Wie berechtigt sind Inflationsängste? - Swiss Economics - Credit Suisse
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Swiss Economics Wie berechtigt sind Inflationsängste? Monitor Schweiz | 3.Q 2021 Konjunktur Fokus Geldpolitik Sand im Getriebe der Erholung Vorübergehender Inflationsschub Höhere Inflation im Visier Seite 6 Seite 12 Seite 19
Editorial Liebe Leserinnen und Leser Die Schweizer Wirtschaftsleistung hat ihr Vorkrisenniveau mittlerweile wieder erreicht, und die Er- holung dauert an. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen dürften die Schweiz jedoch noch länger beschäftigen. Der bisherige Impffortschritt sowie die Agilität der Wirtschaft sollten zwar ausrei- chen, um das Risiko einer erneuten Rezession in engen Grenzen zu halten, übertriebener Optimis- mus ist aber nicht angebracht. In einigen Branchen, wie etwa in der Gastronomie oder in gewis- sen Freizeitbetrieben, gibt es nach wie vor punktuelle Einschränkungen, und in anderen Berei- chen, wie dem internationalen Tourismus oder bei Grossveranstaltungen, wird eine Rückkehr zur «Normalität» wohl noch bis weit ins kommende Jahr auf sich warten lassen. In der Industrie hingegen ist die Nachfrage weltweit derart hoch, dass die bestehenden Kapazitä- ten kaum ausreichen, was wiederum die Güterpreise steigen lässt. Preissprünge in Verbindung mit massiven Staatsausgaben und extrem expansiven Zentralbanken wecken Inflationssorgen und erinnern an die durch die Teuerung verursachten Schäden in den 1970er-Jahren. Damals ver- zerrte die hartnäckig hohe Inflation die relative Preisstruktur: Sie liess Unternehmen glauben, dass sie Gewinne machten, obwohl sie tatsächlich Verluste schrieben, was massive Fehlinvestitionen zur Folge hatte. Gleichzeitig waren die Haushalte ständig bestrebt, den Kaufkraftverlust ihrer Ein- künfte und Ersparnisse abzuwenden. Erst das entschlossene Handeln der Zentralbanken, allen voran des damaligen Vorsitzenden der US-Notenbank (Fed), Paul Volcker, bezwang den «Inflationsdrachen» letztlich. Es folgte bekanntlich eine lange Phase mit weltweit tiefer und vergleichsweise stabiler Inflation. In Krisenzeiten, wie zuletzt im Pandemiejahr 2020, war die Teuerung zeitweilig sogar negativ, insbe- sondere in der Schweiz. Auf breiter Front fallende Preise sind jedoch mindestens so schädlich wie zu stark steigende. Die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre beispielsweise war geprägt durch eine Deflationsspirale, d.h. einen Teufelskreis mit sinkenden Preisen, abwartenden Konsumenten und steigender Arbeitslosigkeit. Die Angst vor Deflation hat sich vor allem in den USA tief ins wirt- schaftliche Gedächtnis eingebrannt. In der Schweiz hingegen wurde das sinkende Preisniveau zuweilen sogar als etwas Positives wahrgenommen. Günstiger wurden nämlich vor allem impor- tierte Güter, weshalb der negative Rückkopplungseffekt auf den Arbeitsmarkt ausblieb. Aus volks- wirtschaftlicher Sicht ist es aber dennoch zu begrüssen, dass die Inflation jüngst auch in der Schweiz wieder in den positiven Bereich gedreht hat. In Bezug auf unser Hauptszenario, wonach das milde Inflationsklima in der Schweiz und in Europa bis auf Weiteres anhalten wird, sind wir weiterhin optimistisch. Wir gehen zudem davon aus, dass das Inflationsrisiko selbst in den USA überschaubar bleiben wird (vgl. Fokus-Artikel Seite 12). Die risikoreichen Nebenszenarien lassen sich jedoch nicht gänzlich ausschliessen und müssen daher genau im Auge behalten werden. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre. André Helfenstein Claude Maurer CEO Credit Suisse (Schweiz) AG Chefökonom Schweiz Swiss Economics | 3.Q 2021 3
Inhalt Konjunktur 6 Sand im Getriebe der Erholung 6 Die COVID-19-Pandemie wird die Schweiz noch länger beschäftigen, die wirtschaftliche Erholung dauert jedoch an. Wir rechnen mit einem Wirtschaftswachstum von 3.5% in diesem und von 2.5% im kommenden Jahr. Gewisse Branchen hinken aber hinterher. 6 Konjunktur | Monitor 8 Branchen | Monitor 9 Fokus I Inflation 12 Vorübergehender Inflationsschub 12 Die Konsumentenpreisinflation beschleunigt sich weltweit und weckt Befürchtungen vor einer Überhitzung der Wirtschaft, angetrieben durch eine aussergewöhnlich expansive Geld- und Fiskalpolitik. Das Inflationsrisiko hat tatsächlich zugenommen, insbesondere in den USA. In der Eurozone, der Schweiz und Japan allerdings wird die Teuerung die lockere Geldpolitik in absehbarer Zukunft wohl nicht gefährden. 12 Geldpolitik 19 Höhere Inflation im Visier 19 Diverse Zentralbanken haben ihre Inflationsziele in jüngster Vergangenheit erhöht. Demgegenüber hat die Schweizerische Nationalbank ihr Ziel unverändert belassen; sie hat jedoch wiederholt versichert, auch künftig einen lockeren geldpolitischen Kurs beibehalten zu wollen. 19 Geldpolitik I Monitor 20 Im m obilien | Monitor 21 Credit Suisse Vorlaufindikatoren 22 Prognosen und Indikatoren 24 Swiss Economics | 3.Q 2021 4
Konjunktur Sand im Getriebe der Erholung Die COVID-19-Pandemie wird die Schweiz noch länger beschäftigen, die wirtschaftliche Erholung dauert jedoch an. Wir rechnen mit einem Wirtschaftswachstum von 3.5% in diesem und von 2.5% im kommenden Jahr. Gewisse Branchen hinken aber hinterher. Starkes BIP- Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz ist im 2. Quartal um 1.8% gegenüber dem Vorquartal Wachstum dank gewachsen. Zu verdanken ist diese Expansion der auf breiter Front erfolgten Lockerung der Lockerung COVID-19-Eindämmungsmassnahmen, die im Zuge des Lockdowns im 1. Quartal 2021 verhängt der COVID-19- worden waren, und einer gleichzeitig weltweit hohen Nachfrage nach Gütern. Offensichtlich ist die Massnahmen Schweiz wirtschaftlich bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen (vgl. Abb. 1): Nur in den USA, wo die Regierung das Wirtschaftswachstum mittels Staatsausgaben massiv stimulierte, und in Schweden, wo die Corona-Massnahmen zumeist weniger streng waren, lag die Wirt- schaftsleistung im 2. Quartal 2021 im Vergleich zum Vorkrisenniveau höher als in der Schweiz. BIP in den letzten Obwohl das Schweizer BIP sein Vorkrisenniveau gemäss dem wöchentlichen Wirtschaftsindikator Wochen wieder über des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO in den letzten Wochen sogar wieder übertroffen hat Vorkrisenniveau (vgl. Abb. 2), dürfte der Wohlstandsverlust infolge der Pandemie beträchtlich sein: Unter Berück- sichtigung des entgangenen Wachstums schätzen wir die pandemiebedingten BIP-Einbussen hierzulande auf rund CHF 57 Mrd. (rund 8% des BIP von 2019). Zudem verläuft die Erholung äusserst uneinheitlich: Während einige Branchen, wie etwa die Industrie (darunter insbesondere die Pharmaindustrie), der Fahrzeughandel oder Versicherungs- und Finanzdienstleistungen, sogar wieder über das Vorkrisenniveau zugelegt haben, liegen andere, wie beispielsweise der Tourismus oder das Transportgewerbe (inklusive öffentlicher Verkehr), noch weit darunter (vgl. Abb. 3). Positive Vorlauf- Die wirtschaftliche Erholung dürfte in den kommenden Monaten andauern. Der von uns in Zusam- indikatoren menarbeit mit procure.ch erstellte Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie notiert weiterhin nahe an seinem historischen Rekordstand, und sein Pendant für den Dienstleistungssektor liegt ebenfalls deutlich in der Wachstumszone. Zudem verbessert sich die Arbeitsmarktlage, was sich positiv auf die Konsumentenstimmung auswirkt. Die Arbeitslosenquote sollte sukzessive weiter sinken und Ende 2022 2.5% erreichen, während die Nutzung der Kurzarbeit weiter abnimmt. Abb. 1: Schweiz meistert Wirtschaftskrise vergleichsweise gut Abb. 2: Wöchentliche Wirtschaftsaktivität über Vorkrisenniveau Reales BIP, saisonbereinigt. 4. Quartal 2019 = 100 Wirtschaftsaktivität relativ zum Vorkrisenniveau, Veränderung in % 105 4 Frankreich Deutschland Schweden USA Schweiz 2 100 0 95 -2 90 -4 -6 85 -8 80 -10 75 -12 Q4 2019 Q1 2020 Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Q1 2021 Q2 2021 2020 2021 Quelle: Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 2. Quartal 2021 Quelle: Staatsekretariat für Wirtschaft SECO, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Woche 32, 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 6
Pandemie dauert an, Zu viel Optimismus ist aber nicht angebracht, denn die Erholung dürfte wieder gebremst werden, Rezessionsrisiko zumal es wohl noch länger dauern wird, bis die Pandemie vollständig unter Kontrolle ist. In gewis- aber klein sen Bereichen, namentlich im interkontinentalen Tourismus, ist eine Normalisierung der Nachfrage bis Mitte 2022 nicht realistisch, und in anderen, wie etwa in der Gastronomie oder in gewissen Freizeitbetrieben, gibt es wiederholt punktuelle Einschränkungen. Der bisherige Impffortschritt so- wie die Agilität der Wirtschaft dürften aber selbst bei einer deutlichen Verschlechterung der epide- miologischen Lage und erneuten punktuellen Eindämmungsmassnahmen ausreichen, um das Ri- siko einer Rezession in engen Grenzen zu halten. Lieferschwierigkeiten Eingeschränkt wird die Erholung zudem bis auf Weiteres durch weit verbreitete Lieferengpässe in sorgen für anhaltende der Industrie: Rund 70% der von uns befragten Einkaufsmanager vermelden im Rahmen unserer Güternachfrage, … monatlichen Umfrage derzeit längere Lieferfristen und steigende Einkaufspreise. Ein Teil der ho- hen Güternachfrage wird entsprechend noch länger nicht befriedigt werden können, und die Zei- ten sinkender Preise, welche die Konsumenten zusätzlich zum Kauf animierten, sind vorerst vorbei (vgl. Fokus zur Inflation auf Seite 12). Die Lieferprobleme dürften die bisher boomhafte Erholung der Industrie zwar bremsen, aber nicht abwürgen. Darüber hinaus sollte die erhöhte Güternach- frage angesichts der diversen Lieferverzögerungen länger andauern als bisher von uns prognosti- ziert. Wir rechnen dementsprechend erst für Mitte 2022 mit einem spürbaren Abflachen der Gü- ternachfrage. Wegen einer künftig drohenden Sättigung und eines möglichen Abbaus von Lager- beständen könnte Letztere dann aber durchaus stark einbrechen. … die sich aber Eine gewisse Sättigung der Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern ist nämlich bereits heute künftig abschwächen in den monatlichen Zahlen der Detailhandelsumsätze ersichtlich (vgl. Abb. 4): Der Ausschlag der dürfte Umsätze mit langlebigen Konsumgütern nach oben war nach dem zweiten Lockdown deutlich ge- ringer als nach dem ersten. Dies rührt teilweise sicherlich daher, dass der zweite Lockdown kürzer und weniger einschneidend war als der erste, und zudem mehr alternative Konsummöglichkeiten zu Verfügung standen. Doch es liegt auch in der Natur von langlebigen Konsumgütern, dass sie – nachdem sie erst einmal gekauft sind – ein gewisses Bedürfnis über längere Zeit befriedigen. Erholung dauert an, Für Mitte 2022 erwarten wir folglich eine deutliche Abschwächung der Industriedynamik bei die Divergenz gleichzeitig höherem Angebot, wodurch sich die Lage hinsichtlich der Lieferfristen und Preise ent- zwischen den spannen sollte. Des Weiteren dürfte dann die Erholung auch diejenigen Branchen erfassen, die Branchen ebenso derzeit noch unter Einschränkungen leiden und hinterherhinken. Während das Schweizer BIP in diesem Jahr um insgesamt 3.5% expandieren sollte, dürfte sich das Wachstumstempo im kom- menden Jahr auf 2.5% verlangsamen. claude.maurer@credit-suisse.com Abb. 3: Grosse Unterschiede nach Branchen Abb. 4: Umsätze mit langlebigen Konsumgütern flachen ab Abweichung der Wertschöpfung vom Niveau im 4. Quartal 2019, in % Index Januar 2020 = 100 Kunst und Unterhaltung Chemie/Pharma Haushalt und Wohnen Heimelektronik DIY/Garten/ Autozubehör Freizeit Detailhandel Versicherungsdienstleistungen 160 Industrie Fahrzeughandel Finanzdienstleistungen 140 Bergbau Öffentliche Verwaltung 120 Gesundheitswesen Landwirtschaft Entsorgung 100 Erziehung Wohnungswesen Bau 80 Sonstige Dienstleistungen Energie 60 Private Haushalte Transportgewerbe Tourismus 40 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0 10 20 Jan 2020 Apr 2020 Jul 2020 Okt 2020 Jan 2021 Apr 2021 Jul 2021 Quelle: Staatsekretariat für Wirtschaft SECO, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Quelle: GfK, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juli 2021 2. Quartal 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 7
Konjunktur | Monitor Inflation Vorübergehender Inflationsanstieg Veränderung in % Die Teuerung wird in den nächsten Monaten auf 1% anstei- 1.5 Prognose gen, bevor sie sich 2022 wieder bei unter 1% einpendelt. 1.0 Im Durchschnitt dürfte die Inflationsrate sowohl 2021 als auch 2022 0.5% betragen. Zu den Haupttreibern des der- 0.5 zeit beschleunigten Preisauftriebs zählen die Komponenten 0.0 «Wohnen», «Transport», «Haushaltsartikel» sowie «Restau- rants und Hotels». Höhere Ölpreise (welche die Kategorien -0.5 «Wohnen» und «Transport» beeinflussen) haben seit Mai 2021 rund 0.5 Prozentpunkte zur Inflationsrate beigetragen. -1.0 Geht man von künftig konstanten Ölpreisen aus, dürfte ihr -1.5 Beitrag an die Schweizer Teuerung bis Dezember 2021 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 gleich hoch bleiben und danach graduell nachlassen. Erdölprodukte Andere Güter und Dienstleistungen Inflationsrate maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: August 2021 Beschäftigung Temporärbranche hat coronabedingten Einbruch wettgemacht Beschäftigung (Vollzeitäquivalente): Veränderung ggü. Vorjahr in % (Total) und Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten (Sektoren) Nachdem die Beschäftigung im 1. Quartal 2021 noch ge- 2.5% Temporärbranche Übriger Tertiärsektor Sekundärsektor Total sunken war, erholte sie sich im Zuge der Lockerungen der 2.0% Corona-Massnahmen im 2. Quartal (+0.3% ggü. Vorjahr). 1.5% Ein Grossteil des Wachstums ist auf die Temporärbranche zurückzuführen, die wie in früheren Krisen stark auf den 1.0% konjunkturellen Ab- und Aufschwung reagierte. Nach dem 0.5% heftigen Einbruch im 2. Quartal 2020 (–18% ggü. Vorquar- 0.0% tal) zog die Zahl der Temporärangestellten relativ zügig wie- der an; Mitte 2021 lag sie saisonbereinigt sogar um 9% -0.5% über ihrem Niveau von Ende 2019. Für die Gesamtbeschäf- -1.0% tigung rechnen wir mit einem Wachstum von 0.3% im Jah- -1.5% resdurchschnitt 2021 und von 1.2% im nächsten Jahr. 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 emilie.gachet@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 2. Quartal 2021 Zuwanderung Bilanz im 1. Halbjahr 2021 leicht unter Vorjahreswert Migrationssaldo der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung (ohne Registerkor- rekturen), kumulierte Werte In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres sind per 70’000 Saldo 109’103 Personen in die Schweiz eingewandert. Mit 2018 2019 2020 2021 dieser Halbjahresbilanz liegt die Zuwanderung um 9.2% un- 60’000 ter dem Wert der Vorjahresperiode. Dies steht im Einklang 50’000 mit unserer Prognose einer leichten Abschwächung der Nettozuwanderung im laufenden Jahr. Zum einen sollte die 40’000 Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften vor dem Hin- 30’000 tergrund der verhaltenen Beschäftigungsdynamik tiefer aus- 20’000 fallen; zum anderen ist zu erwarten, dass dieses Jahr nach der starken Abnahme bei den Kurzaufenthaltern im Jahr 10’000 2020 weniger Statuswechsel von der nichtständigen zur 0 ständigen Wohnbevölkerung erfolgen werden. Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez sara.carnazzi@credit-suisse.com Quelle: Staatssekretariat für Migration Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 8
Branchen | Monitor Pharmazeutische Industrie Pharmaexporte nach Spanien schnellen in die Höhe Entwicklung der Pharmaexporte ggü. Vorjahresquartal, nach Ländern, saisonberei- nigt, und Anteile an gesamten Pharma-Exporten (2019) Die Pharmaindustrie hat im 2. Quartal 2021 massgeblich zur Erholung der Schweizer Gesamtexporte beigetragen. Die 1.Q 2020 2.Q 2020 3.Q 2020 4.Q 2020 1.Q 2021 2.Q 2021 Gewicht 120% grösste Zunahme verzeichneten die Pharmaexporte nach 100% Spanien mit einem Plus von 106% im Vergleich zum Vorjah- resquartal. Dies ist wohl auf die Auslieferung von Wirkstof- 80% fen für COVID-19-Vakzine nach Spanien zurückzuführen, 60% wo Impfstoffe hergestellt, abgefüllt und schliesslich ausge- 40% liefert werden. Die Nachfrage nach Impfstoffen dürfte wei- 20% terhin hoch bleiben – genauso wie der internationale Bedarf an anderen pharmazeutischen Produkten aus der Schweiz. 0% -20% 100% 45% 25% 15% 5% 5% 4% -40% Total Andere USA Deutschland Italien China Spanien tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) MEM-Exporte klettern im 2. Quartal 2021 auf Vorkrisenniveau MEM-Exporte nach Land, saisonbereinigt, Veränderung ggü. Vorjahresquartal, und Anteile an gesamten MEM-Exporten (2019) Die MEM-Exporte sind im 2. Quartal 2021 wieder auf ihr Q1 2020 Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Q1 2021 Q2 2021 Gewicht Vorkrisenniveau geklettert. Dazu trugen insbesondere die 60% 1.2 starken Wachstumsraten bei den wichtigsten europäischen Abnehmern bei. Aber auch die Exporte in die USA und nach 40% 1 China nahmen weiter zu. Trotz einiger Lieferengpässe bleibt die Stimmung in der globalen Industrie optimistisch, und die 20% 0.8 Produktion läuft auf Hochtouren. Folglich sollte die internati- 0% 0.6 onale Nachfrage nach Schweizer MEM-Exporten weiterhin stark bleiben. -20% 0.4 -40% 0.2 100% 28% 11% 7% 6% 5% -60% 0 Total Deutschland USA China Frankreich Italien tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Uhrenindustrie Nachfrage in China hat zugenommen Uhrenexporte in CHF Mio., nach Ländern, saisonbereinigt Auch bei den Uhrenexporten hat das 2. Quartal 2021 eine Andere China USA Hongkong Japan vollständige Erholung gebracht. Die Ausfuhren legten wieder 2500 auf das Niveau aus dem Vorkrisenjahr 2019 zu, und insbe- sondere China verzeichnet eine starke Nachfrage nach 2000 Schweizer Uhren. Während Letztere früher vornehmlich von chinesischen Touristen auf Reisen erworben wurden, finden 1500 sie nun aufgrund der Corona-Pandemie vermehrt im Inland einen neuen Besitzer. Die Delta-Variante von COVID-19 1000 stellt ein gewisses Risiko dar, das die Nachfrage nach Schweizer Uhrenexporten wieder dämpfen könnte. Dies ent- 500 spricht jedoch nicht unserem Basisszenario. 0 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Swiss Economics | 3.Q 2021 9
Branchen | Monitor Detailhandel Bekleidungssegment holt einen Teil des Umsatzeinbruchs auf Entwicklung der saisonbereinigten nominalen Detailhandelsumsätze ggü. Vorjahr 30% Der durch die COVID-19-Pandemie bedingte Boom in den 2018 2019 2020 2021* 20% Kategorien Do-it-yourself/Garten/Autozubehör und Freizeit 10% setzt sich bis anhin auch im Jahr 2021 fort. Das Beklei- 0% dungs- und Schuhsegment konnte in der 1. Jahreshälfte ei- -10% nen Teil des Umsatzeinbruchs aus dem Vorjahr aufholen. Non-Food -20% Zum Vorkrisenniveau fehlten per Ende Juni aber nach wie -30% vor rund 16%. Diese Lücke dürfte sich mit der schrittweisen Bekleidung/ Schuhe Non-Food Personal Care und Total Food/Near-Food Heimelektronik Freizeit Haushalt und Wohnen DIY/Garten/ Autozubehör Rückkehr zur Normalität weiter schliessen. Der Strukturwan- Gesundheit del und der Umsatzabfluss ins Ausland dürften eine vollstän- dige Umsatzerholung jedoch weiterhin hemmen. tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: GfK, Credit Suisse. * Für 2021 wurden die Umsätze bis Juni berücksichtigt Tourismus Inländische Gäste stützen Schweizer Tourismus Logiernächte, indexiert, 12-Monats-Durchschnitte, nach Herkunft der Gäste Der Schweizer Tourismus hat auch im 2. Quartal 2021 weit- Afrika Amerika Asien Europa Ozeanien Schweiz Total 250 gehend vergebens auf die Rückkehr ausländischer Gäste gewartet. Gleichzeitig erwies sich der Inlandtourismus erneut 200 als wichtige Stütze. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 schnellten die Logiernächte heimischer Gäste im 2. Quartal 150 2021 um 55% nach oben. Obwohl internationale Reisen dank COVID-19-Impfzertifikaten und gelockerter Schutz- 100 massnahmen wieder an Bedeutung gewinnen werden, dürf- ten die nach wie vor bestehenden Hürden und Unsicherhei- 50 ten zumindest einen Teil der Schweizer Touristen auch künf- tig von Auslandreisen abhalten. Dies wird dem Inlandtouris- 0 mus weiterhin Unterstützung bieten. 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Informationstechnologie (IT) Rekordhohe Anzahl der Neugründungen im Jahr 2021 Anzahl Neugründungen und Konkurse bei IT-Dienstleistern Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage während der 3-Monats-Durchschnitt Neugründungen 5-Jahres-Durchschnitt Neugründungen Corona-Krise hat im IT-Sektor keine Konkurswelle stattge- 3-Monats-Durchschnitt Konkurse 5-Jahres-Durchschnitt Konkurse funden. Dank der staatlichen Unterstützungsmassnahmen 250 lag die Konkursrate zeitweise sogar unter dem langfristigen 200 Durchschnitt. Seit Mitte 2020 lässt sich hingegen eine rege Gründungaktivität beobachten. Die Anzahl Neugründungen 150 erreichte in der 1. Jahreshälfte 2021 Rekordwerte. Dies dürfte damit zu tun haben, dass die COVID-19-Pandemie 100 den Strukturwandel in vielen Bereichen beschleunigt hat. Davon werden IT-Dienstleister auch in den kommenden 50 Monaten profitieren. 0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF), Credit Suisse Swiss Economics | 3.Q 2021 10
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Fokus I Inflation Vorübergehender Inflationsschub Die Konsumentenpreisinflation beschleunigt sich weltweit und weckt Befürchtungen vor einer Überhitzung der Wirtschaft, angetrieben durch eine aussergewöhnlich expansive Geld- und Fiskalpolitik. Das Inflationsrisiko hat tatsächlich zugenommen, insbesondere in den USA. In der Eurozone, der Schweiz und Japan allerdings wird die Teuerung die lockere Geldpolitik in absehbarer Zukunft wohl nicht gefährden. Jüngster Anstieg Die Inflationsraten haben seit Ende der 1990er-Jahre weltweit weitgehend konvergiert und sind der Inflationsraten seit der globalen Finanzkrise besonders niedrig (vgl. Abb. 1 und 2). Obwohl die Teuerung im his- weltweit ist torischen Vergleich bisher nicht besonders hoch ist, hat die jüngste Beschleunigung der Inflations- hauptsächlich rate an den Märkten Aufmerksamkeit erregt. Sie ist grösstenteils dem Preisanstieg bei Rohstoffen höheren Erdölpreisen und insbesondere bei Öl geschuldet (vgl. Box zur Inflation, S. 8), wodurch der Eindruck entsteht, zuzuschreiben dass die Inflationsraten der einzelnen Länder weitgehend miteinander korrelieren. Die Kerninflati- onsraten, welche die Preise für Energie und Nahrungsmittel ausklammern, in den grössten Indust- rieländern (USA, Eurozone und Japan) sowie in der Schweiz zeigen indes jüngst keine starke Kor- relation (vgl. Abb. 3 und 4). Dies impliziert, dass die Entwicklung der Konsumentenpreise bei ein- gehenderer Betrachtung vor allem von binnenwirtschaftlichen Faktoren abhängt. Abbildung 1: Beschleunigung der Inflation in Industrieländern ... Abbildung 2: ... und in Schwellenländern Konsumentenpreisinflation, in % ggü. Vorjahr Konsumentenpreisinflation, in % ggü. Vorjahr 25 25 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 -5 -5 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 20%-80% Perzentile Mittelwert 20%-80% Perzentile Mittelwert Erhebung berücksichtigt Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Erhebung berücksichtigt Brasilien, China, Indien, Indonesien, Malaysia, Mexiko, die Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, Japan, Kanada, die Niederlande, Norwe- Philippinen, Polen, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Thailand und die Türkei. Da- gen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz, Singapur, Spanien, Südkorea ten vor 1993 nur teilweise verfügbar. Die vertikale Skala ist absichtlich abgeschnit- und die USA. Quelle: Refinitiv Datastream, Internationaler Währungsfonds, Credit ten. Quelle: Refinitiv Datastream, Internationaler Währungsfonds, Credit Suisse. Suisse. Letzter Datenpunkt: 2. Quartal 2021 Letzter Datenpunkt: 2. Quartal 2021. Abbildung 3: Keine synchronisierten Bewegungen der Kerninflati- Abbildung 4: Schweizer Kerninflation nicht stark von Entwicklung im Aus- onsraten land abhängig Bestimmtheitsmass R2 einer gleitenden linearen Regression der Kerninflationsraten Bestimmtheitsmass R2 einer gleitenden linearen Regression der Kerninflationsraten über fünf Jahre. Ein R2-Wert nahe 1 bedeutet eine stark korrelierende Datenreihe. über fünf Jahre. Ein R2-Wert nahe 1 bedeutet eine stark korrelierende Datenreihe. 1.00 1.00 Eurozone ggü. USA Japan ggü. USA Eurozone ggü. Japan Schweiz ggü. USA Schweiz ggü. Eurozone Schweiz ggü. Japan 0.90 0.90 0.80 0.80 0.70 0.70 0.60 0.60 0.50 0.50 0.40 0.40 0.30 0.30 0.20 0.20 0.10 0.10 0.00 0.00 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 Quelle: Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 12
Ein sprunghafter Während Ökonomen sich einig sind, dass hohe Inflationsraten unerwünscht sind, gibt es unter- Anstieg der schiedliche Ansichten in Bezug auf die Treiber der Inflation und ihre Bedeutung im aktuellen Kon- Geldmenge und text. Wir konzentrieren uns im Folgenden hauptsächlich auf die zwei gängigsten Erklärungsan- eine «heiss» laufende sätze. Laut der ersten Erklärung handelt es sich bei Inflation immer um ein monetäres Phänomen. Wirtschaft sind Sie beruht auf der Idee, dass die Preise immer dann anziehen, wenn die Geldmenge schneller gängige Erklärungen steigt als die Menge der von einer Volkswirtschaft produzierten Güter und Dienstleistungen. Die für Inflationsschübe zweite Erklärung beruht auf einer zyklischeren Sicht der Inflation und assoziiert diese mit dem ak- tuellen Zustand der Wirtschaft – also mit einer Wirtschaft, die «heiss» läuft und von einer niedrigen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist. Eine hohe Kapazitätsauslastung zieht höhere Preise nach sich, weil die Löhne steigen, die Produktion hinter der Nachfrage zurückbleibt und die Konsumenten ihre Anschaffungen vorverlegen, da sie mit künftig höheren Preisen rechnen. Darüber hinaus kon- zentrieren wir uns auf die Industrieländer, zumal sich die Wirtschafts- und Inflationstrends in den Schwellenländern stärker unterscheiden. Zusammenhang Gemäss Abbildung 5 sind die Geld- und die Fiskalpolitik in den USA und der Eurozone zurzeit im zwischen Geldmenge historischen Vergleich besonders expansiv und haben die Geldmenge sprunghaft steigen lassen. und Inflation hat sich Dies hat wiederum Befürchtungen vor einer schnellen Zunahme der Inflation geweckt. Wir teilen mit der Zeit diese Befürchtungen nicht. Denn effektiv hat sich der Zusammenhang zwischen Geldmengen- beträchtlich wachstum und Inflation sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern beträchtlich ab- abgeschwächt geschwächt (vgl. Abb. 6). Eine mögliche Erklärung hierfür ist der Rückgang der sogenannten Geldumlaufgeschwindigkeit oder – mit anderen Worten – der Geschwindigkeit, mit der Geld aus- gegeben wird. Leider lässt sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nicht direkt beobachten. Sie muss vielmehr aus dem Verhältnis zwischen dem nominalen Bruttoinlandprodukt (BIP) und der Geldmenge abgeleitet werden. Abbildung 7 zeigt den Rückgang der Geldumlaufgeschwindigkeit in ausgewählten Industrieländern. Diese Verlangsamung lässt sich unter anderem mit dem Rück- gang der Zinssätze erklären. Da die Zinsen derzeit sehr niedrig oder negativ sind, sind die Oppor- tunitätskosten von Geld sehr tief. Anders gesagt: Die Rendite auf physischem Bargeld und Bank- einlagen ist deutlich attraktiver geworden, sodass Unternehmen und Haushalte eher bereit sind, Cash zu halten. Darüber hinaus gibt es Belege dafür, dass der sogenannte Gleichgewichtszinssatz in vielen Industrieländern auf sehr niedrige Niveaus gesunken ist. Da der Gleichgewichtszins als «normales» Zinsniveau verstanden werden kann, impliziert ein tieferer Gleichgewichtszinssatz eine permanent geringere Geldumlaufgeschwindigkeit. Vereinfacht gesagt ist in einem Tiefzinsumfeld folglich viel mehr Geld erforderlich, um Inflation zu generieren. Dementsprechend würde die Infla- tion mehr Anlass zur Sorge bieten, falls der Gleichgewichtszins nachhaltig steigen und den Geld- umlauf damit beschleunigen würde. Abbildung 5: Expansive Geld- und Fiskalpolitik in den USA und in der Eurozone Eine Verschiebung nach links signalisiert eine lockerere Fiskalpolitik, eine Verschiebung nach unten eine lockerere Geldpolitik. Die verti- kale Achse repräsentiert den Unterschied zwischen dem Schattenleitzins, der auch unkonventionelle fiskal- bzw. geldpolitische Massnah- men berücksichtigt (Schattenleitzins nach Wu und Xia), und einer nominalen Schätzung des Gleichgewichtszinssatzes (nach Holston, Lau- bach und Williams). Die horizontale Achse repräsentiert den Budgetsaldo in % des nominalen BIP (Eurozone: Primärhaushaltssald o). -25 -20 -15 -10 -5 0 5 0 1.Q. 2020 1.Q. 2019 1.Q. 2008 -2 1.Q. 2008 1.Q. 2014 1.Q. 2021 1.Q. 2015 1.Q. 2009 -4 1.Q. 2009 1.Q. 2010 1.Q. 2016 1.Q. 2013 1.Q. 2012 1.Q. 2017 -6 Lockerere Fiskalpolitik 1.Q. 2018 1.Q. 2021 -8 Lockerere Geldpolitik 1.Q. 2019 -10 1.Q. 2020 USA Eurozone -12 Quelle: Refinitiv Datastream, Europäische Zentralbank, Federal Reserve Bank of St. Louis, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 1. Quartal 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 13
Abbildung 6: Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation Abbildung 7: Geldumlaufgeschwindigkeit ist in den grössten indust- hat sich abgeschwächt rialisierten Volkswirtschaften zurückgegangen Beziehung zwischen Geldmengenwachstum und Inflation (langfristige Koeffizienten) Die Geldumlaufgeschwindigkeit ist definiert als das Verhältnis zwischen dem annuali- sowie Konfidenzintervall (+/– 2 Standardabweichungen). sierten nominalen BIP und dem Geldmengenbestand M2. 1.2 2.5 1 2 0.8 1.5 0.6 1 0.4 0.5 0.2 0 0 1950-1984 1985-2011 1995-2011 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Industrieländer Schwellenländer USA Japan Deutschland Schweiz Quelle: Gertler, P. und B. Hofmann (2016), Credit Suisse Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 1. Quartal 2021 Allerdings ist der Rückgang des Gleichgewichtszinssatzes das Resultat von seit mehreren Jahr- zehnten anhaltenden Trends, die von demografischen und produktivitätsseitigen Entwicklungen getrieben werden. Eine plötzliche und schnelle Trendwende ist nicht zu erwarten, weshalb ein sub- stanzieller Anstieg des Gleichgewichtszinses auf kurze bis mittlere Sicht höchst unwahrscheinlich ist. Damit die Preise Die Vergangenheit lehrt, dass Phasen mit Hyperinflation oftmals mit hohen Haushaltsdefiziten ein- steigen können, hergehen, die mit Zentralbankgeld finanziert werden. Damit die Konsumentenpreise steigen (und müssen die sich die Inflation folglich beschleunigt), muss dieses Geld jedoch für den privaten Konsum ausge- Konsumenten geben werden. Bisher war dies nur teilweise der Fall. Ein Blick auf die vier grössten industrialisier- mehr ausgeben ten Volkswirtschaften (die USA, die Eurozone, Japan und Grossbritannien) zeigt, dass die Kon- sumausgaben nach wie vor deutlich unter ihrem Vorkrisentrend liegen (vgl. Abb. 8). Dies ist hauptsächlich auf die Social-Distancing-Massnahmen und die Lockdowns zurückzuführen, welche die Regierungen im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie umgesetzt haben. Dadurch war der Konsum erheblich eingeschränkt oder in vielen Bereichen sogar gänzlich verunmöglicht, sodass die entsprechenden Ausgaben ebenfalls begrenzt ausfielen. Gewisse weniger betroffene Katego- rien hingegen, insbesondere Güter, verzeichneten eine aussergewöhnlich starke Nachfrage, die den Konsum weiterhin deutlich über dem Vorkrisentrend hält (vgl. Abb. 9). Es überrascht daher nicht, dass sich der Anstieg der Güterpreise sichtlich beschleunigt hat und zum Haupttreiber der Inflation avanciert ist (vgl. Abb. 10 und 11). Abbildung 8: Ausgaben für den Privatverbrauch in den grössten in- Abbildung 9: Güterkonsum sprunghaft gestiegen, nachdem er zu dustrialisierten Volkswirtschaften nach wie vor deutlich unter Vorkri- Beginn der Pandemie eingebrochen war senniveau In USD Mrd., nicht annualisiert, zu konstanten Preisen und Wechselkursen Erhebung In USD Mrd., nicht annualisiert, zu konstanten Preisen und Wechselkursen. Erhe- berücksichtigt die USA, die Eurozone, Japan und Grossbritannien. bung berücksichtigt die USA, die Eurozone, Japan und Grossbritannien. 7500 Ausgefallene Ausgaben für den Privatgebrauch 900 im Vergleich zum Vorkrisentrend Vorkrisentrend 850 7000 Ausgaben für den Privatgebrauch 800 6500 750 700 6000 650 Detailhandelsumsätze Vorkrisentrend 5500 600 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 2. Quartal 2021 Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 14
Abbildung 10: Die Güterpreise sind weltweit viel schneller gestiegen Abbildung 11: ... als in der Schweiz, wo dies in geringerem Mass ... der Fall war Annualisierte 3-Monats-/3-Monats-Veränderung in % für die USA, die Eurozone, Ja- Annualisierte 3-Monats-/3-Monats-Veränderung in % pan und Grossbritannien, gewichtet nach nominalen Ausgaben für den Privatver- brauch 12 Inflationsrate 12 Inflationsrate Güterpreise 10 10 Güterpreise Dienstleistungspreise 8 8 Diensleistungspreise 6 6 4 4 2 2 0 0 -2 -2 -4 -4 -6 -6 -8 -8 -10 -10 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juli 2021 Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: August 2021 Güternachfrage sollte Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Güternachfrage so hoch bleiben wird, wie sie seit Juni sich normalisieren 2020 ist. Effektiv beruhte die zusätzliche Nachfrage nach Gütern teilweise darauf, dass anstelle und folglich den von Dienstleistungen vermehrt Güter konsumiert wurden. Da die Haushalte ihr Geld nicht für Res- Aufwärtsdruck auf die taurantbesuche, Hotelübernachtungen, Konzerte und Reisen ausgeben konnten, kauften sie statt- Preise etwas dessen Möbel, Unterhaltungselektronik und Sportartikel. Weil die Corona-Restriktionen jedoch reduzieren mehr und mehr gelockert werden, dürfte sich der Dienstleistungskonsum erholen und der Substi- tutionseffekt wieder nachlassen. Dieser Gleichgewichtsfindungsprozess wird voraussichtlich Auf- wärtsdruck auf die Dienstleistungspreise erzeugen, während sich die Inflation der Güterpreise wohl graduell abschwächen wird. Besteht also Anlass zur Sorge, dass sich die Teuerung im Dienstleis- tungssektor substanziell beschleunigen könnte? Dienstleistungs- Es gibt einige Gründe zur Annahme, dass der Konsum von Dienstleistungen den Vorkrisentrend nachfrage dürfte nicht derart stark überschiessen wird, wie dies der Güterkonsum tat. Erstens ging ein Teil der sich zwar erholen, Konsumausgaben für Dienstleistungen während der Lockdowns unwiederbringlich verloren, weil aber nicht so stark die Haushalte verpasste Restaurant- und Coiffeurbesuche kaum nachholen dürften. Zweitens, überschiessen, wie und dies trifft unter anderem insbesondere auf die Eurozone und die Schweiz zu, fielen die verfüg- dies bei der baren Einkommen während der Pandemie unter ihren Vorkrisentrend und haben sich seither noch Güternachfrage zu beobachten war nicht erholt (vgl. Abb. 12). Die Haushalte in diesen Volkswirtschaften haben infolge der be- schränkten Konsummöglichkeiten zwar mehr gespart als üblich, angesichts der Einkommensero- sion werden sie diese Ersparnisse aber wohl kaum unmittelbar nach der Wiedereröffnung der Wirtschaft vollumfänglich wieder ausgeben. Abbildung 12: Die verfügbaren Einkommen der Privathaushalte sind Abbildung 13: ... wogegen sie in den USA aufgrund der fiskalischen in der Eurozone unter ihren Vorkrisentrend gefallen, ... Unterstützung nach oben schnellten In EUR Mrd., annualisiert und saisonbereinigt, Quartalsdaten In USD Mrd., annualisiert und saisonbereinigt, Quartalsdaten 7800 24000 7600 22000 7400 20000 7200 7000 18000 6800 16000 Verfügbare Einkommen 6600 Vorkrisentrend 14000 Verfügbare Einkommen 6400 Vorkrisentrend 6200 12000 6000 10000 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Europäische Zentralbank, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 1. Quartal Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 15
Abbildung 14: Die Beschäftigung hat sich in den meisten Ländern Abbildung 15: US-Konsumenten erwarten, dass Preise kurzfristig noch nicht vollständig erholt viel schneller steigen werden als auf längere Sicht Beschäftigung, Index (100 = Dezember 2019 oder 4. Quartal 2019), saisonbereinigt Erwartete Veränderung der Preise pro Jahr, in % 102 6 Während des nächsten Jahres 100 Während der nächsten fünf bis 5 zehn Jahre 98 96 4 94 3 92 90 2 USA 88 Eurozone 1 Schweiz 86 Grossbritannien 84 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: August 2021 (USA) Quelle: Bloomberg, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: August 2021 Anders präsentiert sich die Lage in den USA, wo die verfügbaren Einkommen der Haushalte auf- grund erheblicher fiskalischer Transferzahlungen deutlich über dem Vorkrisentrend liegen (vgl. Abb. 13). Die Ausgaben für den Privatverbrauch (PCE) dürften daher in den USA während einiger Zeit über dem Vorkrisentrend zu liegen kommen, was auch erklärt, weshalb das Inflationsrisiko dort höher ist als in der Eurozone und der Schweiz. Indessen stehen die verfügbaren Einkommen in den USA kurz davor, sich zu normalisieren und auf ihren Vorkrisentrend zurückzukehren. Dar- über hinaus dürften die Haushalte ihre zusätzlichen Einkommen ohnehin nicht sofort ausgeben, sondern ihren Privatkonsum über längere Zeit glätten. Beschäftigung erholt Das Risiko besteht insbesondere in den USA darin, dass die Unternehmen aufgrund einer anzie- sich, aber die Löhne henden Nachfrage mehr Personal einstellen müssen, was wiederum Aufwärtsdruck auf die Löhne steigen nicht mit erzeugen würde. Angesichts steigender Arbeitskosten werden die Dienstleistungsanbieter ihre höherem Tempo Preise erhöhen müssen, was eine Lohn-Preis-Spirale anstossen könnte. Obwohl gewisse Sekto- ren tatsächlich Einstellungsschwierigkeiten vermelden und die Erwerbsquote vermutlich aufgrund des Pandemieumfelds gesunken ist, haben sich die Arbeitsmärkte in den meisten Industrieländern noch nicht wieder auf ihre Vorkrisenniveaus erholt (vgl. Abb. 14). Die Beschäftigung in den USA nimmt zwar rasant zu, hat aber die Vollbeschäftigung noch nicht erreicht. Es gibt Berichte über steigende Löhne. Letztere sind bisher jedoch unter dem Strich nicht stärker als vor der COVID- 19-Krise gewachsen. In Europa (einschliesslich der Schweiz) werden Zwangsbeurlaubungs- und Kurzarbeitsprogramme weiterhin auf breiter Front genutzt. Dies bedeutet, dass Dienstleistungsan- bieter ihre Aktivitäten schnell wieder hochfahren können, indem sie ihre beurlaubten Mitarbeiter zurückrufen. Da beurlaubte und in Kurzarbeit geschickte Mitarbeiter nicht formell entlassen wer- den, kehren sie ohne erneute Verhandlungen zum selben Lohn an die Arbeit zurück. Entspre- chend konzentrieren sich Lohn-Neuverhandlungen doch tendenziell auf das Jahresende oder ei- nen Stellenwechsel. In diesen Volkswirtschaften ist eine inflationstreibende Lohn-Preis-Spirale folglich höchst unwahrscheinlich. Es gibt keine Belege In den USA, Europa und der Schweiz erwarten die Konsumenten, dass die Preise in den nächsten dafür, dass die zwölf Monaten schneller steigen werden als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre. Falls diese Er- Konsumenten wartungen anhalten, könnten sie tatsächlich inflationstreibend wirken. Die Konsumenten würden anhaltend höhere dann Ausgaben vorverlegen, weil sie damit rechnen, später mehr bezahlen zu müssen. Vorgezo- Inflationsraten gene Ausgaben würden die Nachfrage seitens der Haushalte ankurbeln und die Preise steigen erwarten lassen. In den USA, wo die Konsumenten auch zu ihren längerfristigen Inflationserwartungen be- fragt werden, scheinen die Antwortenden allerdings mehrheitlich einen nur vorübergehenden Infla- tionsschub zu erwarten. Im Zentralbankjargon würde man sagen, dass die langfristigen Inflations- erwartungen anscheinend gut verankert bleiben. Für die Eurozone und die Schweiz liegen zwar keine ähnlichen Umfragen vor, es ist allerdings nur schwer vorstellbar, dass die hiesigen Konsu- menten auf längere Sicht viel höhere Inflationsraten erwarten, zumal die Inflation in diesen beiden Volkswirtschaften seit vielen Jahren konstant tief ist und in den letzten Monaten viel verhaltener zugenommen hat als in den USA. Swiss Economics | 3.Q 2021 16
Inflationsrisiko ist in Nach Jahren der Lethargie hat sich die Konsumentenpreisinflation jüngst weltweit beschleunigt. In den USA am den USA ist unseres Erachtens das Risiko, dass die Inflation das Ziel der US-Notenbank (Fed) höchsten, wogegen von 2% während längerer Zeit überschiessen könnte, so hoch wie seit mindestens zehn Jahren die Teuerung nicht mehr. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit für eine derartige Entwicklung ausreichend hoch, um in der Eurozone, eine genaue Überwachung der Inflationsdynamik in den kommenden Quartalen zu rechtfertigen. der Schweiz und Und doch sind die Risiken in unseren Augen nicht hoch genug, um eine unmittelbare geld- und Japan niedrig bleiben dürfte, sodass fiskalpolitische Straffung zu rechtfertigen. Wiederum glauben wir, dass der Inflationsausblick in der Leitzinserhöhungen Eurozone, in Japan und in der Schweiz viel günstiger ist und dass sich der Anstieg der Konsumen- hier unwahrscheinlich tenpreise, der insbesondere in der Eurozone und bis zu einem gewissen Grad auch in der Schweiz sind zu beobachten ist, als weitgehend temporär erweisen wird, selbst wenn die Inflationsrisiken in den USA tatsächlich eintreten sollten. In jedem Fall ist eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine anhal- tend höhere Inflation vor dem Hintergrund einer aussergewöhnlich lockeren Geld- und Fiskalpolitik ein willkommenes Ergebnis. Hätte dieses Risiko nämlich nicht zugenommen, hätten sich sämtliche Hoffnungen darauf, dass die Zentralbanken ihre Leitzinsen jemals wieder anheben können, zer- schlagen. Mit Blick auf die Zentralbanken in der Eurozone, in der Schweiz und in Japan ist dieses Risiko indessen leider nicht stark genug gestiegen, um baldige Leitzinserhöhungen rechtfertigen und ihnen damit einen Ausstieg aus ihrer Negativzinspolitik ermöglichen zu können. maxime.botteron@credit-suisse.com Swiss Economics | 3.Q 2021 17
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Geldpolitik Höhere Inflation im Visier Diverse Zentralbanken haben ihre Inflationsziele in jüngster Vergangenheit erhöht. Demgegenüber hat die SNB ihr Ziel unverändert belassen; sie hat jedoch wiederholt versichert, auch künftig einen lockeren geldpolitischen Kurs beibehalten zu wollen. US-Notenbank (Fed) Sowohl die US-Notenbank (Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) haben ihre geldpoli- und EZB haben tischen Strategien überprüft und dabei eine Aufwärtsrevision ihrer Inflationsziele vorgenommen. Inflationsziele Beide Zentralbanken visieren nun eine Inflationsrate von 2% an, wobei ein gewisses Überschies- angehoben sen toleriert wird, wenn das Inflationsziel zuvor während längerer Zeit verpasst wurde. Die Bank of Japan (BoJ) erhöhte ihr Inflationsziel bereits im Jahr 2013 von 1% auf 2%, während die Bank of England (BoE) einen Zielwert von 2% anstrebt und verpflichtet ist, eine etwaige Abweichung der Inflationsrate zu rechtfertigen. SNB behält Zielband Die Schweizerische Nationalbank (SNB) verfolgt ein konservatives Inflationsziel, strebt sie doch bei … eine positive Inflationsrate von weniger als 2% an. Angesichts einer Inflation von 0.9% im August 2021 impliziert dies, dass die SNB ihr Ziel der Preisstabilität gegenwärtig erreicht (vgl. Abb. 1), obschon die Schweiz eine der niedrigsten Inflationsraten weltweit aufweist. Das Risiko besteht da- rin, dass diese Ausgangslage Erwartungen hinsichtlich einer Normalisierung der Geldpolitik we- cken könnte, was wiederum eine Aufwertung des CHF auslösen würde – also genau die Entwick- lung, welche die SNB vermeiden will. Darüber hinaus hat die SNB ihre Bilanz im 1. Halbjahr 2021 nicht im selben Ausmass mit Wertschriftenkäufen verlängert wie andere Zentralbanken, und das Tempo ihrer entsprechenden Erwerbungen dürfte auch in den nächsten 18 Monaten hinter jenem ihrer Pendants zurückbleiben (vgl. Abb. 2). … aber ebenso die Um die anscheinende Präferenz für eine im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften tieferen Infla- expansive Politik tion zu kompensieren und den resultierenden Aufwärtsdruck auf den CHF zu mindern, hat die SNB wiederholt verlauten lassen, dass eine expansive Geldpolitik in der Schweiz gerechtfertigt sei, obwohl das Ziel der Preisstabilität erreicht zu werden scheint. Darüber hinaus hat die SNB bei zahlreichen Gelegenheiten demonstriert, dass sie bereit ist, bei Bedarf auf Fremdwährungen lau- tende finanzielle Vermögenswerte zu kaufen, und zwar in einem Umfang, der in Relation zum Bruttoinlandprodukt deutlich grösser ist als bei anderen Zentralbanken. Unter dem Strich sollte all dies ausreichen, um eine übermässige Aufwertung des CHF zu verhindern. Abbildung 1: Zentralbanken verfehlen ihre Inflationsziele meistens Abbildung 2: Wertschriftenkäufe durch Zentralbanken Beobachtete Inflationsrate und Inflationsziel In % des annualisierten nominalen BIP im 1. Quartal 2021 Inflationsziel unterschossen Inflationsziel getroffen Inflationsziel überschossen 4.0 EZB Fed BoJ Fed 3.5 BoE SNB 3.0 BoE 2.5 EZB 2.0 1.5 BoJ 1.0 SNB 0.5 0.0 2017 2018 2019 2020 2021 03.2021 09.2021 03.2022 09.2022 Quelle: Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 Quelle: Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 2. Quartal. 2021 Ab dem 3. Quartal 2021: Prognosen. Annahmen SNB: Fremdwährungskäufe zwischen null und den ge- schätzten durchschnittlichen Käufen im Zeitraum Februar 2015 bis Mai 2016 Swiss Economics | 3.Q 2021 19
Geldpolitik I Monitor COVID-19-Kredite Unternehmen zahlen weiterhin COVID-19-Kredite zurück COVID-19-Kredite, in CHF Mrd. Seit unserem letzten Update (am 12. Mai 2021) haben Un- 18 16.9 3.1 ternehmen in der Schweiz weitere CHF 1032 Mio. an CO- 16 VID-19-Krediten zurückerstattet. Damit haben sie bisher 14 0.2 13.6 insgesamt rund CHF 3.1 Mrd. oder 18% der gewährten 12 COVID-19-Kredite beglichen. Die Ausfälle sind seit unserer 10 letzten Erhebung ebenfalls gestiegen, und zwar von CHF 171 Mio. auf CHF 239 Mio. Relativ zu den insgesamt 8 vergebenen Krediten blieben sie damit jedoch tief (Ausfall- 6 quote von 1.4%). Die noch ausstehenden COVID-19-Kre- 4 dite (im Umfang von CHF 13.6 Mrd.) entsprechen rund 2 2.7% aller Kreditlimiten (einschliesslich Hypothekenkredite), 0 welche die Banken Unternehmen in der Schweiz eingeräumt 31.07.2020 Paid back Defaulted 08.09.2021 haben. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, Credit Suisse Hypothekenkredite Wachstum von Hypothekenkrediten hat sich beschleunigt In % ggü. Vorjahr (YoY) Das Wachstum der Hypothekenkredite hat sich in der Pan- 6 demie bisher als äusserst robust erwiesen. Dies ist im We- An Unternehmen An Haushalte Total Hypothekarkredite 5 sentlichen den an Privathaushalte vergebenen Hypotheken- krediten zu verdanken, die konstant zugenommen haben. Im 4 Gegensatz dazu entwickelten sich die Hypothekenkredite für Unternehmen volatiler, stiegen sie doch im 3. Quartal 2020 3 eher langsam und verzeichneten danach eine markante Be- schleunigung. Trotz dieser Volatilität haben Hypothekenkre- 2 dite an die Adresse von Unternehmen in den letzten vierein- 1 halb Jahren schneller zugenommen als solche für Privat- haushalte. Mit Blick auf die ausstehenden Volumen zeich- 0 nen an Haushalte vergebene Hypotheken für 74% aller in- 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 ländischen Hypothekenkredite (im Umfang von CHF 1’089 Mrd.) verantwortlich. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: SNB, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Mai 2021 SNB-Gewinn Einbehaltene Gewinne lassen Rückstellungen der SNB stark steigen Rückstellungen und Eigenkapital der SNB, in CHF Mrd. 250 Die SNB wies für das 1. Halbjahr 2021 einen Reingewinn von CHF 43.5 Mrd. aus. Unter Berücksichtigung dieses Ge- winns und ihres Anteils, der Ende Jahr zurückgestellt wer- 200 den wird, dürften rund CHF 126 Mrd. für künftige Aus- schüttungen an Bund und Kantone zur Verfügung stehen. 150 Sofern die SNB für die 2. Jahreshälfte 2021 nicht einen Verlust von über CHF 86 Mrd. ausweist, werden Bund und 100 Kantone den in der aktuellen Vereinbarung über die Ge- winnausschüttung festgeschriebenen Maximalbetrag erhal- 50 ten, also CHF 6 Mrd. im nächsten Jahr. Die SNB verfügt zwar über einen umfangreichen Puffer, eine etwaige Auf- 0 wertung des CHF um 1% führt aber zu einem Verlust von 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 beinahe CHF 10 Mrd. für die SNB. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 Swiss Economics | 3.Q 2021 20
Immobilien | Monitor Bautätigkeit Neubautätigkeit rückläufig Anzahl baubewilligter Wohneinheiten, gleitende 12-Monats-Summe Der Mietwohnungsbau hat seinen Zenit überschritten. Innert Mietwohnungen Einfamilienhäuser Eigentumswohnungen 30’000 Jahresfrist ist die Anzahl baubewilligter Wohnungen um 11.5% gesunken. Die eingereichten Baugesuche sind im 25’000 gleichen Zeitraum um 11.6% tiefer ausgefallen. Trotzdem 20’000 bleibt die Mietwohnungsbautätigkeit vielerorts noch zu hoch. Bei Wohneigentum zeigt sich ein zweigeteiltes Bild: Die Be- 15’000 willigungen für Eigentumswohnungen verzeichnen ein Minus von 2.3%, und die Gesuche haben sogar um 8.9% nachge- 10’000 geben. Demgegenüber liegen sowohl die Bewilligungen 5’000 (+3.0%) als auch die Gesuche (+5.4%) für Einfamilienhäu- ser wieder leicht im Plus. 0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 thomas.rieder@credit-suisse.com Quelle: Baublatt, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juni 2021 Wohneigentum Nochmals beschleunigter Anstieg der Preise für Wohneigentum Preisentwicklung mittleres Segment; gestrichelte Linien: Durchschnitt 2000 – 2020 Wohneigentum erfährt gegenwärtig ein hohes Interesse Jahreswachstum Einfamilienhäuser 10% Jahreswachstum Eigentumswohnungen vonseiten Kaufwilliger. Da das Angebot gleichzeitig knapp Mittelwert Einfamilienhäuser 8% bleibt hat sich die Preisdynamik in den letzten Quartalen Mittelwert Eigentumswohnungen sukzessive erhöht. Innert Jahresfrist stiegen die Preise für 6% Einfamilienhäuser um 6.3%. Bei den Eigentumswohnungen 4% belief sich das Preisplus sogar auf 6.8%. Dies sind die 2% höchsten Wachstumsraten seit 2011/2012. Dass das Preiswachstum nicht noch höher ausfiel, dürfte in erster Li- 0% nie auf die strikten regulatorischen Finanzierungsanforderun- -2% gen zurückzuführen sein. Diese limitieren auch in Zukunft -4% den Spielraum der Preise nach oben. -6% 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 fabian.waltert@credit-suisse.com Quelle: Wüest Partner. Letzter Datenpunkt: 2. Quartal 2021 Immobilienanlagen Immobilienrenditen sinken leicht Renditedifferenzen zwischen Immobilienanlagen (Ausschüttung) und 10-jährigen CHF- Staatsanleihen, in Basispunkten (linke Skala) 700 Schweizer Benchmarkanleihe 10 Jahre (r. Skala) 7% Die Renditeprämie von Immobilienanlagen gegenüber Renditedifferenz zu Immobilienaktien Staatsanleihen ist in den vergangenen Quartalen etwas ge- 600 Renditedifferenz zu Immobilienfonds 6% Renditedifferenz zu Direktanlagen Wohnen (Netto-Cashflow) sunken. Zum einen haben sich die Renditen der «Eidgenos- 500 5% sen» etwas erholt – auch wenn sie deutlich im negativen 400 4% Territorium bleiben. Zum anderen hält der Abwärtsdruck auf 300 3% die Immobilienrenditen an. Dies ist insbesondere bei den Im- mobilienfonds der Fall, die zuletzt starke Preiszuwächse ver- 200 2% zeichneten. Zu den Ausschüttungs- beziehungsweise Cash- 100 1% flow-Renditen gesellen sich jedoch Wertzuwächse. Vorab 0 0% bei direkten Immobilienanlagen, wie etwa Mehrfamilienhäu- -100 -1% sern, dürfte das Aufwertungspotenzial noch nicht vollständig ausgereizt sein. -200 -2% 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 fabian.waltert@credit-suisse.com Quelle: Datastream, IAZI, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Juli 2021. Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen In- dikatoren für zukünftige Ergebnisse. Swiss Economics | 3.Q 2021 21
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