FMA-LEITFADEN ZUM UMGANG MIT NACHHALTIGKEITS-RISIKEN
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Dokumentennummer: Lfd. Nr / Jahreszahl Veröffentlichungsdatum: XX.XX.2020 FMA-LEITFADEN ZUM UMGANG MIT NACHHALTIGKEITS- RISIKEN
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN INHALTSVERZEICHNIS Zielsetzungen und Hinweise.................................................................................................................... 3 Rahmenbedingungen........................................................................................................................... 3 Entwicklungen im Unionsrecht ............................................................................................................. 6 Zielgruppe ............................................................................................................................................ 8 I. Begrifflichkeiten und Rechtsgrundlagen ............................................................................................... 9 Nachhaltigkeit ...................................................................................................................................... 9 Nachhaltigkeitsfaktoren........................................................................................................................ 9 Nachhaltigkeitsrisiken ........................................................................................................................ 10 Klimarisiken ........................................................................................................................................ 10 Physische Risiken .......................................................................................................................... 11 Transitionsrisiken ........................................................................................................................... 12 Wechselwirkungen zwischen physischen und Transitionsrisiken .................................................. 14 Nachhaltigkeitsbezogene Rechts- und Reputationsrisiken ............................................................... 14 Wesentliche Rechtsgrundlagen im Risikomanagement .................................................................... 15 II. Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement .............................................................. 18 Allgemeine Anforderungen an das Risikomanagement .................................................................... 18 Übertragungswege von Klimarisiken auf bestehende Risikokategorien ........................................... 19 III. Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in Strategie und Governance ................................................... 22 Die Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken in Strategie und Governance ............................................ 22 Schaffung einer ausreichenden Datengrundlage .............................................................................. 23 Implementierung von Strategien durch die Geschäftsleitung ............................................................ 24 Rolle des Aufsichtsrats ...................................................................................................................... 24 Rolle der Risikomanagement-Funktion.............................................................................................. 25 Rolle der Compliance-Funktion ......................................................................................................... 25 Rolle der Internen Revision................................................................................................................ 26 Wissens- und Personalmanagement ................................................................................................. 26 Vergütungspolitik ............................................................................................................................... 26 Business Continuity Management (BCM) .......................................................................................... 27 IV. Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken bei Transparenzpflichten auf Ebene des Unternehmens ........ 27 ANNEX A: Good Practices von Tools und Methoden im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken .............. 30 Identifikation und Messung von Nachhaltigkeitsrisiken ..................................................................... 30 Klimarisiko-Heatmaps .................................................................................................................... 30 Anteil der Unternehmen im Portfolio, die ihre CO2-Emissionen offenlegen ................................... 30 Summe oder Anteil CO2-exponierter Vermögenswerte ................................................................. 31 Carbon Footprint ............................................................................................................................ 31 Szenarioanalysen und Stresstests ................................................................................................. 32 (Climate) Value-at-Risk (CVaR) ..................................................................................................... 33 Risiko-Monitoring & Frühwarnindikatoren ...................................................................................... 33 Steuerung und Begrenzung von Nachhaltigkeitsrisiken .................................................................... 34 Ausschlusskriterien/Limite .............................................................................................................. 34 Divestment ..................................................................................................................................... 34 Best-in-Class Ansatz ...................................................................................................................... 34 Positivlisten .................................................................................................................................... 35 Engagement und Stimmrechtsausübung ....................................................................................... 35 ANNEX B: Informationsquellen ............................................................................................................. 36 Informationsquellen zu Initiativen, Tools und Methoden ................................................................... 36 Informationsquellen zu klimarelevanten Daten und Fakten ............................................................... 43 Österreich ....................................................................................................................................... 43 Europa und International ................................................................................................................ 44 2
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN ZIELSETZUNGEN UND HINWEISE RAHMENBEDINGUNGEN Der zunehmende Klimawandel birgt verstärkt Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft, denen auch Unternehmen ausgesetzt sind, die von der FMA beaufsichtigt werden. Auch können Risiken aus den Bereichen Soziales und Unternehmensführung negative Auswirkungen für Unternehmen implizieren. Nachhaltigkeitsrisiken umfassen somit Risiken im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung („environment, social and governance“, „ESG“) – siehe Pkt I. Begrifflichkeiten und Rechtsgrundlagen. Dabei können Nachhaltigkeitsrisiken (und insb. Klimarisiken) nicht nur die Performance einzelner Vermögenswerte und FinanzmarktteilnehmerInnen, sondern auch potentiell die Finanzstabilität negativ beeinflussen.1 Da diese Risiken auf unterschiedliche Branchen und Sektoren entlang von Wertschöpfungsketten wirken können, besteht zusätzlich die Möglichkeit, das Wirtschaftswachstum negativ zu beeinflussen. In der Global Risks Landscape 2020 des Weltwirtschaftsforums2 ist der Klimawandel bzw. das Versagen im Klimaschutz und in der Klimawandelanpassung als höchstes Risiko eingestuft. Zahlreiche weitere Umweltrisiken befinden sich unter den Top-10-Risiken. Das von der Republik Österreich ratifizierte Übereinkommen von Paris3 sieht – neben der Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2°C bzw. möglichst auf 1,5°C gegenüber vorindustriellen Werten – in Art. 2 Abs. 1 lit. c vor, dass die Finanzmittelflüsse mit einer CO2-armen4 und einer klimawandelresilienten Entwicklung in Einklang gebracht werden. Da es aus wissenschaftlicher Sicht als notwendig erachtet wird, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C-Ziel zu begrenzen5, um schwerwiegende ökonomische, soziale und ökologische Auswirkungen abzuwenden, wurde im Dezember 2019 vom Europäischen Rat die Klimaneutralität 2050 beschlossen.6 Diese erfordert ein CO2-Reduktionsziel von 50-55 % bis 2030. Zur Erreichung dieser Ziele ist laut der Europäischen Kommission (EK) eine Sofern nicht anders angegeben wurden alle Online-Quellen mit 13.01.2020 abgefragt. 1 Vgl. Lamperti et al., The public costs of climate-induced financial instability, nature climate change 09/2019 sowie Pointner/Ritzberger-Grünwald, Climate change risk as a risk to financial stability, Financial Stability Report, 38, 2019. 2 World Economic Forum, The Global Risks Report 2020, https://www.weforum.org/reports/the-global-risks-report-2020/. 3 BGBl. III Nr. 197/2016 igF. 4 Der Begriff CO2 wird in diesem Leitfaden inklusive CO2-Äquivalente verwendet. Es sind damit alle nach dem Kyoto-Protokoll reglementierten Treibhausgase umfasst: Kohlenstoffdioxid (CO2, dient als Referenzwert), Methan (CH4), Distickstoffoxid (Lachgas, N2O) und die Gruppe der Fluorierten Gase. Der Ausstoß der Treibhausgase wird entsprechend ihrem Treibhausgaspotenzial gewichtet und als CO2-Äquivalent ausgedrückt. Für eine vollständige Liste aller Gase, inkl. aller F-Gase, siehe Annex III in United Nations, Framework Convention on Climate Change FCCC/CP/2011/9/Add.2, http://unfccc.int/resource/docs/2011/cop17/eng/09a02.pdf. Weitere Hintergrundinformationen und sektorspezifische Zahlen der Österreichischen Treibhausgas-Inventur finden sich in Umweltbundesamt, Klimaschutzbericht 2019, https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0702.pdf. 5 Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), Special Report - Global Warming of 1.5 ºC (2018), https://www.ipcc.ch/sr15/. 6 Vgl. Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 12.12.2019, EUCO 29/19, https://www.consilium.europa.eu/media/41779/12-euco-final-conclusions-de.pdf. 3
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Investitionslücke zu schließen, die EU-weit auf rund € 260 Mrd. pro Jahr geschätzt wird.7 Die Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Governance-System für die Energieunion und den Klimaschutz soll durch nationale Energie- und Klimapläne8 sicherstellen, dass Klima- und Energieziele bis 2030 erreicht und Langfriststrategien bis 2050 je Mitgliedsland9 erarbeitet werden. Die österreichische Bundesregierung hat zudem in ihrem Regierungsprogramm 2020-2024 beschlossen, die Klimaneutralität bereits 2040 anzustreben.10 Damit sind eine Beschleunigung der Anstrengungen im Klimaschutz und weitere politisch-regulatorische Maßnahmen zu erwarten. Die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits jetzt deutlich spürbar, Österreich ist besonders stark betroffen. Während der mittlere Temperaturanstieg seit 1880 global rund 1°C beträgt, ist dieser in Österreich mit 2°C doppelt so hoch.11 Laut Messungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) waren die 14 wärmsten Jahre der 252-jährigen Messgeschichte in Österreich in der jüngsten Vergangenheit.12 7 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Vereint für Energieunion und Klimaschutz – die Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende schaffen, COM(2019) 285 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2019/DE/COM-2019-285-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF. 8 Nationaler Energie- und Klimaplan Österreichs, https://www.bmnt.gv.at/umwelt/klimaschutz/klimapolitik_national/nationaler- energie-und-klimaplan.html. 9 Langfriststrategie 2050 Österreichs, https://www.bmnt.gv.at/umwelt/klimaschutz/langfriststrategie-2050.html. 10 Abrufbar unter https://www.dieneuevolkspartei.at/Download/Regierungsprogramm_2020.pdf sowie unter https://gruene.at/themen/demokratie-verfassung/regierungsuebereinkommen-tuerkis-gruen. 11 Vgl. Austrian Panel on Climate Change (APCC), Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (AAR14), https://ccca.ac.at/wissenstransfer/apcc/apcc-aar14/austrian-assessment-report-2014-aar14 sowie Umweltbundesamt, Zwölfter Umweltkontrollbericht: Umweltsituation in Österreich (2019), https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0684.pdf. 12 Vgl. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Klima / News / 2019 eines der drei wärmsten Jahre der Messgeschichte, https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/2019-eines-der-drei-waermsten-jahre-der-messgeschichte. 4
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Aus den sich ändernden klimatischen Bedingungen ergeben sich verschiedene Risikoquellen, die sektoral und regional unterschiedlich ausgeprägt sein können. Je nach Klimazone, Topografie und geologischer Zone, können Österreichs Berggebiete, kontinentale Tieflandregionen und Städte von verschiedenen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein. Die Österreichische Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels13 enthält detaillierte Informationen zu sektorspezifischen Auswirkungen. Insbesondere folgende Auswirkungen des Klimawandels sind für zahlreiche österreichische Regionen und Sektoren relevant: Klimawandelfolgen in Österreich Beispiele für betroffene Sektoren Zunahme von Hitzeextremen - Landwirtschaft - Forst- und Holzwirtschaft (höheres Waldbrandrisiko, Ausbreitung von Schädlingen, geringerer Wirtschaftswert von Wäldern) - Bauwirtschaft - Verkehrs- und Leitungs-Infrastrukturen - Gesundheitssektor - Alle Wirtschaftssektoren (höherer Energiebedarf für Kühlzwecke) Geringere Niederschläge im - Landwirtschaft (Ernterückgang) Sommer und häufigere - Nahrungsmittelindustrie Dürreperioden - Forst- und Holzwirtschaft - Wasserwirtschaft - Energiewirtschaft (verringertes Wasserkraftpotenzial) - Schifffahrt (Niederwasser) - Industrie (Mangel an Kühlwasser) Höheres Risiko von (Fluss- - Regional konzentrierte Gefährdung von Vermögenswerten )Hochwässern, Starkregen - Landwirtschaft (Überflutungen), Nassschnee, - Forst- und Holzwirtschaft Gewitterstürmen und Hagel - Verkehrs-, Energie- und betriebliche Infrastrukturen - Siedlungen (öffentliche und Wohngebäude, Gewerbe- Immobilien, Ver- und Entsorgungseinrichtungen) - Katastrophenschutz Reduktion der Ausdehnung und - Wintertourismus Masse von Gletschern14 - Wasserwirtschaft Höheres Risiko von Felsstürzen, - Siedlungen und Infrastrukturen im alpinen Raum und im Steinschlag und Hangrutschungen Alpenvorland - Sommertourismus in alpinen Regionen Anstieg der Schneefallgrenze und - Wintertourismus Rückgang der Dauer einer - Wasserwirtschaft geschlossenen Schneedecke 13 Vgl. Kronberger-Kießwetter/Balas/Prutsch, Die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (2017), https://www.bmnt.gv.at/umwelt/klimaschutz/klimapolitik_national/anpassungsstrategie/strategie-kontext.html. Regionale Auswirkungen finden sich in Austrian Panel on Climate Change (APCC), Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (AAR14), https://ccca.ac.at/wissenstransfer/apcc/apcc-aar14/austrian-assessment-report-2014-aar14, sowie in den regionalen Klimaszenarien der Bundesländer. 14 Die Reduktion der Ausdehnung von Gletschern heizt zudem durch die reduzierte Reflexionsfläche die Erwärmung weiter an. 5
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Klimawandelfolgen in Österreich Beispiele für betroffene Sektoren Höheres Risiko des Artensterbens - Land- und Forstwirtschaft - Biodiversität und Stabilität der Ökosysteme Die Folgen des Klimawandels verursachen bereits erhebliche ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Schäden. Verursacht werden diese Schäden durch häufigere und heftigere Extremereignisse sowie auch durch den Temperaturanstieg, veränderte Niederschlagsmuster und deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Das unregelmäßige Auftreten von Klimaschäden erschwert dabei das Risikomanagement.15 Praxisbeispiel: Nachhaltigkeitsrisiken aus Hochwasserereignissen Hochwasserereignisse verursachen vor allem an Gebäuden und Infrastrukturen beträchtliche Schäden. So schlug das Hochwasser in Österreich im Jahr 2002 mit über € 3 Milliarden zu Buche, jenes im Jahr 2013 mit € 0,9 Milliarden.16 Bis Mitte des Jahrhunderts könnte ein 100- jährliches Hochwasser allein zu Gebäudeschäden in Höhe von bis zu € 4 Milliarden führen.17 Derzeit befinden sich in Österreich etwa 400.000 Gebäude in Hochwassergefahrenzonen, sowie auch zahlreiche Infrastrukturen. Objekte in exponierten Lagen sind jedoch oftmals nicht mehr versicherbar und auch bei versicherten Objekten ist meist nur ein Bruchteil der tatsächlich entstandenen Hochwasserschäden durch die Versicherung gedeckt. Auch bergen Muren, Hangrutschungen, Felsstürze, Lawinen und Waldbrände hohe Schadenspotenziale. Der Leitfaden geht im Folgenden insb. auf Klimarisiken ein, da deren methodische Berücksichtigung im Risikomanagement aktuell auch der Schwerpunkt auf internationaler und europäischer Ebene ist. Dennoch erwartet die FMA, dass alle Risiken im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung angemessen berücksichtigt werden (siehe zu Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsrisiken in Pkt I. Begrifflichkeiten und Rechtsgrundlagen). ENTWICKLUNGEN IM UNIONSRECHT Zur Erreichung der Ziele des Pariser Übereinkommens sowie der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (SDGs) veröffentlichte die Europäische Kommission (EK) im März 2018 den „Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ („EU Aktionsplan Sustainable Finance“).18 Weiters wurde die Mitteilung der EK „Der europäische Grüne Deal“19 im Dezember 2019 veröffentlicht und kündigt eine Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen an. 15 Vgl. die Darstellung unter FMA, Bericht über die Lage der österreichischen Versicherungswirtschaft 2019, 19, https://www.fma.gv.at/versicherungen/offenlegung/lage-der-oesterr-versicherungswirtschaft/; FMA, Fakten, Trends und Strategien 2020, 84, https://www.fma.gv.at/publikationen/fakten-trends-strategien/. 16 Vgl. Kronberger-Kießwetter/Balas/Prutsch, Die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (2017), https://www.bmnt.gv.at/umwelt/klimaschutz/klimapolitik_national/anpassungsstrategie/strategie-kontext.html. 17 Vgl. Steininger/König/Bednar-Friedl/Kranzl/Loibl/Prettenthaler, Economic Evaluation of Climate Change Impacts: Development of a Cross-Sectoral Framework and Results for Austria (2015). 18 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums, COM(2018) 97 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2018/DE/COM-2018-97-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF. 19 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der europäische Grüne Deal, COM(2019) 640 final, https://eur- lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b828d165-1c22-11ea-8c1f-01aa75ed71a1.0021.02/DOC_1&format=PDF 6
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Davon ausgehend wurden hinsichtlich der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement von FinanzmarktteilnehmerInnen auf europäischer Seite bereits regulatorische Schritte eingeleitet. Insbesondere enthält die Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor („Disclosure-Verordnung [VO]“) sektorübergreifend für FinanzmarktteilnehmerInnen und FinanzberaterInnen Transparenzverpflichtungen: Zukünftig sind Informationen über die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken auf Unternehmensebene auf der Webseite zu veröffentlichen sowie eine Beschreibung der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und mögliche Auswirkungen in vorvertragliche Informationen von Finanzprodukten aufzunehmen. Zudem ist die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen („Taxonomie-Verordnung [VO]“) politisch akkordiert, welche im Hinblick auf Offenlegungspflichten die Disclosure VO um spezifische Berichtspflichten erweitert. Dabei sollen Informationen veröffentlicht werden, wie und in welchem Umfang die einem Finanzprodukt zugrundeliegenden Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gem. Taxonomie VO investiert wurden. Weiters sollen Unternehmen, für die die Verpflichtung gilt, eine nichtfinanzielle Information nach Artikel 19a oder Artikel 29a der Richtlinie 2013/34/EU zu veröffentlichen, in deren nichtfinanzielle Erklärung oder konsolidierte nichtfinanzielle Erklärung Informationen darüber aufnehmen, ob/wie und in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten gem. Taxonomie VO verbunden sind.20 Neben der Disclosure VO ist auch die Verordnung (EU) 2019/2089 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1011 hinsichtlich EU- Referenzwerten für den klimabedingten Wandel, hinsichtlich auf das Übereinkommen von Paris abgestimmter EU-Referenzwerte sowie hinsichtlich nachhaltigkeitsbezogener Offenlegungen für Referenzwerte bereits im ABl veröffentlicht. Der vorliegende Leitfaden soll den von der Finanzmarktaufsicht (FMA) beaufsichtigten Unternehmen generell als Hilfestellung bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit dienen und diese insbesondere auf die Anwendung der Disclosure- und Taxonomie-Verordnungen vorbereiten.21 Informationen zu den relevanten nationalen Rechtsgrundlagen finden sich unter Wesentliche Rechtsgrundlagen im Risikomanagement in Pkt I. Begrifflichkeiten und Rechtsgrundlagen. 20 Momentan noch nicht im ABl veröffentlicht, siehe Webseite des Rats: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST- 14970-2019-ADD-1/en/pdf 21 Erwägungsgrund Nr. 12 der Disclosure VO führt aus: „Um ihren Pflichten im Rahmen dieser [Verordnung] nachzukommen, sollten Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater nicht nur alle relevanten finanziellen Risiken, sondern auch einschließlich aller relevanten Nachhaltigkeitsrisiken, die in maßgeblicher Weise erhebliche negative Auswirkungen auf die Rendite einer Investition oder einer Beratung haben könnten, in ihre Verfahren, einschließlich ihrer Sorgfaltsprüfungsverfahren, einbeziehen und fortlaufend bewerten. Daher sollten Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater in ihren Strategien angeben, wie sie diese Risiken einbeziehen, und diese Strategien veröffentlichen.“ 7
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN ZIELGRUPPE Die FMA ist sich der zunehmenden Nachhaltigkeitsrisiken sowie insb. Klimarisiken bewusst und aufgrund der gestiegenen Risikolage der Ansicht, dass entsprechend robuste Vorkehrungen im Risikomanagement erforderlich sind und angemessen in die regulären Risikomanagementprozesse von beaufsichtigten Unternehmen einbezogen sein sollten. Die FMA wurde von unterschiedlichsten FinanzmarktteilnehmerInnen, insb. beaufsichtigten Unternehmen, vielfach nach einer Orientierungshilfe betreffend den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken gefragt. Der vorliegende Leitfaden der FMA will daher einen Überblick über Definitionen, Anforderungen und Vorkehrungen betreffend den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zur Verfügung stellen. Dieser Leitfaden richtet sich sektorübergreifend an alle von der FMA beaufsichtigten Unternehmen22, insbesondere Kreditinstitute23, Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften, Alternative Investmentfonds Manager, Wertpapierfirmen sowie Pensionskassen und betriebliche Vorsorgekassen. Auf die bestehenden faktischen und rechtlichen sektoralen Besonderheiten wird dabei in Folge exemplarisch eingegangen. Der Leitfaden stellt keine Verordnung dar. Er soll für die beaufsichtigten Unternehmen Know- how aufbereiten und die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses fördern. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten können aus diesem Leitfaden nicht abgeleitet werden. Aufgrund der Bedeutung und aktuellen Dynamik des Themas, insbesondere auf europäischer Ebene, könnte es nötig sein, den Leitfaden zu aktualisieren, sobald neue wichtige Entwicklungen dies erforderlich machen. Beaufsichtigten Unternehmen wird empfohlen jedoch auch eigenständig relevante Entwicklungen zu beobachten und darauf angemessen zu reagieren. Die Ausführungen in diesem Leitfaden sind unter dem Grundsatz der Proportionalität zu sehen, sodass die Größe, interne Organisation und die Art, der Umfang und die Komplexität der Tätigkeit bzw. Geschäfte, sowie die Risikostruktur des jeweiligen beaufsichtigten Unternehmens, bei der Bestimmung angemessener Methoden, Systeme und Prozesse in Bezug auf den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt werden können. Wobei bspw. ein beaufsichtigtes Unternehmen, dessen Bilanzsumme zwar klein ist, dennoch stark Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt sein könnte und folglich erhöhte Anforderungen im Risikomanagement hätte. 22 Vgl. § 2 FMABG, welcher die der FMA zum Vollzug zugewiesenen Materiengesetze normiert. 23 Auf Basis der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 (SSM VO) übernahm die Europäische Zentralbank (EZB) mit 4. November 2014 die Aufsicht über alle Banken des Euroraumes. Bedeutende Kreditinstitute im Sinne des Art. 6 Abs. 4 SSM VO unterliegen dabei im Hinblick auf die in Art. 4 Abs. 1 SSM VO genannten Zuständigkeitsbereiche der EZB direkt deren Aufsicht im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM). In der genannten Bestimmung werden insbesondere die Gewährleistung der Einhaltung der Anforderungen an Kreditinstitute hinsichtlich solider Regelungen für die Unternehmensführung, einschließlich Eignungsanforderungen an die für die Geschäftsführung der Kreditinstitute verantwortlichen Personen, Risikomanagementverfahren, interner Kontrollmechanismen, Vergütungspolitiken und -praktiken sowie wirksamer Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals genannt. Zusammengefasst richtet sich der vorliegende Leitfaden daher insoweit an beaufsichtigte Kreditinstitute, als diese der direkten Aufsicht der FMA unterstehen. 8
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Dieser Leitfaden hindert die angesprochenen beaufsichtigten Unternehmen nicht, höhere Standards und bessere Methoden im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken festzulegen! I. BEGRIFFLICHKEITEN UND RECHTSGRUNDLAGEN NACHHALTIGKEIT Die Vereinten Nationen haben 17 nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) im Rahmen ihrer „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ beschlossen.24 Die Republik Österreich als Mitgliedstaat der Vereinten Nationen hat sich verpflichtet, diese nachhaltigen Entwicklungsziele zu implementieren.25 Nachhaltigkeit wird folglich völkerrechtlich als Erfüllung der 17 SDGs aufgefasst. NACHHALTIGKEITSFAKTOREN Nachhaltigkeitsfaktoren sind laut Art 2 Z 24 Disclosure VO Umwelt-, Sozial- und ArbeitnehmerInnenbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Folgende Tabelle zeigt zur besseren Verständlichkeit eine (lediglich demonstrative) Darstellung von Nachhaltigkeitsfaktoren.26 Umwelt/Environment Soziales/Social und Gute ArbeitnehmerInnenbelange Unternehmensführung/ Governance - Klimaschutz - Einhaltung anerkannter - Steuerehrlichkeit - Anpassung an den arbeitsrechtlicher Standards - Maßnahmen zur Klimawandel (z.B. keine Kinder- und Verhinderung von Korruption - Schutz der Biodiversität Zwangsarbeit, keine - Nachhaltigkeitsmanagement - Nachhaltige Nutzung und Diskriminierung)27 durch den Vorstand Schutz von Wasser- und - Einhaltung der - Vorstandsvergütung in Meeresressourcen Arbeitssicherheit und des Abhängigkeit von Gesundheitsschutzes 24 Vgl. United Nations, Sustainable Development Goals, https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development- goals/ 25 Vgl. Bundeskanzleramt, Nachhaltige Entwicklung – Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/nachhaltige-entwicklung-agenda-2030.html. 26 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, 13, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_Nachhaltigkeitsrisiken.html. Die im Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken der BaFin angeführten Faktoren im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) wurden für diese Tabelle angepasst und ergänzt. 27 Vgl. bspw. International Labour Organization (ILO), ILO Kernarbeitsnormen, https://www.ilo.org/berlin/arbeits-und- standards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.htm. 9
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN - Übergang zu einer - Angemessene Entlohnung, nachhaltiger Kreislaufwirtschaft, faire Bedingungen am Geschäftstätigkeit Abfallvermeidung und Arbeitsplatz, Diversität sowie - Ermöglichung von Whistle Recycling Aus- und Blowing - Vermeidung von Weiterbildungschancen - Gewährleistung von gefährlichen (inkl. - Gewerkschafts- und ArbeitnehmerInnenrechten radioaktiven) Abfällen Versammlungsfreiheit - Gewährleistung des - Vermeidung und (Koalitionsfreiheit) Datenschutzes Verminderung der - Gewährleistung einer - Offenlegung von Umweltverschmutzung (inkl. ausreichenden Informationen Luftverschmutzung) Produktsicherheit, - Schutz gesunder einschließlich Ökosysteme Gesundheitsschutz - Nachhaltige Landnutzung - Projekte zur Bekämpfung von Ungleichheit oder für den sozialen Zusammenhalt / die soziale Integration bzw. zugunsten wirtschaftlich oder sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen NACHHALTIGKEITSRISIKEN Nachhaltigkeitsrisiken bezeichnen Ereignisse oder Bedingungen in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren, deren Eintreten tatsächlich oder potentiell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert von Vermögenswerten bzw. auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Reputation eines Unternehmens haben könnten.28 KLIMARISIKEN Mit Klimarisiken sind all jene Risiken umfasst, die durch den Klimawandel entstehen oder die infolge des Klimawandels verstärkt werden. Unternehmen können direkt oder indirekt betroffen sein, sei es durch sich ändernde klimatische Rahmenbedingungen und Naturgefahrenpotenziale, regulatorische Vorgaben im Klimaschutz oder durch technologische Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen. Klimarisiken lassen sich grob in zwei Risikokategorien einteilen29, die jedoch Wechselwirkungen aufweisen können: Physische Risiken als Folge veränderter klimatischer Bedingungen Transitionsrisiken als Folge der Entwicklung hin zu einer CO2-armen Wirtschaft und Gesellschaft 28 Vgl. hierbei auch Art. 2 Z 22 Disclosure VO. 29 Vgl. Task Force on climate-related Fincncial Disclosures (TCFD), Recommendations of the Task Force on Climate-related Financial Disclosures – Final Report (2017), https://www.fsb-tcfd.org/wp-content/uploads/2017/06/FINAL-TCFD-Report- 062817.pdf. 10
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Siehe dazu auch die von MitarbeiterInnen des Internationalen Währungsfonds veröffentlichte Überblicksgrafik:30 PHYSISCHE RISIKEN Physische Risiken des Klimawandels ergeben sich direkt aus den Folgen von Klimaveränderungen, z.B. Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur, häufiger eintretende Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Hitze- /Dürreperioden, Sturm und Hagel. Primär betroffene Sektoren sind insbesondere die Land- und Forstwirtschaft, der Immobiliensektor, der Gesundheitssektor, der Tourismus, der Energiesektor, der Wassersektor sowie die Infrastruktur. Jedoch können auch FinanzmarktteilnehmerInnen direkt betroffen sein, z.B. mit ihren Bürogebäuden, Serverstandorten oder durch abzuschreibende Beteiligungen an betroffenen Unternehmen der Realwirtschaft. Das Risikopotential aus physischen Risiken für FinanzmarktteilnehmerInnen ist dabei abhängig vom Exposure zu jeweils von physischen Risiken betroffenen Vermögenswerten und Wertschöpfungsketten. Physische Risiken werden kurz- bis mittelfristig als geringeres Risiko für den Finanzmarkt angesehen, können jedoch für einzelne beaufsichtigte Unternehmen bereits jetzt erhebliche Risiken bergen. Zudem ist mittel- bis langfristig eine Zunahme physischer Risiken zu erwarten, sofern nicht zeitnah wirkungsvolle Maßnahmen zum Klimaschutz gesetzt werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, Maßnahmen zur Anpassung an die sich rasch ändernden klimatischen Bedingungen zu setzen. Denn selbst wenn eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2°C gelingt, können gewisse 30 Grippa/Schmittmann/Suntheim, Climate Change and Financial Risk, IMF Finance & Developoment (2019), 27, https://www.imf.org/external/pubs/ft/fandd/2019/12/pdf/climate-change-central-banks-and-financial-risk-grippa.pdf. 11
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Klimawandelfolgen nicht mehr verhindert werden.31 Je früher geeignete Klimaschutz- Maßnahmen von Wirtschaftstreibenden, von der öffentlichen Hand und von Privathaushalten gesetzt werden, umso geringer sind Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß physischer Risiken, desto geringer die Schadenskosten und desto geringer die Kosten für Anpassungsmaßnahmen. Praxisbeispiel: Nachhaltigkeitsrisiken in der Forstwirtschaft In der Forstwirtschaft stieg die Schadholzmenge im Jahr 2018 um 75 % an: Mit 9,9 Millionen Festmetern war mehr als die Hälfte des Holzeinschlags Schadholz, 2019 wurde dies mit 10 Millionen Festmetern Schadholz nochmals übertroffen. 32 Stürme, Nassschnee, extreme Trockenheit und die rasante Ausbreitung des Borkenkäfers sind dafür verantwortlich. Diese Entwicklung bedeutet für zahlreiche WaldbesitzerInnen eine existenzielle Bedrohung, aber auch ein hohes Risiko für die nachgelagerten Industrien, die in ihrer Wertschöpfungskette auf die ausreichende Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem Holz angewiesen sind. Der Umgang mit physischen Risiken zählt seit jeher zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von (Rück-)Versicherungsunternehmen. Aufgrund des Klimawandels steigen allerdings die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen dieser Ereignisse, daher sind allein vergangene Häufigkeiten und Schadenshöhen keine ausreichenden Anhaltspunkte über die künftige Gefährdung von bestimmten Regionen oder Industrien. Je mehr diese Risiken korrekt gemessen und bewertet werden, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwa die Risikoprämien für bestimmte Anlageformen anpassen. Da physische Risiken oft räumlich korreliert auftreten, kann sich aus einer physischen Risikoquelle für regional konzentriert tätige, beaufsichtigte Unternehmen auch ein Klumpenrisiko ergeben, das berücksichtigt werden muss. TRANSITIONSRISIKEN Als Transitionsrisiken werden Risiken bezeichnet, die durch den Übergang zu einer klimaneutralen und resilienten Wirtschaft und Gesellschaft entstehen und so zu einer Abwertung von Vermögenswerten führen können, wie z.B. die Änderung von politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in der Realwirtschaft (Einführung einer CO2-Steuer, Änderungen der Bauordnungen, Flächenwidmungen, geänderte aufsichtsrechtliche Behandlung von Exposures mit höheren Nachhaltigkeitsrisiken etc.), technologische Entwicklungen (bspw. erneuerbare Energien, Speicher) sowie Änderungen im Konsumverhalten. Als primär betroffene Sektoren können insbesondere die Energieerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe sowie emissionsintensive Sektoren angesehen werden, deren Geschäftsmodell auf der kostengünstigen Verfügbarkeit fossiler Energien beruht oder welche hohe Prozessemissionen aufweisen (Zementindustrie, Eisen- und Stahlindustrie). Aber auch Industrien, deren Produkte hohe Emissionen verursachen, sind 31 Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), Special Report - Global Warming of 1.5 ºC (2018), https://www.ipcc.ch/sr15/. 32 Vgl. Auswertung von Daten der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) vom 6. Dezember 2019, zitiert in Forstzeitung, Schadholz 2019 auf 10 Mio. fm geschätzt, https://www.forstzeitung.at/aktuelles/2019/12/oesterreich--schadholz-auf-10-mio--fm- geschaetzt.html. 12
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN gefährdet (Herstellung von Autos mit Verbrennungsmotoren). In diesem Zusammenhang ist auch das Risiko von „Stranded Assets“ hervorzuheben.33 Darüber hinaus können beaufsichtige Unternehmen auch direkt betroffen sein, z.B. durch geänderte Vorgaben zur Energieeffizienz für Bürogebäude. Das Risikopotential aus Transitionsrisiken für FinanzmarktteilnehmerInnen ist somit abhängig vom Exposure zu jeweils emissions- und energieintensiven Industrien sowie Industrien mit hohen Emissionen in der Wertschöpfungskette. Die Wertschöpfung im Finanzsektor selbst ist üblicherweise nicht sehr CO2-intensiv, aber bspw. die Gewährung von Krediten an, der Erwerb von Wertpapieren von oder die Übernahme von Versicherungen für Unternehmen mit klimaschädlichen Geschäftsmodellen können erhebliche Transitionsrisiken für beaufsichtigte Unternehmen verursachen. Damit diese Risiken korrekt abgebildet werden können, ist es erforderlich, dass die Realwirtschaft ihre CO2-Emissionen korrekt ausweist und geeignete Kennzahlen offenlegt. Dabei sind sowohl die Gesamtsumme der jährlichen CO2-Emissionen wie auch die CO2-Intensität wichtige Kennzahlen, um eine angemessene Risikoeinschätzung vornehmen zu können.34 Praxisbeispiel: Kategorien (Scopes) von Treibhausgas (THG)-Emission nach dem Greenhouse Gas Protocol35 Scope 1 umfasst alle direkten THG-Emissionen, die durch ein Unternehmen selbst verursacht werden. Zu den Hauptverursachern gehört der Einsatz fossiler Brennstoffe für die Primärproduktion von Energie (Strom, Wärme und Kälte). Neben den direkten Emissionen aus Verbrennungsprozessen stationärer (z.B. Heizkessel) und mobiler Anlagen (z.B. eigener Fuhrpark), umfasst Scope 1 auch direkte Emissionen flüchtiger Gase (z.B. Kältemittel aus Klima- und Kühlanlagen) sowie direkte Emissionen aus (Industrie-)Prozessen. Scope 2 umfasst jene THG-Emissionen, die von den Energielieferanten eines Unternehmens direkt verursacht werden, z.B. durch die Verbrennungsprozesse zur Erzeugung des von der Firma gekauften Stroms, von Fernwärme, Fernkälte und Dampf. Die Emissionen aus der Bereitstellung der zu verbrennenden Energieträger gehören zu Scope 3. Scope 3 umfasst alle THG-Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette des betrachteten Unternehmens, sofern diese nicht bereits in Scope 1 und Scope 2 berücksichtigt sind. Sie beinhalten somit alle indirekten THG-Emissionen, die aufgrund der Tätigkeiten eines Unternehmens durch Dritte verursacht werden. Beispiele sind jene Emissionen, die in der Lieferkette entstehen (z.B. eingekaufte Betriebsmittel, Rohstoffe, Halbfertigprodukte), sowie auch jene Emissionen, die in der Nutzungsphase von Produkten oder durch Dienstleistungen verursacht werden (z.B. Leasing, Finanzdienstleistungen, Autos mit Verbrennungsmotoren). 33 Hierbei handelt es sich um Vermögenswerte, deren Ertragskraft oder Marktwert unerwartet drastisch, im Extremfall bis zur Wertlosigkeit, sinkt. Bspw. ein Kraftwerk, das aufgrund veränderter regulatorischer Rahmenbedingungen wie Energieeffizienzkriterien nicht mehr betrieben werden kann oder ein Öl- oder Gasfeld, dessen Erschließung bzw. Nutzung sich nicht mehr rentiert oder nicht mehr zulässig ist. 34 Wesentlich ist, dass Unternehmen sowohl die direkten, im eigenen Betrieb verursachten Emissionen (Scope 1), als auch die indirekten Emissionen durch Zukauf von Strom, Wärme und Kälte (Scope 2) sowie die Emissionen in der Wertschöpfungskette (Scope 3) ausweisen. 35 Für weiterführende Informationen zum Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) siehe: https://ghgprotocol.org/ https://ghgprotocol.org/. Siehe weiters FN 4 zu hinsichtlich der in diesem Dokument verwendeten Terminologie („Treibhausgase“, „CO2“ etc.). 13
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Während physische Risiken bezogen auf den gesamten Finanzmarkt kurz- bis mittelfristig als geringeres Risiko angesehen werden, könnten sich Transitionsrisiken bereits früher auswirken. In dem Fall wäre ein geordneter Übergang (Transition) zu klimafreundlichen Investitionen im Gegensatz zu einem abrupten Ausstieg aus emissions- und energieintensiven Vermögenswerten als Mitigation von Transitionsrisiken anzustreben und mit geringeren volkswirtschaftlichen Kosten im Vergleich zu einem abruptem Ausstieg verbunden.36 Ein geordneter Übergang setzt dabei voraus, dass die klimafreundliche Ausrichtung des Geschäftsmodells strategisch geplant, rasch in die Wege geleitet und zielstrebig umgesetzt wird. WECHSELWIRKUNGEN ZWISCHEN PHYSISCHEN UND TRANSITIONSRISIKEN Physische Risiken und Transitionsrisiken stehen unter starken Wechselwirkungen. So ist eine Zunahme physischer Risiken zu erwarten, sofern kein Übergang zu einer klimaneutralen und resilienten Wirtschaft eingeleitet wird. Andererseits könnten physische Risiken reduziert werden, wenn zeitgerecht wirkungsvolle Maßnahmen zum Klimaschutz gesetzt werden, die jedoch Transitionsrisiken implizieren. Eine unerwartet rasche Zunahme von physischen Risiken – insb. bei nicht zeitgerecht erfolgten Maßnahmen zum Klimaschutz – könnte eine rasche Umstellung zu einer klimaneutralen und resilienten Wirtschaft erfordern, was wiederum zu hohen Transitionsrisiken führt. NACHHALTIGKEITSBEZOGENE RECHTS- UND REPUTATIONSRISIKEN Durch zunehmende Nachhaltigkeitsrisiken steigen auch Rechts- und Reputationsrisiken für Unternehmen. Weltweit ist ein Anstieg an Gerichtsverfahren zu beobachten, in denen Geschädigte oder AktivistInnen durch Klagen versuchen, eine Änderung des Verhaltens einzelner Wirtschaftstreibender oder von Behörden bzw. Regierungen herbeizuführen (im weiteren Sinne sog. „Strategic Litigation“, bzgl. Klima im engeren Sinne „Climate Litigation“).37 Zu diesem Zweck versuchen Geschädigte oder AktivistInnen u.a. Schadenersatzansprüche oder Gefährdungshaftungen gegen Wirtschaftstreibende durchzusetzen, deren Verhalten die Eintrittswahrscheinlichkeit physischer Risiken erhöht (z.B. durch hohen Kohlendioxidausstoß). Neben Rechtsrisiken steigen auch Reputationsrisiken, wie z.B. Boykottaufrufe an KonsumentInnen gewisse Produkte oder Dienstleistungen, die als klimaschädlich gelten oder auf Basis von Kinder- bzw. Zwangsarbeit hergestellt wurden, nicht mehr zu kaufen. Reputationsrisiken können im Extremfall die mittel- bis langfristige Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen in Frage stellen. 36 Im Gegensatz zum „Divestment“ ist das „Engagement“ – der Dialog mit Unternehmen bzw. deren Geschäftsleitungen, um diese zur klimafreundlichen Ausrichtung des Geschäftsmodells zu veranlassen – als Strategie zu einem geordneten Übergang anzuführen. 37 Vgl. Bloomberg, Climate Change Warriors’ Latest Weapon of Choice Is Litigation, 24 May 2018, https://www.bloomberg.com/graphics/2018-climate-change-lawsuits/. 14
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Darüber hinaus steigt mit zunehmendem Angebot von „grünen“ oder „umweltfreundlichen“ Veranlagungen und Finanzprodukten das Risiko von sogenanntem „Greenwashing“. Darunter wird die Praxis verstanden, Finanzprodukte als „grün“ oder „umweltfreundlich“ zu vermarkten, obwohl sie nicht grundlegenden Umweltstandards entsprechen. „Greenwashing“ zielt darauf ab, einen unfairen Marktvorteil gegenüber MitbewerberInnen zu schaffen, kann mit unlauterer Werbung einhergehen, und in manchen Fällen auch Straftatbestände erfüllen. Adäquates Risikomanagement begrenzt Rechts- und Reputationsrisiken, die aus „Greenwashing“ entstehen können – sowohl durch „Greenwashing“ von beaufsichtigten Unternehmen als auch in deren verwalteten Portfolios und Veranlagungen. WESENTLICHE RECHTSGRUNDLAGEN IM RISIKOMANAGEMENT Für sämtliche von diesem Leitfaden erfasste beaufsichtigte Unternehmen bestehen jeweils sektorale Vorschriften, die sie zur Identifikation, Messung, Bewertung, Steuerung, Überwachung und Begrenzung von Risiken verpflichten. Hierbei liegt es in der Verantwortung des jeweiligen beaufsichtigen Unternehmens, über interne Methoden bzw. eigene Risikoindikatoren zu verfügen. Bei der Beurteilung der Risiken haben beaufsichtige Unternehmen nach geltender Rechtslage alle für die Beurteilung der Risiken relevanten Einflussfaktoren – inklusive allfälliger Risikofaktoren in Bezug auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) – zu berücksichtigen. Für Kreditinstitute legt § 39 Bankwesengesetz (BWG) die allgemeinen Sorgfaltsvorschriften der GeschäftsleiterInnen fest. Diese haben sich u.a. über die bankgeschäftlichen und bankbetrieblichen Risiken zu informieren, diese durch angemessene Strategien und Verfahren zu steuern, zu überwachen und zu begrenzen sowie über Pläne und Verfahren gem. § 39a BWG zu verfügen. Dafür sind Verwaltungs-, Rechnungs- und Kontrollverfahren zu implementieren, die der Art, dem Umfang und der Komplexität der betriebenen Bankgeschäfte angemessen sind. Eine Aufzählung der dabei jedenfalls zu berücksichtigenden Risikoarten erfolgt in § 39 Abs. 2b BWG, z.B. Kreditrisiko, Marktrisiko, operationelles Risiko usw. Nachhaltigkeitsrisiken38 werden dabei unter die jeweils zutreffenden Risikokategorien subsumiert und folglich entsprechend berücksichtigt. Darüber hinaus werden in der Kreditinstitute-Risikomanagementverordnung der FMA die Mindestanforderungen für die 38 Angemerkt wird, dass Nachhaltigkeitsrisiken, wie in diesem Leitfaden weiter oben definiert, begrifflich nicht mit jenen Risiken zu verwechseln sind, die sich aus „nicht nachhaltiger Kreditvergabe“ ergeben. Im Unterschied zu Nachhaltigkeitsrisiken, die ESG-Faktoren berücksichtigen (dieser Begriff wird im vorliegenden Leitfaden verwendet) bezieht sich der andernorts verwendete Begriff der „nachhaltigen Kreditvergabe“ gem. der Definition des Finanzmarktstabilitätsgremiums auf die Aspekte ausreichender Eigenmittelanteile der KreditnehmerInnen, Sicherstellung nicht unverhältnismäßig langer Kreditlaufzeiten, und Berücksichtigung der konservativ geschätzten Einkommensentwicklung der KreditnehmerInnen über deren Lebenszyklus (vgl. Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG), Presseaussendung zur 17. Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums, https://www.fmsg.at/publikationen/presseaussendungen/2018/17te-sitzunge.html). 15
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN ordnungsgemäße Erfassung, Steuerung, Überwachung und Begrenzung der Risikoarten gem. § 39 Abs. 2b BWG festgelegt.39 Bei Zahlungsinstituten haben die GeschäftsleiterInnen bei ihrer Geschäftsführung gem. § 20 Abs. 2 ZaDiG 2018 die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 84 Abs. 1 des Aktiengesetzes 1965 – AktG, BGBl. Nr. 98/1965 anzuwenden. Dabei haben sie sich insbesondere über die zahlungsdienstgeschäftlichen und zahlungsdienstbetrieblichen Risiken zu informieren und diese durch angemessene Strategien und Verfahren zu steuern, zu überwachen und zu begrenzen sowie eine solide und umsichtige Führung des Zahlungsinstitutes zu gewährleisten. Dafür sind angemessene Maßnahmen der Unternehmenssteuerung, Rechnungs- und Kontrollverfahren zu implementieren, die gewährleisten, dass das Zahlungsinstitut seine Verpflichtungen erfüllt. Auf E-Geldinstitute sind gem. § 13 E-GeldG 2010 grundsätzlich die Organisations- und Sorgfaltsanforderungen des ZaDiG 2018 anzuwenden. Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen haben ein wirksames Risikomanagementsystem einzurichten, das alle erforderlichen Strategien, Prozesse und Meldeverfahren umfasst, die erforderlich sind, um die eingegangenen und potenziellen Risiken jeweils auf einzelner und auf aggregierter Basis ebenso wie die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen diesen Risiken zu erkennen, zu messen, zu überwachen, zu managen und darüber zu berichten (§ 110 VAG 2016). Um sicherzustellen, dass diese nur in Vermögenswerte investieren, bei denen dies gewährleistet ist, haben Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen eigene Risikoindikatoren zu entwickeln, welche im Rahmen der Veranlagung einzusetzen sind und alle wesentlichen Risikoindikatoren umfassen (§ 124 Abs. 1 Z 1 VAG 2016 iVm § 7 VU-KAV). Pensionskassen haben, sofern ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Faktoren bei Veranlagungsentscheidungen berücksichtigt werden, neu entstandene oder zu erwartende Risiken u.a. iZm dem Klimawandel, der Verwendung von Ressourcen und der Umwelt sowie soziale Risiken und Risiken iZm der durch eine geänderte Regulierung bedingten Wertminderung von Vermögenswerten zu beurteilen. Dabei hat die Pensionskasse Methoden zu verwenden, die in Bezug auf die Größenordnung, die Art, den Umfang und die Komplexität der Tätigkeiten der Pensionskasse angemessen sind und diese in der eigenen Risikobeurteilung zu beschreiben (§ 22a Abs. 3 Z 8 PKG iVm § 21a Abs. 3 Z 9 PKG iVm § 4 Abs. 3 Z 7 PK-RiMaV 2019). Die schriftliche Erklärung über die Grundsätze der Veranlagungspolitik für jede Veranlagungs- und Risikogemeinschaft hat die allfällige Auswahl der Vermögenswerte nach ethischen, ökologischen und/oder sozialen Kriterien zu umfassen (§ 25a Abs. 1 Z 6 PKG). 39 Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle auch auf European Banking Authority (EBA), EBA Consultation Paper on draft Guidelines on loan origination and monitoring, EBA/CP/2019/04, https://eba.europa.eu/regulation-and-policy/credit- risk/guidelines-on-loan-origination-and-monitoring hingewiesen. In diesem Entwurf sind in Punkt 4.3.4 „Environmental factors and green lending“ Bestimmungen betreffend ESG-Risiken vorgesehen, die vorbehaltlich einer Übernahme in die finalen Leitlinien gegebenenfalls zu berücksichtigen sein werden. 16
FMA-LEITFADEN NACHHALTIGKEITSRISIKEN Betriebliche Vorsorgekassen haben in Hinblick auf das Risikomanagement – neben den allgemeinen Sorgfaltspflichten gem. § 39 BWG als Sonder-Kreditinstitut – gem. § 30 BMSVG die Betrieblichen Vorsorgekassengeschäfte im Interesse der Anwartschaftsberechtigten zu führen. Hierbei ist insbesondere auf die Sicherheit, Rentabilität und auf den Bedarf an flüssigen Mitteln sowie auf eine angemessene Mischung und Streuung der Vermögenswerte Bedacht zu nehmen. Kapitalanlagegesellschaften (KAG) haben gem. § 85 InvFG 2011 Risikomanagementverfahren zu verwenden, die es ihnen ermöglichen, das mit den Anlagepositionen verbundene Risiko jederzeit zu überwachen und zu messen. Dazu sind gem. § 86 InvFG 2011 dokumentierte Risikomanagement-Grundsätze festzulegen und umzusetzen sowie gem. § 87 InvFG 2011 Vorkehrungen, Prozesse und Verfahren einzuführen, um die Risiken, denen die von der KAG verwalteten OGAW ausgesetzt sind oder sein können, jederzeit messen und managen zu können. KAG haben in diesem Zusammenhang für jeden verwalteten OGAW u.a. periodische Stresstests und Szenarioanalysen zur Erfassung der Risiken aus potenziellen Veränderungen der Marktbedingungen, die sich nachteilig auf den OGAW auswirken könnten, durchzuführen. Alternative Investmentfonds Manager (AIFM) haben gem. § 13 AIFMG angemessene Risikomanagement-Systeme einzusetzen, damit alle Risiken, die für die einzelnen AIF- Anlagestrategien wesentlich sind und denen jeder AIF unterliegt oder unterliegen kann, hinreichend festgestellt, bewertet, gesteuert und überwacht werden. Dazu haben AIFM gem. Art. 44 Delegierte Verordnung (EU) 231/2013 im Hinblick auf Ausnahmen, die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit, Verwahrstellen, Hebelfinanzierung, Transparenz und Beaufsichtigung für jeden verwalteten AIF unter Berücksichtigung aller einschlägigen Risiken quantitative oder qualitative Risikolimits oder beides einzurichten und umzusetzen. Im Rahmen der Risikomessung und des Risikomanagements sind gem. Art. 45 Delegierte Verordnung (EU) 231/2013 unter anderem periodische Stresstests und Szenarioanalysen zur Erfassung der Risiken aus potentiell nachteiligen Veränderungen der Marktbedingungen durchzuführen. Wertpapierfirmen bzw. Kreditinstitute die Wertpapierdienstleistungen erbringen haben gem. § 32 WAG 2018 über effiziente Verfahren zur Risikobewertung zu verfügen. Dazu haben sie gem. Art. 23 Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie u.a. angemessene Strategien und Verfahren für ihr Risikomanagement festzulegen und auf Dauer umzusetzen, mit denen die mit den Geschäften, Abläufen und Systemen der Firma verbundenen Risiken erfasst werden und gegebenenfalls eine Risikotoleranzschwelle festzulegen. Zur Steuerung der mit den Geschäften, Abläufen und Systemen der Firma verbundenen Risiken sind unter Zugrundelegung der Risikotoleranzschwelle wirksame Vorkehrungen zu treffen und wirksame Abläufe und Mechanismen festzulegen. 17
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