich für die schnelle Trendwende ist der steile Anstieg der Zinssätze von Fix-Hypotheken. Die 5-jährige Fix-Hypothek ist seit Anfang 2021 von 1.1% auf beinahe 2.0% zum Ende des 1. Quar- tals 2022 geklettert (Abb. 12). In Verbindung mit den starken Preisanstiegen hat dies innert weni- ger Quartale dazu geführt, dass aus dem Eigentumsrabatt eine Eigentumsprämie wurde. Ent- scheidet sich ein Käufer dagegen für eine SARON-Hypothek, bleibt vorerst ein Eigentumsrabatt bestehen. Starke Zinsanstiege Für den Vergleich ziehen wir die inserierten Eigentumspreise bzw. die Mieten für eine 4.5-Zim- als Treiber der mer-Wohnung im Bestand heran. Dabei gehen wir von einer Fremdfinanzierung von 80% und der Eigentumsprämie Wahl einer 5-jährigen Fix-Hypothek aus. Gemäss unserer Schätzung lag der jährliche Aufwand für eine Eigentumswohnung bei einer Vollkostenrechnung bei CHF 23'128. Für eine gleich grosse Mietwohnung musste im selben Zeitraum eine Jahresmiete von CHF 22'440 bezahlt werden. Die Hypothekarzinskosten schlugen als einer der grössten Kostenblöcke im 1. Quartal 2022 mit CHF 10'966 zu Buche. Dies entspricht zwar einem Anstieg um 45% seit Anfang 2021, die rei- nen Zinskosten bleiben aber weiterhin klar tiefer als vergleichbare Wohnungsmieten. Weitere Aufwände Eigentümer müssen jedoch weitere finanzielle Aufwände beachten. 1% des Liegenschaftswerts neben Zinskosten muss als Unterhalt berücksichtigt werden, was den Aufwand für Wohneigentum um CHF 9'078 erhöht. Hinzu kommen steuerliche Aspekte (Eigenmietwert und Schuldzinsabzug), Opportunitäts- kosten in Form von Anlagealternativen des Eigenkapitals sowie Risiken wie das finanzielle Klum- penrisiko oder die kurzfristige Illiquidität des Objekts, aber auch Gewinnchancen infolge einer lang- fristigen Aufwertung des Grundstücks. Werden alle diese Faktoren berücksichtigt, steigen die to- talen Wohneigentumskosten im obigen Rechenbeispiel auf CHF 23'128 (Abb. 11). Abb. 11: Wohneigentum wieder teurer als Mietwohnungen Abb. 12: Fix-Hypotheken verzeichnen starke Zinsanstiege Finanzieller Aufwand: Wohneigentum und Mietwohnung im Vergleich bei Berücksich- Entwicklung Hypothekarzinsen in % tigung aller relevanten Kostenfaktoren 30’000 Hypothekarzinskosten Unterhaltskosten 30% 6.0% Fix-Hypothek 15 Jahre Weitere Kosten Mietkosten Fix-Hypothek 10 Jahre Eigentumskosten Eigentumsprämie (r. Skala) Fix-Hypothek 5 Jahre 25’000 20% 5.0% SARON-Hypothek (1 Monat)* 20’000 10% 4.0% Prämie 3.0% 15’000 0% Rabatt 10’000 -10% 2.0% 5’000 -20% 1.0% 0 -30% 0.0% 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 * Zinssatz SARON-Hypothek ab 21.9.2020. Früher: Flex-Rollover-Hypothek (3-Mo- nats-Libor). Quelle: Credit Suisse, Meta-Sys Letzter Datenpunkt: Q1/2022 Quelle: Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 20.04.2022 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022 11
Vor 2009 mehrheitlich Infolge der tiefen Hypothekarzinsen nach Ausbruch der Finanzkrise Ende 2008 wurde es schon Eigentumsprämie fast zu einer Selbstverständlichkeit, dass der finanzielle Aufwand für Wohneigentum tiefer ist als vorherrschend für eine vergleichbare Mietwohnung. Historisch musste für Wohneigentum jedoch mehrheitlich eine Prämie bezahlt werden. Diese belief sich zwischen 1993 und 2008 im Durchschnitt auf 29%. Frühere Zahlen liegen nicht vor. Die Eigentumsprämie kann mit den grösseren individuellen Gestaltungsmöglichkeiten bei Wohneigentum begründet werden. In der Regel bewirken diese ei- nen etwas höheren Ausbaustandard der Eigentumsobjekte. Die Freiheit, in den eigenen vier Wän- den zu wohnen, ist vielen Eigentümern zudem einen Aufpreis wert. Eigentumsprämie Die Zinssätze von Fix-Hypotheken sind auch im Verlauf des 2. Quartals 2022 weiter gestiegen dürfte weiter steigen (Abb. 12). Nach der jüngst starken Zunahme erwarten wir für die kommenden zwölf Monate in- dessen nur noch einen geringen weiteren Anstieg, wobei der Durchschnittszins des 2. Quartals denjenigen des Vorquartals dennoch übertreffen wird. Eigentumsrabatte werden sich daher nicht so rasch wieder einstellen, auch wenn die Hypothekarzinsen insgesamt noch immer auf einem überschaubaren Niveau liegen. Abb. 13 zeigt, wie sich die Eigentumsprämie in Abhängigkeit der Zinsen verändern könnte. Dabei gehen wir von unveränderten Immobilienpreisen und Wohnungs- mieten aus. Tieferes Interesse, Für Neuerwerber ist der Kauf von Wohneigentum somit wieder teurer als Mieten. In Bezug auf die aber Nachfrageüber- kalkulatorische Tragbarkeit, die zumeist mit 4.5% oder 5.0% berechnet wird, ändert sich dadurch hang hat Bestand für Kaufwillige jedoch nichts. Die Anzahl potenzieller Wohneigentümer wird folglich wegen der Ei- gentumsprämie nicht kleiner. Die tatsächlichen höheren finanziellen Aufwände dürften jedoch den einen oder anderen Interessenten abschrecken. Dies sollte sich dämpfend auf die Nachfrage nach Wohneigentum auswirken. Da gleichzeitig aber die Neubautätigkeit rückläufig ist und nur sehr we- nige Objekte auf dem Markt verfügbar sind, gehen wir unverändert von einem Nachfrageüberhang und fortgesetzt steigenden Immobilienpreisen aus. Bestehende Eigen- Für viele bestehende Wohneigentümer ändert sich kurzfristig nicht viel, denn die Mehrheit von tümer häufig noch ihnen hat Fix-Hypotheken abgeschlossen. Gemäss jüngsten Zahlen von 2020 entfallen 82% des mit Eigentumsrabatt gesamten Hypothekarvolumens in der Schweiz auf Fix-Hypotheken (Abb. 14). Viele Haushalte dürften somit ihre Hypothekarzinsen über mehrere Jahre fixiert haben und werden folglich noch einige Zeit von tiefen finanziellen Aufwänden für ihr Wohneigentum profitieren. Gut gerüstet dank Bestehende Wohneigentümer müssen allerdings damit rechnen, dass sie nach Ablauf ihrer Fix- Tragbarkeitsberech- Hypothek ebenfalls höheren Hypothekarzinskosten ausgesetzt sein werden. Entsprechend sollten nung und schnellerer heute Reserven für die in Zukunft höher ausfallenden Hypothekarzinsen gebildet werden. Grund- Amortisation sätzlich sind bestehende Eigentümer gut gerüstet. Sie können gemäss Tragbarkeitsrechnung der Banken einen Zinssatz von 4.5% oder 5.0% finanziell tragen. Hinzu kommt die seit einigen Jah- ren geltende verschärfte Amortisationsregel, laut der die Belehnung innert 15 Jahren von 80% auf 66.7% zu reduzieren ist. Deshalb sollten die steigenden Hypothekarzinsen für die grosse Mehrheit der Eigentümer im Normalfall nicht zu einem Problem werden. Abb. 13: Hypothekarzinsen als entscheidende Einflussgrösse Abb. 14: Mehr als 80% der Eigentümer haben eine Fix-Hypothek Geschätzte Eigentumskosten nach Zinssatz (Fix-Hypothek 5 Jahre) im Vergleich zu Hypotheken in der Schweiz nach Verzinsungsart, Anteile in % Mieten, Stand Q1/2022 48’000 100% Fest verzinst Variabel verzinst Mietkosten 100% 44’000 90% Eigentumskosten 40’000 80% 90% Eigentumsprämie (rechte Skala) 36’000 70% 80% 32’000 60% 70% 28’000 50% 60% 24’000 40% 20’000 30% 50% 16’000 20% 40% 12’000 10% 30% 8’000 0% 20% 4’000 -10% 10% 0 -20% 1.5% 1% 2% 3% 4% 5% 0% (Q1/2022) 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Zins-Szenarien Quelle: Credit Suisse, Meta-Sys Letzter Datenpunkt: Q1/2022 Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 2020 12 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
Wohneigentum Steigende Zinsen senken das Interesse an Eigentum Abb. 15: Nachfrageindizes Wohneigentum nach Segment Index: Februar 2014 = 100 Die Nachfrageindizes für Wohneigentum sind seit Anfang 180 Einfamilienhäuser Jahr mit –4.1% bei Eigentumswohnungen und –5.2% bei 170 Eigentumswohnungen Einfamilienhäusern spürbar gesunken. Der Grund für den 160 Rückgang liegt im starken Anstieg der Zinssätze von Fix-Hy- 150 potheken. So legte der Zinssatz der 5-jährigen Fix-Hypothek im gleichen Zeitraum um mehr als 80 Basispunkte (0.8%) 140 und derjenige der 10-jährigen Fix-Hypothek um mehr als 130 105 Basispunkte zu. Auch in den kommenden zwölf Mona- 120 ten muss mit einem weiteren leichten Zinsanstieg gerechnet 110 werden. Die Hypothekarzinsen bleiben aber immer noch auf 100 einem überschaubaren Niveau, und die Nachfrageindizes lie- 90 gen trotz ihrer jüngsten Abnahme weiterhin deutlich über 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 den Werten vor der COVID-19-Pandemie. Quelle: Realmatch360 Letzter Datenpunkt: 04/2022 Zu tiefe Neubautätigkeit Abb. 16: Baugesuche und Baubewilligungen Neubau Anzahl Wohneinheiten, Einfamilienhäuser (EFH) und Eigentumswohnungen (EWG) Die Bautätigkeit im Wohneigentumssegment ist weiter rück- Gesuche EWG 25’000 Bewilligungen EWG läufig. In den letzten zwölf Monaten wurden nur noch Bewilli- Gesuche EFH Bewilligungen EFH gungen für 11'005 Eigentumswohnungen gesprochen. Da- 20’000 mit ist die Bewilligungstätigkeit innert Jahresfrist nochmals um 7.7% gesunken. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, sind 15’000 doch die Baugesuche in den letzten zwölf Monaten noch- mals um 2.7% tiefer ausgefallen. Anders präsentiert sich die 10’000 Situation bei Einfamilienhäusern: Mit 6'370 bewilligten Ein- familienhäusern legte die Bewilligungstätigkeit hier um 5.3% 5’000 zu. Die Gesuche stiegen im gleichen Zeitraum sogar um 13.5%. Dieses Plus vermag jedoch den Rückgang bei den 0 Eigentumswohnungen nicht zu kompensieren. 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Quelle: Baublatt, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 02/2022 Wachstum der Wohneigentumspreise beschleunigt sich nochmals Abb. 17: Preiswachstum Wohneigentum mittleres Segment Jahreswachstumsraten; gestrichelte Linien: Durchschnitt 2000 – 2021 Trotz des rückläufigen Interesses nach Wohneigentum bleibt Jahreswachstum Einfamilienhäuser 10% Jahreswachstum Eigentumswohnungen die Nachfrage deutlich über dem verfügbaren Angebot. Da- Mittelwert Einfamilienhäuser 8% ran dürfte sich auch in den kommenden Quartalen nichts Mittelwert Eigentumswohnungen ändern. Der anhaltende Nachfrageüberhang zeigt sich in ei- 6% nem sehr hohen und sich weiter beschleunigenden Preis- 4% wachstum. Innert Jahresfrist stiegen die Preise von Eigen- 2% tumswohnungen um 7.5% und die Preise von Einfamilien- häusern um 8.7%. Die Wohneigentumspreise werden vo- 0% raussichtlich auch in den kommenden Quartalen weiter nach -2% oben klettern. Infolge der höheren Zinssätze bei den Fix-Hy- -4% potheken erwarten wir allerdings eine spürbar geringere -6% Preisdynamik. 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Quelle: Wüest Partner Letzter Datenpunkt: Q1/2022 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022 13
Mietwohnungen Kräftige Zuwanderung stärkt Mietwohnungsnachfrage Abb. 18: Nettozuwanderung der ausländischen Wohnbevölkerung Zuzüge, Wegzüge und Wanderungssaldo, gleitende 12-Monats-Summen 160'000 Dank einer generell höheren Bedeutung des Wohnens im Zuge der Corona-Pandemie und der zuletzt kräftigen wirt- 140'000 schaftlichen Erholung erfreut sich der Mietwohnungsmarkt 120'000 einer robusten Nachfrage. Derweil steigt die Zuwanderung Einwanderung Auswanderung Saldo* unter anderem als Reaktion auf die hohe Zahl offener Stel- 100'000 len. In den vergangenen zwölf Monaten verzeichnete die 80'000 Schweiz einen Wanderungssaldo von 73'500 Personen – 60'000 ein Wert, der zuletzt vor mehr als sechs Jahren erreicht wurde. Die Anzahl der Zuzüge hat stark zugenommen, wäh- 40'000 rend noch immer weniger Personen die Schweiz verlassen 20'000 als in den Jahren vor COVID-19. In dieser Statistik nicht be- 0 rücksichtigt sind die rund 50'000 bisher aufgenommenen 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, welche die Wohnungs- nachfrage ebenfalls verstärken. * Saldo ohne Berücksichtigung von Registerkorrekturen Quelle: Staatssekretariat für Migration, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 03/2022 Projektierung von Mietwohnungen auf 10-Jahres-Tief Abb. 19: Baugesuche und Baubewilligungen Mietwohnungen In Anzahl Wohneinheiten, gleitende 12-Monats-Summen In den vergangenen zwölf Monaten wurden über 2'000 Baugesuche Mietwohnungen Baubewilligungen Mietwohnungen 35'000 Mietwohnungen weniger baubewilligt als im Jahr zuvor. Da- mit setzt sich der seit vier Jahren anhaltende Rückgang des 30'000 Mietwohnungsbaus fort. Mit einer baldigen Wiederbelebung 25'000 ist dabei nicht zu rechnen, ist doch die Zahl der eingereich- ten Baugesuche sogar auf ein 10-Jahres-Tief gefallen. Die 20'000 grössere Zurückhaltung der Bauherren hat mehrere Gründe: 15'000 Erstens sind regional noch immer Überangebote vorhanden. Zweitens wird es für Entwickler immer schwieriger geeigne- 10'000 tes Bauland zu finden. Drittens wurden mit der Verschärfung 5'000 der Selbstregulierung im Jahr 2020 auch finanzierungsseitig 0 die Schrauben stärker angezogen. Angesichts der jüngsten 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Zinsanstiege dürfte dies noch stärker ins Gewicht fallen. Quelle: Baublatt, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 02/2022 Alle Zeichen stehen auf Erholung Abb. 20: Angebotsziffer und Insertionsdauer Mietwohnungen Angebotsziffer in % des Wohnungsbestands, Insertionsdauer in Anzahl Tagen 7% 70 Der Mietwohnungsmarkt ist aktuell durch eine steigende Angebotsziffer Nachfrage bei gleichzeitig rückläufigem Angebot gekenn- 6% Angebotsziffer, 4Q-Mittel* 60 zeichnet. Dieser ausgeprägte Schweinezyklus hat dem jah- Insertionsdauer, 4Q-Mittel* (r. Skala) relangen Abschwung auf dem Nutzermarkt mit zunehmen- 5% 50 den Leerständen und fallenden Angebotsmieten ein Ende 4% 40 bereitet. Sämtliche Zeichen stehen nun auf Erholung: Die Leerwohnungsziffer begann bereits 2021 zu sinken, die An- 3% 30 gebotsquote ist nun ebenfalls rückläufig, und die Insertions- 2% 20 dauer hat sich inzwischen auf den tiefsten Stand seit 2015 verkürzt. Vor allem in ländlichen und touristischen Gemein- 1% 10 den hat der Markt stark an Dynamik gewonnen. Dement- 0% 0 sprechend hat auch bei den Mieten eine Trendwende einge- 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 setzt. Diese Markterholung dürfte sich fortsetzen; höchstens ein konjunktureller Einbruch könnte sie gefährden. * Gleitender Durchschnitt über vier Quartale Quelle: Meta-Sys, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: Q1/2022 14 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
Kommerzielle Immobilien Erstarkende Nachfrage dank positiven Beschäftigungswachstums Abb. 21: Gesamtbeschäftigungswachstum nach Wirtschaftszweigen Jährliche Veränderung der Anzahl Beschäftigten auf Vollzeitbasis, in % Industrie Bau Nach einem vorübergehenden Rückgang der Gesamtbe- Handel Verkehr/Transport Gastgewerbe Information/Kommunikation schäftigung war das jährliche Beschäftigungswachstum im Finanzdienstleistungen Unternehmensdienstleistungen Gesundheit/öffentliche Dienste Rest 4. Quartal 2021 mit 1.65% wieder deutlich positiv. Den Total 3% stärksten Zuwachs verzeichneten die Unternehmensdienst- leistungen sowie der Bereich Gesundheit/öffentliche 2% Dienste. Bei stark auf Bürotätigkeiten ausgerichteten Bran- 1% chen wuchs die Beschäftigung gar um 2.4%. Die Nachfrage nach Büroflächen hat sich daher belebt, zumal gewisse Fir- 0% men, die sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie mit Neu- anmietungen zurückhielten, offenbar nicht mehr länger war- -1% ten konnten. Wie viele Mietverträge dagegen aufgrund von -2% Homeoffice nicht verlängert werden, lässt sich noch nicht 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 genauer beziffern. Solche wird es jedoch geben. Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: Q4/2021 Zurückhaltende Neubautätigkeit bei Büroobjekten Abb. 22: Geplante Ausweitung von Büroflächen Baubewilligungen und -gesuche, gleitende 12-Monats-Summe, in CHF Mio. Die 12-Monats-Summe der Baubewilligungen für Büropro- Neubaubewilligungen Neubaugesuche Umbaubewilligungen Umbaugesuche jekte lag zuletzt mit CHF 1'586 Mio. um rund 18% unter 4'000 Mittel Baubewilligungen Neubau Mittel Baubewilligungen Umbau dem langjährigen Mittel. Die Investoren sind mit Büroinvesti- 3'500 tionen folglich etwas vorsichtiger geworden und halten sich 3'000 mit neuen Projekten zurück, solange die Unsicherheit be- 2'500 züglich des künftigen Flächenbedarfs andauert. Einzig die Umbaugesuche haben im letzten Halbjahr deutlich angezo- 2'000 gen und liegen seit September 2021 über dem langjährigen 1'500 Mittel. Die Zurückhaltung der Inverstoren dürfte dazu beitra- 1'000 gen, dass sich auf dem Schweizer Büromarkt insgesamt 500 kein allzu grosses Ungleichgewicht aufbauen wird. Regional 0 und lokal zeichnen sich allerdings grössere Angebotsüber- 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 hänge bzw. auch Knappheiten ab. Quelle: Baublatt, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 02/2022 Retailimmobilienaktien leiden stark unter Lockdowns Abb. 23: Retailimmobilienaktien und Detailhandelsumsätze Gesamtrendite Retail-REITs und EU-Detailhandelsumsätze (Indizes: 10/2010=100) Nachdem die Performance der Aktien von Immobilienunter- EU-Detailhandelsumsatz EU-Retailimmobilienaktien 250 nehmen, die auf Einkaufszentren und Detailhandelsflächen in der Europäischen Union (EU) ausgerichtet sind, bereits 200 seit 2016 deutlich nach unten zeigte, führte der COVID-19- Lockdown im März 2020 zu einem weiteren Einbruch der 150 Kurse um 57% innerhalb eines Monats. Hiervon haben sich die Aktien nur sehr partiell erholt. Obgleich die EU-Detail- 100 handelsumsätze auch während der Pandemie ein solides Wachstum ausweisen, ist die Situation der stationären De- 50 tailhändler schwierig. Ihre Umsätze und Margen schrumpfen aufgrund der pandemiebedingt noch schneller wachsenden 0 Online-Konkurrenz. Diese Entwicklung wirkt sich in Form ei- 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 ner geringen Flächennachfrage unweigerlich auch auf die Flächenanbieter aus. Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen In- dikatoren für zukünftige Ergebnisse. Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 28.02.2022 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022 15
Immobilienanlagen Zinswende ändert Spielregeln Nach Jahren ultratiefer Zinsen und stark steigender Immobilienwerte hat die Zinswende auch in der Schweiz an Schwung gewonnen. Sie dürfte die Wertzuwächse allmählich zurückbinden und die Erträge wieder stärker in den Fokus rücken. Wertzuwächse hielten Schweizer Immobilienanleger können auf sehr erfolgreiche Jahre zurückblicken und überstanden Immobilienrenditen auch die Corona-Krise generell gut. Einzig bei Hotels sowie Büro- und Verkaufsflächen mussten bisher hoch im ersten Pandemiejahr gewisse Rückschläge hingenommen werden. Die Gesamtrenditen von Mehrfamilienhäusern sind in den letzten zwei Jahren sogar wieder gestiegen und erreichten 2021 im Mittel hohe 7.6% (Abb. 24). Dabei beruhten die Renditen zuletzt immer stärker auf Wertzu- wächsen. Von 2002 bis 2014 – dem Jahr vor Einführung der Negativzinsen durch die Schweizeri- sche Nationalbank – trug die Netto-Cash-Flow-Rendite (NCF-Rendite) im Mittel 78% zur Gesam- trendite von Wohnrenditeliegenschaften bei, seither nur noch 45%. 2021 erreichte die NCF-Ren- dite ein Tief von 3.0%. Inflation: Ein Requiem Die hohen Wertzuwächse der letzten Jahre widerspiegeln die attraktiven Renditeprämien, welche für TINA? die Immobilien generierten. Gegenüber 10-jährigen «Eidgenossen» lagen diese bei Immobilien- fonds über Jahre im Bereich von 250 bis 350 Basispunkten (Abb. 25), bei Direktanlagen sogar nochmals um rund 100 Basispunkte (Bp) höher. TINA (There Is No Alternative) lautete damals das Mantra. In den letzten Monaten hat sich die Zinskurve jedoch aufgrund der Inflationstenden- zen und der sich abzeichnenden geldpolitischen Wende stark versteilt. Lag die Rendite der 10-jäh- rigen CHF-Staatsanleihen noch Ende 2021 im negativen Bereich, stieg sie im Mai 2022 zeitweise auf bis über 1% an. Entsprechend stark sank die Renditeprämie: Sie liegt inzwischen noch im Be- reich von 150 Bp (Immobilienfonds) bzw. 250 Bp (Direktanlagen). Mit fortschreitender Zinswende dürften demnach Objekte mit Spitzenrenditen von netto 2.5% und weniger an Attraktivität verlie- ren, da Staatsanleihen oder IG-Unternehmensanleihen zunehmend wieder eine Alternative zu der- artigen Investments bieten. Ertragszuwächse Während die kräftig anziehenden Langfristzinsen bei den Immobilienfonds unmittelbar zu Korrektu- rücken in den Fokus ren führten (vgl. unten), erwarten wir keinen Einbruch der Renditen direkter Immobilienanlagen. Zwar dürften die für die Bewertung von Renditeliegenschaften massgeblichen Diskontierungssätze ihren Tiefpunkt wegen der steigenden Zinsen spätestens nächstes Jahr überschreiten, sie verhal- ten sich aber äusserst träge (Abb. 26). Ausserdem werden die Immobilienwerte vorab bei Mehrfa- milienhäusern durch die Erholung des Nutzermarktes (vgl. Seite 14) gestützt. Auch in Phasen mo- derat steigender Zinsen erfuhren Immobilienanlagen in der Vergangenheit zeitweise noch Wertzu- wächse (Abb. 24). Gleichwohl dürften in den kommenden Jahren die Gesamtrenditen klar gerin- ger ausfallen und die laufenden Erträge wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Abb. 24: Zuletzt hohe Wertzuwächse bei Mehrfamilienhäusern Abb. 25: Renditeprämie von Immobilienanlagen bricht ein Renditekomponenten von Schweizer Wohnrenditeliegenschaften Ausschüttungsrenditen Immobilienfonds gegenüber 10-j. CHF-Staatsanleihen, in Bp Netto-Cash-Flow-Rendite Wertänderungsrendite Gesamtrendite Schweizer Benchmarkanleihe 10 Jahre (rechte Skala) 9% Renditedifferenz Immobilienfonds 400 4.0% 8% 350 3.5% 7% 300 3.0% 6% 250 2.5% 5% 200 2.0% 4% 150 1.5% 100 1.0% 3% 50 0.5% 2% 0 0.0% 1% -50 -0.5% 0% -100 -1.0% -1% -150 -1.5% 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse. Indikatoren für zukünftige Ergebnisse. Quelle: MSCI, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 2021 Quelle: IAZI, Refinitiv Datastream, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 04/2022 16 Immobilienmonitor | 2. Quartal 2022
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